Salz von Elster ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Sam Winchester war ein eigenartiger Typ. Das wusste Zach nach einer Woche. Kein schlechter Kerl, er fand scheinbar mühelos Anschluss unter den anderen Studenten, war umgänglich und hilfsbereit, nur eben – eigenartig. Obwohl er und Zach sich im Wohnheim ein Zimmer teilten, konnte Zach ihn nicht einordnen. Er gehörte nicht zu den Kids, die, das erste Mal der elterlichen Aufsicht entronnen, jedes Wochenende Partys feierten, sich bis zur Besinnungslosigkeit besoffen und Vorlesungen versäumten. Sam wurde selten auf einer Party gesehen, er hatte nur gerade genug Kontakt zu anderen, um nicht als eigenbrötlerisch zu gelten, und er versäumte keine Vorlesungen. Er war immer da und machte sich Notizen. Zach hatte keine Möglichkeit, es genau herauszufinden, aber soweit er das beurteilen konnte, schien Sam in den Tests gut abzuschneiden. Er gehörte auch nicht zu den Anzugtypen, den Möchtegern-Yuppies, die man an ihren Aktentaschen, den Edelstahltermoskannen und den teuren Autos erkannte. Sam hatte kein Auto, keine Eltern mit Verbindungen, keine Karrierepläne, die auch nur in die Nähe des Weißen Hauses führten. Und er gehörte auch nicht zu denen, die Jura studierten, um „etwas zu bewirken“. Zu sämtlichen Gruppierungen zum Schutz der Umwelt oder jedweder Minderheiten, die in den ersten Wochen um Mitglieder unter den neuen Studenten warben, hielt er eine höfliche Distanz. Noch eigenartiger machte ihn in Zachs Augen der Zwischenfall, als Sam den Fußbodenbelag vor der Tür herausgerissen hatte. Sam hatte vor der Tür gekniet und war gerade dabei gewesen, die Ecke Linoleum, die er hochgehalten hatte, wieder auf den Boden zu setzen, als Zach hereinkam. Er hatte reagiert, wie es normal ist, wenn man abends nach Hause kommt und das parkettbedruckte Linoleum nicht an der Stelle vorfindet, an der man es erwartet. „Was tust du da? Bist du auf Drogen?“ Sam hatte einen Augenblick erschrocken gewirkt, sich allerdings schnell wieder gefangen. „Ähm… Nein. Es war nur… da war eine Delle im Boden.“ „Na und? Die werden uns rauswerfen, wenn sie das sehen.“ „Ich bring’s wieder in Ordnung.“, hatte Sam nur gesagt und das hatte er getan. Er hatte den Fußboden wieder verlegt, die Türschwelle wieder angenagelt, alles sah wie vorher aus. Es war nicht wirklich ein Problem. Und Zach hatte nicht gefragt, weil es einfach Fragen gab, die zu seltsam waren und weil er eigentlich auch keine Ahnung von Fußböden hatte, aber er war sich sicher gesehen zu haben, dass Sam Salz unter den Bodenbelag gestreut hatte. Zach fragte dann allerdings doch, nachdem er einige Wochen später das Salz fand, dass Sam unter die Fensterbretter geklebt hatte. Eine Lange Rolle in Frischhaltefolie, mit Panzertape festgeklebt. Sam hatte mit einem verlegenen Lachen erklärt, dass er wegen der Feuchtigkeit im Wohnheim Angst vor Schimmelpilzen hätte und das Salz die Luftfeuchtigkeit verringern würde. Sam war Zach bisher nicht neurotisch erschienen, aber jeder hatte seine Macken, also warum nicht Salz an allen Zimmeröffnungen? Die einzige logische Erklärung war natürlich, dass Sam einer Sekte angehörte, speziell einer Sekte, die irgendwie besessen von Salz war. Dafür sprach, dass sich Sam nie wie die anderen Studenten über die Standards des Wohnheims beschwerte, sondern enge Zimmer, kalte Heizungen, schrottreife Möbel und alte Wasserflecken an der Decke mit bemerkenswertem Gleichmut hinnahm. Und dass Sam niemals über seine Familie sprach, obwohl er sie zu vermissen schien, soweit man das sagen konnte. Es gab da dieses Mädchen, Hannah, mit dem Zach ausgegangen wäre, hätte sie nicht schwarzen Lippenstift getragen, was irgendwie einschüchtern war. Aber jede Uni brauchte ihren Grufti und Hannah war hübscher als die meisten. Zach war sich nie sicher gewesen, ob ihre Neigung zu düsterer Kleidung und okkulten Symbolen eine tiefere Bedeutung hatte oder nur ihre Verachtung für die Pastelltöne und Kruzifixkettchen der höheren Töchter zeigen sollte, aber wenn es jemanden gab, der über seltsame Salzsekten Bescheid wusste, dann vielleicht Hannah. „Salz, hm?“, fragte sie und sog an ihrem Strohhalm, auf dem schwarze Lippenstiftspuren zurückblieben. „Salz.“, bestätigte Zach, nicht mehr ganz nüchtern und langsam ein bisschen genervt von der lauten Musik, den lauten Betrunkenen und der ganzen Party überhaupt. „Vertreibt das Böse.“, sagte Hannah. Zach blinzelte. „Das Böse?“ Sie zuckte die Schultern, lächelte etwas schief. „Dämonen, Geister.“ „Dämonen? Geister?“, wiederholte er und kam sich schon etwas dumm vor. Er hätte nicht gedacht, dass jemand wie Sam abergläubisch war. „Woher weißt du so was?“ Hannah verzog das Gesicht. „Na von meinen Eltern bestimmt nicht. Bücher, Internet.“ Sie schwiegen eine Weile. „Sieht der Typ gut aus?“ Vielleicht war Sam paranoid, weil er glaubte, es gäbe böse Wesen, die man davon abhalten müsste, ins Zimmer zu kommen. Aber vielleicht sollte sich Zach um seine eigenen Angelegenheiten kümmern, denn ehrlich, was ging ihn das bisschen Salz an? Denn letzten Endes war Sam Winchester in jeder anderen Hinsicht völlig normal. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)