13 Götter von Sitamun ================================================================================ Kapitel 6: Der Intrigant im Verborgenen --------------------------------------- Gerade erst in diesem Zimmer auftauchend sehe ich zur Wand, dorthin, wohin ich immer als erstes schaue, wenn ich in dieses Zimmer komme, unbeachtet der Tatsache, dass ich es beim letzten Mal, beim Mal davor und den letzten beiden Malen davor auch tat. Aber im Moment ist es unbedeutend, aus den Augenwinkeln blicke ich zu Vexen und Laxeus. Ein letzter Blick noch zu dem Plan für diese Woche an der Wand, den ich gerade noch angesehen hatte, dann wende ich ihn wieder ab. Keine Zeit dafür. Ja, natürlich ist mir klar, dass es niemanden außer mir auffallen kann. Ich bin der einzige hier, der es kann. Diesen Geruch wahrzunehmen und nicht im selben Raum zu sein. Aber genau deswegen bin ich hier. Um es ihnen zu sagen. Ihnen. Ein kurzer Blick zu Vexen und Laxeus. Vexen sitzt zurückgelehnt auf seinem Sessel, die Füße auf dem Tisch, auf seinen Beinen ein Klemmbrett mit verschiedenen Blättern. Er murmelt leise vor sich hin, mit seinem Stift abwechselnd gegen seine Stirn tippend und mit demselben Stift sich am Hinterkopf kratzend. Er denkt über irgendetwas nach. Vermutlich über irgendeines seiner merkwürdigen Experimente, die er in seinem kleinen Labor durchführt. Blickt zwischendurch auf, als wäre es hilfreicher, beim Grübeln einfach Löcher in die Luft zu starren und als könnte ihm der Punkt, auf den er sich fixiert, Antworten geben. Er ist ein seltsamer Niemand, fast schon zu seltsam, dafür, dass er die Nummer Vier ist. Aber er war auch schon als Jemand nicht anders. Wie immer. Laxeus sitzt ihm schräg gegenüber auf dem Sofa, beachtet Vexen und mich nicht, konzentriert sich auf sein kleines Rätsel, das er vor kurzem in irgendeiner Welt entdeckte und mit dem er solange beschäftigt sein wird, bis er es gelöst hat. Dann wird er in eine neue Welt gehen und sich ein neues Rätsel holen. Fast wie automatisch greift er zwischendurch zu dem Teller vor ihm, auf dem eingelegte Pickles liegen. Auch er war nie anders. Wie immer. Nichts ist anders. Aber das habe ich auch nicht erwartet. Sie würden diesen Geruch nicht einmal wahrnehmen, selbst, wenn der Grund für ihn direkt neben ihn wäre. Er ist irgendwo im Schloss, der Grund, auch wenn ich nicht weiß, wo. Ich sollte es ihnen sagen. Es scheint ihnen nicht aufgefallen zu sein, dass ich gerade erschien. Ich erhebe die Stimme. „Ich spüre jemanden.“ Mit einer langsamen Bewegung nehme ich die Kapuze vom Kopf, erwarte eine Antwort, setze mich auf den mit Matten ausgelegten Boden. „Du hast im tiefsten Inneren der Erde jemanden gespürt?“ Vexens Antwort klingt etwas misstrauisch, aber es verwundert mich auch nicht. Er ist einfach nur abwesend, wiederholte nur das, was ich sagte, ohne dessen Inhalt genau wahrzunehmen. Doch ich schweige, warte, bis er mir vollkommen zuhört; es dauert nicht lange und er legt sein Klemmbrett weg, schenkt mir 100 Prozent seiner Aufmerksamkeit. „Das waren sicher Herzlose, oder? Rede, Zexion.“, antwortet er ungeduldig, wird lauter. „Diese Pickles habe ich eingelegt.“ „Das interessiert doch keinen!“ „Das eine war Malefiz …“, beginne ich, verschlinge meine Finger ineinander und halte sie vors Kinn, schaue nachdenklich auf irgendeinen Punkt auf den Sofatisch vor mich. „Vielleicht die Fälschung irgendeiner Karte“, erwidert Vexen sachlich, vielleicht sogar ein bisschen angenervt. Es stört mich nicht. Vexen ist – wie gesagt – etwas seltsam. Aber er könnte Recht haben. Momentan sind so viele Karten im Schloss in Gebrauch, dass diese Malefiz wirklich nur eine Täuschung sein könnte. „Marluxia und die anderen sind inzwischen auch aktiv geworden“, sagt Laxeus; als hätte er gerade darüber nachgedacht und nun das dringende Gefühl gehabt, diesen Einfall nun loszuwerden. Ich beachte ihn nicht, spreche weiter: „Und der andere Geruch stammte von …“ „Die Truppe oben verheimlicht uns etwas!“, sagt Vexen etwas lauter als zuvor, als hätten meine Informationen keinerlei Wert. Es ist eigentlich keine Ausnahme, dass wir unterschiedlicher Meinung sind und deswegen verwundert es mich auch nicht, dass die Ungeduld in mir wächst. Dieser Niemand ist einfach nur - Er ist nicht nur ein seltsamer Niemand, er verstöß oberflächlich gesehen gegen ein oberstes Gebot, das ihm als Wissenschaftler eines der wichtigsten sein sollte. Er scheint so gefühlsvoll, als hätte er sein Leben als Jemand nie beendet. „Und obwohl wir schon viel länger im Dienst sind als die, halten sie es nicht für notwendig uns zu grüßen!“ „Kann ich fortfahren?“ „Gegenseitiges Grüßen ist wichtig. Darum lautet unser Motto diesen Monat…“ „Schluss jetzt! Weiter im Text!“ Vexen schweigt, wie ich es wollte, und Laxeus bemitleidet ihn, weil ich ihn und das, was er zu sagen hat, ignoriere. Wie üblich. „Der andere Geruch stammte von Riku!“ „Riku?“ „Unsinn! Der wurde zusammen mit dem König gelöscht!“ „Das bezweifle ich.“, tue ich Laxeus Bemerkung ab, schüttele den Kopf. „Und noch was … sein Geruch war dem unseres Anführers sehr ähnlich. So, als wären sie ein und dieselbe Person …“ „Vielleicht benutzen sie dasselbe Rasierwasser?“ Mehr als einen vernichtenden Blick erhält Vexen für diese Antwort nicht von mir. Nein, auf keinen Fall dasselbe Rasierwasser. Es ist was anderes. Ich war nicht mit unserem Anführer zusammen, als er noch ein Jemand war. Ich trat der Organisation erst später bei, aber dennoch weiß ich das, was jeder Niemand weiß. Wenn ein Jemand zu einem Herzlosen wird, dann verlassen Wille und Herz den Körper und es bleibt nicht mehr als eine leere Hülle zurück. Aber manchmal, wenn der Wille stark genug ist, dann entschwindet nur das Herz und der Körper mit dem starken Willen bildet ein neues Leben. Einen Niemand. Ein Wesen, das ohne Herz nicht ist. So würde es Vexen formulieren. Scheint wohl nicht geschadet zu haben, seine Protokolle und Notizen durchzulesen, während er eine Aufgabe zu erfüllen hatte. Ich hatte zwar zusammen mit ihm unter Ansem, dem Weisen, studiert, aber ich hatte mich nur mit der Dunkelheit im Herzen beschäftigt; von der Entstehung der Niemande hatte ich erst wenige Tage vor dem Augenblick erfahren, an dem ich selbst zu einem wurde. Als wir, die Organisationsmitglieder, entstanden, erblickte im gleichen Moment auch ein Herzloser das Licht der Welt. Herzlose sind für gewöhnlich willenlos, folgen nur ihrem Instinkt; sie streben nur nach Herzen, mehr nicht. Der Grund, warum wir unsere Herzlosen nicht beachteten und sie entweder ziehen ließen oder vernichteten. Ich erinnere mich noch dunkel an den Herzlosen, der bei meiner Geburt entstand. Ein kleiner Schattenschalk, der mir bei einer Aufgabe in einer Welt eher zufällig als beabsichtigt über den Weg lief. Der Grund, warum ich wusste, dass es mein Herzloser war, war … nun, ich weiß es nicht; ich glaube, ich habe es einfach nur gespürt. Eine Ahnung. Fast wie ein Rufen der einen Hälfte, die ihre andere Seite wiederhaben will. Ich habe ihn vernichtet. Es macht aber auch keinen Unterschied, ob wir mit oder ohne Herzlose existieren, sie sind so oder so nur ein Abfallprodukt und wenn es sich nützlich machen kann, dann spricht nichts dagegen. Aber zurück zum Thema. Ich bin mir ziemlich sicher – und mit dieser Vermutung verlasse ich das Reich von Vexens wissenschaftlich geprüften Ergebnissen –, dass unser Anführer in dieser Hinsicht aus der Reihe fällt. Er wurde nicht zu einem Herzlosen, weil ihm sein Herz genommen wurde. Er machte sich zu einem. Das macht ihn anders. Fast schon besonders. Ich glaube, dass der dritte Geruch dem unseres Anführers so ähnlich ist, weil es sein Herzloser ist, der mit Riku zusammen ist. Xemnas tut nichts ohne Grund. Er hat sicherlich einen Grund gehabt. Sora … … in der Tat, er wäre Grund genug … Riku ist sein bester Freund - ein manipulierbarer bester Freund, der leicht als Schutzschild verwendet werden kann um unseren Helden des Lichts, der momentan im Schloss ist, leicht zu beeinflussen, zu verunsichern und zu verwirren. Es wäre ein guter Plan… Aber dennoch … ich weiß nicht warum, kenne nicht den Sinn dahinter … Aber es wäre eine Erklärung, vielleicht sogar eine einigermaßen plausible Erklärung. Ein letzter Blick zu Vexen. Von wegen Rasierwasser … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)