Unerwartes und Unbekanntes von Bridget (Hier kommen aller Prosa und Gedichte rein) ================================================================================ Kapitel 1: Cluster/Hotel am Bahndamm ------------------------------------ Cluster Bild: Hotel am Bahndamm von Edward Hopper Der Rauch der Zigarette weht durchs offene Fenster davon. „Mußt du immer rauchen?“ wettert sie vom Sessel aus, ohne von ihrem Buch aufzusehen. Sonnenlicht fällt ein und zeigt einen alten Mann und eine alte Frau. Der Mann geht seiner Lieblingsbeschäftigung nach. Es ist alles, was ihm geblieben ist. Und seine Frau. Seit dem Kriege und den schlechten Zeiten wurde sie immer verbitteteter. Genau wie ihre Mutter. Jetzt sitzt sie im Sessel und lißt zum wiederholten Male diesen Roman über verlorene Liebe. Bei diesem Buch, muß sie immer weinen. Die einzige sanfte Gefühlsregung, die sie noch zeigt. Sie hatten es alle nicht leicht in den Kriegsjahren. Zwei von drei Söhnen fielen irgendwo vor Paris. Heute wird ein weiteres Familienmitglied begraben. Ihr einziges Enkelkind, zu schwach zum Leben. „Willst du dich nicht umziehen?“ Fragt er. „Wann ich mich umziehe, entscheide ich!“ brüllt sie zurück. Er will keinen Ärger. Schon oft hat er daran gedacht sie zu verlassen. Bis jetzt hat er es nicht gekonnt. Manchmal könnte er sie umbringen. Heute zum Beispiel. Er blickt aus dem Fenster. Der sechs Uhr Zug kündigt sich schon von weiten an. Rauch kräuselt sich in der Luft. Heute könnte er sie umbringen. Niemand würde etwas mitbekommen. Das Abschleppseil, wenn sie in der Badewanne liegt. Im Wasser werden keine Spuren gefunden, redet er sich ein. „Willst du nicht baden gehen?“ hofft er. „Gleich!“ Blafft sie zurück. „Muß noch einmal hinunter, habe was vergessen.“ Er wirft den Zigarettenstummel aus dem Fenster. Dreht sich um und geht auf die Tür zu. „Ich wußte es! Ich habe es schon immer gesagt! Du bist zu blöd zum...“ die letzten Worte hört er nicht mehr. Die Tür ist ins Schloß gefallen. Er geht die Treppe hinunter, durch die Lobby, auf den kleinen Parkplatz des Hotels. Der Portier ruft noch guten Morgen hinterher. Er reagiert nur mit einem Kopfnicken. Reden könnte er nicht. Es könnte ihn von seinem Plan abbringen. Finden werden sie ihn nie. Wieso setzt du dich nicht einfach ins Auto und fährst weg von Ihr? Für immer. Der Gedanke war ihm schon öfters gekommen. Wäre das nicht feige. Einfach feige. So wie sie schon seit Jahren sagt. Der andere Ausweg wäre ihr Tod, dann hätte er endlich Ruhe vor ihr. Könnte im Fernsehen schauen, was er wollte. Konnte essen, was er wollte. Liebst du sie nicht mehr? Schien die Stimme in seinem Kopf zu fragen. Nein. Schon lange nicht mehr. Die Antwort war klar. Er war jetzt beim Auto, schloss den Kofferraum auf und ... das Abschleppseil nicht da! Verdammte... , er hätte schwören können, daß es da ist. Jetzt muß er umplanen. Sie liegt bestimmt schon in der Wanne. Was nun? Zweifel schleichen sich in seinen Kopf, steig ins Auto, hau ab. Dann bist du sie los. Und keiner wird dich wegen Mordes verfolgen. Nein, das wäre memmenhaft. Geh wieder zu ihr zurück. Stell dich dem Feind. Vielleicht sterbe ich ja vor ihr. Dann habe ich wenigstens im Grab Ruhe vor ihr. Er schließt den Kofferraum. Dreht sich um und geht zurück ins Hotel, durch die Lobby, die Treppe rauf. Vor der Zimmertür bleibt er kurz stehen. Zuerst zögerlich, dann entschlossen öffnet er die Tür. Ab heute wird alles anders. Ab heute werde ich mir ihre Gemeinheiten, ihre Sticheleien nicht mehr gefallen lassen. Und rauchen werde ich weiterhin. Hoffentlich stirbt sie daran. Aus dem Badezimmer drang Wassergeplätscher. Und die unvergleichliche Stimme:“Schrupp mir gefälligt den Rücken!“ „Schrupp dir deinen fetten Arsch doch selber ab!“ Das tat gut. Ab heute wird zurückgebrüllt. Er trat ans Fenster. Steckte sich eine Zigarette an. Rauch weht durch offene Fenster davon. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)