Eisengel von Gepo (Einige Monate später) ================================================================================ Kapitel 11: Post ---------------- Gleichgewicht ist unser Schlüssel, doch hat uns das niemand gelehrt. Wir taumeln durch die Wirklichkeit, sind verhasst und doch verehrt. Ein rechtes Maß ist hier zu finden, doch sind wir link und intrigant, verstecken die Gesichter hinter Masken und die Körper unter falsch Gewand. Wir sind Könige und Narren, betrügen jene, die zu nah, uns selbst und uns're Kinder und die ganze Menschenschar. Eine grausige Klaue legte sich um Harrys Herz, während er mit unregelmäßigen Atem die Eulen beobachtete, die auf ihn zustürzten. Noch drei, zwei, eins... Die erste Eule kippte seinen Becher um, die zweite schlug ihre Kralle in das Brot, die nächste hüpfte an seinem Teller vorbei, um zum Stehen zu kommen. Weitere begannen den Tisch und die Plätze seiner Freunde zu belagern, andere attackierten direkt eines seiner Körperteile wie Arm oder Schultern - eine setzte sich sogar direkt auf seinen Schoß. Harry warf nur eine gequälten Blick hinüber zu Draco, bei dem insgesamt fünf Eulen gelandet waren - allerdings befand sich in den Krallen einer ein roter Brief. Harry schluckte. Scheiße. Ein Heuler. „Ginny?", flüsterte er leise. „Ja?", sie hatte begonnen die Briefe von den Beinen der Vögel zu lösen. „Würdest du bitte zu Draco rüber gehen und ihm beistehen? Bitte. So ein Heuler kann einen mächtig aus der Fassung bringen und ich darf nicht... bitte.", er schickte ihr den herzerweichendsten Blick, den er beherrschte. Sie seufzte nur, erhob sich und schlenderte gelassen zum Slytherintisch herüber, legte Draco von hinten die Hände auf die Schultern und beugte sich zu ihm hinunter, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern, worauf er zittrig die Lasche des Heulers öffnete. Hoffentlich warf es ihn nicht zu sehr aus dem Gleichgewicht. So ein Heuler war wirklich das Gemeinste, was man jemandem antun konnte ohne wirklich ausfallend zu werden – eine Tatsache, die anscheinend selbst jeder Erstklässler verstanden hatte, denn es wurde ungewöhnlich still in der Halle, während der rote Brief seine Stimme erhob. „Bitte tue mir das nicht an.", schnitt eine leise, traurige, lebensmüde Stimme durch die komplette große Halle, während der Brief noch im selben Moment von Flammen verschlungen wurde. Harry schluckte. Dieselbe Stimme hatte er schon einmal gehört. In derselben Tonlage. Aber mit weit mehr Angst und weit mehr Hoffnung – als Misses Malfoy ihn fragte, ob es Draco gut ginge. Er durfte nicht. Er durfte nicht. Er durfte nicht. Verdammt! Was sollte er tun? Wenn er jetzt Draco hinterher lief, dann war jeden – noch dem letzten Deppen – klar, was zwischen ihnen lief. Das konnte er nicht bringen. Aber er konnte doch Draco nicht allein lassen... ja, natürlich, Ginny war ihm hinterher gerannt, aber... Harry schluckte. Das tat so unglaublich weh. Öffentlich zu Draco zu stehen würde ihn seine beiden Freunde kosten. Es würde ihn seine Karriere kosten. Es würde ihn Ted kosten. Im Zweifelsfall würde es Draco kosten. Die Zähne hart zusammen gepresst, um die Tränen nicht nach außen dringen zu lassen, wandte sich Harry dem hinter ihm schwebenden Korb zu, umfasste vorsichtig das schlafende Kind mit beiden Händen und schloss es in den Arm, während Seamus und Dean ihr Bestes gaben die Eulen von ihm fern zu halten und sie um die Briefe zu erleichtern. Harrys Zeigefinger malte Kreise auf die Wange des mittlerweile weit über einen halben Meter großen Babys. Etwas über ein halbes Jahr war Ted jetzt alt. Schon bald würde er seine erste Weihnacht erleben. Das Fest der Liebe, das Fest der Familie... seine Eltern waren tot, sein Großvater war tot, die Großmutter nicht in der Lage sich um ein Kind zu kümmern. Teds nächste Verwandte wären Narzissa und Draconis Malfoy. Im Falle eines Verfahrens würden auch die beiden als mögliche Eltern eines Heldenkinds wegfallen. Zu wem würden sie Ted bringen? Welches Leben würde Ted Remus Lupin zu führen haben? Harry schluckte erneut, doch er konnte seine Tränen nicht mehr zurück halten. Wollte er Ted denn dasselbe Leben antun, was er selbst führen musste? Nein, verdammt. Ted sollte nicht ausgeschlossen werden, weil seine Eltern sozialer Müll waren. Er sollte nicht von denen getrennt werden, die er liebte. Er sollte in keiner Pflegefamilie aufwachsen, die sich einen Dreck um ihn kümmerte. Harry hatte nicht das Recht ihm aus Eigensinn das Leben zu nehmen, was er ihm eigentlich bieten konnte. Er durfte nicht. Er durfte es einfach nicht. „Es tut mir Leid, Draco.“, flüsterte der Schwarzhaarige unhörbar für alle anderen, „Es tut mir so Leid...“ „Mister Potter!“, Rita Kimmkorns Pferdegebiss strahlte ihm breit entgegen, Block und Feder schon neben ihr her schwebend und eifrig Notizen machend. Der Achtzehnjährige blieb kurz stehen und zögerte einen Moment. Vielleicht konnte er nicht zu Draco stehen, aber machte jetzt ein Artikel den Kohl noch fetter? Er zwang ein falsches Lächeln auf seine Lippen und schritt auf die Dame zu. „Guten Morgen.“, sie blinzelte überrascht und spreizte ihre Silikonlippen noch weiter, als er sie ansprach, „Welch eine Überraschung sie hier zu treffen. Unsere Bürokratie scheint einen wahrlich langen Weg zu nehmen.“ „Wie habe ich das zu verstehen?“, fragte sie nach, das Lächeln ein wenig erblassend – sie hatte es also wirklich noch nicht gehört. „Ich will ihnen doch nicht die Vorfreude verderben.“, Harry lehnte sich vor und zwinkerte ihr zu, „Das wird ein Heidenspaß! Lassen sie mich ihnen einen Tipp geben, verehrte Rita – sie haben einen Vertrag unterschrieben. Verträge sind bindend.“ Sie blinzelte mehrfach, warf dem Fotografen neben sich ein Lächeln zu und drehte sich wieder zu ihrem Skandalopfer mit den Worten: „Du sprichst in Rätseln, Harryspatz.“ „Lassen sie es sich vom Ministerium erklären.“, der „Spatz“ legte den Kopf zur Seite und wandte sich zum Gehen, „Wenn sie mich denn entschuldigen würden, ich habe dringlichere Angelegenheiten zu regeln.“, Draco färbte irgendwie auch auf ihn ab, nicht wahr? Der Schwarzhaarige versuchte, so gut es eben ging, auch dessen schwebenden, erhabenen Gang zu imitieren. Wahrscheinlich sah er einfach nur schräg aus, aber das war ihm jetzt auch egal. So lange Kimmkorn Ruhe gab, war das sogar völlig egal. „Harry?“, sprach Dean ihn von der Seite an. „Ja?“ „Was sollen wir mit den Briefen machen?“ Der Schwarzhaarige blieb abrupt stehen, warf einen Blick auf den Packen Papier in Deans und Seamus Händen, wandte sich zu der einige Meter entfernten Rita Kimmkorn, die keine Anstalten machte ihm zu folgen, lächelte seine beiden Freunde freundlich an und antwortete lauter als nötig: „Gebt sie doch der netten Dame dort drüben. Sie wird für diese sicher mehr Verwendung finden als ich.“ Die Aussage, überhört von allen aus der Halle strömenden Schülern und ausgeführt von seinen beiden Freunden, zauberte fast völlig mühelos auf Rita Kimmkorns Gesicht einen Ausdruck von erstauntem Entsetzen und verzweifelter Angst. Interessant, welch eine Wirkung er auf Menschen haben konnte... „Harry?“, Ginny holte ihn mühelos ein und verfiel in seinen Schritt, „Du hast jetzt Wahrsagen, richtig?“ „Richtig.“, bestätigte der Schwarzhaarige nur. Sie sollte zum Punkt kommen. Wo war Draco? „Du kommst dabei sicher am Portrait der grummelnden Moorhexe vorbei, richtig?“ „Wie ist das Passwort?“, fragt er nur. „Sandelholz.“ „Danke.“, sein Schritt beschleunigte sich, „Ich überlasse dir Ted für’s erste, ja?“ Er hatte vieles erwartet. Einen weinenden Draco. Einen verkrümmt liegenden Draco. Ein Draco, der nur noch stumm in die Gegend starrte. Vieles – nur keinen aufrecht stehenden Aristokraten, beide Hände ruhig auf dem drachenköpfigen Knauf seines Ziergehstocks liegend, dessen graue Augen sich in der spärlichen Beleuchtung in seine brannten. „Draco...“, Harry trat ein und schloss das Bild hinter sich, was kammergroßen Raum bis auf eine matt glühende grüne Kugel an der Decke in Dunkelheit tauchte. „Du hast Recht.“ Die Stimme war kalt, arm an positiven Gefühlen. Sie war so schrecklich kalt und sachlich. So wie Draco es war, wenn er seine Rolle spielte – nein – seine Maske trug. Wenn er Lord Malfoy war. „Womit?“, flüsterte Harry leise. „Wir können nicht zusammen sein.“, Draco wandte weder den Blick ab noch verzog er das Gesicht, „Es ist unmöglich.“, er schloss die Augen, „Der goldene Junge an der Seite eines Mannes – das ist ein Schlag. Aber an der Seite eines Todessers...“, er schüttelte den Kopf und sah wieder auf, „Du hattest Recht. Sie werden mich jagen, um den Retter der Welt aus den Klauen eines Monsters wie mir zu befreien. Meine Mutter, Ted, mich... sie werden alles als Druckmittel benutzen, was sie finden können. Deine Freunde, deinen Besitz, dein Ansehen...“, die Augenwinkel zuckten, was die Lider sich senken ließ, „Wir können das nicht alles riskieren. Nicht dafür.“ „Für was, Draco?“, Harry schluckte und trat näher, bis er nur noch Zentimeter von dem Gesicht des anderen entfernt war. „Für eine unmögliche Liebe.“, die Hand des anderen legte sich auf seine Brust und drückte ihn von dem jungen, schönen Körper, den er begehrte. „Sie ist nicht unmöglich...“, flüsterte Harry und zog den Kopf des anderen wieder näher, um in diesen tiefen, vollen Augen versinken zu können, „Sie ist nicht möglich, ja, aber sie ist auch nicht unmöglich.“ „Ich kann nicht.“, Draco schluckte, während eine Träne über seine Wange lief, „Es tut mir so Leid, Harry, aber... ich kann nicht... ich schaffe das nicht... ich liebe dich, aber ich kann diesen Druck nicht ertragen. Und ich kann das meiner Mutter nicht antun. Ich kann nicht...“, der letzte Satz ging in ein ersticktes Schluchzen über. „Schon gut.“, Harry zog den zitternden Körper in seine Arme. „Es tut mir so Leid...“, Finger krallten sich in seine dunkle Robe, „So Leid...“ „Ich weiß, Draco. Ssssch... ist gut.“, er küsste den Teil des blonden Haarschopfes, den er erreichen konnte, „Ist doch gut...“ „Nichts ist gut...“, ein Schluchzen schüttelte den zerbrechlich wirkenden Körper, „Wäre ich nur halb so mutig wie du, dann könnte ich bei dir sein. Aber ich... ich bin zu schwach. Ich bin feige. Ich bin nur...“ „Nur ein ganz normaler Mensch. Das ist in Ordnung.“, versicherte ihm Harry noch einmal, „Du bist ein Jugendlicher, den man gefoltert hat und von dem man von klein auf Dinge verlangt hat, zu denen du kaum in der Lage warst. Du hast den Krieg durchgestanden, du hast den Tod gesehen und dennoch schaffst du es weiterzumachen. Und jetzt erwartet man zur Zeit, dass du die Pflichten erfüllst, die dein erst vor kurzem verstorbener Vater trug.“, er strich beruhigend über den Kopf des anderen, „Keine Angst, du machst deine Sache gut. Und ich will dir das nicht kaputt machen.“ „Harry...“, der mittlerweile gleich Große löste sich ein Stück und sah in die grünen Augen, „Du hast das auch durchgestanden. Das und viel mehr. Warum bist du stark, während ich mich kaum halten kann?“ „Ich bin auch nicht stark.“, gab dieser zu, „Ich habe auch verdammt Angst. Deshalb habe ich von Anfang an gesagt, dass das zwischen uns nie öffentlich werden darf.“ „Vor was hast du Angst?“, flüsterte Draco leise. „Dich zu verlieren. Und Ted zu verlieren. Ich habe um euch beide Angst. Mir kommt man sicher nicht mit mehr als einem Tadel und bösen Blicken. Aber dich stecken sie nach Askaban und Ted in eine Pflegefamilie – und meine war grauenhaft.“ Draco behielt seinen Fokus, schluckte und senkte die Augen erst nach mehreren Sekunden, bevor er seinen Kopf vorsichtig auf Harrys Schulter bettete. „Wenn... wenn wir... wenn...“, ein weiteres Schluchzen unterbrach die Worte des Blonden, „Wenn wir hier raus gehen, dann... das hier ist das letzte Mal in deinen Armen, richtig?“ Harrys Atem verließ zittrig seine Lunge. Er presste die Kiefer zusammen und schluckte. Ja. Ja, das war es. Er schloss die Arme fester um Draco, drückte ihn an sich und flüsterte erstickt: „Ja...“ Zwei Wochen. Zwei Wochen, in denen er Draco nicht gesprochen hatte. In denen er ihn nicht hatte halten können, keinen Blick mit ihm hatte tauschen können, ihm kein Lächeln hatte schenken können. Zwei verdammte Wochen lang. Zwei Wochen ohne eine Berührung, ohne einen Augenaufschlag, ohne ein einziges Wort von diesen wundervollen Lippen. „Ginny, ich kann nicht mehr.“, mit zusammen gezogenen Brauen und halb gesenkten Lidern sah Harry sehnsüchtig zum Slytherintisch hinüber. Da saß er. Sein Gott in schwarz, grün und silber, sein blonder Augenstern, sein Traum von einem Mann, einem Partner, einem Begleiter durch sein turbulentes Leben. Seine Ruhequelle, sein Heimathafen, sein ganz eigener Stern in der Finsternis. Ein unerreichbarer Stern. Der Schwarzhaarige seufzte tief. „Es tut mir Leid für euch...“, murmelte sie leise, damit Ron, der nur zwei Plätze weiter saß, es nicht hörte, „Noch ist mir kein Weg eingefallen... sag mal... was hältst du davon Hermine zu fragen? Ich weiß, was sie gesagt hat, ja, aber ich denke, sie könnte dir dennoch helfen. Und es könnte euch einander wieder näher bringen.“, sie schmunzelte, „Und wenn Hermine auf deiner Seite steht, wird Ron recht schnell klein beigeben, glaub‘ es mir. Ich kenne meinen Bruder.“ Harry warf einen Blick zur Seite. Da saß sein angeblich bester Freund, völlig unwissend über seine Gefühle, seine Wünsche, seine Einstellungen, in gewisser Weise schon ignorant, wenn es um sein wirkliches Wesen ging. Klar war er nicht nur der Held für Ron... aber er war auch nicht nur Harry. Sein Blick senkte sich zu seinem eigenen Teller, der noch unberührt auf dem Tisch stand. Aber auch für Draco war er nicht nur Harry. Auch für Draco war er immer irgendwo der Held der Zaubererwelt. Draco sah zu ihm auf, bewunderte ihn – wäre ihre Liebe nicht sowieso zerbrochen, wenn er Dracos Erwartungen enttäuscht hätte? War es nicht besser, wie es jetzt war? Er hob den Kopf wieder. Der Zeigefinger lag waagerecht auf der mit der Spitzen nach unten gedrehten Gabel, mit der Draco sein fein geschnittenes Fleisch anhob und zu seinen roseroten Lippen führte, die sich um das Stückchen legten und es ohne Hast von dem Silberbesteck zogen. Seine grauen Augen weilten währenddessen auf dem jungen Mann neben ihm, der ihm wild gestikulierend etwas erzählte, was ein Lächeln auf eben jene Lippen zauberte. Eine der Ponysträhnen seines platinblonden Haares war aus dem Zopf gerutscht und schmeichelte seine blasse Wange, wurde von einer Kopfbewegung nach hinten geworfen und fiel über sein rechtes Ohr, dessen Muschel Harry schon mit seiner Zunge nachgezeichnet hatte, zurück nach vorne. „Harry?“, Ginny drückte ihm einen Ellbogen in die Seite, „Du starrst.“ „Ich weiß...“, er atmete tief durch, schloss die Augen und öffnete die Lider nur noch so weit, dass er unweigerlich das Essen auf dem Tisch betrachten musste. „Draco würde nicht wollen, dass du verhungerst. Also probier‘ wenigstens das Hühnchen, es schmeckt fabelhaft.“ „Ja... fabelhaft...“, er stützte einen Arm auf die Tischplatte und griff lustlos nach einer Keule. „Guten Morgen allerseits!“, Professor Granger lächelte in die Runde, „Bitte begrüßt Mister O’Brian hier.“, sie wies auf den Mann neben sich, „Er wird heute eure Prüfungen abnehmen.“ Prüfungen? Harry schloss die Augen und schlug sich mental gegen die Stirn. Die Animagustestate! Über den Stress mit Kimmkorn hatte er die völlig vergessen. Er seufzte leise. Nun ja – auch kein sonderliches Problem. Er schien das natürliche Talent seines Vaters für die Verwandlung geerbt zu haben, er konnte sie mittlerweile sogar ohne Zauberstab. „Ich werde alle zur Prüfung Angemeldeten aufrufen, also haltet euch bereit.“, sie nahm eine Liste hervor, „Lavender Brown.“ Von der wussten sie ja schon, dass sie es gut konnte. Harry beobachtete, wie der Prüfer den fliederfarbenen Schmetterling bat sich auf seinen Finger zu setzen und ihn kurz vermaß. Anscheinend gehörte das Maßnehmen auch dazu, denn er hieß alle neu Verwandelten still zu stehen, um ihre groben Daten – Länge, Breite und Höhe – zu notieren. Es schien auf insgesamt mehr um die Vermessung als um die Prüfung zu gehen, denn es waren eh nur die angemeldet, die die Verwandlung konnten. Mit Ausnahme von Draco. Harry ließ seinen Blick wieder wandern. Draco war zur Prüfung angemeldet, so viel wusste er. Aber er hatte noch nie gesehen, wie sich Draco verwandelte. Er hatte allerdings auch nie gesehen, wie der Blonde es ernsthaft versuchte und daran scheiterte. Er hatte ihn still immer wieder die Bewegungen oder Worte üben sehen, doch nie beides zusammen. Er lächelte. Damit hatten sie beide ein Geheimnis um ihre Animagusformen gemacht. Harry hatte sich nämlich strikt geweigert sich in der Klasse zu verwandeln und da das wegen der Gefährlichkeit des Zaubers erlaubt war, hatte seine Professorin es ihm auch nicht krumm genommen. Wäre also für sie beide Premiere. „Draco Malfoy, Lord Malfoy.“, rief Hermine ihn mit Titel auf, während sich Harrys Mundwinkel hoben. Da schritt sein blonder Gott, viel zu erhaben und nobel für diese Welt und erst recht diese schnöde Wiese, auf der sie standen. Er schien das, was er repräsentieren wollte – ein über alles stehender, arroganter, reicher Aristokrat. Der Fleisch gewordene Mittelpunkt der Erde. Alles schien verstummt bei seinem Anblick. Alle Schüler, die Professorin und der Prüfer betrachteten ihn schweigend, in gewisser Weise erstarrt, denn nicht einmal ein Rascheln von Stoff unterbrach die Stille. „Meum animago transformo.“, sagte Draco klar und deutlich und hätte er nicht den Zauberstab bewegt, so hätte Harry es eher als eine Ankündigung als einen Zauberspruch aufgefasst, so voller Selbstbewusstsein klang die Stimme. Doch es geschah nichts. Zumindest eines Moment nicht. Volle drei Sekunden herrschte einfach nur Stille und der Schwarzhaarige fragte sich schon, ob sein Liebster den Spruch doch nicht gemeistert hatte – aber fehl gedacht. Dracos Umhang schien in der Mitte zu reißen, flog rechts und links von ihm auf, sein Kiefer und seine Nase wuchsen nach vorne aus, die Stirn währenddessen zog es nach hinten, wohin sich auch sein ganzer Kopf ausbreitete. Seinen Oberkörper warf es nach vorne, während etwas Längliches aus seinem Rückrad zu schießen schien und die Gestalt sich mit rasender Geschwindigkeit vergrößerte, bis die Schulter des auf allen Vieren stehenden Geschöpfs Harrys Kopf knapp überragten. Der Hals verlängerte sich immer weiter, während das Schwarz der ehemaligen Kleidung über ein helles Blau zu Weißgrau changierte. Harrys Unterkiefer zog es gen Boden, als er das Wesen erkannte. Es war nicht wirklich unerwartet, aber... das war... es war... einfach nur wow! Er erinnerte sich selbst daran mal wieder Luft zu holen. Draco schien seine Verwandlung beendet zu haben, denn er hob den Kopf, der sich durch den langen Hals nur auf Bauchhöhe befand, in die Höhe, bis er nur noch einen leichten Knick machte und ansonsten Pose bezogen hatte, bevor die Augen öffnete mit Blick auf den Prüfer. O’Brien sog scharf die Luft ein, machte einen ehrfürchtigen Schritt nach hinten und sah zu der nun Kopf bis Fuß – eher Klaue – sicher drei Meter ragenden Gestalt, den Blick immer auf dessen Augen fixiert. Harry konnte es ihm kaum verübeln. Diese Augen waren nicht mehr grau wie Dracos. Sie waren silbern. Sie strahlten wie poliertes Silber. Ebenso wie sein Panzerkleid. Aus Draco war ein Silberdrache geworden. Mister O’Brien hatte es nicht gewagt Draco zu vermessen. Er hatte es nicht einmal gewagt ihm nur nahe zu kommen. Er hatte geschluckt, eine kurze Notiz auf seine Liste gemacht, dem glänzenden Drachen zugenickt und mit zitternder Stimme gesagt: „Bitte verwandeln sie sich nun zurück, Lord Malfoy.“ „Nun...“, Hermine verfolgte mit ihren Augen den wieder in die Masse zurück schreitenden Draco, der die Menschenansammlung vor sich wie ein Meer spaltete, „Äh...“, sie warf einen Blick auf ihre Liste, „Theodore Nott.“ Harry schluckte und spürte seinen Körper zittern. Seine Smaragde bohrten sich in Dracos elegante, dunkle Gestalt, saugten jede Bewegung, jede Kurve seines Körpers, jede im Wind flatternde Strähne mit einem unsäglichen Genuss auf und ließen neben dem hochnäsigen Aristokraten das Bild desselben auftauchen, wie er nackt auf seinen Bett lag, wie sein Körper unter kalten Fingern erzitterte, wie er stöhnend die Augen schloss, wie er mit zusammen gepressten Kiefern den Kopf zur Seite warf, wie seine Lider flatterten, sich seine Lippen wieder spalteten, um nach Luft zu schnappen, wie seine rote Zunge über diese strich, wie das blonde Engelshaar strähnig auf seiner heißen Haut lag und Zentimeter für Zentimeter von Harrys Nasenspitze hinfort geschoben wurde, um den weißen Marmor mit Küssen bedecken zu können. „Harry!“, fauchte Hermine ungehalten. „Wie? Was?“, er riss seinen Blick von dem Blonden los und richtete ihn auf die Braunhaarige, die mit einem wütenden Gesichtsausdruck die Arme in die Seiten stemmte. „Ich habe dich jetzt mehrfach aufgerufen. Wolltest du deine Prüfung noch machen?“, fragte sie ungehalten. „Oh, ja... sorry... die Prüfung...“ Über sich selbst den Kopf schüttelnd trat er vor, rannte los und sprang ein paar Meter vor dem Prüfer ab. Nur ein Gedanke reichte und sein Körper fing Feuer, die ausgebreiteten Arme fächerten auseinander, sein Körper und sein Kopf zogen sich zusammen und der ausgestoßene Freudenschrei über die gewonnene Freiheit ging schon in ein hohes Singen über. Er flog scharf über O’Briens Kopf hinweg, sodass dieser ihn erschrocken einzog, drehte ab und nahm eine Ehrenrunde um die versammelten Schüler, die vor Begeisterung johlten und klatschten – mit Ausnahme von Draco, der seinen Flug ohne jede Regung im Gesicht beobachtete. Hermine, die als einzige seine Verwandlungsform kannte, hob schon den Arm, damit er sich niederlassen konnte, was er – mit fast etwas zu viel Schwung – auch schaffte. „Ein Phönix...“, O’Brien schüttelte lächelnd den Kopf, „Erst ein Silberdrache und jetzt so etwas. Zwei solche Hochmagier sieht man selten und dann auch noch auf einem Fleck...“, er hörte gar nicht mehr auf den Kopf zu schütteln, obwohl er einige Notizen machte, „Als Erkennungszeichen schreibe ich einfach mal die Blitznarbe auf, ich glaube, bei ihrem Namen versteht das jeder...“, er hob kurz die Augen, „Lord Black.“ Der Phönix nickte, knickte die Beine ab, sprang vorwärts vom Arm der Professorin und kam als Harry Potter wieder auf der Erde auf, der kurz lächelte, an Hermine vorbei trat, Ted auf den Arm nahm und sich wieder zu den anderen begab. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)