Silent Hill - Deadscene von BlindDemon ================================================================================ Kapitel 6: Die Stimme der Stille -------------------------------- Heath wollte seinen Augen nicht trauen, als die Gestalt, die gerade eben noch regelrecht verträumt gewirkt hatte, ihn plötzlich ansah. Nun erkannte er das wirkliche Ausmaß dieses Fleisch gewordenen Irrsinns. Die Einschlagstelle, die sich an dem Schädel der Kreatur befand, war so eingerissen und aufgebrochen, dass eine große Menge des Gehirns heraustrat und fast die ganze linke Seite des Gesichts verdeckte, wodurch das Wesen ihn nur mit einem Auge anblicken konnte. Aber dieses Sichtfeld schien dem Monster voll und ganz auszureichen. Langsam und fast mechanisch wirkend, drehte es seinen Kopf beharrlich immer weiter in Heaths Richtung ohne auch nur eine Sekunde lang von dem voll von Wahnsinn erfüllten Starren abzulassen. Im Licht der Taschenlampe sah das Gesicht der Kreatur noch weitaus unheimlicher aus als es ohnehin schon war, da sich der darauf fallende Schatten geradezu ins Fleisch hineingefressen hatte. Erst bei ganz genauer Betrachtung konnte man erkennen, dass es wirklich die Haut der Gestalt war, die eingefallen und rissig war und dadurch an einigen Stellen so Schwarz erschien. Dieser Anblick sollte allerdings nicht noch länger andauern. Während des schrillen EGK-Krächzen des Radios ertönte ein wehklagendes Stöhnen, als sein Unterkiefer mit einem matschend knackenden Ton nach unten klappte und es seine zerfetzten Lippen zu einem weiten Maul öffnete, was seinem Gesichtsausdruck zusätzlichen Schauder verlieh. Es war noch unangenehmer anzusehen, da es dabei nicht eine Miene verzog und ihn weiterhin mit reinem Wahnsinn in dem Auge, das ihm noch zur Verfügung stand, anstarrte. Dafür aber war es nur zu vorhersehbar, was es in diesem Moment vorhatte. Die abgetrennte und von Bandagen umwickelte Hand stützte sich mit aller Macht auf die Lehne des Stuhls, in dem es bis eben noch geruht hatte. Die andere Hand hingegen, welche noch intakt zu sein schien, aber dennoch deutlich sichtbar zu verwesen begann, hielt eine Krücke fest. Seufzend und keuchend hielt es sich auf diesen beiden Stützen und versuchte sich mit purer Gewalt aufzurichten. Das aber sollte sich als schwerer als gedacht herausstellen, da sich seine gesamte Bauchdecke, mitsamt dem Fleisch aus seinem Rücken, über sein rechtes Bein gelegt hatte und nun nachvollziehbar wurde, wozu es diese Krücke gebrauchte. Paralysiert von dem was Heath zu Gesicht bekam, dauerte es nicht lange und schon stand die Kreatur vor ihm – mit genau dem Wahnsinn im Blick, der ihn nicht eine Sekunde aus dem Auge gelassen hatte. Fest umschlossen hielt Heath an der Eisenstange fest, auf der sich nun unter seinen Handflächen ein leichter Film von Schweiß legte. Ihm schien augenblicklich mehr als sicher zu sein, was umgehend passieren würde. Unnachlässlich klirrte der schrille EKG-Ton, der kontinuierlich aus dem Radio drang, seit er das Zimmer betreten hatte, in seinen Ohren und vermischte sich mit den stöhnenden Seufzern des Monsters, das nun in voller Pracht vor ihm stand und abstruser Weise wie ein Patient aussah. Bei jedem Schritt, den es tat, erklang ein weiterer Ton seines Klageliedes und man konnte förmlich sehen, wie es unter seinen schweren Wunden litt. Dabei streckte es seinen Handstumpf in Heaths Richtung und zu seinem Erstaunen schienen die darum gewickelten Bandagen zum Leben zu erwachen, da sie immer länger wurden und ihn zu berühren drohten. Fast hätte der ‚Patient’ ihn damit erwischen können, doch Heath wehrte seine mühselig wirkende Attacke gewaltsam mit einem kräftigen Schlag der Eisenstange ab, was bewirkte, dass die Bandagen, die nun vielmehr an Tentakel erinnerten, gegen den eigenen Körper der Kreatur peitschten. Ohne auf einen weiteren Gegenangriff zu warten, schlug Heath erneut in seine Richtung, was sich jedoch als unklug herausstellen sollte, weil der ‚Patient’ umgehend die Initiative zu ergreifen schien. Ein scheußlich klingender Schrei kam Heath entgegen als das Monster seine Tentakelbandagen um die Eisenstange wickelte und diese schließlich aus seinen Händen riss und gen Boden prallen ließ. Fassungslos sah Heath in das Gesicht der Kreatur und bemerkte wie sich der rissige Mund zu so etwas wie einem Lächeln verzog, was Heath mehr als böse stimmte. Das musste er sich doch nicht bieten lassen! Und schon gar nicht von so einem Monster! Obwohl er sich im Inneren dagegen sträubte, fasste er den Entschluss und rammte mit voller Kraft gegen den ‚Patienten’, wobei dieser Heaths Angriff nicht standhalten konnte und vor Schmerz stöhnend das Gleichgewicht verlor und letztlich nach hinten kippte. Angewidert blickte Heath auf die sich am Boden vor Qualen krümmende und zuckende Gestalt, die nun angestrengt wieder aufzustehen versuchte. Heath hingegen nahm seine Eisenstange wieder auf und holte nun zum finalen Schlag aus, ehe es sich noch einmal aufrichten sollte. Er schlug das Eisenrohr mit voller Macht auf den Schädel des ‚Patienten’, wobei dessen Kopf mit einem knackenden Geräusch eine neue Platzwunde bekam und immer weiter aufbrach. Bluttropfen liefen nun über das mit feinen Rissen übersäte Gesicht. Das Auge war immer noch offen und blickte jetzt nicht mehr Heath an sondern nur noch in die Leere der Dunkelheit von der es gänzlich erfüllt war. Dabei zuckte das Augenlid, welches darüber lag ein wenig und es wirkte fast so, als ob sich seine Pupille noch ein letztes Mal Heath widmen könnte. Das Monstrum schien jedoch wirklich tot zu sein, denn kein weiterer Klang verhallte im Raum und mit seinem Tod war auch der schrille EKG-Ton des Radios verschwunden. Ein wenig außer Atem nahm Heath sein Taschentuch zum zweiten Mal in dieser Nacht aus seiner Manteltasche und tupfte erst den Schweiß aus seinem Gesicht und danach die übrig gebliebenen Krümel, die sich bei seinem Angriff möglicherweise auf seinem Mantel gelegt hatten, ab. Nachdem er sich einigermaßen zufrieden stellend gesäubert hatte, war sein Taschentuch an einigen Stellen leicht rötlich verfärbt und Heath selbst wieder ein wenig ausgeglichen. Verachtungsvoll blickte er auf das am Boden liegende Monster um es noch einmal näher zu betrachten. Mittlerweile hatte sich eine relativ kleine Blutlache unter seinem Körper gebildet und Heath war sich nun wirklich sicher, dass es sich nicht mehr rühren würde. Nun konnte er das ehemalige Büro wohl endlich in Ruhe untersuchen. Im Gegensatz zum Eingangsbereich des Krankenhauses erinnerte dieses Zimmer wenigstens noch in menschlicher Hinsicht an den ursprünglichen Raum – hier hingen nämlich nicht einfach irgendwelche Fleischbrocken von der Decke. Stattdessen erkannte er den Schrank als solchen wieder, der nur ein wenig vermodert aussah. Er versuchte die Türen zu öffnen, aber vergeblich. Der Schrank schien wohl irgendwie durch die Nässe der Luftfeuchtigkeit, die man deutlich im Raum spüren konnte, verzogen zu sein, wodurch seine Türen klemmten. War wohl nichts zu machen, dachte Heath und wandte sich nun dem Rest des Raumes zu. Ohne weiter darüber nachzudenken, setzte er sich in den Stuhl, in dem bis vor kurzem noch die Kreatur gesessen hatte, um in den Schubladen des verfallen aussehenden Schreibtisches besser nachsehen zu können – und schließlich wurde er fündig. Ein kleiner purpurroter Anhänger hatte sich in der untersten Schublade inmitten von spitzen Knochenstückchen befunden. Er war wie ein schlüsselgroßes abstraktes Messer geformt und aus seinem Griff ragten zwei stabile dickere Drähte, die um die Klinge gewickelt und in dieser auch wieder eingearbeitet waren. Die Klinge selbst wies an ihrem Ende drei Zacken auf und eine Art Verzierung war mit Schwarz darauf gezeichnet worden. „Was ist das…?“, murmelte Heath, während er den Anhänger genauer betrachtete und zwischen seinen Fingern hin und her drehte. Vielleicht war es ja so etwas wie ein Schlüssel. Es sah auf jeden Fall sehr speziell aus und er hielt es für das Beste ihn einfach mitzunehmen. Des Weiteren gab es in dem Raum nichts, das er als weiter nützlich empfunden hatte, also wandte er sich wieder der Tür zu, durch die er gekommen war, da er die andere Türe des Raumes auf Grund der nicht mehr vorhandenen Rezeption als unnütz ansah. Aber gerade als er den rostigen Türknauf berührte, durchbohrte es ihn wie einen Blitz und er drehte sich rasch um. Es war ein Klopfen. Ein leises Klopfen an der gegenüberliegenden Türe, das so jämmerlich klang als wenn jemand um Hilfe flehen würde. Ein Stirnrunzeln machte sich auf Heaths Gesicht breit und er wagte einen Schritt in Richtung der Türe, von der er glaubte, dass sie ihm nur das ewig schwarze Loch offenbaren würde. Hatte er wirklich so etwas wie ein Klopfen gehört, oder spielte ihm sein Verstand einen Streich? Er berührte den blutfarbenen Türknauf und ekelte sich dabei, da er ein wenig klebrig war. Behutsam drehte er ihn nach rechts und fragte sich, was ihn dahinter erwarten würde. Aber wie vorhergesehen, war dort nichts hinter der Türe bis auf ein paar fleischige Brocken, die auf der gegenüberliegenden Seite des Ganges von der Decke hingen. Ebenso wie erwartet, war dort noch immer nur ein endlos scheinender Abgrund vor ihm, wo normalerweise die Rezeption gestanden hatte. Gedankenverloren blickte er direkt in dieses abgrundtiefe Schwarz. Da war nichts. Kein Geräusch geschweige denn jemand, der an die Tür hätte klopfen können. Aus diesem Grund beschloss Heath die Tür wieder zu schließen, doch bevor er dies tat, ertönte ein weiteres Geräusch aus der Tiefe. Es war ein Heulen, das den Abgrund geradezu zu ihm hoch kroch und sich in seine Ohren fraß. Er würde die Stimme nicht wieder vergessen können – er kannte sie nur zu gut, doch wusste er nicht, wem sie gehörte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)