Nemesis von Chi_desu (ItaSasu) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Nemesis ist in der griechischen Mythologie die Göttin des „gerechten Zorns“ sowie diejenige, die „herzlos Liebende“ bestraft. Sie wurde dadurch auch zur Rachegottheit. (Quelle: Wikipedia) Prolog. Der Rauch verflüchtigt sich und vorsichtig nähere ich mich der Stelle, an der Itachi eben noch stand. Eigentlich kann ich nicht glauben, dass ich ihn tatsächlich erwischt habe, obwohl ich seinen Schrei gehört habe. Wahrscheinlich steht er längst hinter mir und wird jeden Moment sein Schwert durch meinen Körper treiben. Aber ich spüre nichts, keine andere Person in meiner Nähe. Und als ich zu der Stelle komme, wo er stand, sehe ich die blutigen Überreste seines Mantels, nicht mehr als ein paar schwarz-rote Stofffetzen, die durch das Blut, in das sie getränkt sind, zu schwer sind um von Wind davongetragen zu werden. Ich bin wirklich erstaunt. Sind das wirklich Itachis sterbliche Überreste? Ein paar Fetzen und etwas Asche? Habe ich meinen Bruder tatsächlich vernichtet? Nach allem, was ich bis hierher durchgemacht habe, erscheint es mir viel zu einfach. Das war so unspektakulär. Obwohl ich doch eigentlich genau danach gehandelt habe, hätte ich nie gedacht, dass es wirklich so ablaufen würde. Seinetwegen habe ich Orochimaru verlassen und bin ihm gefolgt. Wochenlang spielte er Katz und Maus mit mir, wann immer ich an einem Ort ankam, war er gerade abgereist. Als ich zu glauben begann, ich würde ihn nie einholen, da wartete er schon auf mich. Hier, an diesem merkwürdigen Ort. Das nächste Dorf ist kilometerweit entfernt. Hier gibt es nicht einmal eine richtige Straße in der Nähe, nur Trampelpfade bis zu dem kleinen See, der so still und friedlich daliegt, dass man kaum glauben mag, was hier gerade passiert ist. Die Sonne scheint und die Luft riecht nach Gras und Sommer und Blumen. Ist das der richtige Ort für ein blutiges Duell der letzten beiden Überlebenden des Uchiha Clans? Hat Itachi diesen Ort gewählt, um zu sterben? Ich kann es nicht glauben. Er spielt nur mit mir, ganz bestimmt. Ich bin besser geworden und ich habe ihn verwundet, aber getötet habe ich ihn nicht. Das glaube ich einfach nicht, es war viel zu einfach. Er ist hier irgendwo und wartet wahrscheinlich auf eine Gelegenheit, mich völlig überraschend attackieren zu können. Nicht, weil er den Vorteil der Überraschung nötig hätte, sondern einfach nur, um mir seine Überlegenheit zu demonstrieren. Ich warte einfach ab. Ich werde mich nicht von ihm überrumpeln lassen. So einfach mache ich es ihm nicht. Nach außen hin gelassen knie ich bei dem Häufchen Asche nieder und pflücke einen der blutigen Stofffetzen heraus. Jetzt bin ich verwundbar. Es wäre ein idealer Zeitpunkt, um mich anzugreifen. Der Adrenalinschub hat nachgelassen, jetzt fühle ich wieder Schmerzen und Erschöpfung. Ich blute aus zahllosen Wunden, habe Verbrennungen von seinen Feuerjutsu am ganzen Körper und durch die kurze Pause hat der Rausch des Kampfes nachgelassen und mein Körper giert nach Erholung. Aber es passiert nichts. Sekunden verstreichen und von ihm gibt es kein Lebenszeichen. Er würde nicht feige vor einem Kampf davonrennen. Wozu auch? Ich war ihm nicht überlegen. Ich hatte nicht die Zeit, festzustellen, ob ich ihm inzwischen wenigstens ebenbürtig bin. Die erste Hälfte unseres Kampfes haben wir damit verbracht, den anderen mit Genjutsu zu täuschen, bis wir einander ausgetestet hatten. Bis er analysiert hatte, wie viel meine Sharingan inzwischen sehen können. Und dann fand dieser Kampf statt, der nach meinem Empfinden noch nicht einmal richtig begonnen hatte. Wir waren gerade erst damit fertig, den anderen einzuschätzen. Wir hatten doch gerade erst begonnen. Ich hatte ihn mit einem von Orochimarus Jutsu bewegungsunfähig gemacht und einen Feuerball auf ihn gespieen. Es sollte ihn verletzen, nicht töten. Und jetzt stehe ich hier vor einem Haufen Asche und frage mich, was schiefgelaufen ist. Wo ist er? Was ist passiert, dass er mich nicht angreift? Jetzt schaue ich mich doch um, obwohl ich es eigentlich nicht tun wollte. Er wird es als Zeichen von Schwäche werten, denn ein Shinobi erfasst seine Umwelt mit anderen Sinnen. Die Augen benutzen zu müssen, um sich zu vergewissern, dass man sicher ist, ist eigentlich unterstes Niveau. Aber jetzt gerade brauche ich etwas Realität. Ich muss mich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass er nicht da ist, dass meine Sinne mich nicht täuschen. Denn ich kann ihn nirgends spüren. Nicht einmal einen Hauch seines übermächtigen Chakras fühle ich und das macht mich unruhig. Ein paar Meter von mir entfernt steckt etwas im Boden. Ich stehe auf und gehe darauf zu und jetzt macht sich mein verstauchter Knöchel bemerkbar. Ich bin umgeknickt, als ich in letzter Sekunde einem gigantischen Feuerregen ausgewichen bin, den er mit solcher Leichtigkeit beschworen hat. Erst jetzt merke ich, wie erschöpft ich bin. Wieviel Kraft mich unser Schlagabtausch gekostet hat. Vielleicht kommt es mir nur so vor, dass es zu einfach war. Ich habe mich verausgabt und ich habe mein Bestes gegeben. Vielleicht erscheint es mir zu einfach, weil ich in Wahrheit dachte, Itachi wäre unbesiegbar. Dort drüben im Gras steckt sein Schwert. "Oh." Zugegeben, es ist eine seltsame Reaktion in Anbetracht der Tatsachen. Itachi hätte sein Schwert nicht losgelassen, wenn ich ihn nicht voll erwischt hätte. Nicht, dass er darauf angewiesen wäre oder sonderlich daran hinge, aber es ist ein Zeichen von Schwäche, seine Waffe zurücklassen zu müssen. Eine Blöße, die er sich nie gegeben hätte. Ist er wirklich tot? Ist es wirklich vorbei? Ich habe Asche und blutige Stofffetzen, ein zurückgelassenes Schwert und das unumstößliche Wissen, dass Itachi vor einem Kampf nicht davonlaufen würde. Alles spricht dafür, dass es vorbei ist. Dass Itachi wirklich tot ist. Und ich habe ihn getötet. Ich fühle… gar nichts. Ich warte auf die Euphorie, wenigstens auf Erleichterung, aber da ist nichts. Da ist überhaupt nichts. Achtlos gehe ich an dem blutigen Schwert vorbei rüber zum Ufer des Sees. Dort geben meine Beine nach und ich falle auf die Knie. Bedächtig tauche ich meine Hände in das kalte Wasser und wasche das Blut ab. Das Wasser schwappt gegen meine Knie und durchnässt meine Schuhe und meine Hose. Mit beiden Händen schöpfe ich etwas Wasser und wasche mir damit das Gesicht. Als ich die Hände sinken lasse, sehe ich mein Spiegelbild im Wasser und ich kann nicht anders, als mich erstaunt anzustarren. Obwohl sich die Zeichen des Juin bereits größtenteils wieder zurückgezogen haben, ist meine linke Gesichtshälfte noch immer von den schwarzen Malen entstellt. Mein rechtes Auge ist noch immer ein Sharingan, das linke allerdings ist gelb und starrt mich aus dem Wasser heraus bedrohlich an. Ungläubig streiche ich mit den Fingerkuppen über meine linke Wange. Bin das wirklich ich? Es fühlt sich an, als wäre dieses entstellte Ding, das mich da anstarrt, eine fremde Person. Orochimaru. Das ist sein Werk. Bisher war das Juin für mich wie ein Segen, denn es gab mir Macht und das Gefühl, meinen Bruder besiegen zu können. Jetzt aber begreife ich, dass es tatsächlich mehr wie ein Fluch ist. Ich bin verflucht. Verunreinigt. Ich habe meine Seele beschmutzt und jetzt, wo Itachi tot ist, muss ich den Preis bezahlen. Wenn ich zu Orochimaru zurückkehre, wird er meinen Körper einfordern. Er wird ihn übernehmen und dann werde ich nichts weiter als eine leere Hülle sein, eine Marionette. Ich frage mich, ob meine Eltern sich das für den letzten Überlebenden des Uchiha Clans gewünscht hätten. Orochimaru kann ich nicht entkommen. Er wird mich überall finden und es gibt keinen Ort, wo ich Schutz suchen könnte. Ein Seufzen kommt mir über die Lippen. Der Gedanke, dass der Uchiha Clan so endet, ist traurig, aber ich fühle mich nicht traurig. Ich fühle gar nichts. Ich bin völlig leer. Ich wollte einen neuen Clan gründen. Nach Itachis Tod wollte ich eine Frau finden, heiraten und Kinder zeugen, den Clan neu aufleben lassen. Aber ich habe vergessen, dass ich das Dorf verraten habe, und dass mir von nun an Orochimaru im Nacken sitzen wird. Noch immer fixiert auf mein Spiegelbild ziehe ich meinen Kunai aus der Tasche. Vielleicht könnte ich versuchen, vor Orochimaru wegzulaufen, vielleicht würde mir Konoha sogar Asyl gewähren, trotz allem. Aber ich bin müde. Langsam wird mir bewusst, dass Itachi mein Lebensinhalt war. Er ist jetzt tot, also wozu existiere ich noch? Ich bin der Letzte meines Clans, irgendwie gehöre ich nicht mehr hierher. Ich setze die Klinge an mein linkes Handgelenk. Als der Kunai in mein Fleisch schneidet und frisches Blut aus der Wunde quillt, begreife ich, dass ich eigentlich nie vorhatte, Itachi zu überleben. Eigentlich dachte ich, ich würde mit ihm sterben. In dem Moment, als ich Konoha verlassen habe, habe ich aufgehört, die Zeit nach Itachis Tod zu planen. Ich ziehe die Klinge rasch über den Arm und sehe fasziniert zu, wie das Blut ins Wasser tropft. Orochimaru wird mich nicht bekommen. Lieber sterbe ich. Langsam nehme ich das Messer in die linke Hand. Als ich den Griff umfasste, spritzt Blut aus der Wunde und der Arm beginnt zu zittern. Ich kann den Kunai kaum halten. Meine Stirn legt sich in Falten, als ich meine Kraft sammle, und dann einen wesentlich unsaubereren Schnitt an meinem rechten Handgelenk mache. Dann fällt mir der Kunai aus der Hand. Aus der zweiten Wunde quillt wesentlich weniger Blut. Warum fühle ich keine Schmerzen? Ich knie immer noch, aber mein Knöchel tut nicht weh. Meine Hände fühlen sich taub an, der Schnitt an meinem linken Arm klafft weit auseinander, trotzdem fühle ich nur ein leichtes Kribbeln. Merkwürdig. Ich sitze da und starre auf meine Arme. Und warte. Es dauert so lange. Die Sekunden ziehen sich hin wie Stunden und ich beginne mich zu fragen, ob die Schnitte nicht tief genug sind. Bis ich nach oben sehe um in den Himmel zu schauen, und ich merke, dass mir schwindlig ist. Die Wolken bewegen sich und ich merke etwas spät, dass ich zur Seite kippe. Ich lande im seichten Wasser. Auf einmal fühle ich mich müde. Das kühle Wasser schwappt mir ins Gesicht und wäscht das Blut von meinem linken Arm. Ich stelle fest, dass ich mich nicht mehr aufsetzen kann. Ich kann kaum noch den Arm heben. Müde... Das Plätschern des Wassers wirkt so beruhigend auf mich. Ohne dass ich es will, denke ich an meine Kindheit. An die glücklichen Tage, als ich noch eine Familie hatte. Als ich noch Träume hatte. Ich habe all meine Träume verloren, als Itachi sie tötete und mich allein zurückließ. Jetzt werde ich nie mehr erfahren, warum er es getan hat. Auch egal. In ein paar Minuten wird mich das alles nicht mehr interessieren. Wie von weit her dringen Geräusche an mein Ohr, die nicht in die sanfte Stille dieses Ortes passen. Schritte. Jemand läuft am Ufer entlang. Und dann ist er bei mir, fällt auf die Knie und schreit mich an. Ich kann nicht alles verstehen, was er sagt. Ich werde in die Höhe gerissen, aus dem Wasser, in seine Arme. "Sasuke! Bist du verrückt? Was hast du getan?!" Mein Gott! Ich habe mich geirrt. Itachi ist noch am Leben. Mein Kopf ruht kraftlos an seiner Brust und ich sehe, dass die linke Seite seines Mantels zerrissen ist. Darunter ist die Haut blutig. Daher kamen also die Stofffetzen. Natürlich hat er überlebt. Wie dumm von mir zu glauben, jemand wie ich hätte ihn töten können. Wie kam ich bloß dazu? Und nun wird er der letzte Überlebende des Uchiha Clans sein. Seltsamerweise ist es mir fast egal. Ich habe nicht mehr die Kraft, mehr als einen bedauernden Gedanken daran zu verschwenden. Mir ist schwindlig, ich bin so müde. Er schüttelt mich, schreit mich an. Dann wird mir schlecht, als er aufsteht, mich auf seine Arme nimmt. Mein Kopf fällt nach hinten und ich sehe sein Gesicht. So viel Schmerz in seinen Augen... ich habe noch nie eine Gefühlsregung in seinem Gesicht gesehen und nun sieht er mich voller Verzweiflung an. Ein Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht. Ich fühle... Genugtuung. Ich habe es geschafft, ihm wehzutun. Ich hätte nie gedacht, dass ich es auf diese Weise schaffen würde, doch mir reicht der Gedanke, dass ich ihm am Ende wenigstens eine Wunde zufügen konnte. Der Schmerz in seinen Augen erfreut mich. Das ist meine Rache und es fühlt sich gut an. Mein Körper gehorcht mir nicht und ich kann nicht anders. Mein Kopf fällt zur Seite und ich schließe die Augen. Als letztes höre ich, wie Itachi meinen Namen ruft. …tbc… *** Das hab ich mal als one-shot gepostet, war aber eigentlich immer als Prolog einer langen ItaSasu Fanfic gedacht. Ich hab nur sehr, sehr, sehr lange gezögert, die FF zu posten. Als ich die ersten Kapitel geschrieben habe, wusste ich noch nicht, wie die Sache mit Sasuke und Orochimaru ausgeht, von daher läuft einiges anders als im Manga… Über Kommentare würde ich mich trotzdem freuen. Diese Story ist von mir und ich möchte keinesfalls, dass sie ohne meine Erlaubnis irgendwo anders gepostet oder veröffentlicht wird. I. From what you do, because of you ----------------------------------- Als ich zu mir komme, fühle ich mich schwächer als je zuvor. Ich öffne die Augen und starre an die Zimmerdecke. Ich kenne diesen Raum nicht und darüber bin ich sehr erleichtert. Ich hätte es nicht ertragen, bei Orochimaru aufzuwachen. Aber wo bin ich? Ich erinnere mich... Itachi... er ist tot. Ich habe ihn getötet. Und dann? Das... das Messer... Kraftlos hebe ich den Arm. Er ist dick verbunden. Also war es kein Traum. Ein freudloses Lachen kommt mir über die Lippen. Ich bin sogar zu dämlich, um mich umzubringen. "Sasuke." Die Stimme meines Bruders reißt mich endgültig zurück in die Wirklichkeit. Ich erinnere mich daran, wie er mich gefunden hat. War er es, der mich "gerettet" hat? Warum ist er hier? Ich sehe ihn an. Er sitzt an meinem Bett und sein Blick ist so ausdruckslos wie eh und je. Er trägt zur Abwechslung mal nicht seinen Akatsukimantel. Stattdessen hat er sein Netzhemd an und man sieht, dass sein Arm und seine Schulter verbunden sind. Auch wenn ich es nicht geschafft habe, ihn zu töten, habe ich ihn doch verletzt. Aber ich empfinde keine Genugtuung mehr darüber. Itachi hat mir das Leben gerettet. Damit hat er mich mehr gedemütigt als je zuvor. Ich drehe den Kopf wieder weg, um ausdruckslos an die Decke zu starren. Was auch immer er für ein Spiel mit mir spielen will, ich werde nicht mitspielen. Soll er doch mit mir machen, was er will. Sobald ich die Kraft habe, einen Kunai zu halten, werde ich das beenden, was ich beim ersten Mal nicht geschafft habe. "Sieh mich an, Sasuke", befiehlt er. Aber Itachi hat mir nichts mehr zu befehlen. Ich starre weiter an die Decke und nach einem Moment der Stille steht er auf. "Na schön, dann sprich eben nicht mit mir. Aber wenn du versuchst, Dummheiten zu machen, werde ich dich festbinden, wenn es sein muss." Er verlässt den Raum und ich habe keine Zweifel an seinen Worten. Aber ich habe gar nicht die Kraft, um irgendetwas anzustellen. Ich kann kaum die Arme heben. Alles, was ich jetzt tun kann, ist schlafen und abwarten, was weiter geschehen wird. Im Grunde ist mir sowieso alles egal. Erschöpft mache ich die Augen zu und warte darauf, dass irgendwas passiert. Mehrere Tage sind vergangen, seit ich in diesem fremden Zimmer in der Gegenwart meines Bruders zu mir kam. Auch jetzt noch fühlt sich alles was passiert seltsam unwirklich an. Itachi bringt mir dreimal am Tag etwas zu Essen, ansonsten lässt er mich weitestgehend in Ruhe. Anfangs habe ich mich geweigert, zu essen, aber er hat mir schnell klargemacht, dass er dafür sorgen wird, dass ich etwas zu mir nehme, notfalls auch mit Gewalt. Inzwischen bin ich wieder kräftig genug, um aufzustehen. Ich befinde mich in einem Haus, und offensichtlich darf ich mich darin frei bewegen. Itachi bewohnt das Zimmer neben meinem, aber ich weiß noch immer nicht, wessen Haus es ist. Wir haben noch nicht miteinander gesprochen. Jedes Wort zu ihm wäre wie ein Verrat an meinen Eltern. Ich bin Stille und Einsamkeit gewöhnt, aber diesmal ist es anders. Itachi ist immer gegenwärtig und mit ihm ist die Einsamkeit noch viel bedrückender. Die Tage sind endlos. Langsam kehren meine Lebensgeister zurück und mit ihnen auch die brennenden Fragen. Wo bin ich hier? Warum hat er mich hergebracht? Was hat er mit mir vor? Die Tür öffnet sich und stumm kommt Itachi in den Raum. Ich war gerade damit beschäftigt, aus dem Fenster zu starren und bin fast erleichtert über die Abwechslung. Er kommt zu mir und sagt: "Setz dich irgendwo hin." Weil ich nichts Besseres mit mir anzufangen weiß, tue ich, was er sagt, und setze mich auf das Bett. Er legt ein paar aufgerollte Bandagen auf das Bett und nimmt meine linke Hand. Sofort ziehe ich meinen Arm zurück. Er soll mich nicht berühren. Seine Augenbraue zuckt und er packt energisch meine Hand. "Hör auf, Sasuke!", sagt er streng, als ich wieder versuche, die Hand wegzuziehen. Ich hasse es, dass er mich berührt. Ich hasse es, wie er mich mit seinem Blick einfängt und dazu bringt, meinen Widerstand aufzugeben. Er löst meinen Verband und ich starre überrascht auf die Wunde. Es wird eine deutliche Narbe zurückbleiben. Ein Zeichen meiner Feigheit. Auch er starrt die Verletzung an, dann schaut er mir in die Augen. "Warum hast du das getan?" Die Frage überrascht mich. Ich will gar nicht darüber nachdenken, warum er mich das fragt. Meine Antwort ist stures Schweigen. Er hat mir meine Fragen auch nicht beantwortet, Fragen, die mich schon seit Jahren quälen. Sein Blick verändert sich irgendwie. "Ich lasse dich nicht sterben, Otouto." Ich weiche seinem Blick aus und er fängt an, den Arm neu zu verbinden. Ich hasse es. Und trotzdem lasse ich ihn machen, so als wäre ich ein kleines Kind. Lautlos öffne ich die Tür zu Itachis Zimmer und schleiche in den Raum. Das bisschen Licht, das von draußen in den Raum kommt, reicht aus, um zu sehen, dass er reglos im Bett liegt. Ich glaube, es ist das erste Mal, dass ich sehe, wie er schläft. Ohne einen Laut von mir zu geben, gelange ich bis ans Bett. Völlig lautlos nehme ich den Kunai, der auf dem Nachttisch liegt. Itachi liegt auf dem Rücken. Wie praktisch. Ich hebe den Arm und ziele auf seine Brust. Ich weiß, wie ich zustechen muss, um ihn gleich beim ersten Stich zu töten. Es wäre ein gerechtes Ende für ihn, im Schlaf getötet zu werden, und zwar mit seiner eigenen Waffe. Minutenlang stehe ich so da und frage mich, wieso ich es nicht zu Ende bringe. Es ist nicht, weil ich Mitleid habe. Aber weshalb dann? Noch vor ein paar Tagen hätte ich jede Chance genutzt, ihn umzubringen, egal wie feige oder hinterhältig. Seine Haare sind offen. Habe ich ihn jemals mit offenen Haaren gesehen? Merkwürdig, was für Gedanken einem kommen, wenn man kurz davor ist, den eigenen Bruder im Schlaf abzustechen. Itachi öffnet die Augen. Vielleicht war er die ganze Zeit schon wach. "Warum bringst du es nicht fertig?", fragt er mich. Fast möchte ich ihm antworten, aber ich kann einfach nicht. Ich kann nicht mit ihm sprechen. Ich lasse den Arm sinken. Er setzt sich im Bett auf und legt seine Hand in meinen Nacken. Ich hasse es, dass er mich berührt. Er zieht mich zu sich heran, bis ich das Gleichgewicht verliere und mich auf das Bett setzen muss. Er lässt mich immer noch nicht los, beugt sich noch ein Stück vor und dann küsst er mich. Bevor ich reagieren kann, ist es auch schon wieder vorbei. Nur seine Hand liegt noch in meinem Nacken und er sieht mir in die Augen. "Du solltest jetzt gehen, Sasuke." Wie betäubt stehe ich auf und kehre zurück in mein Zimmer. So als wäre nichts geschehen lege ich mich ins Bett, decke mich zu und starre an die Decke. Erst jetzt merke ich, dass ich den Kunai nicht mehr habe. Am nächsten Morgen bringt Itachi mir zum ersten Mal nicht mein Frühstück. Ich hab sowieso keinen Hunger, trotzdem verlasse ich mein Zimmer, als die ersten Sonnenstrahlen durch die Vorhänge dringen. Vielleicht ist er nicht mehr da und ich kann endlich gehen. Kurz kommt mir der Gedanke, dass ich gar nicht wüsste, wohin, trotzdem gehe ich nach unten. Itachi ist nirgends zu sehen. Die Tür ist mit mindestens einer Falle gesichert, um den Türknauf ist eine Bannschrift gewickelt, die bei Berührung sofort hochgehen würde. Wenn ich versuchen würde, die Tür zu öffnen, würde es mir den halben Arm zerfetzen. Auch die Fenster sind gesichert, ebenso wie alle anderen möglichen Fluchtwege, und alle so, dass ich die Fallen auch sehen kann. Es sind deutliche Zeichen an mich: ich will nicht, dass du dich verletzt. Aber du wirst dieses Haus nicht verlassen. Noch bin ich zu schwach, um die Fallen zu umgehen. Es wird noch etwas Zeit brauchen, bis meine Hände wieder kräftig genug zupacken können und ich wieder ganz bei Kräften bin. Bis dahin werde ich wohl hier bleiben müssen. In der Küche mache ich mich auf die Suche nach Lebensmitteln. Der Kühlschrank ist fast leer, aber auf dem Tisch steht eine Schüssel mit frischen Tomaten. Ich mag Tomaten. Also nehme ich mir eine und beiße hinein. Diesmal schmeckt sie mir nicht, oder besser gesagt: sie schmeckt nach gar nichts. Lustlos öffne ich ein paar Schränke, manche von ihnen sind leer, in anderen finde ich Mehl, Zucker und was sonst noch so in einen guten Haushalt gehört. Ein wenig bedauernd denke ich an die, die hier wohl vorher gewohnt haben. Bevor Itachi ein Haus brauchte. Wer weiß, wo er ihre Leichen verscharrt hat. Ich öffne eine Schublade und halte überrascht inne, als ich das Foto entdecke. Ich nehme es in die Hand und starre es ungläubig an. Es ist ein Bild unserer Familie. Zu viert stehen wir in unserem Garten, mein Vater in seiner Uniform, neben ihm meine Mutter, die in die Kamera lächelt. Vor ihr stehe ich, höchstens sieben Jahre alt, und grinse stolz in die Kamera. Neben mir steht Itachi, mit seinem ewig gleichgültigen Gesichtsausdruck. Die Hand meines Vaters liegt auf seiner Schulter. Warum hat Itachi dieses Foto behalten? Und warum ist es hier? Etwas tropft auf das Bild und im ersten Moment begreife ich gar nicht, dass es eine Träne war. Warum weine ich denn? Ich bin unaufmerksam, denn als Itachi mich plötzlich von hinten umarmt, trifft es mich völlig unvorbereitet. Mühsam widerstehe ich der Versuchung, ihn wegzustoßen. Ganz kurz zittert meine Hand. "Das ist Vergangenheit. Lass sie endlich ruhen." Ich sollte ihn dafür hassen, dass ausgerechnet er so etwas sagt. Er war es doch, der sie mir weggenommen hat. Aber ich kann nicht. Mir ist alles egal. Ich lege das Foto weg und warte einfach nur darauf, dass er mich loslässt. Aber stattdessen drückt er mich fester an sich und flüstert, ganz leise, so dass ich es kaum hören kann: "Verzeih mir." Verstockt starre ich an die Decke, versuche, gar nicht darauf zu reagieren, aber jetzt rollen noch mehr Tränen über meine Wangen. Die Situation ist mehr als bizarr. Jetzt stehen wir also hier, er umarmt mich und mir laufen die Tränen über das Gesicht, aber ich sehe ihn nicht an und ich sage keinen Ton. Ich finde keinen Trost in seiner Umarmung. Aber ich kann ihm auch nicht böse sein, dass er es wagt, mich um Verzeihung zu bitten. Es ist, als könnte ich gar nichts mehr fühlen. Und deshalb verstehe ich auch nicht, warum ich weine. Als endlich keine Tränen mehr fließen, wird die Umarmung etwas gelöst. Ich stehe noch immer stocksteif da, wische mir noch nicht einmal über das Gesicht. Es dauert ewig, bis er mich endlich loslässt und einen Schritt nach hinten macht. Wortlos drehe ich mich um und kehre mit tränennassem Gesicht in mein Zimmer zurück. Ich sitze auf dem Fensterbrett in dem Raum, der wohl das Wohnzimmer ist, und starre regungslos nach draußen, als Itachi sich mir nähert. Zwei weitere, endlose Tage sind vergangen, seitdem ich in seinen Armen geweint habe. Seitdem hat er kein Wort mehr zu mir gesagt. Ich fühle mich inzwischen wieder stark und kräftig. Aber vor allem mit meiner linken Hand kann ich noch immer nicht richtig zugreifen. Der Schnitt verheilt gut aber langsam beschleicht mich das Gefühl, ich könnte neben der Pulsader auch Nerven oder Muskeln durchtrennt haben. Selbst der Gedanke, dass ich mich selbst vielleicht dauerhaft verstümmelt habe, lässt mich völlig kalt. Für mich gibt es kein Morgen mehr, ich warte nur noch auf eine Gelegenheit, um mein Werk zu vollenden. "Wie lange sitzt du schon hier?", fragt mein Bruder. Schon seit Stunden. Ich habe ja sonst nichts zu tun an diesem Ort. Ich sehe ihn nicht an, antworte ihm nicht. Stattdessen starre ich weiter nach draußen, wo dichter, düsterer Wald den kleinen Garten umgibt. Er macht noch einen Schritt auf mich zu. "Sasuke. Wann wirst du endlich mit mir reden?" Ich kann nicht. Es wäre Verrat an meinen Eltern. Ich kann dich noch nicht einmal ansehen. Jetzt steht er neben mir, hat meinen Arm gepackt. Er will mich zwingen, ihm in die Augen zu sehen, aber ich habe den Kopf zur Seite gedreht. Ich will nicht. Ich kann nicht. "Wenn du denkst, dass ich dich irgendwann gehen lasse, damit du noch einmal versuchen kannst, dich umzubringen, dann irrst du dich. Ich habe es dir schon einmal gesagt, ich lasse dich nicht sterben." Willst du mich für den Rest meines Lebens hier festhalten? "Ich werde dich hier festhalten, so lange, wie es nötig ist." Stumm reiße ich mich los und stehe auf. Ich ziehe mich in die Küche zurück und beschließe, so bald wie nur irgend möglich von hier zu fliehen. Meine sehnsüchtig erwartete Gelegenheit zur Flucht kommt schneller, als ich dachte. Selbst für den übermächtigen Itachi füllt sich der Kühlschrank nicht von selbst. Ich habe ihn zwar noch nie etwas essen sehen, aber ich vermute stark, dass sogar er ab und zu etwas zu sich nimmt. Und mir muss er ja auch etwas zu Essen geben. Er ist weggegangen um neue Vorräte zu besorgen. Ich weiß, dass ich nicht viel Zeit habe. Der große Itachi lässt sich nicht dazu herab, selber einzukaufen. Vermutlich hypnotisiert er den erstbesten Passanten, der ihm über den Weg läuft. Wenn er ihn die Sachen hierher bringen lässt, wird Itachi schnell wieder zurück sein. Nachdem ich eine Menge Zeit hatte, um meine Flucht zu planen, habe ich bereits vor einer Weile die Tür als schwächsten Punkt des Hauses ausgemacht. Itachi muss schließlich ab und zu nach draußen, also kann er die Tür nicht komplett verriegeln. Das Bannsiegel an der Klinke ist eine eindringliche Warnung, deshalb wage ich es nicht, die Tür direkt anzufassen. Um sie zu zertrümmern ist sie fast zu massiv, außerdem habe ich im Haus keine geeigneten Gegenstände gefunden. Deshalb habe ich mich für Feuer entschieden. Schließlich ist das Ding letzten Endes ja doch nur aus Holz. In gebührendem Abstand stelle ich mich vor die Tür und mache die Fingerzeichen, die meiner lädierten Hand immer noch etwas schwer fallen. Ich hole tief Luft und blase einen Feuerball gegen die Tür. Im ersten Moment denke ich, dass es funktioniert. Es gibt keine Barriere, die das Feuer aufhält. Aber als ich außer Puste gerate und aufhören muss, stelle ich enttäuscht fest, dass außer einem schwarzen Fleck die Tür keinen Schaden davongetragen hat. Also hat Itachi sie doch irgendwie gesichert. Dieser Bastard. Ich bin nicht wütend, aber dafür wahnsinnig frustriert. Ich will hier raus! Unruhig renne ich in die Küche und nehme das dickste Glas aus dem Schrank. Planlos schleudere ich es gegen das nächste Fenster, und es geschieht genau das, was ich befürchtet habe. Das Glas zerplatzt, aber das Fenster hat nicht einmal einen Sprung. Was auch immer Itachi getan hat, ich werde mehr Zeit brauchen um zu entkommen. Mehr Zeit und … mehr Chakra. Noch bin ich nicht vollständig genesen. Ich mache mich daran, die Scherben aufzuheben und schneide mir dabei versehentlich den Finger. Als ein kleines bisschen Blut hervorquillt, halte ich inne. Vielleicht wäre eine dieser Scherben scharf genug, um… Aber ich merke selber, dass ich den Gedanken nicht ganz ernst meine. Meine Ziele haben sich geändert. Ich bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt noch die Absicht habe, meinem Leben ein Ende zu setzen. Aber wenn, dann ganz sicher nicht hier. Zuerst werde ich Itachi zeigen, dass er mich nicht hier einsperren und wie ein kleines Kind behandeln kann. Die gröbsten Scherben werfe ich in den Müll, dann gehe ich ins Wohnzimmer, um nach draußen zu starren und über die nächsten Versuche nachzudenken. Wie ich erwartet habe, dauert es nicht lange bis Itachi von seinem Ausflug ins Reich der Normalen zurückkehrt. Ich höre, wie er das Zimmer betritt und auf mich zukommt. "Du hast versucht, das Haus zu verlassen." Es ist keine Frage, sondern eine Feststellung. Aber er hätte auch blind sein müssen, um den Brandfleck auf der Tür und die Glassplitter in der Küche nicht zu entdecken. Ich weiß nur nicht genau, womit ich jetzt zu rechnen habe. Nachdem ich ein paar Minuten geschwiegen habe, sagt Itachi düster: "Du musst nicht mit mir reden. Aber zuhören wirst du mir." Ich habe ja auch keine andere Wahl. Eines weiß ich, nämlich dass Itachi immer das bekommt was er will. "Dass ich dich hier behalte, ist zu deiner eigenen Sicherheit. Orochimaru ist auf der Suche nach dir, und ich werde nicht zulassen, dass diese feige Schlange dich noch einmal in die Finger bekommt." Scheinbar teilnahmslos starre ich nach draußen, aber seine Worte machen mich wütend. Es geht ihn nichts an, zu wem ich gehe. Früher hat er sich auch keine Gedanken um mein Wohlbefinden gemacht. Er hat nicht das Recht, es jetzt zu tun. "Sasuke, du machst dir keine Vorstellung von dem, was er mit dir vorhat." Ich kann mich nicht beherrschen, ich werfe ihm einen bitterbösen Blick zu. Er hält dem Blick stand und sagt nur: "Sei ruhig wütend auf mich. Aber ich schwöre dir, wenn du dieses Haus ohne meine Erlaubnis verlässt, dann versohle ich dir den Hintern, dass dir Hören und Sehen vergeht." Ich bin zu perplex, um irgendwie zu reagieren. Wie kann er es wagen, so mit mir zu reden!? Itachi wendet sich ab und schickt sich an, den Raum zu verlassen. Im Türrahmen dreht er sich noch mal um und sagt mit einem mir völlig fremden Gesichtsausdruck: "Und dieses Versprechen werde ich garantiert nicht brechen, Otouto." Ich spüre, wie mir das Blut ins Gesicht schießt und mit flammendem Blick starre ich ihm hinterher. Allein für diese unverschämte Drohung möchte ich ihm bei lebendigem Leib das Herz rausreißen. Ein Schrei reißt mich aus dem Schlaf und unvermittelt sitze ich aufrecht im Bett. Im ersten Moment bin ich desorientiert, zum einen, weil ich auf meinem Nachttisch keinen Kunai vorfinde, und zum anderen, weil ich mir nicht sicher bin, ob ich das nur träume. Im nächsten Moment bin ich hellwach und ich begreife, dass es kein Traum ist. Einen Kunai habe ich nicht, dafür hat Itachi gesorgt, trotzdem springe ich aus dem Bett und schleiche mich, ohne das Licht anzumachen, aus dem Zimmer. Er war es, der geschrieen hat und ich merke, dass in meinem Kopf das totale Chaos herrscht. Was ist los? Was ist passiert? Ich öffne die Tür zu seinem Zimmer und mich empfängt Dunkelheit und Stille. Kein Kampf auf Leben und Tod, kein Blut. Ich erkenne, dass er aufrecht in seinem Bett sitzt und höre ihn laut ein- und ausatmen. Reglos stehe ich an der Tür und beobachte ihn. Kann es sein, dass er einfach schlecht geträumt hat? Was für ein Traum mag es sein, der den unbesiegbaren Itachi in Angst und Schrecken versetzt? Irgendwie dachte ich immer, jemand wie er träumt – wenn er denn überhaupt schläft – nur von großen Siegen und noch größerer Macht. Trotzdem gibt es mir ein Gefühl der Genugtuung, ihn so zu sehen. Das macht ihn irgendwie… menschlicher. "Sasuke." Natürlich hat er mich bemerkt. Das tut er immer. Er gibt sich nie Blößen. "Geh wieder schlafen." Mein zweiter Fluchtversuch ist wesentlich besser durchdacht. Es hat eine Woche gedauert, bis Itachi mich wieder alleine gelassen hat. Aber in dieser Woche bin ich endlich wieder zu Kräften gekommen. Ich habe trainiert, vor allem meine linke Hand, die jetzt wieder kräftig zupacken kann, und auch mein Chakra ist wieder groß genug, um diese verdammte Tür (und auch gleich einen Teil der Wand) zu sprengen. Als ich durch das rauchende Loch in der Wand schlüpfe, stelle ich mir seinen Gesichtsausdruck vor, wenn er zurückkommt und die Tür in kleinen Splittern im Garten wieder findet. Ich musste mich dafür ziemlich anstrengen, aber allein der Gedanke daran, dass ich ihm damit bewiesen habe, dass er mich unterschätzt hat, rechtfertigt den Aufwand. Außerdem bin ich jetzt frei. So schnell mich meine Beine tragen können, laufe ich los. Ziellos, in irgendeine Richtung, denn ich weiß sowieso nicht, wo ich genau bin. Ich benutze nicht den Weg, weil ich befürchte, Itachi zu begegnen (was bei meinem Glück nicht mal so unwahrscheinlich ist), sondern kämpfe mich mitten durch den dichten Wald. Später, wenn ich weiter weg bin, kann ich mich eine Ebene höher auf den Ästen fortbewegen, aber noch ist es mir zu unsicher. Wenn Itachi in der Nähe ist, wäre es zu riskant. Es ist etwa Mittag, als ich es dann wage, etwa drei Stunden nach meinem Ausbruch. Oben komme ich wesentlich schneller voran und ich gönne mir den ganzen Tag lang nicht eine Pause. Gegen Abend lichtet sich der Wald endlich und ich stoße auf ein kleines Dorf. Natürlich bin ich nicht dumm genug, mich im Dorf sehen zu lassen. Ehrlich gesagt bin ich, was Itachi betrifft, etwas paranoid. Man weiß ja nie, wo er seine Spione hat. Deshalb schlage ich mein "Lager" ein wenig abseits auf, genauer gesagt stelle ich ein paar Fallen um mich herum auf und lege mich dann an einer schwer einsehbaren Stelle ins Gras. Das erste Mal seit über zwei Wochen wieder unter freiem Himmel zu schlafen ist gleichzeitig befreiend und irgendwie ungewohnt. Ich bin froh, dass ich Itachi entkommen bin und wieder stelle ich mir mit einem zufriedenen Grinsen sein Gesicht vor, wenn er es merkt. Andererseits bin ich furchtbar angespannt. Ich habe Angst, dass er mir folgt und ich meinen Vorsprung verliere, wenn ich jetzt schlafe. Außerdem ist da noch etwas anderes, das ich während meiner Gefangenschaft völlig beiseite geschoben hatte. Was wird jetzt aus mir? Jetzt ist nicht nur Orochimaru, sondern auch Itachi hinter mir her. Ich kann nirgends hin, daran hat sich nichts geändert. Wo soll ich mich verstecken und was soll ich nun mit meinem Leben anfangen? Auf einmal fällt mir ein, dass Itachi noch lebt. Mein Traum war es doch, ihn zu töten. Das war bisher mein Lebensinhalt, und auch wenn ich kurzzeitig dachte, er sei tot, ist er doch ziemlich lebendig und eigentlich sollte ich mich an meinem Wunsch nach Rache festklammern. Etwas hat sich verändert. Wenn ich jetzt an Itachi denke, bin ich furchtbar wütend. Ich hasse und verachte ihn. Aber ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich ihn töten will. Dieses Gefühl der Leere, das ich hatte, als ich dachte, er sei tot, hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Es war schlimmer als alles, was mir je passiert ist. Ich glaube, ich habe begriffen, dass mich diese Rache nicht glücklich machen kann. Der Gedanke ist befreiend und damit schlafe ich dann doch noch ein. II. Would you ever really notice I've gone away ----------------------------------------------- Entgegen aller Befürchtungen liege ich noch immer dort, wo ich gestern eingeschlafen bin, als ich erwache. Und von Itachi ist weit und breit nichts zu sehen. Ich bleibe noch etwas liegen und beobachte, wie am Horizont die Sonne aufgeht. Heute Nacht habe ich seltsame Dinge geträumt, von Orochimaru und Itachi, die mich verfolgten, sich dabei gegenseitig in die Quere kamen und am Ende dann miteinander gekämpft haben, während ich seelenruhig nach Konoha zurückgekehrt bin. Ich kam zum Eingang und da wartete Naruto auf mich und hat mich begrüßt, als wäre ich nie fort gewesen. Es war nur ein Traum, aber irgendwie hat er Sehnsucht nach zu Hause in mir geweckt. In Konoha war ich eine Weile beinahe glücklich. Ich sehne mich zurück nach diesem Leben. Natürlich kann es nie mehr so werden, wie es war. Aber ich beschließe, es zu versuchen. Vielleicht nehmen sie mich wieder auf. Und vielleicht können meine Freunde mir sogar irgendwann verzeihen. Mit einem neuen Ziel vor Augen mache ich mich auf den Weg. Meine Reise dauert genau einen halben Tag lang. Ich habe nur einen Fehler gemacht, ich habe jemanden nach dem Weg gefragt, weil ich keine Ahnung hatte, wo ich mich überhaupt befinde. So müssen sie mich gefunden haben, eine andere Erklärung gibt es nicht. Jedenfalls fährt Orochimaru schwere Geschütze auf, er hat mir vier seiner armseligen Geschöpfe geschickt, an denen er mit dem Juin experimentiert hat und, als ob das nicht ausreichen würde, außerdem noch Kabuto. Die vier allein wären vielleicht kein so großes Problem, aber Kabuto ist ein anderes Kaliber. Er hat mein Training als ich bei Orochimaru war sehr genau beobachtet. Er kennt meine Stärken, aber auch meine Schwächen, ich werde mich tatsächlich anstrengen müssen, um ihn zu erledigen. "Ich werde nicht mitkommen", sage ich und überlege, wie ich mir aus dieser Situation einen Vorteil verschaffen könnte. "Ich bin fertig mit Orochimaru." Kabuto rückt seine Brille zurecht. "Du denkst doch nicht, dass Orochimaru-sama ganz umsonst all die Zeit in dich und dein Training investiert hat. Du wirst mit uns kommen. Du kannst dir aussuchen, ob du freiwillig mitkommst oder ob wir dich bewusstlos prügeln und zu ihm schleifen müssen." "Versuchen könnt ihr's ja." Etwa eine halbe Stunde später stolpere ich mit blutigem, geschwollenem Gesicht und an den Händen gefesselt hinter Kabuto her. Mir tut alles weh, ich bin mir sicher, dass ich morgen grün und blau am ganzen Körper sein werde. Dieser sadistische Bastard Kabuto hat das andere Ende des Seils mit dem sie meine Handgelenke zusammengebunden haben in der Hand. Er legt ein hohes Tempo vor und ich hinke leicht, weil er mir im Kampf beinahe den linken Fuß gebrochen hätte, der ja sowieso schon etwas angeknackst war. Wäre ich nicht total erschöpft, würde ich ihn allein für das Tempo, das er vorlegt, von hinten anspringen und sein widerliches Gesicht in den Dreck drücken. Die vier sound-nin gehen neben mir her und können sich ein hämisches Grinsen nicht verkneifen. Ehrlich gesagt hab ich nicht damit gerechnet, dass ich gegen sie verlieren würde. Ich war mal stark, stärker als Kabuto. Wie kann es sein, dass ich plötzlich nicht mehr gegen ihn ankomme? Ist es, weil ich immer noch mit den Nachwirkungen meines Kampfes gegen Itachi zu kämpfen habe? Oder habe ich Kabuto einfach unterschätzt? Ich weiß nur, dass etwas anders war. An ihm, an mir, keine Ahnung. Ich habe verloren, so sieht’s aus. Allerdings dürfte das alles schon bald meine geringste Sorge sein. Orochimaru wird nicht gerade begeistert sein. Bisher hat er mich wie einen Schüler behandelt, aber das wird sich jetzt ändern, ich kenne ihn. Er wird mich sofort durchschauen und merken, dass es für mich keinen Grund mehr gibt, bei ihm zu bleiben. Er wird nicht lange warten und meinen Körper übernehmen. Ich hatte nie die Zeit, darüber nachzudenken; jetzt habe ich sie. Und ich bekomme langsam ein mulmiges Gefühl im Magen. Ich möchte es nicht. Auf einmal fürchte ich mich fast vor Orochimaru und vor dem, was er mit mir vorhat. Ich wollte doch nach Hause zurück. Es ist schon irgendwie seltsam, was einem für Gedanken kommen, wenn man gedemütigt und geschunden an ein Seil gebunden hinter jemandem herstolpert, auf dem Weg zu einem Schicksal, das schlimmer als der Tod ist. Ich muss an meine Freunde denken. Ob Naruto schon ein Anbu ist? Und was macht Sakura? Auch wenn ich es versuche, kann ich mir die beiden beileibe nicht als 15jährige vorstellen, insbesondere Sakura. Sie war nie ein hübsches Mädchen. Aber irgendwas hatte sie… Ich hätte mich bei ihr entschuldigen sollen. Ich habe sie schlecht behandelt. Sie war immer… Mein Fuß knickt unerwartet um und ich falle vorwärts in den Dreck. Kabuto zerrt erstmal an dem Seil, als hätte er meinen Sturz nicht bemerkt. Mühsam stemme ich mich mit den Armen hoch, während er sich umdreht. Als ich aufstehen will, zieht er an dem Seil und reißt mir damit die Arme weg. Ich falle gleich noch mal in den Dreck und diesmal kann ich mich nicht abstützen. Lodernde Wut überkommt mich, als ich den Kopf hebe, und in seinem Gesicht sadistische Freude sehe. Auf diese Gelegenheit hat er lange gewartet. Seitdem ich zu Orochimaru gekommen bin, war er eifersüchtig auf mich, weil Orochimaru seine ganze Aufmerksamkeit auf mich konzentriert hat. Dabei hätte ich liebend gerne mit ihm getauscht. Es war alles andere als angenehm, im Zentrum der Aufmerksamkeit dieser feigen Schlange zu stehen. "Was ist, Sasuke-kun?", fragt Kabuto spöttisch. "Zu schwach, um aufzustehen?" "Das hättest du wohl gern", zische ich und setze mich auf. Eigentlich weiß ich schon, was jetzt passieren wird. Mein Blick fällt auf sein Handgelenk, um welches er leichtsinnigerweise das Seil gebunden hat. "Ach weißt du, dich im Dreck liegen zu sehen ist eigentlich kein so neuer Anblick für mich", höhnt er. Die vier anderen lachen. Ich aktiviere die Sharingan, weil ich weiß, was er tun wird. Ich sehe voraus, wie er das Seil strafft und genau im richtigen Moment packe ich es mit beiden Händen und ziehe mit einem kräftigen Ruck daran. Wie erwartet fliegt Kabuto mir geradezu entgegen und landet mit dem Gesicht voran im Dreck. Ich stemme mich vor, packe ihn am Kragen und zerre ihn zu mir. "Jetzt hör mir mal zu, du sadistischer Bastard", knurre ich leise, damit nur er es hören kann. "Wenn du Streit willst, das kannst du haben. Diesmal werde ich mich nicht ergeben, bevor ihr mich tot geprügelt habt. Allerdings bezweifle ich, dass dein Meister dir das so schnell verzeihen würde." Zwei seiner Wachhunde packen mich und zerren mich von ihm weg, aber er sorgt dafür, dass sie mir nichts tun. Zuerst glaube ich, dass ich gewonnen habe. Aber dann kommt er ganz nah an mich heran und sein Blick ist plötzlich eiskalt. "Du würdest mir damit einen großen Gefallen tun, Sasuke-kun", sagt er, und rammt mir dann unvermittelt seine Faust in den Magen. Mir bleibt die Luft weg und ich krümme mich vor Schmerzen. Ich schmecke Blut. An meinem Ohr höre ich ihn sagen: "Bitte tu mir den Gefallen und wehr dich." Mir zittern die Knie. Ich wusste, dass Kabuto skrupellos ist. Aber was ich im Moment spüre, ist wirklich erschreckend. Ich spüre deutlich die Absicht, zu töten. Ich habe keine Zweifel mehr, dass er mich tötet, wenn ich mich wehre, ganz egal, was Orochimaru dazu sagt. Und er wird es sicher nicht kurz und schmerzlos tun. Ein Lächeln erscheint auf Kabutos Gesicht, als ich nicht reagiere. Es ist dumm und unüberlegt, aber mein Stolz erlaubt keine andere Reaktion. Ich spucke ihm ins Gesicht. Die Mischung aus Spucke und Blut läuft über seine Wange und ich grinse. "Na dann gib dein Schlimmstes, Arschloch." Kabuto braucht weniger Zeit, um sich von der Überraschung zu erholen, als ich erwartet habe. Seine Faust trifft mich mitten ins Gesicht. Scheiße, es tut mehr weh, als ich dachte. Immerhin ist mein Gesicht bereits ramponiert. Kabuto gibt mir keine Zeit, mich zu erholen. Irgendwas trifft mich am Arm, dann im Rücken, ich habe nicht mal die Zeit, meine Augen zu öffnen und zu sehen, wo er als nächstes angreifen wird. Es tut entsetzlich weh. Kabutos medizinische Ausbildung scheint noch andere Vorteile zu haben. Er weiß genau, wo er zuschlagen muss, damit es wirklich höllisch weh tut. Ich bin gefesselt und zu kraftlos, um mich zu wehren. Also stehe ich nicht mehr auf sondern krümme mich zusammen und versuche, mein Gesicht zu schützen. Dann hört es auf einmal auf. Ich öffne mühsam die Augen und nach einigen Schwierigkeiten, mich zu orientieren, sehe ich, dass Kabuto am Boden liegt. Eine Hand liegt um seinen Hals und als ich sehe, zu wem die Hand gehört, werden meine Knie weich. Itachi ist hier. Und er erwürgt gerade Kabuto. Die vier sound-nin stürmen auf ihn zu und ich spucke erstmal Blut. Vielleicht sollte ich erleichtert sein, aber auch wenn ich dem Tod wohl gerade entronnen bin, ist mir allerhöchstens übel. Wenn Orochimaru der Teufel ist, dann ist Itachi der Antichrist. Ich will gar nicht wissen, wie er mich gefunden hat. Während mein Bruder, ohne von Kabuto abzulassen, die vier anderen von sich schleudert, überlege ich ernsthaft, ob ich wohl Chancen habe, unbemerkt zu entkommen. Der Gedanke ist allerdings so unrealistisch, dass ich mir die Mühe spare. Stattdessen setze ich mich hin und warte darauf, dass Itachi Orochimarus Handlanger erledigt. Ich beschäftige mich eingehend damit, die Stricke um meine Handgelenke irgendwie zu lösen, während schrille Schreie im Hintergrund von einem baldigen Ende des Kämpfens zeugen. Ich höre Kabuto röcheln und dann – Stille. Als ein Schatten auf mich fällt, schaue ich hoch, um meinem Bruder einen finsteren Blick zuzuwerfen. Irgendwo hinter ihm liegt Kabuto reglos im Staub, weiter weg entdecke ich auch die vier sound-nin – oder das, was von ihnen übrig ist. Itachi schneidet mit einem blutigen Kunai die Stricke um mein Handgelenk durch und sagt: "Ich habe Kabuto getötet." Unwillkürlich zucke ich die Schultern. Ich habe Kabuto eh nie sonderlich gemocht. "Das wird Orochimaru nicht besonders gefallen", fügt er hinzu. Mach Sachen. Irgendwie habe ich gerade das Gefühl, dass es gar nicht schlimmer werden kann. Orochimaru ist jetzt also stinksauer und Itachi hat mich aufgespürt. Ganz toll. Ich hoffe, er erwartet nicht, dass ich ihm dafür auch noch danke. Mein Bruder hält mir die Hand hin: "Komm. Wir gehen." Ich ignoriere seine Hand und stehe aus eigener Kraft auf. Mein verbissener Gesichtsausdruck muss mich wohl verraten haben, denn er sagt: "Ich werde mich jetzt nicht mit dir streiten. Entweder du kommst mit, oder ich trage dich, hast du verstanden?" Sein Blick sagt mir, dass es mich höchstens in noch größere Schwierigkeiten bringen würde, wenn ich mich jetzt weigere. Um mir zumindest die Demütigung zu ersparen, von ihm durch die Gegend getragen zu werden, recke ich meinen Kopf in die Höhe und folge ihm. Nach etwa einer halben Tagesreise, die uns bis eben mitten durch ein kleines Dorf geführt hat, steuert Itachi zielstrebig auf ein kleines Haus etwas abseits am Dorfrand zu. Gar nicht so unklug. Die Schreie der Bewohner wird man nicht hören, die nächsten Wohnhäuser sind zu weit entfernt. Mir ist egal, dass ich gleich einem Blutbad beiwohnen werde, ich bin viel zu erleichtert, dass wir endlich da sind. Ich kann nämlich echt nicht mehr. Aber Itachi tut nie, was man von ihm erwartet. Anstatt die Tür einzutreten und alle Bewohner abzuschlachten, wie ich es insgeheim erwartet hatte, klopft er höflich an. Die Tür geht auf und ein seltsamer, blonder Mann starrt Itachi überrascht an. Erst frage ich mich ernsthaft, ob Itachi wider Erwarten Freunde hat, dann fällt mir das Stirnband auf, mit dem durchgestrichenen Symbol, und ich begreife, dass der Mann auch ein Mitglied der Akatsuki ist. Na großartig. Sein Blick wird lauernd, als er mich sieht. "Itachi", sagt er und ich beschließe schon jetzt, dass ich ihn nicht mag. "Das ist wirklich eine Überraschung. Was ist passiert? Hmm?" "Nichts. Ich habe… Probleme mit Orochimaru und möchte dich bitten, uns ein paar Tage hier zu verstecken." Er tritt zur Seite, offenbar dürfen wir eintreten. Ich habe nicht unbedingt das Bedürfnis, dieses Haus zu betreten, aber Itachi versetzt mir einen unmissverständlichen Stoß in den Rücken, deshalb setze ich mich in Bewegung. Der blonde Mann mustert mich neugierig. Nachdem er die Tür geschlossen hat, sagt er: "Er sieht dir irgendwie ähnlich… hmm. Wer ist das?" "Mein kleiner Bruder." Itachi ignoriert meinen finsteren Blick und auch der andere scheint sich nicht weiter um mich zu kümmern, obwohl sein amüsierter Gesichtsausdruck mir Sorgen macht. Wir folgen ihm die Treppe runter in den Keller und er fragt Itachi: "Was hast du denn getan, um Orochimaru wütend zu machen? Hmm." Seine Eigenart, jeden Satz mit "Hmm" zu beenden, geht mir jetzt schon auf die Nerven. "Ich habe Kabuto getötet." "Oh." Er führt uns durch einen düsteren Gang bis zu einer Tür, vor der er stehen bleibt. "Dann hast du ein Problem, Junge. Wir sollten uns demnächst mit Orochimaru befassen. Wir alle." Er macht die Tür auf und zum Vorschein kommt das, was die Akatsuki sich wohl unter einem Gästezimmer (für ganz besondere "Gäste") vorstellen. Das vergitterte, kleine Fenster fällt mir als erstes ins Auge, danach die Ketten an den Wänden und erst zum Schluss das Bett. Es würde mich nicht wundern, wenn sich im Nachttisch auch ein paar Handschellen befinden. Itachi gibt mir noch mal einen Schubs und im größtmöglichen Abstand zu dem unheimlichen Kerl schiebe ich mich ins Zimmer. Es gibt in diesem Augenblick so unendlich viele Dinge, die mich beunruhigen, dass ich gar nicht weiß, womit ich mich zuerst befassen soll. Der Blonde lehnt die Tür an, und ich höre, wie sie draußen mit gedämpften Stimmen miteinander reden. Das gefällt mir nicht. Das alles gefällt mir ganz und gar nicht. Nach einer Weile kommt Itachi zu mir ins Zimmer und macht die Tür hinter sich zu. Was meinen Funken Hoffnung, dass sein sadistisch veranlagter Akatsukikollege vielleicht doch noch ein zweites Zimmer übrig hat, endgültig zunichte macht. Mein Bruder starrt mich an und ich starre trotzig zurück. "Möchtest du dich selbst unbedingt in Schwierigkeiten bringen, Sasuke?" Wie immer ist meine Antwort eisernes Schweigen. Er seufzt. "Langsam reicht es mir. Du hast uns beide in Schwierigkeiten gebracht. Für heute werden wir es dabei belassen, aber morgen…" Die Drohung hängt unheilvoll im Raum und ich schaudere. "Du wirst dieses Zimmer ohne meine Erlaubnis nicht verlassen. Deidara wird ebenfalls aufpassen, und glaub mir, er ist nicht so zimperlich wie ich." Zimperlich? Ich würde ja lachen, wenn ich mich daran erinnern würde, wie das geht. Er deutet auf eine Tür auf der rechten Seite und sagt: "Geh ins Bad, Deidara meinte, da findest du alles, um deine Verletzungen zu versorgen." Deidara. So heißt der Freak also. Weil ich es unerträglich finde, auf so engem Raum mit Itachi zu sein, tue ich, was er sagt und schließe mich im Bad ein. Als ich einen Blick in den Spiegel werfe, wird mir gleich wieder schlecht. Mein linkes Auge ist tiefdunkel und angeschwollen. Wenn ich versuche, zu lächeln, wird mein ganzes Gesicht seltsam schief, was mit meiner geschwollenen Unterlippe zu tun haben mag. Ich grinse einmal, um zu sehen, ob mir wirklich keine Zähne fehlen, und stelle fest, dass noch alle da sind. Na wenigstens etwas. Nachdem ich mich noch einmal vergewissert habe, dass die Tür abgeschlossen ist, ziehe ich mich aus. Wie erwartet bin ich übersät mit blauen Flecken, und es werden heute Nacht sicher noch mehr werden. Ansonsten fällt meine Bestandsaufnahme allerdings positiv aus. Keine gebrochenen Knochen. Nur mein Fuß schmerzt leicht beim Auftreten. Als ich fertig bin und in den Raum zurückkomme, ist Itachi weg. Ich vermute, dass er oben mit Deidara spricht, aber eigentlich ist es mir egal. Zwei Akatsuki sind wesentlich mehr, als ich in meinem Zustand verkraften kann, ich bin ganz froh, dass ich eine Weile alleine bin. Ich bin müde und es ist so viel passiert. Ich muss nachdenken. In meinen Shorts lege ich mich ins Bett, mittenrein, damit Itachi nicht irgendwann im Laufe der Nacht auf die Idee kommt, sich dazuzulegen. Auf einmal muss ich an diesen bizarren Kuss vor ein paar Tagen denken. Bisher habe ich diese Erinnerung erfolgreich verdrängt, aber jetzt, wo wir zusammen ein Zimmer bewohnen, drängt sie sich mir geradezu auf. Während ich so an die Decke starre und versuche, zu schlafen, kommt mir ein Gedanke: Es kann WIRKLICH nicht mehr schlimmer kommen. Orochimaru ist hinter mir her und sinnt auf Rache, ich bin ein Gefangener in einem Haus mit zwei Akatsuki. Einer davon ist ein Verrückter mit einer offenbar sadistischen Ader und der andere ist mein geisteskranker Bruder. Ich stecke ganz, ganz, ganz tief in der Scheiße. Als Itachi nachts zurückkommt, werde ich wach. Ich öffne nur meine Augen und bewege mich nicht, damit er nicht merkt, dass er mich geweckt hat. Wenn er jetzt zu mir ins Bett kommt, dann… "Schlaf weiter, Sasuke." Oh. Genau. Itachi kann man nicht täuschen. Ich höre, wie er sich auf einen Stuhl in der Ecke setzt und hoffe inbrünstig, dass es ein sehr unbequemer Stuhl ist. Gott sei Dank bin ich sehr müde, sonst würde es mir sehr schwer fallen, in Anwesenheit meines Bruders einzuschlafen. So aber fallen mir die Augen wieder zu und kurz darauf schlafe ich wie ein Stein. Als ich morgens wach werde, ist Itachi nicht mehr da. Ich gehe duschen und erst als ich triefnass zurückkomme, wird mir klar, dass meine Sachen schmutzig, blutig und zerrissen sind. Auf dem Stuhl liegt befremdliche Kleidung, die vermutlich für mich sein soll. Meine ist nicht mehr wirklich tragbar. Aber was mir Itachi hingelegt hat entspricht nicht unbedingt meinem Geschmack. Eine schwarze Hose, so wie seine, die aussieht als wäre sie mir etwas zu groß, ein komplett durchsichtiges, ärmelloses Netzhemd und für darüber noch ein loses Shirt mit einem Ausschnitt fast bis zum Bauchnabel. Grundsätzlich würde mich das beunruhigen, aber es ist nicht unpraktisch. Falls ich das Juin benutzen muss, kann ich es leicht abstreifen. Um das Netzhemd wäre es eh nicht schade. Nachdem ich mich angezogen habe, stehe ich etwas ratlos im Raum. Unwillkürlich fällt mein Blick auf die Ketten an der Wand und ich beschließe, dass ich hier garantiert nicht in Ruhe nachdenken kann. Außerdem habe ich sowieso nicht mehr viel zu verlieren, deshalb verlasse ich den Raum und gehe die Treppe rauf. Dort wartet Deidara schon auf mich. "Such dir in der Küche was zu essen", sagt er knapp. "Und lass dir nicht einfallen, dieses Haus zu verlassen, sonst breche ich dir beide Beine. Itachi wäre sehr ungehalten, wenn ich dich verliere. Hmm." Wortlos, aber ziemlich wütend, folge ich ihm in die Küche. Weil ich keinen großen Hunger habe, nehme ich mir einen Apfel und sehe mich unauffällig um. Hier sehe ich keine Bannsprüche an den Fenstern und insgeheim schmiede ich schon wieder Fluchtpläne. Meine Gedanken müssen mir wohl deutlich ins Gesicht geschrieben stehen, denn Deidara sagt erheitert: "Ich würde dir nicht dazu raten. Itachi hat anscheinend eh noch ein Hühnchen mit dir zu rupfen… hmm." Sein Gesichtsausdruck beruhigt mich nicht unbedingt. "Wo ist er eigentlich?", frage ich, auch um ein bisschen vom Thema abzulenken. Deidara sieht mich spöttisch an. "Oh, du kannst ja doch sprechen. Ich dachte schon, du wärst stumm." Auf meinen düsteren Blick hin beantwortet er meine Frage: "Itachi ist unterwegs. Hmm." Ich ziehe eine Augenbraue hoch, aber er ignoriert mich. Antworten werde ich von ihm keine bekommen. Weil ich diesen Kerl nicht unbedingt länger als nötig ertragen möchte, kehre ich zurück in das unheimliche Zimmer im Keller. III. Gotta learn the hard way ----------------------------- Als die Tür aufgeht, beschäftige ich mich gerade mit dem vergitterten Fenster; genauer gesagt versuche ich, die Eisenstangen aus ihrer Verankerung zu lösen. Und genau in dem Moment kommt Itachi ins Zimmer. Ich habe wirklich nur Pech in letzter Zeit. Er runzelt die Stirn, was bei ihm schon fast einem Gefühlsausbruch entspricht. Er atmet tief ein und sagt: "Ich habe dich gestern Abend in Ruhe gelassen, weil du sowieso schon Prügel bezogen hast. Aber jetzt werden wir uns mal unterhalten." Ich denke zynisch, dass das eine sehr einseitige Unterhaltung werden wird. "Ich habe dir gesagt, dass du das Haus nicht verlassen sollst, auch zu deinem eigenen Schutz. Jetzt ist Orochimaru nicht nur hinter dir her, sondern auch hinter mir." Gleichgültig zucke ich die Schultern. Er hätte mich ja nicht dort festzuhalten brauchen. Und ich habe ihn auch nicht gebeten, mich zu retten. Ich bin mir noch immer nicht sicher, was besser für mich wäre: Orochimaru oder mein Bruder. Auf einmal schleicht sich ein sadistischer Zug auf sein Gesicht. "Erinnerst du dich an das Versprechen, das ich dir gegeben habe?" Ich glaube, ich werde gerade leichenblass. Das KANN nicht sein Ernst sein. "Ich habe gesagt, dass ich es halten werde. Also kommst du freiwillig oder muss ich dich übers Knie legen?" Nein. Nein, das kann er nicht ernst meinen. Ich bringe ihn um. Ich schwöre bei allem was mir heilig ist, wenn er nicht sofort verschwindet, dann springe ich ihn an und verbeiße mich in seinen Arm. Ich glaube, er lächelt. Zumindest die Itachi-Version eines Lächelns. Es macht ihm Spaß. Großer Gott, ich hasse ihn. Itachi stellt sich neben das Bett. "Das ist mein Ernst, Sasuke. Du kannst es uns beiden einfach machen und es hinter dich bringen, oder du machst Ärger, aber dann wirst du es bedauern." Ich kann kaum fassen, dass das hier wirklich passiert. Mit einem trotzigen Gesichtsausdruck, aber innerlich völlig aufgewühlt, drücke ich mich gegen die Wand. Wenn er sich einbildet, dass ich seelenruhig zulasse, dass er mich demütigt, dann hat er sich geschnitten. Feindselig schüttle ich den Kopf. Mein Bruder seufzt. Und dann steht er plötzlich neben mir, blitzartig, und hat mich am Arm gepackt. Ich werde zum Bett gezerrt und die Schamesröte steigt mir ins Gesicht, als er mich tatsächlich über seine Knie legt. "WAG DAS JA NICHT!!!", brülle ich aus vollem Hals und versuche mit aller Kraft, mich aus dieser peinlichen Lage zu befreien. Er hat meinen rechten Arm gepackt und drückt ihn kraftvoll auf meinen Rücken. Ich… ich kann mich nicht befreien. Meine Fingernägel graben sich in sein Fleisch, ich versuche in meiner Verzweiflung sogar, ihn zu beißen. Nichts kann ihn beeindrucken. Irgendwo über mir höre ich ihn amüsiert sagen: "Du sprichst ja doch mit mir." "ARSCHLOCH!!", schreie ich und strample wie ein kleines Kind. "WAGE ES UND ICH TÖTE DICH! Lass mich SOFORT los!!" Er lacht leise. Ich lasse das nicht zu! Ich lasse ihn das nicht tun! Aufgebracht sammle ich Chakra in meiner Hand, aber der Versuch wird schon im Ansatz unterdrückt, weil seine Finger sich sofort so eng um mein Handgelenk schließen, dass ich glaube, es bricht gleich. Gerade als ich glaube, dass es nicht peinlicher oder schlimmer werden kann, da klatscht seine Hand auf meinen Hintern und ich schreie: "Hey! AU!" Er wird es wirklich wahrmachen. Tränen der Erniedrigung steigen in mir hoch und dann… wird es noch viel, viel schlimmer. Völlig erschöpft liege ich auf dem Bett. Mit einem selbstgerechten Ausdruck im Gesicht sitzt Itachi neben mir und ich stelle fest, dass das Wort Hass nicht mehr ausreicht, um meine Gefühle für ihn zu beschreiben. Ich stelle mir vor, wie ich ihm alle Finger einzeln abschneide und das gibt mir ein wenig Erleichterung. Oh nein, ich werde ihn nicht töten. Ich werde ihn foltern. "Ich hoffe, du hast begriffen, dass es mir ernst ist. Wenn du noch mal ausreißt, wird dir das hier harmlos erscheinen." Harmlos? Mein Hintern fühlt sich an als hätte ich mich auf eine Herdplatte gesetzt. Ich habe getobt wie ein Wahnsinniger, meine Stimme ist heiser vom Schreien und Fluchen. Aber genützt hat es nichts. Ich musste wie ein kleines Kind eine Tracht Prügel einstecken. Und ausgerechnet von ihm. Erschöpft antworte ich: "Ich hasse dich." "Tu das ruhig." Verbissen fauche ich: "Das wirst du bereuen." Meine Drohung beeindruckt ihn nicht sonderlich. Er streichelt mir die Haare aus der Stirn und nur weil ich so müde bin, beiße ich ihm nicht in die Hand. Ich schließe die Augen und höre, wie er geht. Das alles kommt mir vor wie ein Alptraum. Fünfzehn. Ich bin fünfzehn Jahre alt und er kann immer noch mit mir machen, was er will, ohne dass ich ihm irgendetwas entgegensetzen könnte. Es war so verdammt demütigend und hat mir wieder einmal deutlich vor Augen geführt, was für ein erbärmlicher Schwächling ich bin. Zu allem Überfluss habe mein Schweigen gebrochen. Jetzt kann ich ihm wenigstens sagen, wie sehr ich ihn hasse, aber es fühlt sich an wie eine weitere Niederlage. Seltsamerweise habe ich das Bedürfnis, zu weinen. Aber diese Genugtuung werde ich ihm nicht bereiten. Mit einem Handtuch um die Hüften stehe ich im Bad. Und denke nach. Es ist kalt. Selbstverständlich gibt es hier unten im Bad kein warmes Wasser, weswegen ich notgedrungen kalt geduscht habe. Auf diversen, malträtierten Körperstellen war das kalte Wasser auch äußerst angenehm, aber jetzt friere ich wie verrückt. Ich sollte mich anziehen, aber irgendwie zögere ich es hinaus. Solange ich hier drin bin, muss ich keine Angst haben, dass jeden Moment die Tür aufgeht und Itachi mir meine Mord- und Fluchtgedanken am Gesicht abliest. Die Konsequenzen kenne ich jetzt und, so sehr ich es auch hassen mag, dass seine "Strafe" auf die eine oder andere Weise Wirkung gezeigt hat, ich werde Itachi so schnell nicht wieder zu sowas provozieren. Ich löse das Handtuch und befühle meinen Hintern. Aua. Mann, er hat sich wirklich nicht zurückgehalten. Wenn ich bedenke, dass das die erste Tracht Prügel meines Lebens war… Vater hätte mich nie angerührt und Mutter sowieso nicht. Und jetzt bin ich fünfzehn und muss mir so etwas gefallenlassen. Vor gut zwei Stunden, als er gegangen ist, war ich noch so mordlustig, dass ich ihn wahrscheinlich angefallen hätte, wenn er mir über den Weg gelaufen wäre. Inzwischen sehe ich es etwas Pragmatischer. Was macht das eigentlich noch für einen Unterschied? Wie ein Kind hat er mich vorher schon behandelt. Und dass ich gegen ihn nicht ankomme, wusste ich auch schon. Diese unglaublich peinliche Episode hat bloß meine lodernde Wut auf ihn noch mehr angefacht. Es gibt im Moment nichts, was ich tun kann, um meine Rachsucht zu stillen. Mein Stolz wurde erheblich verletzt, aber um das wieder gutzumachen, müsste ich es ihm schon mit gleicher Münze heimzahlen und das kann ich mir gleich abschminken. Zwischen uns ist immer noch ein riesengroßer Unterschied. Im Grunde bin ich ihm und seinen Launen hilflos ausgeliefert. Ich habe alles versucht und trotzdem konnte ich mich nicht wehren. Irgendwie ist mir komisch zumute. Im Spiegel sehe ich, dass ich mir zaghaft auf die Unterlippe beiße. Meine Hände liegen immer noch auf meinem Hintern und irgendwie… neben meiner ganzen Wut und der Schande und der Erniedrigung… Da ist irgendwie so ein warmes, kribbelndes, angenehmes Gefühl, das ich beim besten Willen nicht einordnen kann. Ich fasse mich an. Meine Finger streichen über meinen Bauch nach unten. Kaum zu glauben, dass diese geschundene Haut doch noch so empfindlich sein kann. Mein Blick wirkt im Spiegel irgendwie fiebrig. Irgendwas an dieser Situation erregt mich. Keine Ahnung, was, aber nach der Zeit bei Orochimaru dachte ich schon, ich würde nie mehr sowas empfinden. Schon allein deshalb kümmert es mich nicht sonderlich, was das so plötzlich ausgelöst hat. Es ist ein gutes Gefühl. Mir kommen völlig irre Gedanken. Ich denke ausgerechnet an Itachi, ich kann es einfach nicht abstellen. Ganz offensichtlich ist Lust weitaus stärker als Wut, weil ich ihn in dieser Sekunde gerade nicht hassen kann. Nur um das klarzustellen, es ist NICHT mein Bruder, der mich erregt, sondern es ist… sein Blick… das, was er getan hat… das Gefühl, hilflos zu sein, das ich bis eben noch so verabscheut habe, lässt mich jetzt erschaudern und ich… Irgendwo im Stockwerk über mir kracht es und ich zucke erschrocken zusammen. Bin ich jetzt eigentlich völlig bekloppt? Ich stehe splitternackt im Bad und betatsche mich selbst und das mit zwei Geisteskranken im Haus. Ich bin ja echt nicht mehr ganz richtig im Kopf! Ich verabscheue Itachi und dass ich gerade kurz davor war, zu irgendwelchen absonderlichen Phantasien mit ihm in der Hauptrolle zu masturbieren, beunruhigt mich ohne Ende. Es ging nicht wirklich um ihn, sondern um etwas ganz Anderes, etwas, über das ich noch gar nicht nachdenken möchte. Trotzdem fühle ich mich irgendwie schmutzig. Und ich komme mir vor wie ein Geisteskranker. Nicht unbedingt zu Unrecht. Rasch hebe ich meine Sachen auf und ziehe mich an. Was hab ich mir dabei bloß gedacht? Es ist vielleicht Irrsinn, aber Itachi traue ich einfach alles zu. Wer weiß, was er alles mitbekommt. Und ich will nicht wissen, wie er reagiert hätte, wenn er mir gerade eben meine schmutzigen Gedanken im Gesicht hätte ablesen können. Auf einmal fühle ich mich in dem abgeschlossenen Raum beobachtet. Vielleicht werde ich paranoid, aber ich könnte schwören, die Wände haben Augen. Als ich abends nach oben komme, um etwas zu essen, treffe ich sehr zu meinem Missfallen Itachi und Deidara ebenfalls in der Küche an. Offenbar hat Deidara gekocht, denn auf dem Herd steht ein Topf mit dampfendem Reis. Mürrisch nehme ich mir eine Schüssel, stelle sie auf die Anrichte und fange an zu essen. Feixend sagt Deidara: "Setz dich doch, Junge. Hmm." Ich hebe den Kopf und antworte mit dem letzten Rest an Würde, der mir noch geblieben ist: "Ich ziehe es vor, stehenzubleiben." Deidara prustet los und mein Bruder grinst. Ich möchte Deidara die Schüssel an den Kopf knallen und Itachi mit den Stäbchen die Augen ausstechen. Aber ich beherrsche mich und konzentriere mich wieder auf mein Essen, während der blonde Bastard hinter mir sich nur sehr langsam von seinem Lachkrampf erholt. Als er fertig ist, spottet er: "Heute früh klang es ja, als würde jemand ermordet werden. Ich habe noch nie so kreative Flüche gehört, das muss ich schon sagen, …hmm." Ich stelle mir vor, wie ich ihn mit dem Tischtuch erwürge. Als er es satt hat, sich über mich lustig zu machen, wechselt Deidara das Thema. Jetzt spricht er wieder mit Itachi. "Übrigens hat Orochimaru bereits von sich hören lassen. Man hat mitten in einem Dorf in der Nähe der Grenze die gehäutete Leiche eines Mannes gefunden, mit der deutlichen Warnung von Orochimaru, dass er mit dir dasselbe machen wird. Hmm." Itachi wirkt ziemlich unbeeindruckt, aber mir läuft es kalt den Rücken runter. "Ich weiß, dass du in einem Zweikampf eigentlich nichts von ihm zu befürchten hast. Aber du hast mit deinem kleinen Bruder einen Klotz am Bein, und wenn Orochimaru mitbekommt, dass du…" "Ich weiß. Deswegen habe ich dich um Hilfe gebeten." "Das war definitiv eine gute Idee. Wir können es uns nicht leisten, noch ein Mitglied zu verlieren, nicht jetzt. Ich werde die anderen verständigen, wir müssen so bald wie möglich etwas unternehmen. Hmm." Irgendetwas stört mich. Es will nicht so recht zu Itachi passen, um Hilfe zu bitten. Außerdem hat Orochimaru es selbst gesagt: Itachi ist stärker als er. Wozu braucht mein Bruder Deidara oder gar noch weitere Akatsuki? Ich befürchte, dass mir die Antwort nicht gefallen wird. In dieser Nacht schlafe ich notgedrungen auf dem Bauch. Wieder kommt Itachi relativ spät, aber diesmal setzt er sich nicht mehr auf den Stuhl. Ich bin fast geschockt, als er sich zu mir ins Bett legen will. Augenblicklich bin ich hellwach, stemme mich hoch und fauche ihn an: "Komm mir nicht zu nahe!" Er ignoriert meinen Protest und setzt sich auf die Bettkante. "Ich werde nicht auf dem Boden schlafen, nur weil du ein Problem mit mir hast." Mir platzt der Kragen. Ich weiß nicht, wieso ausgerechnet jetzt. Er hat mir allein in den letzten Tagen so viel angetan und ausgerechnet jetzt raste ich aus. Aber dass er es wagt, meine grenzenlose Wut als "Problem", das ich mit ihm habe, zu bezeichnen, ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Mit einem kehligen Wutschrei stürze ich mich auf ihn. Er ist tatsächlich so überrascht von meinem Angriff, dass er nicht reagiert. Ich springe ihn schlichtweg an und reiße ihn mit vom Bett. Er stürzt rücklings auf den Boden und ich falle auf ihn drauf. Mir tut es sicher mehr weh als ihm, schließlich habe ich so viele blaue Flecken am Körper, dass ich sie gar nicht zählen kann. Aber das ist mir egal, völlig egal. Ich schlage ihm mit der Faust ins Gesicht. Er wehrt sich immer noch nicht. Meine Knöchel tun weh, weil ich so fest zugeschlagen habe. Er sieht mich an, als hätte ich ihn kaum berührt, als würde er keinen Schmerz spüren. Das macht mich nur noch wütender. Ich weiß nicht, wie mir geschieht. Dieses Gefühlschaos, das ständige Schwanken zwischen allen Extremen, hat seine Spuren hinterlassen. Ich bin nicht ich selbst, ich verliere völlig die Kontrolle. Wie von selbst legen sich meine Hände um seinen Hals und ich drücke zu. "Bastard!", brülle ich ihn an. "Ich HASSE DICH!!!" Irgendwo in meinem Kopf weiß ich, dass ich langsam den Verstand verliere. Anstatt ihn zu würgen, sollte ich alle Jutsu aufbringen, die ich je gelernt habe. Mit brachialer körperlicher Gewalt ist ihm doch nicht beizukommen. Aber ich will ihn mit bloßen Händen umbringen, ich will ihm irgendwie einfach nur wehtun, so wie er mir immer und immer wieder wehtut. Er sieht mir starr in die Augen und sein Blick ist nicht ganz so teilnahmslos wie sonst. Seine Finger umfassen mein Handgelenk. Seine Fingernägel bohren sich in die Wunde, die ich mir selbst zufügte und mit der dieser Alptraum hier begonnen hat. Ich schreie. Es tut weh. Er drückt so fest zu, dass ich glaube, er wird mir gleich das Handgelenk brechen. Ich weiche zurück und sofort lässt er los. Ich komme stolpernd auf die Füße und mache ein paar Schritte nach hinten. Er steht ganz gemächlich auf. Was bin ich für ihn? Nicht mehr als eine lästige Fliege? Ich will ihm wehtun. Irgendwie, mit allen Mitteln, ganz egal. Also stürme ich auf ihn zu, hole aus und schlage zu. Er weicht aus und meine Faust kracht gegen die Wand. Ich jaule wie ein verwundetes Tier, als irgendein Knochen in meiner Hand wie ein Streichholz bricht und der Schmerz wie Feuer durch meinen Arm rast. Tränen schießen mir in die Augen, aber der Schmerz macht mich nur noch wütender. Ich fahre herum und er steht einfach da, so als würde ihn mein Zorn nicht einmal kümmern. "Bist du fertig?", fragt er ruhig. Ich schlage wieder nach ihm, dann eben mit Links. Er weicht wieder aus, aber dieses Mal lässt er mich nicht gegen die Wand laufen, sondern fängt mich ab. Oder eher auf. Er hat seine Arme um mich geschlungen, als wolle er mich festhalten und so das Ende meines Wutausbruchs einfach abwarten. Ich winde mich, ich trete und schlage nach ihm, strample, so lange, bis er die Geduld mit mir verliert. Plötzlich krache ich mit dem Rücken gegen die Wand und er drückt meine Handgelenke dagegen. Er drückt sich gegen mich und auf einmal fällt mir etwas ein. Ist mir egal, was es für Konsequenzen haben wird, Hauptsache, ich kann ihm wehtun. Blaue Funken erfüllen die Luft und Itachi reißt die Augen weit auf, als ich überall an meinem Körper Chakra freigebe und es wie Feuer an seiner und meiner Haut leckt. Eigentlich rechne ich damit, dass er mich loslässt, immerhin weiß ich am besten, wie es sich anfühlt, wenn sich die Haut vom Fleisch schält und vom blauen Feuer des Chidori verbrannt wird. Aber er lässt nicht los, stattdessen fühle ich, wie er irgendetwas mit mir macht. Ich spüre entsetzt, wie mein Chakra versiegt und das blaue Leuchten verblasst. Wie macht er das? Weil ich so wütend und voller Hass bin und gar nichts tun kann, mache ich etwas, mit dem nicht einmal er gerechnet hat. Ich beiße ihm so fest ich nur kann in die Hand. Voll tiefer Befriedigung schmecke ich Blut, dann wird mein Kiefer auseinander gerissen, als er seine Hand losreißt. Im nächsten Augenblick fange ich mir eine schallende Ohrfeige ein. Dann wird es ganz still im Raum. Ich halte mir die schmerzende Wange, Itachi seine blutende Hand. Die grenzenlose Wut ist verflogen. Jetzt tut mir einfach nur jeder Zentimeter meines Körpers weh. Ich lasse mich, wo ich gerade stehe, auf den Boden sinken und befühle ganz vorsichtig meine rechte Hand. Bis größere Hände sich auf meine legen und er leise sagt: "Ich hole Deidara. Mach es nicht noch schlimmer." Erschöpft lehne ich den Kopf an die Wand. Schlimmer? Es kann doch gar nicht mehr schlimmer werden. Während er meine Hand einigermaßen fachmännisch verarztet hat, hat Deidara es sich natürlich nicht nehmen lassen, einige hämische Bemerkungen über "Bruderliebe" und dergleichen loszulassen. Ich habe still dagesessen und seine grobe Behandlung wortlos über mich ergehen lassen. Wenigstens scheint er zu wissen, was er tut, jetzt habe ich einen straffen, unflexiblen Verband um meine Hand und solange ich sie ruhig halte, bleibt der Schmerz auf einem erträglichen Niveau. Itachi hat seine blutige Hand bloß unter kaltes Wasser gehalten. Es hat schon aufgehört zu bluten. Verdammt. Aber es ist eine beachtliche Fleischwunde, die ich da hinterlassen habe. Mit etwas Glück bleiben kleine Narben. Ich habe meinen Zahnabdruck auf Itachis Hand hinterlassen. Das verschafft mir eine gewisse Genugtuung. Ich protestiere nicht mehr, als Itachi sich neben mich ins Bett legt. Es war dumm, auf ihn loszugehen. Letzten Endes tue ich mir damit nur selbst weh. Ich kann gegen ihn nicht gewinnen. Ich muss endlich begreifen, dass es Dinge im Leben gibt, gegen die man nicht ankommt und die man einfach stumm über sich ergehen lassen muss. Itachi ist so eine Sache in meinem Leben. Und ich muss endlich lernen, mich zu fügen. Wenn Itachi die eine, unabdingbare Konstante in meinem Leben ist, dann ist Schmerz die zweite, die, die mit Itachis Auftauchen stets einhergeht. Mir tut jede Faser meines Körpers weh. Die blauen Flecken sind dabei, abzuheilen, aber noch lange nicht verschwunden. Die rechte Hand, die, die ich mit voller Wucht gegen die Wand geschmettert habe, pocht wie verrückt und sendet gleißenden Schmerz bei jeder falschen Bewegung durch meinen Körper. Meine Wange ist dick angeschwollen und fühlt sich an, als hätte ich Watte im Mund. Aber das Schlimmste sind momentan die Konsequenzen, die jeder Einsatz des Chidori mit sich bringt. Ich bin kein Meister im Kontrollieren von Chakra. Wieviel ich auch immer frei gebe, es bleibt ein Rest zurück, der sich in meinen Muskeln festsetzt und mit ein paar Stunden Verzögerung äußerst schmerzhafte Muskelkrämpfe auslöst. Ich sitze im Bad und mir kommen fast die Tränen, weil es so weh tut. Und zwar überall. Als ich noch bei Orochimaru war, konnte Kabuto mir mit seinen heilenden Händen Linderung verschaffen. Jetzt aber muss ich es aushalten und das Wissen, dass mir der Einsatz dieses Jutsu überhaupt nichts genützt hat, macht es nur noch schlimmer. Mir ist kalt. Hier im Keller ist es nicht besonders warm und ich kann mich nicht bewegen, um mich warm zu halten. Jede Bewegung wäre purer Masochismus. Ich sitze seit mindestens drei Stunden hier, eher noch länger, und leide still vor mich hin. Ich bin froh, dass die anderen beiden mich bisher in Ruhe gelassen haben. So als hätte Itachi meine Gedanken gelesen, geht in dem Moment die Tür auf. Er sieht mich an und ich spare mir die Mühe, den schmerzverzerrten Ausdruck aus meinem Gesicht zu tilgen. Etwas hat sich seit gestern verändert. Jetzt ist es mir egal, ob er meine Schwäche sieht. Ich habe mich entschieden, aufzugeben. Ich werde mich fügen. Was auch immer er noch mit mir vorhat, soll er es doch tun. Ich kann es ohnehin nicht verhindern. "Du hast Schmerzen", sagt er und es ist keine Frage. Ich spare mir deshalb auch eine Antwort. Er kniet sich bei mir hin und legt seine große, warme Hand auf meine Stirn. Auch wenn ich seine Nähe verabscheue, lehne ich mich automatisch der Wärme entgegen. Mir ist einfach so schrecklich kalt. Wie ein kleines Kind hebt er mich hoch. Es tut sehr weh, aber ich sage nichts. Alles egal. Er legt mich ins Bett und ich starre an die Decke. "Wo tut es weh?", fragt er mich. "Überall", antworte ich. Ich spüre eine Berührung an meinem linken Unterarm. Mit überraschend geschickten Händen beginnt er, über den Arm zu streichen. Zuerst wird es bloß schlimmer, als die lädierten Muskeln sich zusammenziehen, aber dann merke ich, wie es langsam besser wird und sich die Muskeln unter seinen Fingern entspannen. Seine Hände wandern weiter hoch, zu meinem Oberarm. Wieder massiert er die Stellen, die so weh tun, und wieder ist das Ergebnis äußerst angenehm. Ich wusste nicht, dass er irgendeine Ahnung von Medizin hat. Anschließend dreht er mich auf den Bauch. Seine Hände kneten meinen Nacken und lösen Verspannungen, von denen ich nicht einmal wusste, dass ich sie habe. Er hält inne. Auf einmal spüre ich etwas anderes. Er küsst meinen Nacken und sein Haar kitzelt mich dabei. Ich bin überrascht. Seine Hände… etwas ist anders. Wie er mich berührt ist anders. Ich muss plötzlich wieder an den Kuss denken, als ich zu ihm ins Zimmer kam. Eine Erinnerung, die ich eigentlich längst beiseite geschoben hatte. Itachi schiebt einen Arm unter meinen Hals und dreht mich halb um. Ich liege wie eine Puppe in seinen Armen. Die Kraft, auf ihn wütend zu sein, habe ich nicht mehr. Was auch immer er vorhat, ich werde es geschehen lassen. Er streichelt meine Wange. Ich blicke an ihm vorbei an die Wand. Er beugt sich zu mir runter und lässt seine Lippen über meine streifen. Es fühlt sich komisch an. Wieder ein Kuss, oder zumindest etwas Ähnliches. Was hat das zu bedeuten? Jetzt küsst er meine Wange, die geschwollene Seite, die gestern noch Bekanntschaft mit seiner Hand gemacht hat. Vielleicht liebt er es so sehr, zu sehen, wie ich mich quäle. Sein Gesicht hat einen außergewöhnlich zärtlichen Ausdruck angenommen. "Warum tust du das?", frage ich. In meiner Stimme findet sich kein Vorwurf. Es ist eine einfache, neutrale Frage. Die er mit einer Gegenfrage beantwortet. "Warum wehrst du dich nicht?" Eine Antwort bekommt er nicht. Ich starre immer noch an ihm vorbei. Als er sich wieder zu mir runter beugt, frage ich mich, ob er mein Schweigen wohl falsch gedeutet hat. Denkt er, ich will das hier? Kann er tatsächlich so verblendet sein? Oder weiß er, warum ich schweige und tut es trotzdem? Wieder küsst er mich, aber dieses Mal ist es anders. Ich liege immer noch in seinen Armen, immer noch zwinge ich mich, völlig still zu liegen und mich zu entspannen. Seine Zunge schiebt sich zwischen meine Lippen. Spätestens jetzt kann ich nicht mehr verleugnen, was hier passiert. Trotzdem halte ich still. Seine Zunge tastet sich vor zu meiner und als sie sich berühren, stellen sich sämtliche Härchen an meinem Körper auf. Gänsehaut. Itachi küsst mich. Richtig. Ich spüre seine Zunge in meinem Mund und seinen Atem in meinem Gesicht und ich kann nicht einmal sagen, ob ich es abscheulich oder schön finde. Als es vorbei ist, ist das einzige, was an mir anders ist, dass mein Brustkorb sich heftig auf und ab bewegt, weil ich so außer Atem bin. Itachi streicht mir eine Haarsträhne aus der Stirn. "Ich mochte dich lieber als du widerspenstig warst." Er steht vom Bett auf und lässt mich alleine im Raum zurück. Ich starre weiterhin an die Decke. Mit dem Zeigefinger streiche ich mir über die Lippen. IV. Say it if it's worth saving me ---------------------------------- Ich starre an die Zimmerdecke und kann nicht einschlafen. Schlimmer als die Schmerzen sind die quälenden Gedanken, die mich nicht loslassen wollen. Schon wieder hat Itachi mich geküsst. So sehr ich es auch möchte, diese Tatsache kann ich nicht ignorieren. Mich quält die Frage nach dem Warum. Warum macht er das? Für einen normalen Menschen ist ein Kuss ein Zeichen von Zuneigung. Nicht für mich. Für mich ist es ungewollte Nähe, seitdem ich bei Orochimaru war, assoziiere ich damit nur noch Ekel und Gewalt. Was bedeutet ein Kuss für Itachi? Vielleicht ja genau dasselbe wie für mich. Vielleicht will er mich bloß quälen, indem er mir immer wieder zu nahe kommt, mein Bedürfnis nach Distanz ignoriert und in mir mit dieser intimen, unpassenden Geste böse Erinnerungen weckt. Dass es für Itachi eine Zuneigungsbekundung ist, halte ich jedenfalls für ausgeschlossen. Egal, was er auch tut, es ist immer eine Ankündigung weiterer Schmerzen. Er will mir zeigen, wie wenig ich gegen ihn ausrichten kann. Er kann mit mir machen, was auch immer er möchte. Ich wünschte nur, er würde mir dies auf eine andere Art zeigen. Sein Kuss ist wie Gift, das sich in mir ausbreitet und das einzige angreift, was mir noch geblieben ist: meinen Hass. Meine Teilnahmslosigkeit war bisher das einzige, was bei ihm eine Gegenreaktion bewirkt hat. Alles andere hat bloß dazu geführt, dass er mir am Ende physisch oder psychisch wehtut. Was er gesagt hat, ist wirklich wahr. Nur wenn ich mich wehre, ist es für ihn interessant. Schließlich tut er nichts, von dem er nicht weiß, dass es mir auf die eine oder andere Weise wehtut. Mein Bruder ist ein Sadist. Aber wenn er ein Sadist ist und ich mich von ihm quälen lasse… wozu macht mich das dann? Die Stunden ziehen sich wie Ewigkeiten in diesem Haus. Ich weiß nicht, was ich mit der ganzen Zeit anfangen soll. Womit habe ich mir früher die Zeit vertrieben? Ach ja, ich habe trainiert. Mir wird so langsam klar, dass ich nichts anderes getan habe. Wenn ich nicht trainieren kann – und das kann ich momentan aufgrund meiner Verletzungen und aus Platzmangel nicht – dann weiß ich nichts mit mir anzufangen. Mit Ausnahme der Mahlzeiten, die zu kochen ich mir angewöhnt habe, sitze ich oben am Fenster und starre nach draußen. Einer von beiden ist immer da, entweder Deidara oder mein Bruder. Vielleicht hat Itachi Angst, dass ich sonst weglaufe. Die braucht er nicht mehr zu haben. Ich weiß im Moment sowieso nicht, was ich will. Wenn ich darüber nachdenke, was ich will, dann fällt mir nichts mehr ein. Will ich zurück nach Konoha? Ich weiß es nicht. Ich fürchte mich ehrlich gesagt ein wenig vor dem, was mich dort erwartet. Ich bin nicht mehr derselbe. Ich habe die irrationale Angst, dass man mir alles, was geschehen ist, im Gesicht ansehen kann. Früher war ich so stolz und alles, woran ich dachte, war meine Rache. Und was bin ich jetzt? Von meinem Stolz ist nicht mehr sehr viel übrig. Ich habe mich ergeben und ich habe solche Angst, dass sie es merken könnten. Wie würde Naruto über mich denken, wenn er wüsste, was passiert ist? Orochimaru hat mich angefasst. Itachi hat mich geküsst. Kabuto hat mich in einem Kampf besiegt. Itachi hat mich gedemütigt. Ich fühle mich auf eine seltsame Art und Weise beschmutzt. Und sonst kann ich nirgends hin. Orochimaru sucht nach mir. An jedem anderen Ort wäre ich leichte Beute für ihn, solange ich nicht genesen bin. Momentan hege ich keine Gedanken an Flucht. Ich gebe mir einfach Mühe, irgendwie die Zeit totzuschlagen. Aber die Stille erdrückt mich fast. Noch nie hatte ich so viel Zeit zum nachdenken. Und worüber könnte jemand wie ich schon nachdenken? Ich denke an das, was ich aufgegeben habe. An die, die ich zurückgelassen habe. Alles habe ich aufgegeben für ein bisschen mehr Macht. Und was hat sie mir genützt, diese Macht? Gar nichts. Weil mir am Ende die Willensstärke fehlte, um Itachi zu töten. Ich habe meinen Körper und meine Seele an Orochimaru verkauft… für nichts. Ich bin schwach. Wieso konnte ich Itachi nicht töten? Hätte es diesen einen Augenblick nicht gegeben, als ich mit dem Kunai in der Hand an seinem Bett stand, könnte ich wohl weiterhin einfach leugnen, was Fakt ist. Ich hätte mir einreden können, dass ich bisher einfach nicht die Möglichkeit hatte, ihn zu töten. Aber ich hatte sie in jener Nacht, oder wenigstens glaubte ich, ich hätte sie. Und ich habe es nicht getan. Itachi hat Recht. Ich hasse ihn immer noch nicht genug. Hasse ich ihn überhaupt noch? Manchmal träume ich von ihm. Meistens sind es blutige Träume, wo ich immer und immer wieder erleben muss, wie er die Familie tötet und mich quält. Aber manchmal… manchmal träume ich davon, dass ich in den Versammlungsraum komme, die Leichen meiner Eltern finde und Itachi dort ist. Aber er greift mich nicht an. Stattdessen nimmt er mich in die Arme und tröstet mich. Verspricht mir, dass alles wieder gut wird. In Wahrheit wünsche ich mir nicht Itachis Tod. Ich wünsche mir, dass alles so wird wie früher. Ich wünsche mir, dass ein Wunder geschieht, das es mir erlaubt, ihm zu vergeben. Nachdenklich starre ich die rote Narbe auf meinem Handgelenk an. Es wird lange dauern, bis daraus ein blasser Strich auf meiner hellen Haut geworden sein wird. Langsam wird mir klar, und zwar in voller Tragweite, warum ich tatsächlich versucht habe, mich umzubringen. Mein Leben ist untrennbar mit dem meines Bruders verknüpft. Weil er es so wollte, aber auch, weil ich es zugelassen habe. Als ich meine toten Eltern zu seinen Füßen sah, als ich durch die mit Leichen gepflasterten Straßen vor ihm davonrannte, ist mein Herz gebrochen und ich glaubte, ich könnte nicht mehr weiterleben. Es tat so entsetzlich weh, dass mich der Schmerz fast besinnungslos machte. Ich sah Itachi überall, ich sah sein Bild, wenn ich ins Wasser blickte. Der brennende Wunsch, stärker als er zu sein und sie alle zu rächen, hielt mich am Leben. Ich wollte ihn wiedersehen. Ich dachte, um ihn zu töten, aber das war es nicht. Sondern um es zu Ende zu bringen. Die Geschichte des Clans kann nur mit uns enden. Entweder durch ein Wunder oder seinen Tod. Und wenn er tot ist, gibt es für mich keinen Grund mehr, weiterzuleben. Unbewusst hatte ich immer schon vor, mit ihm zu sterben. Hände greifen nach mir. Eine heisere Stimme flüstert meinen Namen und mir wird so übel, dass ich mich einen Moment lang nur darauf konzentrieren kann, mich nicht zu übergeben. Ich kann mich nicht bewegen. Ich bin völlig hilflos und ich verstehe nicht, was mit mir passiert. Ich will nach Hilfe rufen, aber dann fällt mir ein, dass es niemanden gibt, der mir helfen würde. Meine Eltern sind tot. Mein Bruder hasst mich. Meine einzigen Freunde habe ich verraten. Da ist keiner mehr, der sich einen Dreck um mein Schicksal schert. Angst. Ich weiß nicht, wie ich damit leben soll. Und eine hämische Stimme in meinem Kopf sagt mir, dass ich nur lange genug damit leben muss, um ihn zu töten. Etwas hält mich fest. Diesmal ist es anders. Ich strample, schreie, tobe. Es ist dunkel. Ich habe keine Ahnung, wo ich bin. "Sasuke!" Ich winde mich verzweifelt. Alles, nur das nicht. Niemand kommt, um mir zu helfen. Ich muss mir selbst helfen! Egal wie, ich muss mich selbst retten! Ich muss hier raus. Ich muss… "SASUKE!" Sein Schrei reißt mich in die Wirklichkeit zurück. Ich erstarre zu Stein in seinen Armen. Ich habe bloß geträumt. Nicht Orochimaru hält mich fest, sondern Itachi. Ich atme tief ein und aus, aber mein Körper will sich nicht beruhigen. Ich zittere am ganzen Leib. Und Itachi lässt mich einfach nicht los. "Du hast geträumt, Sasuke." "Nein." Ich schüttle den Kopf und versuche verzweifelt, mich zu beruhigen. "Nein, leider nicht. Egal wie oft ich aufwache, sie sind immer noch tot. Und ich bin immer noch ich. Ich konnte sie nicht retten. Niemand kommt und hilft mir. Niemanden interessiert, was mit mir passiert." "Das ist nicht wahr." Er ist so ein elender Lügner. "Niemand kommt, um mich zu retten", flüstere ich verbittert. "Ich bin allein. Und wenn ich darüber nachdenke, warum das so ist, komme ich am Ende immer auf dich." Ich schiebe seine Arme weg. "Ich frage mich… als du es getan hast, hast du gewusst, dass es so kommen würde? Hast du mich absichtlich zur Einsamkeit verdammt?" "Vielleicht habe ich das", antwortet er geheimnisvoll. Ich habe auch nicht wirklich mit einer Antwort gerechnet. Stumm stehe ich auf und taste mir den Weg durch die Dunkelheit bis zum Bad. Dort schließe ich mich ein und mache das Licht an. Als mein Blick in den Spiegel fällt, merke ich, dass ich geweint habe. Wieso weine ich so oft in letzter Zeit? Ist es Itachi, der mich zu diesem weinerlichen Etwas macht? Ich würde alles geben, um mein erbärmliches Ich nicht mehr im Spiegel betrachten zu müssen. Deidara und Itachi haben Besuch. Ich erkannte ihn sofort, als er durch die Tür trat, den großen, haifischähnlichen Mann mit dem bandagierten Schwert, der damals mit Itachi ins Dorf kam um Naruto zu entführen. Offenbar ist sein Name Kisame. Nicht, dass mich das interessiert. Ich wundere mich nur, dass Itachi Akatsuki um sich schart, nur um Orochimaru zu töten. Ich weiß, dass er stärker ist. Wozu braucht mein Bruder Hilfe? Aber selbst wenn ich fragen würde, bekäme ich keine Antwort. Deshalb lasse ich es einfach sein, sitze still an meinem Platz am Fenster und beobachte. Offenbar hatten sie schon länger vor, Orochimaru zu erledigen. Aber jetzt ist die Sache dringender geworden. Verständlicherweise hat Itachi keine Lust, auf Orochimarus Racheakt zu warten. Deshalb planen sie, zu ihm zu gehen und den Sannin zu erledigen. Sie verschwenden nicht viel Zeit. Eine kurze Besprechung, dann ist entschieden, wer Orochimaru töten wird. Itachi und Kisame werden gehen, weil sie offenbar ein eingespieltes Team sind. Diese Nacht wird Kisame hier bleiben, morgen brechen sie auf. Deidara wird bleiben, um mich zu beaufsichtigen. Der Gedanke gefällt mir nicht. Ich halte Deidara für unberechenbar. Was er für ein Problem hat, weiß ich nicht, aber ich spüre deutlich, dass er mich aus tiefstem Herzen hasst. Was wird passieren, wenn Itachi nicht mehr da ist und auf mich aufpasst? "Sasuke." Itachis Stimme ist ungewöhnlich sanft, als er mich weckt. Ich öffne noch im Halbschlaf die Augen und erkenne ihn über mir, gehüllt in seinen Akatsuki Mantel. "Kisame und ich brechen auf." Er flüstert fast, so als dürfte es außer uns beiden keiner hören. "Mmh…" Ich bin noch nicht ganz wach, kann noch nicht klar denken. Seine Hand ist in meinem Gesicht, er zieht meinen Kopf zu sich rüber und beugt sich über mich. Seine Haare kitzeln mich. Seine Lippen fühlen sich weich auf meinen an. Ein angenehmes Prickeln überzieht meinen Körper und ich schließe wieder die Augen, weil ich so müde bin und der zärtliche Kuss so angenehm ist. Dann zieht er sich abrupt zurück und meine Wange, auf der seine Hand lag, fühlt sich plötzlich unangenehm kühl an. Ich höre, wie die Tür geschlossen wird und dann ist er fort. Auf einmal bin ich hellwach. Was war das? Was ist da mit mir passiert? In dem Moment zwischen Schlafen und Wachen, wo es noch keinen Hass und keine traurigen Erinnerungen gibt, war sein Kuss das Schönste, was mir seit langem passiert ist, so schön, dass ich glaube, gleich weinen zu müssen. Ich habe mich ihm einen Moment lang so verbunden gefühlt und da war überhaupt keine Wut. Nicht das Bild meiner Eltern, die mich vorwurfsvoll ansehen für den Verrat, den ich an ihnen begangen habe. Der Kuss meines Bruders war so schön, so schön… Ich lasse den Kopf hängen. Ich weiß nicht einmal, warum ich auf einmal so traurig bin. Es sind so viele Emotionen auf einmal, dass ich sie nicht mehr auseinander halten kann. Meine Sehnsucht tut fast körperlich weh und wenn er nicht gegangen wäre, hätte ich ihn in mein Bett gezogen und ihn festgehalten bis ans Ende meines Lebens, um diese Nähe nie wieder zu verlieren. Ich bekomme Angst vor meinen Gedanken und Gefühlen. Angst vor mir selbst. Seit gestern ist Itachi fort. Ich merke eigentlich keinen großen Unterschied, außer dass ich gestern Nacht das Bett ganz für mich allein hatte. Deidara ist mir bisher zum Glück nicht über den Weg gelaufen, obwohl ich weiß, dass er da ist. Wie sonst auch verbringe ich meine Zeit damit, am Fenster zu sitzen und teilnahmslos nach draußen zu starren. Jetzt, wo Itachi weg ist, wird mir immer deutlicher bewusst, dass ich in den letzten Tagen gut zu Kräften gekommen bin. Meine rechte Hand ist immer noch unbeweglich und sie wird es wohl auch bleiben. Deidaras Verband war ganz nützlich, um die Schmerzen im Zaum zu halten, aber irgendwie stehen zwei meiner Finger seltsam schief, wahrscheinlich wächst der Bruch schief zusammen. Solange sich kein richtiger Arzt darum kümmert, wird die Hand unbrauchbar bleiben. Aber alles andere ist gut verheilt. Die Prellungen und Schürfwunden von meiner Auseinandersetzung mit Kabuto haben sich längst zurückgebildet, und sogar die Schnittwunde an meinem linken Handgelenk verheilt sehr gut. Die linke Hand ist wider Erwarten wieder voll einsatzfähig. Mir ist völlig klar, dass jetzt die beste, vielleicht sogar die einzige Gelegenheit ist, Itachi zu entkommen. Das Haus ist kaum gesichert. Das Fenster, an dem ich sitze, könnte ich einfach einschlagen und nach draußen entkommen. Deidara würde mir folgen und ich kann ihn nur sehr schwer einschätzen. Er ist sicher nicht umsonst ein Mitglied der Akatsuki, aber vor ihm fürchten kann ich mich nicht. Seine Ablehnung beruht durchaus auf Gegenseitigkeit, ich kann ihn nicht ausstehen. Vielleicht könnte ich es nachts versuchen, wenn er schläft. Mit etwas Vorsprung könnte ich es schaffen, ihn abzuhängen. Ich bin gut… oder ich war es mal. Aber anstatt Fluchtpläne zu schmieden, sitze ich phlegmatisch an meinem Platz und grüble. Ich will schon weg, aber ich weiß nicht, wohin. Mir ist klar, dass Itachi mir nicht guttut. Aber er hat mich schon einmal gefunden. Und über die Konsequenzen, die ein weiterer Fluchtversuch hätte, will ich lieber nicht nachdenken. Ich schätze, ich bin einfach feige. Da draußen sehe ich momentan keine Zukunft für mich, also wähle ich den bequemen Weg und bleibe vorerst, wo ich bin. "Wartest du etwa auf ihn?" Die spöttische Stimme ist das letzte, was ich jetzt gerade hören will. Ich sehe Deidara an und ich hasse das Grinsen auf seinem Gesicht. "Dein Bruder hält dich wie ein Tier gefangen, aber wenn man dich so ansieht, könnte man fast meinen, du wartest auf seine Rückkehr, hmm." "Vielleicht ist mir die Gesellschaft meines Bruders immer noch lieber als deine?" Sein Blick wird finster. Irgendetwas an meinem Verhalten ist es, das ihn auf die Palme bringt. Vielleicht meine Gleichgültigkeit? "Ich rate dir, sei vorsichtig. Ich habe Itachi-san nur versprochen, dich nicht umzubringen. Eine falsches Wort von dir und du wirst dein blaues Wunder erleben. Hmm." "Jetzt hab ich aber Angst." Woher die trotzige Bemerkung kam, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass ich sie bereuen werde. Aber was macht das eigentlich noch für einen Unterschied? Ich habe noch nie ein Blatt vor den Mund genommen und ich werde nicht ausgerechnet jetzt damit anfangen. Vor Deidara habe ich keine Angst. "Wusstest du, wie viel schlimmer Folter ist, wenn man nicht sieht, was mit einem passieren wird?" Er leckt sich über die Lippen und ich weiß, die Vorstellung, mich zu foltern, reizt ihn über alle Maßen. Er schaut mir direkt in die Augen und ich kann sehen, wie er gegen das Bedürfnis anzukämpfen versucht, einfach auf mich loszugehen. Er hasst mich aus tiefstem Herzen. "Ich würde dir Manieren beibringen, nach fünf Minuten würdest du mich um Gnade anflehen." Sein widerliches Gesicht will ich mir nicht eine Sekunde länger antun. Ich schiebe mich von der Fensterbank und stehe auf. Ich werfe ihm einen abschätzigen Blick zu und frage: "Wie kommt es, dass du plötzlich so ne dicke Lippe riskierst, seitdem Itachi aus dem Haus ist? Er muss dir ja eine Heidenangst einjagen." Er steht plötzlich vor mir und rammt mir erbarmungslos die Faust in den Magen. Weil ich darauf nicht vorbereitet war, sacke ich stöhnend auf die Knie, die Arme um mich geschlungen. "Du verwöhntes Balg! Ich bin nicht so nachsichtig wie Itachi, hmm. Du bist kein Gast hier, kapiert?" Deidara krallt seine Hand in meine Haare und reißt mich in die Höhe. Ich bin immer noch viel zu schockiert um irgendetwas zu unternehmen, stolpere ungeschickt in die Richtung, in die er mich zerrt, und dann habe ich plötzlich keinen Boden mehr unter den Füßen. Ich falle. Instinktiv mache ich das Richtige und beschränke den Schaden auf ein Minimum, als ich die steile Treppe runterstürze. Ich schütze meinen Kopf, mein Gesicht, rolle mich zusammen um nicht frontal aufzuschlagen und dann bin ich endlich unten, spüre den kalten Boden auf meiner Haut und sondiere in meinem Körper, was sich verwundet oder gebrochen anfühlt. Nicht viel. Also stemme ich mich auf die Hände und schaue die Treppe hoch. Irgendwas läuft mir ins Auge, alles verschwimmt irgendwie. Oben an der Treppe steht Deidara, sieht kalt zu mir runter und sagt: "Du wirst das Zimmer nicht verlassen bis er wieder da ist, verstanden? Beim nächsten Mal breche ich dir die Beine, hmm." Die Tür wird zugeknallt und ich bin allein. Eigenartig, dass ich weder wütend noch verzweifelt bin. Ich weiß genau, wie ich Deidara einzuschätzen habe. Er ist ein Sadist, durch und durch. Aus irgendeinem Grund hasst er mich ganz besonders. Vielleicht wegen Itachi, weil ich ein Uchiha bin, keine Ahnung. Vielleicht passt ihm auch einfach mein Gesicht nicht. Diesen Hass habe ich die ganze Zeit über schon gespürt, aber dass er ihn sofort nach Itachis Fortgehen auf mich abladen würde, hätte ich nicht erwartet. Jetzt weiß ich es besser und ich weiß, was mich in Itachis Abwesenheit erwartet. Wenn ich ihn auch nur falsch ansehe, wird Deidara mich mit Freuden zerquetschen. Und wenn ich nichts falsch mache, wird das auch falsch sein. Prügel werde ich so oder so beziehen. Das Erschreckende ist eigentlich nur, dass ich mir davor nicht mehr fürchte. Das, was mir ins Auge gelaufen ist, war Blut. Ich habe eine Platzwunde am Kopf. Um die zu versorgen hieve ich mich in die Höhe und schleppe mich ins Bad. Ich habe Hunger. Nachdem ich mir so gut es ging das Blut aus dem Gesicht gewischt hatte, habe ich mich hingelegt und erstaunlich lange geschlafen. Vielleicht ist es doch mehr als eine Platzwunde, ich bin immer noch ganz benommen. Es ist jetzt ein paar Stunden her, dass Deidara ausgerastet ist, inzwischen dürfte er sich wohl wieder beruhigt haben. Und wenn nicht habe ich trotzdem nicht vor, weiter zu hungern. Er wird die Gelegenheit so oder so nicht verstreichen lassen. Itachi ist nicht da, kann nicht über mich wachen. Und offenbar hat Deidara schon lange das Bedürfnis, seine Wut an mir auszulassen. Es wäre sicher leichter, seinen Ausbruch mit vollem Magen zu ertragen. Ganz wie in alten Zeiten schleiche ich mich komplett lautlos die Treppe hoch, den Gang entlang und in die Küche. Wie praktisch, dass ich mal ein Shinobi war. Ich habe schreckliche Kopfschmerzen und irgendwie habe ich, sobald ich stehen bleibe, das Gefühl, dass der Boden schwankt. Ich muss mir große Mühe geben, um keinen Lärm zu machen. Den Kühlschrank will ich nicht öffnen, deshalb nehme ich mir zwei Äpfel aus der Schale auf der Anrichte und schleiche dann um die Ecke zur Kellertür zurück. Ich schiebe sie auf und dann steht Deidara neben mir. Weiß der Himmel, wie er es gemerkt hat. "Geh wieder runter." Die Ruhe in seiner Stimme ist es, die mich nervös macht. Ich schiebe mich an ihm vorbei und haste die Treppe runter. Nochmal runterfallen will ich nicht. Der Sturz hätte mir schon beim letzten Mal sämtliche Knochen brechen können. Deidara folgt mir. Ich weiß, dass der Angriff unerwartet kommen wird. Weil er seinen Hass auf mich selbst nicht ganz versteht. Die Äpfel lege ich aufs Bett, stelle mich dann daneben und warte auf seinen Wutausbruch. Er hat einen Kunai in der Hand. Aber anstatt sich mir zu nähern, setzt er sich auf das Bett, nimmt sich einen der Äpfel und schneidet ihn in zwei Hälften. Genüsslich beißt er hinein und starrt mich dabei unentwegt an. Ich erwidere den Blick, reglos, furchtlos. Nichts kann mir mehr Angst machen. Ich habe das Grauen schon gesehen. "Du bist deinem Bruder sehr ähnlich, hmm." Er mustert mich aus seinem blauen Auge. "Ich habe Itachi seit dem ersten Tag gehasst. Und dich auch." Er genießt das. Diese Ansprache konnte er vor Itachi nie halten, also muss ich sie mir jetzt anhören. "Ich hasse eure Augen, die mich so gleichgültig ansehen." Gemächlich steht er auf. "Ihr verwechselt die Geschenke eures Erbes mit eurem eigenen Talent!" Er redet sich allmählich in Rage. Er ist unberechenbar und ich habe ja miterlebt, dass seine Laune plötzlich kippen kann. Lieber ist mir ein provozierter Angriff als ein unerwarteter. Ich schließe die Augen. "Du kannst dir deine Worte ruhig sparen. Vor dir habe ich keine Angst. Verglichen mit Itachi bist du nichts weiter…" Ich öffne die Augen wieder und sehe ihn mit den Sharingan an. "…als ein lästiges Insekt." Deidaras Kopf ruckt in die Höhe und er stiert mich wutentbrannt an. Jetzt wird es ernst. Er springt auf. Die Klinge rast auf mich zu, zielt auf meine Brust. In Bruchteilen von Sekunden begreife ich den Ernst der Lage und vor allem anderen ergreift mich ein immenser Überlebenswille. Mit den Sharingan ist es kein Problem, seine Bewegung genau vorauszusehen. Ich drehe mich um die eigene Achse und schmettere Deidara mit dem Fuß das Messer aus der Hand. Und jetzt bin ich wütend. Zum ersten Mal seit einiger Zeit. Ich springe Deidara geradezu an und reiße ihn zu Boden. Ich schlage ihm ins Gesicht, blöderweise mit meinem rechten Arm, aber der Schmerz verschwindet beinahe unter der Woge des Hasses. Ich prügle auf ihn ein, bis seine Hand vorschnellt, mich im Gesicht trifft und mich von ihm runter befördert. Augenblicklich springe ich wieder auf und ich bin im wahrsten Sinne des Wortes blind vor Wut. "Katon! Gokakyuu no Jutsu!" Der halbe Raum steht in Flammen. Ist mir egal, ob ich mich selbst im Feuer einschließe, Hauptsache ich kann ihn vernichten. Er schreit und das tut mir so gut. Durch die Flammen stürmt er auf mich zu, direkt in meine Faust. Ich bin ein Uchiha. Mag sein, dass ich gegen Itachi nicht ankomme. Aber ich lasse mich nicht von jemandem wie Deidara töten. Er weicht zurück. Seine Hand… da kommt was aus seiner Hand, es sieht aus wie Ton. Was IST das? Es sieht aus als ob es lebt, es ändert seine Gestalt. Wie ein kleines Tier. Ein Tier mit Flügeln, das jetzt pfeilschnell auf mich zu geschossen kommt. Im letzten Moment lasse ich mich zur Seite fallen, sehe im Fallen noch das Fingerzeichen, das Deidara macht, und dann explodiert das Geschoss hinter mir und wirft mich erstmal nach vorne. Ich höre Schritte und rolle mich blindlings in irgendeine Richtung. Es kracht und ich reiße den Kopf hoch. Da, wo ich eben noch lag, klafft jetzt ein rauchendes Loch im Boden. Wieder springe ich auf. Ich muss raus aus diesem Raum. Der Rauch wird schnell dichter, bald kann man hier nicht mehr atmen. Ich sehe Deidara herausfordernd an. Und mir fällt ein, was ich tun kann. Eine Schlange kriecht sein Bein hoch. Entsetzt starrt er das Tier an und dann kriecht eine zweite an ihm hoch. "Was ist das?!", kreischt er. Die Schlangen halten ihn fest. Eine wickelt sich um seinen Hals. Lange wird es ihn nicht aufhalten, aber offensichtlich erkennt er Orochimarus Jutsu wieder und allein das verschafft mir ein paar Momente. Ich springe an ihm vorbei, durch die Flammen, aus dem Raum raus, sprinte die Treppe rauf und knalle die Tür hinter mir zu. Sie hat kein Schloss aber ich kann immer noch hoffen, dass Deidara erstickt, bevor er sich befreien kann. Aber ich werde es bestimmt nicht abwarten. Ich flitze den Gang entlang zur Haustür. Ich werde heute nicht sterben. Nicht durch Deidaras Hand. Es war einen Versuch wert, aber leider ist die Haustür abgeschlossen. Es knallt. Der Boden bebt wie bei einem Erdbeben. Deidara hat da unten irgendwas gezündet. Etwas Großes. Er muss ganz schön sauer sein. Ich muss hier raus. Rasch gehe ich ein paar Schritte von der Tür weg und versuche, sie mit einem Feuerball aufzubekommen. Zwecklos. Verdammt, dann gehe ich eben durch eines der Fenster, auch egal. Ich renne den Gang entlang zurück, will ins Wohnzimmer laufen, aber noch bevor ich die Tür erreiche, schießt etwas durch den Gang und ich muss nach hinten springen. Ein zweites Geschoss fliegt gleich hinterher und ich weiche nochmal zurück. Als der Rauch sich lichtet, sind große Löcher in den Boden gesprengt. Und Deidara steht fuchsteufelswild am Ende des Ganges und ich lese nichts als Mordlust in seinen Augen. In ein Zimmer kann ich nicht mehr wechseln. Deidara würde mich sofort mit seinem Sprengstoff bewerfen und ich habe keine Lust, Körperteile zu verlieren. Ich habe eine vage Idee, wie ich seinen kleinen Bomben den Garaus machen könnte, aber da ich nicht die Zeit habe, meine Theorie zu testen, ziehe ich es vor, hier rauszukommen, bevor eins von diesen Dingern in meine Nähe kommt. Es kommt noch mehr von dem weißen, tönernen Zeug aus seiner Handfläche. Ich muss was tun. Ich muss unbedingt hier raus, bevor er mich in die Luft sprengt. Ich tue das einzige, was mir einfällt. Es wird furchtbar laut, sichtbares, funkelndes Chakra umgibt meinen Arm. Mit dem Chidori stürze ich der Tür entgegen. "Ich bring dich um, du kleine Ratte!", schreit Deidara hinter mir. Etwas zischt an mir vorbei. Mit den Sharingan sehe ich es, sehe das Tier, das an mir vorbei segelt und bete inständig, dass ich mit meiner Vermutung Recht hatte. Die Tür wird von meiner Faust regelrecht gesprengt. Ich springe durch den Splitterregen nach draußen, komme auf dem Boden auf, taumle weiter und hinter mir sprengt eine Explosion mit einem ohrenbetäubenden Knall das halbe Haus. Ich kann kaum noch etwas erkennen. Mir ist furchtbar schwindlig und ich weiß nicht, was mich noch auf den Beinen hält, Schritt für Schritt weg von diesem Höllenhaus, das Deidara in seiner Wut gerade zerstört. Ich weiß nur, dass ich weg muss. Gleich wird er aus der Tür gesprungen kommen und mich schlichtweg umbringen. Chidori hat meine letzten Kraftreserven verbraucht, ich kann einfach nicht mehr. Und dann renne ich direkt in jemanden hinein. Ich werde festgehalten und Itachis Duft ist plötzlich überall. "Was ist denn hier los?", fragt mein Bruder. Gehetzt blicke ich mich um und da kommt auch schon Deidara aus der zersplitterten Tür gestürmt. Er sieht mich, dann Itachi und Kisame, aber deren Anblick kann seine Wut nicht zügeln. "Ich bringe dich um!", kreischt er. Itachi lässt mich los, ich sinke auf die Knie. Und dann flitzt mein Bruder an mir vorbei und stürzt sich auf Deidara. Mir ist so schrecklich schwindlig. Ich schließe die Augen. Ich glaube, ich war bewusstlos. Ein gellender Schrei weckt mich. Mühsam richte ich mich auf und was ich sehe, lässt mich an meinem Verstand zweifeln. Deidara steht in Flammen. Er schreit wie am Spieß und schwarze Flammen lecken an seiner Kleidung. Und vor ihm steht Itachi, mit dem Rücken zu mir, und ich beobachte erschrocken, wie er in die Knie geht. Was ist denn jetzt los? Mit Itachi stimmt was nicht. Selbst von hier aus, selbst von hinten sehe ich, dass er am Ende seiner Kräfte ist. Er ringt nach Atem, ich sehe, wie er sich am Boden abstützt. Automatisch aktiviere ich die Sharingan. Das schwarze Feuer… mit den Sharingan sieht es noch bedrohlicher aus. Es sieht aus, als würde das tiefe Schwarz die Farbe von Deidaras Chakra absorbieren. Er wird sterben. Die Flammen sind nicht normal, sie ernähren sich nicht von Sauerstoff sondern von seinem Chakra. Sie gehen erst aus, wenn er tot ist. Als ich Itachi ansehe, jetzt mit den Sharingan, gefriert mir das Blut in den Adern. Da ist irgendwas. Mit den Sharingan kann ich es sehen, in ihm drin, in seinen Adern, überall, von hier aus sieht es aus wie… wie Insekten in seinem Körper. Ich stemme mich hoch und laufe ihm entgegen. Was ist das? Was… Einen knappen Meter bin ich noch von ihm entfernt, da erkenne ich es. Diese weißen, kleinen Dinger, die aussehen wie Insekten, aber diesmal mikroskopisch klein, so winzig, dass man sie nur mit den Sharingan sehen kann. Jedes einzelne ist eine scharfe Bombe! Und sie sind in Itachis Körper, überall. Sieht er sie denn nicht? Panik überkommt mich, ein Gedanke frisst sich in meinen Kopf: wenn sie hochgehen, wird Itachi quasi pulverisiert. Deidara hat aufgehört, die Flammen löschen zu wollen. Ich sehe ihn an und da ist ein Ausdruck puren Hasses in seinen Augen. Ich weiß, was er tun will. Ich renne zu Itachi und werfe mich quasi auf ihn, schlinge meine Arme um ihn und halte ihn fest als ginge es um mein Leben und nicht um seins. Er sagt etwas aber ich höre es nicht. Chidori ist zu laut. Funken umhüllen uns alle beide, als ich so viel Chakra wie es nur geht freigebe. Ich muss es durch seinen Körper jagen. Und beten, dass ich mit meiner Vermutung Recht habe, dass Deidara ausschließlich erdgebundene Jutsu benutzt. Die kann ich nämlich mit Chidori unschädlich machen. Itachi schreit meinen Namen über den Lärm hinweg, aber er macht keine Anstalten, sich loszumachen. Von seinem Standpunkt aus dürfte es so aussehen, als wollte ich die Gelegenheit nutzen, ihn zu töten. Ich spüre seine Hand an meinem Arm, die sich festhält. Es tut weh, uns beiden. Aber er schenkt mir Vertrauen, er lässt nicht los. Und dann schreit Deidara, wutentbrannt. Ich muss mich wirklich anstrengen, um den Kopf in seine Richtung zu drehen. Er hat versucht, die Bomben hochgehen zu lassen. Und es hat nicht geklappt, ich habe sie alle entschärft. Ich kann aufhören. Ich lasse einfach los und falle wie ein nasser Sack von Itachi runter. Itachi ist jetzt neben mir. Seine Augen sind weit aufgerissen und jetzt wird mir klar, wieso er es nicht gesehen hat. Es sind keine Sharingan mehr. Er hat sich wohl vorher schon überanstrengt. Ein schwaches Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht. Ich glaube, ich habe ihm das Leben gerettet. Aber vorbei ist es noch nicht. Deidara hat, wie es scheint, noch ein As im Ärmel. Er steht in Flammen, muss sicher unfassbare Schmerzen haben, aber das einzige, was für ihn noch zählt, ist, uns mit in den Tod zu nehmen. Er hat sich das Hemd vom Körper gerissen und da ist… mein Gott! Eine Öffnung auf seiner Brust, wie ein gieriges Maul, aus dem noch mehr von dem weißen Ton kommt. Mit den Sharingan sehe ich, wie sein ganzer Körper von roten Chakrafäden durchzogen wird. Das ist auf jeden Fall das Ende. Deidaras Kamikaze Aktion. "Wir müssen hier weg", schreie ich Itachi an. Ich verstehe nicht, was mit ihm los ist. Wenn ich es sehe, müsste er doch… aber seine Augen, die bewegen sich so seltsam, so als ob… Und erst jetzt kommt wieder Leben in Itachi und er begreift den Ernst der Lage. "Sasuke!", sagt er fast panisch und zerrt mich in die Höhe. Wir rennen los, alle beide, aber wir sind nicht schnell genug. Itachi wirft sich auf mich, da ist ein ohrenbetäubender Knall und ich kann nicht mehr atmen. V. Seen it before, but not like this ------------------------------------ Der Boden schwankt. Oder bin ich das? Mir wird schwindlig, noch bevor ich die Augen öffne. Und mir wird klar, dass ich noch lebe. Ich öffne die Augen einen Spalt. Der Boden bewegt sich. Nein… ich werde bewegt. Ich werde… getragen. Wie eine Puppe hänge ich schwer auf Itachis Rücken. Also lebe ich wirklich noch. Und er auch. "Was ist passiert?", höre ich mich sagen. "Das ist jetzt nicht wichtig", antwortet er mir. Er klingt anders als sonst. Mir ist so seltsam zumute. Es ist kalt. Die Luft riecht nach Schnee. Nur ein ganz klein wenig fester umarme ich ihn, als mir einfällt, was ich getan habe. "Jetzt sind wir quitt", flüstere ich. "Du hast mein Leben gerettet und ich jetzt deins." "Ruh dich aus." Ich habe so viele Fragen. Aber ich bin so furchtbar erschöpft, dass ich einfach tue, was er sagt. Ich schließe meine Augen und nicke nach kürzester Zeit wieder ein. Die bleierne Erschöpfung ist nur noch eine verschwommene Erinnerung, als ich das nächste Mal zu mir komme. Es ist als hätte ich tagelang geschlafen, und zwar sehr gut geschlafen. Ich liege in einem Bett. Die Bettwäsche riecht frisch gewaschen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich diesen Luxus nochmal erleben würde. Es knistert so eigenartig hier drin. Brennt es? Ich öffne meine Augen, und da ist tatsächlich ein rötlicher Schimmer. Ich schaue nach rechts, von wo das Prasseln kommt. Da ist ein Kamin, in dem ein gemütliches Feuer brennt. Wo zum Teufel bin ich denn hier bloß? Im Zimmer brennt sonst kein Licht und die Vorhänge sind zugezogen, deswegen sehe ich erst einen Moment später, dass Itachi am Kaminfeuer sitzt, mit dem Rücken zu mir. "Itachi", sage ich vorsichtig. Er weiß sicher schon, dass ich wach bin. Aber ich bin verwirrt, ich habe keine Ahnung, wo ich bin. Ich setze mich auf. Das Zimmer ist spärlich eingerichtet. Die Wände sind aus Holz, richtig urtümlich. Es gibt mein Bett, das an der Wand steht, einen niedrigen Tisch zum hinknien ohne Stühle und sonst nichts. Nur das Fenster mit den dicken Vorhängen und zwei Türen. Neben der Tür links hängt Itachis Mantel. Itachi hat mir noch nicht geantwortet. Das passt gar nicht zu ihm. Ich schlage die Bettdecke beiseite und merke, dass ich nur einen schwarzen Stoffkimono trage. Naja den und einige Verbände. Der Kampf mit Deidara hat mich ganz schön angestrengt, aber ich fühle mich weit erholter als in den letzten Tagen. Offensichtlich habe ich die unangenehmen Folgen des Chidori einfach verschlafen. Ein Glück. Vorsichtig stehe ich aus dem Bett auf, weil ich nicht weiß, ob ich meinen Beinen trauen kann, aber sie halten mein Gewicht aus. Ich nähere mich meinem Bruder, der sich immer noch nicht rührt. Ein bisschen verunsichert setze ich mich neben ihn und erst als ich ihm ins Gesicht sehe, merke ich, dass er im Sitzen schläft. Dieses Mal wirklich. Er muss erschöpft sein, wenn er sich so eine Blöße gibt. Er trägt weder seinen Mantel noch sein Stirnband. Nur die Hose und sein Netzhemd. Mir kommt der Gedanke, dass ich so eine Situation eigentlich hätte ausnutzen müssen. Wenn schon nicht um ihn zu töten, dann doch wenigstens, um abzuhauen. Aber das wäre inzwischen einfach nur noch peinlich. Ich habe ihn gerettet. Vielleicht war es ja umsonst, weil er sich auch ohne meine Hilfe selbst hätte retten können, das weiß ich nicht. Aber ich bin dazwischen gegangen, um meinem Bruder das Leben zu retten. Mein Körper und mein Verstand sind sich offenbar nicht einig, wenn es um ihn geht. Ich wollte ihn beschützen. Jetzt noch so zu tun, als wollte ich seinen Tod, wäre lächerlich. Ich muss mich der Wahrheit stellen. Ich sehe ihn an und mir wird in aller Deutlichkeit klar, dass dieser Mann, der früher ein über alles geliebter Mensch für mich war, ohne mich jetzt nicht mehr da wäre. Wäre ich nicht aufgewacht, hätte ich es nicht gesehen… ich hätte ihn für immer verloren. Ohne meine heißersehnten Antworten. Ohne ihm alles sagen zu können, was mich quält. Ohne ihm sagen zu können, was er mir angetan hat, als er mich verlassen hat. Der Gedanke tut so weh und macht mich gleichzeitig auf eine eigentümliche Weise glücklich. Ich habe etwas bewirkt. Mein Handeln hat etwas verändert, ich war nicht bloß ein Klotz am Bein. Meine Familie konnte ich nicht retten, ihn aber schon. Ich war zu etwas nütze und das macht mich wirklich, wirklich glücklich. Quitt sind wir eigentlich nicht. Er hat mein Leben mindestens zweimal gerettet, das ist mir schon bewusst. Aber kommt es dabei wirklich darauf an, wie oft man jemanden rettet? Ich fühle mich, als hätte ich meine Schuld beglichen. "Itachi", sage ich nochmal. Jetzt öffnet er langsam die Augen, hebt den Kopf und sieht mich an. Im ersten Moment ist sein Blick völlig orientierungslos. Er öffnet den Mund, um etwas zu sagen, blinzelt dann aber und hat sich auch schon wieder gefangen. Was er sagen wollte, werde ich nie erfahren. Stattdessen deutet er mit einer Kopfbewegung rüber zu dem Tisch. "Du solltest etwas essen." Ich folge seinem Blick. Auf dem Tisch steht eine Schüssel, aber ich habe noch keinen Hunger. Erst will ich Antworten. "Sag mir erst, wo wir sind und was passiert ist." "Wir befinden uns irgendwo in den Bergen", antwortet er und starrt ins Feuer. "In einem Gasthof, nicht weit von einem kleinen Zivilistendorf. Viel mehr Alternativen gab es auch nicht, jetzt sind nämlich die Akatsuki hinter uns her. Die, die noch übrig sind." "Also ist Deidara tot. Aber der hat sich ja selbst umgebracht. Was ist mit Kisame?" "Den habe ich getötet, noch bevor Deidara sich in die Luft gesprengt hat." Er starrt noch immer gedankenverloren ins Feuer. "Deidara war nicht zu bremsen. Und als Kisame gesehen hat, dass ich ihn angreife, ist er auch auf mich losgegangen. Ich musste ihn beseitigen, sonst wäre er zu den Akatsuki gerannt und hätte sie mir sofort auf den Hals gehetzt. So hatten wir wenigstens einen Vorsprung." Ich bringe ihm wohl kein Glück. Aber dass er mit den Akatsuki gebrochen hat, kann ich nicht wirklich bedauern. Mich beschäftigt eher die Frage nach dem Warum. "Wieso hast du das getan?" Jetzt sieht er mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Ich komme zurück und das halbe Haus steht in Flammen. Die Tür wird aufgesprengt und du springst blutend raus. Und Deidara ist hinter dir her wie der Teufel. Was hätte ich tun sollen? Zulassen, dass er dich umbringt?" Gleichgültig zucke ich die Schultern. "Wieso nicht?" Darauf bekomme ich keine Antwort. Ist wohl besser so. Er ist für seine Verhältnisse ohnehin sehr gesprächig. Vielleicht hat das, was passiert ist, ihm auch zugesetzt. Langsam wird mir die Tragweite unserer Entscheidungen bewusst. Itachi hat meinetwegen die Akatsuki verraten und damit seinen Zufluchtsort aufgegeben. Genau wie ich hat er jetzt niemanden mehr. Wir sind beide auf der Flucht. Itachi verlangt keine Erklärung dafür, dass Deidara mir an den Kragen wollte. Er war schon immer so, hat die Dinge so genommen, wie sie kamen. Meistens jedenfalls. Vielleicht gilt dasselbe auch für die Tatsache, dass ich ihn gerettet habe. Dass es so war, weiß er mit Sicherheit. Eigentlich bin ich auch ganz froh, dass er es nicht erwähnt. Würde er mich fragen, wieso ich ihm das Leben gerettet habe, wüsste ich darauf keine Antwort. Ich stehe auf, gehe rüber zum Fenster und schiebe die Vorhänge zur Seite. Es ist ziemlich dunkel draußen. Und es schneit. Schnee… wir müssen tief in den Bergen sein. Dass es hier Gebiete gibt, in denen fast ständig Schnee liegt, weiß ich. Aber ich war noch nie an so einem Ort. Auf einmal erscheint mir mein Fluchtversuch aus Itachis Haus, als ich mich nachts einfach ins Gras legen konnte ohne zu frieren, entsetzlich lange her. Ich lasse die Vorhänge los und drehe mich wieder zu ihm um. Wie wütend ich auf ihn war… das ist nur noch eine verblasste Erinnerung. Jetzt bin ich nur noch verwirrt. Ich habe sein Leben gerettet. Und ich kann es nicht einmal bedauern. Was ist nur los mit mir? Ein bisschen ratlos gehe ich rüber zu dem Tisch. Auf dem Teller sind Reisbällchen. Ich nehme einen und beiße hinein, obwohl ich keinen Hunger habe. Ich weiß noch nicht, wie lange ich geschlafen habe. Auf jeden Fall habe ich eine ganze Weile nichts gegessen. Das kenne ich schon, nach einiger Zeit hat man nicht mal mehr Hunger. Deshalb muss ich mich zwingen, zu essen. "Was ist mit Orochimaru?", erkundige ich mich, weil es mir grade wieder einfällt. "Tot", antwortet Itachi knapp. Das ist gut. Ein Problem weniger. Ich wünschte, ich hätte ihn selbst umgebracht. Aber wenigstens war es ein Uchiha, der ihn beseitigt hat. Ich kann damit gut leben. Itachi schweigt wieder und ich habe nichts mehr zu sagen. Ich stelle mich ans Fenster und blicke stumm nach draußen. Ich bin wirklich kein Fan von großen Naturschauspielen. Aber an diesem Ort ist es unheimlich friedlich. Ich stehe im Garten des Gasthauses und von hier aus kann man runter bis ins Tal sehen. Gestern Nacht hat es irgendwann aufgehört zu schneien und jetzt ist die Sicht völlig klar. Vielleicht ist es gut, dass ich jetzt hier bin. Ein paar Augenblicke des Friedens werden mir gut tun. Vielleicht brauche ich diese Ruhe, um endlich Klarheit zu bekommen. Itachi ist vor einer halben Stunde gegangen, kommentarlos, und ich habe keine Ahnung, wo er hin ist und wann er wiederkommt. Würde ich eine Flucht momentan in Betracht ziehen, würde ich trotzdem bleiben. Ich habe nichts zum Anziehen und es ist bitter kalt. Meine Zehen spüre ich kaum noch, ich hätte nicht einmal das richtige Schuhwerk, um diesen Berg wieder runterzusteigen. Ich käme keine drei Kilometer weit. Wahrscheinlich hat er mich nur deshalb allein gelassen. Seine Abwesenheit habe ich genutzt, um diesen Ort zu erkunden. Der Gasthof ist nicht besonders groß, es gibt nur zwei Stockwerke mit schätzungsweise je fünf Zimmern. Er liegt total einsam am Hang, wenn man hinten im Garten steht, so wie ich jetzt, kann man ins Tal sehen. Hier gibt es nichts als Schnee und Bäume. Auf der anderen Seite gibt es einen schmalen Weg, der wohl in das Dorf führt, das Itachi erwähnt hat. Wie aufs Stichwort höre ich Schritte im Schnee und er stellt sich zu mir. Ich starre weiterhin runter ins Tal, wo die ersten Lichter angehen. Es ist spät, bald wird es dunkel. "Was wirst du jetzt tun?", frage ich ihn, ohne ihn anzusehen. Ich weiß, dass er versteht, was ich meine. "Ich weiß noch nicht. Vor den Akatsuki habe ich keine Angst. Gegen mich kommen sie nicht an." "Aber gegen mich schon", sage ich nachdenklich. Er müsste sich nicht verstecken, wenn ich nicht wäre. Wieder einmal bin ich nichts als ein Klotz am Bein. "Und ich habe keine Freunde mehr. Ich kann nirgends hin." Eisiger Wind bläst mir ins Gesicht. Ich trage immer noch bloß den Kimono, aber erst jetzt fange ich langsam an zu frieren. Trotz allem ist mein Körper immer noch abgehärtet. Das ist gut zu wissen. "Als ich vor dir weggelaufen bin… bevor Kabuto mich gefunden hat… da habe ich darüber nachgedacht, nach Konoha zurückzukehren." Interessiert beobachte ich, wie mein Atem an der kalten Luft verdampft. "Wenn du es möchtest, kann ich dich nach Hause bringen", sagt er tonlos. "Ich setze dich in Konoha ab und ziehe allein weiter." "Dann bin ich nicht länger dein Gefangener?", frage ich ohne Vorwurf in der Stimme. Ich weiß sehr wohl, dass ich ihm nicht geantwortet habe. "Ich wollte nur verhindern, dass du dir etwas antust." "Das war nichts weiter als eine Kurzschlussreaktion", antworte ich. "Auf die Leere war ich nicht gefasst, ich war nicht ich selbst." Ich schaue hoch zum Himmel. Den Polarstern sieht man schon. "Du hattest nicht das Recht, mich einzusperren." Ich wundere mich selbst darüber, wie ruhig ich plötzlich mit ihm darüber reden kann. "Mein Leben geht dich nichts mehr an. Es hat dich nicht zu interessieren, ob ich lebe oder sterbe." "Das hat es sehr wohl. Du hattest nicht das Recht…" Mitten im Satz unterbricht er sich und führt ihn auch nicht zu Ende. "Ich brauche deine Erlaubnis nicht, um auf dich aufzupassen", sagt er stattdessen. Ich seufze. "Ich verstehe dich einfach nicht." Wir schweigen beide eine Weile, dann sagt er: "Gehen wir rein. Dir ist kalt." Ich folge ihm brav zurück ins Haus. Drinnen ist es angenehm warm und im Flur begegnen wir einer Frau, so um die vierzig schätze ich, ein bisschen rundlich und mit freundlichen Augen. Sie sieht mich an und strahlt. "Dem jungen Mann geht es wieder besser! Das freut mich!" Itachi nickt knapp, ich werfe ihr nur einen neugierigen Blick zu. Als er mich hergebracht hat, war ich bewusstlos. Was hat er ihr wohl erzählt? Ich nehme stark an, dass sie diesen Gasthof betreibt oder zum Personal gehört. Was hat er wohl zu ihr gesagt, als er mit einem bewusstlosen jungen Mann im Arm hier ankam? Wortlos geht er an ihr vorbei und ich folge ihm die Treppe hoch. Das Haus scheint momentan nicht sehr gut gebucht zu sein. Oben begegnet uns keine Menschenseele. Vielleicht sind wir sogar die einzigen Gäste hier. Das Feuer ist ausgegangen. Itachi kniet sich vor den Kamin und mit einem gut gezielten Feuerball entfacht er es erneut. Er starrt ins Feuer und sagt zu mir: "Keiner weiß, dass wir Shinobi sind." So etwas habe ich mir schon fast gedacht. Weshalb sonst sollte er ohne sein Stirnband rumlaufen? Wahrscheinlich wäre es zu auffällig, wenn zwei Ninja hier auftauchen würden. Die Akatsuki könnten davon erfahren und dann wären wir in Gefahr. Oder ich zumindest. Itachi scheint sie ja nicht zu fürchten. Ein paar Minuten lang setze ich mich ans Feuer und wärme mich auf. Es ist wirklich gemütlich hier drin. Ich brauche keinen Luxus, aber von allen Orten, an denen ich in den letzten Wochen und Jahren war, ist dieser hier mir der Liebste. Bei Orochimaru war es stets kalt und finster. Das erste Haus, in das Itachi mich gebracht hat, war zu normal, zu… lebendig. Ich konnte die Anwesenheit der vorherigen Bewohner fast noch spüren. Und für Deidaras Behausung gibt es sowieso keine Worte. Hier aber ist es gemütlich und warm und wir sind nur zu zweit. Ich bin befreit von meinem Hass, ich habe genug zu Essen, meine Verletzungen sind fast alle abgeheilt. Aber wir können ja nicht ewig hierbleiben. Es gibt überhaupt kein "wir". Ein Wort von mir reicht aus, damit er mich nach Hause bringt. Dann bräuchte er sich nicht mehr zu verstecken. Das hier ist nicht von Dauer und ich weiß auch nicht, ob ich es lange aushalten würde. Es ist ein kurzer Abschnitt auf einem Weg, den ich noch nicht wirklich vor mir sehen kann. Keine Ahnung, was weiter passieren wird. Ich sollte versuchen, das Beste daraus zu machen. Es klopft an der Tür und ich bitte die Person herein. Es ist die Frau von eben und noch bevor sie etwas sagt, schweift ihr Blick neugierig durch das Zimmer. Wir müssen vorsichtig sein. Sie sieht sehr freundlich aus, ich zweifle nicht daran, dass sie keine bösen Absichten hat. Aber sie ist offenbar neugierig und so wie ich sie einschätze, wird sie alles, was sie von uns erfährt, sofort weitertratschen. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Dorfbewohner jede Kleinigkeit über die Fremden, die bei ihr zu Gast sind, erfahren werden. Sie darf nicht zu viel wissen. Sie lächelt mich freundlich an und sagt: "Ich dachte mir, vielleicht braucht ihr noch eine Schlafgelegenheit. Wir haben momentan kaum Gäste, deshalb bringe ich euch das hier." Sie hält einen Futon im Arm, mit dem sie ins Zimmer kommt und den sie jetzt vor dem Kamin ausbreitet. Es ist eine freundliche Geste und ich bedanke mich höflich bei ihr. Gleichzeitig beginne ich mich zu fragen, wie lange ich wohl ohne Bewusstsein war. Es kam mir vor, als hätte ich mehrere Tage geschlafen, aber wenn sie erst jetzt auf die Idee kommt, sind wir vielleicht erst heute hier angekommen. Sie mustert mich wohlwollend und fragt: "Darf ich fragen, was zwei so hübsche junge Männer hierher verschlagen hat?" Ob jemand es je gewagt hat, Itachi einen hübschen jungen Mann zu nennen, wenn er in Hörweite war? Ohne die Sharingan sieht er offenbar weit weniger bedrohlich aus, sodass die Frau keine Angst vor ihm hat. "Wir wollten einen Freund besuchen und haben uns im Schnee verirrt", antwortet Itachi. "Wir werden uns ein paar Tage hier aufwärmen und wieder zu Kräften kommen, dann ziehen wir weiter." Ihre Neugierde ist ganz offensichtlich noch nicht gestillt. Aber wir beide sind so wortkarg, dass es ihr schwerfällt, uns weiter auszufragen. Sie bittet uns, Bescheid zu geben, falls wir irgendetwas brauchen sollten und wünscht uns eine gute Nacht. Nachdem sie gegangen ist, schließe ich die Tür von innen ab. Mit einem Kopfnicken deutet Itachi auf das Bett. "Du schläfst auf dem Bett." Ich setze zu einem Protest an, aber er schüttelt bloß den Kopf. Ich habe wirklich keine Lust, mich mit ihm zu streiten. Deshalb setze ich mich auf das Bett und frage mich, wie spät es wohl ist. Meine innere Uhr schätzt es auf etwa sieben Uhr abends. Eigentlich viel zu früh um zu schlafen, aber anders kann man sich hier kaum beschäftigen. Itachi spricht nur das Nötigste und ich habe auch nichts zu sagen. Deshalb lege ich mich hin und Itachi macht es sich auf dem Futon bequem. Ich habe ein oder zwei Stunden vor mich hin gedöst, bevor ich wieder wach werde. Geschlafen habe ich in letzter Zeit genug, ich bin einfach nicht müde. So leise wie möglich setze ich mich im Bett auf. Draußen ist es jetzt wirklich stockdunkel, ich erkenne nur Schwärze durch das Fenster. Ich glaube, Itachi schläft. Jedenfalls atmet er gleichmäßig und reagiert nicht darauf, dass ich wach bin. Das Feuer brennt nur noch sehr schwach, langsam wird es kühl hier drin. Ich stehe lautlos auf und schleiche rüber zum Fenster. So nah an der Scheibe kann ich erkennen, dass es wieder angefangen hat zu schneien. Wenn ich das so sehe, frage ich mich, wie Itachi nach seinem Kampf mit Deidara noch die Kraft aufbringen konnte, mich hier hoch zu schleppen. Es muss unfassbare Reserven haben. Wir werden bald weiterziehen müssen. Dieses Idyll kann nur von kurzer Dauer sein und ich muss bald eine Entscheidung treffen. Ob ich überhaupt eine Wahl habe, weiß ich nicht. Kann ich, darf ich, will ich bei Itachi bleiben? Der Gedanke erscheint mir absurd. Aber nach Konoha zurückzukehren scheint momentan fast genauso abwegig. Es fühlt sich alles so unvollendet an. Ich habe so viel Zeit mit Itachi verbracht, aber ich habe immer noch keine Antworten auf meine Fragen erhalten. Ich weiß nicht, was er wirklich denkt, was tatsächlich in ihm vorgeht. Ich weiß nicht, wieso ich ihn nicht töten konnte oder wieso ich das Gefühl hatte, ohne ihn nicht weiterleben zu können, als ich dachte er wäre tot. Es ist alles so unfertig, diese Geschichte braucht doch einen Abschluss. Vorher kann ich nicht loslassen, oder ich würde wieder genauso rastlos nach Konoha zurückkehren, wie ich es vorher war. Aber ich weiß auch, dass es kein Ende gibt. Das hier ist die Tragik meines Lebens und die nimmt kein Ende, nur weil ich das gerne möchte. Itachi wird mir keine Antworten geben. Und er kann mir sowieso nicht alle Fragen beantworten. Er kann mir nicht sagen, warum ich sein Leben retten wollte. Vielleicht werden wir schon morgen aufbrechen. Und ich werde so rastlos sein wie heute. Wenn ich an die Zukunft denke, sehe ich nur Ungewissheit und Einsamkeit. Ich ziehe den Vorhang zu und gehe rüber zum Kamin. Ein schwacher Feuerball stärkt das Feuer und ich schiebe einen Holzscheit nach. Dann drehe ich mich um. Hier beim Feuer ist es wärmer als im Bett. Das mag nur eine bequeme Ausrede sein, denn eigentlich sehne ich mich bloß nach etwas Körperkontakt, aber momentan denke ich auch nicht groß darüber nach, sondern krieche einfach zu Itachi unter die Decke. Er wird wach, als ich mich an ihn drücke, sieht mich im rötlichen Licht erstaunt an, aber er stößt mich nicht weg. Einen Arm legt er schwer um mich, dann schließt er die Augen und döst wieder weg. Es dauert nicht lange, bis auch ich wieder eingenickt bin. Die Bilder meines Traums verblassen. Mir wird gerade erst bewusst, dass ich erwache. Wovon hab ich geträumt? Ich weiß es schon nicht mehr. Da ist irgendwas. Ich spüre den warmen Atem eines anderen auf meinem Gesicht. Da ist was an meiner Wange. Ich könnte beim besten Willen nicht die Augen aufmachen. Ich schlafe noch halb, ich fühle mich so wohl. Das soll nie vorbeigehen. Je länger ich das Gefühl festhalten kann, desto besser. Alles andere ist auf einmal so weit entfernt. Vielleicht träume ich ja doch noch. Etwas berührt jetzt meine Lippen. Irgendwo, im hinterletzten Winkel meines Verstandes, weiß ich, dass dies der Moment wäre, um in Panik zu geraten. Aber der Rest von mir fühlt sich einfach so unheimlich wohl. Jemand küsst mich. Das ist nicht Orochimaru, oder? Orochimaru fühlt sich unangenehm kalt an. Aber diese Person ist warm. Und riecht so vertraut. Fast wie damals… Ganz automatisch suche ich die Nähe des anderen. Ich weiß, dass er es ist. Wie könnte ich es nicht wissen? Selbst in meinen Träumen erkenne ich ihn. Mein Herz ist so leicht. Irgendwas sagt er zu mir, aber ich bekomme es kaum mit. Ich merke nur, wie ich an seine Brust gezogen werde und er mich umarmt. Das ist so gut. Das ist wie damals. Damals als ich… Nii-sans Bett ist so viel wärmer als meins. Und er riecht so gut. Ich schlafe gerne bei ihm, selbst wenn ich dafür zugeben muss, dass ich schlecht geträumt habe. Nichts ist schöner als wenn er mich zu sich ins Bett lässt und ich in seinen Armen einschlafen kann. "Wovon hast du geträumt?", fragt er mich. Das tut er sonst nie. Vielleicht will er mich dazu bringen, endlich stillzuhalten, weil ich mich in seinen Armen unruhig hin und her wälze. Ich will es ihm sagen, aber ich traue meiner Stimme nicht mehr. Es ist absurd, ich kann es ihm nicht erzählen. Ich habe geträumt, dass Nii-san mich hasst. Selbst jetzt noch bekomme ich bei dem Gedanken einen Kloß im Hals und wage es nicht zu sprechen, weil ich glaube, ich fange gleich an, zu weinen. Es ist so albern und doch ist mein Herz plötzlich so schwer. Er könnte mich doch niemals hassen. Er streichelt mir über die Stirn und flüstert: "Schlaf jetzt, Sasuke." In der Dunkelheit taste ich nach seiner Hand und halte sie fest. Es ist kindisch und das weiß ich, aber ich denke, solange ich ihn festhalte, kann er nicht weggehen. Und mich nicht verlassen. Ich kann kaum atmen. Irgendwas hält mich fest. Es weckt düstere Erinnerungen und noch kaum wach versuche ich mich dem Griff zu entwinden. Es gelingt mir nicht und ich öffne verschlafen die Augen. Eigentlich denke ich, dass es bloß ein Traum war, aber da sind immer noch diese Arme, die mich festhalten. Es ist kühl. Wieso…? Mein Kimono ist weit runtergerutscht, mein Oberkörper ist bloß und ich gerate in Panik. "Nicht!", schreie ich und meine Stimme bewegt ihn dazu, loszulassen. Augenblicklich weiche ich zurück und sitze schwer atmend und völlig durcheinander auf dem Boden. Der runtergezogene Kimono hängt irgendwie wie ein Fremdkörper auf mir. Itachi sitzt aufrecht auf dem Futon und sieht mich an. "Sasuke?" Mir wird klar, dass meine Panik völlig ungerechtfertigt war. Ich habe geschlafen. Der Kimono ist einfach so runtergerutscht. Langsam werde ich paranoid. Bei dem, was ich schon alles erlebt habe, ist das auch kein Wunder. Ohne meinen Ausbruch zu erklären, stehe ich auf und stelle mich vor den Kamin. Das Feuer ist schon wieder fast ausgegangen und ich beschäftige mich damit, es neu zu entfachen. Es ist eine gute Ausrede, um ihn nicht ansehen zu müssen. Ich erinnere mich daran, dass ich geträumt habe. Nein, ich bin gestern wach geworden. Wieviel davon habe ich geträumt? Ich weiß, dass es nahtlos in den nächsten Traum überging, wo ich wieder klein war und bei ihm im Bett geschlafen habe. Die Erinnerung macht mich melancholisch. Wenn ich damals geahnt hätte, in wessen Bett ich da steige… Nun, wenn ich darüber nachdenke… heute weiß ich es und bin trotzdem gestern Nacht unter seine Decke gekrochen. Vielleicht hab ich einfach keine Chance, wenn es um ihn geht. Und ich bin dazu verdammt, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Im Halbschlaf ist niemand zurechnungsfähig, das weiß ich. Aber was ich da zugelassen habe… was ich getan habe… wie will ich das noch erklären? Ich drehe mich zu Itachi um und sehe ihn lange an. Hassen kann ich ihn nicht mehr. Was fühle ich eigentlich, wenn ich ihn ansehe? Sein Haarband ist heute Nacht aufgegangen. Erfasst von einer morbiden Faszination sehe ich zu, wie er danach sucht und dann nur wenig geschickt versucht, die Haare wieder zu bändigen. Er wirkt müde. Jetzt, so kurz nach dem Aufwachen, wirkt er wie ein völlig anderer Mensch, mit den schwarzen Augen und dem müden Blick und den offenen Haaren. Jetzt gerade sehe ich weder den geliebten Bruder noch den verhassten Mörder in ihm. Es ist, als wäre da ein Fremder, den ich gerade erst kennenlerne. Ein Mensch. Der nach dem Aufwachen genauso wenig perfekt aussieht wie jeder andere auch. Dem es irgendwie schwerfällt, sich mit müden Fingern die Haare zusammenzubinden. An diesem Fremden kann ich mich nicht satt sehen. Sein zerzaustes Haar, der orientierungslose Blick, die Bewegungen, die trotz seiner Erschöpfung so elegant wirken… Mich erfasst eine tiefe Sehnsucht, diesen ganz normalen, menschlichen, nicht perfekten jungen Mann kennenzulernen. Es ist eine grausame Wahrheit und zum ersten Mal gestehe ich sie mir ein. Ich bin immer noch fasziniert von Itachi. Nach so vielen Jahren hat sich daran nichts geändert. Noch immer will ich ihm nahe sein. VI. This time somebody's getting hurt ------------------------------------- Wortkarg wie immer ist Itachi vor einer Weile gegangen. Ich habe keine Ahnung, was er macht, wenn er fort ist. Wie kann man sich an einem Ort wie diesem beschäftigen? Geht er in das Zivilistendorf? Ich bin schon neugierig, aber wenn ich frage, werde ich bloß eine kryptische Antwort bekommen. Eben als ich im Bad war, habe ich festgestellt, dass es hier tatsächlich heißes Wasser gibt. Für mich ist das nach der letzten Zeit ein wahrer Segen und deshalb bin ich jetzt dabei, sämtliche Verbände, Pflaster und anderes von meinem Körper zu entfernen. Im Schneidersitz sitze ich auf dem Bett und bin aus den Ärmeln des Kimono geschlüpft, um den Verband um meine Rechte lösen zu können. Es wurde sich ziemlich gut um mich gekümmert, wie ich feststellen muss, irgendwer hat jede kleinste Verletzung verarztet. Vielleicht fühlte ich mich deshalb so gut, als ich aufgewacht bin. Fragt sich nur, wer das gewesen ist. Vielleicht jemand in dem Dorf, das würde auch erklären, warum meine rechte Hand zwar dick verbunden ist, aber die Finger immer noch in merkwürdigem Winkel abstehen. Ein Medic-Nin hätte den schiefen Bruch gerade richten können. Aber das macht nichts. Ich bin schmerzfrei, damit kann ich gut leben. Der weiße Verband fällt mir in den Schoß. Jetzt fehlt nur noch der um meinen Kopf. Mit den Fingern taste ich ihn ab und suche nach der Stelle, wo er zusammengehalten wird, da öffnet sich die Tür. Itachi ist zurück und sieht mich an. Irgendwo wird mir bewusst, dass ich fast nackt auf dem Bett sitze, der Kimono hängt mir fast bloß noch zur Zierde auf den Hüften. Es ist mir egal. Ich erinnere mich gut daran, was ich durchmachen musste, immer wenn ich mich bei Orochimaru umgezogen habe. Der Typ hatte einen Riecher dafür, wann ich gerade nackt war. Aber ich stelle fest, dass es mir in Itachis Gegenwart völlig gleichgültig ist. Ist das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Endlich finde ich den Knoten des Verbands und löse ihn vorsichtig. "Was tust du da?", fragt Itachi. Der weiße Stoff löst sich jetzt von selbst und fällt mir auf die Schultern. "Ich kann schlecht so duschen", antworte ich. Er nähert sich dem Bett und sein Blick ist mir ein komplettes Rätsel. Ich sehe, wie er die Hand ausstreckt und erstarre schier zu Eis, als seine Fingerkuppen kurz über meinen Brustkorb streichen, etwa von der untersten Rippe bis rauf zum Schlüsselbein. Und da greift er nach dem Ende des Verbands, der mir auf die Schultern gefallen ist. Ich will ihn fragen, was das denn soll, da zieht er daran. Der Stoff zieht sich lose um meinen Hals zu und automatisch neige ich meinen Oberkörper in Itachis Richtung. Ich sehe fragend zu ihm hoch und dann kommt er immer näher. Itachi küsst mich. Schon wieder. Aber dieses Mal ist es anders. Ich bin kein Gefangener mehr. Und ich bin nicht mehr wehrlos. Ich bin bei vollem Bewusstsein und könnte mich wehren, wenn ich es wollte. Will ich aber nicht. Stattdessen recke ich das Kinn in die Höhe und dieses Mal bin ich derjenige, der die Grenze überschreitet. Als er von mir ablässt, recke ich mich ein Stückchen vor und küsste ihn erneut. Ich seufze in den Kuss hinein und öffne bereitwillig die Lippen, als seine Zunge sich vortastet. Das hier ist so entsetzlich schlecht und verboten. Das ist nicht mein Bruder, rede ich mir ein, auch nicht der Mörder meiner Eltern, sondern der faszinierende Mann, neben dem ich heute früh aufgewacht bin. Mit der einen Hand hält er immer noch den Stoffverband fest, die andere krallt sich jetzt in meine Haare. Es ist ein grenzwertiges Gefühl, er hat sich so fest in meine Haare gekrallt, dass es wehtut und die Schlinge um meinen Hals wird immer enger. Es tut weh, irgendwo in meinem Bauch, ganz tief drin. Dieser bittersüße Schmerz, was ist das? Es ist neu für mich. Irgendwie passiv sitze ich da, meine Finger haben sich in das Bettlaken gekrallt, und ich lasse ihn, wieder einmal, gewähren. Zu diesem unbekannten Gefühl gesellt sich ein angenehmes Kribbeln hinzu, das über meine Haut kriecht wie winzige Stromstöße und sich schließlich an meiner intimsten Stelle niederlässt und sich zu einem heftigen Pochen wandelt. Und dann, ganz plötzlich, lässt er mich los. Der Verband gleitet durch seine Finger und er macht einen Schritt nach hinten. Sein Blick ruht immer noch auf mir und er sagt atemlos: "Zieh dir was an." Dann dreht er mir den Rücken zu und geht rüber zum Kamin. Verwirrt sitze ich da und ziehe den Stoffstreifen weg. Ich weiß nicht mehr, was ich noch denken oder glauben oder fühlen soll. Es war bloß ein Kuss und was hat er mit mir angestellt? Wortlos, atemlos stehe ich auf und verziehe mich ins Bad. Kopflos schließe ich die Tür, mache das Wasser an und stelle mich drunter. Im ersten Moment ist es eiskalt, aber das ist mir egal. Ich halte meinen Kopf unter den Wasserstrahl und starre an die gekachelte Wand. Ich stehe völlig neben mir. Ich hasse mich für das, was ich grade getan habe. Jetzt gibt es keine Entschuldigung mehr. Ich war wach. Es war meine freie Entscheidung. Wie soll ich je wieder in den Spiegel sehen? Mir ist schlecht. Ich spüre immer noch, wie es war, von ihm geküsst zu werden. Ich kann ihn fast noch schmecken. Das Wasser wird jetzt warm. Ich starre immer noch an die Wand und weiß nicht, wie mir geschieht. Meine linke Hand entwickelt fast ein Eigenleben. Ich fasse mich an und mein Atem geht stoßweise. Was ist mit mir los, dass ein Kuss so einen Sturm der Gefühle in mir weckt? Wie kann ich erregt und von mir selbst angeekelt zugleich sein? In meinem Kopf wiederholen sich die letzten Minuten immer und immer wieder. Sein Kuss, seine Zunge, seine Hand in meinem Haar, der Stoff um meinen Hals, ich fast nackt, sein Blick,… Es dauert nicht sehr lange, bis ich mir selbst einen unruhigen, unbefriedigenden Orgasmus verschafft habe. Meine Knie werden weich und ich lasse mich auf den Boden sinken. Das Wasser prasselt immer noch warm auf mich herab. Ich lehne mich mit dem Kopf an die Wand. Ich halte es nicht mehr aus. Dieser Zustand, die Ungewissheit, meine eigene Unsicherheit und diese verwirrenden Gefühle, ich kann das alles einfach nicht mehr ertragen. Itachi küsst mich, um mir wehzutun und das hat er auch geschafft. Ich habe irrsinnige Schuldgefühle, ich schäme mich und ich frage mich, wie es soweit kommen konnte. Wieso tue ich mir das an? Es tut einfach nur noch weh. Es geht mir nicht gut. Seit Stunden stehe ich am Fenster, sehe dem Schnee beim Fallen zu und grüble. Itachi kommt und geht ohne Erklärung, wenn er da ist, schweigt er mich ohnehin an, also macht es keinen großen Unterschied. Jetzt gerade ist er im Bad und duscht, wärmt sich auf von zwei Stunden, die er draußen in der Kälte verbracht hat. Vielleicht hat er ja trainiert, wer weiß. Schuldgefühle quälen mich und ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Wie konnte das passieren? Es ist gar nicht so lange her, da habe ich mich sogar geweigert, mit Itachi zu sprechen. Und nun? Er küsst mich und mir fällt nichts Besseres ein, als darauf einzugehen. Es gefällt mir. Was bin ich für ein schlechter Mensch. Dass Itachi mich durchschauen kann, weiß ich inzwischen. Er weiß bestimmt, was sein Kuss mit mir macht. Und deswegen tut er es. Bereitet es ihm so viel Freude, wenn es mir schlecht geht? Warum? Zum ersten Mal kommt mir der Gedanke, dass ich vielleicht doch gehen sollte. Ich bin frei, hat er gesagt. Vielleicht war es eine Lüge, aber noch bin ich freiwillig hier. Wenn er mich festhielte, wüsste ich wenigstens, dass ich ein Gefangener bin und an meiner Situation nichts ändern kann. So aber ist es, als würde ich akzeptieren, was er mit mir macht. Wenn ich den letzten Rest an Selbstachtung, den ich noch habe, behalten will, dann muss ich gehen. Auch wenn es sich unfertig anfühlt, auch wenn ich mich nach Itachis Nähe sehne, auch wenn ein Teil von mir bleiben und herausfinden will, was er vorhat, so kann es nicht weitergehen. Ich will bei ihm sein und doch ersticke ich fast an den Schuldgefühlen. Momentan fühlt sich alles einfach nur noch hoffnungslos an. Es geht nicht anders. Die Badezimmertür geht auf und Itachi kehrt zurück in den Raum. Er setzt sich an den Tisch und von seinen nassen Haaren tropft das Wasser auf die Tischplatte. Fasziniert sehe ich ihn an, beobachte wie hypnotisiert, wie ein Wassertropfen nach dem anderen auf dem Tisch landet. Seine Augen sind schwarz. Wie früher. Mit diesen Augen wirkt er nicht wie das Monster, das mir alles weggenommen hat. Ich würde alles geben, um noch einmal in diese Zeit zurückkehren zu können, als ich noch ein Kind war und bei ihm sein konnte. Ich wünschte, ich könnte es immer noch. Mich einfach neben ihn setzen, ihn fragen, woran er denkt und ihm sagen, dass seine Haare immer noch tropfen. Das geht nicht mehr. Wie ich ihn ansehe, verspüre ich eine tiefe, unauslöschliche Sehnsucht nach ihm. Wenn ich ihn wirklich mal gehasst habe, dann ist das bloß noch eine blasse Erinnerung. Nein, inzwischen denke ich… dass ich ihn… immer noch… Nein. Ich darf so nicht denken, nicht einmal mir selbst gegenüber darf ich es eingestehen, denn wenn ich das tue, bin ich verloren. "Itachi", sage ich und er sieht auf. Seine Augen sind so leer. Sein Blick ist erstarrt, kalt und tot. "Ich möchte nach Konoha zurück." Da ist nicht einmal ein Hauch einer Reaktion in seinem Gesicht. Sein Blick ist gleichgültig wie immer. Er schweigt kurz und antwortet dann: "Wir brechen auf, sobald es aufgehört hat, zu schneien." Ist es wirklich so einfach? Ich brauche nur den Wunsch zu äußern und er bringt mich nach Hause? Irgendwie bin ich erleichtert, dass ich es geschafft habe, diese Entscheidung zu treffen. Es ist das Richtige. Das hier quält mich nur. Wieso müssen sich die richtigen Entscheidungen nur immer so verdammt schlecht anfühlen? Es ist mitten in der Nacht und ich stehe wieder einmal am Fenster. Ich habe schlecht geschlafen. Den ganzen Tag lang habe ich bloß rumgesessen oder aus dem Fenster gestarrt, kein Wunder, dass ich nicht müde bin. Ich lag lange hellwach im Bett, lauschte seinem Atem, und wurde von Erinnerungen heimgesucht. Draußen kann ich nicht viel erkennen, aber ich denke, heute Nacht wird es aufhören, zu schneien. Der Schneefall hat merklich abgenommen, die Temperatur sinkt kontinuierlich. Morgen früh können wir los. Ab morgen ist die Zeit mit Itachi vorbei. Freuen kann ich mich nicht darüber. Ich weiß noch immer nichts über ihn. Ich habe keine Ahnung, warum er es überhaupt so weit hat kommen lassen. Warum hat er mich nicht sterben lassen? Warum ist er mir gefolgt, als ich ihm entwischt bin? Und warum hat er mich hierher gebracht, an so einen einsamen Ort? Es liegt wohl an der Uhrzeit, dass ich so seltsames Zeug denke, aber wenn ich nach draußen schaue, in die Finsternis, wohl wissend, dass da nichts als Schnee und Eis ist, kommt mir der Gedanke, dass niemand meine Schreie hören würde. Nein, Unsinn. Wenn er die Absicht hätte, mir irgendwas Schlimmes anzutun, hätte er es schon längst getan. Aber warum bin ich hier? Orochimaru ist tot, das hat er selbst gesagt. Wenigstens von ihm droht mir keine Gefahr mehr. Mag sein, dass die Akatsuki nicht gut auf ihn zu sprechen sind, aber wer sagt eigentlich, dass sie von meiner Existenz oder von der Rolle, die ich bei der Ermordung von Deidara und Kisame gespielt habe, wissen? Itachi hätte mich zurücklassen können. Stattdessen sind wir jetzt hier. Haben in einem Bett geschlafen, haben uns geküsst. Würde er wirklich so viel Mühe auf sich nehmen, um mich zu quälen? Das hätte er auch einfacher haben können. Hasst er mich wirklich so sehr, dass er so weit gehen würde? Ich drehe mich zu ihm um. Im Schein des Feuers wirkt sein schlafendes Gesicht lebendiger, als wenn er wach ist. Wie kann er so ruhig in meiner Gegenwart schlafen? Anfangs war das anders, er wurde doch immer wach, wenn ich zu ihm kam. Wahrscheinlich hat er noch vor mir gewusst, dass mein Wunsch nach Rache erloschen ist. Leise knie ich mich bei ihm hin und sehe ihn an. Seine Hand liegt vor seinem Gesicht und ich nehme sie in meine. Ich weiß, wie leicht sein Schlaf ist und dass er jetzt jederzeit erwachen könnte. Ist mir egal. Im rötlichen Licht des prasselnden Kaminfeuers sehe ich mir seine Hand an, damit ich nicht mehr in sein Gesicht starren muss. Lackierte Fingernägel… wer wohl auf die Idee gekommen ist? Mir wird klar, was ich wirklich verloren habe. Nicht nur die Zeit mit den Eltern, mit dem Clan, auch er ist mir verloren gegangen. Hätte er es nicht getan, dann hätte ich sehen können, wie aus dem Dreizehnjährigen dieser Mann, der jetzt vor mir liegt, geworden ist. Und er hätte sehen können, was aus mir wurde. Wo wären wir heute, wenn er das Uchiha Viertel in jener Nacht nicht in Blut getaucht hätte? Er ist jetzt zwanzig Jahre alt. Wahrscheinlich wäre er schon von zu Hause ausgezogen. Dass Itachi jemanden liebt, kann ich mir einfach nicht vorstellen. In meiner Vorstellung hätten unsere Eltern ein Mädchen für ihn ausgesucht. Wäre ich jetzt glücklicher, wenn es so gekommen wäre? Natürlich wäre ich das. Ich hätte Eltern, eine Familie, Träume. Aber ihn hätte ich wohl trotzdem nicht mehr. Er hätte sich immer weiter von mir entfernt, wie schon damals, bevor er sie alle umgebracht hat. Es tut weh. Die Sehnsucht, es nochmal machen zu können, nochmal von vorne anfangen zu können, schmerzt mich. Ich möchte wieder Kind sein. Ich möchte noch einmal so naiv und aus ganzem Herzen an ihn glauben und ihn einfach nur lieb haben. Jetzt hasse ich ihn nicht mehr, aber egal ist er mir auch nicht. Da ist irgendwas in mir erwacht, das mir Angst macht. Ich fühle mich zu ihm hingezogen, wie damals zieht er mich in seinen Bann. Aber es ist nicht mehr dasselbe. Was ich jetzt fühle, wenn ich ihn ansehe, ist genauso krank wie mein Hass vorher, nur auf eine völlig gegensätzliche Art. Ich wünschte, ich könnte ihn wieder auf so unschuldige Weise lieben, wie ich es damals getan habe. Ich hatte Recht. Heute Nacht hat es wirklich aufgehört zu schneien. Ich habe sogar noch ein paar Stunden Schlaf gekriegt, wurde aber mit dem Sonnenaufgang wach. Es ist ein kristallklarer Tag, die Temperaturen sind ganz erheblich gesunken. Wir werden ohne Probleme bis ins Tal kommen. Meine Haare sind noch etwas feucht vom Duschen, ansonsten bin ich sozusagen reisefertig. Es gibt ja auch keine Sachen, die ich packen könnte. In diesem Raum gehört mir nichts. Weil ich schlecht in dem dünnen Kimono durch den Schnee laufen kann, hat Itachi mir wortlos den Akatsuki Mantel in die Hand gedrückt. Ich ziehe ihn an und bereue es gleich wieder, weil das Kleidungsstück nach meinem Bruder riecht. Itachi steht vor mir und sieht mich an. "Bist du soweit?" Anstatt etwas zu sagen, nicke ich nur, weil ich meiner Stimme nicht vertraue. Er geht mit festen Schritten an mir vorbei. Auf einmal bin ich mir gar nicht mehr sicher. Während der Reise werden wir nicht miteinander reden, schätze ich. Wenn ich meine Fragen je stellen will, dann muss es jetzt sein, oder ich werde nie mehr Gelegenheit dazu haben. "Warte!", sage ich laut. An der Tür bleibt er stehen. "Ja?" "Bevor wir gehen, muss ich dich etwas fragen." Ich stelle mich zwischen ihn und die Tür, sehe ihm direkt in die Augen. Die Frage stellen zu müssen zerreißt mir das Herz, aber ich kann nicht anders. Wenn ich schon sonst keine Antworten bekomme, vielleicht wenigstens diese. "Warum hasst du mich so sehr?" An seinem Gesicht verändert sich gar nichts. Aber er wirkt plötzlich wie erstarrt. Erfroren, mitten in der Bewegung. Warum tut es bloß so weh? Bin ich wirklich so dämlich, dass ich mir gewünscht habe, er würde es leugnen? Vielleicht muss ich es aus seinem Mund hören, damit ich es endlich glauben kann. "Sag es", verlange ich. Er löst sich aus seiner Erstarrung und sieht mir direkt in die Augen. "Wie kommst du darauf, dass ich dich hasse?", fragt er mich mit sanfter Stimme. "Ist das ein Scherz?", schreie ich. "Nach allem, was du mir angetan hast, wie soll ich nicht denken, dass du mich hasst? Ich will nur wissen, warum!" "Warum ist dir das wichtig, Sasuke? Was willst du eigentlich?" Was will ich? Wenn ich es wüsste… "Du schaffst es nicht, mich zu hassen." Nein, das will ich nicht hören! Nicht von ihm! Ich will weg, aber blitzschnell packt er meine Oberarme und hält mich eisern fest. "Nach allem, was ich dir angetan habe, schaffst du es immer noch nicht, mich zu hassen. Warum ist das so, Sasuke?" "Lass mich los!", schreie ich ihn an. Der Schmerz in meiner Brust wird so heftig, dass ich kaum noch atmen kann. Ich muss mich beruhigen, sonst werde ich noch anfangen, zu weinen. Aber die Worte sprudeln wie von selbst aus mir raus. "Wieso muss ich dich hassen? Wieso tust du mir immer wieder weh?" "Hör auf damit!", fährt er mich an und wirft mich mit dem Rücken gegen die Tür. "Du bist nicht der Einzige, der sich quält!" Ich begreife nicht, wie er das meint. Er hat so fest zugepackt, als wolle er meine Arme zerquetschen. Ich versuche, mich seinem Griff zu entwinden, aber es hat keinen Sinn. Er sieht… er sieht wütend aus. So kenne ich ihn gar nicht. "Itachi, lass los!", rufe ich. Er hört nicht auf mich. "Du tust mir weh!" "Ich weiß." Seine Stimme ist bloß noch ein Flüstern und der eigenartige Tonfall bringt mich aus dem Konzept. Ich starre ihn an und sein Blick hält mich gefangen. "Solange du bei mir bist, werde ich dir immer wieder wehtun, Sasuke." Ich weiß, dass es die Wahrheit ist. "So lange", er beugt sich zu mir runter, bis sein Mund dicht an meinem Ohr ist, "bis in deinem Herzen für keinen anderen außer mir mehr Platz ist." Ich kriege Gänsehaut. Das sind so bedeutungsvolle Worte, aber ganz verstehen kann ich sie nicht. Er lässt mich los. In mir wallen so viele Gefühle auf, ich kann einfach nicht mehr klar denken. Ich bin nicht der Einzige, der sich quält? Was für ein übler Scherz! Das alles ist ein schlechter Scherz und zwar auf meine Kosten! "Wenn es das ist, was du willst, dann kannst du jetzt damit aufhören!", fauche ich ihn an. Ich klinge wütend, aber ich bin es eigentlich nicht. Ich brauche nur ein Ventil für diese angestauten Gefühle. "Du warst immer schon der Einzige, an den ich gedacht habe. Du hast mein Leben ruiniert und mich kaputt gemacht, was willst du denn noch? Ich will dieses Leben nicht, das du mir aufzwingst und ich will dich nicht mehr hassen! Du hättest mich am See zurücklassen sollen. Du hättest mich sterben lassen sollen!" Es knallt. Ich sehe seinen zornigen Blick, dann dreht sich alles, Schmerz explodiert in meinem Gesicht und ich pralle mit voller Wucht auf den Boden. Er hat mich geohrfeigt. Und was für eine Ohrfeige das war! Ich setze mich auf, die Hand an meine linke Wange gepresst. Eben war noch Chaos in meinem Kopf und ich glaubte, es nicht zu ertragen, aber jetzt ist da nur noch Stille und die ist noch viel grausamer. Die Wange tut entsetzlich weh und ich schmecke Blut in meinem Mund. Er hat mich geohrfeigt. Nicht geschlagen, denn damit könnte ich umgehen. Wie ein ungezogenes Kind hat er mich gemaßregelt. Aber wenn ich dachte, es könnte nicht schlimmer kommen, werde ich jetzt eines besseren belehrt. Ich weine. Nicht wegen dem Schmerz, das ist das Letzte, was mich kümmert. Ich weine wegen allem anderen. Weil wir einander nur wehtun. Weil ich in seinen Augen bloß ein Kind bin. Weil mein Herz ihn nicht hassen kann. Weil sein Mantel nach ihm riecht. Weil es vorbei ist, sobald wir dieses Zimmer verlassen. Weil alles so unfassbar hoffnungslos ist. Die Tränen kullern mir über die Wangen und lassen sich einfach nicht stoppen. Ich will nur noch weg von hier. Mich irgendwo einschließen und dieses ganze Unglück vergessen. Mühsam raffe ich mich auf und ziehe mich an der Wand nach oben. Den Mantel will ich nicht mehr, ich lasse ihn mir einfach von den Schultern fallen. Lieber friere ich, als den Weg nach Hause mit seinem Geruch in der Nase zurückzulegen. Verbissen starre ich durch die Tränen hindurch auf den Boden. 'Lass uns endlich gehen', will ich zu ihm sagen. Aber ich vertraue meiner Stimme nicht. Er stellt sich vor mich, ich sehe seine Füße. Dann spüre ich auf einmal seine Hände auf meinem Gesicht. Es tut weh, als er mich da, wo er mich eben noch geohrfeigt hat, plötzlich so sanft anfasst. Er zwingt meinen Kopf nach oben, zwingt mich, ihn anzusehen. Diesen sanften, fast zärtlichen Ausdruck hat er immer in den Augen, nachdem er mir wehgetan hat. Ist mein Schmerz das einzige, was ihm eine Emotion entlocken kann? Er küsst mich, ganz vorsichtig, und ich sehe, dass er dabei die Augen schließt. Und als er wieder ein ganz kleines Stück zurückweicht, ist da mein Blut an seinen Lippen. Ich weine immer noch, lautlos, weil ich es einfach nicht abstellen kann. Er leckt sich mein Blut von den Lippen und er sieht tief bewegt aus. Und dann flüstert er: "Ich hasse dich nicht, Sasuke." Ich wusste es bis eben nicht, aber das ist genau das, was ich von ihm hören wollte. Danach habe ich mich gesehnt, seit sich die Idee, dass er mich hassen könnte, in meinem Kopf festgesetzt hat. "Wir werden nicht gehen. Nicht bevor du es verstanden hast. Du bist der Grund, warum ich…", seine Hand streicht fast fahrig durch mein Haar, "…die ganze Zeit…" Das Ende des Satzes höre ich nicht, weil er mich wieder küsst. Aber anders. Anders als je zuvor. Seine Zunge drängt sich zwischen meine Lippen und ich werde wieder gegen die Tür gedrückt. Eine halbe Ewigkeit dauert es an und anschließend bin ich fast besinnungslos, weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Ich spüre, wie er meinen Gürtel öffnet. Seine Hand streicht von meinem Schlüsselbein runter über meine bloße Brust, weiter runter über die Bauchmuskeln bis zum Bauchnabel. Ich kratze das letzte bisschen Verstand, das mir noch geblieben ist, zusammen, für zwei schwache Worte: "Itachi… wieso…?" "Du bist so schön", haucht er und es ist das erste Mal, dass ich ehrliche Gefühle in seiner Stimme höre. Aber seine Worte… schön? Ich? Das hört sich so fremd und eigenartig an, ausgerechnet aus seinem Mund. Aus dem Mund des Mannes, zu dem ich so lange aufgesehen habe… der für mich der stärkste, gutaussehendste, liebste Mensch auf der Welt war. Und der meine Bewunderung in nur einer Nacht zerstört hat. Er küsst meinen Hals, saugt sich an einer Stelle fest, wild entschlossen, seine Spuren auf meinem Körper zu hinterlassen. Irgendeine Barriere ist gefallen. Und ich stehe hier und lasse mich vom Mörder meiner Eltern betatschen. "Itachi!", krächze ich. "Ich will das nicht!" Ich will es. Ich will es mit jeder Faser meines Körpers, so sehr wie nie irgendwas zu vor. Ich will nicht, dass er aufhört. Ein einziges Mal will ich ihm nahe sein. Aber meine Eltern… mein Clan… "Ich will das nicht!", protestiere ich nochmal und versuche, ihn wegzuschieben. Er ist stärker und er drückt mich mit seinem ganzen Gewicht gegen die Tür. Seine Hände fassen in meinen Kimono und ich versuche verbissen, ihn davon abzuhalten. Immer wieder winden sich seine Hände aus meinem Griff und fummeln wieder an mir rum. Er ist so… so aufgebracht. Diese Hektik will nicht zu ihm passen. Er küsst mich und ich versuche zu protestieren. Seine Zunge schlüpft in meinen Mund und ich versuche, ruhig zu atmen, um nicht zu ersticken. Ich will das nicht, ich will das nicht, ich will das nicht… wie ein Mantra wiederhole ich die Worte immer und immer wieder in meinem Kopf. Vielleicht kann ich es ja selber glauben, wenn ich es nur oft genug wiederhole. "Wenn du es nicht willst", fragt er mich atemlos, "warum wehrst du dich dann nicht?" Das tue ich doch! Nein, tue ich nicht. Nicht wirklich. Vielleicht könnte ich gegen ihn nicht gewinnen, aber was tue ich denn, um ihn mir vom Hals zu halten? Ich versuche es ja nicht einmal wirklich. Was passiert mit mir? Ich sollte das nicht wollen, ich darf das nicht! Er ist mein Bruder, das hier geht zu weit, viel zu weit. Das ist nicht mehr nur ein Kuss. Das hier ist… Er fährt mit dem Zeigefinger über meine linke Brustwarze und diese flüchtige Berührung jagt mir einen Schauer über den Rücken. Ich gebe ein tiefes, kehliges Geräusch von mir. Was macht er mit mir? Ich weiß doch, dass er gleich wieder aufhören und mich beschämt zurücklassen wird. Wieso kann ich ihn nicht stoppen? Ich will nicht mehr weinen. Aber ich will auch nicht, dass er… Er nimmt mein Gesicht in beide Hände und sieht mich an. Meine Tränen sind versiegt, vergessen, als er mich angefasst hat. "Was willst du, Sasuke?", fragt er. Ich will nicht mehr leiden. Aber wenn mir seine Nähe ebenso weh tut wie seine Ablehnung, wie soll das funktionieren? "Ich…" "Wenn du gehen willst, dann tu es jetzt", flüstert er. "Ich verspreche, dass ich dich nicht aufhalten werde." Warum bin ich so dumm, ihm zu glauben? Mit ganzem Herzen weiß ich, dass er es ehrlich meint. Dieses Mal darf ich entscheiden, was weiter passiert. Ich darf meine Qualen selbst wählen. "Wenn du bleibst, tue ich dir nur noch mehr weh." Mein Herz schlägt so schnell, als wolle es zerspringen. Es tut weh, tief drin in meiner Brust und in meinem Magen, es ist ein fremder, süßer Schmerz, den ich einfach nicht mehr verleugnen kann. Meine Hand krallt sich an seinem Hemd fest. "Ist mir egal. Dann tu mir weh. Ist mir egal, solange du es bist." VII. Here we are, we're here tonight ------------------------------------ "Dann tu mir weh. Ist mir egal, solange du es bist." Meine Worte haben eine direkte Auswirkung nicht nur auf ihn, sondern auch auf mich. Ich kann fühlen, wie irgendeine Barriere bricht. Die Schuldgefühle sind auf einmal meilenweit weg, unerreichbar, beherrschen mich nicht länger. Die Angst ist fort, ebenso wie die Verzweiflung und das grauenhafte Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Ich habe ausgesprochen, was mich im Grunde schon sehr lange bewegt hat. Ja, er fügt mir immer wieder nur Schmerz zu. Aber soll er doch. Tu mir weh, Itachi! Alles ist besser als die Leere und die Verzweiflung. Und das hier ist sogar sehr viel besser. Weil es alles ist, was ich nie haben konnte. Ich hole mir zurück, was mir weggenommen wurde. Was mir zusteht. Liebe, Zärtlichkeit, Nähe, einfach alles. Und noch mehr von diesem bittersüßen Schmerz. Ich hole mir Itachi-nii-san wieder zurück. Nachdem ich es gesagt habe, gibt er mir keine Möglichkeit mehr, wegzulaufen. Der nächste Kuss ist … heiß und prickelnd und atemberaubend. So furchtbar nah, so nah wie ich noch nie irgendetwas oder irgendjemanden an mich herangelassen habe. Er lässt mich los. Sofort geben meine Knie nach und ich sacke auf den Boden. Voller Erstaunen sehe ich ihn an, sehe zu, wie er mit einem Lächeln vor mir in die Knie geht. Er legt die Hände auf meine Knie und drückt sie auseinander. "Oh", hauche ich. Er drängt sich zwischen meine Beine, küsst mich wieder, und ich weiß nicht, wohin mit dieser plötzlichen Flut von Empfindungen. Itachi zieht mich grob zu sich heran. Ich sitze jetzt rittlings auf seinem Schoß und er zerrt mir ungeduldig den Kimono vom Leib. Ich sitze nackt auf ihm und er ist komplett angezogen. Ich habe das Gefühl, kaum atmen zu können. Es geht so schnell, mein Verstand kann nicht mehr mithalten. Ungeduldig streichen seine Hände über meinem Körper, jeden Zentimeter fasst er an, mit einem beinahe erstaunten Gesichtsausdruck, so als könne er nicht glauben, was da passiert. Ich kann es ja auch nicht glauben. Jede Berührung jagt einen Schauer über meinen ganzen Körper. Seine Hände sind warm, voller Leben. Warum sind sie nicht so kalt wie seine Augen? "So schön", haucht er mir ins Ohr. Schon wieder dieses Wort. Niemand hat mich je so genannt. Die Mädchen in Konoha nannten mich "süß" oder "gutaussehend", "schick" war auch mal dabei, sogar "sexy" habe ich mich dann und wann nennen lassen müssen. Aber schön fand mich noch niemand. Es ist so ein eigenartiges Wort. Als hielte er ein Kunstwerk in den Händen und nicht bloß meinen blassen, ausgemergelten Körper. Ich bin dürr und ausgezehrt. Gut sehe ich doch schon lange nicht mehr aus. Aber er sieht mich an, als wäre ich perfekt. Wie kann es sein, dass ausgerechnet er, das Genie, die personifizierte Perfektion, mich so ansieht? Ich selbst weiß mir kaum noch zu helfen. Das hier wollte ich schon so lange. Ihm nahe sein, ohne Restriktionen, ohne Schuldgefühle oder böse Erinnerungen. Ich bin hier, nicht weil er es so will, sondern aus eigenem Antrieb. Was auch immer jetzt passieren wird, passiert, weil ich es so wollte. Eigentlich sollte ich es mehr genießen, das weiß ich, zumindest irgendwie, irgendwo im hinterletzten Winkel meines Verstandes. Ich sollte es auskosten, solange es anhält, aber dazu bin ich gerade nicht in der Lage. Es ist alles so viel auf einmal und ich weiß nicht, womit ich mich zuerst befassen soll. Ich weiß nur, dass mein Körper mir vorauseilt, dass ich längst so erregt bin, dass mein ganzer Körper glüht und sich verzweifelt windet auf der Suche nach mehr. Mein Kopf ist noch nicht so weit, aber ich schmiege mich so eng an Itachi, wie es nur geht, und reibe meine Erregung mit leichten Bewegungen meines Beckens an ihm, nur um wenigstens irgendwas zu tun, während er immer noch damit beschäftigt ist, diesen meinen 'schönen' Körper zu erkunden. Mir ist so furchtbar heiß, obwohl ich nackt bin, obwohl es hier an der Tür irgendwo zieht. Ich fühle mich fiebrig und irgendwie hilflos. Unsicher tue ich, was er tut. Ich überlasse ihm die Führung bereitwillig, denn ich wüsste auch nicht so recht, was zu tun ist. Wie auch, viel Übung oder Erfahrung habe ich nicht. Ich sehe, wie er sich über Zeige- und Mittelfinger leckt. Irgendwie sollte mir dazu was einfallen, aber ich bin zu weggetreten, um wirklich was mit dieser Information anfangen zu können. Seine Augen mustern mich und er sieht belustigt aus. Mir wird klar, wie dämlich ich aussehen muss, fiebrig und erregt und ein bisschen verloren. Ich lege die Arme um seinen Nacken und vergrabe mein Gesicht an seiner Schulter. Ich muss mich beruhigen und endlich wieder klar denken. Ich brauche einen Moment, damit mein Verstand meine Gefühle einholen kann und ich… Seine Finger schieben sich zwischen meine Pobacken und ich schreie entsetzt: "Warte, I… hahhhh…" Er dringt mit einem Finger in mich ein, einfach so. Das fühlt sich so seltsam an. Scheiße, das geht mir viel zu schnell. Ich schüttle energisch den Kopf, aber wirklich verständlich machen kann ich mich grade nicht. Er legt einen Arm um mich und ich bin nicht ganz sicher, ob mich das beruhigen soll oder ob er mich einfach daran hindern will, mich von ihm zu lösen. Er schiebt nicht gerade rücksichtsvoll einen zweiten Finger nach und jetzt strecke ich erschrocken das Kreuz durch und schaffe es, zwei Worte hervorzuwürgen: "Itachi! Au!!" "Schhh", macht er. "Es wird besser." Er sagt das ganz egoistisch. Er will mir nicht wehtun, aber vor allem will er mich, willig und in seinen Armen. Er wirkt wieder so hektisch, so als hätte er eine halbe Ewigkeit auf diesen Moment gewartet und könnte es jetzt kaum noch erwarten. Ich kann ihm nicht böse sein, meine Gedanken konzentrieren sich auf das fremde Gefühl seiner Finger in mir, die jetzt anfangen, sich zu bewegen. Ich winde mich in seinem Griff, aber er hält mich eisern fest. Es tut weh! Aber ich komme nicht aus, er lässt mich nicht entwischen. Ich spüre seine Erektion, durch den Stoff seiner Hose reibt se ab und zu an meiner, und mir wird allzu deutlich bewusst, dass ich nackt bin. Dass ich nackt auf seinem Schoß sitze. Ich spüre, wie mein Gesicht heiß wird. Seine Finger dringen ruckartig tiefer in mich ein und ich bäume mich auf. "Nicht!", krächze ich, aber er ignoriert meinen Protest weiterhin. "Nnnh!" "Entspann dich." Ich versuche es. Ich versuche, tief durchzuatmen und er hält seine Finger einen Moment lang still, damit ich mich beruhigen kann. Wieder lege ich meinen Kopf an seine Schulter und versuche, für mich selber festzustellen, wie sich das anfühlt. Sollte es nicht eigentlich ein gutes Gefühl sein? Eigentlich ist es nur unangenehm. Ein fremdes Gefühl, dem ich automatisch irgendwie entgehen will, es aber nicht kann, weil er mich festhält. Ich werde unruhig und weil es mir so seltsam vorkommt, werde ich nervös. Ich versuche, mich aufzurichten, mich von ihm zu lösen. Seine freie Hand wandert meinen Nacken hoch zu meinem Hinterkopf und krallt sich dort fest. Er zieht meinen Kopf nach oben und zwingt mir einen innigen Kuss auf. Ich kann mich schwer darauf konzentrieren, aber das ist ihm wohl relativ egal. Ich muss mich bemühen, zu atmen, und schon bald rückt das Gefühl seiner Finger in mir, die sich wieder zu bewegen beginnen, in den Hintergrund und ich entspanne mich, seufze wohlig in den aufregenden Kuss hinein. Es ist nicht mehr nur unangenehm. Irgendwas anderes kommt dazu. Etwas Kribbelndes, Aufregendes. Ich schnappe nach Luft, als er meinen Kopf endlich loslässt. Meine Erregung schreit geradezu nach Aufmerksamkeit, aber ihm scheint das völlig egal zu sein. Wie von selbst wandert meine Hand zu meinem Glied um es zu massieren, mir irgendwie Erleichterung zu verschaffen, aber sofort löst er seinen Arm von mir und hält meine Hand fest. Er fängt mich mit einem Blick ein, der klar und deutlich sagt: Nein! Er hat die Kontrolle und er bestimmt, wann was passiert. Ich werde halb wahnsinnig. "Tu irgendwas", stoße ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Abrupt zieht er die Finger aus mir raus und ich stöhne entsetzt auf. Dann legt er beide Arme um mich und, als würde ich gar nichts wiegen, steht er mit mir im Arm auf. Er zerrt mich rüber zum Bett, aber drauflegen darf ich mich nicht. Er drückt mich runter, bis ich davor knie und drückt dann meinen Oberkörper auf das Bett. Wieder fällt mir ein, dass ich splitternackt bin und ich komme mir plötzlich so ausgeliefert vor in dieser Position. Ich will mich aufrichten, aber er drückt mich runter, hält mich fest. Eine seiner Hände liegt in meinem Nacken und drückt mich runter, mit der anderen öffnet er seine Hose. Jetzt wird es ernst und mein Herz klopft wie verrückt gegen meine Brust. Ich kriege irgendwie Angst, fast Panik, aber zurück kann ich nicht mehr. Vielleicht würde er sogar aufhören, wenn ich ihn darum bitten würde, aber mein ganzer Körper steht wie in Flammen, irgendwas muss passieren, sonst drehe ich durch. "Das wird wehtun", keucht er. "Ist mir egal", zische ich, wild entschlossen, jetzt nicht feige zu sein. "Nun mach schon!" Die Hand in meinem Nacken verschwindet, aber jetzt bleibe ich freiwillig liegen und versuche, tief ein- und auszuatmen. Seine Hände ziehen meine Pobacken auseinander und meine Finger krallen sich in das Laken. Nur ein kleines Stück dringt er in mich ein, aber in mir verkrampft sich sofort alles. Ich gerate irgendwie in Panik, obwohl ich das gar nicht will, und beiße mir in meiner Verzweiflung auf die Unterlippe. Ich bin kein Schwächling. Ich habe schon schlimmere Schmerzen ertragen, warum stelle ich mich denn bloß so an? Plötzlich spüre ich seinen Atem im Nacken, er hat sich über mich gebeugt. "Entspann dich", flüstert er an meinem Ohr. Das versuche ich ja! Mit äußerster Anstrengung versuche ich mich an die Meditationsübungen zu erinnern, die man den Ninjaanwärtern schon im Kindesalter zeigt. Ich muss mich entspannen. Tief atmen. Itachi sagt irgendwas zu mir, aber ich verstehe es nicht, weil ich so mit mir selbst beschäftigt bin. Dann dringt er ohne Vorwarnung zur Gänze in mich ein, langsam zwar aber ohne mir Zeit zu geben, mich daran zu gewöhnen, und im ersten Moment ist es einfach nur Schmerz. Ich gebe einen Laut von mir, der fast wie ein Jaulen klingt. Meine Finger krallen sich so fest in das Laken, dass die Knöchel weiß hervortreten. Scheiße, verdammte! Muss Sex so wehtun? "Auu…", wimmere ich und gerade ist es mir egal, wie weinerlich ich mich anhöre. Soll er doch mal versuchen, das zu ertragen! Dieser widerliche Schmerz treibt mir die Tränen in die Augen und ich weiß einen Augenblick lang wirklich weder ein noch aus. Ich bin kurz davor, wirklich in Panik zu geraten, als er sich wieder über mich beugt. "Schhhh, Sasuke." Es ist nur ein Flüstern und kommt mir doch eher vor wie ein Befehl. Entspann dich. Verweigere dich mir nicht. Ich atme tief ein und aus. Immer wieder. Versuche zu entspannen und mich an das fremde Gefühl zu gewöhnen. Er wird nicht mehr aufhören, das weiß ich mit absoluter Gewissheit. Wenn ich in Panik gerate, wenn ich mich nicht entspanne, dann wird das hier die schmerzhafteste Erfahrung meines Lebens werden. Langsam lässt der Schmerz nach, weil er nicht wieder angefangen hat, sich in mir zu bewegen, und da ist wieder dieses prickelnde Gefühl. Allein die Tatsache, dass ich Itachi in diesem Moment so völlig ausgeliefert bin, verursacht ein warmes, angenehmes Gefühl tief in meinem Inneren. Ich konzentriere mich darauf und merke, wie ich mich endlich etwas entspanne. Itachi merkt es auch und zieht sich ein Stück zurück. Ich würde ihn von Herzen gern bitten, noch etwas zu warten, aber hören würde er eh nicht auf mich. Er stößt sich tief in mich rein und ich keuche vor Schmerz. Es tut weh, wenn auch nicht so sehr wie eben. Aber es nicht mehr nur schmerzhaft, sondern auch… so aufregend irgendwie. Mir ist so heiß, mein ganzer Körper fühlt sich verschwitzt an. Ich rutsche wie eine Puppe vor und zurück auf dem Bettlaken und starre meine verkrampfte rechte Hand an, die sich immer noch im Laken festgekrallt hat. Mit jeder Sekunde wird das Kribbeln in meinem Bauch heftiger. Ich atme total schwer und nach einer Weile merke ich, dass er und ich im Gleichklang atmen. Durch den Nebel der Lust dringt ein Gefühl tiefer Verbundenheit zu mir durch. Das ist es also. Eins werden. Im selben Rhythmus atmen. Man fühlt sich, als würde man sterben, sollte man je wieder vom anderen getrennt werden. So nah war ich nie zuvor einem Menschen. Sein Rhythmus wird immer schneller. Ich schwanke immer noch hin und her zwischen Lust und Widerstand. Er keucht und hält kurz inne. Seine Hände packen meine Hüften und ziehen mich ein Stück zurück. Dann macht er wieder weiter und als er sich vorbeugt und eine seiner Hände an meiner Taille entlang rutscht, über meinen Bauch nach unten gleitet und schließlich mein Glied umfasst, wird mir klar, wozu die kurze Unterbrechung gut war. Ich stöhne wie von Sinnen, peinlich ist es mir schon lange nicht mehr. Ich kann einfach nicht mehr. Unsere Bewegungen werden immer wilder und ungezügelter und ungeduldiger und inzwischen habe ich es aufgegeben, mich beherrschen zu wollen. Ich stöhne, die ganze Zeit, keuche seinen Namen, weil ich mir nicht anders zu helfen weiß, dränge mich ihm entgegen und packe mit meinen Fingern jetzt nicht mehr das Laken sondern seine Arme, die er links und rechts von mir auf dem Bett aufgestützt hat. Und gerade als ich denke, dass ich einfach keine Kraft mehr habe, da kommt er zum Orgasmus. Ich merke es, weil er jetzt einen wirklich tiefen, kehligen Laut von sich gibt, sich krümmt und seine Muskeln sich total anspannen. Sein bestes Stück in mir pulsiert, treibt mich in den Irrsinn. Seine Hände streicheln auf meinem Rücken herum, irgendwie fast hilflos, und er ächzt meinen Namen. Er hört kurzzeitig auf, mich zu massieren und sein Griff um mein Glied verstärkt sich. Ich glaube, dass es vorbei ist, er hatte doch was er wollte, aber er ist immer noch in mir und dann fängt er wieder an, massiert mich mit gleichmäßigen, fordernden Bewegungen. Er beugt sich runter und küsst eine Stelle an meiner Schulter. "Sasuke… Komm für mich." Der Klang seiner Stimme löst alle Barrieren die noch vorhanden gewesen sein mögen. Ich atme röchelnd ein weil mir das alles zu viel wird und dann bin ich auch soweit. Ich komme in seiner Hand und weil alle Muskeln kontrahieren seufzt er auch, immer noch in mir, weil meine Muskeln sein Glied in regelmäßigen Abständen fest umschließen. Einen Augenblick lang schaltet sich mein Verstand komplett aus. Ich sehe nichts, höre nichts, liege einfach nur da und atme. Dieser entrückte Zustand hält nicht sehr lange an, und ich merke, dass er immer noch auf mir drauf liegt. Er ist schwer, aber das Gewicht hat auch was Beruhigendes. Es dauert mehrere Minuten, bis er sich zurückzieht und er sich halb neben mich setzt. Ich sinke vom Bett runter auf den Boden. Au au AU! Es tut weh, jede Bewegung tut weh. Erschöpft sinkt mein Kopf auf die Matratze und aus halb geschlossenen Augen sehe ich ihn an. Sein Blick ist eigenartig. So habe ich ihn noch nie gesehen. Ich weiß nicht, was es bedeutet, ich wüsste es wohl nicht einmal, wenn ich noch bei klarem Verstand wäre. Seine Hand kommt auf mich zu und er wischt mir eine Träne aus dem Augenwinkel, von der ich noch nicht mal wusste, dass sie da war. Dann verschwindet er aus meinem Blickfeld und ich höre, dass er sich hinlegt. Ich würde mich wahnsinnig gern neben ihn legen, aber ich denke, vorerst bleibe ich, wo ich bin. Das war erstmal genug Schmerz für den Moment. Bin ich nicht erst vor kurzem zu dem Schluss gekommen, dass mit Itachis Auftauchen immer auch Schmerz einhergeht? Was für ein Mensch bin ich, dass ich diesen Schmerz umarme und mich mit ihm verbünde? Dass ich mit dem Mann schlafe, der mir so viel angetan, der mich kaputtgemacht und dann achtlos weggeworfen hat? Ich bin kaputt. Beschädigt. Ist das der Grund für mein selbstzerstörerisches Verhalten? Was habe ich denn schon außer ihm? Ich war noch so klein, als ich die Leichen meiner Eltern sehen musste und er mich anschließend gezwungen hat, den Mord an ihnen mitanzusehen. Kein Wunder, dass ich nicht ganz richtig im Kopf bin. Und er war es sowieso nie. Sex mit dem eigenen Bruder ist bloß ein weiterer Punkt auf der Liste unserer Missetaten. Die Liste ist so lang, dass es auch keinen Unterschied mehr macht. Soll er mich ruhig mit ins Verderben reißen. Wo er gerade ist, weiß ich nicht. Nach einer Weile hab ich mich doch neben ihn gelegt. Schlafen konnte ich nicht, obwohl ich mich wie erschlagen fühlte. Nach kurzer Zeit ist er aufgestanden und gegangen, ohne auch nur ein Wort mit mir zu sprechen. Es macht mir nichts aus. Ich habe nicht damit gerechnet, dass er mich in den Arm nimmt, meine Stirn küsst und mir ewige Liebe schwört. Gott bewahre, das hätte mich in die Flucht geschlagen… Inzwischen geht das mit dem Aufstehen und Bewegen wieder einigermaßen. Ich habe mich in das Bettlaken gewickelt und stehe mal wieder am Fenster. Ich bin immer noch ganz wuschig. Kein Wunder. Ich bin fünfzehn. Nachdem ich bei Orochimaru nur Dinge erlebt habe, die jedes sexuelle Verlangen im Keim erstickt haben, bin ich wie ausgehungert. Wäre er jetzt hier… keine Ahnung, was ich dann tun würde. Es war nicht genug. Ich will noch mehr, viel mehr. Es war zu viel Anspannung, zu viel Furcht, als dass ich es richtig hätte genießen können. Ist wohl so beim ersten Mal. Irgendwie frustriert lasse ich mich auf das Bett sinken. Das Kaminfeuer prasselt so gemütlich. Ich lasse mir das, was eben passiert ist, nochmal durch den Kopf gehen. Irgendwie hab ich den Zeitpunkt verpasst, wo ich es hätte stoppen können. Aber wenn ich so darüber nachdenke… nicht mal im Nachhinein würde ich das rückgängig machen wollen. Mmmh… Itachi sieht immer noch gut aus. Ich hätte die Gelegenheit nutzen sollen. Irgendwie ging alles so schnell, ich kam nicht mal wirklich dazu, seinen Körper zu erkunden so wie er meinen, nicht einmal das Hemd hat er sich ausgezogen. Ich verspüre das dringende Bedürfnis, ihn anzufassen. Es ist verdammt schade, dass es so schnell vorbei war. Ich weigere mich, es zu bedauern, aber ich bedaure, dass es nicht länger währte und dass es sich nicht wiederholen wird. Ich lege mich hin und schließe die Augen. Denke ohne Reue an das, was geschehen ist und meine Hand schlüpft unter das Laken. "Nnn…" Es vergehen mehrere Minuten, in denen ich mich ganz den Phantasien hingebe. Ich öffne die Augen, eigentlich nur so, und ich erschrecke, als mich dunkle Augen interessiert ansehen. Ich habe ihn nicht zurückkommen hören. Wie erstarrt liege ich da und sehe ihn an. Itachi hat schon wieder diesen merkwürdigen Gesichtsausdruck. Jetzt setzt er sich in Bewegung, kommt zu mir. Ich weiß nicht recht, wie ich mich verhalten soll. Wirklich peinlich ist es mir nicht, dass er mich erwischt hat. Naja, ein wenig vielleicht. Er zieht mit einem Ruck das Laken weg und mustert mich von oben bis unten. Ein bisschen trotzig frage ich: "Und? Gefällt dir was du siehst?" "Durchaus." Er setzt sich auf das Bett und ich überlege ernsthaft, was ich jetzt wohl tun soll. Irgendwie kann ich kaum einen klaren Gedanken fassen, was in der Situation auch kein Wunder ist. Es ist schon irgendwie unangenehm, in seine Augen sehen zu müssen, nach allem, was wir getan haben. Wir sind schlecht, alle beide, und die Nähe des anderen erinnert uns an unsere Sünden. Es wäre mir lieber gewesen, er wäre noch ein bisschen weggeblieben. Wenigstens lange genug, damit ich mir ein bisschen Erleichterung verschaffen hätte können. Was wird jetzt werden? Ich habe mir darüber noch keine Gedanken gemacht. Bringt er mich jetzt doch weg? Viel anderes wird ihm wohl nicht übrig bleiben. Nach allem, was wir getan haben, können wir unmöglich länger zusammenbleiben. Er hatte, was er wollte und jetzt wird er mich fortjagen. Aber bei Itachi sollte ich immer das Unerwartete erwarten. Eine Hand legt sich urplötzlich von hinten auf meine Schulter und ich zucke vor Schreck heftig zusammen. Ruckartig werde ich nach hinten gezogen, bis ich auf dem Rücken liege, und als ich hoch sehe, wird mir klar, was hier gespielt wird. Itachi hat einen Doppelgänger von sich erzeugt, der mir frech ins Gesicht grinst und mein Erstaunen dazu nutzt, meine Handgelenke zu packen und über meinen Kopf zu ziehen. Als ich begreife, dass mir soeben ein großer Teil meiner Bewegungsfreiheit entzogen wurde, ist es schon zu spät. Sein Bunshin sitzt am Kopfende und hält meine Handgelenke so fest als hätte ich Handschellen an. "Was wird das?", frage ich erzürnt. "Was denkst du denn?" Fassungslos sehe ich ihn an. Ich hatte mit unerschütterlicher Gewissheit geglaubt, er würde mich davonjagen, sobald wir einmal miteinander geschlafen haben. Aber danach sieht es wohl kaum aus. Anstatt mir aufzutragen, mich anzuziehen, damit wir gehen können, fasst er mir plötzlich zwischen die Beine und lange, schlanke Finger packen mein aufgerichtetes Glied. Die Berührung allein reicht beinahe aus, um mich in den Wahnsinn zu treiben. Meine Augen sind jetzt garantiert riesengroß und ich bin überrascht, dass ich noch klare Sätze von mir geben kann: "Was tust du da?" Von ihm kommt nur ein amüsierter Laut und er beginnt mich mit auf und ab Bewegungen zu massieren. "T-tu das nicht!", krächze ich hilflos. "Für Bedenken ist es ein bisschen spät, kleiner Bruder." Wie kann er mich kleiner Bruder nennen, wenn er grade dabei ist, mir einen runterzuholen? Wie KANN er so unfassbar zynisch sein? Andererseits hat er irgendwie schon Recht. Jetzt ist es wirklich zu spät für Bedenken. Darum geht es aber auch nicht allein, ich bezweifle stark, dass er mir aus reiner Herzensgüte hilft, die Anspannung loszuwerden. Mir tut immer noch alles weh von eben. Gleich noch mal verkrafte ich es nicht, dass er irgendwas in mich reinsteckt. "Itachi, ich-" Eigentlich will ich ihm meine Bedenken irgendwie verständlich machen, aber den Aufwand kann ich mir offenkundig sparen. "Willst du es wirklich noch leugnen, Sasuke?", fragt er mich. "Leugnen? Was denn?" "Du genießt es, wenn ich dich unterwerfe und dir wehtue." Augenblicklich schießt mir das Blut in den Kopf. "Das ist nicht-" "Ich bitte dich. Muss ich es dir beweisen?" Nein! Bloß nicht! Itachi schiebt seinen Arm unter meine Kniekehle und drückt mein rechtes Bein hoch. "Was wird das?!", frage ich panisch. Ich bin bedauerlicherweise verdammt gelenkig. Er drückt das Bein soweit hoch, dass mein Knie fast meine Brust berührt. Und hält es dort fest. Ich kapiere überhaupt nichts mehr, ich weiß nur, dass es mir nicht gefällt. "Itachi! Was tust du?" Er führt seine freie Hand zum Mund und leckt sich kurz über Zeige- und Mittelfinger. Mir schwant Übles. Er wirft mir bloß einen amüsierten Blick zu. Die Fingerkuppen streichen über die Innenseite meines Schenkels, immer weiter runter und dann spüre ich die Finger zwischen meinen Pobacken und ich gerate in Panik und rufe "Itachi, nicht! Warte!" Das letzte Wort kommt ungefähr um drei Oktaven höher aus meiner Kehle als ich das erwartet hatte, weil er genau in dem Moment einen Finger tief in mich reingeschoben hat. An dieses Gefühl hab ich mich sicher noch nicht gewöhnt, ich hasse es und ich hasse ihn dafür, dass er das tut! Es tut weh! Ein bisschen Spucke reicht als Gleitmittel ganz sicher nicht aus, jetzt noch viel weniger als vorher, weil ich ohnehin schon wund bin und der Mistkerl weiß das ganz genau. "Gottverdammt!", fluche ich und winde mich unter ihm, versuche innerhalb meiner sehr begrenzten Möglichkeiten ihm irgendwie zu entgehen. Zwecklos. "Sasuke." Ich erschrecke, als er meinen Namen sagt. Ich war so beschäftigt damit, diesem ungewohnten, unguten Gefühl Herr zu werden, dass seine Stimme mich total aus der Fassung bringt. Ich starre ihn an und er sieht mir direkt in die Augen. "Solange du bei mir bist, bestimme ich über dich und deinen Körper." Sämtliche Härchen an meinem Körper stellen sich auf, ich kriege eine Gänsehaut. Darum geht es also. Es hat ihm nicht ganz gepasst, dass ich mir alleine zu einer zweiten Runde verhelfen wollte. Bedauerlicherweise trägt die Erkenntnis nicht dazu bei, meinen Kopf wieder klar zu kriegen. "Solange du bei mir bist", er macht eine Pause und ich höre mich selbst total hektisch atmen, "gehörst du mir." Whoa. Irgendwas passiert mit mir. Da ist so ein eigenartiges Gefühl in meinem Bauch, es wechselt ständig zwischen Schmerz und etwas … Anderem… etwas Angenehmem. Verdammt nochmal, er hat Recht. Dass er an und in mir rumfingert tut verflucht weh und trotzdem, vielleicht sogar deswegen, genieße ich es. Dass er mit mir spricht, wie mit einem Leibeigenen, sollte mich wütend machen, aber es macht mich bloß scharf. Ich bin ein gottverdammter Masochist und über diese Erkenntnis muss ich fast lachen. Das hat mir in meinem verkorksten Leben gerade noch gefehlt. "Und jetzt sag es mir, Sasuke", befiehlt er. "Sag mir, wem du gehörst." Dieser miese, sadistische Kotzbrocken, ich werde ihm die Augen ausstechen wenn er heute Nacht schläft! Wenn ich es sage, dann gebe ich zu, dass er Recht hatte. Ich sollte wütend sein, aber ich kann mich nicht dazu bringen, so zu tun. Aber ich werde es nicht sagen, und wenn er sich auf den Kopf stellt. Er weiß doch, dass er Recht hat. "Sei brav und sag es, Sasuke." "Fick dich doch!" Das war sicher ein Fehler. Von ihm kommt ein eigenartiges Geräusch, wie ein tiefes Summen, dann sagt er: "So eine ordinäre Wortwahl… es wird wirklich Zeit, dass dir jemand Manieren beibringt." Die Worte machen mir irgendwie Angst. Aber auf eine gute Art. Keine Ahnung, irgendwie ist das widersinnig. Aber es fühlt sich nicht schlecht an. Nur… fremd. "Hör auf", hauche ich und kann damit nicht mal mich selbst überzeugen. "Sag es, Sasuke." Trotzig presse ich die Lippen aufeinander. Und er fragt mich leise: "Oder muss ich dir wirklich erst eine Lektion erteilen?" Mein Mund steht offen, aber kein Ton kommt raus. Ich verliere den Verstand. Ein abartiger Teil von mir liebt es, wenn er so redet. Ich werde so unfassbar erregt, dass irgendwas Fremdes, Sehnsüchtiges in mir beinahe gewillt ist, ihn noch weiter zu provozieren. Dem ersten Finger in mir folgt unerwartet ein zweiter, der genauso grob und unachtsam in mich eindringt und jetzt reiße ich mich doch von seinem Blick los und werfe den Kopf in den Nacken, weil ich nicht weiß, wie ich damit umgehen soll. Er ist gnadenlos. Ich spüre seine Finger, die sich in mir bewegen, als würden sie etwas suchen, und ich bitte ihn, damit aufzuhören. Der Schmerz ebbt mit der Zeit ab, aber gut ist es deshalb trotzdem nicht. Gut ist nur, wie er mich ansieht und festhält und wie er mich schon wieder fragt: "Wem gehörst du?" Es folgt noch ein dritter Finger, der ebenso grob und unvorbereitet in mich reingestoßen wird wie die anderen und ich schreie. Wem gehöre ich? Ich kenne die Antwort doch. "Dir", flüstere ich. Ich kann einfach nicht anders. Ich sage es nicht, weil er es hören will, ich sage es, weil es in diesem Moment stimmt, weil es mir gefällt, wenn er mit mir verfährt, wie er möchte. Soll er mich wie ein Spielzeug behandeln, soll er doch ein sadistischer Bastard sein. Ich bin sein Gegenstück. Denn ich liebe es. "Lauter!", herrscht er mich an. "Ich gehöre DIR, okay?", rufe ich. Er findet mit seinen Fingern irgendeine Stelle, ich weiß nicht, wie mir geschieht, ich weiß nur, dass ich unwillkürlich die Augen schließen muss und ein lautes Stöhnen von mir kommt, bevor ich das verhindern kann. Was auch immer er da grade gemacht hat, er soll das nochmal machen. Das treibt mich in den Wahnsinn, aber auf eine gute Art und Weise. "Bitte!", krächze ich, weil er kurz inne gehalten hat. Er grinst, aber jetzt ist es mir egal. Ich wusste nicht, wie gut sich das anfühlen kann. Das fremde Gefühl ist immer noch da, aber die Erregung ist jetzt hundertmal stärker. Ich glaube, wenn er so weitermacht, dann… Itachi bemerkt, dass ich mich einem Höhepunkt nähere. Und was tut er? Er hört auf. Der Doppelgänger verpufft, auf einmal bin ich frei. Er zieht die Finger aus mir raus und ich starre ihn ganz entsetzt an. Er kann doch JETZT nicht aufhören! "Itachi! Bitte!" "Bitte was?" "Hör nicht auf!" Er lacht. Das ist ein tiefes, kehliges Geräusch, das ich schon sehr lange nicht mehr von ihm gehört habe. "Sasuke", amüsiert streichelt er mir über die Stirn, "das war nur zum Aufwärmen." Mein Gesicht wird ganz heiß, als mir die Schamesröte ins Gesicht steigt. Er lacht mich aus. Es tut mehr weh, als ich je gedacht hätte. Ich setze mich auf und kann ihn nicht ansehen. Er legt die Hand in meinen Nacken und zieht mich zu sich heran, so weit, dass ich mich auf die Arme stützen muss und küsst mich. Kein zärtlicher Kuss oder so, nichts dergleichen, sondern einfach nur verlangend und im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubend. Ich kriege kaum noch was mit. Ich glaube, alles Blut ist von meinem Gehirn in diverse andere Körperregionen gewichen. Mir ist eigentlich alles egal. Dass er auf irgendeinem komischen Machttrip ist, dass ich mich zumindest vorläufig ihm unterworfen habe, dass er ein sadistischer Arsch ist, interessiert mich alles nicht mehr. Er soll mich anfassen, Herrgott nochmal, er soll irgendwas machen! Ich sehe zu, wie er seine Hose öffnet und ein Stück runter schiebt. Auf jeden Fall weiß ich jetzt, dass ihn seine kleinen Machtspielchen genauso erregt haben wie mich. Aber anstatt mich aufs Bett zu werfen und mich von meinen Qualen zu erlösen, sieht er mich herausfordernd an. "Dieses Mal haben wir mehr Zeit. Jetzt werde ich nicht mehr so rücksichtsvoll sein." Ich glaub ich hör nicht recht. Rücksichtsvoll nennt er das, ah ja. In mir erwacht so eine Art Kampfgeist. Ich recke das Kinn hoch. "Umso besser!" Oh, dieser erfreute Gesichtsausdruck steht ihm wirklich. Passt zu ihm. "Na dann… auf die Knie!" VIII. Things we've always needed to say --------------------------------------- Ich kann echt nicht mehr. Mein Herz rast wie verrückt und will sich einfach nicht mehr beruhigen. Nach dem ersten Mal war ich irgendwie unbefriedigt, aber davon ist jetzt nichts mehr übrig. Ich bin komplett und restlos zufrieden. Am Schluss bin ich Itachi einfach in die Arme gefallen. Ich weiß, dass er mich hochgehoben hat, aber seitdem hab ich die Augen nicht mehr aufgemacht. Das hole ich jetzt nach und stelle fest, dass wir im Bett sitzen. Er an die Wand gelehnt, und ich… nun… an ihn gelehnt. Für alles Geld der Welt könnte ich mich momentan nicht mehr bewegen. Ich bin fix und fertig. Abwesend spielt Itachi mit einer Haarsträhne von mir. Er sieht auch etwas mitgenommen aus. Kein Wunder, bei der körperlichen Anstrengung… Ich nehme alle Kraft zusammen und frage atemlos: "Warum tun wir das?" Er sieht auf mich runter und antwortet: "Weil wir ohne einander nicht sein können." Da hat er Recht. Jedenfalls was mich betrifft. Ich kann nicht ohne ihn sein, ich brauche ihn wie die Luft zum atmen. Aber was ist mit ihm? Warum tut er das? In diesem Augenblick wüsste ich wirklich gerne, was in ihm vorgeht. Ich wüsste gerne, ob ihm die letzten Stunden auch nur annähernd so viel bedeutet haben, wie mir. "Möchtest du immer noch von hier fort?" "Nein", antworte ich sofort. "Noch nicht." Ich will bleiben und das auskosten, so lange es nur geht. Ein Zurück gibt es ohnehin nicht mehr. Was geschehen ist, ist geschehen. Und es ist gut, so wie es ist. Es ist das erste Mal seit langem, dass ich eine Entscheidung nicht bedauern muss. Ich möchte bleiben, bis er mich fortschickt und bis dahin genießen, was ich kriegen kann. "Itachi", flüstere ich, weil ich für normale Lautstärke nicht mehr die Kraft habe. "Sag mir, warum ausgerechnet ich?" "Weil ich", er macht eine Pause und scheint seine Worte nochmal zu überdenken, "nicht anders kann." Ich schließe die Augen und denke darüber nach. Auch wenn ich es nicht ganz verstehe, es klingt gut. Bedeutsam und wichtig. Langsam wird mir klar, was wir getan haben. Wir haben eine Grenze überschritten, die eigentlich tabu ist. Ich habe etwas Verwerfliches getan. Itachi ist mein Bruder. Ich habe ihn geliebt, dann habe ich ihn gehasst. Er war meine Nemesis, mein Alptraum. Und jetzt ist er für mich keines von beidem mehr, sondern ein Geliebter, ein Liebhaber. So eine Veränderung binnen so kurzer Zeit ist schwer zu verkraften. Ich verstehe mich selbst schon lange nicht mehr. Dass ich schwul bin hab ich mir fast gedacht. Alle Gefühle von Zuneigung, Leidenschaft oder Verliebtheit habe ich immer zu unterdrücken versucht. Die waren schließlich nur hinderlich für mich. Aber es gab eine Zeit, da war ich in Naruto verschossen. Nie, nie im Leben hätte ich ihm das gesagt oder es ihn spüren lassen. An meinem Verhalten hat sich nie etwas geändert, aber es gab eine Zeit, da stellte ich mir in schwachen Momenten vor, wie es wäre, ihn zu küssen. Ich habe dem nie sonderlich viel Bedeutung beigemessen und auch deshalb verließ ich das Dorf, um zu Orochimaru zu gehen. Aber das war wohl ein deutliches Zeichen, dass ich mit Frauen nichts anfangen kann. Nur ist das keine Entschuldigung dafür, dass ich grade eben zum zweiten Mal mit meinem Bruder geschlafen habe. Das ist was anderes. Wir sind Brüder. UND er ist ein Killer. Das ist ja doppelt und dreifach pervers. Ist das, was ich hier tue, in Ordnung? Vielleicht wird er mir wieder wehtun. Nein, sicher sogar. Wie kann es sein, dass ich den Schmerz nicht länger fürchte? Ich scheine mich danach zu verzehren. Wenn er grausam und kalt zu mir ist, wenn er mir Befehle gibt, wenn er mich so grob anfasst, dass blaue Flecken zurückbleiben, dann steigert es mein Verlangen ins Unermessliche. Was ist mit mir los? Bin ich wirklich ein Masochist oder bin ich einfach nur so armselig, dass ich mich mit dem Schmerz verbündet habe, weil ich ihn nicht besiegen kann? Ich kann meinen Gefühlen nicht mehr trauen. Aber der Gedanke, dass die Schmerzen, die Itachi mir zufügt, mir Lust bereiten, erschreckt mich in meinen klaren Momenten zutiefst. Mache ich einen riesengroßen Fehler? "Woran denkst du?", fragt er mich unvermittelt. Es ist keine einfühlsame Frage. Er will nicht wissen, wie ich mich fühle. Es ist bloß eine Demonstration dessen, dass er immer und zu jeder Zeit, selbst jetzt mit geschlossenen Augen, ganz genau weiß, was ich denke. "Ich frage mich, ob es heute noch schneien wird", antworte ich. "Ich weiß es nicht." Ich beuge mich über die Schüssel mit Nudeln und rieche daran, atme diesen wunderbaren Duft ein. Ramen. Das weckt so viele Erinnerungen. Ich kann fast die Stimme eines blonden Shinobi hören, der mich auffordert, ihm doch meine Schüssel zu überlassen. Ich breche die Stäbchen auseinander und tauche sie in die dampfende Schüssel. Es fühlt sich seltsam an, hier zu sein. Mitten im Dorf, in einem kleinen Gasthof, sitze ich neben Itachi am Tisch und esse Nudelsuppe. Und ich trage richtige Kleidung! Auch ein Novum, nach den letzten Tagen. Er hat mir die Sachen mitgebracht, wahrscheinlich hat er sie eh hier irgendwo gekauft. Nun ja, ganz vollständig ist das Ensemble nicht. Unter der Jacke habe ich nichts an und weil es hier drin so heiß ist, habe ich den Reißverschluss weit runter gezogen. Die Hose ist ziemlich weit, beim Gehen musste ich aufpassen, damit sie mir nicht runterrutscht. Eventuell ist er einfach in irgendeinen Laden gegangen, hat sich ein Jacke und eine Hose geschnappt und ist wieder rausgegangen. Naja, was auch sonst? Nach meiner Hosengröße hat er sich bisher nicht erkundigt. Ich frage mich, was für ein Bild wir wohl abgeben. Da wir ja quasi inkognito sind, hat er ausnahmsweise schwarze Augen. Beide schwarzhaarig und beide mit den dunklen Augen sehen wir uns sicher ziemlich ähnlich. Ob man uns als Brüder erkennt? Er, der nur einen Becher Sake trinkt und ich, der ich wie ausgehungert die Nudeln in mich reinstopfe. Gut sehe ich bestimmt nicht aus. Schon weil ich kaum was gegessen habe in letzter Zeit. Dazu kommt meine rechte Hand, die immer noch recht unbeweglich ist, weshalb ich versuche, die Stäbchen mit links zu halten. Und dazu kommen dann noch die Knutschflecken an meinem Hals, die ich Itachi verdanke und die zu verstecken ich keinen Anlass sehe. Ich komme mir offen gesagt ziemlich albern damit vor. Wie ein Teenager. Wie peinlich. Aber er hat das zu verantworten. Ich werde nicht schwitzen, weil er meint, mir sichtbare Spuren unserer … Aktivitäten verpassen zu müssen. Was die Leute hier wohl über uns denken? Ich muss aussehen wie ein geprügelter Hund. So fühle ich mich nicht, aber das kann ja keiner wissen. Als wäre Itachi mein Kerkermeister, der mich heute mal rausgelassen hat, damit ich wieder was essen kann. Dabei wollten wir nur den neugierigen Blicken der Wirtin (inzwischen weiß ich, dass die geschwätzige Frau, die uns den Futon brachte, die Frau des Gasthofbesitzers ist) entgehen. Ewig konnten wir nicht ohne Essen auskommen… nein, korrigiere: ich kann nicht ewig ohne auskommen. Er anscheinend schon, wenn ich mir ansehe, dass er nur was trinkt. Jedenfalls wollten wir uns dumme Fragen ersparen und sind deshalb ins Dorf gegangen, um hier was zu essen. Hier gibt es wirklich nur Zivilisten. Ein Shinobi erkennt einen anderen schon an der Haltung, am Gang und an der Körperkontrolle. Bisher habe ich nicht einen einzigen ausmachen können. Das ist gut. Es verschafft uns Zeit, bis die Akatsuki von unserem Aufenthaltsort Wind bekommen. Nachdem ich aufgegessen habe, wirft Itachi ein paar Münzen auf den Tisch und wir verlassen gemeinsam das Restaurant. Kalter Wind bläst mir ins Gesicht und mir wird wieder deutlich, dass ich völlig unpassend angezogen bin. Wortlos und ohne dass ich auch nur eine Miene verzogen hätte, zieht Itachi sich seinen Mantel aus und legt ihn mir um die Schultern. Ich weiß nicht, ob ich dankbar oder wütend sein soll. Ich bin nicht aus Zucker, ich komme mit der Kälte ganz gut klar. Es ist nicht das erste Mal, dass ich den brennenden Wunsch verspüre, ihm klarzumachen, dass ich kein Kind mehr bin. Sein Verhalten ist einfach absurd. Einen Erwachsenen würde man nicht so verhätscheln, wie er das mit mir macht. Aber mit einem Kind würde man nicht schlafen. Was sieht er, wenn er mich ansieht? Er drückt mir Geldscheine in die Hand. "Kauf was zu essen. Findest du allein den Weg zurück?" "Natürlich." "Gut." Und er lässt mich so stehen. Sagt mir nicht, wohin er geht und ob und wann er zurückkommen wird. In Momenten wie diesen möchte ich ihm den Hals umdrehen. Ein bisschen unschlüssig starre ich das Geld in meiner Hand an. Es ist mehr als genug. Das reicht allemal, um was Gutes zu kaufen. Oder um einen Führer ins Tal zu besorgen und abzuhauen. Ob das Absicht war? Das ist ein deutliches Zeichen, dass ich tatsächlich nicht länger sein Gefangener bin. Ich könnte verschwinden, das Geld würde reichen, um mich sehr weit durchzuschlagen. Es sollte mich ängstigen, dass ich eine Flucht nicht einmal ernsthaft in Betracht ziehe. Tut es aber nicht. Wir können nicht voneinander lassen. Es ist, als stünden wir unter einem Bann, alle beide. Maximal eine halbe Stunde können wir ohne Körperkontakt sein, dann ziehen wir einander wieder wie magisch an und es endet im Bett oder auf dem Tisch oder auf dem Boden… egal wo, auf jeden Fall fallen wir übereinander her. Und wenn das rein körperlich nicht geht – schließlich sind wir auch nur Männer – dann suchen wir doch die größtmögliche Nähe des Anderen. Nicht einmal essen oder schlafen können wir richtig, weil wir so rastlos sind. Wenn wir versuchen, zu schlafen, selbst Arm in Arm, angestrengt von unseren Aktivitäten, endet es damit, dass wir in einer Position einschlafen, die so kompromittierend ist, dass jeder ungebetene Besucher in dem Zimmer denken müsste, wir hätten sogar noch im Schlaf Sex. Die Beine übereinander, die Hände unter dem Hemd oder in der Hose des anderen, ganz nah, eng umschlungen… ich bin froh, dass uns niemand so sehen kann. Und ich bin trotzdem froh, dass es so ist, dass es Itachi nicht anders geht als mir. Es ist toll. Das ist Sex? Das ist Nähe? Ich liebe es und ich kann nicht genug davon bekommen. So hab ich es mir nie vorgestellt. Natürlich wusste ich, was Sex ist, auch unter Männern. Ich kannte die Theorie, aber niemand hat mir je gesagt, was es wirklich heißt, beieinander und so entspannt miteinander zu sein. Ich hatte keine Ahnung, wieviel besser ein Orgasmus ist, wenn man dabei die Stimme eines geliebten Menschen hört, der den eigenen Namen flüstert. Ich hatte keine Ahnung, wie nah Schmerz und Lust beieinander liegen. Und ich wusste nicht, hätte niemals gedacht, dass ich einen Menschen je wieder so bedingungslos lieben könnte. Damals hat Itachi mich kaputtgemacht. Eine leere Hülle hat er zurückgelassen, eine Aufziehpuppe, die bloß noch getan hat, was nötig war, um ihn zu töten. Er hat mich kaputtgemacht und jetzt glaube ich, dass jede Berührung dazu beiträgt, aus mir wieder ein Ganzes, einen richtigen Menschen zu machen. Jemanden, der fühlt, nicht bloß durch den Nebel des Hasses, sondern der jede Emotion wieder spüren und genießen kann. Es ist gut, dass ich es nicht früher erkannt habe: Nur der, der mich kaputtgemacht hat, kann mich wieder ganz machen. Ein bisschen unmotiviert sitzt Itachi vor dem Kamin und stochert im Feuer herum. Wir sind beide erschöpft, aber er sicher nicht so wie ich. Die körperliche Anstrengung bin ich nicht mehr gewöhnt. Ich sitze hinter ihm, habe die Arme um ihn gelegt und das Kinn auf seine Schulter gelegt. Es ist total öde, dabei zuzusehen, wie er mit dem Schürhaken im Feuer herumstochert, aber ich bin auf eine schöne Art todmüde und es reicht, um mich bei Laune zu halten. Außerdem beschäftige ich mich nebenbei damit, die Konturen seiner Bauchmuskeln zu befühlen. Dass er mich nicht wegstößt ist Anlass genug, es so zu belassen. Itachi lässt den Schürhaken endlich los und greift sich mit der rechten Hand in den Nacken. Er fummelt direkt neben meinem Hals an irgendwas rum, aber ich bin zu müde, um nachzusehen, was er macht. Etwas klimpert und fällt ihm in den Schoß. Er nimmt es auf und hält es mir dann vors Gesicht. "Hier." Ich glotze das silberne Ding blöde an und versuche erstmal, mir einen Reim darauf zu machen. "Was… was ist das?" Ich weiß natürlich, was es ist. Aber ich fasse es grade einfach nicht. Er antwortet nicht, wahrscheinlich, weil es eine so blöde Frage ist. Ich lasse ihn los und er dreht sich zu mir um. Ich starre von ihm auf das Schmuckstück und wieder zurück in seine Augen und frage: "Du schenkst mir einen Ring!?" Unbeholfen nehme ich ihm die Kette mit dem Ring aus der Hand. Es ist ein silberner Ring, er wirkt alt und abgegriffen. Als ich ihn drehe, entdecke ich zwei kleine, blutrote Steine, die darin eingefasst sind. Ich hab schon mitbekommen, dass er was um den Hals trägt, aber offen gesagt hab ich mir nie die Mühe gemacht, nachzufragen, was es denn ist. Und nun bin ich wirklich perplex. "Er gehört sowieso eigentlich dir", antwortet er. "Ein Familienerbstück." Er deutet auf den Ring, den ich jetzt zwischen Daumen und Zeigefinger halte, und sagt: "Ich konnte nie was damit anfangen. Die beiden roten Steine stehen wohl für die Sharingan. Die Familie hatte eine Vorliebe für abgedroschene Symbolik." Ich hasse es, wenn er so abwertend über den Clan redet, aber den Ring finde ich momentan zu interessant, als dass ich ihn dafür anmaulen könnte. Ich habe ihn noch nie vorher gesehen. Das Schmuckstück ist schön. Eigentlich habe ich überhaupt keinen Sinn für sowas, aber für mich ist der Ring bedeutsam, gleich in zweifacher Hinsicht. Es ist etwas, das der Familie gehört. Eine Verbindung zu einer lange vergangenen Zeit, als der Clan noch groß war. Und es ist ein Geschenk von Itachi. Ganz egal, wie achtlos er es abtut, ich werde den Ring behalten. "Hast du ihn gestohlen in… in jener Nacht?", frage ich abwesend. Er sieht mich finster an. "Wofür hältst du mich?" "Für einen Mörder?" "Aber ein Dieb bin ich nicht." Er schüttelt den Kopf, so als könne er nicht fassen, dass er sich überhaupt dazu herablässt, mir zu antworten. "Den Ring hat unser Vater mir gegeben. Es war Tradition, dass man ihn der Verlobten schenkt." Gleichgültig mustert er den Ring. "Ich hatte nie eine Verwendung dafür. Er hätte ihn dir geben sollen." "Aber du hast ihn mir gegeben." Ich probiere, ob der Ring mir passt. Außer für den kleinen Finger meiner linken Hand ist er für alle zu eng. Oder ich habe einfach zu fette Finger. Naja, macht nichts. Ist ja auch eigentlich ein Frauenring. Und für Schmuck hatte ich eh nie viel übrig. Ich will ihn nicht tragen sondern nur besitzen. "Ein Verlobungsring also, hm?" Es ist lange her, dass ich einen Scherz gemacht habe (Jahre, eventuell), aber jetzt kann ich es mir nicht verkneifen: "Wie genau darf ich das verstehen?" "Es ist jetzt dein Ring. Mach damit, was du willst." Missmutig steht er auf und geht rüber zum Fenster. Ich betrachte den Ring nochmal eingehend. Innen ist was eingraviert, das sehe ich erst jetzt. Da steht nur ein einziges Wort. Ewig. Es ist dunkel geworden draußen. Der zweite Tag dieses verrückten, surrealen Traumes geht zu Ende und ich sitze in eine Decke gewickelt neben Itachi auf dem Bett. Das Kaminfeuer prasselt gemütlich und wir haben schon seit einer Ewigkeit nicht mehr miteinander gesprochen. Unter der Decke trage ich bloß die Hose, die inzwischen wieder getrocknet ist. An meiner nackten Brust fühlt sich der Ring, den ich um den Hals trage, kühl an. Mir geht so vieles durch den Kopf und bei jeder Bewegung erinnert der Ring mich wieder an die Dinge, über die ich lieber nicht nachdenken möchte. An meine Familie. Was würden sie wohl sagen, wenn sie mich so sähen? Seite an Seite mit ihrem Mörder… sie würden mich verachten. Es schmerzt, fast so sehr wie die Sehnsucht, die Itachi in mir entfacht hat. Ich umfasse den Ring und schließe die Augen. Wieso muss alles so kompliziert sein? "Du tust dir selbst nur weh", sagt Itachi aus heiterem Himmel. Es erstaunt mich schon lange nicht mehr, dass er in meinen Gedanken liest wie in einem offenen Buch. "Denk nicht über sie nach, Sasuke. Das bringt dir nur Schmerz." "Das ist nicht so einfach." Meine Finger spielen mit dem Ring. "Was denkst du, warum ist ausgerechnet das Wort 'ewig' in den Ring eingraviert?" "Das war so eine Art inoffizielles Motto der Uchiha Familie." "Wirklich?" Wieso wusste ich das nicht? Er nickt. "Das hatte irgendwas mit den Sharingan und Uchiha Madara zu tun, es hat mich nicht wirklich interessiert. Jedenfalls waren sie auf die Sharingan unheimlich stolz. Der Clan hielt sich für unsterblich... 'ewig' eben." "Es ist doch nichts Schlimmes daran, stolz auf sein Bluterbe zu sein." Er sieht den Ring fast verächtlich an und lässt ihn wieder los. "Wenn sie so stolz darauf waren, warum haben sie dann die Informationen über die Mangekyou Sharingan geheim gehalten?" Darauf hätte ich eine vorzügliche Antwort, behalte sie aber lieber für mich. Ich könnte sagen, dass man ziemlich deutlich sehen kann, was die Mangekyou Sharingan mit Itachi gemacht haben. Kein Wunder, dass Vater nicht wollte, dass jemand davon erfährt. Aber ich halte mich zurück. Itachi ist für seine Verhältnisse außergewöhnlich gesprächig. Diese Chance will ich nicht verderben. Vielleicht bekomme ich endlich ein paar Antworten. "War das der Grund? Warst du einfach wütend, weil sie dir diese Information so lange vorenthalten haben?" "Warum willst du unbedingt wissen, warum ich es getan habe?" "Ich muss es wissen. Ich muss wenigstens wissen, warum sie sterben mussten." "Wird es irgendetwas ändern, wenn du es weißt?" Darüber muss ich nachdenken. In all den Jahren habe ich mir so vieles ausgemalt. Was auch immer er sagen könnte, schockieren würde es mich nicht mehr. An meiner Einstellung, an meiner Sicht der Dinge und an meiner Meinung über ihn würde es nichts ändern. "Ich würde besser schlafen." Er schweigt. Starrt geradeaus ins Nichts und ich warte. Und gerade, als ich glaube, dass keine Antwort mehr folgen wird, sagt er: "Ich habe es getan, weil ich es konnte." In mir verändert sich nichts. Gleichgültig starre ich in den Raum und warte darauf, dass seine Worte irgendeine Reaktion in mir auslösen. Aber da ist nichts, gar nichts. "Sie standen zwischen mir und den wenigen Dingen, die ich wirklich wollte." Er lächelt, auch wenn es nicht echt aussieht. "In meinen Augen war die Familie einfach überflüssig und sie zu vernichten war für mich ein Test meiner Fähigkeiten. Ich hab sie beseitigt, ohne über die Konsequenzen nachzudenken. Ich konnte es, also tat ich es." "Wieso hast du mich nicht getötet?" Er sieht mich an, als hätte ich eine unfassbar dämliche Frage gestellt. "Das kam für mich nie in Frage. Du warst mir wichtig. Und es war mir wichtig, dass du mich nie vergisst. Ich hätte verhindern können, dass du diese Dinge siehst, aber ich wollte es so. In deinem Kopf und deinem Herzen wollte ich auf ewig an erster Stelle stehen." "'Ewig', hm?", wiederhole ich. "Sieht so aus als hättest du mehr mit der Familie gemeinsam als dir lieb ist." "Wenn ich es nochmal machen könnte, würde ich anders handeln. Es war nicht nötig, sie zu töten. Ich hätte gehen sollen. Hätte ich die Möglichkeit, nochmal von vorne anzufangen, würde ich das Dorf für immer verlassen, anstatt sie alle umzubringen. "Und dich würde ich mitnehmen." IX. I'm a line in your tasteless joke ------------------------------------- Heute früh wurde ich als Erster wach. Wir lagen gemeinsam im Bett. Seltsamerweise war mein Gesicht tränennass. Dabei erinnere ich mich nicht daran, geweint zu haben. Auch an meine Träume kann ich mich nicht erinnern. Vielleicht ist das einfach nur Ausdruck meiner Erleichterung. Weil ich meine Antwort endlich bekommen habe. Itachi und ich haben gemeinsam gefrühstückt, wortlos. Mir ging vieles durch den Kopf und jetzt bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es nichts ändert. Ich kenne die Wahrheit und das ist gut so. Mir ist klar geworden, dass Itachi tatsächlich gewusst hat, was er tut. Er hat mich absichtlich zu diesem Leben verdammt. Weil er die Nummer eins in meinem Herzen sein wollte. Ich bedaure manches, jetzt wo ich das weiß. Vielleicht hätte ich im Dorf bleiben sollen. Für Itachi hätte ich Naruto nicht verraten sollen. Aber an meinen Gefühlen, den positiven wie den negativen, ändert es nichts. Ich kann längst nicht mehr anders. Das Einzige, das sich wirklich geändert hat, ist das befreiende Gefühl, endlich nicht mehr den langersehnten Antworten hinterherjagen zu müssen. Nach dem Frühstück ist er gegangen und wieder hat er mir nicht gesagt, wohin. Ein bisschen neugierig bin ich schon, aber auf Nachfrage würde er mir garantiert keine Antwort geben. Itachi gibt Informationen nur Preis, wenn er es möchte, keinen Augenblick früher. Dieser Charakterzug an ihm ist schuld, dass ich so lange rastlos war. Dass ich so lange leiden musste. Meine Finger umfassen den Ring. Die letzten beiden Tage waren wie ein schöner Traum, als wäre ich betrunken und müsste einfach nicht über die Konsequenzen meines Handelns nachdenken. Alles was vorher war, die Einsamkeit, den Schmerz, einfach alles habe ich nur allzu gern verdrängt für ein bisschen Seelenfrieden. Tue ich ja immer noch, noch bin ich nämlich nicht gewillt, dieses bisschen Glück aufzugeben. Ich weiß, dass ich selbstzerstörerisch bin. Wie soll es schon enden? Wir werden wohl kaum für den Rest unserer Tage hier bleiben und glücklich sein. Diese Geschichte kann nur in Tränen enden. Aber ich habe mir so lange alles Schöne versagt. Ich habe meine Kindheit auf dem Altar der Rache geopfert. Ich muss auch mal unvernünftig sein. Itachi hat Mittagessen für uns organisiert. Als ich von einem kurzen Nickerchen vor dem Kamin geweckt werde, kniet er am Tisch und vor ihm stehen mehrere Teller mit dampfendem Essen. Ich setze mich zu ihm und frage mich, wo er das alles aufgetrieben hat. Wahrscheinlich ein Service des Hauses. "Ich wusste nicht, was dir schmeckt", sagt er fast entschuldigend. Ich mustere das Essen und entscheide mich für eine Schale Takoyaki. Es gibt sogar einen Becher Sake für mich. Dieses Mal isst Itachi auch. Die letzten Tage haben uns beide angestrengt, irgendwoher muss er ja schließlich auch seine Kraft beziehen. Ich selbst esse nicht sehr viel und konzentriere mich dann auf den Becher heißer Sake. Mein Bruder isst alles auf und als er fertig ist, sieht er mich vorwurfsvoll an. "Isst du nicht mehr?" "Keinen Hunger mehr." "Du bist zu dünn, Sasuke." Ich schnaube abfällig. Ich weiß, dass ich zu dünn bin. Ich habe mehr trainiert als gegessen, das hat sich irgendwie so ergeben. Wer hat mich denn auch zu einem Rächer gemacht? Der Gedanke bestürzt mich selber. Es ist schwer, ihm nicht die Schuld für alles Übel in meinem Leben zu geben. "Ich sagte damals zu dir, dass du mich hassen sollst", sagt Itachi gelassen. "Nicht, dass du aufhören sollst, zu essen." Er schiebt mir die Schüssel hin. "Iss." "Ich sagte doch, dass ich keinen Hunger habe." "Und ich sagte, dass du zu dünn bist." Wütend schiebe ich das Essen wieder weg. "Ich bin kein Kind mehr! Ich kann gut auf mich selbst achten!" Es geht nicht mehr nur um das Essen. Die ganze Zeit über behandelt er mich so. Wenn er über mich herfällt, dann darf ich ein Erwachsener sein und ansonsten tut er so, als wäre ich noch das kleine Kind, auf das er Acht geben muss. Das ist so widersinnig und es irritiert mich. Es baut Distanz zwischen uns auf. Solange er in mir ein Kind sieht, muss er mich nicht als Gleichberechtigten akzeptieren. "Ich bin fünfzehn! Ich weiß sehr gut, was ich tue und ich kann selbst entscheiden, was ich esse und wann ich friere und was ich will!" "Ich weiß." "Warum behandelst du mich dann, als wäre ich fünf Jahre alt?" "Du bist mein kleiner Bruder." Von allen Dingen, die er hätte sagen können, war das der eine Satz, den ich am wenigsten hören wollte. Ich wünschte, er würde mich ernst nehmen. Ich möchte, dass er sieht, wer ich wirklich bin. Was ich denke und fühle, eigenständig, ohne seinen Einfluss. Wenn er nicht glauben kann, dass ich für mich selbst entscheiden kann, wie soll er dann glauben, dass mir das alles hier so ernst ist und so viel bedeutet? "Schau mich an!", rufe ich, nah dran, die Beherrschung zu verlieren. "Sehe ich aus wie ein kleines Kind? Ich bin sieben Jahre ohne dich zurecht gekommen! Ich bin ein eigenständiger Mensch, ich bin erwachsen!" Hört er mir überhaupt zu oder denkt er, was ich zu sagen habe wäre nur das Geschwafel eines unmündigen Kindes, das sowieso nicht weiß, wovon es redet? Er schaut mich zwar an, aber ich habe das Gefühl, er ist mit seinen Gedanken ganz weit weg. Was ich sage, wird nichts ändern. Er sieht in mir, was er sehen will. Es hilft ihm, auf Abstand zu gehen und sich daran zu erinnern, dass wir Brüder sind. Es wird ihm helfen, wenn wir uns voneinander trennen müssen. Verzweifelt starre ich auf den Boden, weil ich seinem distanzierten Blick nicht mehr standhalten kann. "Ich möchte, dass du mich wirklich siehst, Itachi. Dass du siehst, wer ich bin." Ich bin erwachsen! Ich bin nur noch nicht volljährig. Es ist nur eine Zahl, mehr nicht! Ich habe mehr gesehen, als die meisten Menschen in ihrem gesamten Leben. Seit ich acht war, habe ich für mich selbst gesorgt. "Wenn ich sage, dass du etwas essen sollst, dann nicht, weil ich denke, dass du nicht für dich selbst sorgen kannst. Sondern weil du mir besser gefällst, wenn du nicht so dürr bist." Das ist auch eine Form von Kontrolle. Er will so sehr über mich bestimmen, über jeden einzelnen Aspekt meines Lebens, dass ich mich frage, wo ich dabei bleibe. Vielleicht sieht er wirklich nicht unbedingt ein Kind in mir. Dafür aber ein persönliches Eigentum, das er kontrollieren und nach Belieben verändern kann, bis es zu seiner Zufriedenheit geraten ist. Was soll ich davon halten? Wortlos nehme ich die Stäbchen und fange an, zu essen. Irgendwas stimmt nicht mit meinem Spiegelbild. Ich kann es erst wirklich nicht benennen, weil ich eigentlich auf den ersten Blick wie immer aussehe. Aber irgendwie wirkt mein Ich im Spiegel so verändert. Erst auf den zweiten Blick wird mir klar, woran das liegt. Dieser schreckliche, verbitterte Zug ist fast gänzlich aus meinem Gesicht verschwunden. Ich sehe entspannt aus, für meine Verhältnisse fast schon fröhlich. Sonst, wenn ich in den Spiegel schaue, blickt mich ein zorniger, junger Mann an, mit einer steilen Falte auf der Stirn und einem kritischen Blick. Seit wann ist das anders? Die Tür zum Bad geht auf und Itachi kommt rein. Ich starre immer noch in den Spiegel, als er mich von hinten umarmt. Selbstverständlich umarmt er mich nicht als Geste der Zärtlichkeit. Ich weiß, was er will. Will ich ja auch. Dass er so verrückt danach ist, mich zu berühren, erstaunt mich immer wieder. Als hätte er eine Ewigkeit darauf gewartet. Der Gedanke ist zwar lächerlich, aber weil er so schön ist, behalte ich diese Lüge einfach mal im Hinterkopf. Er sieht ganz kurz auf. Inzwischen bin ich etwas besser darin, seinen Blick zu deuten. Woran denkst du? "Ich denke an dich", antworte ich ehrlich. "Ach so?" Er legt die Hände auf meine Schultern und dirigiert mich in Richtung Dusche. Brav steige ich in die Kabine und mache das Wasser an. Zuerst ist es eiskalt und ich erzittere. Er steht noch draußen, noch kriegt er nichts ab. Während ich gegen das Zittern wegen dem kalten Wasser kämpfe, zieht er sich seine Shorts aus. Erst als das Wasser wärmer wird, kommt er zu mir. Die Dusche tut so gut, dass ich ihn erstmal gar nicht beachte. Und das obwohl er nicht aufhören kann, mich anzufassen. Ich lasse das warme Wasser auf meinen Kopf und meine Schultern prasseln und spüre, wie es mich entspannt. Er seift mich ein, von oben bis unten, lässt keine Stelle aus. Es ist angenehm, aber irgendwie wird es fast nebensächlich. Ich fühle mich so unheimlich gelöst. Das Wasser prasselt mir auf den Kopf und während Itachi grade dabei ist, mit äußerster Konzentration meine Brust einzuseifen, fällt mir mein nasses Haar wie ein Vorhang über die Augen. Als er aufsieht, lächle ich ihn unter dem dichten, schwarzen Haar schelmisch an. Erstaunt mustert er mich. "Was ist?", frage ich, bekomme aber keine Antwort. Er streicht mir das nasse Haar aus der Stirn und ich frage mich wirklich, was ihn gerade so erstaunt hat. Nun, sagen wird er es mir nicht und ich habe nicht die Muse, länger darüber nachzugrübeln. Ich drehe mich von ihm weg, um mir das Wasser auf die Stirn prasseln zu lassen. Das tut so gut. Er wird ungeduldig und drückt mich mit dem Gesicht voran gegen die gekachelte Wand. Scheiße das ist kalt. Aber auch darauf kann ich mich nicht lange konzentrieren. Weil er nämlich eine Hand auf meine Hüfte legt und dann nach vorne wandern lässt, wo sie anfängt, mich zu massieren. Mmmh. "Sasuke", haucht er, dicht neben meinem Ohr. Sein Atem kitzelt mich im Nacken. Immer wenn er meinen Namen sagt, macht es mich fast verrückt. Er klingt immer so, als wäre das wirklich bedeutsam. Er drückt sich an mich und ich kann kaum glauben, dass er schon wieder hart ist, nach so kurzer Zeit und wegen dem bisschen Fummeln. Ich kriege kurz Panik. Ich bin sowieso schon ganz wund und das Gleitmittelproblem haben wir immer noch nicht gelöst. Er nimmt irgendeine von den Plastikflaschen und gießt sich etwas, das zäh und ölig aussieht, auf die Hand. Ich starre an die gekachelte Wand und warte, hin- und hergerissen zwischen gespannter Erwartung und Furcht vor dem Schmerz, während er sich mit dem öligen Zeug einreibt. Er drückt sich an mich und schiebt mit dem Knie meine Beine auseinander. Ich werde gegen die Wand geworfen als er ruckartig in mich eindringt. Trotz meines wunden Zustands tut es diesmal gar nicht weh und ist sofort – trotzdem? – unheimlich intensiv und genial. Ich drücke mein Gesicht gegen die kalte Wand und sehe zu, wie die Kacheln durch meinen heißen Atem immer wieder beschlagen. Ich patsche meine Hand direkt neben meinem Gesicht gegen die Wand und beiße mir in den Daumen. Ich hänge irgendwo fest, kurz vor einem Höhepunkt, der einfach nicht kommen will, obwohl ich irgendwie fast schon soweit bin. Irgendwie geht es schneller, wenn er grob zu mir ist. "Mehr", keuche ich. "Tiefer. Schneller. Mehr." Es ist nicht mehr als ein unzusammenhängendes Murmeln, das ich von mir geben kann, aber er hat es gehört. Ich japse erschrocken, als er mich fast schon brutal rannimmt und beiße mir bei einem besonders harten Stoß aus Versehen auf die Zunge. Ich schmecke Blut im Mund und lasse mir den metallischen Geschmack auf der Zunge zergehen, während Itachi mich bearbeitet als wäre ich eine Puppe. "Mach schon", brülle ich ungeduldig. Urplötzlich hört er auf und ich glaube eine Sekunde lang, sterben zu müssen, nur weil er nicht mehr weitermacht. Dann packt er mich, reißt mich herum, wirft mich wieder gegen die gekachelte Wand und ich schlage mit dem Hinterkopf schmerzhaft dagegen. Ich weiß kaum, wie mir geschieht und kriege nur am Rande mit, wie er unter meine Kniekehlen greift und ich plötzlich den Boden unter den Füßen verliere. Erschrocken halte ich mich an ihm fest und im nächsten Moment dringt er so unerwartet und heftig in mich ein, dass mir die Luft wegbleibt. Ich habe das Gefühl, gleich einfach runterzufallen, bis ich wieder klar genug werde, um meine Beine um seine Taille zu schlingen. Er stützt die Arme links und rechts von mir ab und ich halte mich an seinen Unterarmen fest. In dieser Position kann ich meinen Teil beitragen, ich bewege meine Hüften in immer schnellerem Rhythmus, weil ich sonst wahnsinnig werden würde. Ich wünschte er würde mich anfassen, dieser kaltherzige Bastard, ich wünschte, er würde… "Sasuke", höre ich seine Stimme am Rande meines Bewusstseins. "Sasuke!" Seine Hand packt mein Kinn. "Sieh mich an!" Ich zwinge mich, die Augen zu öffnen. "Sieh mich an", haucht er, "und vergiss niemals, wem du gehörst." Wie könnte ich? Wo er alles tut, damit sich sein Anblick in diesem Moment in mein Gedächtnis brennt, zusammen mit wunderbaren Empfindungen von Lust und Liebe. Nur für den Bruchteil einer Sekunde kommt mir der Gedanke, dass er das alles hier nur tut, damit sein Gesicht sich noch tiefer in mein Gedächtnis brennt, damit ich noch weniger Chancen habe, ihn jemals zu vergessen. Doch der Gedanke verblasst, so schnell wie er aufgetaucht ist, denn wenn es so sein sollte, kann ich es ohnehin nicht ändern. Ich bäume mich auf, recke mich ihm entgegen, in einer stummen Aufforderung, weil mir sowieso keine ganzen Sätze mehr über die Lippen kommen werden. Er packt meine Schultern, ich starre noch immer in seine schwarzen Augen, in denen sich nichts spiegelt, in denen man für gewöhnlich nicht lesen kann, und die mich doch voller Verlangen anstarren und mir das Gefühl geben, ihm der wichtigste Mensch auf dieser Welt zu sein, und da ist bloß noch eine einzige Erkenntnis in meinem Kopf, alles andere ist wie weggefegt. Ich liebe dich. Ich liebe dich, Itachi! Laut spreche ich es nicht aus, habe selbst jetzt noch viel zu viel Angst, diese Worte auszusprechen, die aus meinem Mund fast wie ein Fluch sind, der alles vergiftet und am Ende nur Trümmer zurücklässt. Ich beiße mir auf die Zunge, um es nicht laut zu sagen, um ihm nicht letztlich doch mein Herz vollständig wieder zu öffnen, damit er am Ende noch mehr darauf herumtreten kann. Für den Bruchteil einer Sekunde blitzt etwas völlig Fremdartiges in seinen Augen auf. Er bleckt die Zähne, neigt den Kopf etwas und sein Blick wird finster. Und dann stößt er sich wieder mit brutaler Gewalt in mich hinein und ich schreie bloß noch und jeder weitere, auch nur annähernd klare Gedanke, löst sich in Nichts auf. Als ich triefend aus dem Bad komme, ist er bereits dabei, sich anzuziehen. Weil seine Schuhe ebenfalls griffbereit stehen, nehme ich stark an, dass er wieder einmal für ein paar Stunden verschwinden wird. Das macht er oft, wenn es ihm zu nah, zu eng wird und ich halte ihn nie auf. Ich glaube, normale Leute machen das anders. Ein normaler Mensch hätte mir wenigstens ein Handtuch um die Schultern gelegt und mich zurück ins Zimmer gebracht, anstatt mich ohne ein Wort, nur mit einem Tippen vor die Stirn, unter der Dusche zurückzulassen. Aber Itachi und ich haben für diesen romantischen Kram beide nichts übrig. Im Gegenteil, es würde mich ziemlich erschrecken, würde er mich in den Arm nehmen und sich mit mir ins Bett legen zum kuscheln. Buah, bei der Vorstellung kriege ich direkt Gänsehaut. Manchmal fühle ich mich benutzt und erniedrigt, wenn er einfach so geht, wenn er mich nach dem Sex keines Blickes würdigt, aber das geht vorbei. Es ist nur seine Art, rede ich mir ein. Es ist sein Bedürfnis nach einem gewissen Maß an Distanz, nichts weiter. Und, wie gesagt, wäre er zu zärtlich würde mich das genauso erschrecken. Nein, es ist schon gut, so wie es ist. Er verlässt wortlos den Raum und ich setze mich triefend vor den Kamin. Wir sind anders. Es sind die kleinen Gesten, die mir viel bedeuten. Vorsichtig lege ich eine Hand auf meine Stirn. Damals war es eine brüderliche Geste, wenn er mir an die Stirn getippt hat. Heute… ich weiß ehrlich gesagt nicht, was es heute zu bedeuten hat. Gedankenversunken stochere ich mit dem Schürhaken im Feuer herum. Jede unbedachte Bewegung verursacht mir Schmerzen. Die Wunden, die er mir durch seine grobe Behandlung zugefügt hat, können nicht verheilen, weil wir nicht voneinander lassen können. Aber ich finde diesen besonderen Schmerz allenfalls lästig. Und gleichzeitig ist es für mich ein Beweis, dass ich mir das alles nicht nur einbilde. Das hier passiert wirklich. Itachi und ich… Ich liebe ihn. Ich wünschte, es wäre nicht so. Ich liebe ihn so sehr, dass es wehtut, sehr viel mehr noch als früher, auf eine neue, aufregende Weise. Das erschreckt mich. Mit einem so unberechenbaren Gefühl wie Liebe weiß ich nichts anzufangen. Ich habe Angst davor. Angst vor dem, was jetzt wird. Am liebsten würde ich davor davonlaufen, selbst wenn das hieße, auch vor Itachi davonzulaufen. Es macht mir furchtbare Angst und der einzige Grund, warum ich meinem Fluchtinstinkt nicht nachgebe ist der, dass die Vorstellung, ohne Itachi zu sein, noch viel schlimmer ist als die Angst vor seiner Nähe und meinen Gefühlen. Dass er nicht so empfindet, weiß ich. Mir ist auch klar, dass er mich verletzen wird. Und doch bin ich immer noch hier und ich warte auf seine Rückkehr. Ich laufe sehenden Auges in meinen Untergang. Weil mein Herz angefangen hat, zu hoffen. Trotz aller Vernunft habe ich begonnen zu glauben, dass es auch anders ausgehen könnte. Dass es nicht in Tränen enden muss. Vielleicht war ich zu lange in Konoha, wenn ich ernsthaft glaube, dass ein so flüchtiges Gefühl wie Liebe irgendetwas ändert. Aber ich wage zu hoffen, dass er mich nicht verlässt. Wir könnten doch von hier fort gehen und uns irgendwo einen Ort suchen, wo wir noch ein wenig länger glücklich sein können. Muss es wirklich in Tränen enden? Er ist doch auch glücklich, oder nicht? Ich sitze neben Itachi auf dem Bett, selbst immer noch nur in die Decke gewickelt, und wir blicken zum Fenster hinaus und sehen uns den Sonnenuntergang an. Geplant war das nicht, denn sonst hätte die anklingende Romantik der Szene uns beide auseinander getrieben. Wir waren einfach erschöpft, als er zurück ins Zimmer kam, setzte er sich zu mir und seither sitzen wir so beieinander. Woran er denkt, weiß ich nicht, aber mich erfasst beim Anblick der untergehenden Sonne eine ungewöhnliche Melancholie. Irgendwie habe ich Angst, dass es schon vorbei sein könnte. Dass dies der letzte Sonnenuntergang sein wird, den ich von hier aus beobachte. "Woran denkst du?", frage ich müde. Vielleicht hat er ja grade mal wieder einen redseligen Augenblick. Vielleicht kriege ich irgendeine Information aus ihm raus. "An dich." "Ist das wahr?" "Nein." Ich seufze kaum hörbar. Er ist und bleibt ein Rätsel. Nichts werde ich von ihm erfahren. Dabei würde ich so gerne wissen, was in ihm vorgeht. "Sasuke." "Hm?" "Warum bist du zu Orochimaru gegangen?" Die Frage kommt wirklich unerwartet. Ein bisschen verwundert antworte ich: "Ich wollte stärker werden." "Es war eine dumme Entscheidung", sagt er hart. Er hat Recht. Orochimaru war nicht gut für mich, ganz sicher nicht. In der Zeit, als ich bei ihm war, habe ich Dinge gesehen, die die meisten Menschen ihr ganzes Leben lang nicht sehen müssen. Es hat mich verändert und wohl nicht unbedingt zum Besseren. Ich wünschte von Herzen, ich könnte es rückgängig machen und wieder der Mensch sein, der ich vor dieser Zeit war. Aber dass ausgerechnet Itachi diese Entscheidung kritisiert, ist für mich unerträglich. Wer trägt denn Schuld daran? Wer hat mich denn soweit getrieben? Ich versuche, aufzustehen, aber sofort legt er seinen Arm um meine Taille und zieht mich zurück an seine Brust. "Itachi, lass mich…" Er packt meine Hand, mit der ich seinen Arm von mir lösen will, und zieht sie nach hinten. "Hat er dich angefasst?", fragt er unvermittelt. Itachi scheint ihn recht gut zu kennen, oder besser gekannt zu haben, den perversen Sannin. Ich kann nicht sagen, ob ich da Sorge in seiner Stimme höre oder einfach nur vages Interesse. "Ja", antworte ich. Es sind keine angenehmen Erinnerungen, die mit diesem Thema einhergehen. Ich atme tief ein und versuche, die Erinnerung an das Gefühl eiskalter Hände auf meiner Haut abzuschütteln. "Und du hast es zugelassen?" "Ich habe mich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt. Ich bin nicht so stark wie du, war ich nie. Aber ich habe getan, was ich konnte." Es klingt wie eine Entschuldigung, als ich hinzufüge: "Ich war noch ein Kind." "Das bist du immer noch", sagt er tonlos. "Drei Jahre können einen gewaltigen Unterschied machen", erwidere ich und starre wieder zum Fenster raus. Meine Augen halten sich an der untergehenden Sonne fest, damit ich nicht zu sehr an die schlimmen Dinge denken muss, die mir widerfahren sind. Itachi hält mich immer noch fest und mit jedem Wort, das ich sage, wird sein Griff um mein Handgelenk fester und die Position, in der er meinen Arm festhält, unangenehmer. Er hat mich in Orochimarus Arme getrieben. Und ohne Zweifel wusste er die ganze Zeit über, wo ich bin. Er hätte kommen und mich retten können. Aber er hat es vorgezogen, mich dem Sannin zu überlassen. Ich kann einen bitteren Vorwurf nicht ganz aus meiner Stimme verbannen, als ich sage: "Du hast nicht das Recht, mir Vorwürfe zu machen." Es wäre seine Pflicht als mein großer Bruder gewesen, mich zu retten. Damals hätte ich seinen Schutz noch gebraucht. Sein Griff um mein Handgelenk ist fest und hart wie ein Schraubstock. "Du tust mir weh", sage ich ruhig. "Ich weiß." Er lässt nicht los, aber wenigstens darf ich meinen Arm ein Stück nach vorne ziehen, was es nicht mehr ganz so unbequem macht. Die Sekunden ziehen sich wie Ewigkeiten hin, bevor ich leise sage: "Angefasst hat er mich, ja. Aber vergewaltigt hat er mich nicht, falls es das ist, was du wissen willst." Ich habe geschrieen und getobt, habe Orochimaru gebissen, ihn getreten, ihn mit allem was ich hatte attackiert. Hätte er es gewollt, hätte er jeden meiner Angriffe zerschlagen können, das weiß ich. Aber soweit kam es nie. Vielleicht gingen ihm meine Schreie auf die Nerven. Vielleicht bevorzugte er willenlose kleine Jungs, die ihm hörig waren, so wie Kimimaro. Wer weiß das schon? Mich konnte er soweit nicht bringen, vielleicht kam es deshalb nie dazu. Itachi lässt mich los. Das Handgelenk ist ganz rot, sicher werde ich morgen wieder blaue Flecken haben. Mein Bruder küsst mich hinter dem rechten Ohr und seufzt beinahe: "Gut." Es kommt mir vor, als wäre ihm diese Information wirklich wichtig gewesen. Für mich ist es beinahe schon unerheblich, ob Orochimaru nun bis zum Äußersten gegangen ist oder nicht. An seine Zudringlichkeiten werde ich mich für den Rest meines Lebens erinnern müssen, ein weiteres Trauma, das sich zu den anderen dazugesellt und mich wahrscheinlich irgendwann in den emotionalen Ruin treiben wird. Und wie immer, wenn ich über die Gründe für das alles nachdenke, komme ich zu der Erkenntnis, dass die Ursache dieses ganzen Übels direkt neben mir sitzt und übrigens gerade dabei ist, mir das Laken vom Körper zu ziehen. Im Moment ist er außergewöhnlich zärtlich. Sonst reißt er mir eigentlich immer die Kleidung vom Leib, spielt mit mir wie eine Katze mit ihrer Beute und nimmt sich, was er begehrt. Jetzt gerade ist das anders. Keine Machtspielchen, keine Gewalt und keine Befehle. Mein Herz wird schwer. Ich drehe mich zu ihm um und setze mich auf seinen Schoß. Er küsst meinen Hals, streicht mit den Lippen runter bis zu meinem Schlüsselbein und ich vergrabe meine Finger in seinem Haar. "Das hier fühlt sich nach Abschied an", flüstere ich. Keine Reaktion. "Wirst du mich alleine lassen?" "Tue ich das nicht immer?" "Und wenn ich es nicht will?" "Was du willst, ist nicht von Belang." Das weiß ich. Er hat seine Entscheidung getroffen und ich werde ihn nicht umstimmen können. Wenn das hier der Abschied ist, dann werde ich noch einmal genießen und versuchen, mir alles, was so schön ist an diesem Moment, einzuprägen und es nie zu vergessen. Seine Berührungen sollen Orochimarus Zudringlichkeiten vergessen machen. An das Ende werde ich erst morgen denken. X. And all you need are several ways to watch me bleed ------------------------------------------------------ Mit den ersten Sonnenstrahlen wache ich auf, oder besser, komme ich zu mir. Ich habe so gut wie gar nicht geschlafen. Die halbe Nacht hielt Itachi mich wach und anschließend lag ich hellwach im Bett und versuchte, das Chaos in meinem Kopf zu ordnen. Es ist nichts Brauchbares dabei rausgekommen. Eine halbe Ewigkeit lang habe ich mir den Kopf darüber zerbrochen, was jetzt werden soll. Ich habe mich gefragt, ob ich das Ende irgendwie verhindern oder wenigstens rauszögern kann. Aber mir ist nichts eingefallen. Nichts, was wirklich machbar wäre. Mir kam der Gedanke, es nochmal zu tun. Ich meine, nochmal einen Kunai zu nehmen und einfach zu schneiden, zu beobachten, wie das Blut rausquillt und darauf zu warten, dass er mich rettet. Aber das wäre einfach nur dumm, in jeder Hinsicht. Itachi durchschaut mich, immer. Er wüsste sofort, dass es nur darum geht, ihn zu halten. Eines ist sicher, Itachi lässt sich nicht erpressen. Würde er es durchschauen, würde er mich vielleicht sogar zum Sterben zurücklassen. Sein Stolz ist ihm garantiert wichtiger als ich. Nein, es wäre eine dämliche Idee und wirklich in Betracht gezogen habe ich sie nie. Ich setze mich im Bett auf und mich empfängt ein für die letzten Tage äußerst ungewohnter Anblick. Itachi ist komplett angezogen, sogar sein Haar hat er wieder zusammengebunden. Es ist wohl soweit. Ich sehe ihn an und frage: "Wann brechen wir auf?" "In einer halben Stunde. Pack deine Sachen und zieh dich an." "Sagst du mir jetzt, was weiter passieren wird? Wo gehen wir hin?" "Wir gehen nirgends hin." Er sieht mich an und sein Blick ist hart und kalt. "Ich bringe dich zurück nach Hause." Die Worte überraschen mich nicht, ich wusste schließlich seit Stunden, eigentlich sogar irgendwie seit Tagen, dass es so kommen würde. Aber was mich tief trifft ist die Kälte in seinem Blick und seinen Worten. "Ich will nicht gehen." Die Worte sollten eigentlich entschlossen klingen, aber sie kommen eher wie ein Flehen rüber. "Wie gesagt, was du willst, interessiert mich nicht." Hastig stehe ich vom Bett auf. Er kann nach den letzten drei Tagen doch nicht plötzlich so tun, als wäre ich ihm egal. Glaubt er, dass ich ihm das nach allem, was passiert ist, noch abkaufe? Ich stolpere zu ihm. "Itachi", flehe ich. "Bitte! Hör damit auf." Er macht einen Schritt zurück, von mir weg. "Lass es einfach, Sasuke." Mir wird klar, dass ich es nicht ändern kann. Was auch immer in ihm vorgeht, was auch immer er gerade empfindet, ich werde es nicht erfahren. Er wird mich von hier wegbringen, mich zu Hause absetzen und dann alleine zurücklassen. Egal was ich tue, es ändert nichts. Wenn ich mich weigere, diesen Ort zu verlassen, wird er einfach gehen. So oder so, eine Wahl habe ich nicht. Ich bin ihm und seinen Launen hilflos ausgeliefert. Mit gesenktem Kopf frage ich: "Was soll ich anziehen? Draußen ist es kalt und ich habe nichts Warmes." Meine Sachen hat er längst zerrissen oder zerschnitten, ich habe wirklich nichts mehr. Er hebt etwas auf und wirft es mir wortlos entgegen. Eine schwarze Hose und ein dunkelgrauer Pullover. Zivilistenklamotten. Unterwäsche wäre toll gewesen, aber ich halte wohlweislich meinen Mund und ziehe die Sachen an. Ich sehe mich im Zimmer um. Aber es gibt keine Habseligkeiten, die ich packen könnte. Das einzige, was es überhaupt gibt, ist der Kimono, den ich getragen habe, aber der gehörte ja auch nicht mir. Ich brauche ihn nicht. Zum Schluss drückt Itachi mir seinen Mantel in die Hand. Ich nehme ihn, ebenso stumm wie er, ziehe ihn an und gehe dann rüber zum Fenster. In einer halben Stunde ist es vorbei. Nein, eigentlich ist es das jetzt schon. Drei Tage hat er mir gegönnt, mehr nicht. Zweiundsiebzig Stunden. Alte Bitterkeit macht sich in mir breit, als ich wort- und reglos nach draußen starre. Wir stehen im Garten und der Blick ins Tal ist derselbe wie vor ein paar Tagen. Es sieht so schön aus. Mein Atem verdampft sofort vor meinem Gesicht. Es ist ein kristallklarer Tag, ich friere jetzt schon. Ich drehe mich ein letztes Mal um zu diesem Ort, an dem ich mich so verändert habe. Im Gegensatz zu mir blickt Itachi nicht zurück. Mit schnellen Schritten entfernt er sich und ich sage diesem ruhigen Ort stumm Lebwohl. Anschließend drehe ich mich um und laufe wie in Trance hinter Itachi her. Ich bin ernüchtert. Von der Euphorie der letzten drei Tage ist nichts mehr übrig. Mit jedem Schritt fällt das warme, angenehme Gefühl der Zufriedenheit, von dem ich in den letzten Tagen so viel getankt habe, von mir ab und ich kehre im wahrsten Sinne des Wortes in die kalte Realität zurück. Ich habe gewusst, dass es nicht ewig währen kann. Ich wusste, ich würde verletzt werden. Aber womit ich nicht gerechnet habe, ist die Kälte, mit der er mich jetzt behandelt. Als wären die letzten Tage tatsächlich nur ein Traum gewesen. Und jetzt beginnt mein Alptraum von neuem. Zwei Tage hatte ich Zeit, mich darauf vorzubereiten, aber jetzt, wo das Hokage Monument hoch über dem Dorf aufragt, ist mein Kopf wie leergefegt. Wir stehen wenige hundert Meter vor dem Dorfeingang. Ich schätze, es ist gegen fünf Uhr früh, es ist schon hell am Himmel und bald wird die Sonne aufgehen. Gutes Timing, um die Zeit ist hier draußen sicher niemand unterwegs. Wir stehen nebeneinander, sehen beide hoch zum Hokage Monument. Ob seine alte Heimat wohl wehmütige Erinnerungen in Itachi weckt? Ein bisschen zu lange verharrt er so, einsam und still, länger als angebracht, so als wollte er genau wie ich den Moment des Abschieds hinauszögern. Ich verziehe das Gesicht ob dieses Gedankens. Selbst jetzt glaube ich noch an ihn. Schließlich wendet er den Blick ab von den in Stein gemeißelten Köpfen und sieht rüber zum Dorfeingang. Er sieht mich nicht mal an, als er zu mir sagt: "Verabschiede dich, Sasuke." Was erwartet er von mir? Soll ich ihm jetzt auf wiedersehen sagen und dann einfach gehen? Ich schweige, verbissen, verbittert, und warte auf das, was er als nächstes tun wird. Ich weiß gar nichts mehr, nur, dass ich ohne ihn nicht sein kann. In dieses Dorf will ich nicht zurück. So sehr ich meine Freunde liebe, in diesem Moment sind ihre Gesichter in meiner Erinnerung verblasst und unbedeutend. Nichts ist mehr wichtig außer ihm. Ich muss an den Moment vor drei Jahren denken, als ich das Dorf verlassen wollte und Sakura mich abgefangen hat. Sie hat geweint und gebettelt und mich angefleht, nicht zu gehen. Und jetzt bin ich auf der anderen Seite. Jetzt bin ich derjenige, der verlassen wird. Aber ich kann nicht schreien und betteln. Es würde auch nichts ändern. Ich habe doch schon gesehen, dass ich, egal wieviel ich weine und bitte, sein Herz nicht erweichen kann. Nicht einmal die Tränen eines Kindes konnten ihn rühren. Wie soll ich es denn dann schaffen? Er hat wohl begriffen, dass ich mich nicht verabschieden werde. Ich kann es an nichts festmachen, denn er sagt nichts, tut nichts und dennoch hat sich seine Haltung verändert. Es ist wie ein Countdown bis zum endgültigen Untergang, bis zu dem Moment, wo ich hier alleine stehen werde und nichts mehr so sein wird wie es mal war. "Ich wünschte, du hättest mich nicht mitgenommen", sage ich laut. Solange ich rede, wird er vielleicht nicht gehen. Vielleicht hört er mir ja zu. "Lieber wäre ich bei Orochimaru geblieben. Lieber wäre ich für immer einsam gewesen, als in deine Falle tappen zu müssen. Hast du von Anfang an gewusst, dass es so kommen würde?" Von ihm kommt keine Antwort. Meine Finger umfassen den Ring an der Kette um meinen Hals. "Ich habe jetzt verstanden, dass du mich nicht hasst. Du siehst mich einfach gerne leiden." "Sei doch nicht so dumm, Otouto." "Sag mir, ob ich dich wiedersehen werde." "Willst du das denn?" Was für eine dämliche Frage. Um nichts in der Welt könnte ich sie beantworten, denn keine Antwort wäre richtig. Ich hasse und ich liebe ihn. Ich will bei ihm sein und ich will ihn nie im Leben wiedersehen. Er atmet hörbar aus und sagt, ohne meine Antwort abzuwarten: "Vielleicht sehen wir uns wieder." Ich hasse mein törichtes Herz dafür, dass es immer noch an ihn glaubt. Ich glaube, selbst in diesem Moment, wo er fortgeht, mich nicht einmal ansieht, dass er mich auf die Probe stellt und dass ich nur stark sein muss. Ich höre "vielleicht" und mein Herz hofft, dass es ein Versprechen ist. Er kommt zurück, es ist noch nicht vorbei. Denn wenn es nicht so ist, wenn er wirklich nur mit mir gespielt hat und mich jetzt fallenlässt, dann werde ich daran zugrunde gehen. Weil wir ohne einander nicht sein können. Weil ich … nicht anders kann. Keine Ahnung, warum es mir jetzt in den Sinn kommt, was er gesagt hat. Ich bin mir sicher, dass es keine Lüge war. Itachi hat Lügen nicht notwendig. Er hat sehr viele Dinge gesagt, die nicht zu der Kälte passen wollen, mit der er mich jetzt behandelt. Vielleicht ist das hier wirklich nur ein beschissener Test, schon wieder eine seiner unmöglichen Aufgaben, an denen ich immer nur scheitern kann. Wie soll ich einen Test bestehen, dessen Regeln ich nicht kenne? Will er, dass ich bettle? Oder dass ich Stärke zeige? Was erwartet er von mir? Und wieso zum Teufel interessiert es mich noch? Ich hab es so satt. Ich bin die Spielchen einfach leid. "Was auch immer du für Gründe hast, mir so wehzutun… ich werde dir nicht verzeihen, wenn du mich schon wieder alleine lässt." Es ist eine Lüge, noch jedenfalls. Noch würde ich ihm alles verzeihen, wenn er mich bloß mitnähme. Aber das wird er nicht und mit der Zeit werde ich es schon lernen, unnachgiebig mit ihm zu sein. "Ich hatte dich gewarnt." Solange du bei mir bist, werde ich dir immer wieder wehtun, Sasuke. So lange, bis in deinem Herzen für keinen anderen außer mir mehr Platz ist. Das hat er doch längst geschafft. Und dafür sollte ich ihn wirklich hassen. Aber ich… "Ich liebe dich", sage ich ruhig. Ich sage es nicht, um ihn zu halten, sondern weil es eine Tatsache ist, die ich nicht leugnen kann. Ich wünschte, ich könnte ihn damit verletzen, so wie er mich immer verletzt, aber der einzige, dem ich damit wehtue, bin ich selbst. Wie dämlich, diesem kaltherzigen Bastard jetzt und hier meine Liebe zu gestehen. Warum gebe ich ihm nicht gleich ein Schwert und bitte ihn, es mir ins Herz zu stoßen? Jetzt, endlich, sieht er mich an. Seine Augen sind nicht so kalt wie gerade eben noch. Eine warme, vertraute Emotion spiegelt sich darin, als er mich zärtlich ansieht. "Sei stark, Sasuke." Ich weiß nicht, was das bedeuten soll. Ich sehe bloß in seine Augen und erinnere mich daran, dass mein Schmerz ihn immer zärtlich werden lässt. Der Moment ist gekommen und ich werde nicht mehr schwach sein. Ich reiße mich los von seinem Blick und mit schweren aber steten Schritten bewege ich mich auf den Dorfeingang zu. Ich werde nicht zurückblicken. Meine Augen brennen, vielleicht wegen dem kühlen Wind, der mir entgegenpfeift. Etwas Vertrautes verschwindet, eine angenehme, schützende Präsenz ist nicht mehr da und ich weiß, dass er fort ist, ohne mich umsehen zu müssen. Ich blinzle, bis mein Blick wieder klar wird. Ich werde seinetwegen nicht mehr weinen. Ich fühle mich wie ein Ausstellungsstück. Itachis Mantel immer noch eng um meinen Körper gezogen stehe ich in Tsunades Büro und drei Frauen beglotzen mich ungläubig. Die Wachen am Dorfeingang haben mich auf der Stelle hierher gebracht und Tsunade geweckt. Mit ihr kam Shizune und offenbar haben sie Sakura auch gleich dazugerufen, sie kam vor ein paar Minuten ins Büro gestürzt, als wäre der Teufel persönlich hinter ihr her. Und seitdem hat sie nicht mehr aufgehört, mich anzustarren. Auf einmal fühle ich mich irgendwie entblößt unter ihren Blicken. Ich möchte nicht, dass eine von ihnen weiß, was mir geschehen ist. Dennoch ist mein ganzer Körper ein Verräter, alles an mir ist ein stummer Zeuge dessen, was ich erlebt habe. Die drei sind Medic-Nin, ihnen entgeht sicher kein Detail. Meine rechte Hand, die steif ist und sich schwer bewegen lässt. Meine blasse, ausgemergelte Erscheinung. Die blauen Flecken an meinen Handgelenken, die bezeugen, dass Itachi mich so grob festgehalten hat. Ich trage Kleidung, die mir nicht passt. Die Hose ist zu groß, der Pullover zu eng. Und den Akatsukimantel haben sie zweifellos alle drei erkannt. Auf keinen Fall erzähle ich ihnen, was passiert ist. Alles, was ich sagte, war, dass ich ins Dorf zurückkehren möchte. Mehr werden sie nicht erfahren. Ich werde sie nicht sehen lassen, wie schlecht es mir geht. Es kostet mich viel Kraft, aber es gelingt mir, meinen ewig gleichgültigen Gesichtsausdruck beizubehalten. Nachdem sie es wohl doch irgendwann satt haben, mich anzustarren, beraten sie sich. Ich höre kaum zu, mich interessiert bloß der Ausgang. Die Worte schweben an mir vorbei, ich konzentriere mich nur darauf, ruhig stehen zu bleiben und zu warten. Unter dem Mantel tasten meine Finger nach dem Ring. Meine Gedanken sind weit, weit weg. "Sasuke? Sasuke, hast du gehört?" Nein, hab ich nicht. Tsunade reißt mich aus meinen Gedanken und ich blicke sie finster an. "Was?" "Du bleibst im Dorf. Vorerst kommst du ins Krankenhaus, damit du versorgt wirst und weil wir noch nicht wissen, wo wir dich unterbringen sollen." Sie könnten mich auch einfach zurück ins Uchiha Viertel schicken. Warum auch immer sie sich dagegen entschieden haben, ich bin dafür dankbar. Das ist der letzte Ort, wo ich jetzt sein will. "Sakura wird sich in den nächsten Tagen nach einer geeigneten Unterkunft für dich umsehen. Wir werden schon was finden." Ich deute mit einem Kopfnicken eine Verbeugung an. "Denk nicht, dass die Sache damit schon gegessen ist. Wir werden uns demnächst mal unterhalten, aber erst, wenn es dir besser geht." Tsunade mustert mich von oben bis unten und ich kann ihrem anschließenden Blick in meine Augen nicht standhalten. "Wenn du auch nur noch einen Fuß aus dem Dorf setzt, erkläre ich dich zum Nuke-Nin und du kannst dich von den Anbu zur Landesgrenze jagen lassen. Verstanden?" Demütig nicke ich. "Ja." "Dann geh jetzt." Sakura stellt sich neben mich und führt mich aus dem Raum. Sie hat bisher noch nicht mit mir gesprochen, aber als wir draußen auf dem Gang sind, bleibt sie stehen. "Du… du bist es doch wirklich, oder?" "Ja." "Und du wirst hierbleiben?" Die Antwort fällt mir sehr schwer. "Ja." "Ich bin so froh, dass du wieder da bist!" Sie drückt ihr Gesicht an meinen Arm und ihre Schultern zucken. Ich glaube, sie weint. Es dauert ein paar Minuten, die ich bewegungslos abwarte, bis sie mich loslässt und sich rasch über das Gesicht wischt. "Gehen wir", sagt sie und lächelt mich an. Wir alle beide tun so, als hätte ihr kurzer Gefühlsausbruch nie stattgefunden. Wir verlassen gerade das Gebäude, da kommt plötzlich etwas Orangefarbenes wie gehetzt um die Ecke geflitzt. Er stolpert fast über seine eigenen Füße, als er einen Haken schlägt, und dann steht er auch schon vor mir, keuchend und verschwitzt und so außer Atem, dass er erstmal in die Knie geht und nach Luft ringt. "Sa… hff… Sa… Sasuke…", keucht er atemlos. Ich lege den Kopf schief. "Naruto." Es ist schwer, nicht wieder in alte Muster zu verfallen und ihn Dummkopf zu nennen. Er erholt sich recht schnell wieder und ich bin mir nicht sicher, was ich jetzt zu erwarten habe. Vielleicht haut er mir erstmal eine rein, verdenken könnte ich es ihm nicht. Aber er sieht erstmal an mir vorbei, seine blauen Augen blicken Sakura fragend an und sie sagt: "Er bleibt. Er ist hier und er wird nicht wieder gehen." Jetzt sieht er mich an. Seine Mimik wechselt fast im Sekundentakt und man kann ihm ansehen, wie er nach einer angemessenen Reaktion auf meine Rückkehr sucht. Schließlich schiebt er die Unterlippe vor, starrt mich finster an und sagt: "Du!" "Ich." "Du arroganter, sturer Arsch! Eins sag ich dir. Wenn du Sakura und mich nochmal alleine lässt, prügle ich dich windelweich, hast du verstanden?" Wenn mich nicht alles täuscht, dann heißt das übersetzt soviel wie Willkommen zurück. Ich nicke und antworte friedlich: "Verstanden." Meine Antwort bringt ihn augenscheinlich ziemlich aus dem Konzept. Er blinzelt, kratzt sich verlegen am Kopf und schiebt dann die Hände in die Hosentaschen. "Okay", mault er und stellt sich neben mich. "Wohin gehen wir?" "Wir bringen Sasuke erstmal ins Krankenhaus", antwortet Sakura für mich. Offenbar hat Naruto beschlossen, mitzukommen. Trotz der Finsternis in meinem Herzen dringt ein Gefühl bis zu mir vor, und zwar eine große Dankbarkeit dafür, dass die beiden immer noch für mich da sind. Wir gehen los, zu dritt, fast wie in alten Zeiten. Naruto mustert mich kurz und mein Zustand scheint ihm erst jetzt aufzufallen. Er verzieht das Gesicht, wahrscheinlich wegen dem Akatsukimantel, an dem ich mich immer noch festklammere, als ginge es um mein Leben. "Dein Modegeschmack ließ schon immer zu wünschen übrig." Meine Hand blutet. Ich sitze auf meinem Bett, die Knie angezogen, und beobachte, wie das Blut stetig auf mein rechtes Knie tropft. Ich habe den Spiegel, der an der Wand hing, kaputtgemacht. Mein Spiegelbild konnte ich einfach nicht länger ertragen. Ich hasse mich selbst so sehr, dass es fast körperlich wehtut. Ich kann nicht aus meiner Haut, dabei verabscheue ich Sasuke Uchiha so sehr, dass ich am liebsten ein Messer nehmen und dieses makellose, ausdruckslose Gesicht zerschneiden würde, das mich aus dem Spiegel heraus so leblos angesehen hat. Ich habe den Spiegel mit der Faust zerschlagen. Das Ergebnis waren Splitter, die in meiner Hand steckten, Blut und meine erbärmliche Fratze, die sich in den übrig gebliebenen Scherben tausendfach spiegelte. Es tut so weh. Ich dachte, ich wäre auf den Abschied von Itachi und auf das Loslassen aller Hoffnung vorbereitet gewesen. War ich nicht. Innerhalb weniger Tage habe ich mich fast vollständig von ihm und seinen Launen abhängig gemacht. Ich war wieder wie das Kind, das ihm blind hinterher hechelte und dem nichts auf der Welt wichtiger war als seine Aufmerksamkeit. Selbst jetzt noch… selbst jetzt, wo es so weh tut… wo ich mir wünschte, ich hätte mich beherrschen können, wäre vor ihm davongelaufen, als ich die Gelegenheit hatte… selbst jetzt noch würde ich, stünde er plötzlich vor mir und würde mich wiederhaben wollen, einfach mit ihm mitgehen. Ich bin wirklich erbärmlich. Die letzten Tage stand ich bloß am Fenster des kleinen Hotelzimmers, das man mir zeitweilig zur Verfügung gestellt hat. Ich stand am Fenster, starrte nach draußen und wartete darauf, dass er zurückkommt. Inzwischen habe ich eingesehen, dass er nicht wiederkommen wird und die Erkenntnis bringt mich fast um den Verstand. Es klopft an der Tür. Frustriert vergrabe ich das Gesicht in den Händen. Ich will jetzt niemanden sehen. Sie sollen mich alle in Ruhe lassen mit meinem Schmerz. Ich brauche ein neues Ziel, jetzt wo ich keines mehr habe. Ich brauche Sinn und Inhalt in meinem Leben, denn sonst wäre es wirklich umsonst, so weiterzumachen. Ich will Itachi nicht so viel Macht über mich geben, es soll ihm nicht möglich sein, mich zu zerstören. Aber in diesem Moment ist alles so hoffnungslos, dass ich wirklich nicht weiß, wozu ich noch weiterleben soll. Jemand öffnet die Tür. Ich mache mir nicht die Mühe, den ungebetenen Gast anzusehen. Ich will allein sein. Eine warme Hand nimmt meine und ein weiblicher Duft strömt mir entgegen. Seufzend lasse ich zu, dass sie meine Hand nimmt und das Blut wegwischt. Ich lasse die Stirn gegen meine Knie sinken. Sakura setzt sich zu mir auf das Bett. Sie löst eine der Bandagen um ihren Oberschenkel und verbindet damit meine Hand. So kenne ich sie gar nicht. Die Sakura, die ich kenne, hätte mich in einem Redeschwall mit Fragen überschüttet. Ich bin ihr dankbar, dass sie einfach den Mund hält. Noch lieber wäre es mir allerdings, sie würde wieder gehen. Und Naruto gleich mit ihr, der steht nämlich neben dem Bett und scheint zu überlegen, was er tun soll. Was tun die beiden hier? Sie haben ein unfassbar schlechtes Gespür für Timing, wie immer. Andererseits hätten sie mich in den letzten Tagen zu jeder Tageszeit in einer derart düsteren Stimmung vorgefunden. Sakura lässt meine Hand los und ich ziehe sie zurück, lege meine Arme jetzt um meine Beine. Naruto umrundet das Bett und setzt sich stumm neben mich. Mir geht es verdammt dreckig. Ich wünschte, sie wären nicht hier. Sie sollen mich so nicht sehen. Ohne Worte legt Naruto eine Hand auf meinen Arm. Ich schließe die Augen. Sie wissen beide nicht, wie sie mir helfen können. Aber ich weiß es ja selbst nicht. "Keine Ahnung, was mit dir passiert ist, Sasuke", flüstert Sakura. "Du musst es uns nicht erzählen. Aber zieh dich nicht immer zurück, wenn du Kummer hast." Sie kann nicht wissen, wie schlecht es mir wirklich geht. Wieviele Dinge mich in Wahrheit quälen und wie grundlegend diese Qualen sind. Ich habe mich Itachi geschenkt, mich Haut und Haaren, und er hat zum Dank auf mich gespuckt. Ich habe nichts mehr, kein Ziel, keine Hoffnungen und keine Träume. Ich fühle mich so leer. Das können sie beide nicht wissen. Sie dürfen es nicht wissen. Ich sehe immer noch nicht auf. Aber zarte Arme legen sich um mich und ihr Duft ist überall, als Sakura mich umarmt. Es sind hilflose Gesten und ich fühle mich leer und verloren. Und trotzdem kommt der Trost meiner Freunde irgendwie bei mir an. Ich weiß, dass sie für mich da sind. Sie sind nicht wie Itachi. Sie sind alles, was ich noch habe. Ich starre ins Nichts, die Stirn immer noch gegen meine Knie gedrückt, und meine Augen füllen sich mit Tränen. Ich habe nicht geweint, so wie ich es mir vorgenommen hatte. Ich habe seinetwegen nicht geweint, wieso verflucht muss es jetzt passieren? Sie sollen mich so nicht sehen. Frustriert hebe ich den Kopf an, will mir über die Augen wischen. Aber es ist schon zu spät, eine Träne rinnt über meine Wange. Zornig wische ich sie weg und es kommt gleich noch eine nach. Verdammt, verdammt, verdammt. Es hört einfach nicht auf. Sie werfen einander bestürzte Blicke zu, dann zieht Sakura mich an sich. Während meiner Abwesenheit hat sie sowas wie Taktgefühl entwickelt. Würde sie jetzt auch nur ein Wort sagen, würde ich aufspringen und fluchtartig das Zimmer verlassen. Aber sie schweigt, sie sagen beide nichts, und deshalb lasse ich sie bleiben und gestatte mir, in ihren Armen Trost zu suchen. Ich weiß, dass der Alptraum noch nicht überstanden ist. Ich werde leiden, aber jetzt, wo sie hier sind, glaube ich, dass ich es vielleicht schaffen kann, darüber hinwegzukommen. Itachi wird mich nicht zerstören, soweit will ich es nicht kommen lassen. Aber es ist noch nicht vorbei, das weiß ich. Er sagte vielleicht. Was auch immer in seinem Kopf vorgeht, er wird wiederkommen. Und dann wird das Spiel von vorne beginnen. Es ist noch nicht vorbei. XI. Mend the cracks and say so long ----------------------------------- Ich kauere in einer Ecke, zitternd, frierend. Ich habe bloß Itachis Mantel um meinen Körper gewickelt, meine blassen, nackten Beine schauen darunter hervor. Es ist so dunkel. Warum habe ich das Gefühl, dass etwas Furchtbares passieren wird? "Sasuke." Er ruft schon wieder nach mir. Ich drücke meine Stirn an meine Knie. Ich will es nicht hören. Er soll endlich gehen. Aber ich höre seine Stimme, selbst wenn ich mir die Ohren zuhalte. Er ist da und ich weiß, irgendwann muss ich mir ansehen, was er mir zeigen will. Als ich aufsehe, ist mein Zimmer leer. Mein Bett, mein Schreibtisch, alles ist fort. Itachi steht mitten im Raum. Er trägt seine Anbu Uniform. Zu seinen Füßen knien zwei Menschen und ich will schreien, als ich sie sehe. Naruto und Sakura sitzen einfach da, tun nichts, starren in die Ferne. Wieso bewegen sie sich denn nicht? Wieso laufen sie nicht weg? Wenn sie bleiben, dann wird er sie… Itachi sieht mich an und sagt noch einmal meinen Namen. Ich möchte zu ihm gehen, aber mein Körper will sich einfach nicht bewegen. Ich weiß, dass etwas Schreckliches passieren wird. Er sieht mich an, sein Blick ist wie versteinert. Und ich weiß, was er tun wird. Dann hebt er sein Schwert und es saust auf die beiden hinab. Blut spritzt. Und dann fallen zwei Leiber auf den Holzfußboden. Ihre gebrochenen Augen starren mich an und Itachi steht über ihnen und wischt mit der linken Hand das Blut von seinem Schwert. Wieso kann ich nicht schreien? Ich bin so entsetzt, dass sich kein Muskel in meinem Körper bewegen will. Itachi kommt zu mir. Das Schwert legt er beiseite und kniet bei mir nieder. Mit seiner blutigen, linken Hand umfasst er mein Kinn. Ich kann es riechen, das Blut meiner Freunde. Itachi stützt eine Hand neben mir an der Wand ab und dann beugt er sich vor und küsst mich. "In deinem Kopf und in deinem Herzen werde ich auf ewig an erster Stelle stehen, Sasuke." Ich lege meine Arme um ihn und der Mantel rutscht mir von den Schultern. Über seine Schulter hinweg sehe ich die blutüberströmten Körper meiner besten Freunde. Die beklemmende Stille wird so laut, dass ich es nicht mehr ertragen kann. Ich sehe in Narutos erstarrte Augen und mir wird klar, dass ich ihn niemals wiedersehen werde. Jetzt fange ich an, gellend zu schreien. Über das Rauschen meines Blutes in meinem Ohr und das irrsinnige Pochen meines Herzens hinweg höre ich polternde Schritte im Haus. Es dauert keine zehn Sekunden, dann wird die Tür aufgestoßen und zwei kaum bekleidete, zerzauste Menschen stürmen mein Zimmer. "Sasuke! Was ist passiert?" Das Licht geht an und die zerzausten Silhouetten werden zu aufgebrachten, völlig aufgelösten Personen. "Du BASTARD! Es ist mitten in der Nacht, ich dachte, du wirst abgestochen!" Ich sehe die zwei wortlos an, weil ich meiner Stimme noch nicht traue. Ich selbst habe es kaum mitbekommen, aber ich muss wohl geschrieen haben wie ein Irrer, den panischen Gesichtern nach zu urteilen. Sakura sieht aus, als stünde sie kurz vor einem Herzinfarkt. "Meine Güte", keucht sie und lässt sich auf mein Bett sinken. "Ich hab gedacht, diesmal ist es soweit… ich habe schon ein Dutzend Akatsuki in deinem Zimmer stehen sehen…" "War ich so laut?", frage ich atemlos. "Laut ist gar kein Ausdruck!", funkt Naruto dazwischen. Ich weiß, dass er es hasst, mitten in der Nacht geweckt zu werden. "Du hast geschrieen wie am Spieß." "Ich habe geträumt", sage ich tonlos. Es ist nichts Neues, dass Itachi mich bis in meine Träume verfolgt. Sakura und Naruto kennen das schon, vor allem kurz nach meiner Rückkehr wurde ich ziemlich oft schreiend wach und die zwei standen besorgt an meinem Bett. Aber in den letzten Monaten hatte ich keine Alpträume mehr, wahrscheinlich sind sie deshalb so aufgebracht. Naruto fasst sich an die Stirn und seufzt. Sowohl seine Sorge als auch der Ärger über die späte Störung würden erheblich ernsthafter wirken, wenn er nicht in grotesken Boxershorts mit einem Froschmuster und einer Zipfelmütze auf dem Kopf in meinem Zimmer stehen würde. "Mann, Sasuke. Ich schwöre dir, beim nächsten Mal bleibe ich einfach liegen." "Hab ich dich gebeten, hier reingestürmt zu kommen wie ein Geisteskranker?", fauche ich ihn an. "Du bistn Blödmann! Ich hab mir bloß Sorgen gemacht!" Er verzieht das Gesicht, schnaubt abfällig und stapft aus der Tür. Ich starre ihm finster hinterher, aber eigentlich bin ich ganz froh, dass er kein Drama daraus macht. Solange er noch mit mir streiten kann, ist alles in bester Ordnung. Es ist jedenfalls besser als der mitleidige Blick, den er mir anfangs immer zugeworfen hat. Sakura ist noch da. Sie nimmt meine Hand und obwohl ich das nun schon kenne, fällt es mir immer noch schwer, sie nicht wegzuziehen. "Das ist der erste Alptraum seit Monaten", sagt sie vorsichtig. "Ist irgendwas passiert?" Ich schüttle den Kopf. "Nein, gar nichts. Ich denke, ganz in Frieden lassen wird er mich nie." Sakura weiß, wen ich meine. "Willst du mir erzählen, was du geträumt hast?" "Das übliche." Sie nickt und steht auf. Früher, ganz am Anfang, war es in so einer Nacht schwierig, sie wieder loszuwerden. Sie hat, vielleicht auch wegen ihrer Ausbildung, den unbändigen Drang, sich um alle zu kümmern, ganz besonders um mich. Damals versuchte sie immer, mir einen Becher heiße Milch mit Honig anzudrehen und wollte ganz genau hören, wovon ich denn geträumt habe. Ich habe sie immer verscheucht und inzwischen hat sie begriffen, dass ich das nicht brauche. Mit den Träumen komme ich klar. Schließlich habe ich sie schon seit meinem achten Lebensjahr. "Frierst du denn nicht?" Ihre Frage bringt mich aus dem Konzept und erst als ich sehe, dass sie auf das offene Fenster deutet, begreife ich überhaupt, was sie meint. Ich hatte gestern Abend wohl vergessen, es zu schließen. Deshalb war mir im Traum wohl so verdammt kalt. Sie schließt das Fenster, ohne meine Antwort abzuwarten, und wirft mir dann noch einen prüfenden Blick zu. "Schlaf gut, Sasuke." "Gute Nacht", antworte ich automatisch. Sie verlässt den Raum und schließt die Tür, lässt das Licht aber an. Ich sehe ihr nach und erst, als sie fort ist, kann ich mich wirklich entspannen. Ich bin froh, die beiden bei mir zu haben, aber in Momenten wie diesen bin ich immer noch am liebsten allein. Ich bin jetzt siebzehn Jahre alt, mein Zusammentreffen mit Itachi liegt knapp zwei Jahre zurück. Es hat sich viel verändert seither. Vor allem habe ich mich verändert. Als ich dieses Haus gekauft habe, dachte ich noch, ich würde allein darin wohnen. Der Mensch, der ich früher war, hätte auch niemanden sonst in seinem zu Hause ertragen. Aber irgendwie hat es sich so ergeben, dass es jetzt unser zu Hause ist. Naruto kam als erstes dazu. Das war der schwerste Schritt. Er hatte seine winzige Wohnung satt und jeden verdammten Tag musste ich mir sein Gemecker anhören. Irgendwann war er mal bei mir zu Hause und meinte, ich hätte so ein großes Haus und viel zu viel Platz für einen alleine. Da hatte ich wohl grade einen sentimentalen Moment, weil ich ihm angeboten habe, bei mir einzuziehen. Seitdem ist sein Zimmer zwei Türen weiter von meinem, im ersten Stock. Am Anfang habe ich ihm die Pest an den Hals gewünscht. Naruto ist unordentlich, aufdringlich, laut, nervtötend und in der Küche hinterlässt er nichts als Packungen von Fertignudeln und Tütensuppen. Wir haben uns so lange die Köpfe eingeschlagen – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes – bis wir uns irgendwie arrangiert hatten. Er nervt eigentlich immer noch, aber ohne ihn wäre es öde und das Haus groß und leer. Nur ein paar Wochen danach hatte Sakura einen Streit mit den Eltern. Sie stand heulend und jammernd vor unserer Tür und nicht einmal ich mit meinem Herz aus Stein habe es fertiggebracht, sie wegzujagen. Da dachte ich auch noch, sie würde irgendwann wieder gehen. Sie ist immer noch da. Wir leben seit über einem Jahr zu dritt in diesem Haus und inzwischen bin ich auch froh darüber. Auf eine merkwürdige Art und Weise bin ich glücklich. Es ist nicht dasselbe wie mit Itachi, kann es nicht sein, aber inzwischen neige ich dazu, die beiden als meine Familie zu betrachten. Ich habe, was ich wollte und nie geglaubt habe, je wieder haben zu dürfen. Ich habe eine Familie, ich habe Menschen, die mich lieben und die ich liebe. Kurz nachdem Itachi mich ins Dorf gebracht hat, war ich am Boden zerstört. Die beiden haben mich wieder aufgerichtet, sie haben mir den Mut gegeben, weiterzumachen und dafür bin ich ihnen sehr dankbar. Sie sind mein Halt und sie machen mich stark. Nur wegen meiner Einsamkeit war ich anfällig für Itachi. Noch einmal wird mir das nicht passieren. Ich mache das Licht aus und lege mich wieder hin. Eigentlich ist es nicht schlimm, dass ich wieder mal einen Alptraum hatte. Der Schreck vergeht sehr schnell. Niemand weiß, dass ich immer noch sehr oft von ihm träume. Doch es sind normalerweise keine blutigen, grausamen Alpträume. Die Träume, die mich sonst heimsuchen, sind anders und auf ihre Art sehr viel erschreckender. Aber das ist mein Geheimnis. "Sitzt du schon wieder am Fenster?" Sakuras Stimme reißt mich aus meinen Gedanken und ich sehe auf. Ich habe gar nicht gemerkt, dass sie heimgekommen ist. Sie hasst es, wenn ich am Fenster sitze und nach draußen starre. "Ich musste nachdenken", antworte ich. Der Platz am Fenster ist mein Lieblingsplatz, daran wird sie auch nichts ändern. "Wenn ich dich so dasitzen sehe, denke ich immer, dass du auf etwas wartest." Darüber muss ich schmunzeln. "Ich warte schon lange nicht mehr", antworte ich und an ihrem Gesicht sehe ich, wie sehr sie es hasst, wenn ich das tue. Mit einer Kopfbewegung bedeute ich ihr, sich zu mir zu setzen. Sie nimmt neben mir Platz und wirft einen raschen Blick nach draußen. Die Aussicht ist nett, ich habe das Haus auch danach ausgesucht. Es steht am Dorfrand, in der Nähe des Uchiha Viertels, von hier aus kann ich über den Wall, der das Dorf umgibt, hinweg sehen. Man sieht den Fluss in der Ferne und weit, weit entfernt die Bergspitzen, hinter denen abends die Sonne untergeht. Den Blick liebe ich immer noch. Sakura sieht ernst aus. Eigentlich war sie nur kurz bei Tsunade, die gestern von einer Reise zurückgekehrt ist. Was ihr wohl solche Sorgen macht? Hoffentlich geht es nicht immer noch um meinen Traum gestern. "Sasuke, ich muss dir was erzählen." In meinem Magen bildet sich ein Kloß. Sie sieht nicht nur ernst aus, sie wirkt, als habe sie Angst, es mir zu sagen. Etwas Schlimmes ist passiert und mein erster Gedanke gilt Naruto. Aber wäre ihm etwas passiert, dann hätte sie nicht erst über Belanglosigkeiten mit mir gesprochen. Für sie ist er fast genauso wichtig geworden wie für mich. "Worum geht es?" "Tsunade hat erzählt, dass sie etwas gesehen hat, an der Grenze zu Otogakure…" Krieg! Das ist das erste, was mir durch den Kopf schießt, als sie zögert. Otogakure ist nach wie vor feindliches Gebiet, heute vielleicht sogar mehr denn je. Nach Orochimarus Tod gingen viele seiner Gefangenen fort, kehrten nach Hause und zu ihren Familien zurück. Aber viele sind auch dort geblieben. Es gab wochenlange Auseinandersetzungen um die Führung seines Reiches und am Ende bildete sich eine kleine Gruppe von Rädelsführern heraus, die die Leitung übernommen haben. Es sind starke Leute und sie wurden von ihm ausgebildet. Natürlich sind sie niemandem wohlgesonnen, Konoha erst Recht nicht. Vielleicht ist es soweit, vielleicht gibt es neue Erkenntnisse, die einen neuen, großen Krieg einläuten. "Da war… da war ein riesiges Gebiet das völlig zerstört war. Es muss Schauplatz eines gewaltigen Kampfes gewesen sein." "Und?" Sie holt einmal tief Luft. "Itachi hat an der Stelle gegen mindestens zwei Akatsuki gekämpft." In dem Moment, als sein Name fällt, erstarre ich innerlich zu Stein. Ich will es gar nicht wissen. Ich will nicht wissen, was er tut. Es war ja klar, dass es irgendwann wieder so einen Kampf geben würde. Kurz nachdem ich ins Dorf zurückkehrte, hat er einen der Akatsuki erledigt, die Kunde drang bis nach Konoha vor. Und innerhalb des letzten Jahres hat er noch zwei weitere umgebracht. Offenbar hat er einen blutigen Feldzug gegen sie gestartet, deshalb ist es nicht weiter verwunderlich, dass nun zwei weitere dran glauben mussten. Das alles interessiert mich nicht mehr, ich will es einfach nicht wissen. Soll er tun was er will, mir ganz egal! "Es interessiert mich nicht mehr, was er macht. Ich will das nicht wissen." "Doch, ich denke das solltest du wissen." Irgendwie ahne ich schon, was kommt. Aber ich will es nicht hören. "Es gab wohl eine Explosion… oder irgendetwas in der Art… was auch immer da passiert ist, es muss unfassbar zerstörerisch gewesen sein. Die Akatsuki sind dabei ums Leben gekommen, aber nicht nur sie." Sie nimmt meine Hand. "Sasuke-kun. Itachi ist tot." "Ach so?" Ich sehe sie an und warte ehrlich gesagt selbst auf irgendeine Art von Reaktion. Aber da ist nichts. Ich nehme das, was sie gesagt hat, zur Kenntnis. Itachi ist also tot. Aha. Ich bin richtig erstaunt, dass es mir so egal ist. "Ist das sicher?" "Ich denke schon, ja. Jedenfalls wurden drei Leichen beerdigt." Sie macht eine kurze Pause, mustert mich besorgt und drückt ganz fest meine Hand. "Ist alles in Ordnung?", fragt sie vorsichtig. Sakura kennt die ganze Wahrheit, als Einzige weiß sie alles, was in der Zeit vor meiner Rückkehr nach Konoha passiert ist. Nicht einmal Naruto weiß es, aber Sakura habe ich es in einem sentimentalen Augenblick in einer außergewöhnlichen Nacht erzählt. Sie weiß, was Itachi getan hat, was ich getan habe, was er mir einmal bedeutet hat. Aber wir haben schon sehr lange nicht mehr über ihn gesprochen. Was sie nicht weiß, ist, dass Naruto und sie es geschafft haben, ihn aus meinen Gedanken zu vertreiben. Bis jetzt wusste ich es ja selbst nicht. Doch es ist so. Ich fühle... gar nichts. "Ja, alles okay", antworte ich, aber ihr Blick bleibt sorgenvoll. "Glaub mir", beschwichtige ich sie, "er ist mir egal geworden. Vielleicht ist es gut, dass es endlich vorbei ist. Jetzt bin ich wirklich der Letzte." Sie nimmt mich in den Arm. "Ach Sasuke-kun…" Nachdem Sakura gegangen ist, gehe ich in mein Schlafzimmer und öffne den Schrank. In einem Abschnitt hängt, ganz allein, der Mantel. Zum ersten Mal seit langem nehme ich ihn vom Kleiderbügel, betrachte das eigenwillige Muster darauf. Rote Wolken… wer wohl auf die Idee gekommen ist? Inzwischen sind ja nicht mehr sehr viele Akatsuki übrig, die man fragen könnte. Ich setze mich auf das Bett und rieche an dem alten Kleidungsstück. Inzwischen riecht es allenfalls noch muffig, aber ich erinnere mich an seinen Geruch. Wieso habe ich dieses alte Teil nicht längst weggeworfen? Ich bin jetzt siebzehn Jahre alt und konnte mich noch immer nicht davon lösen. Dass die Nachricht von Itachis Tod mich gleichzeitig völlig kalt lässt, ist irgendwie so widersprüchlich. Vielleicht, weil ich nicht wirklich daran glauben kann. Itachi stirbt nicht. Das ist wie ein Naturgesetz. Der stirbt nicht bei einem Kampf, nicht gegen diese Versager, gegen die Akatsuki. Frustriert starre ich den Mantel an. Ich bin wirklich bescheuert. Jetzt ist der Mistkerl endlich für immer aus meinem Leben verschwunden und ich will einfach nicht daran glauben. Wie an diesem Mantel halte ich auch an dem Glauben fest, dass er überlebt, bis wir uns irgendwann wiedersehen. Und ich kann es nicht ändern. Ich weiß, aus tiefstem Herzen, dass Itachi nicht tot ist. Es muss endlich was passieren. Mit dem Mantel in der Hand springe ich auf. Ich laufe die Treppe runter und stürme aus der Tür. Kurz schaue ich mich auf der Straße um, aber hierher verirrt sich nur selten jemand, momentan ist jedenfalls niemand in der Nähe und ich bin froh darüber. Das hier erledige ich lieber alleine und in Ruhe. Ich sehe den Mantel an und werfe ihn dann wütend in den Dreck. Dieses dämliche Teil wird nicht mehr gebraucht. Sein Besitzer ist tot und ich muss das begreifen. Ich bin wütend und weiß selbst nicht genau, warum. Den Mantel stiere ich zornig an, so als könnte der was dafür. Für mich ist er eine Erinnerung, schön und schaurig zugleich. Eine Erinnerung, die ich nicht mehr will! Ich trete ein paar Schritte zurück und hole tief Luft. Und dann speie ich Feuer. Beißender Rauch steigt auf, als das Kleidungsstück Feuer fängt. Mit tränenden Augen sehe ich zu, wie Itachis Mantel in Flammen aufgeht. Ich warte, bis restlos alles verbrannt ist. Was den Flammen entkommt, entzünde ich erneut, so lange, bis nichts als ein paar verkohlte Reste von dem Kleidungsstück übrig sind. Endlich hab ich es geschafft, das Teil loszuwerden. Es fühlt sich an, als hätte ich die Traurigkeit und die Schmerzen, die ich damals durchgemacht habe, gleich mit ihm verbrannt. Das Haus hat sich sehr verändert, seit ich das letzte Mal hier war. Viele Jahre lang habe ich das Uchiha Viertel gemieden wie die Pest. Es weckt düstere Erinnerungen. Es tut weh, mein Elternhaus in diesem verfallenen Zustand zu sehen. Jeder Winkel erinnert mich an etwas aus der Kindheit, damals, als ich noch glücklich und unschuldig war. Jetzt ist alles von einer dicken Staubschicht bedeckt. Alles Metallische hat begonnen zu rosten, das Holz ist morsch geworden. Hier hausen nur noch Katzen. Im Versammlungsraum am Altar entzünde ich Räucherstäbchen und falte die Hände. Ich weiß, dass ich jetzt beten sollte, aber mein Kopf ist einfach nur leer. Ich kann nicht daran glauben, dass sie irgendwo auf mich warten. Und ich kann auch nicht glauben, dass sie irgendwo in irgendeiner Form noch existieren. Ich kann an gar nichts mehr glauben. Ich bin auch nicht hier, um zu trauern oder zu beten. Ich bin hier, weil ich einen Abschluss suche. Irgendwie möchte ich, dass die Erkenntnis, dass Itachi tot ist, bis zu mir vordringt. Ich will es begreifen und dann will ich endlich mit dieser Sache abschließen. Aber es ändert sich nichts. Ich stehe hier und noch immer kann ich es nicht glauben. Um meine Eltern kann ich trauern. Um Itachi nicht. Er ist nicht tot. Ich kann es mir einfach nicht vorstellen. In meinen Gedanken ist Itachi unbesiegbar und unsterblich. Es würde allerdings zu ihm passen, einfach so zu sterben. Es wäre typisch für ihn, mich einfach so hier alleine zu lassen. Ohne ein Ende. Auf dass ich für immer mit der Ungewissheit leben muss. Mit klammen Fingern ziehe ich an der Kette und hole den Ring unter meinem Hemd hervor. Meine Finger schließen sich darum und ich versuche, durch die innere Taubheit hindurch endlich den Schmerz zu spüren, den Schmerz über seinen Verlust. "Sasuke." "Wie hast du mich gefunden?", frage ich und lasse den Ring an der Kette zurück unter mein Hemd gleiten. "Ich dachte mir fast, dass du hier bist." Eine Hand legt sich auf meine Schulter. "Ist alles in Ordnung?" Jetzt erst löse ich meinen Blick vom Altar und sehe Naruto an. "Ja." "Was ist das für ein Gefühl?", fragt er mich. Naruto hat keine Ahnung, wie ich zu Itachi stehe. Er weiß nicht mehr als die anderen, er weiß von meinem Hass und meinem Rachedurst, bevor ich das Dorf verließ. Und er weiß, dass ich nicht lange vor meiner Rückkehr ins Dorf an dem See gegen Itachi gekämpft habe. Er hat mich nie gefragt und ich weiß, dass Sakura ihm nichts verraten hat. Wahrscheinlich weiß er nicht einmal, ob ich Itachis Tod betrauere oder mich darüber freue. Ich blicke an ihm vorbei und antworte ehrlich: "Es fühlt sich einfach nur leer an." "Vermisst du ihn oder hasst du ihn?" "Beides." Ich wende mich von dem Schrein ab. Es hat keinen Sinn, es wird sich nichts ändern. Als wir nach draußen gehen, nehme ich den Arm hoch und blicke auf mein linkes Handgelenk. Die alte Narbe tut wieder weh. XII. Anywhere my brother leads me to ------------------------------------ Ich werde noch verrückt. Seit Stunden sitze ich am Fenster, aber die Ruhe, die mich bei dieser Beschäftigung für gewöhnlich erfasst, will nicht eintreten. Mir gehen viele Dinge durch den Kopf und immer wieder schweifen meine Gedanken ab zu Itachi. In meinem Kopf wälze ich alle Möglichkeiten, von der, dass er seinen Tod bloß inszeniert hat, bis zu der unwahrscheinlichen Variante, dass er tatsächlich gestorben ist. Nein, ich kann daran nicht glauben. Vielleicht war es auch einfach nur eine Verwechslung. Wäre Itachi tot, würde ich es spüren. Ich könnte nicht so ruhig bleiben. Er hat gesagt, dass wir uns wiedersehen. Es ist nicht vorbei. Ich denke immer wieder darüber nach, was wohl mit mir passiert, wenn ich irgendwann anfange, es doch zu glauben. Was wird mit mir, wenn er nicht mehr da ist? Wenn ich wirklich der Letzte bin? Noch ist das bloß eine vage Vorstellung, aber ich muss anfangen, mich damit zu befassen. Ich wünschte, ich könnte mich irgendwie davon überzeugen. Könnte an seinem Grab stehen, nein, besser noch, seine Leiche mit eigenen Augen sehen. Erst dann würde ich Frieden finden. Wenn ich weiter hier sitze, werde ich wirklich noch irre. Ich habe das ewige Nachdenken so satt, eigentlich bin ich doch eher ein Mann der Tat. Anstatt zu grübeln, sollte ich etwas unternehmen, damit ich endlich Gewissheit habe. Ich könnte nach Otogakure gehen. Ich könnte zu seinem Grab gehen und mich selbst davon überzeugen, dass er tot ist. Vielleicht stellt sich die Erkenntnis ein, wenn ich dort bin. Auf jeden Fall ist es besser, als hier rumzusitzen und mich verrückt zu machen. Ich fasse einen Entschluss, auch wenn es mir nicht leicht fällt. Wenn ich gehe, werde ich meinen Freunden wehtun. Ich kenne die zwei inzwischen gut genug um zu wissen, wie sie reagieren werden. Sie werden sofort denken, dass Itachi mich wieder dazu treibt, etwas Unvernünftiges zu tun. Sie werden versuchen, mich davon abzubringen. Und weil es ihnen nicht gelingen wird, wird ihnen mein Fortgehen wehtun. Sie werden Angst haben, dass ich nicht mehr zurückkomme. Ich wünschte, ich könnte etwas dagegen tun, aber ich wüsste nicht, was. Ich muss gehen, jetzt im Moment sehe ich keine andere Möglichkeit, ein bisschen Frieden zu finden. Aber dieses Mal werde ich mich nicht wie ein Verräter davonschleichen. Ich werde zu Tsunade gehen und es mit ihr absprechen. Ich möchte ein zu Hause haben, wenn ich zurückkomme. Mit betretenem Gesicht steht Sakura neben mir und sieht zu, wie ich meine Sachen packe. Ich nehme nicht viel mit, wozu auch? Mir reichen mein Schwert und ein paar Sachen zum Wechseln. Alles andere kann ich mir im Notfall auch kaufen, Geld ist schließlich das, was ich im Überfluss besitze. "Sasuke, willst du wirklich gehen?" Sakura muss diese Frage schon mindestens fünfmal gestellt haben, seit ich bei Tsunade war. "Du kannst doch nicht schon wieder alles wegwerfen." "Das tue ich doch gar nicht. Ich habe mit Tsunade gesprochen. Ich laufe nicht weg, es ist bloß eine Auszeit." Natürlich war Tsunade alles andere als begeistert. Am liebsten hätte sie es mir verboten, das habe ich ihr deutlich angesehen. Aber sie wusste genauso gut wie ich, dass ich mir nichts verbieten lasse. Ich wäre mit oder ohne ihre Erlaubnis gegangen. Ich bin nur froh, dass sie es mir erlaubt hat, denn so kann ich ohne Probleme wieder nach Hause zurückkehren. "Eine Auszeit kannst du dir auch hier nehmen." "Ich weiß, dass ihr euch Sorgen um mich macht. Aber es ist nicht wie damals. Ich verlasse das Dorf nicht, ich komme schließlich wieder." "Was macht dich da so sicher?" Sie nimmt meine Hand, um mich vom Packen abzuhalten. "Sobald Itachi im Spiel ist, wirst du unberechenbar. Du hast schon einmal geglaubt, er wäre tot. Was, wenn dich nochmal so ein Gefühl überkommt und du… du…" In diesem Augenblick hasse ich es, dass ich ihr alles erzählt habe. Finster starre ich sie an und sage: "Nein, ich werde nicht versuchen, mich umzubringen. Hast du gar kein Vertrauen zu mir? Ihr seid meine Familie. Er ist nicht mehr mein Grund zu leben." "Warum wühlt dich sein Tod dann so auf, dass du das Dorf verlassen musst?" "Was mich aufwühlt ist die Ungewissheit. Egal was die Leute sagen, einen Beweis für seinen Tod habe ich nicht. Das macht mich verrückt." Sie lässt meine Hände los. "Ich kann nicht daran glauben, dass er gestorben ist. Ich will ganz in Ruhe herausfinden, warum nicht. Und wie ich es ändern kann." "Deshalb hast du so kühl reagiert. Du glaubst gar nicht, dass er tot ist." Ich nicke. "Dieser Zustand macht mich wahnsinnig. Ich muss was tun, sonst höre ich nie auf, zu grübeln. Deshalb gehe ich nach Otogakure. Wenn ich sein Grab mit eigenen Augen sehe, wird es mir vielleicht endlich bewusst, dass er nicht mehr da ist." Sie drängt mich zur Seite und zieht ein Hemd aus meinem Rucksack, das ich achtlos hineingestopft habe. "Dann warte wenigstens, bis Naruto wieder da ist. Er kommt in spätestens ein paar Tagen, gib ihm die Chance, sich zu verabschieden. Schließlich willst du mir nicht einmal sagen, wann du wiederkommst." Sie faltet das Hemd nochmal ordentlich und steckt es wieder in den Rucksack. "Ich kann keine paar Tage warten." Dankbar reiche ich ihr eine Hose, die sie wieder zusammenfaltet und platzsparend im Rucksack verstaut. "Gerade du müsstest verstehen, warum es mich momentan irre macht, einfach nur herumzusitzen und nichts zu tun." "Das tust du doch gar nicht. Du trainierst mit Kakashi. Du wirst bald ein Anbu sein, darauf musst du dich doch vorbereiten! Willst du das aufgeben? Wenn du zurück bist, ist es vielleicht schon zu spät und du musst ein Jahr warten." Natürlich hat sie Recht. Aber momentan kann ich mir darüber keine Gedanken machen. Es ist nicht wichtig. Das Training mit Kakashi findet nur sporadisch statt, meistens wenn Naruto auch Zeit hat. Ich kann nicht zu Hause rumsitzen und darauf warten. Ich entscheide, dass ich jetzt genug eingepackt habe. Also schultere ich meinen Rucksack und sehe sie nochmal an. "Lass es uns dieses Mal anders machen, Sakura. Ich möchte dich nicht wieder zum Weinen bringen. Ich verspreche dir, dass ich zurückkomme. Okay?" "Okay…" Sie hat dennoch Tränen in den Augen und ich hasse es ganz einfach nur. Ich hasse, dass ich ihr wehtue und ich hasse es in diesem Augenblick, dass ich mich an andere Menschen gebunden habe und plötzlich nicht mehr tun und lassen kann, was mir beliebt, ohne dass es sich auch auf sie auswirkt. "Sasuke, sei vorsichtig", bittet sie mich. "Otogakure steht kurz vor einem Krieg mit uns. Wenn sie dich erwischen…" "Werden sie nicht. Und wenn bin ich stark genug, mich zu verteidigen, das weißt du doch. Mach dir keine Sorgen." Sie nickt und versucht, die Tränen runterzuschlucken. Sobald ich aus der Tür bin, wird sie anfangen, zu weinen. Verdammt nochmal. Es tut mir weh und dennoch lasse ich sie so stehen und gehe, ohne mich nochmal umzudrehen. Ich finde mich wie selbstverständlich auf jenem Weg, den ich vor fünf Jahren schon einmal gegangen bin. Damals war es so anders und doch ähnlich. Auch damals dachte ich an Itachi. Krampfhaft hielt ich mir sein Bild vor Augen, um nicht an Naruto und das, was ich ihm angetan hatte, denken zu müssen. Ich malte mir aus, wie es sein würde, nach Orochimarus Training, ich dachte daran, wie ich ihn besiegen, nein, vernichten würde. Damals war ich wirklich noch ein Kind. Ich malte mir keine Details aus, nur meinen Sieg. Erst Orochimaru hat mir – anschaulich – gezeigt, wie ein Kampf auf Leben und Tod wirklich aussieht. Durch ihn wurden meine Phantasien detaillierter, realistischer, blutiger. Jetzt denke ich wieder an Itachi und in meinem Kopf wechseln ständig die Bilder, die ich vor mir sehe. Mal sehe ich den großen Bruder, mal den Mörder meiner Eltern und mal den Liebhaber, der er drei Tage lang für mich war. Ich kann mir nicht nur nicht vorstellen, dass er tot ist, ich will es auch nicht. Itachi lebt. Ich hätte es gespürt, wenn er gestorben wäre, ganz bestimmt. Aber ich bin wütend auf ihn, weil er mich schon wieder gezwungen hat, meine Freunde im Stich zu lassen. Sakura hat meine Entscheidung akzeptiert. Aber Naruto wird es ganz sicher nicht verstehen. Wie auch, er weiß ja nicht, was vor zwei Jahren vorgefallen ist. Und er wird es auch nie erfahren. Ich könnte es nicht ertragen, ihn zu enttäuschen. Wüsste er davon, könnte ich ihm nie mehr in die Augen schauen. Ich schwöre, das hier wird das letzte Mal sein, dass Itachi mein Leben durcheinander bringt. Wenn ich mich von seinem Ableben überzeugt habe, dann werde ich nach Hause zurückkehren und das alles für immer hinter mir lassen. Dieser Ausflug zu seinem Grab soll für mich ein Neuanfang werden. Ich möchte lernen, damit zu leben, dass ich meinen großen Bruder schon verloren habe, als ich acht Jahre alt war. Und nichts kann ihn mir je zurückbringen. Otogakure hat sich seit meinem letzten Aufenthalt dort sehr verändert. Früher bestand das gesamte Reich nur aus Orochimarus riesigem Palast mittendrin und den Gefängnissen, die verteilt auf das gesamte Land versteckt waren, dort, wo er unzählige Menschen eingesperrt und an ihnen seine Experimente durchgeführt hat. Es war schlimm, wenn er mich zu einem dieser Orte mitgenommen hat. Die Schreie der Gequälten verfolgten mich nächtelang, aber ich konnte ihnen nicht helfen. Ich wäre nicht stark genug gewesen und selbst wenn, es war noch nicht an der Zeit, Orochimaru zu töten. Jetzt gibt es hier Siedlungen, noch nicht groß genug, um sich Dörfer zu nennen, aber doch Orte, an denen Menschen friedlich und in Freiheit zusammenwohnen. Sie beherbergen die Vertriebenen, diejenigen, die zu Orochimaru gegangen sind und dabei alles hinter sich gelassen haben, die nicht mehr nach Hause zurückkehren konnten nach seinem Tod. Es sind fast ausschließlich Shinobi und deshalb ist es für mich gefährlich, mich zu lange in diesen Siedlungen aufzuhalten. Natürlich laufe ich nicht einfach so dort rum, ich würde mal sagen, dass mich neunzig Prozent von Orochimarus ehemaligen Gefangenen sofort erkennen würden. Ich trage eine Maske, so wie die von Kakashi, und habe mir die Kapuze meines Umhangs tief ins Gesicht gezogen, schließlich hat meine Frisur durchaus Wiedererkennungswert. Wenn ich zu paranoid werde, verwandle ich mich manchmal, nehme die Gestalt eines gewöhnlichen Oto-Nin an, damit ich nicht mehr ständig das Gefühl habe, irgendwer hätte mich erkannt. Trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen bleibe ich nie lange. Rast mache ich außerhalb, dort, wo niemand sonst ist, ich betrete die Siedlungen nur, um Erkundigungen einzuziehen. Viele wissen gleich, was ich meine, wenn ich nach dem großen Kampf frage, bei dem die Akatsuki ums Leben gekommen sind. Itachis Spur führt mich nach Norden, immer dicht an der Grenze entlang. Seit fünf Tagen bin ich unterwegs und jetzt bin ich fast da. Wenn ich Recht habe, wird diese Siedlung die letzte sein, die ich besuchen muss. Ich sitze schwer vermummt in einem kleinen Gasthaus und der Wirt hat mir bereitwillig den Weg beschrieben. Es dürfte nicht schwer zu finden sein und eigentlich sollte ich längst wieder unterwegs sein, aber irgendetwas hält mich davon ab, weiterzuziehen. Ich habe ein mulmiges Gefühl, wenn ich daran denke, dass ich heute Itachis Grab sehen werde. Vielleicht. Irgendwie will ich um keinen Preis dorthin, ich unternehme alles, um den Moment noch ein wenig länger hinauszuzögern. Deshalb sitze ich schon beinahe eine Stunde hier und leere den dritten Becher Sake, bloß um nicht weiterziehen zu müssen. Durch das Fenster beobachte ich die Menschen, die draußen vorbeigehen, vermute in jedem einen potentiellen Feind, der mich enttarnen und angreifen könnte. Otogakure gefiel mir nie besonders, aber jetzt stehe ich nicht mehr unter Orochimarus Schutz und ich könnte wetten, dass es eine Menge Leute gibt, die mich auf der Stelle aufschlitzen würden, würden sie mich erkennen. Ich traue meinen Augen nicht, als ein blonder Mann in meinem Alter an dem Fenster vorbeispaziert. Ich sehe seine blauen Augen, weil er gierig auf das Schild über meinem Fenster glotzt und sich dabei höchstwahrscheinlich fragt, ob sie hier wohl auch Ramen anbieten. Nicht zu fassen, dass dieser Idiot hier ist! Und ohne Tarnung einfach so hier rumläuft! Ungeschickt hole ich mein Geld aus der Hosentasche und weil ich nicht die Nerven habe, es abzuzählen, lege ich viel zu viel auf den Tisch und stürme nach draußen. Ich kann ihn nicht gleich entdecken und befürchte schon, dass ich ihn verloren habe, da sehe ich weiter die Straße runter seinen blonden Haarschopf. Dieser Volltrottel! Ich bring ihn um! Wutentbrannt renne ich hinter ihm her, packe ihn einfach am Arm und zerre ihn in die nächste Seitengasse. "Was zum…!", schreit er, bevor ich ihm zornig den Mund zuhalte. "Du Idiot! Naruto, du Vollidiot, was in aller Welt machst du hier?", fahre ich ihn an. Selbstverständlich weiß ich, was er hier macht. Er ist mir nachgelaufen, dieser Vollidiot hat sich genau wie ich durchgefragt und es ist ein wahres Wunder, dass sie ihn noch nicht erkannt und umgebracht haben! Er könnte mir die Frage auch nicht beantworten, weil ich ihm immer noch den Mund zuhalte. Mit der freien Hand zerre ich mir die Maske runter und seine Augen weiten sich, als er mich erkennt. Augenblicklich hört er auf, sich gegen mich zu wehren, mal ausgenommen seine Versuche, meine Hand von seinem Mund zu lösen. Gerade würde ich ihn allerdings am liebsten erwürgen und um mich selbst davon abzuhalten, lasse ich meine Hand über seinem Mund. "Hör zu, mach mir jetzt bloß keine Szene, verstanden? Weißt du eigentlich, wo wir hier sind? Wie kannst du hier so rumlaufen?" Wenigstens war er schlau genug, sein Stirnband abzunehmen. Ich lasse ihn jetzt doch los und glücklicherweise fängt er nicht gleich an, mich anzukeifen. "Du bist ja schließlich auch hier!", grollt er, aber leise. "Weil ich etwas zu erledigen habe! Und ich habe mich getarnt, wie du siehst!" Ich ziehe meine Maske wieder hoch und lasse ihn los. Misstrauisch sehe ich mich um, aber keiner scheint uns groß zu beachten. "Mann, verwandel dich oder mach irgendwas, aber lauf hier doch nicht einfach so rum!" Er macht ein Fingerzeichen und zischt mich an: "Wenn wir wieder zu Hause sind, dreh ich dir den Hals um, kapiert?" Er verwandelt sich in einen Oto-Nin, samt Stirnband und Uniform. "Jetzt zufrieden?" "Besser", nicke ich. "Und jetzt gehst du nach Hause, klar?" "Ich denk ja nicht dran." Das hatte ich befürchtet. Naruto kann so ein penetranter Quälgeist sein und ich weiß genau, womit ich zu rechnen habe, wenn er so ein Gesicht zieht. Selbst halbtot würde er sich noch hinter mir her schleifen und nichts und niemand könnte ihn davon abbringen. Dieser…! Einen Streit mit ihm möchte ich hier nicht riskieren. Ich lotse ihn besser aus dem Dorf und sobald wir außer Hör- und Sichtweite sind, drehe ich ihm den Hals um, nein, schicke ich ihn nach Hause. Ob er will oder nicht. Und wenn ich ihn geknebelt und gefesselt als Paket zurückschicken muss, er ist der allerletzte, den ich momentan bei mir haben will. "Du willst zu Itachis Grab, oder?", fragt er und ich nicke. "Dann geh ich mit." Wem mache ich was vor? Ich werde ihn nicht mehr los, es sei denn ich besiege ihn wirklich im Kampf und kneble und fessle ihn anschließend. Soweit will ich dann doch nicht gehen und ich füge mich meinem Schicksal. Außerdem, wenn ich ihn alleine rumlaufen lasse, bringt er sich wirklich noch in Schwierigkeiten. Ich stiere ihn zornig an und mache einen Schritt von ihm weg. "Komm mit." Der Wirt hatte Recht, das Gebiet, von dem alle reden, ist wirklich kaum zu verfehlen. Man geht durch den Wald und urplötzlich, mittendrin, ist da eine Art Krater im Boden. Das, was mal Waldboden war, ist versengt oder vernichtet, von den Bäumen sind nur noch Stümpfe übrig. Am anderen Ende des Kraters zieht sich durch den Wald eine Schneise, etwa zwei Meter breit, wo gar nichts mehr ist außer Asche, die den Boden bedeckt und angesengten Bäumen und Sträuchern links und rechts. Ein Feuerball, der sein Ziel verfehlt hat und stattdessen da durch gerast ist und auf seinem Weg alles zerstört hat. "Du lieber Himmel", fasst Naruto sein Erstaunen in einfache Worte. Er geht vor, betritt die tote Erde, sieht sich um und sagt: "Hier wird jahrelang nichts mehr wachsen." Eher jahrzehntelang. Es gibt Stellen, da ist der Boden pechschwarz. Im wahrsten Sinne des Wortes tot, als wäre sämtliches Leben einfach verbrannt. Schwarzes Feuer, das alles auffrisst, bevor es erlischt. Naruto deutet auf eine Stelle schräg gegenüber. "Da hinten. Das könnte es sein!" Wir gehen rüber und als wir uns nähern, wird mir klar, dass er Recht hat. Da sind drei schlichte Holzkreuze, drei Gräber. Die Geschichten, die man mir auf meinem Weg hierher erzählt hat, waren teilweise wahre Horrorgeschichten. Die Leichen wären fast bis zur Unkenntlichkeit verbrannt gewesen, sagte man mir. Von einem wäre fast gar nichts mehr übrig gewesen, das man noch hätte begraben können. Sicher wurde die Geschichte bereits verändert und ausgeschmückt, aber grauenvoll finde ich es trotzdem. Wenn Itachi wirklich in einem dieser Gräber liegt… wenn er so sterben musste… Als wir vor den Gräbern stehen, weiß ich auf einmal nicht mehr, was ich hier eigentlich wollte. Wie soll ich denn anhand dreier schlichter Kreuze erkennen, ob Itachi hier liegt oder nicht? Das bringt mir kein Stück Gewissheit. "Und jetzt?", fragt Naruto. "Willst du für ihn beten? Oder auf sein Grab spucken?" "Das ist nicht sein Grab", sage ich automatisch. "Itachi ist nicht tot, das glaube ich nicht." "Wie kommst du darauf? Du hast es doch gehört, was die Leute erzählen. Jemand mit Sharingan Augen hat hier gekämpft. Wie viele Mitglieder hat der Uchiha Clan noch?" "Nur noch zwei", antworte ich. "Aber wer weiß denn, was an den Geschichten wirklich dran ist? Es ist wohl kaum jemand dabei gewesen. Sie haben bloß gesehen, wie er mit den anderen beiden hierher gekommen ist. Vielleicht war es ganz anders." "Du machst dir was vor. Itachi ist tot!" Ich will es nicht wahrhaben. Itachi lebt, ich weiß es. Es ist so, weil es so sein muss. Fast trotzig schüttle ich den Kopf. "Wenn er hier begraben wäre, würde ich doch irgendetwas fühlen, meinst du nicht?" Naruto erwidert achselzuckend: "Du hast ihn doch gehasst, oder nicht? Warum solltest du es merken, wenn er tot ist?" Ich schaue ihn an und sage todernst: "Wenn ich eines sicher weiß, dann dass das nicht sein Grab ist." Er sieht mich an, als hätte ich den Verstand verloren, aber er sagt nichts mehr dazu. Stattdessen murmelt er: "Du wolltest unbedingt herkommen. Soll ich dich alleine lassen?" "Nein." Ich starre die drei Kreuze an. Wirklich, ich fühle gar nichts. Itachi ist hier nicht begraben. Ich glaube, das ganze war nur ein weiterer grausamer Scherz, den er sich mit mir erlaubt hat. Vielleicht hat er die Leute absichtlich in dem Glauben gelassen, er wäre gestorben, nur um mich zu quälen. Vielleicht ist das ja eine Prüfung und er will nur sehen, ob ich an der Nachricht, er wäre gestorben, zugrunde gehen werde oder nicht. Es ist absurd, aber ich stelle mir vor, wie er hinter mir auftaucht und irgendwas Abfälliges zu mir sagt, so wie Dummer kleiner Bruder, hast du wirklich geglaubt, du wirst mich so einfach los? Nein, so einfach werde ich ihn sicher nicht los. Und ich bin froh, dass ich nicht glauben kann, dass er tot ist. Im Grunde weiß ich, dass es mich umbringen würde. Ich kann ohne ihn nicht sein, auch wenn wir die letzten zwei Jahre getrennt waren, war er doch irgendwie immer da, und sei es nur durch den Ring um meinen Hals. Aber ganz ohne ihn, das wäre unerträglich, es wäre… Da ist jemand. Mir wird regelrecht schlecht, als ich merke, dass sich jemand nähert. Das kann nicht wahr sein. Ich habe doch nicht wirklich damit gerechnet, dass… Dann wird mir klar, dass es nicht Itachi ist. Seine Schritte klingen anders, er bewegt sich in einem völlig anderen Rhythmus. Sofort drehe ich mich um, schneller noch als Naruto, und mit den Sharingan sehe den Angriff noch bevor er kommt. "Naruto, pass auf!", schreie ich und schubse ihn zur Seite. Da, wo er eben noch stand, saust etwas auf den Boden und explodiert dort mit solcher Wucht, dass ich fast von den Füßen gerissen werde. Dicht neben mir kommt ein Mensch auf dem Boden auf, bereit für eine weitere Attacke. Vage vertraute Augen fixieren mich und ich bin endlich wieder bei klarem Verstand. Ich ziehe meinerseits mein Schwert. Gerade will ich in Kampfposition gehen, da zuckt beißender Schmerz durch meinen Körper, ausgehend von dem Juin in meinem Nacken. Ich schreie, total überrascht, und weiß gar nicht, wie mir geschieht. Meine Knie geben nach und binnen Sekunden werden die Schmerzen so heftig, dass ich bloß noch schreien kann wie am Spieß. Ich lasse das Schwert los und bin wie fixiert auf die Schmerzen, die überall zu sein scheinen und einfach nur unerträglich sind. "Der zweite hat kein Juin", brüllt jemand. Und: "Tötet sie noch nicht, ich will sie lebend!" Ich will mich aufrichten, die Ursache meiner Schmerzen finden, doch es geht nicht, mein Körper ist wie paralysiert. Naruto ist bei mir, fragt mich, was denn mit mir los ist. Jemand spricht, aber ich verstehe es nicht mehr, weil das Rauschen meines Blutes in meinem Ohr ohrenbetäubend laut geworden ist. Ich kann nicht mehr, die Schmerzen sind so heftig, dass ich kaum atmen kann. Ich kann nicht mal mehr schreien. Jemand sagt etwas, Naruto antwortet. Und dann verliere ich das Bewusstsein. Als ich zu mir komme, sind da gedämpfte Stimmen. Äußerlich lasse ich mir nicht anmerken, dass ich wach bin, ich halte meine Augen geschlossen und meinen Atem gleichmäßig, während meine Sinne langsam aber beständig zurückkehren. Ich liege auf dem Boden. Meine Hände scheinen gefesselt zu sein, aber ohne sie zu bewegen kann ich das nicht mit Sicherheit sagen. Soweit ich das feststellen kann, scheine ich weitestgehend unversehrt zu sein. "Tsunade ist wirklich dämlich. Sie schickt ihre Leute wie Lämmer zur Schlachtbank." "Ausnahmsweise hat das wohl nichts mit Tsunades Dummheit zu tun. Sasuke ist garantiert gekommen, um sich davon zu überzeugen, dass sein Bruder auch wirklich tot ist." "Den Weg hätte er sich sparen können." Dem Satz folgt finsteres Gelächter. "Aber dass wir so viel Glück haben würden, hätte ich nicht gedacht. Der blonde Junge ist der Träger des Fuchsungeheuers." "Sollen wir damit wirklich unsere Zeit vergeuden? Wir haben keine Ahnung, was die Akatsuki mit den Jinchuuriki anstellen wollten. Es könnte Wochen oder sogar Monate dauern, bis wir eine Möglichkeit gefunden haben, uns die Macht des Kyuubi zunutze zu machen. Und bis dahin steht längst eine Armee aus Konoha vor unserer Tür, um ihn zurückzuholen." Einige der Stimmen kommen mir bekannt vor. Kein Wunder, ich kenne doch einige Bewohner dieses Landes. Ich bin sehr erleichtert, als sie über Naruto reden. Es klingt nicht so, als wäre er tot. Solange wir beide leben, besteht noch Hoffnung. "Darüber haben wir schon geredet. Das Risiko ist es wert. Wenn wir die Kraft der Ungeheuer nutzen können, dann kann uns nichts und niemand mehr aufhalten. Das war letzten Endes schließlich auch das Ziel der Akatsuki… bevor sie sich auf so unglückliche Weise mit Itachi zerstritten haben." Wieder lachen sie. Sie sind erstaunlich gut informiert, das muss man ihnen lassen. Ich höre Schritte, jemand nähert sich mir. "Und was machen wir mit ihm?", fragt eine weibliche Stimme und dann werde ich auf den Rücken gedreht. "Wir brauchen ihn nicht. Ich bin sicher, dass einige von uns noch eine Rechnung mit ihm offen haben. Wir werden sehen, wer das Vergnügen haben wird, ihn töten zu dürfen." Der Mann kichert begeistert. "Ich schlage vor, wir schicken Tsunade seinen Kopf. Das wäre ein Geschenk, über das sie sich sicher freuen würde. Die Uchiha Familie macht sowieso nur Ärger." Es macht mir keine Angst, dass sie meinen Tod planen. Soweit wird es nicht kommen, ich werde sie alle töten, bevor sie mir ein Haar krümmen können. Jemand berührt meine Wange und die Frau sagt: "Es ist wirklich schade um ihn. Ich fand schon immer, dass Orochimaru sich mit ihm ein ganz besonders schönes Exemplar ins Haus geholt hat." Jetzt erkenne ich ihre Stimme. "Ich denke, bevor er stirbt, werde ich noch ein bisschen Spaß mit ihm haben." Die Hand gleitet von meiner Wange nach unten über meine Brust und schlüpft dann unter mein Hemd. "Karin. Finger weg." Ich schlage die Augen auf und das erschreckt sie so sehr, dass sie fast umgefallen wäre. Die Hand zieht sie sofort weg. Sie fasst sich an die Brust, atmet tief ein und es dauert einen Moment, bis sie sich von dem Schreck erholt hat. "Sasuke, du bist wach", sagt sie mit gespieltem Erstaunen und rückt sich die Brille zurecht. Ich bin tatsächlich an Händen und Füßen gefesselt und ich liege auf dem Boden eines kleinen, fast leeren Raumes, den ich als eine von Orochimarus Zellen wieder erkenne. Das weckt böse Erinnerungen. Ich bin in Orochimarus Palast, mitten in Otogakure. Scheiße. Hinter Karin erkenne ich eine kleine Gruppe von Oto-Nin, unter ihnen einige vertraute Gesichter. Suigetsu ist auch dabei und jetzt, wo ich ihn sehe, wird mir auch klar, dass ich eben auch seine Stimme gehört habe. Aber er ist nicht derjenige, der hier den Ton angegeben hat, sondern das ist der Blonde neben ihm. Ihn kenne ich auch, aber sein Name will mir nicht mehr einfallen. Er war nie von Interesse für mich und deshalb hielt ich es auch nicht für nötig, mir seinen Namen zu merken. Was ich über ihn weiß, beschränkt sich auf die Information, dass er gewalttätig und unberechenbar ist. Aber dass Karin und Suigetsu sich offenbar im Kreis der neuen Führungsriege befinden, erfüllt mich einen Augenblick lang mit einer gewissen Genugtuung. Die beiden hatte ich für mein Platoon ausgesucht, das ich seit meiner Ankunft in Otogakure im Geiste zusammengestellt hatte. Ich hielt die beiden plus Juugo, der allerdings nicht hier ist, für die Stärksten und brauchbarsten Shinobi hier. Offensichtlich hatte ich Recht. Der Blonde kommt jetzt zu mir und beugt sich mit einem sadistischen Grinsen über mich. "Sasuke. So sieht man sich wieder." "Jetzt komme ich ja doch noch dazu, dich zu töten", antworte ich grimmig. Es wird Zeit, ihn und die anderen in ihre Schranken zu verweisen. Gerade als ich die Sharingan aktivieren will, rast ein irrsinniger Schmerz durch meinen Körper, ausgehend von meiner Schulter. Ich schreie und sinke zurück auf den Boden, krümme mich vor Schmerzen. Schon wieder! Orochimaru ist doch tot, das bedeutet, sie haben einen Weg gefunden, das Juin zu kontrollieren. "Probleme, Sasuke?", fragt er mich. Der Schmerz ebbt ab und ich ringe verzweifelt nach Luft. "Wie praktisch, dass Orochimaru dir ein Juin verpasst hat. Wir haben inzwischen ein bisschen experimentiert." Er hält zwei Finger zu einem simplen Zeichen hoch. Nicht nur, dass sie das Juin kontrollieren können, nein, es ist auch noch so einfach. Gottverdammt. "Wenn du Schwierigkeiten machst, kann ich dir Schmerzen zufügen, dass du dir wünschst, du wärst nie geboren worden." Als ob Schmerzen mich aufhalten würden! Das Problem ist, dass ich mich recht deutlich daran erinnere, was passiert ist, bevor ich das Bewusstsein verloren habe. Bloße Schmerzen könnten mich nicht davon abhalten, jemanden anzugreifen. Aber ich war wie paralysiert, unfähig, irgendetwas zu unternehmen. Langsam wird mir klar, dass ich in größeren Schwierigkeiten bin, als ich anfangs vermutet habe. "Wo ist Naruto?", knurre ich. Er versetzt mir einen schmerzhaften Tritt in die Seite. "Das hat dich nicht zu interessieren." Suigetsu macht einen Schritt auf mich zu und die Ungeduld steht ihm ins Gesicht geschrieben. "Lasst mich ihn einfach töten. Wir brauchen ihn nicht und es juckt mich in den Fingern, wenn ich ihn ansehe." "Verzieh dich!", keift Karin ihn an. "Du entscheidest hier nicht alleine." Er verzieht das Gesicht. "Was findest du an ihm? Er ist weiblicher als du." Wutentbrannt geht Karin auf Suigetsu los und während die anderen versuchen, die zwei zu trennen, überlege ich fieberhaft, wie ich aus der Situation wieder rauskommen kann. Lange werden sie mich nicht am Leben lassen. Keine Ahnung, ob sie wissen, dass es Itachi war, der Orochimaru getötet hat, aber sie wissen sehr genau, wer ich bin. Juin hin oder her, ich stelle eine Gefahr für sie dar, solange ich lebe. Wenn ich hier lebend rauskommen will, muss ich mir was einfallen lassen, und zwar schnell. Wenn ich bloß wüsste, wo Naruto ist. Er hat kein Juin, er dürfte nur schwer unter Kontrolle zu halten sein. Mit etwas Glück unternimmt er noch vor mir etwas, aber darauf werde ich mich nicht verlassen. Während Suigetsu und Karin sich lautstark prügeln, berät die kleine Gruppe sich nochmal. Einige sind dafür, mich auf der Stelle umzubringen. Sieht so aus, als hätten sie gehörigen Respekt vor mir. Aber andere sind dafür, noch zu warten. Itachis Name fällt auch, aber den Rest kann ich nicht verstehen, weil Karin in dem Moment Suigetsu gegen die Wand geknallt hat. Am Ende haben die zwei sich beruhigt und Otogakures kleine Führungsriege hat entschieden, mich noch eine Nacht leben zu lassen und frühestens morgen zu entscheiden, wer das Privileg genießen wird, mich umbringen zu dürfen. Der Blonde wirft mir beim Verlassen der Zelle noch einen finsteren Blick zu. "Ich warne dich, Uchiha. Wenn du Dummheiten machst, bringe ich dich und deinen Kameraden gleich mit um. Verstanden?" Ich antworte nicht, aber damit hat er wohl auch nicht gerechnet. Die Tür wird zugeknallt, von außen verriegelt und dann bin ich allein. Wenn ich hier lebend rauskommen will, muss ich mich beeilen. Und wenn möglich werde ich versuchen, vor meiner Flucht noch jemanden von ihnen zu erwischen und auszufragen. Sie haben über die toten Akatsuki gesprochen. Ich glaube, sie wissen mehr als ich. Vielleicht können sie mir meine Frage beantworten. Es ist ein bisschen seltsam, aber Angst verspüre ich momentan überhaupt keine. Vielleicht ist die Macht mir auch schon zu Kopf gestiegen. Ich glaube immer noch, trotz des Juin, dass ich sie alle auf einmal erledigen kann und werde. Sie haben keine Ahnung, mit wem sie sich angelegt haben. XIII. She'd be pissed if she could see the parts of you that I've been kissing ------------------------------------------------------------------------------ Als die Tür geöffnet wird, habe ich die Stricke um meine Handgelenke und Füße längst gelöst. Sie sind vor nicht einmal einer Stunde gegangen und ich bin schon etwas erstaunt, dass sie so schnell zurückkommen. Vielleicht kann es irgendwer gar nicht erwarten, von mir getötet zu werden. Nein. Eigentlich hätte ich es wissen müssen. Die einzige Person, die so dämlich wäre, sich allein zu mir in die Zelle zu wagen, ist Karin. Keine Ahnung warum, aber ich kann sie nicht ernst nehmen. Sie weiß bestimmt, wie man mein Juin kontrolliert, wenn ich raten müsste, würde ich sagen, sie war es, die herausgefunden hat, wie man es macht. Aber wenn ich sie ansehe, obwohl ich weiß, wie stark sie ist, sehe ich keinen Gegner. Ich sehe nur eine Frau. Die einzige Kunoichi, deren Stärke ich akzeptieren kann, ist Sakura. Karin hätte Teil meines Platoons werden sollen, aber die Aufgabe, die ich ihr zugedacht hatte, war nicht viel mehr als die, Itachi für mich ausfindig zu machen. Anschließend wäre sie bloß noch Kanonenfutter gewesen, um mir entweder die Akatsuki oder die Konoha-Nin vom Hals zu halten. Durch ihre Brille mustert sie mich neugierig. "Du hast dich schon losgemacht. Nicht schlecht." Ist sie lebensmüde, einfach so zu mir zu kommen? Eben waren sie in einer Gruppe. Wen auch immer ich getötet hätte, die anderen hätten das Juin benutzen können, um mich aufzuhalten. Aber einer alleine ist mir schutzlos ausgeliefert. Ich könnte sie umbringen, bevor sie auch nur einen Mucks von sich geben kann. Und dann könnte ich gemütlich hier raus spazieren. Aber anstatt sie anzugreifen, sitze ich einfach da, an die Wand gelehnt, und sehe zu, wie sie zu mir kommt und sich neben mich setzt. Wahrscheinlich werde ich nur eine Chance haben, anzugreifen. Es wäre dumm von mir, ausgerechnet die Schwächste zu erledigen und diejenige, deren Fähigkeiten ich am besten einschätzen kann. Ginge es nur um mich alleine, würde ich nicht zögern, aber ich kann hier nicht einfach so verschwinden. Naruto ist irgendwo hier und es könnte Stunden dauern, ihn in diesem Labyrinth aufzuspüren. Wenn die anderen bis dahin mitbekommen, dass ich frei rumlaufe, werden sie mich auf der Stelle umbringen und dank des Juin könnte ich noch nicht einmal etwas dagegen tun. Nein, wenn ich nur eine Attacke habe, dann benutze ich sie für den Blonden. Er ist der Rädelsführer. Die anderen sind eher Mitläufer, Großmäuler zwar, aber nicht zum Anführer geschaffen. Wenn ich den Blonden erledige, habe ich die größten Chancen, hier lebend rauszukommen. "Karin. Wo ist Naruto?" Sie blinzelt mich verständnislos an. "Wer?" "Der Blonde, der mit mir unterwegs war", antworte ich ungeduldig. "Vergiss ihn. Ich tröste dich." Jetzt wo ich frei und wach bin, hat sie doch zu viel Respekt, sich mir direkt aufzudrängen. Stattdessen rutscht sie sehr vorsichtig an mich heran und legt eine Hand auf meinen Arm, um zu testen, wie ich reagiere. Und ich reagiere überhaupt nicht. Wenn ich an Informationen kommen will, muss ich sie entweder aus ihr raus prügeln, oder aber ausnutzen, dass sie eine Schwäche für mich hat. Ersteres wäre mir weitaus lieber, aber es ist klüger, mich erstmal zurückzuhalten. "Bitte", sage ich eindringlich. "Sag mir, wo er ist und ob es ihm gut geht." Unwillig erwidert sie: "In einer anderen Zelle. Ja, es geht ihm gut. Arashi hat nur dafür gesorgt, dass er uns keine Schwierigkeiten macht." Ach ja, genau. Arashi hieß er, der mordlustige Typ. Während ich versuche, mir ein paar Details über ihn ins Gedächtnis zu rufen, wird Karin etwas mutiger und rückt mir so dicht auf die Pelle, dass ich mir wirklich Mühe geben muss, sie nicht direkt von mir zu stoßen. Sie gebärdet sich, als wollte sie in mich reinkriechen. Bäh. Ihre Hand rutscht unter mein Hemd und streicht genüsslich über meine Brust. Ich muss mich beeilen, sonst bringe ich sie am Ende doch noch um. "Wo genau ist er?" "Denkst du wirklich, du kannst von hier entkommen? Du weißt doch selbst, wie groß der Palast ist. Auch wenn du dich hier gut auskennst, du wirst überall auf Oto-Nin stoßen." Selbst wenn, ich bezweifle, dass jeder schäbige Ninja in diesem Palast weiß, wie er mein Juin gegen mich einsetzen kann. Eine so mächtige Waffe, mit der man beinahe jeden in Orochimarus Reich unterwerfen könnte, haben Arashi und die anderen sicher nicht so bereitwillig weitergegeben. "Dann kannst du mir ja sagen, wo er ist." Sie verzieht das Gesicht. "Du bist so ein Spielverderber. Dein Freund ist einen Gang weiter, dritte Tür links." Sie belohnt sich selbst für diese Antwort, indem sie auf meinen Schoß rutscht. Ich versuche weiterhin, sie zu ignorieren. Eine Antwort habe ich schon, und ich musste dafür kein Blut vergießen. Ausgezeichnet. Ich bemerke kaum, dass Karin einen Kunai in den Händen hält. Wie schon gesagt, ich kann mir nicht vorstellen, dass von ihr eine Bedrohung ausgeht. Sie setzt ihre Brille ab und ich wundere mich über den rötlichen Schimmer um ihre Nasenspitze. Was zum Teufel geht in dieser Frau vor? "Es war ziemlich dumm von euch beiden, herzukommen. Jeder, der nach dem Grab der Akatsuki fragt, macht sich verdächtig." "Ich musste wissen, ob… Karin, was machst du da?" Sie nimmt meinen Kragen, setzt den Kunai an und schneidet das Kleidungsstück mit der Klinge von oben nach unten auf. Langsam fängt sie an, mich zu stören. Sie schiebt die Reste meines Hemds beiseite und betrachtet eingehend meinen bloßen Oberkörper. "Karin?" "Mmmh. Ich bin froh, dass du so dumm warst, herzukommen. Das wollte ich schon lange mal tun." "Was denn?" Die Antwort kriege ich, als sie mit den Fingern über meine Brust streicht und sich dann vorbeugt, um mich zu küssen. Es fällt mir einigermaßen schwer, mich nicht dagegen zu wehren. Aber eine Antwort brauche ich noch von ihr. Sie rückt ein Stück zurück und leckt sich grinsend über die Lippen, mit einem Gesicht, als hätte sie etwas Verbotenes gekostet. "Karin, weißt du etwas über die Gräber? Über die Akatsuki, die gestorben sind?" "Ja." "Sag mir, ob Itachi dabei war. Ob er tot ist." Wie sie mich anfasst, erinnert mich unangenehm an Orochimaru. Sie war definitiv zu lange seine Untergebene. Sie ist ihm so ähnlich, dass mir fast schlecht wird. Erinnerungen an längst vergessene Dinge kommen wieder hoch und ich muss mich jetzt wirklich zusammennehmen. Sie grinst mich an. "Was kriege ich dafür?" "Ich töte dich nicht, wenn ich diesen Ort verlasse", antworte ich grimmig. Die Antwort war selbstverständlich die Falsche. Sie sieht mich nicht mehr an, sondern fährt mit den Fingern an der Kette um meinen Hals entlang, bis sie schließlich den Ring in die Hand nimmt und ihn betrachtet. Ich denke, sie schmollt. Und meint wirklich, ich hätte ein Problem damit, dass sie aufgehört hat, an mir rumzufingern. "Einen schönen Ring hast du da", sagt sie. "Hast du ihn von deiner Freundin?" "Nein." Die Antwort scheint ihr schon besser zu gefallen. Ich nehme ihr den Ring weg, aber das scheint sie nicht groß zu stören. Sie beugt sich runter und fängt irgendwo an meinem Schlüsselbein an, meine bloße Haut zu küssen. Langsam wird es mir wirklich zu bunt. "Karin, was weißt du über Itachi?", frage ich gepresst. Ich versuche, ihre aufdringlichen Hände wegzuschieben. "Wenn du mich fragst, ist er nicht tot." Es tut unfassbar gut, diese Worte zu hören. Sie spricht schnell und ungeduldig, als wollte sie das bloß schnell hinter sich bringen, weil sie wohl denkt, anschließend gehört ihr meine volle Aufmerksamkeit. "Du weißt, was ich kann. Ich hatte kein Interesse daran, ihn aufzuspüren, aber ich weiß, dass er da ist. Ein Chakra wie seines ist unverkennbar. Offenbar wollte er, dass man ihn für tot hält und diese Idioten haben dann auch brav die Kunde von seinem Ableben verbreitet." Er lebt. Ich wusste es. Erleichtert lasse ich den Kopf sinken und merke erst jetzt, wie angespannt ich die ganze Zeit über war. Die Angst, es könnte ihn doch erwischt haben, saß mir wie ein Raubtier im Nacken und ich merke es erst jetzt, wo sie fort ist. Jetzt kann ich Karin meine volle Aufmerksamkeit widmen, die für meinen Geschmack schon entschieden zu weit gegangen ist. Ich packe ihre Oberarme und halte sie so fest, dass sie mir erschrocken in die Augen sieht. "Nimm die Finger von mir", sage ich hart und ich sehe, dass mein kalter Blick sie eingeschüchtert hat. Sie schluckt und erwidert fast trotzig: "Ist ja nicht so, als ob du mich heiraten müsstest. Nur ein bisschen Spaß haben, mehr will ich nicht." "Aber nicht mit mir." Sie will noch mehr Widerworte von sich geben, aber ich füge scharf hinzu: "Ich bin nicht interessiert." Missmutig steigt sie von mir runter und hebt ihre Brille auf. "Na schön, dann eben nicht. Dann seh ich morgen zu, wie du stirbst." Mich überkommt der unbändige Drang, sie zu töten und hier raus zu marschieren, und sei es nur, um das letzte Wort zu haben. Ich weiß jetzt, wo Naruto ist. Nun ja, vorausgesetzt, sie hat die Wahrheit gesagt. Ob ich nun hier warte oder es gleich versuche, macht eigentlich keinen Unterschied. Ich hätte lieber Arashi erledigt, aber man kann es eben nicht ändern. Karin greift nach der Türklinke und dann stehe ich neben ihr. Ich packe ihre Arme und zerre sie nach hinten, damit sie nicht auf die Idee kommt, dieses Fingerzeichen zu machen und mich Höllenqualen erleiden zu lassen. "Sasuke", kreischt sie. "Lass mich-" "Still!" Es ist nur ein Wort, aber sie verstummt augenblicklich, weil sie merkt, wie ernst es mir ist. Wenn sie noch einen Ton von sich gibt, breche ich ihr das Genick. Sie spürt meine Absicht und fängt in meinen Armen an zu zittern. Ich drücke meine Wange an ihren Hals und raune: "Nur ein Wort und es wird dein letztes sein." Sie nickt zittrig. Ich verstehe sie nicht. Sie muss doch gewusst haben, wie gefährlich ich bin. Wieso ist sie hergekommen? Meine Paranoia sagt mir, dass sie noch ein As im Ärmel hat. Aber jetzt bin ich ohnehin schon zu weit gegangen. Weil da irgendwo in mir noch immer eine Hemmschwelle ist, eine Frau zu töten, bleibt sie am Leben. Ich reiße ein Stück Stoff von meinem ohnehin ruinierten Hemd und fessle damit ihre Hände. Das Wichtigste ist, dass sie kein Fingerzeichen mehr machen kann. Aber jeder halbwegs brauchbare Shinobi kann sich in kürzester Zeit aus so einfachen Fesseln befreien, konnte ich ja auch. Mir wird nicht viel Zeit bleiben und ich verfluche meine ehrenhafte Konohaseele, die mich davon abhält, ihr schlicht das Genick zu brechen. Ich drücke sie auf die Pritsche an der Wand und sehe ihr in die Augen. "Du weißt nicht, mit wem du dich angelegt hast." Sie zittert immer noch. "Wenn du schreist, wenn du dich losmachst, wenn du mich angreifst, kostet es dich dein Leben, und wenn es das letzte ist, was ich tue." Sie nickt wieder. "Ich gehe jetzt zu Naruto. Und ich hoffe für dich, dass er dort ist, wo du es gesagt hast." Sie nickt noch einmal und ich gebe mich damit zufrieden. Ich könnte ihr zumindest mit einem gezielten Faustschlag die Lichter ausblasen, damit ich sicher sein kann, dass sie nicht Alarm schlägt. Aber erst muss ich wissen, ob sie die Wahrheit gesagt hat. Ohne sie kann ich Naruto in diesem Labyrinth nicht schnell genug finden. Ich drehe mich um und husche aus der Tür. Immer mehr beschleicht mich das Gefühl, dass das hier viel zu leicht geht. Karin ist doch nicht so dämlich, oder? Ich renne den Gang entlang, alle Sinne zum Zerreißen gespannt. Meine Fingerspitzen fahren dabei über die Wand, ertasten jede Unebenheit und jeden Riss. Nach etwa fünf Metern weiß ich, wo genau ich bin. Als ich noch Orochimarus Schüler war, bin ich oft im Dunkeln durch diese Gänge gewandert, habe mich nur an den Rissen in den Wänden orientiert. Ich tat es eigentlich nur, um meine Sinne zu schärfen, und jetzt stellt sich heraus, dass es mir vielleicht das Leben rettet. Jetzt weiß ich auch, von welchem Zimmer sie gesprochen hat. Hier unten kenne ich mich gut aus, meine Zelle war damals ganz in der Nähe. Ich sause um die Ecke und zähle. Dritte Tür links. Eins… zwei… An der dritten Tür bleibe ich stehen. Meine Hand bewegt sich plötzlich ganz langsam. Ich lege sie auf die Klinke und fühle das kalte Metall unter meinen Fingern. Naruto… Ich drücke die Klinke runter und… Schmerz. Es tut verflucht weh und ich schreie. Das Juin brennt wie Feuer. Es fühlt sich an als würde jemand siedendes Öl anstelle von Blut durch meine Adern jagen. Ich kann nicht mehr aufrecht stehen, ich falle um wie eine Marionette, deren Fäden man durchschnitten hat, liege auf dem Boden und drücke die Hand auf das Symbol, brüllend vor Schmerzen. "Sasuke!", schreit jemand von drinnen. Naruto ist wirklich in dem Raum, ich erkenne seine Stimme. "SASUKE!" Mehr bekomme ich kaum mit. Die Schmerzen scheinen ewig anzudauern, eine unfassbare Folter, die mich lähmt und mir den Verstand raubt. Sie werden mich umbringen. Jetzt sofort, weil ich zu gefährlich bin. Wenn ich aufgebe, wenn ich wieder bewusstlos werde, wache ich nicht mehr auf. Ich halte es nicht mehr aus, ich kann einfach nicht, ich… Ich schließe die Augen und drücke meine Wange auf den kalten Fußboden. Das heftige Trommeln meines Herzens. Meine eigenen, schrillen Schreie. Schmerz. Angst. Folter. Und die Gewissheit, dass ich sterben werde. Und dann… Itachi… Dunkelheit. Ich war nicht lange ohne Bewusstsein und offen gesagt überrascht es mich, dass ich überhaupt noch am Leben bin. Ich kann mich nicht bewegen. Jede Faser meines Körpers tut weh und das ist auch das einzige, was ich noch fühlen kann. Kein Muskel will sich rühren. Letztes Mal habe ich die Konsequenzen dessen, was sie mit mir anstellen, wohl einfach verschlafen. Das Glück habe ich dieses Mal nicht. Jemand hat meinen Arm gepackt und schleift mich daran zurück in meine Zelle. Der Fußboden ist hart und uneben, mein Kopf rummst die ganze Zeit gegen die Dellen. Jemand entzündet eine der Fackeln im Gang. Dann kommen wir in meine Zelle zurück und als erstes höre ich Karin keifen: "Suigetsu, du Bastard! Du hast dir verdammt viel Zeit gelassen! Was, wenn er mich umgebracht hätte?" "Ach was, der doch nicht. Der ist so ein Konoha-Nin." Er sagt das, als wäre es eine Beleidigung. Unzeremoniell lässt er meine Hand los und mein Arm fällt schlaff auf den Boden. "Jetzt mach mich endlich los!" "Wenn du mich nicht hättest, Weib…" "Halt's Maul!" Suigetsu kichert. Ich höre seine schlurfenden Schritte, als er sich mir wieder nähert. "Aber du hast es ja ganz schön weit geschafft", kommentiert er mein zerschnittenes Hemd. "Allerdings wundert es mich nicht wirklich. Wer sich für ein paar Jutsu an Orochimaru verkauft, der hat sicher keine Probleme damit, sich von einer Gestörten befummeln zu lassen für ein paar Antworten." Suigetsu wird sterben, das beschließe ich in diesem Augenblick. "Jetzt haben wir gesehen, was wir uns da ins Haus geholt haben. Ohne das Juin würde er uns alle umbringen, ich werde kein Auge zutun, solange er lebt. Lieber erledige ich ihn gleich und riskiere einen Anschiss von Arashi." Karin scheint keine Einwände mehr zu haben und ich frage mich fast gleichgültig, ob ich wirklich so sterben soll. Suigetsu macht irgendwas an meinem Hals und dann wird es plötzlich still. Ich gebe mir wirklich Mühe, meine Halsmuskeln zu bemühen, damit ich den Kopf drehen und mir ansehen kann, was los ist. Suigetsu hält meinen Ring in der Hand und wirft Karin über die Schulter einen Blick zu. "Was ist?", fragt sie. Er kichert wieder und lässt den Ring fallen. "Lass uns gehen, bevor er sich wieder bewegen kann und uns wirklich noch umbringt." "Ich dachte, du wolltest ihn töten." Er reibt sich die Nase. "Hab mein Schwert nicht dabei." Sie gehen an mir vorbei, ohne mich noch eines Blickes zu würdigen und ich verstehe nicht, warum er plötzlich seine Meinung geändert hat. Vielleicht hat sie ihn ja doch irgendwie davon abgehalten. Wobei mich der Gedanke nicht sonderlich beruhigt. Ich bin so ein Idiot, dass ich in ihre Falle getappt bin. Selbstverständlich ist Karin nicht ganz so blöde, wie ich das vermutet habe. Sie hat Suigetsu mitgebracht, damit er auf sie aufpasst. Besonders gut hat er seine Sache nicht gemacht, weil ich ein Dutzend guter Gelegenheiten hatte, sie umzubringen, aber es hat ausgereicht, um meine erste Chance zur Flucht zu vereiteln. Dann muss ich wohl doch dem ursprünglichen Plan folgen und morgen Arashi beseitigen. Der Gedanke, unter solchen Schmerzen sterben zu müssen, wie Suigetsu sie mir eben zugefügt hat, gefällt mir nicht besonders. Aber was ich wirklich aus tiefster Seele hasse ist das Bild, das ich als letztes vor meinem inneren Auge gesehen habe, bevor bei mir die Lichter ausgingen. Es heißt doch immer, bevor man stirbt, zieht das Leben an einem vorbei. Ich dachte, ich müsste sterben, aber da war nur eins. Das Gesicht meines Bruders, der mich zärtlich anblickte. Irgendwas läuft hier falsch. Wenn mich meine innere Uhr nicht täuscht, dann ist "morgen früh" jetzt längst vergangen. Und keiner kommt um mich zu töten. Ich sitze hier in meiner Zelle, abgeschnitten vom Rest der Welt, und mein knurrender Magen sagt mir, dass es etwa Mittagszeit ist. Wo bleiben sie denn? Irgendwie verunsichert mich die Ungewissheit fast mehr, als würde ein Todeskommando zur Tür hereinmarschieren. Was ist da passiert? In der Stille fallen mir tausend Möglichkeiten ein und keine davon ist sonderlich erfreulich. Vielleicht hat Naruto endlich mal seinen Hintern hochgekriegt und sie waren zu beschäftigt damit, ihn zu bändigen, um sich um mich kümmern zu können. Oder sie haben genau wie ich begriffen, dass ich eine Attacke frei habe und knobeln erst noch darum, wer das arme Opferlamm spielen darf. Okay, das ist etwas weit hergeholt. Aber vielleicht hat Karin auch ein gutes Wort für mich eingelegt. Immerhin hatte ich die Chance, sie zu töten, und habe es nicht getan. Auch das erscheint mir nicht sehr wahrscheinlich, aber dass gar keiner kommt, verunsichert mich. Gelangweilt sitze ich auf meiner Pritsche und warte und warte und warte. Es passiert nichts. Also lege ich mich hin, starre an die Decke und langweile mich noch mehr. Ich könnte natürlich versuchen, die Tür aufzubrechen. Hab ich allerdings letzte Nacht schon versucht, nachdem ich mich wieder bewegen konnte. Wie erwartet war es nicht von Erfolg gekrönt, weil sie mein Chakra konstant niedrig halten und weil alles in diesem Gebäude solide gebaut ist, um selbst die schlimmsten Monster aufzuhalten. Orochimaru wusste schon, was er tut. Bedauerlicherweise. Wenn diese unliebsame Sache auch zu sonst nichts gut ist, bin ich inzwischen jedoch um eine Erkenntnis reicher. Ich habe keine Angst mehr vor dem Tod. Ich weiß, wenn diese Tür sich öffnet, werde ich vermutlich sterben und kann, wenn ich Glück habe, wenigstens noch einen von ihnen mitnehmen, aber es macht mir keine Angst. Das heißt nicht, dass ich sterben will. Aber die Furcht ist fort und das verwirrt mich etwas. Man könnte fast sagen, dass es mir gleichgültig ist, ob ich lebe oder sterbe. Das ist bedauerlich, denn ich habe eine gute Vorstellung davon, was der Grund sein könnte. Ohne ihn ist das Leben öde und leer. Wenn er mir auch immer nur wehgetan hat, richtig lebendig fühlte ich mich nur an seiner Seite. Und das hasse ich wirklich, denn ich will nicht so fühlen. Ich will ohne ihn glücklich sein. Dass ich es nicht bin, heißt nicht, dass ich ihn wiederhaben will. Irgendwie bin ich wie besessen von ihm, aber ihm zu begegnen wünsche ich mir keinesfalls. Itachi ist mein Fluch. Mir wird ziemlich deutlich klar, dass ich weder mit ihm noch ohne ihn glücklich sein kann. Weil ich nicht an ein Leben nach dem Tod glaube, ist die Vorstellung für mich irgendwie tröstlich, dass es vielleicht schon bald vorbei sein wird und ich mich nicht länger mit dieser inneren Zerrissenheit herumplagen muss. Mit einem Laut schrecke ich aus meinem Traum auf und öffne meine Augen. Im ersten Moment bin ich verwirrt, weil alles so seltsam aussieht, bis mir klar wird, dass ich im Schlaf die Sharingan aktiviert habe. Das ist mir selten zuvor passiert. Und ich habe nicht einmal vom Kämpfen geträumt. Nein, sondern… ja, was war es? Ich kann mich an kaum etwas erinnern. Nur daran, dass es bitter kalt war und dass es geschneit hat. Ich hasse Schnee. Wenn die Luft nach Schnee riecht, wenn es Winter wird, macht mich das buchstäblich krank. Es erinnert mich an Dinge, die schön und schrecklich zugleich sind und es frustriert mich, dass es mich im Traum heimsucht. Von meinen üblichen inneren Qualen mal abgesehen frage ich mich so langsam, ob sie mich wohl einfach hier drin verhungern lassen werden. Eigentlich bezweifle ich sehr, dass Suigetsu sich die Chance entgehen lässt, mich umzubringen. Aber es ist nicht normal, dass ich noch gar nichts von ihnen gehört habe. Ich wüsste zu gerne, was da draußen vor sich geht. Kalt wird es auch langsam. Nachdem Karin mein Hemd zerschnitten hat, fange ich nun langsam aber sicher an zu frieren. Mein stummes Gejammer wird jäh unterbrochen, als ich höre, wie draußen der Schlüssel zu meiner Zelle herumgedreht wird. Na endlich. Eigentlich wäre es taktisch günstiger, mich hinter die Tür zu stellen, aber ich bevorzuge es, zu sehen, mit wem ich es zu tun habe. Die Tür geht auf, ich sehe erstmal ein Paar langer Frauenbeine und dann… Verdammt nochmal, nicht schon wieder! brennt das Juin wie ein glühendes Eisen auf meiner Haut und der Schmerz zieht sich von dort durch meinen ganzen Körper. Es sind dieselben Höllenqualen und es geht die selbe Lähmung mit ihnen einher, wie bei den letzten Malen. In meiner Agonie beiße ich mir auf die Zunge und schmecke Blut. Dieses Mal verliere ich nicht das Bewusstsein, weil sie kurz vorher aufhört. Aber im ersten Moment, als der Schmerz nachlässt, kann ich nichts hören, nichts sehen, nichts anderes fühlen. Ich liege auf dem Boden, hilflos, und frage mich, warum es ausgerechnet Karin sein muss. Da wäre es mir wirklich lieber gewesen, Suigetsu hätte mich einfach mit seinem Schwert in Stücke gehauen. Aber was sie mit mir vorhat, bevor sie mich umbringt, will ich gar nicht wissen. Ich war wohl doch etwas länger weggetreten, denn als ich den Kopf wieder zur Seite drehen kann, sehe ich, dass die Tür von innen geschlossen wurde und Karin neben mir kniet. "Entschuldige, aber das ging nicht anders", sagt sie und ihre Entschuldigung ist ebenso geheuchelt wie das Lächeln auf ihren Lippen. "Ich wollte vermeiden, dass du mich nochmal angreifst." "Dann bist du diejenige", das Sprechen fällt mir schwer und ich lisple leicht, "die mich töten soll?" "Nein. Es wurde beschlossen, dass du am Leben bleibst", antwortet sie knapp. Was denn jetzt? Nicht, dass ich enttäuscht wäre, aber es wundert mich ein bisschen. Arashi und Suigetsu waren wirklich scharf darauf, mich umzubringen. "Wie kommt's?", frage ich spöttisch. Allerdings käme ich dabei cooler rüber, wenn Karin mich nicht derweil zur Wand schleifen und dort mit dem Oberkörper anlehnen würde. Und ich muss das mitmachen, weil meine Muskeln noch nicht wieder mitspielen. "Eine so wertvolle Geisel wollten wir nicht einfach töten." Sie lügt. Ich sehe es ihr deutlich an und beginne mich zu fragen, was hier los ist. "Obwohl es witzig gewesen wäre, Tsunade deinen Kopf zu schicken, so wie Suigetsu es vorgeschlagen hat." Sie kichert. Irgendwas ist hier faul und ich werde… Karin packt meinen Arm, zerreißt den Ärmel und zieht einen Kunai. An meinem Unterarm setzt sie die Klinge an. "Was machst du da?", frage ich erschrocken, aber sie lässt sich nicht beirren. Sie ritzt die Haut auf, bis Blut rausquillt, und ich muss hilflos zusehen, wie sie irgendein weißes Pulver auf die Wunde streut und dann mit geübten Bewegungen einmassiert. "Was ist das? Was machst du mit mir?" Sie hält ihren Daumen noch einen Moment auf die kleine Schnittwunde, dann wickelt sie ein Stück Stoff um meinen Arm. "Du wirst jetzt erstmal eine Weile schlafen", antwortet sie sachlich. Und dann sieht sie zu mir auf und grinst. "In etwa einer Stunde komme ich wieder." Ich kann es nicht fassen. Sie hat mich vergiftet. Ich muss zusehen, wie sie aufsteht und die Zelle verlässt und es kostet mich einiges an Kraft, nur den Verband zu lösen. Was immer sie mir gegeben hat, ist jetzt in meinem Blut. Karin ist Expertin auf dem Gebiet, sie wird wissen, was sie tut. Wenn sie mich damit alleine lässt, würde es nichts bringen, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Deshalb spare ich mir die Mühe. Als ich, wie sie es angekündigt hat, furchtbar müde werde, lassen die Nachwirkungen ihrer groben Behandlung gerade nach. Ich befühle meinen Arm, der sich irgendwie taub anfühlt, und beginne mich zu fragen, welche Option mir lieber wäre: erstens dass sie mich vergiftet hat und in einer Stunde zurückkommt, um mir die Kehle durchzuschneiden, oder zweitens dass sie das vorhat, was ich befürchte, und sie in einer Stunde die widerlichsten Erinnerungen an Orochimaru wieder auffrischen wird. Ich denke eigentlich, es ist mir lieber… wenn sie mich… Ich sacke zur Seite und merke kaum noch, wie mein Gesicht auf den Boden prallt. Man kann eigentlich nicht behaupten, dass ich wirklich zu mir komme. Der Raum scheint sich zu drehen. Ich sehe nur sehr verschwommen und obwohl ich mich endlich wieder bewegen kann, wirken meine Bewegungen auf mich doch sehr unkoordiniert, so als wäre ich betrunken. Mühsam richte ich mich auf und sehe mich benommen um. Was ist mit mir los? "Saaasuke…" Ich bin richtig erschrocken, weil ich nämlich überhaupt nicht gemerkt habe, dass Karin neben mir sitzt. Und die Hand, die auf meiner Schulter liegt, habe ich auch nicht bemerkt. "Was hast du mit mir gemacht?" Mein Kopf dreht sich, mir erscheint es, als würde ich ziemlich undeutlich reden. Und ich lisple obendrein. Wieso…? Ach ja, genau. Juin. "Dich nur ein bisschen weniger gefährlich gemacht." Sie drückt mich rabiat gegen die Wand und setzt sich auf meinen Schoß. Oh, déjà vu. "Du hast es ganz schön eilig, was?" Achselzuckend erwidert sie: "Die Wirkung hält nicht lange an." Und fügt grinsend hinzu: "Aber keine Sorge, wenn die Wirkung nachlässt, wirst du nicht mehr aufhören wollen." "Wollen wir wetten?" Der verbale Austausch wirkt eigentlich ganz harmlos, aber mir ist es bitter ernst. Ich will das hier nicht. Selbst durch die Benommenheit hindurch fühle ich ganz deutlich, vielleicht sogar noch deutlicher als mit klarem Verstand, dass ihre Berührungen mich anekeln. Ich musste in meinem Leben schon so viele Dinge hilflos hinnehmen, auch wenn sie eine Frau ist, es ist nicht richtig, dass sie mich befummelt. Orochimarus Bild taucht klar vor meinem inneren Auge auf. Karin küsst mich, zuerst auf den Mund, dann meinen Hals, und zwischendurch seufzt sie: "Ich wusste es doch… du riechst so gut…" "Lass mich", sage ich matt und versuche, sie wegzuschieben. Wieso bin ich so benebelt im Kopf? Ich sollte sie mit viel mehr Entschlossenheit von mir stoßen, damit ihr klar wird, dass ich weniger Interesse an ihr habe als an der Wand hinter mir, aber irgendwie geht es nicht. Alles, was ich sage, kommt so lasch und unartikuliert rüber. Das Zimmer dreht sich. Ich starre an Karin vorbei an die Tür, die ständig zu wabern scheint. Was auch immer sie mir da verabreicht hat, die Wirkung kann sich sehen lassen. Und dass ich wach bin – befummeln hätte sie mich auch im Schlaf können – heißt, dass sie noch einiges mehr mit mir vor hat. Da wird sie Pech haben. Wach oder nicht, sie ekelt mich allenfalls an. Da kann überhaupt nichts laufen. Sie zieht sich ihr Oberteil aus und ihre Brüste versperren mir die Sicht auf die Tür. Es ist ja nicht so dass sie hässlich ist oder so. Sie hat eine gute Figur, keine Frage. Aber sie ist einfach nicht… Vielleicht, wenn ich ihr das sage… "Du bist für mich einfach uninteressant", sage ich und es gelingt mir, die Worte einigermaßen klar auszusprechen. "Geh. Lass mich." Aber sie ignoriert meine Worte und rückt ein Stück nach hinten. Während sie die Zunge in meinen Bauchnabel schiebt – alles, was mit der Zunge gemacht wird ist mir per se ein Gräuel – öffnet sie meine Hose. Ich lege die Hände auf ihren Kopf, um sich wegzuschieben. "Nicht…" Sie sieht zu mir auf, grinst und reibt mit der Handfläche an mir herum. "Ich bin gut", sagt sie selbstsicher, "bei mir werden alle schwach." Sie beugt den Kopf wieder runter, zieht meine Hose auf und schlüpft mit einer Hand in die kurzen, schwarzen Shorts, die ich darunter trage. Jetzt sieht sie wieder zu mir hoch und in ihrem Gesicht spiegelt sich Erstaunen. "Aber… du…" Vielleicht begreift sie es ja jetzt, wo sie mir im Schritt rumfingert, dass da nichts laufen wird. Bei mir regt sich nämlich rein gar nichts. Und dass das nicht an der Droge liegt, dürfte ihr klar sein. Sie hat mir garantiert etwas gegeben, dass der Libido nicht abträglich ist. Dieses dumme Miststück. Hass auf sie wallt in mir auf, sie soll endlich aufhören, mich zu begrabschen. "Hast du's jetzt kapiert?" Täusche ich mich, oder war der Satz etwas deutlicher als die vorhergehenden? "Wieso…" "Nimm die Hand aus meiner Hose." Dem kommt sie dann auch endlich nach und sie wirkt regelrecht fassungslos. Sollte ich wirklich der Erste sein, der ihren "Reizen" nicht erliegt? Der Schock weicht ziemlich schnell aus ihrem Gesicht und sie kommt mir schon wieder bedenklich nahe. "Ich kann für dich alles sein, was du willst. Du musst es mir nur sagen." Sie benutzt ein einfaches Jutsu und verwandelt sich in eine Andere. Nun hat sie blonde, lange Haare, aber die Frau, in die sie sich verwandelt hat, kenne ich nicht. Auf jeden Fall hat sie nicht kapiert, was Sache ist. Ich sehe sie desinteressiert an und sage nur: "Lass es bleiben." "Bist du schwul?!" Als könne sie nicht glauben, dass jemand wie ich nichts mit Frauen anfangen kann. Ich lasse mich nicht dazu herab, ihr zu antworten. Aber die Antwort wäre wohl ja. Itachi ist der Einzige, ist er, war er, wird er immer sein, aber dennoch… müsste ich mich entscheiden… Vielleicht hat sie die Antwort in meinen Augen gelesen, vielleicht rät sie auch nur wild in der Gegend herum, aber als sie sich dieses Mal verwandelt, stockt mir der Atem. Die Augen meines Bruders blicken mich begehrlich an und ich weiß plötzlich nicht mehr, ob ich wirklich noch bei Verstand bin. Das ist eine Illusion, nichts weiter, und dennoch… Sie grinst und trifft dabei beinahe das Grinsen meines Bruders. "Eigentlich hätte ich es wissen müssen." Sie küsst mich und dieses Mal leiste ich keinen Widerstand. Es ist nicht real, ich weiß, ich weiß. Aber, oh, es fühlt sich so real an. Als wäre er wieder da. Und dieser Itachi wird mich nicht verletzen, nicht verlassen, eben weil er nicht echt ist. Mein Herz schmerzt, ich habe das Gefühl, gleich weinen zu müssen. Erst jetzt wird mir klar, wie sehr er mir eigentlich gefehlt hat. Oh, Itachi… Itachi, Itachi, bitte… bitte… "Entspann dich, Sasuke. Es wird alles gut." Die vertraute Stimme, die mich einlullt, deren bloßer Klang mich dazu bringt, zu gehorchen, mich zu unterwerfen, mich selbst zu verlieren… "Schließ die Augen." Ich tue, was er mir sagt, so wie immer. Ich schließe meine Augen und habe das Gefühl, rückwärts in die Finsternis zu fallen. Ich spüre seine Lippen auf meinen, vertraut und doch anders, Hände auf meinem Körper, Finger, die streicheln, greifen, zwicken, und einen schwerer Körper, an meinen gedrückt. "Itachi", flüstere ich erschöpft. Ich bin so furchtbar müde. "Verlass mich nicht." "Ich werde dich nie verlassen. Ich liebe dich." Jetzt weine ich wirklich beinahe, auch wenn ich nicht genau weiß, wieso. Ich öffne meine Augen, packe Karin bei den Schultern. "Was ist los?", fragt sie. "Hör damit auf." Ich weine nicht, nein. Ich habe nur Tränen in den Augen. Wenn sie nicht fallen, weine ich auch nicht. "Warum? Das wünschst du dir doch." "Es ist nicht echt." Itachi würde so etwas niemals sagen. In einer Rauchwolke verwandelt sie sich zurück und sie sich wirklich wütend aus. "Dir ist wirklich nicht beizukommen", sagt sie verbittert und schickt sich an, mich ein weiteres Mal zu küssen. Ich höre ein eigenartiges Geräusch und kann es zuerst nicht zuordnen. Es ist mir vertraut, aber erst, als Karin erschrocken zusammenzuckt und entgeistert zur Tür starrt, folge ich ihrem Blick. Jemand kommt in die Zelle und seine Augen leuchten blutrot. Mir wird das alles zu viel, ich habe das Gefühl, nicht mehr atmen zu können. Itachi ist hier. XIV. I said I love you and I swear I still do --------------------------------------------- Itachi ist hier. Er steht bei mir in der Zelle. So habe ich mir unser Wiedersehen nicht vorgestellt. Er ist plötzlich einfach dagewesen, mein benebelter Verstand hat sein Auftauchen kaum registriert. Ich frage mich, ob das nicht einfach ein Traum ist oder eine weitere Halluzination, die Karin für mich inszeniert. In meinem Zustand könnte ich es nicht unterscheiden. Itachi mustert uns beide mit eisigem Blick und dann huscht eine vage Emotion über sein Gesicht. Wut. Ich sehe an mir runter und frage mich, wie das wohl aussehen mag. Ich, halb nackt und kaum in der Lage, meinen Blick auf ihn zu fokussieren und Karin auf meinem Schoß, die plötzlich sehr hektisch nach ihrem Oberteil sucht. Sie springt geradezu von mir runter, drückt sich neben mir an die Wand, rückt ihre Brille zurecht und sagt zittrig: "Das ging schnell, Itachi-san." Es wirkt, als habe sie mit seinem Auftauchen gerechnet. Nun, was ihn anbelangt, kann mich gar nichts mehr überraschen. Er ist jetzt hier. Ich nehme das mit erstaunlicher Gelassenheit hin. Er macht ein paar Schritte auf Karin zu, die Bewegungen sind zu schnell für mein momentanes Fassungsvermögen, ich sehe bloß, dass sie auf einmal nicht mehr neben mir sitzt und höre Itachis zornige Stimme: "Was hast du mit ihm gemacht?" "Gar nichts! Ich hab nur…" "Nur was?" Sie murmelt etwas, das ich leider nicht verstehen kann. Ah, von hier aus sieht es aus, als würden Itachis Beine unter Wasser stehen, weil die Konturen so wabern. Karin gibt einen erschrockenen Laut von sich. Ich sehe hoch zu Itachi, sehe seine Augen und noch bevor Karin tief Luft holt und dann aus voller Kraft losschreit, weiß ich, was er mit ihr macht. Ihre Schreie sind ohrenbetäubend und ich wüsste gerne, welches Horrorszenario er sich für sie ausgedacht hat. Die Mangekyou Sharingan verletzen nicht körperlich, aber sie sind eine grauenhaft effiziente Waffe für seelische Folter. Noch jemand kommt in den Raum und ich höre Suigetsu dazwischenfunken: "Itachi-san, lass sie los. Ohne sie wäre er schon tot." Tatsächlich lässt er sie los und sie fällt neben mir auf den Boden. Ich höre sie schluchzen. Mitleid kann ich keines haben, aber ich weiß, wie es ihr gerade ergeht. Sie hat es auch nicht besser verdient, das Miststück. Immerhin hätte sie beinahe sonst was mit mir angestellt. Und sie hat mich vergiftet. "Raus hier, alle beide", sagt Itachi und seine Stimme knallt wie ein Peitschenhieb über meinen Kopf hinweg. Suigetsu hebt Karin vom Boden auf und zerrt sie aus der Zelle. Ich muss fast lachen. Wenn Itachi ansagt, springen sie alle. Meine Güte, wie lächerlich. Und dabei denke ich, dass ich… dass ich längst… Er taucht in meinem Gesichtsfeld auf und die Sharingan sind ein lange vermisster Anblick. Ich bin wirklich gut. Ich wusste ja, dass er lebt. Er sagt etwas zu mir und ich runzle benommen die Stirn in einem Versuch, mich auf seine Worte zu konzentrieren. Ich will bloß schlafen. Unbarmherzig schlägt er mir mit der flachen Hand ins Gesicht. Der brennende Schmerz macht meinen Kopf etwas klarer. Es folgt noch eine zweite, noch festere Ohrfeige und ich komme so einigermaßen zu mir. "Verdammt, lass das", belle ich ihn an. Ich merke jetzt, dass er mich beim Oberarm gepackt hat, und schlage seine Hand beiseite. Ich werde Karin umbringen. Gerade jetzt sollte ich bei klarem Verstand sein und dieses Miststück hat dafür gesorgt, dass ich Itachis Auftauchen wie im Drogenrausch erlebe. Ich beiße mir auf die Unterlippe. Schmerz lässt mich klarer werden, das hat er zielsicher erfasst. Verdammter Bastard. Jetzt, wo ich wieder einigermaßen bei mir bin, sehe ich in seine Augen und versuche, mir begreiflich zu machen, dass er hier ist. Dass er lebt. Es ist ganz eigenartig. Dieselbe Taubheit hat von mir Besitz ergriffen, die mich schon nicht an seinen Tod glauben ließ. Jetzt ist er da, offenkundig sehr lebendig (was auch immer man bei ihm "lebendig" nennen will), und irgendwie will ich es auch nicht recht glauben. Eigentlich dachte ich, wenn ich ihn wieder sehe, dann knallt's, so oder so. Entweder ich werfe mich in seine Arme oder ich greife ihn an. Aber nichts dergleichen. Wie ich ihn so ansehe, fühle ich in mir drin nur Kälte und eine gewisse Art von Genugtuung. Ich wusste es. Ich wusste, dass er nicht tot ist. Und irgendwo habe ich auch gewusst, dass er kommen und nachsehen würde, ob es mir gut geht. Wieso fühle ich nichts? In den letzten zwei Jahren habe ich mir unser Wiedersehen so oft ausgemalt – und ja, ich wusste, es würde eines geben – und jetzt, wo der Zeitpunkt gekommen ist, fühlt es sich an, als würde mein Herz Eis anstatt Blut durch meine Adern pumpen. "Steh auf, Sasuke. Wir gehen." Die eisige Stimme ist so vertraut, ebenso sein Befehlston. Ich versuche, mich in die Höhe zu stemmen, was sich allerdings als recht schwierig erweist. Schließlich wird er ungeduldig, er packt mich, zerrt mich grob in die Höhe, wirft mich gegen die Wand und sagt düster: "Mit dir hat man nichts als Ärger." Für seine Verhältnisse ist er erstaunlich aufgebracht. Was hat ihm wohl den Tag versaut? Dass er sich meinetwegen hierher bemühen musste? Oder dass er mich mit einer halbnackten Frau auf meinem Schoß vorfand? Seine miese Laune stimmt mich fast schon unnatürlich heiter. Ich erwidere seinen Blick und die letzten beiden Paar Sharingan fixieren einander. Ich weiß, dass er es ist. Aber ich habe sie aktiviert, um auch ganz sicherzugehen. Nicht, dass ich in meiner Verfassung einer Illusion auf den Leim gehe. Seine Gestalt flackert nicht, ich sehe die vertraute Farbe seines Chakras. Ein tiefdunkles Weinrot, ähnlich der Farbe von geronnenem Blut, mit einem leichten Stich ins Violette. Sie könnten die Sharingan vielleicht mit einer Illusion täuschen, aber die Farbe seiner Aura könnten sie nicht fälschen. Niemand außer mir kann sie so sehen. Er dreht sich um und ich folge ihm aus der Zelle, während meine Finger sehr ungeschickt versuchen, meine Hose zuzumachen. Draußen steht fast die gesamte Führungsriege Otogakures, seelenruhig, als würden sie Spalier stehen, während ich in aller Ruhe hier raus marschiere. Ich hatte natürlich angenommen, Itachi hätte auf seinem Weg bis hierher, vor meine Zellentür, eine blutige Spur der Vernichtung hinterlassen. Wie es aussieht, habe ich mich da verschätzt. Sogar Arashi beobachtet uns gleichgültig. Was ist denn hier los? Wenn mein Kopf doch nicht so dröhnen würde, vielleicht fiele mir ein, was hier nicht stimmt. Itachi geht wortlos nach links, wo, irgendwo am Ende des Ganges, eine Treppe nach oben führt, wie ich weiß, aber ich bleibe stehen. "Das ist die falsche Richtung", sage ich laut. "Naruto ist noch hier. Ich muss ihn holen." Ich stütze mich unauffällig an der Wand ab, weil ich mich immer noch leicht benommen fühle. Mein Bruder dreht sich zu mir um. "Nein. Ich bin nur deinetwegen hier." Eigentlich hätte ich es wissen müssen. Itachi hat nur nach mir verlangt. Meinen besten Freund zu retten war nie vorgesehen. Ich sehe Itachi direkt in die Augen und sage: "Ohne ihn gehe ich nicht." Itachi macht wieder einen Schritt auf mich zu. Inzwischen sind wir annähernd gleich groß aber sein Blick ist grausam und einschüchternd und ich fühle mich auf einmal wieder wie das Kind, das ihm kaum bis zum Bauchnabel reicht. "Es ist nicht so, als ob du eine Wahl hättest", sagt er kalt. Sein Ton lässt nicht den geringsten Zweifel, dass er mich auch gegen meinen Willen hier raus schleppen wird. "Was kümmert es dich, ob ich ihn mitnehme oder nicht?", frage ich und spüre, wie Wut in mir aufsteigt. Naruto ist nicht irgendwer, nicht bloß ein Kamerad oder ein Teammitglied. "Ohne ihn kann ich nicht gehen! Ich trage ihn, wenn er nicht selber gehen kann, du brauchst nichts zu tun!" "Das schaffst du in deinem Zustand nicht." Sein Blick ist gnadenlos. Naruto interessiert ihn kein Bisschen und mein Wunsch genauso wenig. "Das ist die letzte Warnung, Sasuke. Entweder du kommst freiwillig, oder ich nehme dich einfach mit." Was werden sie mit Naruto anstellen? Ich kann ihn nicht hier lassen, ich kann einfach nicht. "Er ist meine Familie", sage ich laut. "Du schuldest es mir! Du bist es mir verdammt nochmal schuldig, dafür zu sorgen, dass ich meine Familie nicht noch einmal verliere!" Etwas in seinen Augen verändert sich. Vielleicht habe ich ein einziges Mal das Richtige gesagt. Arashi merkt es auch und jetzt sieht er nicht mehr so gelassen aus. "Itachi-san!", ruft er. "So war das nicht ausgemacht!" Ausgemacht?! Mein Bruder tut so, als wäre Arashi gar nicht vorhanden. Immer noch sieht er mich an und er sagt: "Im Leben ist nichts umsonst, Sasuke." "Ich weiß!", sage ich aufgebracht. Von ihm ist nichts umsonst, ja, das habe ich gelernt. "Und ganz egal, was du willst, ich tue es, wenn du mir hilfst, Naruto heil aus dieser Sache rauszuholen." Es fühlt sich an, als wäre ich gerade dabei, meine Seele dem Teufel zu verkaufen. "Was willst du als Gegenleistung?" "Das sage ich dir später." Vielleicht ist es auch besser, wenn ich es nicht weiß. So oder so hätte ich keine Wahl. Naruto zurückzulassen kommt nicht in Frage. "Ich werde tun, was immer du willst. Ich gebe dir mein Wort." "Einverstanden." Augenblicklich wendet Itachi den Kopf zu Arashi. "Wo ist Naruto-kun?" "Du bist gekommen um ihn", Arashi deutet wutentbrannt auf mich, "zu holen! Der andere bleibt, hast du gesagt!" Fassungslos sehe ich Itachi an. Was wird denn hier gespielt? "Der Plan hat sich geändert", antwortet Itachi. "Ich brauche den anderen auch. Überlasst mir Naruto-kun." Während die zwei einander anstarren, bin ich mir noch nicht ganz darüber im Klaren, was ich von dieser Sache halten soll. Was ist hier los? Irgendetwas Wichtiges ist mir entgangen und so sehr ich mir auch den Kopf darüber zerbreche, mir will nicht einfallen, was es ist. Mir kommt sogar der Gedanke, dass Itachi hinter dieser ganzen Sache stecken könnte, von Anfang an, bloß um mich mal wieder zu quälen. Aber das ist nicht sein Stil. Wenn er mir was tun wollte, könnte er mich einfach mitnehmen. Und wenn er etwas von mir will, kann er es sich einfach nehmen. Was also habe ich übersehen? Augenscheinlich hat Arashi verstanden, dass er gegen Itachi nicht ankommt. "Folgt mir", sagt er und er führt uns den Gang entlang. Itachi sagt kein Wort und mir sitzt auf einmal ein Kloß im Hals. In welchem Zustand werde ich Naruto vorfinden? Was, wenn sie ihn getötet haben? Wenn sie ihn verstümmelt haben? Was, wenn wir zu spät kommen? Arashi schließt die Tür auf und deutet missmutig hinein. "Nehmt ihn euch! Und dann verzieht euch, alle drei!" Sicher gibt es nicht viele, die es wagen würden, so mit Itachi zu reden. Es erstaunt mich, dass er gar nicht darauf reagiert. Dann verschwindet jeder andere Gedanke aus meinem Kopf, als ich durch die Tür trete. Es ist bloß eine Zelle, genau wie meine. Irgendwie hatte ich mir die schlimmsten Folterwerkzeuge ausgemalt, aber hier gibt es gar nichts. Es ist dunkel. Und in einer Ecke sitzt Naruto. Seine blauen Augen sehen mich ungläubig an und ich falle bei ihm auf die Knie. "Naruto", sage ich fest. "Wir verschwinden von hier." "Wie hast du das…" Mitten im Satz hält er inne. Weil nämlich Itachi den Raum betritt. "Keine Sorge", sage ich ruhig. "Bist du verletzt? Kannst du aufstehen?" "Ja…" Ungelenk kämpft er sich auf die Füße. Er wirkt angeschlagen, genau wie ich, aber das ist ja auch kein Wunder. Wer weiß, was genau Arashi gemacht hat, um ihn ruhig zu stellen. "Sasuke, was ist hier los? Warum ist er hier?", fragt er mich. Mir schwirrt der Kopf, für seine Fragen habe ich ganz sicher jetzt keine Nerven. Davon mal abgesehen habe ich auch keine Antworten. "Nicht jetzt", sage ich mühsam. "Lass uns einfach gehen. Er bringt uns hier raus." Ich sehe mich um und mein Blick fällt auf Arashi, der mich hasserfüllt anstarrt. Wenn ich könnte, wenn ich damit nicht doch noch einen Krieg mit den Oto-Nin riskieren würde, würde ich ihn auf der Stelle töten. Mein Blick fällt auf das Schwert, das er auf dem Rücken trägt. Mein Schwert. Ich gehe zu ihm und verlange: "Gib mir mein Katana." Eigentlich rechne ich mit Widerstand, aber wortlos übergibt er mir meine Waffe. Knurrend nehme ich sie an mich und gehe an ihm vorbei, verlasse gemeinsam mit Naruto die Zelle. Itachi geht vor und wie schon so oft zuvor überlasse ich ihm die Führung und lasse ihn den Weg wählen, obwohl ich mich hier drin sehr viel besser auskenne als er. Es tut gut, sich einmal nicht den Kopf zerbrechen zu müssen, sondern einfach nur ihm nachzulaufen. Als wir draußen sind, bin ich nur einen Moment lang erleichtert. Wir sind immer noch in Otogakure. Mitten im Feindesland. Naruto und ich sind beide angeschlagen. So werden wir nicht weit kommen. Bevor ich mir dazu etwas einfallen lassen kann, dreht Itachi sich zu uns um. "Ich bringe euch zur Grenze", sagt er. "Ich brauche deine Hilfe nicht", gebe ich trotzig zurück. Ich habe ihn machen lassen, aber das hat jetzt lange genug angedauert. Ich muss die Kontrolle zurückgewinnen, sonst… "Doch die brauchst du." Er wirft mir einen kalten Blick zu und ich fühle mich schlecht. So, als wäre ich immer noch der Schwächling, der seiner Aufmerksamkeit nicht würdig ist. Das Schlimme ist, dass er Recht hat. Durch das Juin bin ich nochmal verwundbarer, die Chancen stünden gut, dass uns jemand abfangen würde. "Wir beeilen uns besser", sagt er in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldet. "Kommt." Und dann rennt er los. Also laufe ich hinter ihm her und Naruto ebenfalls. Itachi ist schnell. Nach ein paar Minuten pendelt er sich auf ein Tempo ein, das uns gerade noch gerecht wird. Ich könnte noch schneller, Naruto aber nicht. Geschwindigkeit war nie seine Stärke. Itachi ist stets ein paar Meter vor uns, gibt die Richtung an. Ich beobachte ihn ganz genau, jede Bewegung, jedes Mal, wenn seine Füße auf dem Boden aufkommen. Etwas ist ungewöhnlich, aber ich kann nicht sagen, was es ist. Es scheint, als würde er sich auf eine völlig andere Art bewegen als ich. Intuitiver. Wir kommen schnell voran und kommen in der Eile nicht dazu, auch nur ein Wort miteinander zu wechseln. In der Stille der Geschwindigkeit, während die Bäume an mir vorbeizischen und unter mir der Boden verschwimmt, bin ich allein mit meinen Gedanken und ich frage mich, was jetzt werden wird. Itachi ist wieder da. Wenn er irgendwas versucht, dann bringe ich ihn um, ich schwöre es. Er soll es nicht wagen, mich nochmal zu verletzen. Aber ich habe solche Angst, dass es bloß ein oberflächlicher Entschluss ist. Dass ich schwach werde. So gerne würde ich jetzt mit Naruto reden, würde gerne eine vertraute Stimme hören, die mir sagt, dass ich Menschen habe, die mir Rückhalt geben. Aber ich habe Angst, dass ich jetzt etwas Falsches sage, wenn ich anfange, zu reden. Ich bin nicht klar im Kopf und Itachis Anwesenheit hat mir den Rest gegeben. Wenn Naruto erfahren sollte, was wirklich passiert ist, was wird er dann von mir denken? Nach einer Weile habe ich für solche Gedanken keine Zeit mehr. Mit jedem Schritt verlässt mich meine Kraft ein bisschen mehr. Ich werde es niemals schaffen, bis zur Grenze zu kommen. Aber ich muss, denn ich weiß nicht, was Itachi tun wird, wenn ich vorher schlappmache. Also konzentriere ich mich nur noch auf das Laufen, auf das Tempo, das mir zu viel wird, auf jeden einzelnen Schritt, zwinge meinem Körper die Geschwindigkeit auf und versuche, nicht an die Erschöpfung zu denken. So gerne würde ich mich einfach fallen lassen und schlafen… und am besten nie mehr aufwachen. Dann müsste ich mich nicht der Tatsache stellen, dass nicht ich es war, der uns befreit hat. Sondern dass ich Itachi jetzt etwas schuldig bin. Der Weg bis zur Grenze zieht sich endlos hin. Wie ich es schaffe, weiß ich nicht. Am Ende halte ich meinen Körper nur noch durch pure Willenskraft aufrecht. Aber als ich das Rauschen des Flusses höre, wird mir klar, dass wir es geschafft haben. Nur noch über den Fluss, dann sind wir wieder zu Hause. Ich kratze meine letzten Reserven zusammen, um über das Wasser zu laufen und auf der anderen Seite lasse mich einfach ins Gras fallen. Naruto kniet bei mir nieder. "Was ist denn los, Sasuke? Steh auf, wir müssen wenigstens bis ins nächste Dorf." "Ich kann nicht mehr." "Es ist nicht mehr weit." "Es geht nicht. Karin hat mich vergiftet. Ich weiß nicht, was sie…" Ich verstumme, als Itachi in meinem Blickfeld auftaucht. Seine Augen scheinen mir irgendwas sagen zu wollen, aber wenn, dann kann ich es nicht verstehen. Er nimmt den Blick von mir und sagt zu Naruto: "Dann geh und hol jemanden, der sich um ihn kümmern kann. Das nächste Dorf ist nicht weit. Geh nach Westen." Nackte Angst ergreift von mir Besitz, als er das sagt. Das ist völlig untypisch für Itachi. Er löst Probleme selbst. Er würde nie einen anderen schicken. Er würde selbst gehen, nein, viel eher würde er mich packen, über die Schulter werfen und zu diesem Dorf gehen. Er schickt Naruto weg. Damit er mit mir alleine ist. Ich kriege keine Luft mehr. Naruto darf mich auf keinen Fall mit Itachi alleine lassen! "Dann lass uns einfach hier", keuche ich Itachi an. In meiner Verzweiflung versuche ich mich wieder auf die Füße zu kämpfen. Da sterbe ich lieber beim Laufen als hier mit ihm zurückzubleiben. Aber es endet damit, dass ich Naruto in die Arme falle und schlussendlich doch wieder nach Luft ringend am Boden liege. Was hat Karin mir da bloß gegeben? Sie sagte doch, es würde bald nachlassen. Stattdessen habe ich das Gefühl, es wird nur noch schlimmer. Vielleicht hätte ich mich nicht so anstrengen dürfen. Weiß der Teufel, was das Mittel in so einem Fall anrichtet. Mein Bruder wirft mir einen vielsagenden Blick zu und jetzt weiß ich auf einmal, was er vorhin sagen wollte. Er will mit mir allein sein, das ist jetzt gerade sein ultimatives Ziel und davon wird ihn nichts und niemand abbringen. Er kriegt immer, was er sich in den Kopf gesetzt hat und ich bin momentan nicht in der Lage, diese Tatsache eigenhändig zu ändern. Ich weiß nicht, was in seinem Kopf vorgeht. Aber Naruto ist das Hindernis, das zwischen ihm und seinem Wunsch steht. Wenn Naruto nicht geht, wird Itachi dafür sorgen, dass er verschwindet, so oder so. "Sasuke hat Recht", meint Naruto jetzt. "Ich kümmere mich schon um ihn. Ich lasse ihn jedenfalls nicht hier mit dir alleine." Ich sehe, wie Itachis Finger unter dem schwarzen Mantel, den er jetzt anstelle des Akatsuki Outfits trägt, nach einer Waffe tasten. Panisch stemme ich mich auf die Ellbogen und sage zu Naruto: "Nein, geh ruhig. Hol Hilfe, bitte. Je schneller, desto besser. Aber geh." "Nein! Ich kann dich tragen! So schwer bist du nicht." "Naruto, bitte!" Seine blauen Augen blicken mich verwirrt an. Er kann sich meinen Sinneswandel nicht erklären und überlegt wahrscheinlich grade, ob ihm eine gute Erklärung dazu einfällt. Gott, Naruto, ich bitte dich, verschwinde, bevor Itachi dich tötet! Und dann fragt er zögernd: "Bist du sicher? Kann ich dich mit ihm alleine lassen?" "Ja. Ich bin sicher, geh einfach. Und beeil dich. Es geht mir nicht gut." Das ist nicht die Wahrheit. Eigentlich bin ich nur erschöpft und sobald Karins verdammtes Gift endlich nachlässt, werde ich keinen Arzt mehr brauchen. Aber es ist besser, wenn er einen Antrieb hat, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden. Weg aus Itachis Reichweite. Bevor mein Alptraum sich bewahrheitet und mein Bruder mir noch einmal meine Familie wegnimmt. Naruto sieht mich fragend an, sucht in meinem Gesicht nach einem Hinweis auf den Grund für mein absonderliches Verhalten, scheint aber nichts zu finden. Er wird nicht gehen. Naruto weiß nicht, was ich noch mit Itachi zu schaffen habe, aber er weiß sehr wohl, dass es stets mein Bruder war, der mich zu meinen dümmsten Taten verleitet hat. Ich sehe ihm in die Augen und ich hoffe, dass er begreift, wie ernst es mir ist. "Vertrau mir, Naruto. Geh." Und er geht tatsächlich. Er sieht unglücklich über diese Entscheidung aus, aber er dreht sich um und rennt los. Ich bin unheimlich erleichtert und lasse mich zurück ins Gras sinken. Itachi setzt sich neben mich. Lange dauert die Erleichterung nicht an. Er verschwendet keine Zeit und fragt mich: "Bist du eigentlich von allen guten Geistern verlassen, Sasuke?" "Worauf genau spielst du an?", erkundige ich mich müde. "Wieso warst du in Otogakure? Hast du Todessehnsucht?" "Kannst du dir das nicht denken?" Ich starre immer noch in den blauen Himmel über uns. Ich will ihn nicht ansehen, aus Angst, sein Anblick könnte mich an Dinge erinnern, die ich getan habe. "Ich war an deinem Grab, weißt du?" Als er antwortet, klingt er wütend: "Hast du wirklich geglaubt, ich wäre so ein Idiot, mich von den Akatsuki umbringen zu lassen?" "Nein. Aber ich konnte die Möglichkeit nicht ganz ausschließen. Immerhin hätte es zu dir gepasst, einfach wegzusterben und mich für immer in der Luft hängen zu lassen." Die Verschnaufpause tut mir gut, es gelingt mir jetzt, mich aufzusetzen und ich starre auf seine Hände, die völlig ruhig auf seinen Oberschenkeln liegen. Er sitzt im Schneidersitz, ganz gelassen, und doch spüre ich seinen Zorn, der unter der ruhigen Oberfläche brodelt. Und es fällt mir auf, dass seine Fingernägel nicht mehr schwarz lackiert sind. "Wie hast du mich dort gefunden?" "Ich stelle die Fragen." War ja klar, dass ich von ihm keine Antwort bekomme. "Was hast du dir dabei gedacht? Ist dir klar, dass sie dich ohne mich umgebracht hätten?" Jetzt sehe ich ihm doch in die Augen. "Vielleicht war es mir einfach egal", antworte ich ruhig. Und dann bin ich selbst überrascht über meine Worte. Jetzt, wo ich darüber nachdenke, bin ich erstaunt, wieviel ich mir von ihnen habe bieten lassen. Eigentlich habe ich doch bloß in meiner Zelle gesessen und darauf gewartet, dass sie mich umbringen. Wollte ich es so? Ich halte seinem vorwurfsvollen Blick stand und füge hinzu: "Ich wollte Gewissheit, ob ich dich endlich losgeworden bin. Alles andere war mir ehrlich gesagt herzlich egal. Dass du noch lebst, konnte ich ja nicht wissen." Ich rede Blödsinn. Dass er lebt, ist wie eine schwere Last, die mir von der Seele genommen wurde. Jetzt, wo er mir gegenüber sitzt, spüre ich zum ersten Mal wieder dieses warme, angenehme Gefühl der Zuneigung zu ihm und den brennenden Wunsch, in seiner Nähe zu sein. Er hat mir entsetzlich gefehlt, das wird mir mit jeder Minute klarer. "Für deine kindischen Aussagen sollte ich dir den Hintern versohlen." Die Worte rufen so einiges in mir hervor, aber nicht unbedingt das, was ich erhofft hatte. Ich spüre, wie meine Wangen heiß werden und ich erinnere mich nur allzu bildhaft an das, was in Deidaras Haus geschehen ist. Ich hasse ihn dafür, aber mich selber hasse ich noch mehr, weil die simplen Worte, die nichts weiter als eine haltlose Drohung sind, ein angenehmes Prickeln in meinem Bauch verursachen… und noch etwas weiter unten. Warum bin ich so verdammt krank im Kopf? Erzürnt verschränke die Arme vor der Brust. "Hast du mal wieder einen deiner seltenen Momente, in denen du den großen Bruder raushängen lässt? Nach allem was passiert ist…" Ich muss innehalten, um mich einigermaßen zu beruhigen, weil meine Stimme sich überschlägt. "Das ist so unpassend, dass ich keine Worte dafür finde." Er lächelt hintergründig. "Ich weiß, was du denkst, vergiss das nicht." Erschrocken weiche ich seinem Blick aus. Er soll nicht wissen, was er, immer noch, in mir auslöst. Ich will stark sein, hart und unnachgiebig. Wenn er in meine Augen sieht, soll er nichts anderes lesen als meine Entschlossenheit, ihm seine Taten niemals zu vergeben. Es war ein Fehler, ihn nicht anzusehen. Auf einmal ist er ganz nah, viel zu nah, und seine Hand liegt auf meiner Schulter. An meinem Ohr flüstert er: "Sag, liebst du mich immer noch?" Mein Herzschlag verdoppelt sich und ich halte automatisch Luft an. Wieso kann ich es nicht sagen? Nein, nein, tue ich nicht! Du hast auf meine Liebe gespuckt, du Bastard! "Nein." Meine Stimme zittert. Die Lüge scheint deutlich durch und mir wird klar, wie albern ich war, mir einzureden, dass ich keine Gefühle mehr für ihn hätte. Es stimmt, dass er grausam zu mir war. Aber ganz egal wie er mich behandelt hat und was ich daraufhin entschieden haben mag, es ändert nichts daran, dass er mir noch immer so furchtbar viel bedeutet. So viel, dass ich auf der Suche nach ihm beinahe mein Leben gelassen hätte. "Lüg mich nicht an." Er nimmt den Ring, den ich um den Hals trage, und ich sauge scharf die Luft an, als seine Finger dabei meine nackte Haut streifen. "Warum trägst du ihn immer noch bei dir?" "Ich…" Er krallt seine andere Hand in mein Haar und sein Gesicht ist plötzlich direkt vor mir. Unsere Lippen sind sich ganz nah und jetzt kann ich wirklich nicht mehr atmen oder sprechen oder denken. Wag das ja nicht, das ist mein einziger bewusster Gedanke. Ja, ich sehne mich danach, ihn zu küssen, aber wenn er es wagt, dann bringe ich ihn um. Dass ich ihn noch liebe heißt nicht, dass ich nochmal auf ihn reinfalle. Wild entschlossen starre ich in seine Augen und hoffe, dass er es begreift. Wenn er mich küsst, raste ich aus. Itachi lässt plötzlich den Ring los und lauscht. Sofort bin auch ich in Alarmbereitschaft und horche. Jemand kommt auf uns zu gerannt. Naruto hat sich WIRKLICH beeilt. Immer noch wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt sagt mein Bruder: "Wenn du dieses Gespräch fortsetzen willst, komm heute Nacht zur Grenze. Zur Statue von Uchiha Madara." Seine Finger lassen meine Haare los, streichen sacht über meine Wange und dann, ich schwöre ich habe nur geblinzelt, ist er auch schon verschwunden. Und ich höre hinter mir auch schon Naruto rufen, der wie ein Verrückter angerannt kommt. Ich beachte erstmal weder ihn noch die Personen, die er mitgebracht hat. Stumm starre ich in die Ferne und versuche, mein pochendes Herz zu beruhigen. XV. So you better have something damn worthy to say --------------------------------------------------- Ein Blick aus dem Fenster zeigt mir, dass die Sonne am Horizont untergeht. Je näher die Nacht rückt, desto unruhiger werde ich. Naruto sitzt direkt neben mir auf dem Bett und merkt gar nicht, wie aufgewühlt ich bin. Er hat sich sein Hemd ausgezogen und ist offenbar damit beschäftigt, seine blauen Flecken zu zählen. Viele sind nicht mehr übrig, bei ihm verheilen sie ja so schnell. Der Dorfarzt, der uns beide untersucht hat, hat nur noch einmal bestätigt, dass keinem von uns wirklich etwas fehlt. Ich bin bloß übermüdet und Naruto hat ein paar harmlose Blessuren. Weil die Oto-Nin uns all unsere Besitztümer weggenommen haben, hatten wir kein Geld dabei und man hat uns freundlicherweise ein Doppelzimmer in einer kleinen Absteige zur Verfügung gestellt. Naruto wollte direkt nach Hause gehen, aber ich habe ihm gesagt, dass ich nach Karins Behandlung den Heimweg nicht schaffen werde. Ich rätsle immer noch, ob das wirklich der Grund dafür war, dass ich heute Nacht hierbleiben wollte. Natürlich lassen Itachis Worte mich nicht mehr los, insbesondere sein Vorschlag, mich heute Nacht mit ihm zu treffen. Ich will nicht hingehen, schließlich habe ich ja gesehen, was seine Gegenwart mit mir macht. Es gäbe auch nichts zu besprechen. Aber ich kann auch nicht aufhören, daran zu denken. Ich wünschte, ich könnte mit Naruto darüber reden. Ihm sagen, was mich so belastet und ihm verständlich machen, wie es mir im Moment geht. Er hat keine Ahnung, wie aufgewühlt ich bin. Will ich mit Itachi reden? Was gibt es noch zu sagen? Für meine Rettung werde ich mich nicht bedanken. Auch nicht für Narutos Befreiung, dafür werde ich ohnehin noch bezahlen müssen. Alles andere ist Schnee von gestern. Es würde bloß alte Wunden neu aufreißen. Schlimm genug, dass er schon wieder in mein Leben getreten ist. Er soll einfach verschwinden und nicht mehr wiederkommen. "Sag mal, Sasuke…" Naruto zupft an seiner Hose herum. "Kannst du mir erklären, was da heute passiert ist? Ich begreife es einfach nicht." Er hat mich das schon mindestens ein Dutzend Mal gefragt, aber bisher habe ich ihn immer abgewimmelt. Inzwischen ist mir klar geworden, dass ich auch keine Antworten habe. Irgendwann muss ich ihm mal was sagen, also besser jetzt als später. "Itachi hat uns gerettet", antworte ich tonlos. "Das ist passiert." "Aber warum war er überhaupt da? Denkst du, er hatte etwas damit zu tun?" Kopfschüttelnd erwidere ich: "Nein. Das ist nicht sein Stil. Wie er davon wissen konnte, ist mir genauso ein Rätsel wie dir." "Ich versteh das nicht. Als ich ihn gesehen habe, dachte ich, du würdest auf ihn losgehen. Seit wann hasst du ihn denn nicht mehr? Und überhaupt, ich dachte, er sei tot?" "Ich hab dir doch gesagt, dass er nicht tot ist. Aber wieso er noch lebt, weiß ich auch nicht." Jetzt wende ich den Blick ab vom Fenster und sehe Naruto an. "Und hassen kann ich ihn schon lange nicht mehr. Das hab ich hinter mir." "Ich versteh das alles nicht." So geht es mir auch. "Itachi ist immer ein Rätsel." Ich suche verzweifelt nach Halt. Ich brauche eine Stimme der Vernunft, sonst werde ich verrückt. Eigentlich mache ich die Dinge am liebsten mit mir selbst aus. Aber Naruto ist bei mir, wir haben bloß ein Zimmer, er wird mir bis morgen früh nicht mehr von der Pelle rücken. Wenn er schon mal da ist, kann ich doch versuchen, von ihm eine vernünftige Meinung zu bekommen. "Er hat gesagt, wenn ich reden will, soll ich heute Nacht zum Fluss kommen." "Reden? Worüber denn?" "Weiß ich nicht." "Du wirst doch nicht hingehen, oder?" "Nein. Nein, ich wüsste nicht wozu." Ich weiß gar nichts mehr. Belüge ich Naruto grade? Oder habe ich wirklich nicht vor, zu gehen? "Sonst hätte ich es dir nicht erzählt. Wenn ich nicht hingehe, dann wird er wieder verschwinden. Mach dir keine Gedanken. Was auch immer ihn dazu getrieben hat, uns zu retten, er wird verschwinden." Naruto nickt. "Das ist gut. Ich mag ihn nicht. Irgendwas an ihm ist unheimlich." "Manchmal kommt er mir direkt übermenschlich vor", antworte ich gedankenverloren. Er druckst jetzt ein bisschen herum und ich weiß schon, dass er als nächstes eine unangenehme Frage stellen wird. "Du weißt, dass ich nie nachgefragt habe… aber… Du hattest seinen Mantel an, als du ins Dorf zurückkamst. Du hattest überall blaue Flecken und die… die Narbe an deinem Hand… gelenk…" Mit jedem Wort wird er unsicherer. Ich habe gar nicht gewusst, dass er die Narbe bemerkt hatte. Nach jener ersten Nacht in Konoha habe ich stets versucht, sie zu verstecken. Wahrscheinlich nicht gründlich genug. "Ich dachte, er hätte dir das angetan." Ich starre auf die verblasste Narbe und antworte: "Das ist alles ziemlich kompliziert." Irgendwie wünschte ich schon, er wüsste es. Es hat mir immer gutgetan, mit Sakura darüber zu reden, aber Naruto hat nochmal eine ganz andere Sicht auf die Dinge. So schrecklich diese Geschichte auch ist, er hätte sicher irgendeinen total simplen Ratschlag für mich, den er mir mit einer Sicherheit vorschlagen würde, als wäre das die ultimative Lösung für meine Probleme. Sowas wie "Vergiss ihn einfach, du hast doch uns" vielleicht oder so. "Schon gut, ich frag nicht weiter nach. Ich will damit ja auch nur sagen, dass ich nicht verstehe, warum du ihm nicht an die Gurgel gegangen bist, anstatt dir von ihm helfen zu lassen." "Wie gesagt, hassen kann ich ihn nicht mehr. Dass er mich gerettet hat, war vielleicht nicht uneigennützig, aber wenn ich eines weiß, dann dass er nicht zulassen würde, dass mir jemand was tut." Jedenfalls keiner außer ihm. Naruto steht auf und zieht sich die Hose aus. Es ist nicht spät, aber wir sind beide müde und wollen schlafen. Während er unter die Bettdecke kriecht, sagt er todernst: "Er hat nicht das Recht, dich zu beschützen. Das ist unsere Aufgabe, Sakuras und meine." Als ob ich Schutz nötig hätte. Aber was er sagt ist nett gemeint, darum fauche ich ihn ausnahmsweise nicht an. Stattdessen ziehe ich mich ebenfalls bis auf die Unterwäsche aus und lege mich neben ihn. Wenigstens hat jeder eine eigene Bettdecke. Ich decke mich zu, strecke nochmal meine erschöpften Gliedmaßen und mache dann das Licht aus. "Weißt du, dass ich irre Angst um dich hatte in dieser Zelle?", fragt Naruto unerwartet. "Sie haben zu mir gesagt, sie würden dich umbringen und Tsunade deinen Kopf schicken. Ich dachte, ich sehe dich nie wieder." "Das hatten sie ja anfangs auch vor. Aber irgendwas hat sie dazu gebracht, ihre Meinung zu ändern und mich am Leben zu lassen." Wenn ich bloß wüsste, was. Hängt es mit Itachi zusammen? Er hat Orochimaru getötet, das heißt, er war schon mal in Otogakure. Aber wenn er mit Arashi oder einem der anderen irgendwas ausgemacht hätte, hätten sie von vornherein entschieden, mich wegzusperren. Was habe ich übersehen? Nachdenklich taste ich nach dem Ring um meinen Hals. "Woher hat Itachi bloß gewusst, wo ich bin?" "War er es nicht, der Orochimaru getötet hat? Vielleicht hat er einen Spion in Otogakure?" "Ich denke nicht. Aber irgendjemand muss ihn benachrichtigt haben. Wäre er schon dort gewesen, hätte er sich nicht so lange Zeit gelassen. Ich denke…" Und dann wird mir klar, was ich übersehen habe. Ich nähere mich der steinernen Statue von Uchiha Madara. Irgendwie ist es bedeutsam, dass wir uns hier verabredet haben. Am Denkmal unseres Vorfahren und an dem Ort, wo ich wegen Itachi meinen besten Freund verraten habe. Ich hasse diesen Ort. Er erinnert mich daran, wie weit ich gegangen bin, um Itachi einzuholen. Und heute Nacht habe ich mich seinetwegen schon wieder fort geschlichen. Der Mond strahlt die Statue an und weist mir den Weg. Ich bin froh, dass ich wenigstens noch ein bisschen geschlafen habe, bevor ich mich auf den Weg hierher gemacht habe. Es hat ausgereicht, um meine Energien fast wiederherzustellen. Von dem Zeug, das Karin mir gegeben hat, spüre ich schon seit Stunden nichts mehr. Ich bin hellwach und ausgeruht, und das bedeutet, dass ich gleich zum ersten Mal seit sehr, sehr langer Zeit im Vollbesitz meiner Kräfte Itachi gegenübertreten werde. Mein Bruder wartet schon auf mich, er steht auf dem Kopf der Statue und als ich dort aufkomme, reagiert er so wie immer: teilnahmslos. "Bist du also doch gekommen." Auf geheuchelte Begrüßungen habe ich wirklich keine Lust. "Du bist unglaublich manipulativ", sage ich direkt und halte den Ring hoch. "Es ist sowieso eigentlich meiner, hast du gesagt. Ein Erbstück der Familie, hast du gesagt. Dieser Ring war mir wirklich wichtig, weil ich dachte, es wäre ein Teil meiner Familie", und ein Geschenk von meinem Bruder, "aber das war bloß eine Lüge. Damit hast du mich gefunden." "Gefunden ist eigentlich das falsche Wort", antwortet er und er klingt beinahe amüsiert. "Die Oto-Nin haben mich gerufen. Du klingst, als wärst du wütend auf mich. Ohne den Ring wärst du längst tot, das solltest du nicht vergessen. Es war eine kleine Vorsichtsmaßnahme, nichts weiter." "Der Ring war kein Geschenk an mich sondern ein Erkennungszeichen für den Rest der Welt", sage ich bitter. "Suigetsu hat ihn gesehen und mir anschließend nicht ein Haar mehr gekrümmt. Weil er wusste, was der Ring bedeutet." "Nämlich dass du mir gehörst. Und es keiner wagen sollte, mein Eigentum zu verletzen." "Meinst du nicht eher 'beschädigen'? Für dich bin ich ein Ding, das man besitzen kann, das nur dir gehört." Es ist unfassbar, dass ich so naiv war. Die ganze Zeit habe ich nicht daran gezweifelt, dass er mir den Ring geschenkt hat, einfach weil er wollte, dass ich ihn habe. Ich empfand das Schmuckstück als meine Verbindung zu Itachi, den Beweis, dass ich mir das alles nicht nur eingebildet habe. Schon wieder bin ich auf ihn reingefallen. Ich trug nicht den Beweis seiner Zuneigung um den Hals, sondern einen Besitzstempel von ihm. "Wie hast du das angestellt?" Ich kann es mir wirklich nicht erklären. Ich begreife gar nichts mehr, aber ich sehe sein überhebliches Gesicht und weiß, dass er mir die Einzelheiten nicht lang und breit erklären wird. Wenn, dann muss ich sie selbst zusammensetzen und kriege dann von ihm hoffentlich gnädigerweise ein Nicken. "Als du Orochimaru getötet hast, hast du das organisiert, nicht wahr?" Kein Widerspruch. "Was hast du gemacht? Hast du ihnen den Ring gezeigt und gesagt 'tötet meinen Bruder nicht'?!" "Nein." "Sondern?!" Langsam wird es mir zu bunt. Ich versuche, mir die Situation, die Itachi damals vorgefunden haben muss, vorzustellen. In den Kerkern, in den Zellen, gab es Dutzende, nein Hunderte von Gefangenen. Alle haben Orochimaru gefürchtet und gehasst. Und dann kam Itachi und tötete ihn. Danach war es sicher nicht mehr schwer, mit ihnen zu verhandeln. "Du hast ihn umgebracht und danach hast du sie befreit. Sie hätten alles für die Freiheit getan und du hast bloß verlangt, dass sie dir Bescheid geben, wenn jemand bei ihnen auftaucht, der den Ring trägt. Richtig?" Ich rate wild ins Blaue und wenn ich einen Treffer lande dann wahrscheinlich nur, weil ich ihn und seine kranke Denkweise bis zu einem gewissen Grad verstehen kann. "Richtig." Das macht doch keinen Sinn. Orochimarus Leute, ganz besonders die, die die neue Führungsriege bilden, sind allesamt Windhunde, denen ein Versprechen überhaupt nichts bedeutet. Wieso haben sie mich nicht einfach umgebracht und auf ihn und seine Wünsche gepfiffen? Karin hat den Ring als Erste gesehen. Da schien es ihr aber noch relativ egal zu sein. Dann hat Suigetsu ihn gesehen und das hat mir das Leben gerettet. Er wusste davon, sie nicht, denke ich. Logisch. Sie war garantiert nicht im Palast, als Orochimaru umgebracht wurde. Nachdem sie es wussten, hatten sie die Wahl: mich umbringen und Itachi erzürnen oder aber ihn rufen und sich damit ein Monster ins Haus holen, das stärker ist als sie alle zusammen. Langsam ergibt es doch einen Sinn. Sie hatten Angst vor seinem Zorn und haben ihn am Ende lieber herbeigerufen, als einen Racheakt zu riskieren. Deshalb haben sie so ruhig dabei zugesehen, wie er mich aus der Zelle geholt hat. Und deshalb konnten sie auch nichts machen, als er Naruto auch noch mitgenommen hat. Das wirklich Erstaunliche an der Sache ist, wie schnell das alles ging. Für das, was zwischendurch alles passiert ist, war er extrem schnell in Otogakure. Er kann nicht allzu weit weg gewesen sein. "Deshalb hat Arashi also von einer Abmachung geredet. Mich brauchte er ohnehin nicht, also hat er dich gerufen, um dich nicht zu verärgern. Damit du mich abholst. Damit du dir dein Eigentum zurückholst." "Und um deinetwillen habe ich mein Wort gebrochen. Ich hatte ihm versprochen, dass er alle anderen, die er gefangengenommen hat, behalten kann." "Wie konntest du wissen, dass es so kommen würde?" Konoha hat zahlreiche Feinde, wenn auch nicht mehr so zahlreich wie früher, seitdem wir mit den Suna-Nin Frieden geschlossen haben. Wie konnte er denn wissen, dass ich mich ausgerechnet mit den Oto-Nin anlege? Außerdem war es ein ziemlich unsinniger Aufwand, mir den Ring zu geben. Jeder dort kannte mich, er hätte auch einfach sagen können, sie sollen seinen Bruder nicht töten. Das wäre weniger riskant gewesen, denn es hätte ja auch sein können, dass ich den Ring gar nicht mehr bei mir trage oder sie ihn nicht zu Gesicht bekommen. Das sind mir alles ein paar Zufälle zu viel auf einmal. Jetzt sieht er mich direkt an und ich habe das Gefühl, auf etwas Großes, Wichtiges gestoßen zu sein. Er antwortet mir nicht, aber ich ahne, dass das mehr war, als ein riesengroßer Zufall. Ich habe ihn immer auf ein Podest gestellt, aber jetzt gerade habe ich die gruselige Vorstellung, dass er es vor zwei Jahren schon wusste. Aber das ist Blödsinn, und unsinnig ist es obendrein. Könnte er auf magische Weise in die Zukunft sehen, hätte er mich abgefangen, bevor ich nach Otogakure ging. "Warum auch immer ich ihn dir gegeben habe, der Ring hat dir das Leben gerettet", sagt er emotionslos. "Sag danke, Sasuke." Unter der Kälte in meinem Inneren bricht endlich wieder Wut durch und ich reiße mir die Kette einfach vom Hals, mache sie dabei kaputt. "Ich bin dir keinen Dank schuldig, nicht nach allem, was passiert ist. Nimm den Ring, nimm ihn mit und verschwinde endlich aus meinem Leben!" Ich werfe ihm den Ring vor die Füße, aber er beachtet ihn gar nicht. Er packt mein Handgelenk. "Wenn ich dir so egal bin, warum bist du dann hier?" "Um dir zu sagen, dass du verschwinden sollst", fauche ich. "Um dir klarzumachen, dass ich deine Hilfe weder will noch brauche! Ich bin stark geworden. Ich-" Er küsst mich. Ich bin im ersten Moment so überrumpelt, dass ich wie zu Eis erstarre. Sein Kuss ist wie damals. Wie Gift, das in mich reinströmt, von jeder Faser meines Körpers aufgenommen wird und mich von innen heraus zerfrisst. Es ist kein Zeichen von Zuneigung oder Zärtlichkeit, nur Ausdruck seines Wunsches, mich zu beherrschen. Mit einem Schrei reiße ich mich los und schlage ihm mit voller Wucht die Faust ins Gesicht. Es tut so gut, als ich die Knochen in meiner Hand knirschen höre, weil ich weiß, dass ich keinen Bunshin getroffen habe sondern ihn, den echten Itachi. Da ist Blut an meiner Hand. Itachi blutet. Ich sehe es an seinem Mundwinkel, als er sich wieder aufrichtet. "Wage es nicht, mich nochmal anzufassen", zische ich ihn an. Ich bin stärker. Ich bin nicht mehr das Kind von damals. Ich bin stärker als er, geistig wie körperlich. Meine Gefühle für ihn sind wie eingefroren, ich habe sie tief in meinem Herzen verschlossen. "Das war unerwartet, Sasuke." Mit dem Handrücken wischt er sich über das Kinn. Selbst jetzt ist er noch derselbe, selbstgefällige Bastard wie immer. "Denkst du, du wärst stärker als ich?" Ich gehe auf ihn zu und trete dabei absichtlich auf den Ring, der unter meinem Fuß knirscht, aber nicht kaputtgeht. "Ich weiß es sogar. Also komm mir nie mehr zu nahe, sonst bring ich dich um, verstanden?" "Vielleicht", er macht einen Schritt auf mich zu, "lasse ich es darauf ankommen. Wir werden ja sehen, wie weit du kommst." Zornig starre ich ihn an. Wenn er einen Kampf will, kann er ihn haben. Ein gewaltiger Feuerball lässt es in der direkten Umgebung einen Augenblick lang hell werden. Er verschlingt Itachi geradezu, reißt ihn mit und verpufft dann im Wasser des Flusses. Es wird zu schnell wieder dunkel, ich sehe nur, dass etwas wieder an die Wasseroberfläche treibt und weiß, dass in diesem Augenblick ein verbrannter Baumstumpf an mir vorbeischippert. Und ich weiß, dass er mich jetzt wieder angreifen wird. Das wird mir allmählich zu lästig. Ich habe meinen Doppelgänger bereits in Position gestellt und schleiche selbst durch die Dunkelheit auf der Suche nach dem echten Itachi. Viel Platz ist hier oben nicht, wo er sich verstecken könnte, aber er kann ja, wenn er sein Chakra konzentriert, überall an der Statue kleben wie eine Fliege. Wenn ich ihn finde, dann gnade ihm Gott. Er hat es darauf angelegt. Er wollte diesen Kampf und, bei Gott, er soll ihn kriegen. Ich laufe also über das Gesicht der Statue nach unten, suche nach einem Zeichen von ihm. Wir spielen dieses Spielchen nun schon seit über einer Viertelstunde. Kawarimi, Doppelgänger, ständig haben wir nur den Schatten des anderen angegriffen. Es wird mir langsam zu bunt, ich möchte endlich richtig mit ihm kämpfen. Über mir höre ich meinen Doppelgänger sprechen. Viel Zeit habe ich nicht, bevor Itachi ihn vernichtet hat und dann seinerseits nach mir suchen wird. Unter dem Schulterpolster von Uchiha Madara, das in dieser überdimensionalen Größe fast einen Meter vom Rest der Statue hinausragt, "steht" Itachi, genauer gesagt steht er kopfüber und scheint gerade irgendwas vorzubereiten, weil er zwei Finger hochgestreckt hat und sich zu konzentrieren scheint. Wenn ich ihn dort erwische, kriegt er mächtige Schwierigkeiten. So schnell habe ich wohl noch nie meine acht Wurfsterne parat gehabt, sirrend sausen sie ihm entgegen und ich fürchte schon, dass er es zu früh merken wird. Aber er bleibt, wo er ist, scheint noch nicht einmal Notiz davon zu nehmen, und dann zischen die Geschosse an ihm vorbei, ich ziehe an den Fäden, sie machen einen Bogen in der Luft und wickeln sich präzise um seinen Körper. Das metallische Geräusch, als die Wurfsterne sich ineinander verhaken, erfüllt die Luft und ich zögere keinen Augenblick. Über die Fäden in meiner Hand schicke ich ihm einen Feuerball und bin gespannt, wie er da wieder rauskommen will. Das Feuer erfasst ihn und ich sehe im ersten Moment nichts als leuchtend roten Feuerschein. Funken sprühen in alle Richtungen und dann fühle ich, wie die hauchdünnen Fäden nachgeben. So eine Scheiße! Wieder nur ein Doppelgänger! Gleich, gleich greift er mich an. Ich schließe die Augen, lausche. Es ist zu dunkel und weil ich direkt in den Feuerschein gestarrt habe, werde ich es nicht rechtzeitig sehen. Ich muss mich auf meine anderen Sinne verlassen. Whoa, da kommt was Großes, ich höre es. Ich werfe mit voller Kraft einen Kunai und er wickelt sich um eine der in Stein gemeißelten Haarspitzen von Madara. Im allerletzten Moment springe ich von meinem Platz auf Madaras Fingerspitzen ab und schwinge an dem Seil, das an den Kunai geknotet ist, um den halben Kopf der Statue herum. Ich drehe den Kopf nach hinten und sehe… ja, was IST das? Das müssen Hunderte brennender Wurfgeschosse sein, die sich in den Stein bohren und daran vorbei zischen und im Wasser verglühen. Mit den Sharingan sehe ich den schwachen, weinroten Hauch, der im Herzen der Metallwaffen wabert. Ich springe zurück auf Madaras Kopf, schockiert über das, was Itachi einfach mal so aus dem Ärmel schüttelt. Hätte ich nicht so schnell reagiert, hätte ich es nicht geschafft, diesem Waffenregen zu entkommen, er war zu breit gefächert. Und ein einziger Treffer hätte meine Kleidung in Brand gesetzt, weil bei so einer Geschwindigkeit die Funken fliegen und die Kunai, Shuriken und Nadellanzetten mit Chakra vorangetrieben wurden. Ein Treffer hätte daraus ein grauenhaftes Gemisch gemacht und das Chakra hätte das Feuer auf der Stelle angeheizt. Kaum stehe ich wieder sicher auf den Füßen, taucht ein weiterer Doppelgänger in meinem Blickfeld auf. Jetzt reicht es mir. Itachi ist gut, nein, genial. Seine Art zu kämpfen ist so elegant, so mühelos und doch spektakulär und tödlich. Damit will ich mich messen. Auf diesen Zirkus mit seinen Doppelgängern habe ich keine Lust mehr. Frustriert befördere ich die Kopie ins Jenseits und sage laut: "Hör schon auf mit den Spielchen, Itachi. Ich langweile mich." "Wie du willst." Die Luft wabert und dann steht er vor mir. Der echte Itachi. Na endlich. Ich verschwende keine Zeit, sondern presche auf ihn zu, springe ab und reiße das Schwert hoch. Klingen prallen klirrend aufeinander, als er den Schwerthieb mit seinem eigenen Katana abwehrt. "Schwertkampf, hm?", fragt er beinahe amüsiert. "Die Familie wäre nicht sehr begeistert darüber gewesen." Mit dem Fuß stoße ich ihn weg. Er fällt nach hinten, kommt mit der Hand auf, schlägt einen Salto rückwärts und landet wieder auf den Füßen. Ich komme nach, aber diesmal ist er schneller und schlägt nach mir. Wieder kreuzen wir die Klingen und sehen einander an. "Ich weiß, dass wir eigentlich Fernkämpfer sind. Aber so macht es mehr Spaß", sage ich grinsend. "Das ist ziemlich dumm von dir. Wenn ich dir so nahe bin…" Er öffnet die Augen weit. Mangekyou Sharingan. Das wurde aber auch Zeit. Ich habe schon damit gerechnet und dieses Mal werde ich mich nicht davor fürchten. Ich wehre mich nicht, als er mich in seine finstere Welt zerrt. Ich lasse mich einfach fallen. Als ich meine Augen öffne, bin ich überrascht. Eigentlich habe ich damit gerechnet, dass er mir wieder jenen Tag zeigen würde, als er meine Eltern tötete. Aber ich bin nicht zu Hause, nicht im Versammlungsraum. Stattdessen stehe ich knietief im Schnee, an einem Hang. Vor mir breitet sich der Ausblick auf das Tal aus und ich weiß sofort, welchen Ort er für mich erschaffen hat. Hinter mir ist der Gasthof, wo wir Zuflucht gesucht haben, nachdem Deidara und Kisame gestorben sind. Eigentlich gar nicht so dumm. Fast noch mehr Entsetzen verbirgt sich hier an diesem Ort für mich, als in dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin. Er taucht direkt vor mir auf. Dass er es mir so leicht machen würde, hätte ich nicht gedacht. "Du hast dich wirklich gemacht, Sasuke", sagt er zu mir. "Aber jetzt ist es vorbei. Es war ein Fehler, mir ohne die Mangekyou Sharingan entgegenzutreten." Er macht einen Schritt auf mich zu und streckt die Hand aus, um mich zu berühren. "Von jetzt an…" Ich verbanne die Angst vor den Erinnerungen ganz tief in meinem Herzen und sehe ihn an. Das mag seine Welt sein, aber ich habe die Sharingan. Ich kann mich wehren. "…für zweiundsiebzig Stunden…" Itachi blinzelt. Er hält mitten in der Bewegung inne und murmelt: "Was…" Nein, er hält nicht inne. Er kann nicht weiter. Es hat begonnen. In seiner eigenen Welt gewinne ich ein Stück Kontrolle und mit den Sharingan lasse ich ihn mitten in der Bewegung erstarren. Zuerst sieht es aus wie überdimensionale Nägel, die aus seinem Körper wachsen. Dann beginnt der Boden unter seinen Füßen zu versteinern und sehr schnell kriecht es seinen Körper hoch, bis über seinen Arm. Itachi erstarrt binnen Sekunden wie eine Statue, das einzige, was noch frei ist, ist sein Gesicht. Ich merke zu spät, dass mit mir dasselbe passiert, dass er mich mit den Sharingan ebenso fesselt wie ich ihn. Wir starren einander in die Augen, beide wie in den Boden eingemauert, bewegungsunfähig. Seine Hand ist wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt, so nah und doch nicht fähig, mich zu berühren. "Die Mangekyou Sharingan habe ich nicht", sage ich und erinnere mich an den Preis, den ich dafür hätte zahlen müssen. "Aber ich weiß, wie ich ihnen standhalten kann. Ich hab dich, Itachi." Er lächelt. "Ausgezeichnet, Sasuke. Jetzt haben wir uns gegenseitig matt gesetzt." "Richtig." "Wenn ich uns aus dieser Welt befreien soll, musst du meine Arme losmachen." "Nein… nein, ich denke nicht. Wer weiß, was du damit tun würdest. Lass uns lieber warten. Was wolltest du noch sagen? Von jetzt an, zweiundsiebzig Stunden lang… Lass uns abwarten. Immerhin scheint die Zahl 72 für dich eine besondere Bedeutung zu haben." Seinen Gesichtsausdruck weiß ich nicht zu deuten. Mehrere Stunden stehen wir nun schon hier, bewegungsunfähig, gefangen in Itachis Illusion. Wir dürfen beide nicht nachlassen, sonst hätte der andere einen vielleicht nicht mehr auszugleichenden Vorteil. Sporadisch sprechen wir ein wenig miteinander, und wechseln dabei lächerlich belanglose Worte. Wir haben uns nichts zu sagen. Ich erkenne, dass wir uns eigentlich nie viel zu sagen hatten. Wir haben schon einmal drei Tage an diesem Ort verbracht und doch kaum etwas miteinander geredet. "Deine Entscheidung war richtig", sagt Itachi unvermittelt. "Hättest du meine Hände losgemacht, hätte ich dieses Duell beendet." "Ich weiß." "Früher warst du vertrauensseliger." "Das hat sich geändert. Du hast mir selbst beigebracht, dass ich dir nicht trauen darf." Die Stille kehrt zurück und mit ihr auch meine finsteren Gedanken. Die Erkenntnis, dass ich noch vor zwei Jahren so dämlich war, ist ziemlich bitter. Dabei hatte ich ihn doch einmal schon fast soweit. Damals am See hätte ich ihn beinahe erwischt. Oder war das nur so, weil er es zugelassen hat? Ich weiß es nicht mehr. Jetzt ist es anders. Ich habe eine reelle Chance, ihn zu besiegen. Aber ich frage mich, wozu ich es überhaupt noch versuche. Ein Sieg wird nichts ändern. Töten will ich ihn doch gar nicht. Eigentlich will ich bloß, dass er verschwindet. Ich will stark sein. Ein Teil von mir ist schwach, ich weiß. Er will sich in seine Arme werfen und vergessen, was ich verstanden habe. Einfach wieder zurückkehren in die Vergangenheit, als es so schön war mit ihm. "Ich habe dich nach Hause gebracht, weil es zu deinem eigenen Besten war." Wieder spricht Itachi völlig unerwartet mit mir. Und über seine offenen Worte bin ich einfach nur erstaunt. "Bei mir wärst du nicht sicher gewesen." Mit gemischten Gefühlen sehe ich ihn an und weiß nicht, was ich davon halten soll. Natürlich hab ich mir meine Gedanken gemacht und dass die Akatsuki mir hätten gefährlich werden können, ist mir auch schon eingefallen. Aber ich kann ihm nicht glauben, dass das sein Grund gewesen sein soll, mich wegzuschicken. Ich kann ihm gar nichts mehr glauben. "Ich rede nicht nur von den Akatsuki. Sieh dich doch an. Das Beste in dir kommt zutage, wenn ich nicht bei dir bin." "Da hast du wohl Recht." Er ist wirklich etwas, vor dem ich beschützt hätte werden müssen. Er macht aus mir jemanden, der ich nicht sein will. Aber selbst wenn das seine Beweggründe waren, eine Entschuldigung ist das keinesfalls. "Wenn das wahr ist, hättest du es mir sagen können, anstatt mich wegzuwerfen, als hättest du genug von mir gehabt." "Das hätte dich nicht interessiert. Dann wärst du mir gefolgt und das wollte ich nicht." "Wieso erzählst du mir das jetzt?" Es ist zu spät. Was er auch sagt, nichts kann seine Tat wieder gut machen. Nichts. Ich werde ihn nie mehr an mich heranlassen. Er lächelt hintergründig. "Jetzt bist du erwachsen. Du hast mich nach Otogakure gerufen und ich habe es satt, zu warten." "Ich habe dich nicht gerufen! Du hast das…" Er lässt mich nicht mal ausreden. "Es wird Zeit, dass du eine Entscheidung triffst." Zum ersten Mal wendet er den Blick ab von mir und fügt zusammenhanglos hinzu: "Die 72 Stunden sind bald um." "Wenn dieser Kampf vorbei ist, wirst du dann gehen und mich in Frieden lassen?" "Nein. Ich bin nicht gekommen, um gegen dich zu kämpfen." "Sondern?" "Um dich mitzunehmen." Ehe ich antworten kann, verblasst der rote Himmel und ich falle wieder, dieses Mal zurück in die Realität. Ich hatte fast vergessen, dass ich ein Schwert in der Hand hielt. Mein Griff ist so locker, dass es ihm mühelos gelingt, mich wegzustoßen und mir das Schwert aus der Hand zu schlagen. Auf den Realitätenwechsel war ich, im Gegensatz zu ihm, nicht gefasst. Mit seinen Worten wollte er mich bloß ablenken. Er schlägt mir ins Gesicht und ich stürze blindlings nach hinten. Aber als ich wieder aufsehe, sehe ich, dass seine Augen schwarz geworden sind. Wie ich gehofft hatte, hat er sich überanstrengt. Es war gut, ihn die Illusion nicht auflösen zu lassen. Jetzt kann er nicht mehr gewinnen. Ich werfe einen Kunai, nicht, um ihn zu treffen, sondern nur, um ihn abzulenken. Er weicht aus und ich presche vor, schneller, als ein menschliches Auge ohne Sharingan es sehen kann. Ich packe ihn am Kragen, ziehe die Beine an und sein Brustkorb kollidiert mit meinen Knien. Ich kenne das, im ersten Moment hat man das Gefühl, nicht mehr atmen zu können. Die Zeit, sich zu erholen, lasse ich ihm aber nicht. Ich lasse ihm meinen Ellbogen ins Genick krachen, er gibt ein leises "uff" von sich, stürzt und … verpufft. "Verdammt nochmal!", schreie ich frustriert. "Du Feigling!" "Katon. Gokakyuu no Jutsu." Keine Ahnung, aus welcher Richtung der Feuerball kommt. Ich registriere nur, dass der Platz zum Ausweichen auf Uchiha Madaras Kopf viel zu klein ist. In einem Akt der Verzweiflung renne ich zum Rand – in dem Fall die Stirn meines Vorfahren – und springe ab. Über meinen Kopf hinweg saust der Feuerball, der so riesig ist, dass mir die Spucke wegbleibt. Erschöpft oder nicht, Itachis Feuerjutsu sind unheimlich beeindruckend. Der Fluss kommt rasend schnell näher und dann breche ich durch die Wasseroberfläche. Das Wasser ist eiskalt. Aber mein Wille, diesen Kampf nicht zu verlieren ist stärker als der Drang, sofort wieder aufzutauchen, wodurch ich für ihn ein leichtes Ziel wäre. Stattdessen halte ich mich unter Wasser und entschließe mich, auf meine Instinkte zu hören. Was wird er tun? Das Wasser macht mich schwerer und würde ich auf meine Instinkte hören, würde ich sofort hoch schwimmen und nach Luft ringen. Das wird er ausnutzen. Er steht bereits irgendwo auf dem Wasser und wartet auf mich. Wenn es heller wäre… mir geht bald die Luft aus, hektisch sehe ich mich um. Und dann entdecke ich ihn. Ich stoße mich auf dem Grund des Flusses ab und zische ihm entgegen. Mit ausgestreckter Faust breche ich durch die Wasseroberfläche, aber er wirft im letzten Moment den Kopf zurück und meine Faust zischt an ihm vorbei. Er packt meinen Arm, zieht ihn runter und holt aus. Ich bin schneller. Mein anderer Arm schnellt vor, ich lege alle Kraft in den Faustschlag und hoffe, bete, dass das die Entscheidung bringen wird. Meine Faust klatscht gegen seine Hand, mit der er den Schlag eigentlich abfangen wollte, und die Wucht ist zu viel für ihn. Der durchgestreckte Arm gibt nach, es gibt ein widerwärtiges Knacken, als er sich das Schultergelenk ausrenkt und dann fallen wir beide ins Wasser. Als ich wieder hochkomme, sehe ich ihn schon wieder über die Wasseroberfläche laufen – und zwar vor mir davon. Mag sein, dass er irgendwas vorhat, für das er Abstand zu mir braucht, aber es sieht aus, als würde er wegrennen. Seinen ausgekugelten Arm hält er mit der anderen Hand. Muss ziemlich wehtun. Ich springe auf das Wasser und renne hinter ihm her. Ich muss das bald beenden, lange kann ich nämlich auch nicht mehr. Ich hole ihn am Ufer ein, stelle mich vor ihn und schlage ihm ins Gesicht. Er taumelt nach hinten und ich renne ihm hinterher, stelle mich hinter ihn und als er mir entgegen stolpert, schlinge ich meine Arme um ihn. Wie in einem Schraubstock halte ich ihn fest und gebe mein Chakra frei. Chidori Nagashi benutze ich nur noch sehr selten, weil die Konsequenzen zu verheerend sind, aber für ihn bin ich gerne bereit, eine Ausnahme zu machen. Das Chakra, das ich freigebe, funkelt wie kleine Blitze in der Dunkelheit und hüllt ihn und mich ein. Das ist meine letzte Chance. Nochmal ein zermürbendes Handgemenge mit seinen Doppelgängern überstehe ich rein kräftemäßig nicht und jetzt gerade halte ich den echten Itachi fest. Wenn ich gewinnen will, dann muss es jetzt sein. Also gebe ich den letzten Rest an Chakra frei den ich noch habe, nutze alle meine Reserven, und setze alles auf eine Karte. Ich will gewinnen. Ich will ihn besiegen! Er schreit und ich schreie auch. Es tut uns beiden weh, weil ich es so übertreibe. Er versucht, sich von mir zu lösen aber ich gebe nicht nach und mit seinem verletzten Arm hat er nicht genug Kraft, mich von sich loszumachen. Es geht alles sehr schnell. Durch meinen Widerstand gegen seine Illusion habe ich viel Chakra verbraucht, es ist kaum noch was übrig. Als ich nicht mehr kann, lasse ich ihn los und wir fallen einfach auseinander. Ich nach hinten, er nach vorne. Der Kampf ist vorbei. Auf einmal wird es sehr still. XVI. Control is all you really need and I guess I had it coming --------------------------------------------------------------- Es vergehen mehrere Minuten, in denen ich kaum etwas anderes tun kann, als nach Luft zu ringen. Mein Duell gegen Itachi ist beendet und, so frustrierend das ist, es gibt keinen Sieger. Das bedeutet, dass ich ihm nicht mehr unterlegen bin, aber, verdammt nochmal, ich war so nah dran, so nah an einem Sieg über den unbesiegbaren Itachi! Während ich bloß nach Luft ringe wie ein Fisch auf dem Trockenen, wischt Itachi sich erstmal sorgsam das Blut aus dem Gesicht. Dann stützt er seinen verletzten Arm auf den Boden, atmet tief ein und aus und dreht dann ruckartig seine Schulter und man kann hören, wie das Gelenk wieder an seinen alten Platz zurückrutscht. Das muss echt wehtun, aber er verzieht bloß ganz kurz das Gesicht. Er geht das so pragmatisch an, dass ich den Eindruck habe, in den fünf Minuten, wo ich bloß wieder zu Atem komme, richtet er sämtliche Verletzungen, die er aus dem Kampf davongetragen hat. Wozu haben wir das eigentlich gemacht? Einen sinnloseren Kampf habe ich noch nie gekämpft. Ich bin stolz, dass ich nicht verloren habe, aber war es das wert? In ein paar Stunden werde ich irre Schmerzen haben, weil ich Chidori benutzt habe. Es gibt keinen Sieger und keinen Verlierer. Außer, dass ich ihm gesagt habe, dass er verschwinden soll, hat dieses Treffen überhaupt nichts gebracht. Und offenbar hat er ja auch nicht vor, zu verschwinden. Er ist da, immer noch, wie ein Stachel in meinem Fleisch, und ich komme mir dumm vor, dass ich hierher gekommen bin. Mein Schwert liegt noch oben auf Madaras Kopf. Ach, Scheiße. Mühsam kämpfe ich mich auf die Füße. Meine Knie zittern. Genug Chakra für einen Fußmarsch senkrecht nach oben habe ich nicht mehr. Inzwischen ist Itachi auch wieder auf die Füße gekommen und ich werfe ihm einen finsteren Blick zu. Vor ihm werde ich mir nicht die Blöde geben, zuzugeben, dass ich meinen letzten Funken Chakra verschwendet habe. Also nehme ich den langen Weg, ich springe, von Vorsprung zu Vorsprung, bis ich oben ankomme. Ich bücke mich nach meinem Schwert, hebe es auf und sehe dann gen Westen. Hoffentlich hat Naruto nicht gemerkt, dass ich weg bin. "Wo willst du hin?" Itachi steht hinter mir und ich hasse ihn dafür, dass er so mühelos hier hochgekommen ist. "Weg", stoße ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Ich mache einen Schritt und unter meinem Fuß knirscht etwas. Der Ring. Dieses verfluchte Ding, hätte ich ihn doch bloß weggeworfen! Dann wäre ich jetzt nicht hier, müsste mich nicht diesem Alptraum stellen. "Zurück zu Naruto-kun?" Die Frage kommt überraschend. Er kommt einen Schritt näher. "Er ist dir sehr wichtig, nicht wahr?" Ich weiß nicht, worauf er hinaus will. Ich sollte einfach gehen und mir gar nicht erst anhören, was er zu sagen hat. "Er ist deine Familie, hast du gesagt." "Ja." Auf einmal wird mir klar, worauf er anspielt. "Bist du eifersüchtig?", frage ich schadenfroh. Wenn das so ist, soll er ruhig glauben, ich hätte was mit Naruto. Soll er sich in seinen einsamen Nächten ausmalen, was Naruto und ich so miteinander treiben. Ersticken soll er daran! "Du bist ja ganz schön verbittert." Als sich von hinten seine Arme locker um mich legen, erstarre ich. Wieder einmal sehe ich den Unterschied zwischen uns. Ich habe ihm ein Unentschieden abgerungen, aber er ist es, der die größeren Reserven hat. Und die bessere Kontrolle über sich. Wäre es ein Kampf auf Leben und Tod gewesen, dann hätte ich verloren. Er benutzt beide Arme, dabei war der Linke eben noch ausgerenkt, es muss ganz schön wehtun. An meinem Ohr flüstert er: "Hab ich dich so verletzt, als ich dich verlassen habe?" "Ich bin nicht verbittert." Wieso tue ich denn nichts? Er fasst mich an und ich hasse es. Er soll verschwinden, aber ich stehe da wie versteinert. "Ich hab dir gesagt, wenn du gehst, werde ich dir das nie verzeihen." Er lacht. Ich hasse dieses Geräusch und ich hasse es, dass ein Teil von mir auf der Stelle bereit ist, zu glauben, dass ich etwas unheimlich Dummes gesagt habe und es verdiene, von ihm ausgelacht zu werden. "Verzeihen musst du mir auch nicht." Seine rechte Hand liegt flach auf meiner Brust. "Solange dein Herz immer noch mir gehört…" Wutentbrannt packe ich sein Handgelenk, reiße es hoch und ziehe ihn dicht an mich heran. Mit einem Schrei werfe ich ihn über meine Schulter und merke schon da, dass ich mal wieder einer Illusion aufgesessen bin. Der Doppelgänger kommt auf dem Boden auf und löst sich in Rauch auf. "Scheiße!", fluche ich. Im Augenwinkel sehe ich ihn ein paar Schritte neben mir stehen. Ich atme tief ein und aus und versuche, mich zu beruhigen. Er versucht, mich zu provozieren. Es ist dumm von mir, darauf einzugehen. Der Wind weht mir die Haare ins Gesicht und ich versuche, sie zu bändigen. "Itachi", sage ich matt. Ich bin so erschöpft. Ich bin es leid, seine Spielchen zu spielen. "Was willst du?" "Ich möchte, dass du eine Entscheidung triffst." Ernst sieht er mich an. "Ob du mit mir kommen oder in Konoha bleiben willst." "Was?" Meine Stimme klingt fast schon hysterisch. Ich dachte, er hätte es nur gesagt, um mich abzulenken. Damit ich den Moment verpasse, wenn ich von Tsukiyomi wieder in die Realität stürze und er die Oberhand behält. Wie kann er sowas zu mir sagen? "Wie kannst du es wagen?", schreie ich ihn an. Auf einmal ist von meiner kontrollierten Gleichgültigkeit nichts mehr übrig. Ich werde emotional, seine Worte lösen einen Sturm der Gefühle in mir aus und ich kann nichts dagegen tun. Mein Magen zieht sich schmerzhaft zusammen und weil ich jetzt in so einem Moment keinesfalls etwas sagen will, das ich später bereuen könnte, entlade ich meinen Zorn und die Wucht meiner Gefühle auf ihn. "Du hast mich alleine gelassen! Schon zum zweiten Mal!" Ich gehe wutentbrannt auf ihn zu. "Wie kannst du es wagen, mir so ein Angebot zu machen? SPINNST DU?!" "Du hast die Wahl, Sasuke." "Hab ich die?", schreie ich. Verdammt, was ist mit mir los? Ich wollte ihn eiskalt abservieren. Ich wollte ihm zeigen, wie stark ich geworden bin. Ich wollte ihm den Ring vor die Füße werfen und wieder gehen. Alles vergessen. "Macht dir das Spaß? Macht es dir Spaß, mein Leben immer wieder völlig auf den Kopf zu stellen und mich am Ende mit nichts als Einsamkeit zurückzulassen?! Denkst du, ich falle schon wieder darauf rein? Wieso kommst du JETZT und sagst sowas zu mir?" "Ich will nicht mehr warten." "Warten worauf?" "Auf dich." Unerwartet packt er mich beim Handgelenk. Meine Fähigkeit, adäquat darauf zu reagieren, ist mir irgendwie abhanden gekommen. "Komm mit mir mit, Sasuke. Du gehörst sowieso längst mir." Keine seiner Lügen habe ich je so gehasst wie diese Wahrheit. "Lass mich", protestiere ich halbherzig. Ich weiß sehr wohl, dass ich ihm nicht geantwortet habe. Die ganze Zeit über brülle ich ihn an oder schweige oder sage ihm, er soll mich in Ruhe lassen. Aber ich bringe es nicht fertig, sein Angebot mit klaren Worten auszuschlagen. Er macht einen Schritt auf mich zu, ist mir jetzt unangenehm nah. Ich sehe tatenlos zu, wie er mit seiner freien Hand über meine Hüfte streicht, vorne über meine Brust entlang, hoch bis zu meinem Hals. Seine Fingerspitzen tasten nach meiner Halsschlagader. Auch wenn ich natürlich weiß, dass er nicht vorhat, mir etwas anzutun, fühle ich mich seltsam verwundbar, wie ich ihm diese empfindliche Stelle so einfach präsentiere. "Dein Herz rast", sagt er. "Ich habe einen harten Kampf hinter mir." Er lacht mich aus. Natürlich war es eine dämliche Lüge, aber was erwartet er denn? Soll ich zugeben, dass er schuld daran ist? Ich hasse es und ich hasse ihn. "Lass mich sofort los", sage ich düster. "Zwing mich dazu." Seine Finger gleiten unter den Kragen meines Hemdes und ziehen ihn runter. Er beugt den Kopf nach vorne und als seine Lippen meinen Hals berühren, schießt eine Welle der Erregung durch meinen verräterischen Körper. Nein! Nein, nicht schon wieder! Nicht dieses Mal! Ich stoße ihn weg, mit aller Kraft, die ich noch habe. Viel ist es augenscheinlich nicht, denn er stolpert zwar nach hinten, aber es hat nicht einmal ausgereicht, um ihn auf den Boden zu stoßen. Wie ich ihn hasse! Fast genauso sehr, wie ich ihn liebe. Er kommt wieder näher und wieder stoße ich ihn weg. Er könnte mich davon abhalten, ganz sicher. Aber er lässt zu, dass ich ihn zurückstoße, und versucht es einfach nochmal. "Mann, lass das!", schreie ich ihn frustriert an. "Hast du's nicht kapiert? Ich will dich nicht! Ich will dich nicht in meiner Nähe haben!" Ich will nach Hause. Ich will zu Naruto, will mich an seinem Lachen festhalten und begreifen, dass alles nicht ganz so schlimm ist, wie ich denke. Ich will weg von hier, alleine sein. Ich will… Ich will mit Itachi mitgehen. Ich will bei ihm sein, ich… In einem Akt der Verzweiflung werfe ich mich Itachi entgegen und versuche, nach ihm zu schlagen. Er tritt bloß einen Schritt zur Seite und mein Faustschlag geht ins Leere. Ich bin so furchtbar wütend auf ihn und noch viel wütender auf mich selbst. "Bastard!", fauche ich ihn an, um die Zeit zu überbrücken, die mein Körper braucht, um endlich wieder auf mich zu hören. Aber bevor es soweit kommen kann, verschwindet er blitzschnell aus meinem Blickfeld. Kurzzeitig denke ich hasserfüllt, dass er noch sehr viel mehr Reserven hat, als ich glaubte, dann denke ich erstmal gar nicht mehr, weil ich unerwartet von den Füßen gerissen werde und schwer auf den Rücken falle. Der Aufprall macht mich einen Moment lang benommen, zu lange, denn schon im nächsten Augenblick ist er über mir, auf mir, und drückt mich mit seinem bloßen Körpergewicht auf den Boden. "Du bist wirklich gut geworden, das muss ich anerkennen", sagt er zu mir, "aber noch fehlt es dir an bloßer körperlicher Stärke. Es war ein Fehler, dich so zu verausgaben." "Geh von mir runter!", fahre ich ihn an, und versuche blindlings, ihn im Gesicht zu treffen. Er unterbindet das, indem er meine Handgelenke packt und runter drückt. "Loslassen!", keife ich ihn an, aber selbstverständlich hat er nicht die Absicht, auf mich zu hören. Irgendwas ist anders. Ich bin wütend, nein, stinksauer, aber… aber ich glaube, ich will nicht einmal wirklich, dass er mich loslässt. Und wenn es mir klar wird, so liest er es mir in diesem Augenblick im Gesicht ab. Und schon küsst er mich brutal. Ich versuche, meine Hände hochzudrücken und mich gegen seinen Griff zu stemmen, aber er ist stärker. Ich beiße die Zähne zusammen, als er versucht, mir seine Zunge in den Mund zu schieben. Daraufhin beißt er mir schmerzhaft in die Unterlippe und ich gebe nach. Auf seiner Zunge schmecke ich mein eigenes Blut, aber es ist mir egal. Und wenn ich verbluten würde, wäre es mir völlig egal. Als ich genug davon habe, beiße ich ihm auf die Zunge und er reißt den Kopf hoch. Finster starre ich ihn an und er blickt mit undeutbarem Gesicht zurück. "Du machst es nur besser, wenn du so widerspenstig bist." So nicht! Ich schiebe meinen rechten Arm ruckartig vom Körper weg. Dadurch verliert er den Halt und fällt mir entgegen, gleichzeitig wird der ohnehin verletzte Arm bewegt und das zusammen reicht völlig, damit ich meine Handgelenke losreißen kann. Meine rechte Hand schnellt automatisch hoch, schlägt aber ins Leere, weil ich eigentlich seine Nase anvisiert hatte, er es aber rechtzeitig vorausgesehen hat und mir ausgewichen ist. Einen zweiten Versuch habe ich nicht, denn er packt mein rechtes Handgelenk und drückt es runter, presst es gegen meine Brust und ich schreie, ohne es zu wollen ein erschrockenes "Au!" weil er so fest zulangt. Ich merke sehr wohl, dass er mich mit rechts festhält. Scheint so, als hätte ich ihm ganz schön wehgetan, wenn er seinen linken Arm vorsichtshalber schont. Das heißt aber auch, ich habe eine freie Hand, wenn auch nur die Linke, und damit versuche ich, ihm irgendwie beizukommen. Ich bekomme seine Haare zu fassen und schließe meine Faust so fest darum, dass die Knöchel meiner Hand weiß hervortreten. Ich will ihn zu mir runter ziehen, denn wenn sein Gesicht nah genug an meinem ist, habe ich eine Möglichkeit, ihm wirklich übel wehzutun. Sein Griff um mein Handgelenk wird fester, als könnte er mich damit dazu bewegen, loszulassen, aber selbst jetzt nimmt er den linken Arm nicht zu Hilfe, sondern reißt schlussendlich in einem Verzweiflungsakt seinen Kopf hoch. Anschließend habe ich ein Büschel Haare und ein Haarband in der Hand. Jetzt nimmt er den linken Arm doch zu Hilfe, er packt damit mein Kinn, damit er meinen Kopf festhalten kann. Meine Hand packt zeitgleich sein Hemd. Als er sich runterbeugt, will ich ihn festhalten, wegschieben, aber stattdessen reißt sein Hemd. Es hängt irgendwie schief auf ihm, entblößt seine linke Schulter. Er küsst mich trotzdem, ebenso rücksichtslos wie vorher und ich antworte mit derselben, gewalttätigen Hartnäckigkeit. Ich weiß nicht, was wir hier machen. Mir kommt es vor, als wären wir beide entsetzlich wütend und würden das an dem anderen auslassen. Da wir gleichzeitig nicht voneinander lassen können, entsteht diese bizarre Szene. Sein Netzhemd reißt jetzt völlig, ich halte es plötzlich in der Hand und werfe es frustriert weg. Scheiß Teil. Meine Finger lege ich auf seinen rechten Arm, mit dem er mich festhält, versuche sogar, ihn zu kratzen, aber es beeindruckt ihn nicht sonderlich, nein, eigentlich sogar überhaupt nicht. Selbst als ich blutige Kratzer hinterlasse, scheint es ihn nicht weiter zu stören. Er rückt noch ein Stück auf meinen Oberschenkeln nach unten. Er lässt meine Haare los und die Finger seiner freien Hand schlüpfen in meinen Hosenbund, er macht sich allerdings nicht die Mühe, die Hose zu öffnen, sondern zieht einfach ruckartig daran, sodass der oberste Knopf fliegt und der Stoff reißt. Verdammt nochmal, die hatte mir jemand im Dorf zur Verfügung gestellt, wie erkläre ich denen, dass ich schon wieder nichts zum Anziehen habe? Daran kann ich jetzt allerdings nicht mehr denken, weil er mich wieder küsst, während er in meine Hose fasst und meine empfindlichste Stelle so grob packt, dass ich in den Kuss hinein schreie. Es fällt ihm sichtlich schwer, mich zu bändigen, weil ich mich nach wie vor nach Kräften wehre. Trotzdem versucht er, mir Hose und Boxershorts vom Körper zu zerren. Und selbst dabei gibt er sich keine Blöße und mir keine Gelegenheit, ihm seine Grobheit mit gleicher Münze heimzuzahlen. Ich bäume mich auf, will es ihm nicht so einfach machen, und komme mir dabei gleichzeitig entsetzlich lächerlich vor. Schon jetzt habe ich eine Erektion und das dürfte ihm wohl kaum entgehen, weil er nämlich darüber streift, als er mir die Shorts einfach ein Stück runter reißt. Es ist wie vor zwei Jahren. Er tut mir weh, ich liebe es. Der einzige Unterschied ist, dass ich mich immer noch zu wehren versuche, auch wenn es in der Zwischenzeit fast nur noch pro Forma ist. Er verlagert sein Gewicht wieder nach vorne, mein Oberkörper wird wieder nach hinten gedrückt. Unwillig starrt er mein Hemd an, packt es dann einfach, zieht meinen rechten Arm weg und bevor ich es verhindern kann, reißt er ruckartig an dem Hemd. Im ersten Moment werde ich am Nacken nach oben gezogen, dann gibt der Stoff nach, mein Hinterkopf knallt zurück auf den harten Boden und mein Hemd ist ebenso ruiniert wie seines. Als hätte er es mir heimzahlen wollen. Kurz lässt er meine beiden Arme los, aber ich bin noch zu beschäftigt mit dem Rumms gegen meinen Hinterkopf, um die Chance nutzen zu können. Er packt meine Hände. Seine Finger verschränken sich mit meinen, drücken so fest zu, dass ich meine, er will mir sämtliche Knochen brechen, und drückt sie neben meinem Kopf auf den Boden. "Du Arschloch! Lass mich los, du Mistkerl!" Ich werfe ihm jede Menge Beleidigungen an den Kopf, keine Ahnung was, ich schreie einfach drauf los, weil mir nichts Besseres einfällt. Er neigt den Kopf und beißt mir wirklich fest in den Hals, so lange, bis ich den Mund halte. Dann leckt seine Zunge über die blutige Bisswunde und ich stemme mich ein letztes Mal gegen seinen Griff. Kurz gibt er nach und ich denke schon, dass ich es geschafft habe, aber dann drückt er meine Arme gegen meine Brust, wo er jetzt beide Hände mit einer Hand festhalten kann. Mit der anderen fasst er mein rechtes Knie und zieht es hoch, so weit, bis es einfach nicht mehr geht. Meine Shorts habe ich noch an, die hat er bloß ein Stück runtergezogen und die schneiden jetzt unangenehm in meine Oberschenkel. Offen gesagt wird mir erst jetzt in voller Tragweite bewusst, was wir hier eigentlich tun. Für vernünftige Entscheidungen ist es längst zu spät, und ich würde im Traum nicht daran denken, ihn jetzt noch aufzuhalten, denn das würde mich zweifellos wahnsinnig machen. Offenbar habe ich in meiner Wut nicht mitbekommen, dass er zumindest mal seine Hose aufgemacht hat, weil ich jetzt nämlich sehr nacktes, heißes, feuchtes, hartes Fleisch an meinem Arsch spüre und ich begreife, was mir bevorsteht. Ganz kurz hält er inne und sieht mich an. Ich erwidere den Blick feindselig, keuche, atme, und stoße dann zwischen zusammengepressten Zähnen hervor: "Du verfickter Bastard." Ein Ruck geht durch meinen Körper, als er ohne weitere Warnung in voller Länge in mich eindringt. Eine Sekunde lang fühle ich gar nichts, dann werfe ich den Kopf in den Nacken, im ersten Moment regelrecht entsetzt von dem Schmerz, der in meinem Kopf bloß noch eine harmlose Erinnerung war. Im ersten Moment stockt mir wirklich der Atem, ich kann keinen Laut von mir geben. Das hier ist anders als die Male vorher. Er nimmt keine Rücksicht mehr, im Gegenteil, er tut mir mit Absicht weh. Er zieht sich fast zur Gänze aus mir zurück und stößt sich dann erneut in mich hinein und jetzt geht das mit dem Atmen wieder. Und mit dem Schreien. Ich schreie vor Schmerz, aber nicht nur deswegen. Selbstverständlich nimmt er auf mich keine Rücksicht, sondern findet sehr schnell zu einem harten, raschen Rhythmus. Er geht zu weit, ich hätte so schon Probleme, mich an dieses Gefühl wieder zu gewöhnen, aber so ist jeder Stoß Agonie und pures Vergnügen zugleich. Der Schmerz macht es besser, der Schmerz und das unerträgliche Gefühl, zu eng zu sein und mich vor jedem neuen Stoß zu fürchten. Viel besser als es sein könnte, wenn er zärtlich wäre. Mein Bein schlinge ich jetzt um seine Taille, so fest es nur geht, und recke ihm mein Becken entgegen. Er packt wieder meine Hände, unsere Finger verschränken sich ineinander und er drückt sie zu Boden. Es geht so furchtbar schnell, am liebsten wäre es mir, diesen Augenblick noch ein wenig hinauszögern zu können, aber es ist das erste Mal seit zwei Jahren, ich hab's wirklich dringend nötig und absolut nicht die Nerven, den Akt irgendwie in die Länge zu ziehen. Er beugt sich ein kleines Stück weiter runter, so als würde er meine Gedanken lesen, und jetzt reibt sein Bauch bei jeder Bewegung sich an meinem Glied und das ist es schlussendlich, was mich die Kontrolle verlieren lässt. Ich lasse mich einfach gehen und mit einem fast verzweifelt gekeuchten "Itaah–" werde ich von einem irren Orgasmus überrollt. Ich bin ein paar Sekunden überhaupt nicht bei Sinnen und kriege deshalb kaum mit, wie Itachi nachzieht und sich mit einem leichten Stöhnen in mir ergießt. Die kühle Nachtluft auf meinen erhitzten Wangen ist das erste, was danach wieder wirklich zu mir vordringt. Ich liege auf kaltem Stein. Und Itachi ist auf mir und immer noch in mir. Jetzt werden meine Arme und Beine schlapp und mein Bein sinkt von ihm runter. Er lässt endlich meine Hände los, aber ich lasse meine Arme einfach liegen, wo sie sind, viel zu erschöpft um mich groß zu bewegen. Mein Bruder wiegt schwer auf mir, das Gesicht hat er an meinen Hals gedrückt, wo ich seinen heißen Atem spüre. Ich liege einfach flach auf dem Rücken, die Arme von mir gestreckt, und starre in den wunderschönen Nachthimmel. Seine Hand liegt auf meiner Wange und mit dem Daumen streichelt er mich sacht. Das passt gar nicht zu ihm. Andererseits ist er ja immer zärtlich, nachdem er mir wehgetan hat. Und weh hat es allerdings getan. Bloß schlimm war's nicht, ganz im Gegenteil. Ich habe seinen einzigartigen, vertrauten Geruch in der Nase. Ich spüre seinen Herzschlag. Ich höre ihn atmen. Es ist schön, ihm so nahe zu sein, das gebe ich zu. Der Sternenhimmel über uns ist triefend kitschig romantisch. Passt nicht so ganz zu der brutalen Szene, die wir abgeliefert haben. Eine ganze Weile bleiben wir so liegen und in dieser Zeit werde ich wieder so einigermaßen klar im Kopf. Eigentlich bin ich schön blöd, diesen Mist hier wieder von vorne anzufangen. Bescheuert, schon wieder zu riskieren, verletzt zu werden, bloß für ein bisschen Sex. Andererseits kann ich nicht bedauern, was wir da getan haben. Und es fühlt sich auch nicht wie eine zweite Runde in diesem Teufelskreis an. Ich bin ihm emotional jetzt nicht näher als vorher. Vielleicht wäre es schlimmer gewesen, wenn wir geredet hätten, wenn er von mir eine Antwort auf sein Angebot erzwungen hätte. Es war einfach bloß geil, Stressabbau sozusagen. Dass er diesen Stress hervorgerufen hat, ist dabei unerheblich. Nun endlich geht er von mir runter und ich vermisse es, das Gefühl, mit ihm eins zu sein, von ihm sozusagen erfüllt zu sein. Das ist ein bisschen schade, aber nicht zu ändern. Ich bin froh über meinen momentanen Gemütszustand. Ich bin nicht mehr so kalt wie ganz am Anfang, nicht so teilnahmslos und gleichgültig, aber so emotional und an ihn gebunden wie vor zwei Jahren bin ich auch nicht. Ich habe es geschafft, eine gewisse gefühlsmäßige Distanz zu ihm zu wahren und darauf bin ich stolz. Ich setze mich auf und sehe mich um. Direkt neben mir liegen die zerfetzten Reste von Itachis Hemd. Die benutze ich, um mich so gut es geht sauber zu wischen. Mir mein eigenes Sperma vom Bauch zu wischen ist nicht unbedingt der angenehmste Zeitvertreib, aber dass ich es mit Itachis Hemd mache, versüßt mir die Aufgabe etwas. Anschließend werfe ich es achtlos weg und sehe mich träge nach meinen Klamotten um. Die Hose finde ich in meiner Reichweite. Er hat sie ruiniert, auf dem Weg zurück werde ich sie festhalten müssen, damit sie mir nicht runterrutscht. Wenigstens sind die Shorts noch intakt, die ich mir jetzt wieder hoch ziehe. Irgendwie finde ich es anstößig, dass er sich nicht mal die Mühe gemacht hat, sie mir auszuziehen. Während ich mich anziehe, beobachtet er mich aufmerksam. Anschließend begutachte ich das Hemd, das ich anhabe. Vorne ist es der Länge nach aufgerissen. Achselzuckend entscheide ich, dass das jetzt ohnehin nicht mehr zu ändern ist. Mein Schwert liegt neben mir, damit hätte ich dann alles. Ich werfe Itachi einen Blick zu und überlege, ob es noch irgendetwas zu sagen gibt. Aber ich wüsste nicht, was. "Machs gut"? Nein, das wäre lächerlich. Fragen habe ich auch keine mehr. Ich weiß, wie er mich gefunden hat. Jedes weitere Wort an ihn wäre Verschwendung. "Du gehst schon?", fragt er matt. "Ja", antworte ich unwillig. Ich versuche, aufzustehen, aber er setzt sich auf und hält mich am Arm fest. "Was ich gesagt habe, meine ich ernst", sagt er zu mir. "Komm mit mir mit, Sasuke." "Ist das die Belohnung, die du für Narutos Rettung forderst?" Ein ganz kleiner Teil von mir wünscht sich, dass er ja sagt. "Nein. Ich möchte, dass du freiwillig mitkommst." Ich kann nicht leugnen, dass ich es gerne tun würde. So gerne würde ich alles hinschmeißen und einfach mit ihm gehen, egal wie ungewiss meine Zukunft dann wäre. Es wäre so schön, wieder bei ihm zu sein, wenn wir wieder alle halbe Stunde unanständige Dinge miteinander anstellen könnten, wenn ich einfach ihm die Führung überlassen könnte. Es wäre schön, alte Gefühle neu aufleben zu lassen, wenigstens für eine Weile ihn einfach nur bedingungslos lieben zu können. Bis er mich wieder verlässt. Nein, nochmal bin ich nicht so blöd. Lächelnd tippe ich ihm mit zwei Fingern an die Stirn. "Verzeih mir, Itachi. Ein anderes Mal vielleicht." Er ist von meiner Reaktion sichtlich überrascht. Noch immer mit einem Lächeln auf den Lippen drehe ich mich um und springe vom Kopf der Statue nach unten. Ich komme auf dem Boden auf und gehe los. Langsam, denn jede Bewegung jagt einen zwar erträglichen, aber nervtötenden, stechenden Schmerz durch mein Inneres und außerdem muss ich, wie ich es mir gedacht hatte, meine Hose festhalten, damit sie nicht rutscht. Nach ein paar Metern drehe ich mich nochmal zu ihm um und sehe seine Silhouette im Mondlicht, sehe, dass er mir hinterher sieht. Ob ihm dieser Abschied so schwer fällt wie mir der Abschied vor zwei Jahren? Sicherlich nicht, aber ich habe doch das Gefühl, dass diesmal er derjenige ist, dem es mehr ausmacht. Ich sehe wieder nach vorne und nun kommt mir doch die Frage, wie zum Teufel ich das Naruto erklären soll. Im Hotel schleiche ich mich so leise wie nur irgend möglich ins Zimmer. In der Dunkelheit höre ich Naruto schnarchen. Ausgezeichnet. Wenigstens kann ich duschen, bevor ich ihm seine Fragen beantworten muss. Gerade greife ich nach der Klinke, da geht das Licht an und Naruto sitzt aufrecht und sehr wach im Bett. Und er starrt mich äußerst wütend an. Ach, Mist. "Du hast dich doch mit ihm getroffen", sagt er vorwurfsvoll. "Hab ich. Und?" Er mustert mich von oben bis unten. "Was hat er mit dir gemacht?", fragt er. Ich spüre, wie die Wut in ihm hochkocht. "Ich habe gegen ihn gekämpft", antworte ich fast vergnügt. "Hä?" "Gekämpft und nicht verloren. Deshalb sehe ich auch vielleicht ein bisschen mitgenommen aus. Keine Sorge, es geht mir bestens." Meine Laune ist tatsächlich ganz hervorragend, obwohl er mich erwischt hat. Auf einmal erscheint mir die ganze Sache in einem völlig anderen Licht. Ich bin gar nicht Itachis Opfer. Ich bin ihm ebenbürtig. Ich habe mich nicht benutzen, beschmutzen lassen, weder jetzt noch vor zwei Jahren, sondern ich habe getan, wonach mir ist. "Was ist mit deinem Hemd passiert?" "Im Kampf kaputtgegangen", antworte ich achselzuckend. Narutos Augen verengen sich zu Schlitzen. "Du hast da eine Bisswunde am Hals." "Und?" Nichts kann meine Stimmung trüben. "Ich geh erstmal duschen. Geh ruhig wieder schlafen." Ich öffne die Badezimmertür, komme aber nicht sehr weit, weil er aufspringt und mich am Arm packt. Unwillkürlich zucke ich zusammen und dann verzieht er das Gesicht. "Uh du liebe Güte, was ist denn mit dir passiert? Du riechst nach… nach…." Die blauen Augen werden riesengroß und augenblicklich, so als hätte er sich verbrannt, lässt er mich los. "Ich gehe duschen, kapiert? Danach kannst du mir auf die Nerven gehen." Ich knalle die Tür von innen zu und freue mich wirklich auf eine heiße Dusche. Als ich zurück ins Zimmer komme, fühle ich mich unheimlich erfrischt und gut. Naruto sitzt im Schneidersitz auf seiner Seite des Bettes und mustert mich, als wäre ich ein Schwerverbrecher. Ich gehe an ihm vorbei und umrunde das Bett. "Du humpelst", sagt er zu mir. Ah, nicht ganz. Ich habe nur leichte Schmerzen beim Gehen, weil mein Bruder mich… Egal. Das sag ich besser nicht laut. "Geht’s dich was an?" "Sagst du mir jetzt, was genau passiert ist?" "Was gibt’s da zu sagen? Ich bin doch hingegangen, weil mir eingefallen ist, wie Itachi uns gefunden hat. Ich hab mit ihm geredet, dann haben wir gekämpft, es gab ein Unentschieden und Ende." "Und wann genau hat er dich gebissen?" Wütend stiere ich ihn an. "Was willst du von mir hören?" "Die Wahrheit!" "Das ist die Wahrheit." Er fängt wirklich an zu nerven. Wieso hab ich das Gefühl, mich vor ihm rechtfertigen zu müssen? "Ehrlich, wenn ich es nicht besser wüsste… wenn ich nicht wüsste, dass du nicht so krank im Kopf bist…" "Dann was?", fahre ich ihn an. "Sag schon!" Entnervt schüttelt er den Kopf. "Merkst du eigentlich nicht, wie du dich veränderst, sobald dein Bruder auftaucht? Du hast ihn gestern wiedergesehen und schon bist du wieder der alte, missgelaunte Mistkerl." "Ich muss dich enttäuschen, meine Laune ist sogar ziemlich gut. Und ich rate dir, sie mir nicht zu verderben." "Und du findest es normal, dass du dich deinen Freunden gegenüber so benimmst, wenn du gut gelaunt bist?" Erst setze ich zu einer bösen Antwort an, lasse es aber dann doch bleiben. Er hat schon Recht. Sakura und er haben mich in den letzten zwei Jahren immer unterstützt. Und kaum taucht Itachi wieder auf, bin ich so kalt zu Naruto. Als hätte er nicht mehr das Recht, an meinem Leben teilzuhaben. Ich muss mich zusammenreißen. Itachis Anwesenheit hat immer nachhaltige Auswirkungen auf mich und mein Leben, und dabei wollte ich genau das vermeiden. Naruto ist mein bester Freund, er ist mir wie ein Bruder, mehr als Itachi das je war. Das darf ich nie vergessen. "Entschuldige. Es ist die Wahrheit, ich habe gegen ihn gekämpft. Was die Bisswunde anbelangt, ich möchte nicht darüber sprechen. Es ist nicht wichtig, ich habe Itachi klargemacht, dass er mich in Frieden lassen soll." "Das ist gut. Trotzdem verstehe ich nicht, warum du es mir nicht erzählst. Wenn du gegen ihn nicht verloren hast… wobei mir eh schleierhaft ist wie ein Unentschieden bei euch beiden aussehen soll… Ich meine… weißt du, ich verstehe überhaupt nichts mehr. Du verschwindest mitten in der Nacht, um dich mit ihm zu treffen, und du kommst zurück und siehst aus als ob… als… ob…" Ungeschickt sucht er nach dem richtigen Wort und wird dabei ganz rot um die Nase. Ich muss fast lachen, halte mich aber zurück. Ich sehe Naruto an und sehe auf einmal die Sorgen, die er sich um mich gemacht hat. Und ich sehe die vielen Male, wo er für mich da war und die bedingungslose Freundschaft, die er mir geschenkt hat. "Irgendwann sag ich es dir", verspreche ich. "Nur noch nicht jetzt. Ich kann noch nicht. Okay?" "Okay." Wir legen uns wieder hin, ich mich einfach splitternackt, weil ich auf die zerfetzten, nach Sex und Blut und Itachi stinkenden Sachen keine Lust habe, und nachdem Naruto das Licht ausgemacht hat, merke ich erst, dass ich hellwach bin. Mir wird klar, dass dieser Tag so völlig anders ausgegangen ist, als ich es erwartet habe. Als ich zu Itachi gegangen bin, da wollte ich ihm bloß den Ring vor die Füße werfen und wieder gehen. Der Ring. Ich hatte es schon fast vergessen. Ich hab ihn nicht mehr. Es ist fast schade. Ja, es war sein Besitzstempel, das Zeichen, das mich als sein Eigentum gebrandmarkt hat, und dennoch finde ich es bedauerlich, dass ich ihn nicht mehr habe. Er muss ziemlich aus seiner Rolle als finsterer Bösewicht gefallen sein, als er den Oto-Nin nach Orochimarus Tod den Ring gezeigt und ihnen gesagt hat, sie sollen seinem Träger kein Haar krümmen. Wenn es so war, hatte er schon lange geplant, ihn mir zu geben. Und mich zu verlassen. Naja, es sollte mich nicht überraschen. Und trotzdem bittet er mich jetzt, mit ihm zu kommen. Wohin eigentlich? Als ich geantwortet habe, war ich nicht so recht in der Lage, groß darüber nachzudenken. Mein Herz wäre ihm überallhin gefolgt, ohne nachzufragen, und mein Verstand wollte es ihm bloß heimzahlen und ihn einmal abservieren. Letzteres ist mir jedenfalls gelungen. Ich hoffe, es bleibt ihm noch lange im Gedächtnis, dass er seinen Willen nicht bekommen hat und ich ihn mit seiner eigenen Geste und seinen eigenen Worten abgewiesen habe. Aber wohin sollte ich denn nun mitkommen? Itachi hat kein zu Hause, oder? Wobei, er hatte zwei Jahre Zeit, sich ein neues Haus zu suchen und die Bewohner abzuschlachten. Wollte er mich wieder an so einen Ort bringen? Danke, ich verzichte. Und es ist auch egal. So oder so, er hätte mich mitgeschleppt, die ganze Geschichte hätte sich wiederholt und am Ende hätte er mich weggeworfen wie ein Stück Abfall. Es war gut, ihn abzuweisen. Was würden wir miteinander auch anfangen? Vielleicht sind wir deshalb heute schon wieder so gierig übereinander hergefallen. Wir haben uns nichts zu sagen, das einzige, was wir können und wie wir unsere Sehnsucht, beieinander zu sein, ausdrücken können, ist Sex. Wir hätten eigentlich übel Bedarf, miteinander zu reden, und was tun wir stattdessen? Wir treiben es auf dem Kopf der Statue unseres Urahnen. Wir sind ganz schön erbärmlich, alle beide. Aber ich bedaure es nicht und das ist gut. Ich mache mir keine Vorwürfe, ganz im Gegenteil, ich habe das Gefühl, endlich mal was richtig gemacht zu haben. Es wäre schön, wenn ich glauben könnte, dass ich mich heute endgültig von ihm befreit habe. Aber da ist noch meine Schuld, die ich begleichen muss. Er wird sie einfordern, ganz sicher. Aber vielleicht, hoffentlich, nicht allzu bald. XVII. I am sorry that you're gone --------------------------------- Ich habe irre Schmerzen. So schlimm war es noch nie, ich werde geschüttelt von Muskelkrämpfen und es gibt nichts, was ich dagegen tun kann. Ich wusste, dass es so kommen würde und es ist der Preis für den Beinahe-Sieg, den ich Itachi abgerungen habe. Aber jetzt gerade wünschte ich, ich wäre im Fluss ertrunken, dann müsste ich diese Qualen nicht mitmachen. Klugerweise habe ich mich, als es anfing, ins Bad verkrochen und ich kauere jetzt am Boden neben der Duschkabine, während Naruto im Zimmer immer noch friedlich vor sich hin schnarcht. Mein Körper zittert, ich habe Schweißausbrüche und verfluche Itachi, weil es allein seine Schuld ist, dass es mir jetzt so ergeht. Bei allem was mir heilig ist, schwöre ich, dass ich Chidori nie, nie mehr einsetzen werde. Die Zeit scheint rückwärts zu laufen. Ich weiß, dass es vorbeigehen wird und ich nur noch eine Weile aushalten muss. Aber es ist grauenhaft und das Schlimmste ist, dass ich nicht mehr weiß, wofür ich das mitmache. Vielleicht ist mein Verstand vernebelt durch die Schmerzen, aber jetzt in diesem Augenblick empfinde ich es so, dass die Krämpfe zwar in Kürze vorbeigehen werden, es sich aber eigentlich gar nicht so wirklich lohnt, darauf zu warten. Das Hochgefühl, das ich kurz nach meiner Rückkehr hatte, hat sich längst in Nichts aufgelöst. Was erwartet mich in Zukunft? Ich werde mit Naruto zusammen nach Hause zurückkehren. Werde mich in mein altes Leben wieder einfügen und… ja, und dann? Mein Leben in Konoha erscheint mir auf einmal öde und leer. Woran das liegt, weiß ich momentan noch nicht. Aber ein Zufall ist es bestimmt nicht. Wieder einmal hat Itachi, ob nun mit Absicht oder nicht, mein Leben auf den Kopf gestellt. Auf einmal ist es mir völlig egal, ob ich in mein Dorf zurückkehre oder nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es dort noch irgendetwas gibt, was mich glücklich machen kann. Ich wollte ein Anbu werden. Aber wozu eigentlich? Ist es das wert, darauf hinzuarbeiten? Ich lehne meinen Kopf an die Wand und schließe die Augen. Eigentlich bin ich ein Ninja, der gar kein Interesse daran hat, einer zu sein. Mein Leben ist furchtbar leer. "Sasuke?!" Naruto steht plötzlich in der Tür und starrt mich ganz entsetzt an. Er kniet sich bei mir hin und sieht ziemlich hilflos aus, weil er nicht weiß, was mit mir los ist und was er tun soll. "Sasuke, was ist denn los? Bist du jetzt völlig verrückt geworden?" Wo er das so sagt, wird mir bewusst, dass ich splitterfasernackt hier sitze. Er lag aber auch halb auf meiner Bettdecke, die hätte ich nicht wegziehen können, ohne ihn zu wecken. Ich grinse ihn schief an und an seinem Gesicht kann ich recht deutlich ablesen, dass er glaubt, ich hätte nicht mehr alle Tassen im Schrank. Dass es mir wirklich schlecht geht, begreift er erst einen Moment später. Er kniet sich bei mir hin und legt die Hand auf meine Stirn. "Hast du Fieber?", fragt er hilflos. "Warte, ich hole einen Arzt!" Ich packe ihn am Arm, bevor er aufspringen kann und halte ihn zurück. "Lass gut sein", sage ich mühsam. "Es geht vorbei." "Aber was hast du denn?" "Das sind die Nachwirkungen des Kampfes. Fiese Muskelkrämpfe." Ich ächze, als sich die Muskeln in meinem linken Oberschenkel wie aufs Stichwort verkrampfen. Ich warte, bis es vorbeigeht, und füge hinzu: "Sehr schmerzhaft aber nicht gefährlich." Ein Arzt könnte mir nicht helfen, jedenfalls keiner in diesem Dorf. Höchstens ein Medic-Nin und da dies hier kein Shinobi Dorf ist könnten die hiesigen Ärzte mir höchstens irgendein Schmerzmittel spritzen und von bewusstseinsverändernden Drogen habe ich erstmal die Nase voll. Naruto verschwindet kurz und als er zurückkommt, hat er die Decke in den Händen. Nicht gerade sanft zieht er mich von der Wand weg und legt mir die Decke so einigermaßen um die Schultern. Erst da merke ich, dass ich überhaupt friere. Mit jedem neuen Krampf kriege ich Schweißausbrüche, darum fühlte ich mich eigentlich eher zu heiß als zu kalt. Aber die Decke ist wunderbar warm und ich ziehe sie mir enger um den Körper. "Du bist so ein Idiot!", schimpft er mit mir. "Wieso weckst du mich nicht?" "Du kannst mir auch nicht helfen." "Aber dafür sorgen, dass du dir hier nicht den Tod holst!" Er legt die Arme um mich und zwingt mich, aufzustehen. Das ist fast mehr, als ich jetzt gerade schaffen kann. Es tut so weh. Aber mit seiner Hilfe humple ich zurück in das Zimmer und beschwere mich nicht, als er mich aufs Bett bugsiert. Ich setze mich erstmal, ziehe die Beine auf das Bett und unter die Decke, und versuche, tief und gleichmäßig zu atmen. Jetzt gerade hasse ich mein Leben wirklich. Immer bin ich derjenige, der leiden muss. Naruto läuft unruhig vor dem Bett auf und ab, augenscheinlich überlegt er, was er tun kann und ihm fällt nichts ein. Immer wieder bleibt er stehen und schaut mich aus großen Augen hilflos an. Seine Unruhe bewegt mich. Ich weiß noch, als ich das letzte Mal diese Schmerzen hatte. Da saß ich auch im Bad und versuchte, allein damit klarzukommen. Itachi verstand etwas mehr davon, meine Schmerzen zu lindern, aber am Ende hat er meinen Zustand bloß ausgenutzt, um mich zu betatschen. Dass ich leide, war ihm egal, oder vielleicht gefiel es ihm sogar, mir dabei zuzusehen. Aber Naruto macht es offenbar fast verrückt, mich so zu sehen. Ich wünschte, er wäre nicht wach geworden. Naja, andererseits bin ich schon für die Decke unheimlich dankbar. Irgendwann wird es ihm zu bunt, er schaut mich total ernst an und fragt: "Bist du sicher, dass du keinen Arzt brauchst? Du zitterst!" "Ich sag doch, das ist schon okay", versichere ich. "Es geht vorbei." Frustriert setzt er sich neben mich und ich bin erstaunt, als er mich umarmt. Anscheinend in der Absicht, mich zu wärmen, drückt er mich und ich schmunzle über seine schlichte Geste. Nein, ich bin doch froh, dass er wach geworden ist. Mag sein, dass er es selber gar nicht merkt, aber seine Gegenwart vertreibt die bösen Gedanken wie von selbst. Er strahlt immer so einen Optimismus aus, gegen den ich sonst eigentlich größtenteils immun bin, der mir jetzt gerade aber trügerische Hoffnung gibt. Ich lege eine zitternde Hand auf sein Haupt und wuschle wie bei einem kleinen Kind durch das dichte, blonde Haar. "Dummkopf", sage ich leise und meine es wirklich nicht böse, ganz im Gegenteil. Naruto ist so ziemlich das genaue Gegenteil meines Bruders. Wo bei Itachi Finsternis ist, umgibt ihn eine Aura des Vertrauens und der Zuversicht. Naruto trägt seine Gefühle immer offen zur Schau, während Itachi sich in Geheimnisse hüllt. Mein Bruder liebt es, wenn ich leide, Naruto hasst es. Manchmal wünschte ich, ich hätte mich in Naruto verliebt. Dann wäre alles viel einfacher. Ich hatte doch mal solche Gefühle für ihn, aber das ist so lange her. Ob er sie nun erwidern würde oder nicht, ich hätte tausendmal lieber seinetwegen Liebeskummer, als den Schmerz über Itachis Weggang nochmal zu spüren. Ich wünschte, ich würde ihn anstelle von Itachi so von Herzen lieben. In meinem Kopf ist alles irgendwie verdreht. Naruto ist der, für den ich wie ein Bruder empfinde. Und Itachi der, nach dem ich mich verzehre. "Versuch doch, zu schlafen", schlägt er hilflos vor. "Mh", brumme ich unwillig. "Los doch. Ich bin müde und ich sitze hier sicher nicht die ganze Nacht so rum", motzt er. "Keiner zwingt dich dazu." Er lässt mich los. "Du zwingst mich dazu. Ich kann doch hier nicht schlafen, während es dir so schlecht geht." Er schiebt die Unterlippe vor. "Obwohl du es dir ja selber zuzuschreiben hast." "Blödmann." "Sturkopf." Ich gebe nach und tue ihm den Gefallen. Sehr umständlich lege ich mich hin, lege mich auf die Seite, krümme mich zusammen und ziehe die Decke ganz eng um meinen Körper. Damit ist er wohl zufrieden, er holt sich meine Decke und legt sich auch wieder hin, zu mir gewandt. Ich starre ihm ins Gesicht und versuche, mich auf ihn zu konzentrieren und nicht auf die Schmerzen. Langsam wird es besser, ich denke, das Schlimmste habe ich schon überstanden. "Ist dir noch kalt?", fragt er. "Nicht wirklich, nein." Eher zu heiß. Er rutscht näher an mich heran. "Wenn doch dann wärme ich dich, klar?" Und kleinlaut fügt er hinzu: "Es wär mir allerdings lieber, du hättest dir wenigstens irgendwas angezogen." Ich muss fast lachen. Er ist so ein kindischer Idiot. "Lass gut sein", gebe ich amüsiert zurück. "Ich werde schon nicht erfrieren, es ist warm genug hier drin. Und die Decke hab ich auch noch." Meine Arme verkrampfen sich und ich kneife die Augen zu. Als es abgeebbt ist, sehe ich ihn wieder an und bitte ihn: "Erzähl mir irgendwas." "Was denn?" "Ganz egal." Er fängt an, zu erzählen. Eigentlich höre ich gar nicht zu, er erzählt etwas von der Zeit, als ich nicht im Dorf war, über den Blödsinn, den er gemeinsam mit Konohamaru angestellt hat. Ich denke darüber nach, was Itachi wohl dazu sagen würde, wenn er uns so sehen könnte. Ich habe keine Ahnung, was er denken würde. Als ich ihn fragte, ob er eifersüchtig sei, da habe ich bloß geraten; ob es nun wirklich stimmt oder nicht, weiß ich nicht. Ich lausche dem Klang von Narutos Stimme und während die Krämpfe allmählich nachlassen, fallen mir die Augen zu und ich drifte schlussendlich doch noch ab in einen leichten Schlaf. Als wir zu Hause ankommen, wird, wie erwartet, ein Riesenwirbel darum gemacht. Als erstes springt Sakura mir quasi entgegen, fällt mir um den Hals, quetscht so ziemlich alle blauen Flecken, die ich am Körper habe und freut sich wortreich über meine gesunde Heimkehr. Bis ich sie abgeschüttelt habe, hat dann auch schon jemand Tsunade verständigt und ich werde zu ihr ins Büro zitiert, noch bevor ich überhaupt nach Hause gehen kann. Es missfällt mir, dass ich ihr in meinem Aufzug entgegentreten muss, aber eine Wahl habe ich nicht. Ich bin zwar nicht als Verräter aus dem Dorf gegangen, aber sie will sicher wissen, was ich denn nun herausgefunden habe. Eigentlich überrascht mich nur, dass sie Naruto auch gleich zu sich bestellt. Ehrlich gesagt habe ich mir bislang keine Gedanken darüber gemacht, unter welchen Umständen er das Dorf verlassen hat und ob er denn eigentlich die Erlaubnis von ihr hatte. Sie will zuerst mit ihm sprechen und zwar alleine. Ich muss draußen warten und während ich mir vor ihrer Bürotür die Beine in den Bauch stehe und für alle Vorbeikommenden offenbar einen sehr interessanten und unterhaltsamen Anblick biete, sinkt meine Laune auf den Nullpunkt. Ich bin ein Idiot. Ich hätte mich mit Naruto absprechen müssen und ihm einbläuen sollen, dass er ihr nicht alles haarklein erzählt. Die alte Schachtel muss nicht alles wissen und ich denke nicht, dass es mir besonders viele Pluspunkte einbringen wird, wenn sie hört, dass ich mich allein mit Itachi getroffen habe. Nun, es ist nicht mehr zu ändern und nach fast einer halben Stunde kommt Naruto dann auch endlich aus ihrem Büro und ich bin als Nächster an der Reihe. Sie sitzt mit ernstem Gesicht am Schreibtisch und bevor sie irgendetwas sagt, mustert sie mich erstmal. Wieder mal habe ich Sachen an, die mir nicht passen und wieder mal habe ich verräterische Spuren am Körper. Ich möchte eigentlich lieber nicht wissen, was sie gerade von mir denkt. Im Grunde ist es mir egal, aber sie ist das Oberhaupt des Dorfes und ich bin zu einem großen Teil von ihrem Wohlwollen abhängig. Schlussendlich bietet sie mir dann doch einen Stuhl an und weil ich noch nicht ganz auf der Höhe bin, setze ich mich. Sie faltet die Hände und sagt: "Na dann. Was ich bereits weiß ist, dass Itachi Uchiha noch lebt. Dass ihr beide euch von den Oto-Nin habt gefangen nehmen lassen, dass er euch da rausgeholt hat und dass du dich mit ihm getroffen hast. Und zwar alleine." Na großartig. "Ja. Und?" "Ich denke nicht, dass ich dir sagen muss, wie dämlich ihr euch verhalten habt. Ihr hättet getötet werden können und es ist ganz sicher nicht euch zu verdanken, dass ihr zwei noch lebt." "Nein, ist es wirklich nicht. Sondern meinem Bruder." Dass ich etwas Falsches gesagt habe, merke ich daran, dass ihr Blick sehr, sehr missgelaunt wird. "Genau das macht mir Sorgen. Naruto konnte mir keine wirklich gute Erklärung für sein Auftauchen oder sein Handeln geben. Kannst du es?" "Nein." "In deinem eigenen Interesse, Sasuke, solltest du mir besser die Wahrheit sagen. Uchiha Itachi ist ein Killer und wenn er solche Anstrengungen unternimmt, um dich zu retten, dann ist das verdächtig." Ich starre sie düster an. Diese dumme, alte Frau. Sie weiß überhaupt nicht, wovon sie spricht. "Vor zwei Jahren habe ich dir eine Chance gegeben. Ich hoffe, ich habe damals keinen Fehler gemacht." "Was soll das heißen?" "Du hast dich mit ihm getroffen, alleine. Naruto würde die Hand dafür ins Feuer legen, dass du ihn bekämpft hast, aber gesehen hat er es nicht." Ihr Blick wandert zu meinen Handgelenken, die über Nacht grün und blau geworden sind. "Ich will dir nicht Unrecht tun. Warum du so dumm wärst, zu ihm zu gehen, wenn das passiert ist, was ich eigentlich immer vermutet habe, weiß ich nicht. Aber ich frage dich: hat Itachi dir Gewalt angetan? Jetzt oder vor zwei Jahren?" Ich schnaube abfällig. Das ist die brillante Schlussfolgerung, zu der sie gekommen ist? Das ist ja lachhaft. Gut, mag sein dass ich vor zwei Jahren ein bisschen danach ausgesehen habe. Aber wie sie schon sagte, wäre ich dann wohl kaum so blöd, nochmal zu ihm zu gehen, um nochmal mit ihm allein zu sein. Ich sehe ihr direkt in die Augen und antworte: "Nichts was Itachi letzte Nacht getan hat, hat er gegen meinen Willen getan." Es ist Absicht, dass ich ihr so kryptisch antworte. Sie kann mir nichts beweisen und es gibt ja auch nichts zu beweisen. Was ich mit Itachi tue oder nicht tue, hat sie nichts anzugehen. "Ist das so?" Sie wirkt fast enttäuscht über meine Antwort. Wäre es ihr lieber gewesen, ich hätte sie angelogen? "Sasuke, das ist ein ernstes Problem. Ich kann nicht glauben, dass Itachi dich aus Selbstlosigkeit rettet." So langsam dämmert mir, worauf das hinausläuft. Und es macht mich wirklich wütend. "Dann sag doch einfach, was du wirklich denkst! Tsunade-sama!" "Ich denke, dass die Möglichkeit besteht, dass du dich mit Itachi verbündet hast. Ich habe keine Ahnung, warum du sowas tun würdest, aber die Tatsachen sprechen für sich. Irgendwas ist an der Geschichte faul und ich muss zumindest die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass du dich mit einem Nuke-Nin, einem Mörder und Abtrünnigen, zusammengetan hast." Sie macht eine Pause. Vielleicht wartet sie darauf, dass ich es abstreite. Aber ich will erst wissen, was sie noch zu sagen hat. "Niemand war dabei, als du ihn getroffen hast. Wenn ich glauben muss, dass du dem Dorf gegenüber nicht mehr loyal bist, dann kann ich es nicht verantworten, dich zu einem Anbu zu ernennen." Von ihrer Warte aus ist das sogar durchaus verständlich. Allein der Verdacht reicht aus, um meine Beförderung zu kippen, denn die Anbu werden mit so heiklen Missionen betraut, dass man es sich nicht erlauben kann, potentiell gefährliche Leute einzustellen. Ich denke darüber nach und stelle fest, dass es mir egal ist. Vor kurzem habe ich mich noch darauf gefreut, auf die neue Herausforderung und darauf, endlich wieder richtige Missionen zu absolvieren. Ich konnte es nicht erwarten, meine Kräfte mit den stärksten Gegnern zu messen. Das war mein Antrieb. Der ist mir irgendwie abhanden gekommen. Ich habe mich mit dem Besten gemessen und nicht verloren. Was bleibt da noch? Itachi war und ist mein großes Ziel. Ich will schon lange keine Rache mehr, aber ich wollte ihn erreichen. Jetzt, wo ich das beinahe geschafft habe, ist es mir egal, was mit meiner Karriere als Ninja passiert. Der Form halber sage ich zu ihr: "Ich arbeite nicht mit Itachi zusammen. Ich habe mich weder mit ihm verbündet, noch würde ich je etwas tun, was dem Dorf schaden könnte." Das stimmt so nicht ganz. Das Dorf ist mir völlig egal. Aber wenn ich so etwas tun würde, würde ich damit auch Naruto und Sakura schaden, und das ist es, was ich nicht will. In ihren Augen sehe ich, dass sie mir nicht glaubt. Es ist absurd. Wirklich, was sie denkt ist total an den Haaren herbeigezogen. Glaubt sie, Itachi und ich planen einen Raubzug durch das Dorf als mordendes Geschwisterpaar? Selbst wenn ich mich mehr ihm als dem Dorf verpflichtet fühlen würde, hat er überhaupt kein Interesse daran, ihr oder den armen Gestalten, mit denen sie sich umgibt, zu schaden. Er ist – und zwar dank mir! – kein Mitglied der Akatsuki mehr, das bedeutet, dass er auch nicht mehr hinter Naruto her ist. Ach was. Ich werde sie nicht überzeugen können und ich will es eigentlich auch gar nicht. Soll sie glauben, was sie will. "War’s das?", frage ich. "Jetzt sei nicht so trotzig. Benimm dich deinem Alter entsprechend und sag mir endlich, was du für ein Geheimnis mit dir rumschleppst." "Ich weiß nicht, wovon du redest." "Was ist los mit dir, Sasuke? Erpresst er dich? Bedroht er dich?" Lächerlich. Einfach nur lächerlich, diese Anschuldigungen. Als ob Itachi so etwas nötig hätte. Sie hat wirklich keine Ahnung. "Versteh das doch. Seit ihr miteinander gekämpft habt, hat er sich gegen die Akatsuki gewandt. Vor zwei Jahren dachte ich noch, er hätte dich halbtot geprügelt, so wie schon einmal. Aber jetzt bist du freiwillig zu ihm gegangen. Was würdest du an meiner Stelle denken?" Was weiß denn ich? Ich würde meinem Untergebenen vielleicht einfach glauben. "Was habt ihr, du und Itachi, wirklich gemacht?" Absichtlich mache ich eine Pause, lasse sie glauben, ich würde es ernsthaft in Betracht ziehen, ihr die Wahrheit zu sagen. Dann sehe ich ihr in die Augen und antworte trotzig: "Kochrezepte ausgetauscht." Zorn blitzt in ihren Augen auf, aber ihre Wut ist nichts im Vergleich zu meiner. Ich starre sie böse an und stehe auf. "Ich nehme an, das war's dann?" "Noch nicht ganz. Du hast Hausarrest. Du darfst das Dorf nicht verlassen, bis wir dir wieder vertrauen können, verstanden?" "Klar und deutlich." Ich will gehen, aber sie ruft meinen Namen und ich bleibe nochmal stehen. "Sasuke, du wirst nicht immer siebzehn sein. Denk mal darüber nach, was für eine Zukunft Itachi dir bieten kann. Er ist dein Bruder, aber er hat weiß Gott genug getan, um das Band zwischen euch zu durchschneiden. Vergiss nicht, dass er ein Mörder ist. Wenn er dir etwas versprochen hat, dann nicht ohne eine Gegenleistung zu verlangen. Denk an deine Eltern und frag dich, ob sie es gewollt hätten, dass du dich mit ihm zusammentust, nur weil ihr blutsverwandt seid." Abfällig schüttle ich den Kopf. Sie ist so lächerlich. Ich drehe mich einfach weg und gehe. Mein Abgang würde wesentlich cooler wirken, müsste ich mir dabei nicht immer wieder die Hose hochziehen, aber nichtsdestotrotz habe ich das Kinn hochgereckt und gehe ohne ein Abschiedswort. Seit ein paar Tagen war ich nicht mehr beim Training. Ich verbringe meine Zeit damit, zu Hause zu sitzen und nachzudenken. Viel anderes bleibt mir auch nicht übrig, ich darf schließlich noch nicht einmal das Dorf verlassen. Tsunade hat mir ziemlich deutlich gemacht, dass ich in nächster Zeit kein Anbu werde. Das heißt, dass das Training mit Kakashi ohnehin sinnlos wäre. Und ich habe mich noch nie mit sinnlosen Dingen beschäftigt. Sakura und Naruto macht mein zurückgezogenes Verhalten fast wahnsinnig, alle beide. Jeden Tag kommen sie mehrmals zu mir und versuchen, mich auszufragen, mit mir zu reden, irgendwie rauszufinden, was mit mir los ist. So gut es geht versuche ich, die zwei zu beruhigen. Sie müssen sich wirklich keine Sorgen machen. Ich muss nur nachdenken und für mich selber wieder etwas Ordnung in das Chaos in meinem Kopf bringen. Dass ich in nächster Zeit wohl kein Anbu werde, hat mich ins Grübeln gebracht. Es erschreckt mich ein bisschen, dass es mir so egal ist. Damit geht nämlich auch die Erkenntnis einher, dass mein Leben eigentlich ziemlich leer ist. Ich habe keine Träume. Nichts, was ich noch erreichen will. Mein Ziel, dem Clan zu neuem Leben zu verhelfen, habe ich auch längst abhaken müssen. Meine sexuelle Orientierung macht es fast unmöglich, Kinder zu zeugen, davon abgesehen, dass ich auch nicht das Bedürfnis habe, mir eine Frau zu suchen und die um der Nachkommen Willen zu schwängern. Sakura ist die einzige Frau, die mir überhaupt irgendwas bedeutet. Mit ihr habe ich es mal versucht, ein einziges Mal. Nicht um Kinder zu zeugen natürlich, damals war ich sechzehn Jahre alt, ich bin nicht wahnsinnig genug, in so einem Alter an Nachkommen zu denken. Nein, das war anders. Sie kam nachts zu mir, wir waren beide einsam. Naruto war nicht da und wir haben es einfach versucht. Das klingt dämlich, aber zumindest was mich betrifft war es so. Ich dachte mir, versuchen könnte ich’s ja. Eigentlich hoffte ich, sie könnte mich trösten. Wir mussten dann beide beizeiten feststellen, dass sich bei mir gar nichts geregt hat und haben es aufgegeben. Mir ist eigentlich selten irgendwas peinlich, aber das war mir äußerst unangenehm. Vor allem, weil sie anschließend auch nicht gehen wollte, sondern weiter neben mir auf dem Bett sitzen blieb. Das war übrigens die Nacht, in der ich ihr die Wahrheit über Itachi erzählt habe. Ich war wohl nicht ganz ich selbst. Es sprudelte wie von selbst aus mir raus, in einem Moment der Schwäche. Ich wünschte, ich hätte es ihr nicht gesagt. Damit habe ich sie zum Mitwisser gemacht. Es war nicht richtig und es macht uns beiden nur Schwierigkeiten. Ich hätte es Naruto erzählen sollen. Er ist mein bester Freund, er ist derjenige, der das Recht hätte, es zu wissen. Jedenfalls hat mir diese Episode bewiesen, dass ich mir das mit der Wiederauferstehung des Clans abschminken kann. Und damit bleiben mir keine Träume mehr. Meine Freunde sind mir unheimlich wichtig, aber sie können die Leere nicht füllen. Sie helfen mir, den Tag zu überstehen, sie sind da, wenn ich einsam bin oder wenn ich mit jemandem reden muss. Aber das reicht doch nicht. Es reicht nicht, um mich glücklich zu machen. Außerdem werden sie nicht für immer bei mir bleiben. Die zwei sind normal. Sakura geht ständig mit irgendwelchen Typen aus, irgendwann heiratet sie und zieht aus. Und Naruto wird mich auch verlassen. Irgendwann bin ich ganz allein in diesem großen Haus und ich sehe nicht, wie ich das vermeiden könnte. Die Zukunft, die ich gerade vor mir sehe, ist jedenfalls alles andere als wünschenswert. Was Tsunade zu mir gesagt hat, ist bei mir hängen geblieben, allerdings anders, als sie das wohl beabsichtigt hat. "Du wirst nicht immer siebzehn sein." Was werde ich sein, wenn ich dreißig bin? Ich wage es kaum, daran zu denken, denn bei dem Gedanken wird mir schlecht. Ich will so nicht leben. Im Angesicht der Leere, die sich plötzlich vor mir auftut, frage ich mich, ob es nicht doch ein Fehler war, Itachis Angebot so gedankenlos auszuschlagen. Er würde mir wieder wehtun, aber ich könnte wenigstens für eine Weile glücklich sein. Für den Gedanken hasse ich mich, aber ich frage mich, ob eine kurze Zeit des Glücks im Tausch gegen den anschließenden Schmerz nicht besser wäre, als dieses inhaltslose Einerlei hier in Konoha. Eigentlich wollte ich nie mehr hierher kommen. Ich wollte diesen Ort vergessen, ihn als Teil meiner Vergangenheit akzeptieren, aber niemals mehr hierher zurückkommen, um mich den Erinnerungen zu stellen. Und trotzdem bin ich jetzt hier, stehe wieder einmal vor meinem Elternhaus und fühle mich mit einem mal wieder wie der Achtjährige, der ich war, als ich zuletzt hier gewohnt habe. Es ist ein eigenartiges Gefühl. Mit diesem Ort verbinde ich so unterschiedliche Emotionen. Hier war ich glücklich als Kind. Es war nicht immer schön, ich war auch mal traurig und ich erinnere mich gut daran, wie sehr ich um die Anerkennung meines Vaters kämpfen musste. Aber es ist ein menschlicher Zug, dass man dazu neigt, Schlechtes zu verdrängen, wenn man etwas verloren hat. Meine Kindheit erscheint mir wie eine lange, lange Zeit des Glücks und als sie von einem Tag auf den anderen endete, folgte ihr eine finstere Zeit der Einsamkeit, der ich bis heute nicht ganz entkommen konnte. Ich betrete das Haus und drinnen ist es stockdunkel. Es wäre klüger gewesen, bei Tag hierher zu kommen, aber tagsüber würden die anderen beiden zu schnell merken, dass ich weg bin und mir sicher hinterher laufen. Und Naruto hat ja schon mal bewiesen, dass er mich hier aufspüren kann. Ich muss jetzt aber allein sein. Ich muss endlich eine Entscheidung treffen und mir darüber klar werden, was ich eigentlich will. Bevor ich Itachi noch einmal begegne, muss ich wissen, was ich wirklich will und vielleicht kann ich die Antwort an diesem Ort finden, wo jeder Winkel mit Erinnerungen an früher durchtränkt ist. Hier kann ich nicht vergessen, was er getan hat. Es ist seltsam. Obwohl ich schon so viele Jahre nicht mehr hier lebe, kenne ich es immer noch in- und auswendig, dieses Haus. Auch in der Dunkelheit bewege ich mich sicher den Flur entlang. Es riecht muffig und auf meinen Fingern, die sich an der Wand entlang tasten, setzt sich der Staub vieler Jahre an. Keine Ahnung, warum ich den umständlichen Weg durch das Haus nehme. Vielleicht versuche ich mich einfach daran zu erinnern, wie es war, als es noch mein zu Hause war. Es ist so furchtbar lang her. Ich gehe grade an Itachis Zimmer vorbei. Nein, an dem Zimmer, das Itachi früher bewohnt hat. Es war immer spärlich eingerichtet, aber ich war unheimlich gerne dort. Ich bewunderte die Sachen, die er besaß, alles wurde irgendwie kostbarer, wenn er es in seinen schlanken Händen hielt. Ich hätte so gerne einen der Kunai gehabt, die an seinen Wänden hingen. Oder den Fächer über seinem Bett. Irgendwas von ihm, ganz egal, was. Irgendwie bin ich doch erleichtert, als ich beim Hintereingang raus komme. Ich durchquere den Garten, wo Gras und Unkraut inzwischen wild wachsen und mir teilweise bis an die Knie reichen. Und wie immer erfasst mich eine unverkennbare Unruhe, als ich vor dem Versammlungsraum stehe. Aber dieses Mal lasse ich mich nicht darauf ein, ich reiße mit beiden Händen die Türen auf… Und friere quasi mitten in der Bewegung ein, als mein Blick auf das schwache Glühen in der Dunkelheit fällt. Unmöglich. Ich war ewig nicht hier. Außer mir kommt keiner freiwillig hierher. Aber das bilde ich mir doch nicht ein. Mit zitternden Knien mache ich einen Schritt in den Raum. Ich lasse die Türen weit offen und nähere mich dem Altar. Das Glühen verlischt mit einem kaum hörbaren Knistern. Es riecht würzig hier drin und vertraut. Mir wird klar, woher es kam, aber ich kann es kaum glauben. Mit zitternden Händen krame ich in meinen Hosentaschen, bis mir die Packung Streichhölzer in die Hände fällt, die ich extra mitgenommen habe. Zischend entzünde ich ein Streichholz und als Licht auf den Altar fällt, sehe ich, dass ich Recht hatte. Jemand hat zwei frische Räucherstäbchen in das Glas gestellt. Sie brennen noch. Das Glühen kam wahrscheinlich von der Asche, die runtergefallen ist. Und daher kommt auch der Geruch. Ich muss nicht darüber nachdenken, wer es war. Denn neben dem Glas liegt auf dem Altar ein schimmerndes Schmuckstück an einer zerrissenen Kette. Ein silberner Ring mit zwei blutroten Steinen. Das Streichholz ist fast runtergebrannt und ich lasse es fallen, als die Flamme schmerzhaft an meinen Fingern leckt. Es verlöscht am Boden und ich stehe wie versteinert in der Dunkelheit. Die Räucherstäbchen brennen noch. Es kann nicht lange her sein. Er ist noch hier, irgendwo in der Nähe. Ich nehme den Ring und stoße dabei beinahe das Glas um, stopfe ihn in meine Hosentasche und renne aus dem Raum. Außerhalb des Dorfes stütze ich mich auf meinen Knien ab und hole erstmal Luft. Ich bin einfach losgerannt und weil ich Hausarrest habe und es mir sowieso zu lange gedauert hätte, aus dem Viertel raus, durch das halbe Dorf und bis zum Ausgang zu rennen, habe ich einfach den direkten Weg über Konohas Schutzwall genommen. Ich bin sicher, dass niemand es gemerkt hat, die Wachtposten auf den Beobachtungstürmen sind sicher erfahrene Shinobi, aber ich habe gelernt, mich völlig lautlos und fast unsichtbar zu bewegen. Jetzt bin ich hier und weiß plötzlich nicht mehr, was ich mir davon versprochen habe. Warum auch immer Itachi den Ring dortgelassen hat, er konnte wohl kaum wissen, dass ich ihn so schnell entdecken würde. Er wird wohl kaum hier irgendwo auf mich warten. Er wollte bloß, dass ich den Ring habe, er hat ihn dort deponiert, weil er wusste, ich könnte ihn nicht einfach liegenlassen, ganz egal wie wütend ich auf ihn bin. Aber jetzt bin ich hier und einen Versuch ist es wert. Aber wohin? Richtung Osten gibt es erstmal nichts als ein paar kleine Straßen und Wege, mit Feldern und Wiesen ringsherum. Gen Südwesten liegt der Wald, den man durchqueren will, wenn man in die nächsten Dörfer will. Und im Nordwesten ist der Fluss. Wo würde Itachi hingehen? Ich weiß es einfach nicht. Ich weiß ja auch nicht, wo er jetzt wohnt, ich weiß doch nicht, wie er denkt. Ich renne Richtung Westen, einfach aufs Geratewohl. Wieso war Itachi hier? Ich verstehe, dass er mir den Ring geben wollte. Das ist schließlich seine Art der Kontrolle über mich. Solange ich den Ring besitze, ist ein Teil von ihm immer bei mir und beschützt mich, ob ich es will oder nicht. Aber wieso hat er Räucherstäbchen entzündet? Ich kann mir nicht vorstellen, dass er für unsere Eltern gebetet hat. Es wäre ganz schön absurd, wenn es so wäre. Als ob Itachi solche Sentimentalitäten kennt. Aber wenn doch… wenn seine alte Heimat ihn nicht kalt gelassen hat… Ich wende mich gen Norden und renne auf den Fluss zu. Nicht weit von hier ist die Brücke, wo er Shisui getötet und in den Fluss geworfen hat. Anders als meine Eltern war Shisui ihm wirklich wichtig. Unser Cousin war sein bester Freund, das hat er ja auch offen zugegeben. Wenn er wenigstens noch ein bisschen Gefühl in sich hat, wenn er wirklich so etwas wie Reue empfindet, vielleicht finde ich ihn an der Brücke. Ich wünsche es mir aus ganzem Herzen. Es wäre ein Beweis, dass er noch etwas Menschliches an sich hat. Ich weiß nicht, warum ich das tue. Warum mein Herz so rast, und zwar nicht wegen der Anstrengung, warum ich den Ring genommen habe, warum ich so sehr hoffe, ihn einholen zu können. Was werde ich tun, wenn ich ihn tatsächlich finde? Jetzt, in diesem Augenblick, habe ich darauf keine Antwort. Vor mir taucht im blassen Mondlicht die Brücke auf. Ich suche sie ab nach Schatten, nach Personen, aber ich kann nichts erkennen. Auf der Brücke ist niemand. In der Mitte bleibe ich stehen, blicke atemlos über das Geländer runter zum Fluss. Er war hier, ganz bestimmt. Shisui ist hier gestorben. Es muss so sein. Ich lege meine Hände auf das Geländer. "Sasuke." Er steht direkt hinter mir und der Klang seiner Stimme lässt mich erstarren. Ich habe irgendwie gewusst, gehofft, dass er hier ist, und doch bin ich jetzt überrascht. Zitternd und quälend langsam drehe ich mich zu ihm um. Der Mond scheint ihm direkt ins Gesicht, lässt seine Haut fast so blass wirken wie meine. Itachi ist hier, jetzt, endlich, begreife ich das. Und die Erkenntnis kommt so schlagartig, dass ich mich nicht wehren kann, als mit ihr so viele Gefühle über mich hereinbrechen. Was soll ich tun? Mein Kopf liefert mir keine brauchbare Antwort. "Du hast mich gefunden." Etwas an seinem Gesicht verändert sich. Er lächelt. Es ist nicht das erste Mal, dass ich das sehe, aber so hat er noch nie dabei ausgehen, jedenfalls nicht seit dem Tag, als ein Mörder aus ihm wurde. Es sieht aus wie ein echtes, warmherziges, erfreutes Lächeln, so wie die, die mein großer Bruder nur mir schenkte, als wir jünger waren. Was auch immer ich dachte, wollte, wünschte, dieser Anblick macht alles vergessen. Ich mache einen Schritt auf ihn zu, kralle meine Hand in seinen Mantel, ziehe daran und er beugt folgsam den Kopf zu mir runter, um mich zu küssen. In diesem Augenblick, bevor die Zweifel zurückkehren und die Wahrheit mich einholt, bin ich wirklich aufrichtig glücklich. XVIII. And I love the good times that you wreck ----------------------------------------------- Zittrig lehne ich mich an das Geländer der Brücke, weil ich meinen Beinen nicht mehr vertraue, dass sie mich noch aufrecht halten. Ein einziger Kuss und es fühlt sich an, als hätte man mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Das ist mehr als Itachis einzigartiger Einfluss auf mich. Es ist, weil ich so verzweifelt war, weil sich alles plötzlich so leer anfühlte. Ich kann Itachi vieles vorwerfen, aber wenn er da ist, fühle ich mich nicht mehr so hoffnungslos. Es ist, als würde selbst die Verzweiflung im Angesicht meines Bruders zurückweichen, sich verstecken, solange, bis er wieder fort ist, nur um dann erneut über mich hereinzubrechen. "Du sagst ja gar nichts." Er steht vor mir und während mich sein Kuss reichlich mitgenommen hat, wirkt er unnahbar und gleichgültig wie immer. "Ich wüsste nicht, was", hauche ich und es ist die Wahrheit. Wir haben uns nichts zu sagen. Das war unser Problem, von Anfang an. Fragen habe ich keine. Ich weiß, warum er hier ist. Ich weiß, warum er mir den Ring zurückgebracht hat. Ich wünschte, er würde etwas sagen, irgendetwas. Selbst wenn er mir sagte, dass ich noch immer ein furchtbarer Schwächling bin, es wäre mir lieber als die Stille. Sie ist der Beweis, dass es wahr ist. Dass es nichts gibt, was uns wirklich verbindet, außer dem Band der Blutsverwandtschaft und gelegentlichem Sex. Wir verstehen einander nicht, sind beide zu verkorkst, um uns auf den anderen einzulassen. Es ist mir noch nie so deutlich bewusst geworden, dass ich, genau wie er, nicht wirklich in der Lage bin, ihn an mich ranzulassen. Habe ich ihm wirklich jemals mein Herz geöffnet? Ich habe immer gezweifelt, irgendwo war immer die nagende Stimme der Vernunft, die mich daran erinnert hat, dass er mich verlassen wird. Obwohl ich es mir so sehr gewünscht habe, konnte ich nicht einmal für meinen Bruder die Distanz aufgeben. Wenn er anfing, mich auszuziehen, wenn wir eigentlich hätten miteinander reden sollen, habe ich nicht versucht, ihn aufzuhalten. Ich habe es nie geschafft, wirklich echte Nähe aufzubauen. Weil es mir eine Heidenangst einjagt. Und das einzige Mal, wo die Verzweiflung mich zwang, meine Ängste zu überwinden und ich ihm an jenem Tag vor dem Hokage Denkmal sagte, dass ich ihn liebe und dass er mich zutiefst verletzt, wenn er geht, da machte er dicht und seine eigenen Dämonen zwangen ihn, die ihm dargebotene Liebe mit Füßen zu treten. So, wie ich ihn zurückgewiesen habe, als er mich vor ein paar Tagen bat, ihn zu begleiten. Es ist nicht allein seine Schuld. Wir sind beide kaputt. Er kommt zu mir, legt die Hand auf meine Wange, so als hätte er wieder einmal meine Gedanken gelesen und, sogar noch vor mir, verstanden, wie traurig es eigentlich ist. Es fühlt sich an, als wollte er mich trösten, aber es erreicht mich nicht wirklich. Ob ich hier bleibe oder mit ihm gehe ändert gar nichts. Er kann mich nicht glücklich machen, ebenso wenig wie ich ihn glücklich machen kann, weil wir es beide nicht zulassen können. Es darf nicht sein, weil die Uchihas Glück nicht verdient haben. Wir benutzen den anderen, um uns selbst zu zerstören. Ich möchte es so gerne versuchen. Jetzt, wo es mir klar geworden ist, möchte ich versuchen, mich wirklich auf ihn einzulassen. Es gibt so viele Dinge, die ich ihm gern sagen möchte. Ich möchte mit dir mitgehen. Ich liebe dich. Ich war stark genug, dir ein Unentschieden abzuringen. Bist du stolz auf mich? Du hast mir gefehlt. Liebst du mich auch, Nii-san? Ich weiß es, wenn ich es ausspreche, rette ich uns beide. Jetzt, in diesem Moment, wo wir uns grade wiedergefunden haben, ist das Band, das uns verbindet, stärker als unser Hang zur Selbstzerstörung. Er würde mich nicht wegstoßen, ganz bestimmt nicht. Wenn ich es über mich bringe, mich zu öffnen, dann können wir vielleicht doch glücklich werden. Aber keine Silbe kommt über meine Lippen. Verzweifelt blicke ich in seine Augen und wünsche mir so sehr, dass er mir meine Gedanken im Gesicht abliest, dass ich es nicht laut sagen muss, um den Fluch von uns zu nehmen. Ich schaffe es einfach nicht. Da ist irgendwo immer noch die Angst, die mein Herz mit klammen Fingern umfasst, die mich so vehement davon abhält, ein einziges Mal wirklich ehrlich zu sein, und die mich doch nicht einmal wissen lässt, wovor ich mich eigentlich fürchte. Der Moment geht vorbei. Itachi kommt näher und drückt sacht seine Lippen auf meine. Es ist schön, keine Frage, und ganz außergewöhnlich zärtlich für seine Verhältnisse, aber es ist nicht das, was ich mir jetzt gerade wünsche. Sehr schnell wird der Kuss fordernder und ich gewähre seiner Zunge widerstandslos Einlass. Als wäre ich ein dressiertes Haustier reagiert mein Körper prompt auf ihn. Das ist es, was wir immer tun. Anfassen statt nachdenken. Küssen statt reden. Ficken statt fühlen. Wir werden nicht reden. Es wird enden wie sonst auch. Wir werden einander die Kleider vom Leib reißen und miteinander schlafen, bis wir nicht mehr die Kraft haben, über die richtigen Worte nachzudenken. Und dann wird er gehen. Ich werde ins Dorf zurückkehren, ich werde die Leere ertragen, unruhig, traurig, verzweifelt, und irgendwann kommt er wieder und das Spiel geht von vorne los. Bis es irgendwann in einer Katastrophe endet. Er zerrt an meinem Hemd und ich lehne mich kraftlos an ihn. Wäre ich nicht so schwach, würde ich ihn zwingen, damit aufzuhören. Ich würde ihn festhalten und zu ihm sagen, dass er warten soll. Einfach still sein und warten, so lange, bis ich es aussprechen kann, und wenn es Stunden dauern sollte. Itachi hebt mich hoch, setzt mich auf das Geländer und drängt sich zwischen meine Beine. Hinter mir ist nichts, unter mir der Fluss. Meine Balance ist eigentlich ausgezeichnet, allerdings nicht unbedingt, während er an meiner Hose nestelt. Eine falsche Bewegung und ich fiele hintenüber in den Fluss. So wie Shisui damals. Ich habe nie erfahren, wie er genau gestorben ist. "Gefällt dir das?", frage ich, während Itachi mein Hemd hochschiebt. "Es hier zu tun, an dem Ort, wo du Shisui ermordet hast?" Er gibt ein unwilliges Knurren von sich, und ich kann nicht anders, als noch mehr Salz in die Wunde zu streuen: "Wirfst du mich auch in den Fluss?" "Halt den Mund", gibt er zurück und küsst mich. Er drängt meinen Oberkörper immer weiter nach hinten, bis zu dem Punkt, wo ich mich aus eigener Kraft nicht mehr auf dem Geländer halten könnte. Als er den Kuss beendet, wird mir richtig bewusst, dass ich plötzlich über dem Wasser hänge, mich nicht festhalten kann, außer an ihm. Sein Arm in meinem Rücken ist das Einzige, was mich davon abhält, zu fallen. Ich sehe runter und frage mich, wie es wirklich wäre, zu fallen. Jetzt gerade bin ich völlig unkonzentriert. Würde er mich loslassen, könnte ich wohl nicht schnell genug reagieren, um Chakra in den Händen oder Füßen zu sammeln und mich vor einem Sturz zu bewahren. Ich würde kopfüber ins Wasser stürzen und ich weiß nicht, wie tief der Fluss ist. Die Fallhöhe ist nicht besonders hoch, ein paar Meter, aber es reicht aus um sich den Körperteil zu brechen, der zuerst auf dem Wasser aufkommt. Und da ich schätzungsweise bei meiner jetzigen Position und Höhe mit dem Kopf zuerst aufschlagen würde… Mein Überlebenstrieb will mich dazu bringen, mich an Itachi festzuhalten, die Beine um seine Taille zu schlingen, mein Leben nicht so leichtfertig in seine Hand zu legen, aber ich unterdrücke den Impuls vehement. Ich sehe Itachi in die Augen, erwidere seinen feurigen Blick mit einem Lächeln. Ich breite die Arme aus, fordere ihn mit einem ausdrucksvollen Blick geradezu heraus, mich doch fallenzulassen. Er wird es nicht tun, das weiß ich. Dazu bin ich ihm zu kostbar. Sein Arm wandert meinen Rücken entlang nach unten, vorsichtig aber beständig, und mein Oberkörper rutscht immer weiter nach hinten. Weil meine Beine keinen Halt haben, habe ich keine Möglichkeit, mich selbst aufrecht zu halten. Die Arme noch immer ausgebreitet gebe ich nach, lasse den Kopf nach hinten sinken, beuge meine Wirbelsäule nach hinten und starre kopfüber runter auf den Fluss. Der Arm, der mich festhält, ist stark, gibt mir Halt. Ich fürchte mich nicht. Ich falle nicht gerne, aber das werde ich auch nicht. Weil ich ihm nicht mehr zusehen kann, zucke ich überrascht zusammen, als ich seine andere Hand auf meinem Bauch spüre, wie er ein weiteres Mal mein Hemd hochschiebt. Von unten pfeift kalter, feuchter Wind zu mir hoch und ich trage bloß dieses T-Shirt, weil ich ja nicht damit gerechnet habe, das Dorf zu verlassen, und langsam wird es kalt. Ich kriege Gänsehaut und obwohl das Rauschen des Flusses so laut ist, höre ich Itachi ein wohliges Geräusch von sich geben. Etwas berührt mich, warm und weich, direkt neben meinem Bauchnabel und ich begreife, dass er die Stelle küsst. Ich lasse meine Arme sinken, lasse sie über meinem Kopf nach unten baumeln. Itachi steht zwischen meinen Beinen, hält mich mit einem Arm fest, befummelt mich mit der anderen Hand, küsst meinen Bauch und ich hänge hier, irgendwo zwischen Leben und Tod, die Arme ausgebreitet, das Tosen des Flusses im Ohr, den kalten Wind im Nacken, den Blick auf den Abgrund gerichtet und fühle mich lebendiger denn je. War ich nicht eben noch traurig und verzweifelt? Ich habe es beinahe schon vergessen. "Nii-san", flüstere ich und es ist das erste Mal seit Jahren, dass mir die vertraute Bezeichnung über die Lippen kommt. Nii-san, lass mich fallen. Dann gibt es einen Ruck, als Itachi mich überraschend wieder hochzieht. Auf einmal sitze ich wieder aufrecht und mir schwirrt der Kopf, wie benebelt lege ich die Arme um ihn, halte mich an ihm fest. Es war aufregend und erregend, aber genau das erschreckt mich ein bisschen und ich glaube fast, ihn hat es auch erschreckt. Sein Atem geht ungewöhnlich schnell und einen Moment später hebt er mich hoch und setzt mich vor dem Geländer auf sicherem Boden ab. Ich denke, im Affekt hat er selbst vergessen, was er mir mit dieser Aktion eigentlich sagen wollte. Die Botschaft ist jedenfalls angekommen. Kein Wort mehr über Shisui. Ich bin nicht wie er, das habe ich begriffen. Ihn konnte Itachi in den Fluss werfen, mich nicht. Itachi kniet zwischen meinen Beinen, drängt sich an mich und ich lehne mich gegen das steinerne Geländer. Er zieht an meinem Hemd und ich nehme an, dass das Teil diese Nacht nicht überleben wird. Sieht nicht so aus, als wollte er es mir über den Kopf ziehen, sondern viel eher als würde er es gleich einfach aufreißen. Ich kralle meine Finger in sein Haar und ziehe seinen Kopf nah genug an mich heran, damit ich ihn küssen kann. Und dann schreit jemand: "SASUKE!" Itachis Kopf ruckt zurück. Ich erkenne Naruto sofort, erkannte ihn schon an seiner Stimme, und bin auf einmal wie erstarrt. Er steht so verdammt nah bei uns und schaut uns entsetzt an. Wie lange steht er schon da? Er ist kreidebleich im Gesicht, aber ich nehme an, mir geht es gerade ähnlich. Ich kann nicht mit Worten beschreiben, wie entsetzt ich bin, dass er mich so sieht. Mit äußerster Willensanstrengung zwinge ich meine Finger, Itachis Haare loszulassen und er setzt sich etwas auf, kniet aber noch immer zwischen meinen angewinkelten Beinen. Naruto bewegt sich noch immer nicht. Was für ein Bild biete ich in diesem Moment? Itachis Hure würde ich es nennen. Keine Ahnung, wie es aussieht. Aber er kann nicht annehmen, dass das hier gegen meinen Willen geschehen ist. Nicht, wenn ich Itachi geküsst habe und nicht, wenn ich so einladend die Beine für meinen Bruder gespreizt habe und nicht, wenn ich weder geschrieen noch mich gewehrt habe. So dumm ist Naruto nicht. Jetzt hat er mit eigenen Augen gesehen, was mein Geheimnis ist. Wieso habe ich es nicht gemerkt? Ich bin nie so unaufmerksam und einen lauten Ninja wie ihn hätte ich schon lange vorher bemerken müssen. Wie konnte ich es nicht merken? Im Augenwinkel sehe ich, dass mein Bruder einen ganz eigenartigen Gesichtsausdruck hat. Ich hing eben noch fast kopfüber über dem Fluss, das ist meine Entschuldigung. Aber er hat es gemerkt, ganz sicher. Wollte er, dass Naruto das hier sieht? Er konnte nicht wissen, dass ausgerechnet mein bester Freund hier auftauchen würde. Aber sein Gesicht… "Sasuke, w-was ist hier los?", stammelt Naruto, sichtlich fassungslos. "Naruto-kun." Itachi klingt so gleichgültig wie eh und je. Und er kniet weiterhin vor mir, macht keine Anstalten, mir von der Pelle zu rücken. "Du störst." Ich kann nicht glauben, dass er das gesagt hat. Narutos blaue Augen werden riesengroß. Offenbar ist er immer noch nicht soweit, die Situation wirklich begreifen zu können. Er schaut mich hilfesuchend an und ich würde wirklich gerne etwas sagen, aber ich kann nicht. Sein Blick schweift wieder zu Itachi und er fragt: "Was… was machst du da mit ihm? Was…" Endlich gewinne ich die Kontrolle über mich zurück. Ich setze mich auf und sage: "Naruto, ich-" Er hört mir nicht mehr zu. Mit einem Schrei prescht er los, hält direkt auf uns zu. Geschmeidig steht Itachi auf, macht einen Schritt von mir weg und Naruto rennt direkt auf ihn zu. Er schlägt nach meinem Bruder und Itachi macht bloß einen Schritt zur Seite, sodass der Angriff ins Leere geht und Naruto an ihm vorbei stolpert. "Du… du Arschloch!", schreit er, dreht sich um, zieht einen Kunai und greift wieder an. "Was hast du mit Sasuke gemacht?" Der Kunai fliegt in hohem Bogen durch die Luft, und noch bevor er aufkommt, hat Itachi Naruto genau da, wo er ihn haben will. Eine Hand liegt um den Hals meines besten Freundes und Naruto macht den Fehler, Itachi nur einen Moment lang direkt in die Augen zu schauen. Für die Mangekyou Sharingan reicht es aus und obwohl ich aufspringe, um dazwischenzugehen, bin ich zu spät dran. Naruto reißt die Augen weit auf. Sein Körper ist einen Moment lang wie zu Eis erstarrt und dann fängt er an zu schreien. Itachi lässt ihn fast schon angewidert los, Naruto fällt nach hinten und ich komme gerade noch rechtzeitig, um ihn aufzufangen. Mit ihm im Arm gehe ich in die Knie. Er starrt ins Leere, so als würde er nicht einmal wahrnehmen, dass ich da bin. Es tut mir so leid. Ich wollte nicht, dass es so weit kommt. Ich wollte nicht, dass er leiden muss. Mein Bruder macht einen Schritt auf uns beide zu und ich reiße den Kopf hoch. "Komm ihm nicht zu nahe!", schreie ich ihn an. "Du hast schon genug angerichtet!" Aber ihm ist es nicht genug, ich merke es an jeder seiner Bewegungen. Itachi möchte Blut fließen sehen. Nackte Angst ergreift von mir Besitz. Er wäre im Stande, es wieder zu tun. Mir Naruto wegzunehmen. Nein, er will es so. Ich soll leiden. Und Naruto soll sterben. Ich muss ihn aufhalten, koste es, was es wolle. Ich lege Naruto hin und stehe auf. "Bitte, Itachi!" "Ist er dir so wichtig?" "Das weißt du doch." Wenn er versucht, Naruto zu töten, werde ich eingreifen. Meine Sinne sind zum Zerreißen gespannt, angestrengt warte ich auf die kleinste Bewegung, damit ich auch wirklich schnell genug sein werde, ihn zu stoppen. "Lass ihn. Bitte, lass uns einfach gehen." "Du willst mit mir kommen?" "Ja." Natürlich will ich das, aber in diesem Moment ist es bloß ein Versuch, Itachis Gedanken in eine andere Richtung zu lenken. Wenn ich mit ihm gehe, hat er gewonnen. Dann hat er keinen Grund mehr, Naruto als eine Bedrohung anzusehen. Wenn ich mitgehe, rette ich meinen besten Freund. Itachi weiß es. Er sieht mich lange prüfend an und ich weiß, dass er es weiß. Aber es scheint ihm egal zu sein, denn er dreht sich von Naruto weg und sagt, ohne mich anzusehen: "Dann komm." Erleichtert mache ich einen Schritt, aber Itachi dreht sich wieder um. Ich folge seinem Blick nach unten. Naruto hat seinen Mantel gepackt und hält ihn fest. Er erstaunt mich immer wieder. Nachdem ich eine Kostprobe von Itachis seelischer Folter erhalten hatte, war ich nicht mehr in der Lage, irgendetwas zu tun. Naruto ist sichtlich mitgenommen, aber er ist wieder zu sich gekommen. Er ist so viel stärker als ich. Wutentbrannt sieht er zu Itachi hoch. "Du gehst nirgendwo hin. Sasuke gehört zu uns." Der Blick meines Bruders wird so kalt, dass mir übel wird. Er starrt Naruto an und sagt: "Offenbar ist dir dein Leben nicht sehr viel wert." Von Itachi verspüre ich nur noch die Absicht, zu töten. Und weil ich weiß, dass ich nicht Partei ergreifen kann, tue ich das Einzige, was mir einfällt, um ihn zu besänftigen. Ich trete mit aller Kraft auf Narutos Hand, so fest, dass ich spüre, wie sie unter meinem Schuh bricht. Zuerst schreit er nur und ich nehme betont langsam den Fuß von seiner Hand. Ich spüre, wie Itachi seine Mordlust einen Moment lang vergisst, weil er zu überrascht über mein Handeln ist. Ich bin es ja selbst, aber ich will nicht, dass die beiden anfangen, einander zu bekämpfen. Denn wenn weiß ich nicht, was passieren wird, ich weiß nur, dass es etwas Schlimmes sein wird. Ich sehe auf Naruto runter, der sich die verwundete Hand hält und sie entsetzt anstarrt, und sage so eisig wie möglich: "Ich entscheide selbst, zu wem ich gehöre. Wenn du nochmal meinen Bruder oder mich behinderst, dann wirst du es bedauern." Ich warte gar nicht erst auf eine Reaktion, sondern frage Itachi tonlos: "Worauf warten wir noch?" Er sieht höchst zufrieden aus. Wahrscheinlich, weil ich so deutlich Stellung bezogen habe. Ich habe mich auf seine Seite gestellt und Naruto gezeigt, wo meine Prioritäten liegen. Das scheint ihm zu genügen. Ohne ein weiteres Wort dreht er sich von Naruto weg und geht los. Und ich folge ihm, ohne meinem besten Freund auch nur einen letzten Blick zuzuwerfen. Mit jedem Schritt wird mir klarer, was ich getan habe. Jeder Schritt bringt mich weiter von Naruto weg, buchstäblich und im übertragenen Sinne. Wenn ich gehe, kann ich nie mehr zurück. Dann war es am Ende wieder nicht meine eigene Entscheidung. Ich würde Itachi durchaus zutrauen, dass er das ganze hier von vorne bis hinten geplant hat. Und ich bin wieder nur eine Marionette, die nicht selbst entscheidet, sondern dazu gezwungen wird. "Sasukeeee!", brüllt Naruto mir hinterher. Ich tue so, als würde ich ihn nicht hören. Ich muss es nur bis zum Wald schaffen. Dann können wir losrennen, hoch auf den Ästen, uneinholbar für ihn. Aber Naruto gibt nicht so schnell auf. Ich höre seine Schritte, wie er auf uns zu gelaufen kommt. Itachi bleibt stehen und ich sage: "Halt dich da raus. Lass mich das erledigen." "Dann beeil dich. Sein Geschrei hört man sicher bis ins Dorf." Ich drehe mich zu Naruto um und dann springt er mich auch schon an, reißt mich mit sich zu Boden und packt mich am Kragen. "Du Bastard!", schreit er mich an und schüttelt mich. "Du hast gesagt, dass du bleibst! Du wolltest im Dorf bleiben, bei uns! Hat er dich dazu gebracht?" Ich starre unaufmerksam auf seine Hand, die sicher wehtun muss, und mit der er mich dennoch am Kragen gepackt hat. Wenn er wütend ist, kennt er keinen Schmerz, das weiß ich. Wie soll ich ihn zur Vernunft bringen? Er wird nicht aufgeben. "Bist du so blöd oder tust du nur so?", frage ich grausam. "Hast du es nicht gesehen?" "Er ist dein Bruder!" "Was du nicht sagst." Mit den Sharingan blicke ich ihn an. "Geh von mir runter." "Wieso hast du ihn geküsst?" "Weil ich es wollte." Ich packe seine verletzte Hand und reflexartig versucht er, zurückzuweichen. Aber ich lasse nicht nach, ich stehe auf und halte ihn eisern fest. "Ich kann nicht anders, Naruto. Du hast keine Ahnung, wie sehr es mich die ganze Zeit über gequält hat. Aber es wird mich noch mehr quälen, wenn ich deinetwegen hierbleibe." "Sasuke, das tut weh!", jammert er, weil ich noch fester zudrücke. "Vielleicht begreifst du ja jetzt, wie ernst es mir ist! Lass mich in Ruhe!" Er schlägt die Augen auf und ich erschrecke, als ich erkenne, wie wütend er ist. Der Schmerz scheint vergessen zu sein und er faucht mich an: "Immer wenn er auftaucht, dann wirst du so!" Ich fange mir einen Faustschlag ins Gesicht ein und weil ich so gar nicht darauf vorbereitet war, lasse ich ihn los und stolpere nach hinten. Augenblicklich werde ich für ihn uninteressant, Naruto fletscht die Zähne und starrt Itachi an. "Du bist Schuld! Was hast du mit ihm gemacht? Was hast du mit meinem besten Freund gemacht?" Naruto schlägt nach ihm, aber Itachi weicht mit Leichtigkeit aus. Jetzt sieht es so aus, als wäre es ein ziemlich ungleicher Kampf, aber ich weiß, dass es nicht so ist. Itachi hat sich bereits verausgabt, als er die Mangekyou Sharingan benutzt hat. Und Naruto ist so gut wie ich. So ungleich ist der Kampf also gar nicht. Und für ein Kräftemessen haben wir erstens keine Zeit und zweitens werde ich nicht dabei zusehen, wie mein Bruder und mein bester Freund sich bis aufs Blut bekämpfen! "Hört auf", brülle ich, während Naruto wieder und wieder versucht, nach Itachi zu schlagen. Keiner der beiden hört auf mich und ich weiß nicht, was ich jetzt tun soll. Ich muss das beenden, aber wie? Itachi genießt das, er genießt jede Sekunde. Er will Naruto wehtun, ihn töten, und das nur, weil er mir so wichtig ist. Ihn werde ich nicht dazu bringen, aufzuhören, und Naruto sowieso nicht. "Katon. Housenka no Jutsu." Brennende Shuriken, denen Naruto nur mit knapper Not ausweichen kann. "Kage Bunshin no Jutsu!" Die Brücke voller Doppelgänger. Und alle stürzen sich auf Itachi. Sie versetzen ihm von unten einen Tritt gegen das Kinn und da sehe ich schon, dass es ein Doppelgänger von ihm ist. Aber die Bunshin stürzen sich auf ihn und mit einem sehr lauten und sehr energischen "U ZU MA KI!" versetzen sie dem Doppelgänger vier Schläge, die er erstaunlich gut übersteht. Der Doppelgänger geht zu Boden und zufrieden lässt Naruto die anderen Bunshin verschwinden. Blöde Idee. Itachi taucht direkt hinter ihm auf. Ich habe die Sharingan längst aktiviert und selbst mit ihnen ist die Geschwindigkeit, mit der er sich plötzlich bewegt, fast zu hoch, um es sehen zu können. Er lässt Naruto die Zeit, sich umzudrehen, absichtlich. Mir wird klar, was hier gleich passieren wird. Ich sehe, wie nah sie am Brückengeländer stehen. Ich begreife, dass Itachi ihn absichtlich dorthin gelotst hat. "Nein!", brülle ich und ich laufe los, obwohl ich weiß, dass ich viel zu spät kommen werde. Und als Naruto gerade erst begreift, dass Itachi zum Angriff ansetzt, da ist es auch schon passiert. Ein Tritt vor die Brust, genauso simpel wie effizient, und Naruto saust nach hinten. Entsetzt sehe ich mit an, wie er gegen das Geländer kracht und mit Schwung hintenüber fällt, über das Geländer, und dann, einfach so, in die Tiefe stürzt. Ich pralle gegen das Geländer, beuge mich darüber, brülle seinen Namen aus vollem Hals und sehe nur noch, wie er unten in der Finsternis auf dem Wasser aufkommt. Ich bin… schockiert. Voller Entsetzen starre ich auf das Wasser. Ich kann nicht mal wirklich begreifen, was da passiert ist. Das Rauschen des Flusses ist furchtbar laut in meinen Ohren. Etwas schnürt mir die Brust zu, ich bin wie paralysiert. In meinem Kopf ist nur ein einziger Gedanke: schon wieder! Er nimmt mir meine Familie, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Es ist, als wäre ich wieder das Kind von damals, völlig machtlos, ein dummes, schwaches Kind, das nur zusehen kann, wie ihm alles weggenommen wird. "Sasuke." Itachi steht neben mir, soviel bekomme ich noch mit. "Lass uns gehen." Wie hypnotisiert starre ich immer noch auf das Wasser. Ich bin gefangen in meinem schlimmsten Alptraum. Naruto kommt nicht wieder hoch. Was ist passiert? Wo ist er? Warum… Beweg dich! Beweg dich, steh nicht einfach nur da! Du bist kein Kind mehr, hilf ihm! Richtig. Ich bin kein Kind mehr. Dieses Mal kann ich etwas tun. Ich packe das Geländer und setze zum Sprung an. Ich fische ihn selbst aus dem Wasser, wenn es sein muss. Ich lasse Naruto nicht sterben! Itachi packt meinen Arm und ich werfe ihm einen hasserfüllten Blick zu. Er soll es nicht wagen, mich aufzuhalten! Er soll… Es wird hell. Da unten, auf dem Wasser, wird es hell und ich löse meinen Blick von dem meines Bruders. Da ist ein rötliches Licht, unter der Wasseroberfläche, und es wird immer heller, so als käme es näher… Etwas bricht mit atemberaubender Geschwindigkeit durch die Wasseroberfläche und saust auf uns zu. Als meine Instinkte gerade einsetzen wollen, werde ich bereits gepackt und von Itachi beiseite gezerrt. Wir stolpern ein paar Schritte vom Geländer weg und hinter uns gibt es einen lauten Knall. Ich drehe mich um und muss die Augen schließen, weil so viel Staub aufgewirbelt wurde. Als ich sie wieder öffne, traue ich meinen Augen erst nicht. Die Stelle, an der wir gerade noch gestanden haben, ist wie weggesprengt worden. Im Geländer und im Boden klafft ein rauchendes Loch und ich kann nicht fassen, dass irgendeines von Narutos Jutsu so eine Zerstörungskraft haben sollte. Mein suchender Blick gleitet über die Brücke und entdeckt ihn schließlich, mehrere Meter hinter dem Loch, das er in die Brücke geschlagen hat. Er steht auf allen Vieren und mit den Sharingan sehe ich, dass seine Aura die Form eines Tieres angenommen hat. Mit spitzen Ohren und neun Schwänzen. "Kyuubi", sagt Itachi ausdruckslos. Seine Stimme löst eine merkwürdige Reaktion bei Naruto aus. Die Augen, eigentlich blau, doch in diesem Moment blutrot, fixieren Itachi und er knurrt mit völlig verzerrter Stimme: "Ich bring dich um!" Noch nie habe ich ihn so gesehen. Zum ersten Mal glaube ich ihm, dass er bereit ist, einen anderen zu töten. Das ist nicht Naruto. Das ist irgendetwas Anderes. Etwas Altes, etwas unfassbar Gefährliches. Und es lechzt nach Blut, nach dem Blut meines Bruders. Ist das der Neunschwänzige? Ich habe ihn schon einmal gesehen, in seiner wahren Gestalt, tief eingeschlossen in Narutos Innerem. Damals hatte ich nicht annähernd solchen Respekt vor diesem Wesen wie in diesem Moment. Und es greift an. Es prescht los, auf allen Vieren, schlägt Haken beim Laufen und wirkt in seinen Bewegungen kaum noch wie ein Mensch. Itachi versetzt mir einen Stoß, der mich ein paar Schritte von ihm weg taumeln lässt. Er steht einfach da. Will er diesem Monster entgegentreten? Wann fängt er endlich an, irgendetwas zu seiner Verteidigung zu unternehmen? Will er sich umbringen lassen? Das lasse ich nicht zu! Das Juin in meinem Nacken brennt. Ich spüre, wie Orochimarus Finsternis sich in mir ausbreitet. Und ich lasse es bereitwillig geschehen, denn sein Fluch macht es so viel einfacher. Er tilgt die Gewissensbisse, die Angst und die Zweifel und lässt nichts als ein Gefühl absoluter Macht zurück. Und das ist es, was ich jetzt am Dringendsten brauche. Ich will nicht mehr danebenstehen und zusehen, wie jemand, den ich liebe, stirbt. Ich lasse nicht zu, dass sie einander umbringen. Ich halte Naruto auf und anschließend sorge ich dafür, dass dieser Kampf endet, bevor er richtig begonnen hat. Itachi weicht aus und Naruto knallt geradezu in den Boden, dort, wo mein Bruder gerade eben noch stand. Ich reiße die Arme hoch, um mich vor den fliegenden Trümmern zu schützen, und als ich über meinen rechten Arm hinweg schaue, sehe ich, wie Naruto seinen krallenbewehrten Arm hochreißt, sich Itachi entgegen wirft und, weil er ihn nicht zu fassen bekommt, damit quer über Itachis Brust fetzt. Blut spritzt, das Blut meines Bruders, bevor er sich mit Kawarimi aus der Schusslinie bringt. Mit einem tiefen, furchterregenden Knurren reißt Naruto den Kopf herum, blickt in eine Richtung, in der ich Itachi erst einen Moment später wahrnehme. Augenblicklich stürmt Naruto ihm entgegen und wieder entgeht Itachi nur knapp einem Angriff. Er springt, stößt in der Luft einen gewaltigen Feuerball aus, aber Naruto ist viel zu schnell. Er schlägt einen Haken, weicht dem Angriff geschickt aus und dann landet Itachi direkt neben mir. "Du solltest gehen, Sasuke. Ich kümmere mich darum." Er steht mit dem Rücken zu mir. Ohne sein Gesicht zu sehen weiß ich, dass er versucht, mich zu provozieren. Er will mir einreden, ich wäre zu schwach, um mich einmischen zu können. Aber gleichzeitig sehe ich, wie er sich an die Brust fasst, die Verletzung dort einzuschätzen versucht, und als er den Arm wieder runternimmt, trieft Blut von seinen Fingern auf den Boden. Adrenalin rauscht durch meinen Körper, benebelt meine Sinne. Die Finsternis in mir schreit nach Blut und Tod. Naruto kommt immer näher. In seinen Augen sehe ich nichts als den Wunsch, zu töten. Und Itachi steht einfach da, vor mir, so als wollte er mich beschützen. "Geh, Sasuke!", ruft er. Es reicht. Als würde ein Schalter in meinem Kopf umgelegt, höre ich einfach auf, nachzudenken. Ich flitze an Itachi vorbei, werfe mich Naruto entgegen und hole zum Schlag aus. Blaue Augen sind weit aufgerissen und starren mich entsetzt an. Ich blinzle, verstehe nicht, warum Naruto plötzlich so nah ist. Was hab ich getan? Da ist… da ist eine Lücke in meinen Erinnerungen, so, als wäre ich einen Moment lang nicht bei mir gewesen. Ich höre Lärm, so wie von… von… Ich sehe ein Stück runter und erkenne, dass mein Arm in Narutos Brustkorb steckt. Zuerst fühle ich gar nichts, ich begreife nicht, was ich da sehe. Ich habe mit der Faust nach ihm geschlagen. Jetzt höre ich Chidori, aber ich hab es doch gar nicht benutzt… oder? Es sollte nur ein Faustschlag sein! Um ihn zu stoppen! Wieso sind seine Augen plötzlich wieder blau? Ich wollte doch nur… Aber getan habe ich etwas anderes. Mein Arm steckt bis zum Handgelenk in Narutos Brust. Panisch ziehe ich die Hand raus und weiche zurück. Naruto fällt auf die Knie und er starrt mich noch immer fassungslos an. Mein Arm ist voller Blut. Naruto ist voller Blut. Chidori ist längst verloschen. Ich habe Naruto angegriffen. Meine Hand durch seine Brust. Haku und Kakashi, damals. Ich habe Naruto angegriffen, verwundet. Getötet? Ich habe… Naruto fällt vornüber. Überall ist Blut. Mein Herz rast, ich kriege kaum Luft. Ich bin in Panik, kann nicht mehr klar denken. Ich habe… irgendwas… in ihm… zerfetzt, ich erinnere mich daran, wie ich es unter meiner Hand spürte, wie es riss und ein Schwall von Blut sich ergoss auf meine… meine Hand… ich… Ich schreie, schreie aus vollem Hals, kann nicht fassen, was gerade passiert ist. "Naruto!" Ich will zu ihm, ihm helfen, irgendwas tun, irgendwas, egal, wieder gut machen, was ich verbrochen haben, und… Jemand packt mich, Itachi hält mich fest. "Beruhige dich, Sasuke! Wir müssen hier weg, bevor die Anbu-" "Ich muss ihm helfen! Ich muss Hilfe holen! Ich muss was tun!" "Begreifst du es nicht? Der Junge ist tot, du hast ihn umgebracht!" Nein. Nein das kann nicht sein. Es darf nicht sein. So schnell stirbt Naruto nicht. Ich hab es doch schon einmal getan. Nein, das ging viel zu schnell. Itachi lügt mich an und ich drehe mich zu ihm um, spüre, wie die Finsternis von Orochimarus Juin erneut von mir Besitz zu ergreifen droht. Etwas ist anders, aber ich weiß nicht, was. "Deinetwegen!", schreie ich. Er wollte, dass es so kommt! "Du hast mich soweit gebracht!!" Ich schlage die Augen auf, sehe sein überraschtes Gesicht und dann ist es, als würde mir der Boden unter den Füßen weggezogen. Ich falle. Und dann… Ich bin zu Hause. Bei jedem Schritt knarrt der Holzboden der Terrasse unter meinen Füßen. Über mir ist der Himmel rot und die Sonne schwarz. Sorgsam schiebe ich die Tür auf und gehe ins Wohnzimmer. Es ist düster hier drin und die Luft riecht nach Blut. Mit meinen bloßen Füßen trete ich in etwas Warmes, Feuchtes und als ich runter sehe, merke ich, dass es eine Blutlache ist. Woher sie kommt, weiß ich nicht. Ich gehe einfach weiter und hinterlasse jetzt blutige Fußspuren in dem Raum. Irgendwo, weit weg, klimpert ein Glöckchen. Vom Wohnzimmer gehe ich rüber in den Gang. Da ist jemand. Ich sehe ihn nur von hinten, er geht den Gang entlang und… Es ist Itachi. Ich erkenne ihn an seiner Art, sich zu bewegen. Aber er ist so… so jung. Kleiner als ich, vielleicht zehn Jahre alt. Ich folge ihm mit einigem Abstand. Er steuert direkt auf mein Zimmer zu… nein, das Zimmer, in dem ich früher mal gewohnt habe. Ich beginne mich zu fragen, wo ich hier bin. Tsukiyomi, zweifellos. Den roten Himmel würde ich jederzeit wieder erkennen. Alles hier stinkt nach Itachi, ich kann es nicht einmal benennen, aber es ist, als würde jeder seelenlose Gegenstand etwas von Itachis Aura ausstrahlen. Ich bin in seinem Kopf, in seinem Geist, seinen Erinnerungen. Aber Itachi hatte nicht die Mangekyou Sharingan, als ich mich zu ihm umgedreht habe. Wozu auch? Der junge Itachi war gerade dabei, die Tür zu öffnen, aber jetzt hält er inne. Er dreht sich halb zu mir um. Er sieht mich direkt an und er lächelt. Und, so als gäbe es da ein Geheimnis, nur zwischen uns beiden, legt er einen Finger an die Lippen, um mir zu bedeuten, es niemals jemandem preiszugeben. Dann öffnet er die Tür. Hastig renne ich hinter ihm her, ich will sehen, was dahinter ist. Ich rechne mit dem Schlimmsten, Leichen, Blut, Tod, aber… Da sitzt ein Kind in dem Zimmer. Der Junge sitzt auf dem Boden und seine schwarzen Augen mustern mit äußerster Konzentration ein Stück Papier. Über Itachis Schulter hinweg sehe ich ihn an. Ich erinnere mich daran, denn das Kind bin ich. Ich hatte den Zettel bei Itachi gefunden, war aber zu klein, um ihn lesen zu können. Der Junge sieht auf, weil er Itachi bemerkt hat. Seine Augen beginnen zu leuchten, sein Gesicht strahlt, als er lächelt. "Nii-san!", ruft er. Das Stück Papier ist vergessen, als er aufspringt und auf Itachi zu rennt. "Du bist wieder da!" Er wirft sich seinem Bruder entgegen und schlingt die kleinen Ärmchen um dessen Taille. "Nii-san ist wieder da!", ruft er voller Begeisterung. Die großen Kinderaugen strahlen, als Itachi ihn hochhebt. Das zu beobachten tut mir weh. Das Kind lacht, so ausgelassen und unbeschwert, und mir dreht sich beinahe der Magen um. Ich finde ihn zum Kotzen, diesen naiven, lebensfrohen, schwachen, kleinen Jungen, der Itachi so bedingungslos liebt. Ich verabscheue dieses Kind, ich verabscheue mich selbst. Und ich kann nicht glauben, mit welch liebevollem Blick Itachi dieses… dieses hassenswerte Wesen mustert. "Von diesem Moment an, Sasuke…" Die Stimme kommt aus einer anderen Richtung. Itachi und mein jüngeres Ich sind mitten in der Bewegung eingefroren. Ich drehe mich um und hinter mir steht mein Bruder. Der, der mir nun vertraut ist. Der zweiundzwanzigjährige. "…war ich dir verfallen." "Ich verstehe nicht." Er lächelt. "Macht nichts. Du hast genug in meinem Geist rumgeschnüffelt. Es ist Zeit, zurückzukehren." Rumgeschnüffelt? Was? Er wendet sich von mir ab, überlegt es sich dann aber nochmal anders und dreht sich wieder zu mir um. "Ach ja. Beachte die Schmerzen nicht. Das geht vorbei." Übergangslos falle ich zurück in die Wirklichkeit. Gewaltiger Schmerz explodiert in meinem Schädel, ausgehend von meinen Augen. Ich höre mich selber schreien wie am Spieß. Solche Schmerzen hatte ich noch nie, niemals zuvor. Es fühlt sich an, als hätte mir jemand irgendwas Ätzendes in die Augen gespritzt. Ich bekomme nichts mit außer den Schmerzen. Ich weiß nicht einmal, ob ich sitze oder liege, ob ich falle oder stehe. Ich bin in Panik, ich bin nicht mehr ich selbst. Etwas frisst sich in meine Augen, wird sie zerstören und mich blind zurücklassen. Schreie ich immer noch? Es riecht nach Blut, überall. Der Geruch klebt an mir. Lieber sterbe ich, als das noch eine Sekunde länger zu ertragen. Da ist eine Stimme. Jemand hält mich fest. Arme, die wie Schraubstöcke um mich liegen und mich festhalten. Eine vertraute Stimme, wie ein Licht in dem blutigen Chaos, etwas, woran ich mich festhalten kann. Ich versuche, mich darauf zu konzentrieren. "Es geht vorbei. Sasuke. Beruhige dich. Es geht vorbei." Itachi spricht mit mir. Er ist es, der mich festhält. Und dann zwinge ich mich, meine Augen zu öffnen. Entgegen aller Erwartungen kann ich noch sehen. Die Welt ist in blutiges Rot getaucht, aber ich sehe. Ich sehe, wie mein Blut auf meine Hände, meine Oberschenkel, meine Brust tropft, wie Tränen läuft es meine Wangen hinab. Meine Augen bluten. "Was passiert mit mir?", schreie ich wie von Sinnen. "Das sind die Mangekyou Sharingan", sagt Itachi zu mir. "Keine Angst. Es geht vorbei." Mangekyou… Und dann fällt mir wieder ein, was ich getan habe. Wie durch einen blutigen Schleier sehe ich Naruto, der reglos auf dem Boden liegt. Es ist zu viel für mich. Ich will schreien, hole Luft, und dann wird alles um mich herum schwarz. XIX. All I ever really wanted was to be like you ------------------------------------------------ Als ich zu mir komme, kann ich im ersten Moment nicht verstehen, wo ich bin. Ich liege im Bett und erwache mit dem seltsamen Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Nein, dass überhaupt nichts mehr stimmt. Das Licht brennt in meinen Augen, als ich sie öffne und ich begreife, dass ich nicht in meinem Zimmer bin. Ich habe so ein merkwürdiges Gefühl von déjà-vu. Wie bin ich…? Mit der Kraft eines Vorschlaghammers trifft mich die Erkenntnis, dass ich Naruto getötet habe. Es ist alles wieder da, das, was auf der Brücke passiert ist und ich kriege im ersten Moment kaum noch Luft, weil ich fast in Panik gerate. Ruckartig setze ich mich auf, krümme mich und ringe nach Atem. Damals war es genauso. Nachdem Itachi meine Familie getötet hatte, wachte ich wochen- und monatelang auf diese Weise auf. Man vergisst, wenn man schläft. Und wenn man erwacht, denkt man ein paar wunderbare Sekunden lang, alles wäre immer noch so wie früher. Bevor einen die Wahrheit einholt und man jeden Morgen aufs Neue begreift, dass nichts mehr so sein wird, wie es mal war. Das Aufwachen war immer das Schlimmste am ganzen Tag, nachdem meine Eltern gestorben sind. Und jetzt ist wieder ein Mensch gestorben, der mir wichtig war. Es war dumm von mir, Naruto und Sakura in mein Haus zu lassen. Es war dumm, sie meine Freunde zu nennen. Meine Freundschaft bringt nur Unglück. Weil Itachi eifersüchtig über mich wacht und am Ende jeden tötet, der mir wichtig ist. Ich weiß, derjenige, der Naruto umgebracht hat, war ich. Aber ich weiß auch, dass Itachi wollte, dass es so kommt. Ich kann und will nicht glauben, dass er das, was passiert ist, von Anfang bis Ende so geplant hat. Das ist einfach nicht möglich, es waren zu viele zufällige Ereignisse. Er konnte nicht wissen, dass ausgerechnet Naruto auftauchen würde. Und noch viel weniger konnte er wissen, dass ich Naruto umbringen würde. Aber er wusste, ich würde dazwischen gehen. Als Naruto ihn angegriffen hat, da wusste er, ich würde ihn beschützen. Damals habe ich es ja auch so gemacht, als Deidara ausgerastet ist. Es war der ultimative Test, sein Beweis, dass ich ihn Naruto vorgezogen habe. Aber er konnte nicht wissen, wie weit ich gehen würde. Ich verstehe es ja selbst nicht. Das Juin bewirkt, dass hinderliche Dinge wie Rücksicht, Mitleid oder Gewissen in den Hintergrund treten, dafür nährt es Wut, Hass, Eifersucht und macht einen so stärker und vor allem rücksichtsloser. Aber es kann doch nichts hervorrufen, was nicht da ist. Ich hatte nie, niemals den Wunsch, Naruto umzubringen. Itachi war bereit, deinetwegen die Familie zu töten. Damit er dich besitzen kann. Bist du nicht genau wie er? Hast du Naruto umgebracht, damit er nicht mehr im Weg steht? Damit Itachi dich für sich haben kann? Meine Hände krallen sich in mein Haar. Es ist einfach nicht wahr. Ich quäle mich nur selbst. Ich wollte nie seinen Tod, weder bewusst noch unbewusst. Ich versuche nur, mir selbst wehzutun. Aber damit kann ich es auch nicht wieder gut machen. Ich bin nicht wie Itachi. Es war ein Unfall. Es war ein perfides kleines Spiel, das Itachi inszeniert hat, um mich in eine unmögliche Lage zu bringen. Ich wollte es nicht. Eine Tür wird geöffnet und ich mache mir nicht die Mühe, denjenigen anzusehen, der mein Zimmer betritt. Ich weiß, dass er es ist. "Du bist wach", stellt er fest. Ich höre, wie er irgendwas auf den kleinen Tisch neben meinem Bett stellt. "Du solltest etwas essen. Du warst sehr lange nicht bei Sinnen." "Wie lange?", frage ich tonlos und immer noch mit starr auf die Bettdecke gerichtetem Blick. "Fast vier Tage." Vier Tage. So fühlt es sich nicht an. Es fühlt sich an, als wäre ich vor ein paar Minuten noch auf der Brücke gewesen. Seine Hand liegt auf einmal auf meiner Stirn und drückt meinen Kopf ein Stück hoch. "Du hast fast kein Fieber mehr." "Fieber?" "Die Mangekyou Sharingan, erinnerst du dich?" Er lässt mich wieder los. "Bei mir dauerte es damals nicht ganz so lange." Ich erinnere mich. Es stand in der Schriftrolle im Nakano Schrein, zusammen mit der Anweisung, den besten Freund zu töten. Nebenwirkungen, hieß es. Fieber, Alpträume, Blut, manchmal sogar Tod. Wer wäre verrückt genug, so etwas für ein bisschen mehr Macht auf sich zu nehmen? Ich schaue ihn an. Er war damals auch krank. Das erste und einzige Mal in seinem Leben. Ja, ich erinnere mich. Eine Nacht lang hatte er Fieber und meine Eltern sorgten sich entsetzlich um den Clanerben. Ich war noch zu klein, mir sagte nie jemand was. Ich bekam nur mit, dass Mutter sich um ihn kümmerte und als ich in sein Zimmer lugte, sah ich, dass er in seinem Bett lag mit einem nassen Tuch auf der Stirn. Vater muss ein Idiot gewesen sein. Oder er wollte die Wahrheit einfach nicht sehen. Shisui verschwand in der Nacht, als Itachi hohes Fieber bekam. Vater muss die Schriftrolle gekannt haben. Wie konnte er nicht wissen, was Itachi getan hatte? Er muss es gewusst haben und er hat sich entschlossen, seinen Sohn zu schützen, und es niemandem zu sagen. Vater war ein dummer, dummer Mensch. Eine Eigenschaft, die ich wohl von ihm geerbt haben muss. "Wo sind wir?", frage ich. "Erkennst du es nicht?" Verwundert sehe ich mich um. Ich hatte mir nicht die Mühe gemacht, mir das Zimmer genauer anzusehen. Ich nahm an, er hätte wieder einmal Menschen getötet und sich deren Besitz einfach genommen. Aber jetzt, wo er es sagt, kommt mir dieser Raum wirklich bekannt vor. Spärlich eingerichtet, Bett, Nachttisch, Kommode und ein Fenster, durch das man von hier aus nur den Himmel sehen kann. Wenn man aus der Tür rausgeht, kommt man auf einen Flur. Das Zimmer nebenan bewohnt Itachi. Eine Tür weiter ist das Bad. Geht man den Flur entlang weiter, kommt man zur Treppe nach unten, wo sich die Küche befinden, das Wohnzimmer und die Haustür. Ich frage mich, ob da heute noch ein Loch klafft, wo ich sie vor so langer Zeit einfach gesprengt habe, die Haustür. "Wir sind da, wo es angefangen hat", sage ich. Es ist das erste Haus, in das er mich brachte. Hier kam ich zu mir, nachdem ich am See versucht habe, mich umzubringen. Warum sind wir eigentlich nicht hierher zurückgekehrt? Ach ja, wegen Orochimaru. Itachi brachte mich zu Deidara, für den Fall, dass der Sannin sich sehen lässt, um seinen Lieblingsuntergebenen zu rächen. Die Gefahr besteht nicht mehr und sehr viele Akatsuki sind auch nicht mehr übrig. Mich wundert es dennoch, dass Itachi diesen Ort ausgesucht hat. Es war doch bloß ein Haus, ein Versteck. "Wieso dieser Ort?", frage ich. "Es ist mein zu Hause." "Du hast ein zu Hause?" "Was dachtest du, wo ich die letzten zwei Jahre verbracht habe?" In einer Höhle von der Decke hängend? Ich spreche lieber nicht aus, was ich mir denke. Naja, ich hab's grade nötig. Ich trete würdig in seine Fußstapfen. "Verstehe", sage ich stattdessen. Jetzt wird mir auch klar, woher dieses Gefühl von schon-einmal-passiert kommt. Wir beide, in diesem Haus. So hat es angefangen. Und auch dieses Mal bin ich wütend auf ihn. Der Unterschied ist nur, dass ich nicht zum Schweigen verdammt bin. "Und? Bist du jetzt zufrieden? Naruto ist tot, du hast mich ganz für dich. Ich hoffe, das ist es, was du wolltest." "Vielleicht ist es das, was du auch wolltest." "Ich wollte nicht, dass er stirbt." "Du hast ihn angegriffen, nicht ich." Ich starre wieder auf die Bettdecke und meine Hände ballen sich zu Fäusten. "Du hast mich dazu gebracht. Er hatte Recht. Wenn du da bist, dann verändere ich mich. Und ich hasse die Person, zu der ich werde. Ich wollte nie so werden, wie du." Das ist gelogen. Ich wollte immer so sein wie er. Bis ich erkannt habe, wer er wirklich ist. Er ist gar nicht stark und bewundernswert. Er ist genauso feige und unsicher wie ich. Wäre es nicht so, hätte er keine solchen Probleme mit Naruto gehabt. Er ist schwach und er ist kaputt. Er kann seine Liebe nur mit Gewalt ausdrücken. Und dem tragischen Menschen, der er ist, bin ich verdammt ähnlich, ob ich es nun will oder nicht. "Es steht dir frei, zu gehen." "Wohin sollte ich gehen? Ich habe kein zu Hause mehr!" Seine Stimme ist kalt und finster, als er antwortet: "Das ist nicht mein Problem. Wenn du nur hier bist, weil du keine andere Wahl mehr hast, dann kannst du gleich wieder verschwinden." Er verlässt den Raum und wirft die Tür ins Schloss. Ich ziehe die Knie an und versuche, mit all dem irgendwie fertigzuwerden. Es ist wirklich wie damals. Als ich das letzte Mal hier war, fühlte ich mich genauso elend wie jetzt. Mein Zorn richtet sich gegen Itachi und gegen mich selbst, und mein Bruder scheint sich entschlossen zu haben, mich zu ignorieren, bis ich mich beruhigt habe. Aber wie kann ich mich beruhigen, wie kann das jemals wieder gut werden? Er scheint sich die meiste Zeit über in seinem Zimmer aufzuhalten. Wenn wir uns im Haus begegnen, würdigt er mich keines Blickes und wechselt kein Wort mit mir. Dabei bräuchte ich jetzt mehr denn je seinen Trost und seine Wärme. Ich wünschte, er würde es mir leichter machen. Mir sagen, dass es ein Unfall war und dass es nicht meine Schuld ist. Dass ich bei ihm bleiben darf und dass es irgendwie wieder gut wird. Aber ich muss alleine damit klarkommen. Es belastet mich. Das ist der Unterschied zwischen Itachi und mir. Ich habe es fertiggebracht, Naruto zu töten, aber ich habe noch ein Gewissen. Es tut mir weh, es quält mich. Jede Nacht träume ich von seinem entsetzten Blick und dem vielen Blut. Ich kann nicht mehr essen. Ich habe einfach keinen Hunger und würge deshalb bloß einmal am Tag ein paar Bissen runter. Es ist mein Wunsch, mich selbst für alles, was ich getan habe, zu bestrafen, das weiß ich, aber ändern kann ich es durch dieses Wissen nicht. Seit wir hier sind, habe ich nicht mehr in den Spiegel gesehen. Ich hasse mich, seit ich denken kann, weil ich immer unzulänglich war, aber es wird mit jedem Mal, wo ich Itachi begegne, schlimmer. Den Anblick meines Spiegelbildes ertrage ich nicht mehr. Ich beginne, mich zu fragen, wo das hinführen soll. Ich bin seit ein paar Tagen hier, und obwohl es das ist, was ich mir gewünscht habe, obwohl ich jetzt bei Itachi bin, ist es doch nicht so, wie es sein sollte. An jenem Ort in den Bergen waren wir uns so nah und jetzt ist das alles vergessen, es ist nichts mehr davon übrig. Will ich so leben? Will er das? Keine Ahnung, was in seinem Kopf vorgeht. Reicht es ihm schon, mich zu besitzen? Ist es ihm egal, dass wir nicht miteinander sprechen, solange ich nur da bin? Vielleicht reicht es wirklich aus, dass ich mit niemand anderem glücklich bin, um Itachi zufriedenzustellen. Er lässt mich mit meinem Schmerz alleine, anstatt die Gelegenheit zu nutzen, sich mir zu nähern. Ich verstehe ihn einfach nicht. Ich merke nur, dass sich die Rollen irgendwie vertauscht haben. Er ist jetzt derjenige, der schweigt. In den letzten Tagen hatte ich wieder einmal sehr viel Zeit zum Nachdenken. Und mir ist wieder eingefallen, was ich gesehen habe, als ich die Mangekyou Sharingan benutzt habe. Ich habe sie unabsichtlich gegen ihn eingesetzt, was wohl der Grund dafür ist, dass ich über das, was ich sah, kaum Kontrolle hatte. Aber ich zweifle inzwischen nicht mehr daran, dass er genauso wenig kontrollieren konnte, was ich sah. Die Erinnerung, die ich gefunden habe, war echt. Aus seinem Kopf und dabei so klar und deutlich, dass ich mich fragen muss, warum er sie sich bewahrt hat. Es kam öfter vor, dass ich mich über seine Rückkehr so gefreut habe. Ich war jung und dumm. Ich fand es toll, wenn er wieder nach Hause kam. Ich wollte, dass er mir von seinen Missionen erzählt, dass er mit mir trainiert, Zeit mit mir verbringt. Er war doch mein großer Bruder, mein Idol, mein Held. Er sagte, von jenem Moment an wäre er mir verfallen gewesen. Ich weiß nicht recht, wie ich das interpretieren soll. Es war doch umgekehrt. Ich war ihm verfallen, ich glaubte, Itachi wäre allmächtig und der beste und liebste Mensch der ganzen Welt. Wieso war es diese eine Erinnerung, die in seinem Kopf so präsent war, dass ich sie fand? Wieso ist sie ihm so wichtig? Hat er mich damals geliebt? Wieder gibt es Fragen, auf die ich wohl nie eine Antwort erhalten werde. Ich werde geweckt durch meine eigenen Schreie. Die Alpträume, die mich quälen, werden immer schlimmer. Es war ein Durcheinander aus Blut und Schreien. Ich sah Shisui, der leblos über das Geländer der Brücke fiel und in den Fluss stürzte. Und ich sah Naruto und seine großen, blauen Augen, die mich entsetzt anstarrten. Ich sah sein Begräbnis, wo alle Dorfbewohner in schwarz gekleidet um ihn trauerten. Ich sah den Neunschwänzigen, der das Dorf verwüstete und Sakura tötete. In meinem Traum stand ich daneben und sah dies alles, sah zu bei der Vernichtung. Und ich lachte sie alle aus, die Fliehenden, die Verzweifelten, die Sterbenden. An das Fuchsungeheuer hatte ich bisher noch gar nicht gedacht. Wenn Naruto tot ist, was passiert dann mit dem Neunschwänzigen? Wenn er dadurch freigelassen wurde, dann wäre das eine Katastrophe für das Dorf. Noch mehr Leute wären dann meinetwegen gestorben und ich wüsste es noch nicht einmal. Im Traum habe ich ihre Schreie genossen. Könnte ich so grausam sein? Es fühlte sich an, als wäre ich nicht ich selbst. Ich bin ein Mörder, aber ich bin nicht jemand, der es genießt, andere leiden zu sehen. Ich stehe auf und taste mich vor bis zur Tür. Dort mache ich das Licht an und versuche, mich zu beruhigen. Der Schreck sitzt mir noch immer in den Knochen. Ich fühle mich wie ein kleines Kind, das einen Alptraum hatte. Wäre ich noch ein kleiner Junge, würde ich jetzt mein Zimmer verlassen und den Flur entlang zu Itachis Zimmer tapsen. Das war schön, damals. Wenn er zu Hause war, dann ließ er mich manchmal bei sich schlafen, wenn ich einen Alptraum hatte. Ich habe es geliebt. Weil ich mich bei ihm so sicher und geborgen gefühlt habe. Ich bin jetzt erwachsen. Es gibt niemanden mehr, von dem ich mich trösten lassen könnte. Und für das, was mich quält, gibt es keinen Trost. Meine Familie ist tot, mein bester Freund ist tot. Und mein Bruder hat sich von mir distanziert. Ohne darüber nachzudenken, öffne ich die Tür und gehe raus auf den Gang. Das Licht aus meinem Zimmer leuchtet mir den kurzen Weg bis vor seine Tür, wo ich wie versteinert stehen bleibe. Was will ich hier? Ich bin kein Kind mehr. Er ist nicht mehr der große Bruder, der mich tröstet. Einen Großteil meines Kummers hat er verursacht. Was tu ich hier? Ich liebe ihn. Die Erkenntnis ist unumstößlich, ganz egal, was er getan hat. Ich bin hier, weil ich sein Schweigen nicht mehr ertrage. So leise wie möglich öffne ich die Tür. Wieder etwas, das so schon einmal dagewesen ist. Damals versuchte ich, ihn mit einem Kunai zu erstechen. Ich versuche, im Dunkeln zu erkennen, ob er schläft. "Du hast geschrieen", kommt es vom Bett aus. Natürlich schläft er nicht. "Ich habe schlecht geträumt." "Warum bist du hier?" Ich schließe die Tür von innen, nähere mich dem Bett und hoffe, dass nichts am Boden liegt, über das ich stolpern könnte. "Weil ich nicht anders kann", antworte ich. Mein Herz pocht. In die Dunkelheit hinein sage ich: "Ich bin nicht hier, weil ich keine andere Wahl habe." Ich stoße mit den Knien gegen das Bett und eine Hand tastet nach mir und zieht mich auf das Bett. Er sitzt aufrecht und ich setze mich daneben, ziehe mir ein Stück der Decke um die Schultern und suche automatisch seine Nähe. Wieder wird mir klar, wie furchtbar er mir gefehlt hat. "Du kommst in mein Bett, weil du schlecht geträumt hast?", fragt er mich und in seiner Stimme schwingt ein Hauch von Belustigung mit. "Ja", antworte ich. Ich bin jetzt erwachsen, aber er wird immer mein großer Bruder sein. Und so viel mehr. "Ich dachte, du wärst wütend auf mich." Er klingt nicht unsicher, als er das sagt. Ich denke, er kennt die Antwort schon. "Ich weiß, dass du schlecht für mich bist. Aber ich kann es nicht ändern, ich will bei dir sein." "Ich wollte, dass du ihn tötest", sagt er nach einer kurzen Pause. "Ich weiß. Aber ich bin derjenige, der es getan hat." Vielleicht hilft die Dunkelheit uns, miteinander zu sprechen. Wenn wir einander dabei nicht ansehen müssen, geht es leichter, die Wahrheit zu sagen. "Warum hasst du alle, die mich gern haben? Wieso darf ich keine Freunde haben?" "So einfach ist es nicht, Sasuke." Ich spüre seine Finger, erst an meinem Nacken, dann gleiten sie hoch in mein Haar, wo sie sich festhalten. "Du kannst nicht beides haben. Wenn du bei mir sein willst, musst du auf dein zu Hause und deine Freunde verzichten." "Aber er hätte nicht sterben müssen." "Er war dir zu nahe", antwortet er. "Es gefiel mir nicht." Es erstaunt mich, wie ehrlich er ist. "Auch wenn du jetzt erwachsen bist… du gehörst immer noch mir. Ich teile nicht." Einen Moment lang denke ich über seine Antwort nach. Wenn er das so sagt, klingt er fast wie ein Kind, das über sein Spielzeug spricht. Wahrscheinlich ist es auch irgendwie so. Ich frage leise: "Wenn ich gehen würde, was würdest du dann tun?" "Dich suchen." Er krallt sich in meinem Haar fest bis zu dem Punkt, wo es fast schmerzhaft wird. "Und wenn ich irgendwo neue Freunde fände, würdest du irgendwann auftauchen und sie mir wegnehmen, nicht wahr?" "Deine Freundschaften interessieren mich nicht. Aber Naruto ist anders und ich habe es gehasst, wie nah er dir war. Und immer noch ist." Es ist schon richtig, Naruto war mehr als ein Freund für mich. "Es geht darum, wen ich liebe, oder?", frage ich. "Ihn habe ich wie einen Bruder geliebt und das hast du so gehasst." Er antwortet nicht. Vielleicht ist da noch etwas, von dem ich nichts weiß. Aber dann wird er es mir auch nicht sagen. Im Grunde beantwortet er mir meine Fragen fast nie. Er wartet darauf, dass ich die Antworten selbst finde und wenn es soweit ist, ist er bereit, die Wahrheit zuzugeben. Jedenfalls wird mir etwas klar, was ich eigentlich die ganze Zeit über schon wusste. Ich werde nie wirklich frei sein. Selbst wenn ich mich entschließen würde, ihn zu verlassen, er würde immer eifersüchtig über mich wachen und alle zerstören, die ich in mein Herz lasse. Meine Liebe ist wirklich ein Fluch. Er wird niemals zulassen, dass ich ohne ihn glücklich werde. Es ist nicht so, dass mich diese Erkenntnis sonderlich mitnimmt. Ich habe nicht den Wunsch, mich von ihm zu befreien. Aber ich erkenne erst jetzt, wie zerstörerisch seine Liebe ist. Ich hätte nicht gedacht, dass er soweit gehen würde. Ich erinnere mich an den Traum, den ich öfter hatte, wo er Sakura und Naruto vor meinen Augen umbringt und ich schätze, dass ein Teil von mir es schon lange begriffen hatte. "Ich werde bei dir bleiben", sage ich tonlos. Ich habe ja auch wirklich keine andere Wahl. "Was wird jetzt weiter passieren? Wirst du mich irgendwann wieder alleine lassen?" "Ich verspreche dir gar nichts", antwortet er düster. "Wenn du bei mir sein willst, wirst du damit leben müssen." Inzwischen bin ich soweit, dass ich das akzeptieren kann. Vielleicht ist es irgendwann wieder soweit und er rennt vor all dem hier davon, so wie schon einmal. Oder aber ich laufe wieder weg. Unsere Probleme kann man nicht auf einen Schlag beseitigen. Ich werde damit leben müssen und er auch. "Ist schon okay", sage ich. Lange Zeit schweigen wir uns an, bis ich irgendwann frage: "Darf ich heute bei dir schlafen?" Er lacht und wir legen uns hin. Vielleicht wird seine Anwesenheit mich vor weiteren Alpträumen bewahren. Ich würde so gerne einfach alles vergessen und nur genießen, dass er jetzt, in diesem Augenblick, bei mir ist. XX. You got your way and I'll get mine -------------------------------------- Itachi hat entschieden, mich zu trainieren. Und wenn sage, er hat entschieden, dann meine ich das auch so. Ich wurde gar nicht erst gefragt, denn wenn, hätte ich auch protestiert. Die Mangekyou Sharingan wollte ich nicht und immer, wenn ich sie benutze, werde ich daran erinnert, was sie mich gekostet haben. Aber er hat mir keine große Wahl gelassen. Er brachte mich nach draußen, wir suchten uns einen stillen Ort etwas abseits und der wurde sozusagen als Trainingsplatz auserkoren. Ich hatte keine große Wahl, als er mich angegriffen und mich angeblafft hat, ich solle gefälligst Haltung annehmen und mich verteidigen. Die ersten Stunden verbringt er stets damit, mich in Form zu peitschen. Er ist ein ausgezeichneter Lehrer, aber beim Training wünsche ich ihm regelmäßig die Pest an den Hals. Er korrigiert penibel jeden Fehler in meiner Verteidigung, so als wäre ich noch ein Ninjaanwärter, und wenn ich es wage, denselben Fehler zweimal zu machen, demonstriert er mir eindrucksvoll und schmerzhaft, was mich so ein Fehler kosten kann. Meine Präzision beim Werfen von Shuriken und Kunai lässt offenbar auch zu wünschen übrig ("Jemand mit Sharingan sollte eigentlich besser als ein durchschnittlicher Shinobi werfen, Sasuke!") und meine Kondition findet er auch allenfalls mäßig. Dass er mich noch nie außer Puste gebracht hat, scheint bei der Beurteilung dabei nebensächlich zu sein, ebenso wie die Tatsache, dass er sich nach Benutzen der Mangekyou Sharingan kaum auf den Beinen halten kann. Manchmal, wenn er auf mir rumhackt und mich fragt, was ich in der ganzen Zeit eigentlich gemacht habe, möchte ich ihn gerne darauf hinweisen, dass ich ihm ein Unentschieden beim letzten Kampf abgerungen habe und es daher wohl eher egal ist, ob ein Shuriken sein Ziel um fünf Millimeter verfehlt. Aber ich halte mich wohlweislich zurück, denn seine Trainingsmethoden sind sowieso schon fragwürdig und grenzen an Körperverletzung, ich habe nicht das Bedürfnis, ihn zu mehr zu ermuntern. Im Schwertkampf ist er etwas eingerostet. Er hat es ja selbst gesagt, die Familie hielt nie viel davon, deshalb konzentrierte sich sein Training damals auch auf andere Dinge. Und seit er die Mangekyou Sharingan hat, musste er sowieso nicht mehr sehr oft physische Gewalt anwenden. Eigentlich liebe ich es, wenn er versucht, mir was über Schwertkampf beizubringen. Weil ich ihm da überlegen bin. Er kann mich zwar auf Fehler in Haltung und Deckung hinweisen, aber es kommt nicht ganz so überlegen rüber, wenn sein Schwert dabei grade im hohen Bogen durch die Luft saust und ich ihm eines an die Kehle halte. Nach dem ersten Teil des Trainings – wo ich meistens schon an einem Punkt angelangt bin, wo ich ihm wünsche, er möge in der Hölle schmoren – setzen wir uns einander gegenüber hin und er trainiert mich im Umgang mit den Mangekyou Sharingan. Das mit dem Hinsetzen hat praktische Gründe, anfangs standen wir, aber weil die Mangekyou Sharingan sehr viel Kraft kosten, sind wir danach am zweiten Tag beide zusammengesackt wie nasse Säcke, was nicht nur peinlich sondern auch unsinnig war. Seitdem sitzen wir. Es ist weder erholsamer noch angenehmer als der erste Trainingsabschnitt. Ich sehe nichts mehr in seinem Geist, was er mich nicht sehen lassen will. Er gibt gerade so viel frei, dass ich üben kann, die Ängste eines Menschen herauszukitzeln und sie gegen ihn zu richten, aber den Rest von sich schottet er ab. Es ist nicht schön, was er mir beibringt. Ich finde es feige, die Ängste eines Menschen so gegen ihn zu richten. Ich weiß schließlich selbst am Besten, wie weh es tut und wie verheerend es sein kann. Aber ich mache mit, auch weil ich hoffe, dass er mir das andere Doujutsu auch noch beibringt, das mit dem schwarzen Feuer, das sich von Chakra ernährt. Das war viel eher nach meinem Geschmack. Ich bin todmüde, als ich mich ins Bett lege und ich ignoriere die blauen Flecken und Striemen an meinem Körper, die sich bei Berührung sofort bemerkbar machen. Ich sauge nur einmal scharf die Luft ein, als ich mich auf die Hand stütze, um das Kissen zurechtzurücken. Itachi lacht leise und fragt mich: "Ist was, Sasuke?" Grummelnd verweigere ich ihm die Antwort. Er ist schuld daran, dass mir alles wehtut, er und sein blödes Training. Ich bin ihm nicht wirklich böse, ich bin nur ein bisschen… verstimmt. Das Training hilft mir ja auch, mich nicht auf Naruto konzentrieren zu müssen und normalerweise ist es auch irgendwie richtig gut, anschließend todmüde nach Hause zurückzukehren. Würde ich es ihm übel nehmen, wäre ich nicht hier, in seinem Bett. Seit ich vor ein paar Tagen nach meinem Alptraum zum ersten Mal bei ihm geschlafen habe, tue ich es jede Nacht. Er hat nie was dagegen gesagt, deshalb nehme ich mal an, dass es ihn nicht stört. Wenn es nach mir geht, brauche ich das andere Zimmer nicht mehr. Ich bin geradezu ausgehungert nach seiner Nähe und ich nehme mir davon so viel, wie ich kriegen kann. Das Training heute war besonders unangenehm. Dieser miese Bastard hat mich gezwungen, ohne Sharingan zu kämpfen. Er durfte seine natürlich benutzen, eh klar. Es ist nahezu unmöglich, gegen jemanden anzutreten, der den Vorteil der Sharingan hat, noch dazu wenn er so gut ist wie Itachi. Er konnte jede meiner Bewegungen um Jahrhunderte voraussehen, ich hatte nicht den Hauch einer Chance. Und weil uns gestern eines der Schwerter in der Hitze des Gefechts kaputtgegangen ist, hat er sich einfach einen biegsamen aber recht robusten Stock von einem Gebüsch abgebrochen und damit gekämpft. War kein Problem für ihn, weil es mir nie gelang, das Ding mit dem Schwert zu treffen (Nicht, dass ich es nicht versucht hätte, das verdammte Ding in zwei Teile zu säbeln). Aber bei jedem Fehler von mir knallte der Stock auf bloße Haut und jetzt habe ich Striemen am ganzen Körper. Vor allem an den Händen, da er mir immer und immer wieder einzubläuen versuchte, dass ich meine Hände schützen muss, denn ohne die kann ich auch das Schwert nicht halten. Blöder, selbstgerechter Arsch. Anschließend hat er wenigstens das Trainieren der Sharingan weggelassen, ich hätte auch nicht gewusst, wie ich das überstehen soll. Ein bisschen wehleidig lecke ich mir über den Handrücken, wo er mich gleich mehrmals getroffen hat. "Tut es weh, Sasuke?", fragt er mich und schmiegt sich an mich. Sein Tonfall lässt mein Herz höher schlagen, ich weiß inzwischen schließlich, wie es sich anhört, wenn er ganz begeistert, fast schon fasziniert von meinem Schmerz ist. Das ist das wirklich Gute an den harten Trainingsstunden. Anschließend gehen wir ins Bett und je mehr er mich tagsüber gequält hat, desto aufregender ist die anschließende Nacht. Natürlich frage ich mich manchmal, ob es das ist, was die Zukunft für mich bereithält. Ich weiß, dass er immer noch rastlos ist, dass da noch etwas Dunkles ist, das ihn irgendwann wieder dazu treiben wird, mich wegzustoßen. Aber ich habe mir vorgenommen, es diesmal nicht so enden zu lassen. Ich werde mich nicht wegstoßen lassen. Was wir hier haben ist eigenartig, aber es macht mich auf eine eigentümliche Weise glücklich. Wenn ich an die Zukunft denke, sehe ich nicht mehr nur Leere und Einsamkeit. Ich sehe nur noch ihn. Mir ist wunderbar warm, als ich wach werde. Da ist jemand bei mir, ich höre seine gleichmäßigen Atemzüge und spüre den Arm, den er besitzergreifend um mich gelegt hat. Es ist schön, so bei ihm zu sein. Ich bin… Die Erinnerungen kehren zurück und mit ihnen der Schmerz. Ich krümme mich, schließe fest die Augen. Naruto ist tot. Ich kann nicht beschreiben, wie sehr ich hasse, dass ich es Nacht für Nacht vergesse. Dass ich wieder und wieder morgens glaube, es wäre immer noch alles in Ordnung. Mörder, flüstert die Stimme in meinem Kopf. Ich werde noch wahnsinnig, wenn das so weitergeht. Wenn nicht einmal Itachis Nähe mich beruhigen kann, wie soll ich je damit fertigwerden? Der Arm, der um mich liegt, zieht mich näher zu Itachi heran. "Warum kannst du ihn nicht einfach vergessen?", fragt er mich. Als ob das so einfach wäre. "Konntest du Shisui einfach vergessen?", frage ich zurück und blinzle den Schlaf fort. Es ist das erste Mal, dass wir über Naruto reden, seitdem ich neulich nachts zu ihm ins Bett gekrochen bin. "Er war mir wichtig. Und es ist furchtbar, dass ich ihn getötet habe. Er wollte mich nur beschützen. Er konnte nichts dafür, dass er in diese Sache hineingeraten ist." In seinen Armen drehe ich mich zu ihm um, damit ich ihn ansehen kann. Seine Augen sind leer und sein Gesicht gleichgültig. Er empfindet kein Mitleid. Narutos Tod, auch wenn er mich noch so sehr quält, bedauert er nicht eine Sekunde. Er bedauert nur, dass ich nicht vergessen kann. "Du verdankst ihm die Mangekyou Sharingan. Ist das nicht ein guter Grund zu sterben?" "Nein." Seine Gefühlskälte solchen Dingen gegenüber schockiert mich immer wieder. Ich setze mich auf. "Nein, ist es nicht! Ich wünschte, ich könnte es rückgängig machen!" Ich wollte die Mangekyou Sharingan nicht! Nicht um diesen Preis! Itachi setzt sich ebenfalls aufrecht hin und legt die Hand auf meine Schulter, aber ich schüttle sie ab. Missbilligend sieht er mich an. "Wenn er noch leben würde, wärst du dann auch hier?" "Fragst du mich, ob er mir wichtiger ist, als du?" "Ich frage dich, wo du jetzt wärst, wenn Naruto noch am Leben wäre. Bei mir oder bei ihm?" "Bei dir." "Ich glaube dir nicht." "Was macht das jetzt noch für einen Unterschied? Er ist tot!" Meine Güte, ich glaube, ich fange gleich an zu weinen. Das hat mir grade noch gefehlt. Wieder einmal vor seinen Augen anfangen zu flennen… nein, ich will nicht! Ich atme tief ein, um mich zu beruhigen. Ja, er ist tot, aber es ist nicht mehr zu ändern. Es macht ihn nicht lebendig, wenn ich weine. "Aber ich muss wissen, ob du nur hier bist, weil du jetzt sowieso nicht mehr anders kannst." "Bist du so unsicher?", frage ich wütend. "Ich habe ihn getötet, um dich zu beschützen. Was für einen Beweis willst du denn noch?" "Du hast ihn angegriffen, weil ich es so wollte. Du hättest es nie fertiggebracht, ihn meinetwegen umzubringen." "Sag mal, warst du nicht dabei, als ich…" "Ich bezweifle, dass Naruto tot ist." Ich starre ihn blöde an. Mein Verstand braucht einen Moment, um zu begreifen, was er da gesagt hat. "Der Neunschwänzige macht ihn beinahe unsterblich. Was du getan hast, könnte ihn unmöglich so schnell töten. Kyuubi sorgt dafür, dass Wunden bei ihm schneller heilen. Und dass er mit eigentlich tödlichen Verletzungen noch Stunden überleben kann." Das glaube ich einfach nicht. Ich habe mir tagelang Vorwürfe gemacht, ich habe… Und jetzt sagt er mir… "Aber… du hast doch gesagt, ich hätte ihn getötet…" "Ich sagte, was ich sagen musste. Für die Mangekyou Sharingan musstest du glauben, er sei tot." Ich fasse das alles nicht. Er sagte, ich müsste meinen besten Freund töten. Wenn Naruto nicht tot ist, kann ich nicht die Mangekyou Sharingan haben, so einfach ist das doch. Oder? "Die Sharingan sind keine eigenständige Entität, Sasuke. Die können seinen Puls nicht fühlen, können nicht auf magische Weise wissen, ob der beste Freund denn nun auch wirklich tot ist oder nicht. Es reichte aus, dass du glaubst, er wäre tot." "Aber dann…" Mir fällt ein Stein vom Herzen, aber gleichzeitig steigt meine Wut auf Itachi ins Unermessliche. Er hat mich leiden lassen, völlig ohne Grund! "Lebt er noch?", frage ich zornig. "Ja oder nein?" "Keine Ahnung. Ich habe dich mitgenommen und bin gegangen. Es hat mich schlichtweg nicht interessiert, was aus ihm wird." Am liebsten würde ich mich auf ihn stürzen und ihm diesen selbstgerechten Ausdruck aus dem Gesicht schlagen. Aber ich muss mich erstmal beruhigen, wirklich begreifen, was er da gesagt hat. Wenn auch nur die geringste Chance besteht, dass Naruto noch lebt, dann muss ich es wissen! Dann muss ich zu ihm gehen und mich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass Itachi mich vielleicht doch nicht zum Mörder gemacht hat. "Und jetzt wirst du gehen", sagt er. "Ich wusste es." Ja, ich will gehen. Und ich will ihn aufrichtig hassen, für das Leid, das er mir – schon wieder! – zugefügt hat. Aber ich kann nicht. Und noch dringender als Gewissheit über Narutos Schicksal zu bekommen ist es, jetzt einen kühlen Kopf zu bewahren. Wenn ich jetzt aus der Tür stürme, um nach Naruto zu sehen, dann wird Itachi nicht mehr da sein, wenn ich zurückkomme. Das ist seine Angst und ich werde nicht derjenige sein, der alles kaputtmacht, auch wenn er mich geradezu dazu zu zwingen versucht. Dieses Mal werde ich vernünftig sein. Was auch immer er für Grausamkeiten für mich auf Lager hat, ich werde nicht tun, was er von mir will. Ich werde nicht aufgeben. "Verstehst du mich denn nicht?", frage ich ruhig. Seine Augen werden wieder so kalt, haben diesen unnahbaren Ausdruck, den ich zu fürchten gelernt habe. "Ich will nicht von hier weg, weil er mir wichtiger ist. Ich will nur wissen, ob es ihm gut geht. Damit ich mich nicht mit den Schuldgefühlen quälen muss. Wenn ich ihn suchen gehe, dann nicht, um dich zu verlassen." Er macht komplett dicht. Niemand anders kann es so perfekt wie er, ich sehe in seinem Gesicht und in seinen Augen, wie er alles, auch mich, von sich abschottet. Die Kälte ist sein Schutzwall und ich werde dagegen anrennen wie gegen eine Wand aus meterdickem Eis. So verletzlich er eben noch war, so versteinert ist er jetzt. Unterkühlt sieht er mich an und sagt frostig: "Ob du zurückkommst ist mir völlig egal. Wenn du gehen willst, dann geh. Verschwinde, dein Anblick macht mich krank." Es tut weh, obwohl ich weiß, warum er es sagt. "Nein. Nicht, wenn du mir nicht zuhörst." "Du bist schwach. Du wirst Naruto und dein zu Hause", er spuckt die letzten Worte geradezu aus, so als wäre es eine Beleidigung für ihn, die Worte überhaupt in den Mund nehmen zu müssen, "nie loslassen können. Es war ein Fehler, dich bei mir haben zu wollen. Du bist meine Aufmerksamkeit nicht wert." "Wer von uns ist schwach, Itachi? Ich versuche wenigstens, aus meinen Fehlern zu lernen! Du elender Feigling!" "Pass auf, was du sagst!" Die Drohung ist ernst gemeint, das sehe ich in seinen Augen. Ich werde nicht feige sein. "Sonst was, Itachi?", frage ich herausfordernd und recke das Kinn hoch, starre nicht furchtlos aber unerschrocken in seine Augen. "Ich kann dich immer noch töten, Otouto. Ich kann dich zerquetschen wie ein lästiges Insekt und mich endgültig von dir befreien." Ich kann nicht leugnen, dass ich Angst habe. Es ist nackte Überlebensangst, die von mir Besitz ergreift, denn nichts, nicht einmal der Blick von Orochimaru bei unserer ersten Begegnung, ist so erschreckend wie die zornigen Sharingan Augen meines Bruders. Mit einem einzigen Blick könnte er mich in Flammen aufgehen lassen. Eine einzige Handbewegung würde ausreichen, um mich zu töten, denn ich sitze hier, angespannt, aber nicht bereit, gegen ihn zu kämpfen. Wenn er mich töten will, werde ich ihn nicht aufhalten. "Du bist hier, aber das heißt nicht, dass du tun und lassen kannst, was dir beliebt. Du gehörst mir, hast du das noch nicht begriffen? Ich treffe meine Entscheidungen selbst, und wenn du noch ein einziges Mal versuchst, so mit mir zu reden, dann schneide ich dir die Kehle durch." Keine Angst. Keine Angst, keine Angst, keineAngst. Auf der Brücke habe ich es doch verstanden. Ich bin zu kostbar. Er tötet mich nicht. Und ich lasse mir von ihm nicht den Mund verbieten. Wenn ich jetzt was sage, rastet er vielleicht aus, aber wenn ich schweige, mache ich alles nur noch schlimmer. Wenn ich irgendwas ändern will, darf ich nicht feige sein. Ich lasse nicht zu, dass er wegläuft. Er fasst die Stille, während der ich mich zu beruhigen versuche, als stumme Kapitulation auf. Wortlos, nur mit einem letzten, verächtlichen Blick steht er vom Bett auf. "Feigling", würge ich mit Todesverachtung hervor. Meine Hände zittern wie verrückt. Ich sehe kaum, wie er sich umdreht, es geht viel zu schnell, ich sehe nur die Bewegung seines Armes, schließe instinktiv die Augen und er schlägt mir mit dem Handrücken ins Gesicht. Es tut weh, ich pralle rücklings gegen die Wand, an der das Bett steht, und bevor ich überhaupt wieder begreifen kann, was passiert, werde ich gepackt und in die Höhe gerissen. Etwas trifft mich hart im Rücken, mein Hinterkopf knallt dagegen, und im ersten Moment gerate ich in Panik, weil ich keinen Boden unter den Füßen habe, und merke erst dann, dass er mich nicht gegen die Wand sondern auf den Boden geworfen hat und ich auf dem Rücken liege. Ich kriege kaum Luft. Die Panik niederkämpfend zwinge ich mich, die Augen zu öffnen. Er sitzt rittlings auf mir, eine Hand um meinen Hals gelegt, und würgt mich. Die Sharingan blitzen mich zornig an und es muss wohl der heftigste Gefühlsausbruch sein, den ich ihm je entlockt habe. Ich habe es selbst gar nicht bewusst mitbekommen, aber meine Finger haben seinen Arm umklammert in dem Versuch, seine Hand von meinem Hals zu lösen. Keine Chance. Er ist so furchtbar wütend. Ich starre in seine Augen und sehe etwas, das sehr alte, sehr tiefe Ängste neu entfacht. Mit den Mangekyou Sharingan sieht er mich an und dieses Mal bin ich nicht darauf vorbereitet. Er wird es wieder tun, er wird mir den Tod meiner Eltern zeigen, nein, vielleicht sogar Narutos Tod, und ich… Aber ich bin doch nicht mehr das Kind von damals. Ich kann mich dagegen zur Wehr setzen. Keine Angst! Hab keine Angst! Ich aktiviere die Sharingan und trotz meiner Furcht vor diesen Augen zwinge ich mich, seinen Blick zu erwidern. Ich starre in seine Augen, wild entschlossen, keine Angst mehr zu haben. Ich bin kein Kind mehr. Ich kann mich wehren und ich habe die Kraft, seine Wut auszuhalten. Als seine freie Hand plötzlich über meinen Augen liegt, bin ich doch erstaunt. Hat er Angst vor meinen Augen? Dass ich ihn damit besiegen könnte? Oder mehr davor, dass ich in seinen Erinnerungen noch mehr finden könnte, was ich nicht sehen soll? Auf einmal lässt er meinen Hals los. Ich ringe mühsam nach Luft. Aber ich unternehme nichts, um ihn von mir runter zu stoßen. Ich liege einfach da und atme, ein und aus, immer wieder. Seine Hand liegt immer noch über meinen Augen. Keine Ahnung, wie lange wir so bleiben, es kommt mir vor wie eine Ewigkeit. Als ich spüre, dass er sich bewegt, rechne ich eigentlich damit, dass er von mir runter geht. Aber stattdessen spüre ich seine Lippen auf meinen. Bereitwillig öffne ich den Mund und unterdrücke das panische Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, als er mir seine Zunge in den Mund schiebt. Es fühlt sich seltsam an, dabei nicht sehen zu können. Ich schließe beim Küssen eigentlich nicht die Augen. Es wundert mich nicht, dass er mich jetzt küsst. Mein Körper reagiert wie von selbst darauf, und es ist trotz allem schön, auch wenn ich weiß, was bei ihm, jedes Mal wieder, diese Zärtlichkeit auslöst. Ich seufze in den Kuss hinein und er lässt von mir ab. Wortlos steigt er von mir runter und ich setze mich auf. Das Atmen fällt schwer, mein Hals fühlt sich rau und heiser an. Wir verfallen in dumpfes Schweigen, minutenlang. Als sich meine Atmung schließlich normalisiert hat, frage ich heiser: "Warum, Itachi? Wozu das alles?" Er sieht mich nicht an, als er mir antwortet: "Ich werde dich immer wieder auf die Probe stellen. Ich werde dir immer wieder wehtun, nur um zu sehen, ob du mich anschließend immer noch liebst." Die Verzweiflung droht mich zu ersticken. Es kann nicht so hoffnungslos sein. Wenn ich, wenigstens einer von uns, es begriffen habe und versuche, etwas zu ändern, dann haben wir doch noch eine Chance, oder? "Warum, Itachi? Willst du unglücklich sein? Sollen wir beide den Rest unseres Lebens so verbringen?" "Ich kenne nichts anderes." Warum stellt er mich auf die Probe, wenn ich keine Chance habe, jemals zu bestehen? Es hört nie auf, wozu das ganze? "Kannst du nicht versuchen, mir zu vertrauen?" "Ich vertraue dir. Ich würde dir mein Leben anvertrauen." "Warum glaubst du mir dann nicht, wenn ich dir sage, dass ich zurückkommen werde?" Das Sprechen fällt mir schwer, es tut weh im Hals. Ich rutsche näher an ihn heran und er bleibt wie erstarrt sitzen, rührt sich nicht einen Zentimeter, als ich ihn umarme. "Ich habe mich entschieden, und es hing nie davon ab, ob Naruto lebt oder nicht. Ich will bei dir sein und dafür gibt es außer dir keinen anderen Grund. Es ist mir egal, ob du mir wieder wehtust. Und wenn du mich wieder verlässt, dann werde ich dich suchen. Und wenn ich dich nicht finde, dann werde ich weitersuchen, immer weiter, hörst du?" "Du hast dich ganz schön verändert", sagt er tonlos. Die Anspannung fällt bei diesen Worten von uns beiden ab. "Dass du es gewagt hast, mich so zu reizen…" Ich lächle an seiner Schulter. "Und ich lebe noch." "Dummer, kleiner Bruder. Bilde dir nichts darauf ein, du hast mir einfach Leid getan. Du hast gezittert wie ein kleines Mädchen." "Natürlich." Mir ist schon klar, wie verkorkst wir sind. Dass es nicht normal ist, sich ein paar einfache Worte so hart erkämpfen zu müssen, ist mir bewusst. Aber für mich fühlt es sich an wie ein Erfolg. Wenn wir beide immer wegrennen, werden die Missverständnisse nur immer größer. Dieses Mal mache ich es ihm klar, und wenn es das Letzte ist, was ich tue. "Sasuke." "Mh?" "Erinnerst du dich an das, was dir die Mangekyou Sharingan gezeigt haben, ganz am Anfang?" Natürlich erinnere ich mich. Ich bekomme ein mulmiges Gefühl im Bauch, weil er danach fragt und nicke wortlos. "Ich schulde dir wohl eine Erklärung." Nein, eigentlich nicht. Es gibt viele Dinge, die er mir erklären sollte, aber diese spezielle Sache zählt eigentlich nicht dazu. Aber ich bin der Letzte, der ihn aufhält, wenn er mal bereit ist, von sich aus etwas zu erzählen. "Als du noch ein Baby warst…" Er stockt und man merkt, wie schwer ihm das fällt. Er ist es nicht gewohnt, über sich und seine Gefühle zu reden. "Als du Laufen gelernt hast, kamst du als erstes zu mir gestolpert. Zu meinen Füßen hast du dich fallen gelassen, um mein linkes Bein zu umklammern. Du hast dich gefreut und es war mir ein Rätsel, wieso du ausgerechnet zu mir kamst." Noch verstehe ich nicht, warum er das sagt. Aber es ist… ich finde es irgendwie rührend und tragisch zugleich. Selbstverständlich erinnere ich mich nicht daran. Aber wenn ich so darüber nachdenke, hab ich mich in der Hinsicht eigentlich kaum verändert. Inzwischen kann ich meine Gefühle etwas – nur etwas – deutlicher ausdrücken, aber ich komme immer noch voller Liebe zu ihm gerannt. "Anfangs warst du mir wirklich egal. Ich war erstaunt, dass du dich jedes Mal so gefreut hast, wenn ich von einer Mission nach Hause zurückgekehrt bin." Er runzelt die Stirn. "Ich habe es nicht verstanden, ich habe nie verstanden, warum du mich so geliebt hast." Auf Anhieb fallen mir tausend gute Gründe ein, aber nicht einer kommt mir über die Lippen. "Und in dem Moment, den du in meinen Erinnerungen gesehen hast, habe ich verstanden, dass ich dich noch viel mehr liebe." Ich glaube, ich muss weinen. Dass ich dich noch viel mehr liebe. Gegenwart. Er wird es niemals direkt zu mir sagen, aber die Worte sind das, was einem 'Ich liebe dich' am nächsten kommen. "Meine Liebe war… schlecht. Sie hätte dich beschmutzt. Ich hätte dir wehgetan, du warst noch so klein. Mir war klar, dass ich nicht gut für dich war." Verzeih mir, Sasuke. Ein anderes Mal vielleicht. "Ich wollte warten, bis du alt genug bist, um selbst zu entscheiden." Ich fühle, wie er seine Hand auf meine legt. Meine Augen habe ich geschlossen, ich lausche atemlos seinen Worten. Noch nie hat er auch nur annähernd so viel über sich preisgegeben. "Deshalb habe ich dich nicht mitgenommen. Es war nicht so geplant. Sie mussten sterben, aber ich hatte nicht vor, dich so zu quälen. Du warst plötzlich da und es war in einem Moment der Schwäche, wo ich entschieden habe, dass du mich nie vergessen sollst." Mein Herz schlägt so schnell. Was er sagt, macht mich traurig. "Ich will dich schon so lange für mich haben, dass ich nicht mehr beurteilen kann, ob du in der Lage bist, selbst zu entscheiden. Vielleicht habe ich dir auch nie eine Wahl gelassen." "Ich bin erwachsen, Nii-san. Du hast dafür gesorgt, dass ich dich nie vergesse. Aber Gefühle kannst nicht mal du erzwingen. Gesteh mir endlich zu, meine eigenen Entscheidungen zu treffen." "Dann entscheide dich." "Das hab ich doch schon. Ich will bei dir sein." Und ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um ihn zu halten. Die Ungewissheit wird mich quälen, aber ich kann jetzt nicht gehen und mich davon überzeugen, dass es Naruto gut geht. Wenn das einer von den vielen Steinen sein soll, die Itachi mir in den Weg legt, dann soll es so sein. Ich gebe nicht auf. In dem Moment, wo ich aufwache, vermischen sich Traum und Realität. Ich spüre eine warme Hand, die über meinen Bauch streichelt. Ich möchte gerne weiterschlafen, das noch ein bisschen länger genießen, aber irgendwas lässt mich nicht wieder einschlafen. Während meine Sinne langsam zurückkehren, werde ich mit einem außergewöhnlichen Gefühl der Sehnsucht langsam wach. Ich wölbe mich den lange entbehrten Streicheleinheiten wohlig entgegen und sie wollen auch nicht verschwinden, als ich schon wieder klar denken kann. Es ist gar kein Traum. So nach und nach fällt mir wieder ein, wo ich bin. Und mir fällt ein, zu wem die Hand, die jetzt nach oben wandert, gehört. Ist er wach? Es ist schwer zu beurteilen, weil ich mit dem Rücken zu ihm liege. Ich versuche, stillzuliegen. Vielleicht schläft er, oder er denkt, ich schlafe immer noch. Wenn ich ihn wecke oder ihm zeige, dass ich wach bin, hört er vielleicht auf und das will ich nicht. Aber still dazuliegen, während seine Hand meinen ganzen Körper erkunden zu wollen scheint, ist nicht gerade einfach. Ich frage mich, ob er das öfter macht, wenn ich schlafe. Ich halte den Atem an, als seine Finger über meinen Bauchnabel streichen und bis runter zu meinem Hosenbund wandern. Vielleicht bin ich doch noch nicht ganz wach. Ich fühle mich schmusig und wuschig zugleich. Obwohl ich ja sowieso bloß still daliegen kann, wüsste ich im Moment nicht recht, was ich tun würde, wenn das anders wäre: mich zu ihm umdrehen und wie eine Katze um weitere Streicheleinheiten schnurren oder mich auf ihn rollen und ihn bitten, mich einfach hier und jetzt zu nehmen. Eine zweite Hand streichelt mir plötzlich über den Kopf. Er ist doch wach. "Schlaf ruhig weiter, Sasuke", haucht er. "Ich werde dich nicht anfassen. Nicht sehr." "Mmmh", seufze ich wohlig. Er zieht den Kragen meines Hemdes ein Stück runter und küsst meinen Nacken. Er ist so zärtlich, dass es mich erschreckt. Es wäre mir lieber, er würde mir wehtun. Wenn er lieb zu mir ist, kriege ich Angst, dass es ein Abschied ist. Ich verbiete mir solche Gedanken und greife nach seiner Hand, nehme sie in meine. Mit dem Daumen streichelt er über die Innenfläche meiner Hand und das Gefühl der Angst wird stärker. Ich will ihm vertrauen. Nicht fürchten, einfach genießen. Vorsichtig drehe ich mich zu ihm um und unsere Lippen treffen sich suchend in der Dunkelheit. Zuerst ist es so ein keuscher Kuss, dass ich glaube, neben einem Fremden zu liegen. Itachi ist doch nicht so. Wieder kämpfe ich den Gedanken nieder und als ich mich entspanne, merke ich erst, was für einen Unterschied es macht. Dieser Kuss ist wie… wie damals, als wir hier waren. Erste Annäherungsversuche. In meinem Bauch kribbelt es, ich merke, dass mein ganzer Körper angenehm prickelt. Es ist wirklich ganz anders. Aber obwohl wir schon so innige Küsse ausgetauscht haben, fühlt sich das hier fast näher und wichtiger an, als alle vorher. Vielleicht hat sich doch etwas verändert. Seine Zunge streicht über meine Lippen und ich öffne sie bereitwillig. Er legt beide Arme um mich, hält mich ganz fest, und ich spüre die Sehnsucht in seinem Kuss und seiner Umarmung. Es geht ihm nicht anders als mir. Wir haben uns diese Dinge zu lange vorenthalten, aus unterschiedlichen Gründen und doch beide nur aus Dummheit. Sein Knie schiebt sich zwischen meine Beine und eine Hand schlüpft hinten in meine Hose. Ich seufze in den Kuss hinein. Es ist alles so anders. Es ist das erste Mal, dass Verlangen nicht mit Schmerz einhergeht. Er hat mir nicht wehgetan und doch glüht mein Körper plötzlich, giert geradezu danach, von ihm angefasst zu werden. Heute ist wohl ein Tag der ersten Male. Atemlos liege ich in seinen Armen und blicke an die Decke. Mir ist so seltsam zumute. Es war völlig anders als alles, was wir jemals getan haben. Vielleicht, weil wir zum ersten Mal nicht miteinander geschlafen haben, um einem klärenden Gespräch zu entgehen, sondern einfach nur aus Verlangen und Sehnsucht. Schön. Ich wusste nicht, dass es so auch sein kann. Wenn er mir dabei wehtut ist es geiler, aber so ist es… einfach schöner. Inniger. Ich weiß auch nicht. Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist, aber es geht schon auf den Sonnenaufgang zu. Wenn ich zum Fenster raus schaue, sind die Sterne verschwunden, der Himmel ist schon heller geworden. "Ich denke, dass Naruto dich liebt." Der Satz von ihm kommt in jeder Hinsicht unerwartet. Er sagt das einfach so in die Stille hinein, dabei dachte ich, er wäre schon eingeschlafen. Ich merke, wie mein Körper wie zu Eis erstarrt. Mein er, Naruto liebt mich so wie… So ein Unsinn. Naruto ist… oder war… mein bester Freund. Mehr nicht. "Warum sagst du sowas?", frage ich und meine Stimme zittert. Irgendwas an dem Gedanken, dass er Recht haben könnte, macht mich unruhig. "Ich werde dich nicht mehr belügen. Ich habe entschieden, dich wie einen Erwachsenen zu behandeln." "Aber wenn du sagst, dass Naruto… Wie kommst du nur auf sowas? Es ist… absurd." "Du musst blind sein, wenn du es nicht gesehen hast." Es ist die Eifersucht, die aus ihm spricht, mehr nicht. Naruto hat mir nie einen Grund gegeben, zu glauben, dass er irgendwas anderes als Freundschaft für mich empfindet. Ich zermartere mir das Hirn, aber mir fällt wirklich nichts ein. Es ist einfach nur absurd. "Es ist nicht wahr", sage ich im Brustton der Überzeugung. Er will was sagen, aber ich füge rasch hinzu: "Und es ist auch nicht wichtig." "Es ist wichtig, dass du es weißt. Ich erzähle es dir nicht gerne, aber es muss sein." Die Angst kehrt schlagartig zurück. Seine Hand streichelt über meine Stirn. "Wenn er noch lebt, wird er dafür sorgen, dass du ins Dorf zurückkehren kannst. Er wird dir verzeihen und du könntest mit ihm in Konoha bleiben. Glücklich sein." "Sagst du mir das, weil du mich wieder verlassen wirst?" Die Angst sitzt ganz tief in mir drin. Er öffnet den Mund, um zu antworten, aber ich lege die Finger auf seine Lippen, um ihn davon abzuhalten. "Entschuldige", flüstere ich. "Ich will versuchen, dir zu vertrauen." Das will ich wirklich. Wenn ich es doch verstanden habe, was zwischen uns so furchtbar schief läuft, muss es auch einen Weg geben, es zu ändern. Ich will es dieses Mal anders machen. "Ich weiß jetzt, was was du tun kannst, damit ich dir glaube." Sofort weiß ich, was er meint. Wieder ein Test. Aber es klingt so, als wäre es der letzte. Und wenn er mich nochmal durch die Hölle jagt, dann werde ich das akzeptieren, wenn er am Ende bereit ist, mir zu glauben. "Dann sag mir wie." Er setzt sich auf und ich tue es ihm gleich. Mein Herz rast. "Ich gebe dich frei." Augenblicklich schießen mir die Tränen in die Augen. Er tut es wieder, er lässt mich wieder zurück, schon wieder, schon wieder, er… Halt! Ich muss ruhig bleiben. Vertrauen. Ich muss einfach. "Wie meinst du das?" "Ich möchte, dass du zu ihm gehst und nachsiehst, ob er noch lebt." Ich kann seinen Tonfall nicht deuten. "Und dass du weißt, dass du dieses Mal wirklich frei entscheiden kannst. Wenn du dich entschließt, in Konoha zu bleiben, dann werde ich gehen und du wirst mich nie mehr wieder sehen. Ich verspreche, dass ich Naruto nichts tun werde. Und ich werde mich nicht mehr in dein Leben einmischen." Mir wird so einiges klar. Wenn er Recht hat und Naruto mich liebt – und ich zweifle noch immer daran – dann verstehe ich, warum das so wichtig ist. Er denkt, dass Naruto mich liebt und er denkt, ich müsste mich immer noch zwischen ihnen beiden entscheiden. Ich könnte ihm hier und jetzt sagen, dass die Entscheidung längst gefallen ist, nein, dass ich sie nie wirklich treffen musste, weil Naruto mir nie so wichtig war wie er, aber er würde mir nicht glauben. Aber wenn er mir die freie Wahl lässt, und ich mich trotzdem für ihn entscheide, kann er mir vielleicht glauben. Wenn er das Gefühl hat, mich nicht dazu gezwungen zu haben, wenn er begreifen könnte, dass es mein Ernst und mein freier Wille ist… dann kann er mir glauben. Dass er mich freigibt, ist der Beweis, dass er auch versucht, etwas zu ändern. Ich bin nicht der Einzige, der erkannt hat, wie kaputt wir sind. Ich weiß, dass er sein Wort halten wird. Wenn ich nicht zurückkäme, würde er für immer aus meinem Leben verschwinden. Allein der Gedanke nimmt mir fast die Luft zum Atmen, aber ich begreife auch, was er zu riskieren bereit ist. Es muss ihm schwer fallen, die Kontrolle über mich aufzugeben. Ich weiß nicht, wie ich auch nur einen Fuß vor die Tür setzen soll. Die Angst, er könnte nicht mehr da sein, wenn ich zurückkomme, wird mich foltern, aber ich weiß, dass ich es tun muss. Wir gehen alle beide ein großes Risiko ein, um endlich diese Mauer zu überwinden, die uns voneinander trennt. Es lohnt sich, dafür zu kämpfen. Deshalb werde ich gehen. Und ich werde zurückkommen, und wenn es das Letzte ist, was ich tue. "Versprich mir, dass du hier sein wirst, wenn ich zurückkomme", sage ich. "Ich werde drei Tage warten. Wenn du dann noch nicht zurück bist, verschwinde ich für immer von der Bildfläche." Drei Tage sind mehr als genug. Ich will nur sehen, wie es Naruto geht, und dann wieder hierher – nach Hause – zurückkehren. Ich werde daran glauben, dass das das letzte Mal ist, dass Itachi mich auf die Probe stellt. "Dann werde ich mich beeilen." Ich verliere keine weitere Zeit. Ich stehe auf und gehe rüber in mein Zimmer, mache das Licht an und suche meine Sachen zusammen. Viel werde ich nicht mitnehmen, ich werde nicht lange unterwegs sein. Ich ziehe mir was an – die Sachen sind von Itachi und passen mir inzwischen fast genauso wie ihm – werfe mir einen Mantel über und verstaue ein paar Kunai und Shuriken in den Taschen. Mein Schwert ist noch in Konoha, deshalb werde ich mir das meines Bruders ausborgen. Ich bin schließlich jetzt ein Abtrünniger und ich werde mich vielleicht gegen Angriffe verteidigen müssen. Zuletzt nehme ich den Ring an mich. Die Kette ist zerrissen und eher aus Faulheit probiere ich nochmal aus, ob er mir an irgendeinen meiner Finger passt. Nicht mal mehr an den kleinen. Ich habe zugenommen. Vor zwei Jahren, als ich ihn anprobiert habe und er zumindest auf den kleinen Finger passte, war ich ausgezehrt. Itachi sagte damals zu mir, ich sei zu dünn. Ich habe zwei Jahre lang darauf geachtet, gut zu essen, damit er das nie wieder zu mir sagen kann. Ah, immer wieder stoße ich darauf, wie sehr mein Leben nach ihm ausgerichtet ist. Wie sehr ein paar einfache Worte von ihm mein ganzes Handeln beeinflussen können. Ich löse die Kette vom Ring und stecke ihn in eine innen eingearbeitete Tasche meines – eigentlich seines – Mantels. Reisefertig kehre ich nochmal in sein Zimmer zurück. Ich mache das Licht an und er sitzt immer noch aufrecht im Bett, sieht mich nicht einmal an. "Ich leihe mir dein Schwert", sage ich und nehme es von der Kommode, auf der es liegt. "In spätestens drei Tagen kriegst du es zurück." Er antwortet nicht. "Ich komme zurück", sage ich fest. "Vertrau mir." Und damit verlasse ich sein Zimmer und eine halbe Minute später auch das Haus. …tbc… *** Letztes Kapitel? Ach Quatsch. Ich sollte lernen, meine Klappe zu halten. Ich kann mich nicht kurz fassen und die Story hier macht sowieso mehr oder weniger mit mir, was sie will. Es passiert nie das, was ich vorhatte, es schreibt sich von selbst und plötzlich ist es ganz anders, als ich es geplant hatte. Ich werde gar nichts mehr ankündigen, nur, eh, dass das Ende nahe ist. Und dass es immer etwas länger dauern wird bis ich wieder poste, weil es mir zur Zeit nicht ganz so leicht fällt zu schreiben. XXI. This time, This place, Misused, Mistakes --------------------------------------------- Die Reise nach Konoha dauert nicht einmal einen halben Tag für einen Shinobi. Ich schaffe es binnen vier Stunden und erst, als sich das Hokage Denkmal am Horizont abzeichnet, ergreife ich Vorsichtsmaßnahmen. Bisher habe ich mich auf den Bäumen fortbewegt, von Ast zu Ast, aber jetzt bin ich so nahe, dass ich überall auf Konoha-Nin stoßen könnte, deshalb begebe ich mich nach unten und zwinge mich, langsam zu gehen. Ich weiß sehr gut, dass ich hier nicht mehr erwünscht bin. Der Angriff auf Naruto hat mir sicherlich den Status eines Abtrünnigen beschert. Als sich die Bäume lichten und ich den ersten Blick auf das Dorf selbst erhaschen kann, bin ich erleichtert. Keine Spuren blinder Zerstörung, keine sinnlose Verwüstung. Ich hatte halb damit gerechnet, Spuren eines großen Kampfes vorzufinden, hatte noch immer das, was ich im Traum sah, im Kopf. Aber wenn das Fuchsungeheuer seinem Käfig entkommen sein sollte, hat es jemand sehr schnell wieder eingefangen. Es schürt meine Hoffnung, dass Naruto nicht tot ist. Als ich mich nähere, sehe ich, dass auf dem Hokage Gebäude eine schwarze Fahne weht. Das ist ungewöhnlich. Das letzte Mal habe ich sie gesehen, als… Schlagartig wird mir klar, was heute für ein Tag ist. Es ist das erste Mal, dass ich es fast vergessen hätte. Heute jährt sich der Todestag meiner Eltern. Die schwarze Fahne wird jedes Jahr in Erinnerung an den ausgelöschten Clan aufgehängt. Ausgerechnet heute. Warum tust du mir das an, Itachi? Natürlich könnte es ein riesengroßer Zufall sein, dass Itachi mich ausgerechnet heute nach Konoha schickt. Aber ich glaube nicht mehr an Zufälle, wenn er involviert ist. Am Todestag meiner Eltern schickt er mich hierher, um mich daran zu erinnern, was er mir angetan hat. Meine Hand krallt sich in mein Hemd. Es tut verdammt weh. Es ist lange her und es ist mir bisher gut gelungen, die Erinnerung an sie zu verdrängen. Aber wie soll das gehen, wenn einem die Trauerfahne vor der Nase weht und plötzlich alles wieder hochkommt? Nein, es ändert nichts an meinen Gefühlen für ihn, aber es tut weh. Ich hasse, was er getan hat. Und dass er mich mit Absicht auf diese Weise daran erinnert. Es gibt Wichtigeres. Ich bin nicht hier, um mit dem Schicksal zu hadern. Ich bin hier, um Naruto zu finden. Ich habe mir auf dem Weg hierher einige Gedanken darüber gemacht, wie ich es überhaupt anstellen will und habe mich letztlich für den direkten Weg entschieden. Heute Nacht schleiche mich ins Dorf und sehe einfach nach, ob er zu Hause ist. Es ist irrsinnig, aber was soll ich sonst tun? Draußen warten und hoffen, dass er zufällig mal vorbeikommt? Das ganze ist von vorne bis hinten verrückt. Ganz so einfach, wie ich es mir vorgestellt habe, wird es wohl doch nicht, Itachis Test zu bestehen. Das hier ist lebensgefährlich. Wenn man mich entdeckt, muss ich mich mit den Anbu rumplagen. Das allein wäre schwierig genug, aber wenn sich Tsunade oder Jiraiya einmischen sollten, kann ich nicht sagen, ob ich eine Chance hätte, zu entkommen. Itachi riskiert, mich zu verlieren. Entweder hat er so viel Vertrauen in meine Fähigkeiten, dass er mir zutraut, mich notfalls auch mit Gewalt durch eine Horde Anbu zu schlagen oder ich bin ihm doch nicht so wichtig, wie ich dachte. Vielleicht hofft er sogar darauf, dass sie mich einfangen, festhalten oder töten. Vielleicht bin es ja gar nicht ich, der frei sein soll, sondern er. Und die Anbu sollen ihm bloß die Drecksarbeit abnehmen und mich erledigen. Nein. Nein, das ist Blödsinn und das weiß ich auch. Alles was bisher passiert ist beweist doch, dass ihm was an mir liegt. Es ist eine Prüfung und ein Vertrauensbeweis, von uns beiden. Was wäre das wert, wenn es ohne Schwierigkeiten ginge? Wenn ich es schaffe, nach Hause zurückzukehren, dann habe ich bewiesen, dass er mir wichtiger ist als alles andere. Dann kann er mir vielleicht glauben. Die schicksalhafte Brücke, wo sowohl Itachi als auch ich unsere besten Freunde angegriffen haben, hat mich vor Stunden wie magisch angezogen. Natürlich bin ich vorsichtig, weil sie zwar ein Stück weg vom Dorf ist, aber hier immer noch jederzeit jemand vorbeikommen kann. Aber wenn ich schon auf den Einbruch der Nacht warten muss, dachte ich mir, dann hier. Es tut weh, wenn ich an das denke, was hier passiert ist. Aber ich will nicht davor weglaufen. Ich will mich daran erinnern, damit es sich nicht irgendwann wiederholt. Was ich getan habe, ist unverzeihlich und es ist nur passiert, weil ich zu feige war, zu meinen Gefühlen zu stehen. Wäre ich gleich mit Itachi mitgegangen, wäre es vielleicht nie soweit gekommen. Nachdem ich erst fast eine Stunde am Geländer stand und runter zum Fluss gestarrt habe, bin ich anschließend runtergeklettert zum Ufer und habe mich direkt unter der Brücke ans Wasser gesetzt. So sieht man mich nicht so schnell und ich kann mich damit beschäftigen, das Wasser anzustarren und ab und zu Steinchen hinein zu werfen. Vielleicht ist die erzwungene Pause ganz gut. Damit ich mich beruhige und wieder einen klaren Kopf kriege. Ich habe noch nicht darüber nachgedacht, was passiert, wenn Naruto doch tot ist. Wenn ich zum Haus komme und niemand da ist, wenn es nur noch einen Grabstein oder eine Inschrift auf einem Gedenkstein gibt. Itachi sagte, er würde bezweifeln, dass Naruto tot ist. Was Itachi sagt, ist für mich wie selbstverständlich richtig. Deshalb wird es mich überraschen, sollte es doch anders sein. Schritte reißen mich aus meinen Gedanken und ich unterdrücke den Impuls, aufzuspringen und mich umzudrehen. Nach außen hin bin ich nur ein unbescholtener Bürger, der sich seine Zeit am Flussufer vertreibt und der würde nicht wie ein Shinobi aufspringen und in Verteidigungshaltung gehen. Bis ich weiß, wer es ist, muss ich ruhig bleiben. Also drehe ich vorsichtig den Kopf nach hinten, um zu sehen, wer da zu mir runter ans Ufer steigt. Er ist nicht gerade leise, ich bezweifle, dass die Anbu so vorgehen würden. Es sind auch nicht die Anbu, die mich gefunden haben. Blaue Augen sehen mich traurig an. "Ich hatte gehofft, du würdest hierher kommen. Falls du je wiederkommst." "Naruto." Er lebt. Alles andere ist im ersten Moment nebensächlich. Ich stehe auf, vergesse jede Vorsicht und jede Deckung, schiebe mir die Kapuze vom Kopf und sehe ihn einfach nur an. Er ist wirklich noch am Leben. Und man sieht ihm das, was passiert ist, kaum noch an. Ich merke es einzig an der Art, wie er sich bewegt, wie er vermeidet, den Oberkörper zu sehr zu drehen und wie er den Rücken außergewöhnlich stark durchstreckt beim Gehen. Es ist das erste Mal, dass ich aufrichtig das Bedürfnis habe, ihn zu umarmen. Ich würde mich gerne mit meinen eigenen Händen davon überzeugen, dass er real ist, aber nach allem was passiert ist, kann ich schon froh sein, wenn er mich nicht angreift und versucht, mich wie einen räudigen Hund im Fluss zu ertränken. "Du bist nicht hier, um mich doch noch umzubringen, oder?", fragt er mich und sieht sich demonstrativ um. "Ist er auch hier? Hat er dir befohlen, es zu Ende zu bringen?" "Itachi ist nicht hier", antworte ich. Er klingt verbittert, fast als wollte er Streit anfangen. Aber daran habe ich kein Interesse. "Ich bin gekommen, um mit eigenen Augen zu sehen, dass du lebst." Jetzt, wo die Überraschung langsam nachlässt, überkommt mich eine Ahnung von Gefahr. Von allen Menschen die in diesem Dorf leben, kommt ausgerechnet er hier vorbei. Und findet mich ausgerechnet hier unten, ausgerechnet heute. So viele Zufälle hinterlassen einen schalen Nachgeschmack. "Wie hast du mich hier gefunden?" "Ich komme jeden Tag her", antwortet er und ich entspanne mich etwas. Gut, ein Zufall weniger. "Ich habe gehofft, dass du wiederkommst. Dass es dir nicht völlig egal ist, was passiert ist." "Ist es nicht. Ich dachte, ich hätte dich getötet. Ich wäre früher gekommen, wenn ich gewusst hätte…" Unwirsch schüttle ich den Kopf. Ist doch alles egal. Es ist, wie es ist. Ich bin hier. Und ich kann ihm sagen, was mir am Herzen liegt. "Naruto. Es tut mir so furchtbar leid. Ich weiß nicht, wie ich-" "Spar dir das." Er kommt zu mir, stellt sich neben mir und starrt auf das rauschende Wasser des Flusses. "Du bist nicht hier, um ins Dorf zurückzukehren, oder?" "Nein." "Tsunade hat gesagt, dass du nicht mehr zurückkommen wirst. Dass du dich mit ihm verbündet hast. Stimmt das?" Ich nicke und er legt missbilligend die Stirn in Falten. "Sagst du mir wenigstens, was los ist? Warum du dich mit diesem Mörder zusammen getan hast?" Er möchte die Wahrheit hören und ich fühle mich so schuldig, dass ich ihm die Bitte nicht abschlagen kann. Es ist vielleicht auch ganz gut so. Ich kenne ihn. Wenn ich einfach gehe, dann wird er mir folgen und nach mir suchen, spätestens dann, wenn er wieder ganz gesund ist. Vielleicht lässt er mich gehen, wenn er die Wahrheit kennt. "Hast du etwas Zeit? Es könnte länger dauern." "In Ordnung." Er setzt sich hin und nach einem Moment des Zögerns setze ich mich neben ihn. Es war schwer genug, es Sakura zu erzählen und es wird sehr viel schwerer, ihm die Wahrheit zu sagen. Aber nach allem, was passiert ist, verdient er wenigstens das. Also fange ich einfach an, zu erzählen, und ich fange von vorne an, beginne mit jenem Tag, als ich am See gegen Itachi kämpfte und mich so furchtbar verschätzt habe. Ich lasse nichts aus, beschönige nichts, ich unterbreite ihm schonungslos jede Einzelheit aus den letzten zwei Jahren, die von Belang war. Das Einzige, was ich ausspare, sind die schmutzigen Details, die er sicherlich nicht hören will. Ich erzähle von meinen Gefühlen für Itachi, von meiner Angst und Feigheit, von den Mangekyou Sharingan und ich versuche ihm zu erklären, wie es geschehen konnte, dass ich ihn angegriffen habe. Ich erzähle ihm von Itachis dreitägiger Frist und meinem Glauben, dass alles gut werden kann, wenn ich nach diesen drei Tagen nach Hause zurückkehre. Manchmal stellt er Fragen, die meiste Zeit über aber hört er einfach nur zu. Und als ich fertig bin, da schweigt er lange. Keine Ahnung, wie lange wir wortlos nebeneinander sitzen und er wohl versucht, das Gehörte zu verarbeiten. Geduldig sitze ich neben ihm und warte auf irgendeine Reaktion. Während ich geredet habe, hatte ich selbst den Eindruck, dass ich bei der Geschichte nicht besonders gut wegkomme. Die letzten Jahre sind geprägt von Hass und Wut, Angst und Feigheit. Von dummen Entscheidungen, die ich getroffen habe und der verbotenen Sehnsucht, von meinem Bruder auf diese Weise geliebt zu werden. Wäre ich an Narutos Stelle, ich wäre längst aufgestanden und gegangen, entsetzt und angewidert. Aber Naruto ist nicht wie ich. Irgendwann seufzt er. "Ist das alles wirklich wahr?", fragt er. "Wenn er dich erpresst, wenn er dich zu irgendwas zwingt, kannst du es mir ruhig sagen." Ich antworte nicht. Er kennt die Wahrheit, ob er es glauben will, ist seine Sache. "Es sah anders aus, auf der Brücke. Als würde er dich dazu zwingen. Als würde er dir wehtun." "So war es aber nicht." Er seufzt schon wieder. "Jetzt weißt du, dass ich noch lebe. Jetzt gehst du zu ihm zurück, aus welchen Gründen auch immer." Ich nicke wortlos, obwohl ich weiß, dass er es nicht sehen kann, weil er mich nicht ansieht. "Er hat deine Eltern umgebracht. Ist dir das egal?" Ich dachte, er hätte es verstanden. "Es ist nicht egal. Aber ich kann ihn einfach nicht mehr dafür hassen. Ich liebe ihn, Naruto. Wieso glaubst du mir das nicht?" "Warum?", ruft er plötzlich und reißt den Kopf hoch. Ich kann es nicht fassen, als ich begreife, dass er weint. "Warum kann ich nicht derjenige sein?" Ich bin so perplex, dass ich mich nicht wehre, als er sich mit entgegen lehnt und mich küsst. Instinktiv weiche ich zurück, um ihm zu entgehen, ohne ihn wegstoßen zu müssen, aber es endet nur damit, dass ich nach hinten falle und er halb auf mich drauf. Er stützt sich auf die Hände und ich bleibe einfach liegen, überrascht von seinen Worten und noch viel mehr von seinen Taten. Naruto hat mich geküsst. Itachi hatte Recht, wie immer hatte er Recht. "Sasuke." Naruto weint immer noch und eine Träne tropft von seiner Nase auf meine Wange. "Ich sorge dafür, dass du im Dorf bleiben kannst. Wenn ich sie bitte, wird Tsunade deinen Status als Abtrünniger zurücknehmen. Ich habe ihr schon gesagt, dass es nur ein Unfall war." Fassungslos sehe ich ihn an. Alles passiert so, wie Itachi es vorausgesagt hat. "Wenn du hierbleibst, mache ich dich glücklich, okay? Ich verspreche es! Sakura und ich wohnen wieder bei dir und alles wird so wie vorher." Wortlos schüttle ich den Kopf. Ich wünschte, er würde es mir nicht so schwer machen. Aber meine Antwort bleibt dieselbe. "Itachi tut dir weh, siehst du das nicht?" Er zieht an meinem Kragen, bis die blauen Flecken an meinem Hals zutage kommen. Wann hat er sie gesehen? "Willst du so leben, Sasuke? Was hat er mit dir gemacht?" "Es ist nicht so, wie du denkst." Ich fühle mich hilflos. Ich sollte ihn wegschieben, ich halte es nicht aus, dass er mir so nah ist. Aber aus irgendeinem Grund kann ich nicht. Stattdessen versuche ich, meinen Kragen wieder hochzuschieben. Damit mache ich es nur schlimmer, er sieht die Striemen auf meinem Handrücken. Jetzt geht er von mir runter. Während ich mich aufsetze, kniet er neben mir und nimmt meine Hand, starrt die Verletzung an. "Und was ist damit? Was verheimlichst du mir? Hat er dich gezwungen, bei ihm zu bleiben?" Ich schüttle den Kopf und sage nochmal: "Es ist nicht so, wie du denkst." "Wie denn dann?" Wie soll ich ihm das erklären? Er muss denken, Itachi würde mir sonst was antun. Wie soll ich ihm begreiflich machen, dass es mir gefällt? Dass es nicht gegen meinen Willen geschieht? Wenn er weiterhin denkt, Itachi würde mich zu irgendwas zwingen, dann wird Konoha uns bis in alle Ewigkeit Anbu auf den Hals hetzen. Und Naruto wird nicht aufhören, nach mir zu suchen, so wie er nicht aufgehört hat, mich zu suchen, als ich bei Orochimaru war. "Ich brauche das." Es klingt sicher absurd in seinen Ohren. Irgendwie muss ich es schaffen, ihm begreiflich zu machen, dass Itachi mir eigentlich nur das gibt, wonach ich mich sehne. "Ich weiß nicht, wie ich dir das erklären soll. Ich brauche es, wenn er mir wehtut. Vielleicht… vielleicht hilft es mir, zu spüren, dass er da ist." Er lässt mich so abrupt los, als habe er sich an mir verbrannt. "Heißt das, du lässt das freiwillig mit dir machen?" "Ja." "Sasuke, das ist verrückt. Merkst du eigentlich, was du da sagst? Das ist nicht normal. Siehst du das nicht?" Er sieht wirklich erschüttert aus. Nein, eher fassungslos. Als hätte ich wirklich den Verstand verloren, so als würde er mit einem Wahnsinnigen sprechen, der die Realität nicht mehr versteht. "So warst du nie. Du hast ihn gehasst! Du warst nie so ein Mensch, der einem anderen die Kontrolle überlässt. Das bist doch nicht du! Vielleicht hat er dich hypnotisiert, ist dir der Gedanke mal gekommen?" "Wer von uns ist jetzt verrückt?" "Ich meine es ernst. Du… du willst das doch nicht wirklich. Du willst doch nicht wirklich bei ihm wohnen und… und sein Spielzeug sein." Er spricht das Wort Spielzeug voller Entsetzen aus und genauso sieht er mich auch an. Seine Worte lassen mich nicht so kalt, wie es rein äußerlich wohl den Anschein hat. Genau das Wort war es, was sich auch mir immer aufgedrängt hat, wenn es um Itachis und meine seltsame Beziehung ging. Aber er hat Unrecht. Es ist anders. "Ich bin nicht sein Spielzeug. Ich habe immer noch einen eigenen Willen, Naruto." "Ach ja? Was hast du in der letzten Zeit selbst entschieden?" "Ich-" Stutzig geworden halte ich inne. Auf einmal habe ich das untrügliche Gefühl, beobachtet zu werden. Ich sehe mich um und oben am Hang steht Sakura. Sie kann noch nicht lange dort stehen, sonst hätte ich sie früher bemerkt. Was tut sie hier? Ich springe auf, weiche ein paar Schritte von Naruto zurück. Sie kommt den Hang runter und Naruto steht jetzt auch auf. Er klingt erleichtert, als er zu ihr sagt: "Da bist du ja endlich." Was? "Entschuldige mal, du bist erst zweieinhalb Stunden weg. Ich konnte nicht wissen, dass es diesmal wirklich er ist, der dich aufhält und nicht die nächste Ramenbar." "Was ist hier los?", frage ich wütend. Naruto sieht mir plötzlich nicht mehr in die Augen. "Es war ausgemacht, dass sie mich suchen kommt, wenn ich länger als zwei Stunden wegbleibe. Für den Fall, dass du wirklich auftauchst. Ich wusste, dass ich dich alleine nicht aufhalten kann." Jetzt schrillen die Alarmglocken in meinem Kopf und ich greife automatisch nach meinem Schwertgriff. "Dann hast du mich hier reden lassen, nur um Zeit zu schinden?" "Nein, ich wollte es hören. Und ich habe gehofft, ich könnte dich auch so überzeugen." Sakura sieht ihn fragend an. "Und? Ich hab gesagt, ich überlasse es dir. Was jetzt?" "Er darf nicht gehen. Er hat völlig den Verstand verloren. Wir müssen ihn aufhalten." Meine Gedanken rasen. Die zwei wussten, dass ich komme. Dass sie so weit gehen würden, hätte ich nicht erwartet, aber es zeigt, dass sie wild entschlossen sind, mich aufzuhalten. Ausgerechnet sie beide. Ich will nicht gegen sie kämpfen müssen. Was, wenn das Siegel aufbricht und wieder was passiert? Feindselig starre ich die zwei an, aber sie weichen meinem drohenden Blick aus. "Ihr habt schon einmal versucht, mich aufzuhalten. Wenn ich gehen will, gehe ich, daran könnt ihr nichts ändern." Sakura sagt ganz ruhig: "Wir können es versuchen. Wir wollen dein Bestes, Sasuke. Und wenn du ehrlich bist, weißt du auch, dass du in dein Unglück rennst, wenn du zu ihm gehst." "Was weißt du schon?", blaffe ich sie wütend an. Meine besten Freunde haben sich gegen mich verbündet, jedenfalls fühlt sich das so an. "Du hast keine Ahnung, worum es geht!" "Ach nein? Ich weiß Bescheid, schon vergessen?" Sie kommt näher, ich weiche zurück. "Du weißt nicht, was du tust. Irgendwas stimmt mit dir nicht, wenn du freiwillig zu dem Mann gehst, der dich so oft verletzt hat." Ich wusste, es würde Ärger geben, wenn ich hierher komme. Aber dass es ausgerechnet diese Beiden sein würden, die mich hier festhalten wollen, ist schlimm für mich. Meine Bestürzung über diesen Verrat schlägt in Wut um. Wenn sie mich einfangen, dann lässt Tsunade mich wegsperren. Dann kann ich nicht innerhalb von drei Tagen zurück sein. Dann ist es vorbei und Itachi verschwindet für immer aus meinem Leben. Das kann ich nicht riskieren. Ich werde mir das, was ich mir so mühsam erkämpft habe, nicht von diesen beiden kaputtmachen lassen. "Du wirst hierbleiben, Sasuke. Dafür sorgen wir", sagt Naruto. "Ich lasse dich nicht schon wieder weglaufen." Nie hätte ich damit gerechnet, dass die zwei sich ernsthaft gegen mich stellen würden. Und ich frage mich, ob Itachi es wohl wusste oder zumindest ahnte. Vielleicht bin ich nicht hier, um ihm etwas zu beweisen. Sondern er hat mich hergeschickt, damit genau das hier passiert und die letzte Verbundenheit, die ich für diese Leute empfinde, zerstört wird. Damit er mich ganz für sich hat. Aber selbst wenn es so sein sollte, ich kann nicht mehr zurück. "Nur über meine Leiche", knurre ich Naruto an. Sakura greift nach meinem Arm. Ich reiße den Arm weg, ziehe noch in derselben Bewegung mein Schwert und versetze ihr einen Stoß, der sie nach hinten taumeln lässt. Sofort springt Naruto mich an. Zielsicher boxe ich ihm vor die Brust, es ist hinterhältig, aber ich weiß, er muss die Folgen seiner Verletzung noch spüren. Wie erwartet schreit er und zuckt wie verbrannt zurück. Bevor Sakura ihr Gleichgewicht wiederfinden kann, fege ich sie von den Füßen und setze mich auf sie. Ihre Arme drücke ich mit den Knien gegen ihren Körper und dann beuge ich mich vor, drücke meinen Unterarm gegen ihren Hals, gerade fest genug, dass sie Mühe hat, zu atmen. Hinter mir will Naruto angreifen, ich reiße mein Schwert hoch und er muss bremsen, weil er sonst direkt in die Klinge hinein gelaufen wäre. Erschrocken starrt er die Schwertspitze an, die auf seinen Brustkorb deutet. "Zwei Gegner", sage ich. "In zwei Sekunden matt gesetzt. Denkt ihr wirklich, ihr könnt mich aufhalten?" Es ist nur eine Warnung. Sakura kann sich losreißen, Naruto kann ausweichen. Aber es zeigt, wie überlegen ich bin. Was ich tun könnte, wenn ich es wollte. Ich kenne die zwei, ihren Kampfstil fast noch besser als ihren Charakter, und ich weiß, sie können mich so nicht aufhalten. Naruto ist noch nicht wieder gesund und wenn ich Sakura zuerst- "Das stimmt so nicht ganz", sagt jemand und ich habe plötzlich ein ganz eigenartiges Gefühl. Ein Kribbeln am ganzen Körper. Ich reiße den Kopf hoch und oben am Hang steht noch eine dritte Person. Shikamaru grinst mich dämlich an. "Du hast drei Gegner. Und du tust keinem von ihnen was." Mein Arm… mein Arm bewegt sich ganz ohne mein Zutun, lässt Sakura los. Und meine rechte Hand… meine Finger lösen sich vom Schwertgriff. Wieso…? Überrascht blicke ich Shikamaru an und begreife, dass er mich mit einem seiner Schattenjutsu eingefangen hat. Ich war unachtsam. Ich war dumm. "Neben deinen Augen ist das größte Problem an dir", sagt er und jetzt merke ich, dass er mir nicht in die Augen schaut, "deine Schnelligkeit." Sein Blick haftet auf meiner Brust, ganz gelassen, für die Mangekyou Sharingan aber unerreichbar. Mein Blick flitzt rüber zu Naruto, dann zu Sakura. Sie beide meiden verbissen den Augenkontakt. So einfach… so einfach geht das? Auf einmal sind sie nutzlos, Itachis ach so wertvolle Sharingan. "Wir mussten uns was einfallen lassen, um dich einzufangen." Ich versuche, es zu verhindern, aber es geht nicht. Mein Körper ahmt jede seiner Bewegungen nach und ich öffne meine Faust. Das Schwert fällt auf den Boden. Ich klettere wehrlos von Sakura runter und sie steht auf. Wie kann das sein? Was tut ausgerechnet Shikamaru hier? Er ist ein Mitglied der Anbu, aber er scheint alleine zu sein. Ist das auch noch Teil dieses abgekarteten Spiels? Shikamaru breitet langsam seine Arme aus und ich damit auch meine. Auf einmal bin ich völlig schutzlos, stehe da wie festgefroren, verteidigungslos, hilflos. Sie haben das alles hier geplant. Sie kennen mich zu gut, sie wussten, ich würde zurückkommen. Und deshalb haben sie sich darauf vorbereitet, mich aufzuhalten. Mein Blick flitzt immer wieder zwischen ihnen hin und her, auf der hoffnungsvollen Suche nach einem schwachen Moment, wo ich einem von ihnen in die Augen sehen kann. Aber es würde sowieso nur was bringen, wenn ich Shikamaru erwische. Und von allen dreien ist er derjenige, bei dem die Chance am geringsten ist, dass er einen Fehler macht. Ich kenne ihn als geschickten Strategen, der nicht nervös wird. Denk nach, Sasuke! Du darfst nicht versagen, sonst verlierst du nicht nur diesen Kampf, sondern auch Itachi! Ich hätte nicht herkommen sollen. Er hätte mich nicht herschicken dürfen! Er wusste, dass es so kommt, bestimmt wusste er es! Die Sharingan sind nutzlos. Keiner von ihnen steht nah genug an mir dran für Chidori Nagashi, das einzige, was ich auch ohne mich zu bewegen vielleicht zustande bringen würde. Ein Feuerball wird nicht möglich sein, Shikamaru könnte lenken, wohin er geht. Das wäre sinnlos vergeudetes Chakra. Scheiße! Wie kann das sein, dass ich plötzlich, von einer Sekunde auf die andere, völlig hilflos bin? Wieso will mir denn nichts einfallen? Ich könnte höchstens eins von Orochimarus kinjutsu- "Sasuke." Jemand berührt meine Schulter. Ich sehe Sakura an, die mit geballter Faust vor mir steht. "Entschuldige." Nein! Ihre Faust rast mir entgehen, es knackt, als meine Nase bricht, und dann gehen bei mir erstmal die Lichter aus. Mit einem Schrei setze ich mich auf. Ich reiße die Arme hoch in einem Versuch, mich zu verteidigen. Kühle Luft strömt mir entgegen und dann wird mir klar, dass es dafür ein bisschen spät ist. Sie sind nicht mehr da. Ich war bewusstlos. Wieder einmal. Wird langsam zur Gewohnheit, oder? Wo bin ich? Es ist düster. Ich sitze auf kaltem Boden in einem Raum, der wirkt, als wäre er direkt in eine Felswand gehauen worden. Steinerne Wände umgeben mich und ich befinde mich auf einer Fläche von geschätzten acht Quadratmetern. Mir wird sehr schnell klar, wo ich bin. "Bist du endlich wach?" Obwohl ich nicht wusste, dass jemand da ist, erschreckt mich die Stimme nicht. Ich sehe in die Richtung, aus der sie kam und sehe hinter den Gitterstäben jemanden sitzen. Grelles Licht strahlt ihn von oben an. Naruto sieht mich mitleidig an und ich drehe meinen Kopf weg. Er ist der Letzte, den ich jetzt sehen möchte. Ich weiß, wo ich bin. Im Gefängnis. Die Steinwände haben ihren Sinn, immerhin gibt es Monster, die jede Wand durchbrechen könnten. Wir befinden uns tief im Hokage Felsen, sehr weit unten, und meine kleine Zelle wurde wohl tatsächlich mal buchstäblich aus dem Felsen gehauen. Rechts, vor und hinter mir sind diese Felswände, an denen ich mir die Zähne ausbeißen würde bei einem Fluchtversuch. Bleibt nur die Gitterwand, hinter der Naruto sitzt und mich anglotzt. Da ist sicher auch irgendein Trick dabei, denn im Vergleich zu den beeindruckenden Steinwänden sind ein paar eiserne Gitterstäbe gar nichts. Aber darüber kann ich sowieso erst wirklich nachdenken, wenn Naruto weg ist. Meine Nase fühlt sich seltsam an. Irgendwie taub. Ich taste sie vorsichtig ab. Ja richtig. Sakura hat mir die Nase gebrochen. Allerdings scheint es so, als hätte sie sie dann auch gleich wieder gerichtet, denn sonst würde sie sich nicht so anfühlen. Es tut nicht wirklich weh und ich fühle auch keinen Bruch, keine Knochensplitter. Fühlt sich nur etwas geschwollen an. "Sie hat es nicht gern getan", kommentiert Naruto das ungefragt. "Aber wir mussten dich schnell ausschalten, Shikamaru hätte dich nicht lange festhalten können." Ich starre an die Wand, fühle mich seltsam träge. Mein Kopf will noch nicht so ganz. Ich weiß momentan nur, dass ich von hier fliehen werde und dass ich furchtbar wütend bin auf Naruto. "War es geplant, dass ausgerechnet er dort auftaucht?" "Ja. Wenn ich mich verspäte, sollte sie ihm Bescheid geben und ihn mitbringen, damit er im richtigen Moment eingreifen kann." Naruto spricht irgendwie eigenartig, so ungewöhnlich monoton und phlegmatisch. "Ihr habt das ja wirklich gründlich geplant." "Eigentlich hätten wir nicht gedacht, dass es klappt. Wir wussten ja nicht einmal, ob du kommst. Shikamaru hat gesagt, dass wir total bescheuert sind. Aber ich habe wirklich gehofft, dass du nicht einfach so verschwindest. Also haben wir einen Schlachtplan entworfen, für den Fall der Fälle sozusagen." "Toll", knurre ich. "Schade nur, dass es umsonst war. Du weißt, dass ich nicht hierbleiben werde." "Uns ist schon klar, dass du versuchen wirst, von hier wegzukommen. Und du wirst es nicht schaffen. Tsunade weiß Bescheid und sie hat mir ihre besten Leute überlassen, um dich zu überwachen." Er zögert. "Und wir brauchen dich ja nur noch zwei Tage festzuhalten." Jetzt sehe ich ihn doch wieder an. Ich bin entsetzt darüber, dass er sowas sagt. Ich Schwachkopf habe ihm alles erzählt, ich habe ihm sogar von Itachis Frist erzählt und jetzt verwendet er es gegen mich. Ich kann nicht glauben, dass er so weit gehen würde. "Schau mich nicht so an. Meinst du, ich tue das gerne? Aber selbst wenn du mich anschließend hasst, es ist das Beste für dich." "Du hast keine Ahnung, was das Beste für mich ist." Ich bin total verbittert. Was mich betrifft, hat sich das Thema Naruto erledigt. Sakura und Naruto sind mal meine Freunde gewesen und ich frage mich, wie ich je so dumm sein konnte, sie als meine Familie zu bezeichnen. Sie haben mich verraten. Am Ende sind sie es, die mich alles kosten werden. "Verschwinde, ich will nichts mehr mit dir zu tun haben." "Ich liebe dich, Sasuke", sagt er, einfach so. Seine Worte nehme ich zur Kenntnis, aber jetzt ist es mir egal. Wenn Itachi wirklich so weit gedacht hat, dann hat er erreicht, was er wollte. Naruto kann tun und lassen was er will. Es interessiert mich nicht und das wird es auch in Zukunft nie mehr. "Ich wollte nicht, dass es so kommt." "Verschwinde einfach." Er seufzt und im Augenwinkel sehe ich, wie er aufsteht. Er geht den Gang entlang und ich lausche, wie sich seine schlurfenden Schritte immer mehr entfernen. Es ist mir egal. Naruto hat mich verraten. Ob er wirklich glaubt, mir damit was Gutes zu tun, oder nicht, das werde ich ihm nie verzeihen. Jetzt, wo er fort ist, wird mir in vollem Ausmaß klar, in welcher Lage ich mich befinde. Ich bin eingesperrt. Ich habe noch zwei Tage, um hier raus zu kommen und nach Hause zurückzukehren. Und wenn ich es nicht schaffe, dann... Nein, es ist zu früh, aufzugeben. Ich krieche rüber zu den Gitterstäben, um sie zu untersuchen. Kein Gefängnis kann mich halten. Und wenn draußen die gesamte Streitmacht von Konoha auf mich wartet, dann kämpfe ich mir den Weg frei. Niemand kann mich einsperren. Ich kehre nach Hause zurück, und wenn es das Letzte ist, was ich tue. ...tbc... *** Noch nicht das letzte Kapitel. Wurde doch zu lang. Verzeihung, dass es wieder so lange gedauert hat, aber momentan geht es nicht immer gleich so gut voran. Es ist schwierig, das, was ich im Kopf habe, umzusetzen. Vor allem, weil die Charaktere dann doch irgendwie mit mir machen, was sie wollen *g* Hiermit überschreite ich die Grenze von 100.000 Wörtern, zum ersten Mal überhaupt... und dabei hatte ich nie die Absicht, dass es eine so lange Story wird. Ich muss dringend lernen, mich kurz zu fassen... Ich mag das Kapitel, obwohl es mir so schwer gefallen ist, es zu schreiben. Weil eigentlich alle glauben, das Richtige zu tun. Die Vorstellung gefällt mir, dass man eigentlich gar nicht wirklich beurteilen kann, wer nun Recht hat. Aus Sasuke wird ein schlechter Mensch, wenn Itachi in der Nähe ist. Oder zumindest ein anderer Mensch, er verändert sich. Und Itachi zwingt ihn quasi dazu, dass Sasuke sich von ihm abhängig macht. Ist das nun Grund genug für seine Freunde, ihn aufzuhalten, oder nicht? Die spannende Frage ist, ob Itachi gewusst hat, dass es so kommt. Und was er sich wohl dabei gedacht hat. Nyihihi. Danke an alle Reviewer, Kritiker, an die, die mich auf Rechtschreibfehler aufmerksam gemacht haben (dankedankedanke!) ^_^ XXII. Didn't mean to waste your time, thanks for wasting mine ------------------------------------------------------------- Ich habe viel nachgedacht. Vor etwa zwei Stunden bin ich hier in dieser Zelle zu mir gekommen und seitdem habe ich nur hier gesessen und gegrübelt. Ich hätte mich längst befreien können, diese Gitterstäbe sind für mich kein Hindernis. Aber das wissen die anderen auch. Sie sind es nicht, die mich halten sollen. Hinten, am Ende des Ganges, ist eine schwere Tür und ich weiß, hinter ihr wartet das eigentliche Hindernis auf mich. Anbu, die Tsunade abkommandiert hat, um mich um jeden Preis an einer Flucht zu hindern. Sie warten dort, damit ich nicht vorbereitet bin. Damit ich nicht schon vorher sehen kann, mit wem ich es zu tun habe. Sobald ich meine Zelle verlasse, werden sie es wissen und mein Kommen erwarten. Deshalb lasse ich mir Zeit. Ich versuche, mich auf alle Eventualitäten vorzubereiten. Im Geiste bin ich alle Anbu, die ich kenne, durchgegangen und habe versucht, mir Abwehrstrategien auszudenken. Jede Teamkombination habe ich zusammengestellt und eine eigene Strategie entwickelt. Wen ich zuerst angreife, wen ich mir bis zum Schluss aufheben kann, vor wem ich mich in Acht nehmen muss. Aber eigentlich ist das alles gar nicht wichtig. Die Anbu sind nicht das Problem. Mir ist klar geworden, dass Itachi wusste, ich würde in dieser Zelle enden. Mit drei Tagen hat er mir unverhältnismäßig viel Zeit gegeben und deshalb glaube ich, dass er das hier bereits einkalkuliert hatte. Bevor er mir glaubt, gibt es noch etwas, das ich tun muss. Und ich denke, jetzt habe ich verstanden, was es ist. Nicht die Anbu sind das Problem. Sondern meine Freunde. Sakura und Naruto sind es, die mich hierbehalten wollen. Und wenn Tsunade tatsächlich sämtliche Anbu hier unten postiert hat, am Ende werden es meine Freunde sein, die ich töten muss, um freizukommen. Sie werden nicht zu Hause rumsitzen, und den Ablauf der Frist abwarten. Sie kennen mich und sie wissen, dass ich alles versuchen werde, um zu entkommen. Deshalb werden sie auf mich warten, ich weiß nur nicht, wo. Das ist es, was Itachi von Anfang an wollte. Ich soll sie töten. Deshalb sitze ich wohl noch immer hier. Wenn ich meine Zelle verlasse, gibt es kein Zurück. Dann muss ich mir den Weg freikämpfen und dann muss ich meine Freunde angreifen. Auch wenn ich unendlich wütend auf die beiden bin, der Gedanke, gegen sie kämpfen zu müssen, lässt mich nicht so kalt, wie ich das gerne hätte. Es geht einfach nicht. Ich kann sie nicht hassen. Und ich will sie nicht töten. Aber wenn ich es nicht tue, sehe ich Itachi vielleicht nie wieder. Mein Bruder ist wirklich grausam zu mir. Er hat mich in eine Ecke manövriert. Ich weiß, was ich zu tun habe, ich weiß, dass ich von ihm manipuliert werde, und doch werde ich am Ende keine Wahl haben. Ich muss mich endgültig entscheiden und ich bin furchtbar wütend auf ihn, dafür, dass er mir so eine Entscheidung aufzwingt. Ich kann und will Naruto nicht töten. Es würde mich nie mehr loslassen. Es muss noch einen anderen Weg geben. Auf dem Gang höre ich Schritte. Ich rücke ein Stück vom Gitter weg und bin nicht sonderlich erstaunt, als Sakura vor meiner Zelle auftaucht. "Sasuke", sagt sie tonlos. Nachdenklich sehe ich sie an. Und ich ertappe mich dabei, wie ich über ihren Kampfstil nachdenke, über ihre Stärken und Schwächen. Innerlich bereite ich mich bereits auf einen Kampf gegen sie vor. "Redest du nicht mehr mit mir?" Sie setzt sich vor das Gitter. "Ich habe einfach kein Interesse mehr an dir", antworte ich kühl. Ich will ihr wehtun. So wie ihr Verrat mir wehgetan hat. "Naruto hat mir von Itachis Ultimatum erzählt", sagt sie. "Und?", würge ich widerwillig hervor. Eigentlich ist sie die Letzte, mit der ich darüber reden will. "Ist das wahr? Wenn du in zwei Tagen noch nicht zurück bist, dann lässt er dich wieder alleine?" "Ja." Sie rückt näher an die Gitterstäbe, so als könnte sie mir damit auch näher sein. "Und du möchtest wirklich zu ihm zurück?" "Ja." "Warum?" Ich beiße mir auf die Unterlippe. Ausgerechnet sie müsste das wissen. "Sag es mir", bittet sie mich. "Ich muss es wissen." "Weil ich glücklich war mit ihm." "Aber es war doch auch schön, hier in Konoha. Ich fand es jedenfalls schön, als wir drei zusammengewohnt haben. Du warst mal glücklich hier, ohne ihn." Ich lehne meinen Kopf gegen die Wand und sehe sie an. Ja, es war schön. Es war toll, ein richtiges zu Hause und wieder eine Familie zu haben. Ich war nicht unglücklich. Aber Itachi war nicht da und ich habe sein Fehlen immer gespürt. Wenn ich es mir aussuchen könnte, wenn es irgendeine Möglichkeit gäbe, dann hätte ich gerne beides. In einer perfekten Welt hätte ich ihn UND meine Freunde. Aber so ist das Leben eben nicht. Und wenn ich wählen muss, weiß ich, wofür ich mich entscheide. "Was denkst du, wie glücklich ich hier jetzt noch sein kann, wenn ich weiß, dass ich hätte bei ihm sein können? Und dass es nicht so ist, weil meine besten Freunde mich verraten haben?" Sie sieht mir direkt in die Augen, sieht schockiert aus. "Wir haben dich nicht verraten! Wir meinen es nur gut mit dir!" "Warum meinen immer alle, für mich entscheiden zu müssen?" Ich schließe die Augen. "Naruto liebt mich, hat er zu mir gesagt." Was für ein sinnloses Gespräch. Warum rede ich eigentlich so viel? "Bist du dir sicher, dass ihr mich nicht hier festhaltet, weil ihr beide egoistisch seid? Er will mich für sich haben, genau wie Itachi." "Das ist nicht…" "Ganz egal, wann ich hier rauskomme, ich werde das Dorf auf der Stelle verlassen. Und ich werde ihn suchen, für den Rest meines Lebens. Wenn ihr das verhindern wollt, müsst ihr mich hier verrotten lassen. Ist das das Beste für mich?" Kopfschüttelnd flüstert sie: "Nein." Und nach einem kurzen Moment der Stille sagt sie: "Ich weiß nicht mehr, ob wir das Richtige getan haben. Naruto denkt, dass alles gut wird, wenn wir dich von ihm fernhalten, aber ich weiß nicht mehr, ob es das Beste für dich ist." Ich quittiere ihre Schuldgefühle mit einem knappen Achselzucken und ich reagiere auch nicht weiter darauf, als sie sich erhebt und sich von mir verabschiedet. Verzweifelt schließe ich die Augen und lausche ihren Schritten, die sich langsam, fast schleppend entfernen. Sie klang sehr traurig, aber das ist nicht mehr mein Problem. Ich muss mich an den Gedanken gewöhnen, dass sie und Naruto jetzt nichts weiter als Hindernisse sind, die zwischen mir und Itachi stehen. Ich habe lange genug gewartet. Egal, wie lange ich darüber nachdenke, mir wird nichts mehr einfallen, um nicht in Itachis Falle zu tappen. Ich muss es einfach versuchen und darauf hoffen, dass es mir gelingt, Naruto und Sakura zu entkommen, ohne sie töten zu müssen. Orochimaru hat mir beigebracht, meinen Körper zu verformen, so ähnlich wie er es zu tun pflegte. Ich kann meine Gliedmaßen nicht verlängern, aber mit diesem praktischen Jutsu reicht es aus, um mich durch die Gitterstäbe zu quetschen. Was auch immer mich am Ende des Ganges erwartet, sie werden alles tun, um mich an meiner Flucht zu hindern. Ich zweifle nicht daran, dass Naruto die Wahrheit gesagt hat. Die Anbu erwarten mich und ich werde mir den Weg freikämpfen müssen. Ich wünschte, ich hätte eine andere Wahl, müsste nicht noch mehr Blut vergießen, nur um Itachi etwas zu beweisen. Aber Konoha hat mich aufgegeben und ich werde niemanden verschonen, der sich mir in den Weg stellt. Als ich meinen Fuß auf den Gang setze, geht ein Raunen durch die anderen Zellen. Die anderen Gefangenen haben natürlich mitbekommen, dass ich meine Zelle verlassen habe. Sie kleben an den Gitterstäben und bitten mich, sie freizulassen. Manche drohen mir, andere betteln, aber ich ignoriere sie alle. Es wäre eine Möglichkeit, wenigstens einen von ihnen hier rauszulassen und vorzuschicken, um die Anbu abzulenken. Aber es würde Zeit kosten, eine Tür zu öffnen und davon abgesehen habe ich kein Interesse daran, mich mit diesem Abschaum zu verbünden. Das ist es nicht wert, wenn sie sich nicht einmal aus ihrer Zelle befreien können, werden sie die Anbu nicht lange ablenken können. Ich schaffe es auch alleine. Wortlos gehe ich den Gang entlang, ignoriere die Stimmen, die mich rufen, und halte noch einmal inne vor der schweren Holztür am Ende des Ganges. Ich halte mir noch einmal vor Augen, was auf dem Spiel steht. Wenn es zu einem Kampf kommt – und das wird es – dann darf ich nicht schwach sein. Ich darf kein Mitleid haben, denn sonst verliere ich vielleicht alles. Ich schiebe die Tür auf und mein gesamter Körper ist angespannt, weil ich mit einem augenblicklichen Angriff rechne. Als mich hinter der Tür bloß ein leerer Raum erwartet, bin ich überrascht. Hier ist niemand. Erst vermute ich, dass sie sich verborgen halten, aber ich würde es merken, wenn jemand hier wäre. Ich würde jemanden atmen hören, würde fremdes Chakra spüren. Da ist aber nichts. Was hat das zu bedeuten? Am Ende des Raumes führt eine Treppe hoch und vorsichtig steige ich die ersten Stufen hoch. Es wäre taktisch unklug, mich hier anzugreifen, aber wer weiß, was sie vorhaben. Bei jedem Schritt bin ich in Alarmbereitschaft, rechne mit fliegenden Shuriken, mit Angriffen oder Genjutsu. Aber nichts passiert. Niemand greift mich an und ich verstehe nicht, was das zu bedeuten hat. Es macht mich unruhig. Ich weiß nicht, wie viele Stockwerke ich schon hinter mich gebracht habe. Die Treppen und Gänge sind endlos und ich habe keine Ahnung, ob ich mich nicht längst in diesem Labyrinth verlaufen habe. Als ich schon denke, dass ich nie mehr hinaus finde, sehe ich plötzlich in der Ferne ein Licht, das viel wärmer ist als das kalte, grelle Licht der Neonröhren. Tageslicht. Ich beeile mich, haste die letzten Stufen hoch und gelange in den Raum im untersten Stockwerk des Hokage Gebäudes. Durch die großen Fenster fällt warmes Tageslicht. Ich habe es geschafft. Jetzt trennt mich nur noch eine Wand von der Freiheit. Eine Wand und – "Sasuke." Ich habe es ja gewusst. Es wundert mich noch immer, dass ich mich nicht durch eine Horde Anbu kämpfen musste, aber dass ich auf diese beiden stoßen würde, war mir klar. Sakura und Naruto haben schon auf mich gewartet und automatisch suchen meine Augen den Raum ab, um zu sehen, ob Shikamaru auch hier irgendwo ist. Aber ich kann sonst niemanden entdecken. Die zwei sind allein. Dieses Mal läuft es wohl wirklich auf einen Kampf unter uns hinaus. "Was ist mit den Anbu?", frage ich und lasse mir die Unsicherheit nicht anmerken. "Kommen diese Feiglinge erst aus ihren Löchern gekrochen, wenn wir hiermit fertig sind?" "Tsunade hat die Anbu von hier abgezogen. Am Ende wirst du sowieso gehen, hat sie gesagt. Dafür schickt sie ihre Leute nicht in den Tod." So ist das also. Wenn es selbst Tsunade kapiert hat, warum dann nicht auch diese beiden? Warum? Warum muss ich ihr Blut vergießen? Ich will das nicht. Warum tut Itachi mir das an? Ich bin nicht seine Marionette. Dass ich ihn liebe heißt nicht, dass ich alles tue, was er von mir verlangt. Er wünscht, dass ich alle Brücken hinter mir abbreche. Soll mir Recht sein. Aber ich lasse mich nicht zwingen, meine Freunde zu töten. Ein einziges Mal will ich über meinen Schatten springen. Nur dieses eine Mal will ich meinen Stolz wegwerfen und etwas tun, was ich noch nie getan habe. Das ist es wert, wenn ich dafür mich selbst und die beiden retten kann. Ich will keinen blutigen Kampf, der mich anschließend die nächsten Jahre bis in meine Träume verfolgen wird. Ich will nicht, dass Itachi seinen Willen durchsetzt und ich will nicht, dass es wirklich in einer Katastrophe endet. Ich falle auf die Knie. Mit entsetzten Gesichtern sehen sie zu, wie ich meine Hände flach auf den Boden lege und meinen Kopf tief beuge. "Bitte", sage ich und es fällt mir unendlich schwer, selbst jetzt und mit den besten Absichten, meinen Stolz runterzuschlucken. "Lasst mich zu ihm gehen." Nichts ist mir je so schwer gefallen und eigentlich glaube ich nicht, dass sie auf mich hören werden. Aber ich muss es versuchen. "Sasuke", kommt es von Naruto. Er klingt erschrocken, fast erschüttert. "Sasuke, was tust du da?" Trifft es ihn, mich so zu sehen? Verbissen starre ich auf den Boden, schäme mich für meine Schwäche und diese erniedrigende Haltung. Und dennoch verharre ich so, weil ich weiß, was auf dem Spiel steht. Ich werde es nicht nochmal sagen. Ich kann nur noch abwarten, ob sie auf mich hören werden oder nicht. "Das ist aus dir geworden?", schreit er plötzlich. Ich höre Schritte, sehe auf und dann fange ich mir einen Faustschlag ins Gesicht ein. Ich falle nach hinten, aber es war nicht mehr als eine Verzweiflungstat. Es sollte kein Auftakt für einen Kampf sein, sondern es war bloß ein lascher Schlag, weil er sich offensichtlich nicht mehr anders zu helfen wusste. Ich setze mich auf und taste die Wange ab, die er getroffen hat. Es fließt nicht einmal Blut. "Das hättest du nie gemacht! Der Sasuke, den ich kenne, wäre nie vor irgendwem auf die Knie gefallen! DAS hat er aus dir gemacht?" Naruto schreit und hat gleichzeitig Tränen in den Augen. Was ich getan habe, muss sein Bild von mir ziemlich ins Wanken gebracht haben. "Früher hatte ich nie etwas, das es wert war, dafür meinen Stolz wegzuwerfen", antworte ich ruhig und sehe ihn eindringlich an. Er hat gar nicht begriffen, dass ich das nicht für Itachi tue. "Und er ist das wert? Nach allem, was er getan hat?" Bevor ich antworten kann, mischt Sakura sich ein. Sie legt Naruto die Hand auf die Schulter und sagt beschwichtigend: "Begreifst du nicht, dass er das für uns tut?" "Was?" "Meinst du, Sasuke hat Angst, gegen uns zu verlieren? Du weißt doch, wie großkotzig er ist." Es war wohl ein Versuch, einen Scherz zu machen, aber keiner von uns kann darüber lachen. Dazu ist die Lage zu ernst. "Er will nicht gegen uns kämpfen, begreifst du das nicht?" "Itachi wünscht, dass ich euch töte", sage ich leise. "Anders kann ich mir nicht erklären, dass er mich hergeschickt hat." Ich schaue Naruto in die Augen und sage: "Er hasst dich." "Du tust doch sonst immer alles, was er will." "Ich will es nicht. Ich will euch nicht töten, ich will nicht zum Mörder werden, auch nicht seinetwegen." Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Warum ich auf einmal so offen reden kann, wenn es mir zwei Jahre lang nie gelungen ist. Vielleicht, weil das hier, so oder so, unsere letzte Begegnung sein wird. "Ihr wart für mich meine Familie. Ich will euch nicht töten, weil ihr mir wichtig seid." In Narutos Augen kann ich sehen, wie er aufgibt. Wie sich seine Stimmung von wütend zu verzweifelt wandelt und er begreift, dass es aussichtslos ist. Dass er mich nicht haben kann, selbst wenn er mich zwingt, hierzubleiben. Dass wir nicht mal mehr Freunde sein können, wenn er weitermacht. "Dann geh!", schreit er mich an. Weint er? Ich kann es nicht genau erkennen. Es klingt so, als würde er weinen. "Wenn es dir so wichtig ist, dann geh!" Ich stehe auf und gehe wortlos an ihnen vorbei. Was passiert ist, lässt mich nicht kalt. Es tut mir weh, dass es Naruto schlecht geht und auch wenn ich fast wünschte, es würde mir nichts mehr ausmachen, bin ich trotzdem froh, dass es so gekommen ist. Ich musste nicht gegen sie kämpfen. Als ich schon an der Tür bin, sagt Sakura meinen Namen. Ich halte inne und sie sagt: "Entschuldige. Entschuldige bitte, Sasuke." Ich stehe einfach da, den Arm schon ausgestreckt, um nach der Türklinke zu greifen, und zögere doch. Weil ich nicht weiß, wie ich mich verabschieden soll. Es gibt nichts mehr zu sagen, weil ich sie im Stich lasse und mich für Itachi entschieden habe. Aber es fühlt sich schlecht an, ohne ein Wort zu gehen. Was kann ich noch sagen? Naruto schweigt. Ich schiebe die Tür auf und sage sehr leise: "Es tut mir leid." Ich meine es wirklich ernst. Und dann renne ich los und drehe mich nicht mehr zu ihnen um. Es ist vorbei. Niemand kommt mehr, um mich aufzuhalten. Ich hab es geschafft. Ich bin schon ein verkorkster Typ. Wenigstens ist es mir bewusst, aber besser wird es dadurch auch nicht. Ich bin zurück, lange vor Ablauf der Frist bin ich wieder bei dem Haus, wo alles angefangen hat. Die Sonne ist vor gut einer Stunde untergegangen und es ist dunkel geworden. Weil ich mich so beeilt habe, habe ich Schrammen und kleine Schnittwunden am ganzen Körper, von den Ästen, die mir entgegengepeitscht sind und auf die ich in der Eile nicht geachtet habe. Und jetzt bin ich hier, nur noch einen Schritt von dem, was ich mir so sehnlichst wünsche, entfernt, und ich weiß nichts mit mir anzufangen. Ich bringe es einfach nicht über mich, nach der Klinke zu greifen und diese Tür zu öffnen. Ich habe es wirklich versucht, sie fühlte sich schwer wie Blei an. Irgendwas hindert mich und ich weiß nicht, was es ist. Auf einmal habe ich einen irrsinnigen Fluchtinstinkt, am liebsten würde ich auf dem Absatz Kehrt machen und weit, weit weg rennen. Nicht, weil ich vor Itachi weglaufen will. Sondern vor dem, was mich da drinnen erwartet. Es kann nicht so einfach sein. Wenn dies die letzte Prüfung gewesen sein sollte, die Itachi mir auferlegt hat, kann es nicht so simpel sein. Ich war auf einen Kampf mit den Anbu vorbereitet, sogar darauf, im Notfall Naruto und Sakura töten zu müssen. Nichts davon ist passiert. Auch wenn ich zwischendurch verzweifelt war, auch wenn es schmerzhaft war, den Verrat meiner Freunde ertragen zu müssen, es war trotzdem viel zu einfach. Vielleicht hat nicht einmal Itachi vorhersehen können, dass es so kommt. Dass ich auf die Knie falle und meine Freunde mich gehen lassen. Anders kann ich mir nicht erklären, dass ich jetzt hier bin. Dass ich die Frist einhalten konnte, dass sogar noch etwas mehr als ein Tag davon übrig ist. Und wenn es bis hierhin so einfach war, dann bleibt nur noch eins: er ist nicht in diesem Haus. Wenn ich diese Tür aufmache, wenn ich reingehe, dann habe ich Gewissheit, und ich weiß nicht, wie ich es verkraften werde, wenn er nicht da ist. Was ich gesagt habe, stimmt, ich werde ihn suchen, immer und immer weiter, aber wenn er es wirklich schon wieder getan hat… wenn ich schon wieder an einen verlassenen Ort zurückkehren und begreifen muss, dass das, was ich liebe, mich verlassen hat… Angst schnürt mir die Kehle zu, obwohl ich mir so fest vorgenommen hatte, ihm zu vertrauen. Ich kenne ihn. Es gibt immer einen Haken. Irgendwann werde ich nachsehen müssen. Aber noch nicht jetzt. Ich will den Moment der Erkenntnis noch ein bisschen hinauszögern. Seufzend setze ich mich auf die erste Stufe und warte, ohne überhaupt zu wissen, worauf. Müde ziehe ich die Knie an und lege meinen Kopf darauf. Ewig kann ich hier nicht sitzen bleiben, aber ein bisschen vielleicht noch. Ich greife in die Innentasche des Mantels und hole den Ring raus. Abwesend spielen meine Finger damit, immer wieder schiebe ich ihn mir auf einen meiner viel zu dicken Finger bis es eben nicht mehr geht. Ich bin furchtbar müde. Ein Regentropfen, der mir mitten auf den Kopf fällt, weckt mich. Ich bin wohl eingenickt und im ersten Moment bin ich so desorientiert, dass ich fast Panik kriege. Ich sitze immer noch vor der Tür und irgendwie bin ich darüber enttäuscht. Im tiefsten Inneren hatte ich wohl gehofft, er würde mich hier finden und reinholen. Aber dazu müsste er überhaupt da sein. Ich weiß nicht, wie lange ich geschlafen habe, aber inzwischen ist es sehr kalt geworden und es hat angefangen, zu regnen. Die kalten Wassertropfen prasseln auf mich herab und ich merke, wie sehr ich friere. Mühsam stehe ich auf. Meine Knie protestieren, weil ich so lange in dieser Haltung dagehockt habe, aber ich ignoriere es und drehe mich um zu Tür. Ich muss da rein, so oder so. Es wird nichts ändern, wenn ich mir hier draußen den Tod hole, ob er nun schon lange weg ist oder nicht, hier draußen kann ich nicht bleiben. Lautlos schiebe ich die Tür auf und überlege, ob es ein gutes Zeichen ist, dass sie nicht abgeschlossen ist. Drinnen ist es still und dunkel. Es macht mich nervös, obwohl das alleine eigentlich noch kein Grund zur Sorge wäre. Itachi hält sich selten im unteren Stockwerk auf und es ist spät. Wenn er hier ist, ist er wahrscheinlich oben und schläft, oder er hat geschlafen, bis ich reinkam. Er hat meine Anwesenheit sicher bemerkt, wenn er da ist. Und wird mir trotzdem nicht den Gefallen tun, mir entgegen zu kommen. Ich mache die Tür von innen zu und schalte das Licht ein. Selbst im Licht wirkt es kaum weniger gespenstisch. Meine durchnässte Kleidung und mein Haar tropfen auf den Holzboden, ein unrhythmisches Geräusch, das mich nervös macht. Ich schüttle den Gedanken ab und steige die Treppe hoch, und immer noch höre ich nichts. Aber in irgendeinem Zimmer brennt Licht, ich sehe den schwachen Lichtstrahl im düsteren Flur und mein Herz macht einen Sprung. Es ist sein Zimmer. Jetzt renne ich los, poltere die letzten Stufen hoch, reiße die Tür auf und stürme in den Raum. Erwartungsvoll sehe ich mich um, habe schon seinen Namen auf den Lippen, aber der Raum ist leer. Hier ist niemand, das Licht brennt, aber es ist niemand da. Wie ein Idiot stehe ich mitten im Zimmer und versuche zu verstehen. Wo ist er? Mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen. Es ist zu früh für Panik und das weiß ich auch. Also kämpfe ich sie nieder und laufe los, renne durch das Haus, mache überall Licht an, suche nach einem Lebenszeichen von ihm. Aber ich finde gar nichts. Alle Zimmer sind gespenstisch leer. Ich renne nach draußen, suche im Regen und in der Dunkelheit den Garten ab, ich laufe sogar bis zu unserem Trainingsplatz, aber überall empfängt mich nur dieselbe, erdrückende, menschenleere Stille. Und irgendwann finde ich mich wieder in seinem Zimmer, da, wo ich meine Suche begonnen habe, und bin genauso hilflos wie vorher. Itachi ist nicht hier. Eigentlich war ich doch darauf vorbereitet. Es war viel zu einfach. Aber jetzt, wo ich zu begreifen beginne, dass er nicht hier ist, fühlt es sich an, als würde irgendwas in mir drin zerreißen. Mein Magen schmerzt und in meinen Augen brennen Tränen. Er hat es doch versprochen! Er hat gesagt, er würde auf mich warten! Dieser Mistkerl! Warum kann es nicht ein einziges Mal so enden, wie ich es mir wünsche? Wie konnte er mir das schon wieder antun? Auf wackeligen Beinen gehe ich rüber zum Bett, falle davor auf die Knie und lege meinen Kopf auf die Decke. Die Bettwäsche riecht nach ihm, nach uns beiden. Nach Glück, das nie von Dauer sein konnte und einer dicken, fetten Lüge, die ich so bereitwillig geglaubt habe. Ich kann einfach nicht mehr. Ich weiß nicht, woher ich noch die Kraft nehmen soll, ihm nachzulaufen, ihn zu suchen. Mein ganzer Körper zittert, mir ist furchtbar kalt. Ich kann nicht einmal weinen. Ich fühle mich so hoffnungslos und verzweifelt, dass nicht einmal mehr die Tränen kommen. Ich sitze einfach nur da und warte. Und dafür hasse ich mich selbst am allermeisten: Irgendwie glaube ich immer noch, dass vor Ablauf der Frist diese Tür aufgehen und er zurückkommen wird. "Hey, Sasuke." Eine traurige Stimme dringt bis zu mir vor. Jemand legt eine Hand auf meine Schulter und setzt sich neben mich. "Sasuke." Wieviel Zeit vergangen ist, seit ich hier angekommen bin, weiß ich nicht. Ich öffne meine Augen und sehe ihn an. Es ist seltsam, dass er da ist. "Was tust du hier?", frage ich teilnahmslos und blicke starr an ihm vorbei. "Ich wollte wirklich nicht, dass es so kommt." Eine Furche bildet sich auf seiner Stirn und die blauen Augen schimmern traurig. "Aber ich habe befürchtet, dass er nicht hier sein wird. Ich wollte nicht, dass du ganz alleine bist." "Bist du mir gefolgt?" Er nickt und ich schließe die Augen. Ich will ihn nicht hier haben. Er soll gehen, mich in Ruhe lassen. Naruto darf nicht hier sein, das hier ist unser Ort. "Sasuke", sagt er nochmal. Er klingt so, als wüsste er nicht genau, was er sagen soll. Das Trösten anderer war auch nie seine Spezialität und ich wäre froh, würde er es gar nicht erst versuchen. Ich brauche keinen Trost und ich brauche kein Mitleid. "Geh." Anstatt einfach mal zu tun, was ich ihm sage, legt er unbehaglich die Arme um mich. "Ich gehe, wenn du mitkommst." "Ich kann nicht." Er merkt, dass ich halb erfroren bin und versucht irgendwie, meinen Mantel so um mich zu drapieren, dass er mich etwas wärmt. Ich nehme davon allenfalls Notiz, aber dieses Mal erreicht er mein Herz nicht. Es wäre mir völlig egal, wenn er jetzt aufstehen und gehen würde. Ich kann einfach nicht mehr. "Er ist nicht hier, Sasuke." Ein schiefes, zynisches Lächeln quält sich auf meine Lippen. "Weiß ich." "Denkst du, er wird zurückkommen?" "Nein." Verständnislos sieht er mich an. "Warum-" "Vielleicht kommt er ja doch?" Selbst in meinen Ohren klingt es erbärmlich. "Und wenn nicht, dann gehe ich ihn suchen. Ich finde ihn." "Und dann lässt er dich wieder alleine." "Ich weiß." Soll ich den Rest meines Lebens damit verbringen, Itachi nachzujagen? Wie soll ich damit leben, dass er mich immer wieder verlässt? Naruto streichelt mir die Haare aus der Stirn und die vertraute Geste will irgendwie nicht zu dem Bild passen, das ich von ihm habe. "Komm nach Hause, Sasuke. Er hat bewiesen, dass er dich nicht will." Es trifft mich wie ein Stich mitten ins Herz. "Ich werde dir niemals so was antun, ich versprech’s." Er nimmt meine Hand, die, die ich vor meinem Gesicht in die Bettdecke gekrallt hatte, und zieht sie weg. Und er küsst mich. Meine Augen sind offen und ich blicke in sein Gesicht, so nah wie nie zuvor. Nein, fast nie. Mir fällt jetzt erst auf, dass sein Haar feucht ist. Er muss noch länger als ich draußen im Regen gestanden haben. Hat er schon dagestanden, während ich draußen gesessen habe? Seine Lippen fühlen sich warm auf meinen an. Warm und weich. Ich fühle mich ganz seltsam. In mir keimt eine irrsinnig starke Sehnsucht nach der Wärme auf, die er ausstrahlt. Es tut fast körperlich weh, so sehr wünsche ich mir in diesem Moment die schlichte, ehrliche Zuneigung, die er mir so bereitwillig zeigt. Mit ihm müsste ich nicht so leiden. Ich müsste keine Angst davor haben, morgens aufzuwachen um festzustellen, dass er nicht mehr da ist. Das ist auch Glück. Sicherheit, Beständigkeit. Zum ersten Mal wünsche ich es mir wirklich. Ich sehne mich danach, mit ihm mitzugehen. Nicht, weil es vernünftiger wäre, sondern weil ich es so dringend brauche. Der Kuss endet und zurück bleibt das flüchtige Gefühl der Wärme auf meinen Lippen und der brennende Wunsch, Itachi aufzugeben und diese Quälerei endlich hinter mir zu lassen. Warum tue ich mir das alles überhaupt noch an? Wenn ein flüchtiger Kuss meine Entscheidungen so zum Wanken bringt, wieviel ist das alles überhaupt noch wert? Wozu jage ich Itachi eigentlich nach, wenn mich doch immer nur noch mehr Schmerz erwartet? Fällt mir der Grund, den ich dafür mal hatte, überhaupt noch ein? Irritiert setze ich mich auf. Naruto sitzt bloß da und schafft es tatsächlich mal, den Mund zu halten. Und ich versuche, ihn wiederzufinden. Den Grund für das alles hier. Wenn ich über Itachi nachdenke, fallen mir zuerst die unzähligen Male ein, wo er mir einfach nur wehgetan hat. Der Todestag unserer Eltern, wo er mich so sehr gequält hat. Der Augenblick im Morgengrauen vor dem Dorfeingang, wo er mich abgesetzt hat, als wäre ich ein Haustier, das ihm lästig geworden ist. Heute… ein stockfinsteres Haus mit vielen, leeren Zimmern. Warum kann ich an nichts anderes denken? Ich schaue Naruto an und ich ziehe es wirklich ernsthaft in Betracht. Einfach aufstehen und diesen Ort und alles, was damit verbunden ist, hinter mir lassen. Nach Hause gehen und neu anfangen. Ich sehe Naruto an und stelle mir vor, in Zukunft neben ihm aufzuwachen. Ich hab ihn gern. Wenn ich mit ihm gehe, würde er alles tun, um mich glücklich zu machen. Ich müsste nie mehr Angst haben, allein zu sein. Also stelle ich es mir vor. Ein warmes Bett, ein zu Hause und ein Morgen, an dem ich neben ihm aufwache. Wo ich meine Augen öffne und mich sommerblondes Haar und blaue Augen erwarten und Naruto mich in die Arme nimmt. Ich würde ihn hassen. Ich würde ihn hassen, weil er nicht Itachi ist. Wenn ich neben Itachi aufgewacht bin, war mein Herz so von ihm erfüllt, dass ich keine Worte finde, um es zu beschreiben. Es tat weh, bei ihm zu sein, ein dumpfer, zäher Schmerz, ganz tief in mir drin, der so schön war, dass ich mich an ihn geklammert habe, auch wenn ich wusste, es würde nicht ewig währen. Ich konnte nie genug davon kriegen. Auf einmal habe ich es wieder. Das Gefühl und meinen Grund. Mein Herz rast, weil es mich fast überwältigt. Naruto könnte mich nicht glücklich machen, weil er nicht Itachi ist. Ich liebe Itachi so sehr, dass es sich anfühlt, als würde mir jemand die Luft abschnüren. Ich liebe ihn trotz seiner Grausamkeiten und ich liebe ihn genau deswegen, als Bruder, als Mensch, als Mann. Wie konnte ich das vergessen? Ich habe es immer wieder gedacht und gesagt, aber es war mir schon lange nicht mehr so deutlich bewusst, wie jetzt, was das eigentlich heißt. Und warum es das wert ist, dafür zu kämpfen. Narutos Angebot kann mich nicht mehr reizen. "Geh nach Hause, Naruto. Ich werde nicht mitkommen." "Warum?" "Weil ich ihn liebe." Naruto sagt kein Wort, er starrt mich bloß an. Ich lege meinen Kopf zurück auf die Decke. Ich werde warten. Mein zu Hause ist hier. Ich schließe die Augen und versuche, dieses Gefühl festzuhalten, das mir gerade eben wieder bewusst geworden ist. "Sasuke." Erschrocken reiße ich die Augen auf. Mein Kopf schnellt in die Höhe und ich glaube schon, dass mein Verstand mir Streiche spielt. Itachi steht neben mir und sieht ausdruckslos auf mich herab. Von Naruto weit und breit keine Spur. "Was zum… Itachi?!", platzt es unintelligent aus mir heraus. Er sieht mich missbilligend an. "Was tust du da, Sasuke?" Ich kann seine Frage nicht beantworten, kann sie nicht einmal wirklich verstehen. Naruto… Ich dachte… Habe ich das bloß geträumt? Ich schwöre, ich habe den Übergang zwischen Traum und Realität nicht einmal bemerkt. Ich habe die Augen zugemacht und dann war Itachi plötzlich da. Verwirrt fasse ich mir an den Kopf. Ich bin ganz schön durch den Wind. Mein Bruder beugt sich runter und zieht mich mühelos auf die Füße. Er verzieht das Gesicht, als er meine eiskalten Arme anfasst. "Sasuke?" Der Blick in seine Augen bringt mich endgültig in die Realität zurück. "Du bist hier!", keuche ich. "Ich bin hier", stellt er emotionslos fest. "Und du auch. So früh hatte ich dich nicht zurückerwartet." Es ist eine der seltenen Gelegenheiten, wo die Worte wirklich drohen, wie von selbst aus mir herauszusprudeln. Ich dachte, du hättest mich verlassen! Du bist noch da! Ich dachte, du hättest es schon wieder getan! Es kostet mich unendlich viel Mühe, sie zurückzuhalten. Ich will es nicht kaputtmachen, ich weiß nicht, wie er reagiert, wenn ihm klar wird, dass ich so dachte. Also frage ich ihn atemlos: "Wo bist du gewesen?" Er entspannt sich etwas und sein Gesicht verändert sich ganz leicht, nimmt einen missbilligenden aber nicht wirklich wütenden Zug an. "Hast du gedacht, ich würde zweiundsiebzig Stunden hier sitzen und auf dich warten? Ich war unterwegs." Es fühlt sich an, als wäre ich aus meinem schlimmsten Alptraum aufgewacht. Er ist noch da. Dieses eine Mal hat er mich nicht verlassen. Ich glaube nicht, dass er weiß, wieviel mir das bedeutet. Er schiebt mich ein Stück von sich weg und löst meinen Mantel. Das Kleidungsstück fällt schwer auf den Boden, immer noch feucht vom Regen. Lange kann ich nicht geschlafen haben. Ich habe das unbestimmte Gefühl, dass etwas nicht zusammenpasst. Der Traum, den ich hatte, war zu real. Selbst jetzt noch könnte ich schwören, dass Naruto wirklich hier war, ich kann ihn fast noch riechen. Und Itachi kehrt genau in dem Moment zurück, wo ich Naruto zurückweise und erkenne, was es ist, das mich ständig wieder in die Arme meines Bruders treibt? Wie immer, wenn ich auf einen dieser Zufälle stoße, schiebe ich die Gedanken daran einfach beiseite. Es ist doch egal, was es war. Es ist alles egal, denn ich bin jetzt hier. Wir sind jetzt hier. Wortlos sehe ich dabei zu, wie er mich auszieht. Als er mir das Hemd über den Kopf streift, hebe ich brav die Arme und merke erst jetzt, wie sehr ich friere. Er ist nicht nass. Wenn er unterwegs war, dann frage ich mich, warum sein Haar noch nicht einmal feucht ist. Nackt, zitternd und frierend stehe ich vor ihm und lasse mich von ihm betrachten. Sein Blick ist erfreut und ich kann in seinem Gesicht lesen, wie selten zuvor. Ich sehe mich selbst durch seine Augen und ich sehe jemanden, der seinetwegen alles aufgegeben hat. Der wirklich ihm gehört, mit Haut und Haaren und ich spüre seine Begeisterung über die Tatsache, dass ich mich ihm am Ende so willentlich und vollkommen ausgeliefert habe. Wollte er mich zerstören, wäre dies der richtige Zeitpunkt. Hätte er das alles nur getan, um mich vollends zu vernichten, dann bräuchte es jetzt nur ein einziges Wort, um mir alles wegzunehmen. Ich wollte nicht mehr so misstrauisch sein, aber wie ich ihn so ansehe, drängt sich mir dieser Gedanke förmlich auf. Er war immer in der Lage, mir wehzutun. Zu jedem Zeitpunkt hätte seine Ablehnung mich kaputtgemacht, aber in diesem Augenblick bin ich so verwundbar wie nie zuvor. Es gibt niemanden mehr, der mich auffangen würde. Und es gibt außer ihm nichts mehr, woran ich mich festhalten könnte. Ich starre auf seine Lippen, die mich so oft geküsst haben, und warte darauf, dass er ein einziges, alles vernichtendes Wort sagt. Verschwinde. Ich brauche dich nicht mehr. Ich hasse dich. Du bist so erbärmlich. Es steht so deutlich im Raum, zwischen uns, dass ich es beinahe hören kann, obwohl seine Lippen sich nicht bewegt haben. Ich habe seltsamerweise keine Angst, es ist eher so, als wäre ich wie erstarrt in einem einzelnen Moment, unfähig, irgendwas zu empfinden. Ich stehe einfach da, nackt und bloß und schutzlos, und warte. Während er entscheidet, ob alles, was ich bisher getan habe, ausreicht, ob ich damit gut genug für ihn bin. Ich bin wirklich nicht mehr ich selbst. Der Sasuke Uchiha, der ich mal war, hätte sich nie so verletzlich gezeigt, hätte seine Existenz und sein Glück nie so vollkommen von einem Wort, einer Geste, einem Menschen abhängig gemacht. Was ist mit mir passiert? Wann habe ich mich selbst verloren? Er streckt die Hand aus und streicht mit einem Finger über eine kleine Wunde an meiner Wange, die mir einer der vorbeiflitzenden Äste geschlagen hat. Ich zucke ganz leicht zusammen, weil es wehtut, und in seinen Augen schimmert unangemessene Begeisterung. Der Finger fährt über meine Lippen, über mein Kinn, meinen Hals, wo er erneut eine kleine Schnittwunde trifft und ich wieder unwillkürlich zusammenzucke. Er streicht über meine Brust, über jede kleine Schramme und beobachtet dabei ganz genau meine Reaktion. "Ich wollte dich bestrafen", haucht er und seine Hand schließt sich locker um meinen Hals. "Ich wollte dich zerstören. Ich war wirklich, wirklich wütend auf dich." Ich weiß nicht, was er meint. Ich verstehe kein Wort. Ich habe Angst, vor dem, was seine Worte bedeuten. Ist das, weil ich ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht habe? Weil ich Naruto nicht getötet habe? "Aber es ist so schwer, zu widerstehen." Mein Herz pocht heftig gegen meine Rippen. Ich will etwas sagen, ihn fragen, wovon er da nur redet, aber ich bringe keine Silbe über die Lippen. "Am Ende", er kommt näher, beugt den Kopf und küsst meinen Hals, direkt über der Halsschlagader, "habe ich wohl tatsächlich verloren. Weil ich dich auch liebe." Meine Knie geben nach, ich kann mich einfach nicht mehr auf den Beinen halten. Er fängt mich auf, kniet sich mit mir hin und ich weiß nicht mehr ein noch aus. Da ist zu viel, in meinem Kopf und in meinem Herzen, Schmerz, Liebe, Angst, eine vage Erkenntnis und immer wieder seine Worte. Weil ich dich auch liebe. Er hält mich fest und ich klammere mich an ihn. Er fasst mich an und ich merke es kaum. Ich starre an ihm vorbei, zur Tür, an die Wand, und versuche, das Chaos in meinem Kopf unter Kontrolle zu bekommen. Er flüstert mir etwas ins Ohr, immer wieder, und es dauert eine ganze Weile, bis es langsam bis an mein Bewusstsein vordringt und sich in mein Gedächtnis brennt: "Ich will dich nicht mehr gehen lassen." *** ...tbc... Nein, das ist nicht das letzte Kapitel. Eins kommt noch. Das hier finde ich wider Erwarten jetzt doch ziemlich gut, weil mir das am Ende gut gefällt. Die Szene mit Naruto und dann das, was Itachi (nicht) sagt. XXIII. Brother, tell me somethin' --------------------------------- Mir ist furchtbar kalt. Ich friere entsetzlich und irgendwie will es einfach nicht wärmer werden. Ich bin hellwach, sitze in die Decke gewickelt auf dem Bett und starre durch das Fenster nach draußen, wo es immer noch regnet. Wie könnte ich jetzt schlafen, nachdem heute so viel passiert ist? Vielleicht sollte ich glücklich sein. Itachi hat gesagt, dass er mich liebt. Wollte ich das nicht die ganze Zeit über hören? Ich weiß nicht. Die Worte haben einen schalen Nachgeschmack hinterlassen, den ich mir selbst nicht erklären kann. Das alles hier fühlt sich merkwürdig an. Zu gut, um wahr zu sein. Ich konnte mir nie vorstellen, dass er so was sagen würde. Und ich kann nicht glauben, dass Itachi sich einfach nur verrechnet hat. Dass er nicht vorausgesehen hat, dass ich vor Naruto auf die Knie fallen würde. Was passiert ist, ist bestmöglich für mich ausgegangen und doch kann ich mich darüber noch nicht freuen. Zu sehr hat mich das, was Itachi zu mir gesagt hat, verunsichert. Er wollte mich bestrafen? Mich zerstören? Hat er nicht Monate und Jahre damit verbracht, mich vom Gegenteil zu überzeugen? Er sagte mir mal, er würde mich nicht hassen. Aber warum sollte man jemanden zerstören wollen, den man nicht hasst? Als ich vor ihm stand, da habe ich gespürt, dass er etwas zu mir sagen wollte. Etwas Wichtiges, etwas Zerstörerisches. Er wollte mir wehtun, er wollte mich mit einem Wort kaputtmachen. Es lag so deutlich in der Luft, als hätte er es wirklich ausgesprochen. Und doch hat er es nicht getan. Stattdessen hat er diese unerwartet zärtlichen, liebenden Worte gesagt. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Ich dachte, ich hätte ihn verstanden, aber im Grunde ist er mir immer noch ein Rätsel. Was ist es wirklich, das ihn antreibt? Was ist es, das ihn dazu bewegt, hier zu sein? Was er gesagt hat, ergibt keinen Sinn. Hasst er mich oder liebt er mich? "Vielleicht ja beides." Erschrocken zucke ich zusammen, als er seine Arme um mich legt. Ich dachte, er schläft längst. Mir war gar nicht bewusst, dass ich meine Gedanken laut ausgesprochen habe. Im ersten Moment kann ich nichts dazu sagen, weil ich versuche, die Antwort irgendwie zu interpretieren. "Hör auf, darüber nachzudenken", flüstert er mir ins Ohr. "Ich bin hier. Reicht das nicht?" Ich wünschte, das würde es. "Wie hast du es gemeint?", frage ich unsicher. "Du hast gesagt, dass du mich zerstören wolltest. Was bedeutet das?" "Das ist lange her." Er schlüpft mit einer Hand unter die Decke und sucht nach meiner. Ich merke erst jetzt, dass ich immer noch den Ring trage. Ich habe ihn bis über den ersten Knöchel meines Zeigefingers geschoben, weil es weiter nicht ging, und dann einfach da vergessen. "Eine halbe Ewigkeit. Ich hatte es fast vergessen. Es ist nicht mehr wichtig." "Du hast gesagt, du wärst wütend auf mich gewesen. Warum?" "Ich sage es dir ein anderes Mal." "Bist du immer noch wütend?" "Ja." Was habe ich getan? Was habe ich getan, um ihn zu verärgern? Was? "Shh, Sasuke. Zerbrich dir darüber nicht den Kopf. Ich werde es dir irgendwann erklären, versprochen." "Wann?" "Morgen." Er küsst meinen Nacken. "Oder übermorgen." Noch mal. "Später." Ich weiß, dass ich auf etwas gestoßen bin, das wirklich wichtig ist. Aber genauso weiß ich, dass er es mir nicht sagen will und ich es deshalb auch nicht erfahren werde. Vielleicht ist es besser so. Es fühlt sich nicht gut an. Vielleicht habe ich die ganze Zeit über gespürt, dass es da ist. Und ich habe es ignoriert, weil ich es nicht wahrhaben wollte. Ein wenig länger möchte ich noch in dieser Seifenblase leben, wo ich nicht verstehen muss, warum Itachi mehr über das, was passiert und passieren wird, weiß, als er wissen sollte, dürfte. Ich will mich nicht fragen, warum ich dachte, Naruto wäre hier, wie Itachi es geschafft hat, ohne mir in die Augen zu sehen, ohne überhaupt im Raum zu sein, eine solche Illusion zu erzeugen, die so unglaublich real war, dass ich nicht an ihr gezweifelt habe. Ich will nicht nachdenken über den Ring, über die Sharingan, über die Zufälle und darüber, dass Itachi hier bei mir ist und es nichts zu geben scheint, das er lieber tun würde. "Es war schön", sagt er unvermittelt. "Mit dir, immer. Vielleicht ging es nie darum, dich zu bestrafen. Vielleicht wollte ich einfach sehen, wie es weitergeht. Was aus dir wird. Aus uns." Er wickelt mich aus der Decke und im ersten Moment wird es bitter kalt und dann angenehm warm, als sich sein warmer Körper direkt an meinen drückt. Er legt die Decke um uns beide und sagt: "Ich will, dass du bei mir bleibst." Die Sonne geht auf. Es ist lange her, seit ich das das letzte Mal gesehen habe und noch nie habe ich einen Sonnenaufgang so herbeigesehnt wie diesen. Seit über einer Stunde stehe ich hier im Garten und warte auf genau diesen Moment. Jetzt ist er da und ich bin furchtbar erleichtert. Mit diesem Augenblick sind es jetzt drei Tage, die ich schon hier bin. Genauer gesagt drei Tage und ein paar Stunden, weil ich nämlich nicht genau weiß, wann ich hier angekommen bin. Aber mit diesem Sonnenaufgang sind die drei Tage auf jeden Fall vorüber und ich bin trotzdem noch hier. Das gibt Hoffnung. Itachi scheint von der Zahl 72 sehr angetan zu sein. Beim letzten Mal, in den Bergen, waren es drei Tage, die er mir gewährt hat, bevor er mich wieder verlassen hat. Ich hatte Angst, dieses Mal könnte er es genauso machen. Denn was wir jetzt haben, ist dem, was damals passiert ist, nicht unähnlich. Seit ich wieder hier bin, können Itachi und ich nicht voneinander lassen. Einer von uns sucht immer den Körperkontakt und so hocken wir ständig aufeinander, selbst wenn wir das eigentlich gar nicht vorhatten. Wir fallen genauso gierig und unersättlich wie früher übereinander her, wir klammern uns aneinander, als gäbe es kein Morgen. Deshalb hatte ich Angst, er würde mich wieder verlassen. Ich dachte, er würde mich nach drei Tagen wegschicken und wäre deshalb so versessen auf meine Nähe. Aber ich bin noch hier. Und gestern Nacht gab es nichts, was sich nach Abschied angefühlt hätte. Keine ungewohnt lieben Gesten, keine zärtlichen Worte. Darüber bin ich froh, denn es hätte mir furchtbare Angst gemacht. Jetzt, wo die Sonne aufgegangen ist am vierten Tag meines Aufenthaltes hier, kann ich anfangen, wirklich daran zu glauben, dass er mich nicht mehr wegschickt. Es ist zu schön, um wahr zu sein, und das weiß ich auch. Die Art, wie er sich mir gegenüber verhält, hat sich verändert. Ich kann es nicht einmal wirklich an etwas festmachen, aber es scheint, dass er wirklich irgendwas verstanden hat. Immer noch hat er die meiste Zeit über nur harte Worte für mich übrig. Wir trainieren vormittags gemeinsam, allerdings nicht mehr die Mangekyou Sharingan sondern nur noch Ninjutsu und Taijutsu. Er nimmt mich immer noch so hart ran, dass ich ihm manchmal die Pest an den Hals wünsche und mich abends kaum noch rühren kann vor Muskelkater. Aber das macht nichts, ich würde es nicht anders haben wollen. Irgendetwas, das immer zwischen uns gestanden hat, scheint nicht mehr da zu sein. Eine Barriere, von der ich nicht einmal wusste, dass sie existiert hat und an der ich nie etwas ändern konnte. Ich glaube, erst jetzt hat er wirklich akzeptiert, dass ich da bin. Dass ich bei ihm bin und bleiben werde. Ich merke es daran, dass er mich so wie immer und doch irgendwie anders behandelt. Ich merke es daran, wie er mich manchmal ansieht, wenn er sich unbeobachtet fühlt. Aber nicht nur er hat sich verändert. Vor allem ich bin es, der anders ist. Ich dachte, ich hätte mich selbst verloren, aber ich denke, das stimmt gar nicht. Ich war nie ich selbst, weil ich zerfressen war von Wut und Hass und einer unerwiderten Liebe. Mein Stolz war alles, was ich noch hatte und ich habe mich verzweifelt daran festgeklammert, weil mir sonst gar nichts mehr geblieben wäre. Ich war nie ich selbst. Jetzt erst merke ich, wer ich wirklich bin. Dass es Dinge gibt, die mich ärgern, aber auch andere, die mich erfreuen und die nichts mit Kämpfen oder Sieg oder irgendwas dergleichen zu tun haben. Und ich habe eine ganz erstaunliche Entdeckung gemacht: ich kann lachen. Das wusste ich nicht, wirklich nicht. Ich dachte irgendwie, ich hätte es verlernt oder es wäre generell nicht meine Art. Ich weiß gar nicht mehr, was ich so komisch fand, dass es mich zum Lachen brachte, aber Itachi hat mich so verwundert angeschaut, als sähe er mich zum ersten Mal. Das ist etwas, was ich Naruto gerne noch gesagt hätte: Ja, ich bin anders, wenn er bei mir ist. Ich bin ich selbst. "Grübelst du schon wieder?" Ich drehe mich zu ihm um, keineswegs erschrocken über die plötzliche Störung. Das macht er gerne, inzwischen habe ich mich daran gewöhnt, von ihm aus meinen Gedanken gerissen zu werden. Es scheint ihm Spaß zu machen, mich genau dann zu überraschen, wenn ich überhaupt nicht damit rechne. Als ich nach draußen ging, hat er noch geschlafen, jetzt hat er sich eine Hose und ein T-Shirt angezogen und wie immer kommt er mir etwas übermenschlich vor, wie er so an der kühlen Luft steht und kein bisschen zu frieren scheint. Ich selbst habe mir in weiser Voraussicht meinen warmen Umhang übergezogen. Es ist kalt geworden, in den letzten Tagen. Ich denke, der Sommer ist vorbei. Und Itachi scheint den Temperaturunterschied noch nicht einmal zu bemerken. "Ich grüble nicht, ich schaue mir bloß den Sonnenaufgang an." Er stellt sich neben mich und sagt: "Du dachtest, ich würde dich nach drei Tagen wegschicken." "Das kannst du mir nicht verübeln." "Ich habe nicht vor, dich gehen zu lassen." "Ich habe nicht vor, zu gehen." Er streckt sich unauffällig, woraus ich schließe, dass er noch nicht sehr lange wach ist. Eigentlich haben wir auch beide zu wenig Schlaf abbekommen in den letzten Tagen. Normalerweise steht er noch vor dem Sonnenaufgang auf. "Was willst du jetzt mit deiner Zeit anfangen?", fragt er mich. Ich weiß schon, was er meint. Wir können nicht ewig hierbleiben, schon klar. Auf Dauer würde es vielleicht langweilig, wenn wir dauernd aufeinander hocken, ohne eine richtige Aufgabe. Aber darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Ich habe keine Wünsche und Träume mehr. Es gibt nichts, was mich in die Ferne zieht, alles, was ich begehre, ist hier. Wenn wir irgendwann diesen Ort verlassen, dann weil er es wünscht. Wenn wir eine Aufgabe brauchen, soll er sie aussuchen. Ich für meinen Teil… "Lass uns noch etwas bleiben. Es ist schön, so wie es ist." "In Ordnung." Es ist ein kalter Luftzug, der mich weckt. Automatisch taste ich nach einer Wärmequelle, und als ich sie nicht finden kann, öffne ich widerwillig die Augen. Das Licht im Zimmer brennt und ich blinzle, um mich daran zu gewöhnen. Der Platz neben mir im Bett ist leer. Müde setze ich mich auf und stelle fest, dass es nicht nur deshalb kalt ist, weil er nicht neben mir liegt. Die Temperatur im Raum ist merklich gesunken und der Grund dafür ist, dass Itachi am Fenster steht und es einen Spalt geöffnet hat. Er hat sicherlich gemerkt, dass ich wach geworden bin, aber er würdigt mich keines Blickes. Wie versteinert steht er am Fenster und starrt nach draußen. Er trägt nur seine schwarze Hose und von draußen kommt es wirklich kalt rein, aber er scheint nicht zu frieren. Irgendwie sieht er seltsam aus, wie er gedankenverloren da steht und ich habe ein merkwürdiges Gefühl. Ich wickle die Decke um mich und klettere ungelenk vom Bett. "Itachi", sage ich vorsichtig und stelle mich hinter ihn. Wenn er so ist, so furchtbar in sich gekehrt und nachdenklich, weiß ich immer noch nicht, wie ich mit ihm umgehen soll. Ich weiß, dass er die Dinge immer mit sich selbst ausmacht. Für mich ist da kein Platz, wenn er sich sorgt oder Pläne für die Zukunft macht. Aber selbst wenn ich ihm nicht helfen kann, wäre ich trotzdem gerne für ihn da. Und wenn er nur spürt, dass ich da bin, reicht es schon aus. Damit er nicht vergisst, mich in seine Pläne miteinzubeziehen. Ich bin auch noch da, Itachi. Ich bin bei dir und ich lasse nicht zu, dass du mich vergisst. Er sagt kein Wort, aber das macht nichts. Von hinten schiebe ich meine Arme um seine Taille und lege mein Kinn auf seine Schulter. Ich wundere mich ein bisschen, dass mir das so mühelos gelingt. Obwohl wir jetzt schon eine ganze Weile hier sind, obwohl ich es ja eigentlich längst begriffen habe, überrascht es mich jetzt doch, dass ich beinahe gleich groß bin wie er. So deutlich ist mir das noch nie aufgefallen. Ich bin jetzt erwachsen und aus dem spiegelnden Fensterglas blicken mich zwei Männer an, die einander furchtbar ähnlich sehen. Der Altersunterschied zwischen uns sah nie unbedeutender aus. Dann erst wird mir klar, was sich hinter unserem Spiegelbild abspielt. Draußen schneit es. Es sind die ersten Schneeflocken des Jahres und der Boden ist erst mit einer hauchdünnen Schneeschicht bedeckt, die beim ersten Sonnenschein wieder wegschmelzen wird. Ich bin ehrlich erstaunt. Wann ist es Winter geworden? Ich habe jedes Zeitgefühl verloren, ich weiß nicht, wie lange ich schon hier bin. Es kommt mir vor, als wären es nur ein paar Tage gewesen, vielleicht zwei Wochen. Die Zeit vergeht wirklich wie im Flug, wenn man glücklich ist. Ich konnte daran nie glauben und nun erfahre ich es am eigenen Leib. Schnee. Deshalb ist die Luft, die von draußen ins Zimmer strömt, so kalt. Ich atme tief ein. Es gab eine Zeit, da habe ich es gehasst, wenn die Luft nach Schnee riecht. Es machte mich buchstäblich krank, weil es mich an verwerfliche Dinge erinnert hat, die ich getan habe. An drei Tage an einem bizarren Ort, mit benebelten Sinnen, als wäre ich nie klar bei Verstand gewesen. Jetzt mag ich den Geruch wieder und auch das ganz leise Geräusch, das die Schneeflocken machen, wenn sie auf den Boden fallen. Es birgt bittersüße Erinnerungen und jetzt, wo ich weiß, wie es ausgegangen ist, kann ich sie zulassen, ohne mich für das, was ich getan habe, zu schämen. Itachi hat noch immer kein Wort gesagt und in keinster Weise auf meine Anwesenheit reagiert. Ich kenne es von ihm und trotzdem beunruhigt es mich immer wieder. Im Fenster spiegelt sich sein Gesicht ganz deutlich und er sieht… ich weiß nicht, ob das das passende Wort ist, aber ich finde, er sieht unglücklich aus. Unglücklich und erschöpft. Eigentlich wirkt sein Gesicht genauso gleichgültig wie immer, es ist vielleicht mehr ein Gefühl, das ich habe. Oder ich habe endlich gelernt, ihn ein bisschen zu verstehen. "Ist alles in Ordnung?", frage ich und hoffe, dass er mir die Frage nicht übel nehmen wird. Er nickt und antwortet gleichzeitig: "Nein." Nicht einmal eine so einfache Frage kann er mir eindeutig beantworten. Weiterhin starrt er wie gebannt nach draußen und sagt dann: "Diese drei Tage in den Bergen werde ich nicht mehr vergessen." "Ich auch nicht." Es ist schön zu hören, dass ich nicht der Einzige bin, dem es so geht und auch nicht der Einzige, der bei dem Anblick des ersten Schnees daran erinnert wird. Was die Zukunft auch bringt, von nun an wird so ein Wetter uns beide immer aneinander erinnern. Das ist schön. "Es gibt ein paar Dinge, die du wissen solltest", sagt er schlicht und wie immer völlig zusammenhanglos. "Die Mangekyou Sharingan sind eine mächtige Waffe und ich wollte, dass du selbst siehst, wie es sich anfühlt, so viel Macht zu haben." Er spricht bedächtig, legt Gewicht auf jedes Wort. Ich bemühe mich, ihm konzentriert zuzuhören. "Aber alles hat seinen Preis. Im Fall der Mangekyou Sharingan ist es das Augenlicht." Entsetzt ruckt mein Kopf von seiner Schulter hoch. "Was…" Zuerst taucht der Gedanke auf, dass er mich auch der Gefahr ausgesetzt hat, blind zu werden. Aber was mir wichtiger ist, ist er. "Du bist blind?" "Nicht wirklich." Im Fenster sehe ich, dass er milde lächelt über meinen sorgenvollen Blick. "Mit den Sharingan sehe ich recht gut. Ohne ist es schlechter und direkt nach dem Einsatz von Doujutsu sehe ich inzwischen gar nichts mehr. Es ist ein langwieriger Prozess. Es wird noch Jahre dauern, bis ich komplett erblindet bin." Ich weiß nicht, warum der Gedanke mich so entsetzt. Es passt nicht. Es darf nicht sein. In meinen Augen ist er immer noch unverwundbar, steht so über den Dingen, dass ich es mir wirklich nicht vorstellen kann, dass er irgendwann nichts mehr sehen wird. Es ist ein Handicap, auch wenn er es runterspielt, und das will sich nicht mit dem unantastbaren Bild vereinbaren lassen, das ich, immer noch, von ihm habe. Wenn ich mir vorstelle, dass es Momente gab, wo diese Augen mich nicht einmal mehr sehen konnten… warum habe ich es nicht gemerkt? Warum hat er es mir nicht früher gesagt? "Keine Sorge. Ich wusste, worauf ich mich einlasse. Ein Shinobi ist auf sein Augenlicht nicht angewiesen und gegen eine so mächtige Sache tauschte ich es gerne ein. Ich wollte nur, dass du es weißt." "Warum?" "Ich will, dass du verstehst, wer ich bin. Dass du etwas über mich weißt, was echt ist." Jetzt erst bewegt er sich, er legt eine Hand auf meine. Das seltsame Gefühl, das ich habe, wird stärker. Es liegt etwas Merkwürdiges in der Luft. Irgendetwas stimmt nicht. "Mein Streben nach der absoluten Macht war mir wichtiger als meine Familie und wichtiger als mein Augenlicht." Ich werde nie verstehen, warum für ihn Macht so wichtig ist. Ja, ich selbst habe lange genug mit allen Mitteln danach gestrebt, aber ich hatte ein Ziel. Und ich verlor meine Machtgier mit der Sekunde, in der ich meinen Wunsch verlor, ihn zu töten. Aber was für Gründe hat jemand wie er, sich so nach diesen Dingen zu sehnen? "Ich weiß, dass Amaterasu dich beinahe mehr fasziniert hat. Aber die wahre Macht der Sharingan liegt in den Illusionen, in Tsukiyomi. Wenn du gut genug bist, hast du nicht nur die Möglichkeit, eine Illusion zu erzeugen und die eigenen Ängste gegen den Gegner verwenden. Jemand, der die Sharingan wirklich beherrscht, kann eine ganze Welt nach seinen Vorstellungen erschaffen, sein Opfer in einem Alptraum einsperren und zusehen, wie es sich darin hoffnungslos verirrt. Und zwar nicht nur für 72 Stunden." Ein selbstzufriedener Ausdruck erscheint auf seinem Gesicht. "Wenn man die Welt neu erschaffen kann, wenn man die Regeln dieser Welt selbst bestimmt, dann ist das absolute, unendliche Macht, Sasuke." Mich schaudert bei dem bloßen Gedanken daran. Ja, jetzt verstehe ich ihn wirklich besser. Ich sehe den Ehrgeiz in seinen Augen und ich begreife, warum meine Eltern ihm im Weg waren. Ich versuche mir eine Welt vorzustellen, die nur nach seinen Regeln funktioniert. In so einer Welt wäre er nicht nur allmächtig, er wäre wie ein Gott. Das sind seine Wünsche und Träume. Jemand wie er, der von Kindesbeinen an so talentiert, so perfekt war, träumt nur von großen Dingen. Er will nicht nur stärker werden, er sehnt sich nach absoluter Macht. Unbesiegbar, unantastbar, unzerstörbar. Es ist dem, wovon Orochimaru träumte, gar nicht unähnlich und die Parallele ist mir nicht geheuer. Aber wie passe ich da hinein? Er hat seit Wochen nichts anderes getan, als hier zu sein, mit mir. Meinetwegen hat er die Akatsuki verraten, die, soweit ich das verstanden habe, genau dasselbe angestrebt haben, wie er. Bin ich nicht bloß das Hindernis, das zwischen ihm und seinen Zielen steht? Mir kommt ein beängstigender Gedanke. Ist das der Grund, warum er mir plötzlich so unglücklich erscheint? Bedeutet dieser Blick in die Ferne, dass er sich danach sehnt, endlich seine Ziele weiter verfolgen zu können? Bin ich ihm am Ende doch nur im Weg? "Das ist es, was du immer noch willst, oder?", frage ich ihn. "Solange du nur hier mit mir sitzt, kannst du nicht stärker werden. Ist es das, was du mir sagen willst?" "Nein. Ich wollte nur, dass du es weißt. Dass du verstehst, was für ein Mensch ich bin." Ich weiß nicht, ob ich ihm glauben kann. Immerhin ist mir der Gedanke nicht erst heute gekommen. Itachi strebt nach mehr und dass er stattdessen hier bei mir ist, will nicht zu ihm passen. Aber was hätte er davon, mich anzulügen? Itachi lügt nicht, jedenfalls niemals grundlos. "Ich bin schlecht, aber das wusstest du schon. Ich strebe nicht danach, ein besserer Mensch zu werden oder andere mit meinem Talent zu beschützen. Ich suche nur nach Macht." "Und was für eine Rolle spiele ich dabei?" "Du", jetzt dreht er sich zu mir um und wirft mir einen unfassbar sehnsüchtigen Blick zu, der meine Knie weich werden lässt, "bist meine Erkenntnis, dass alle Macht der Welt manchmal nicht ausreicht." Ich verstehe immer noch nicht, warum er mir das alles gesagt hat. Ich weiß nicht, was es bedeutet, denn ich habe doch in seinen Augen gesehen, dass er nicht bereit ist, auf diesen Traum zu verzichten. Vielleicht darf ich ja daran teilhaben. Was auch immer er macht, wohin er geht, ist mir ganz egal, solange er mich mitnimmt. Eigene Träume habe ich keine mehr, es wäre vielleicht ein Anfang, ihm dabei zu helfen, seine zu verwirklichen. Er streichelt mir über den Kopf, fährt mit den Fingern durch mein Haar. "Ich frage mich, ob ich es richtig gemacht habe", sagt er nachdenklich. Deine Finger streichen über mein Gesicht. "Du, zwei Jahre älter. Noch viel schöner. Erwachsen." Für mich ergeben seine Worte keinen Sinn. Ich würde gerne nachfragen, aber die Art, wie er spricht und handelt, ist so beklemmend, dass mir kein Wort über die Lippen kommt. Irgendwas wird passieren, ich spüre es ganz deutlich. Er schaut mich an, als sähe er mich zum ersten Mal und ich frage mich, wie viel er eigentlich wirklich sehen kann. Er küsst mich so zärtlich auf den Mund, dass es in meinem Inneren zu kribbeln beginnt und es macht mich auf eine merkwürdige Art furchtbar traurig. Ich will die unverhofft zärtliche Geste erwidern, aber er hält mich davon ab. Er hält mich bei den Schultern, schiebt mich ein Stück von sich weg und schaut mich einfach nur an. "Was machst du?", frage ich verunsichert. "Ich sehe dich an", antwortet er gleichmütig. "Warum?" "Weil es das letzte Mal ist." Ich wusste es. Ich hab es gewusst, seit ich ihn am Fenster stehen sah. Heute ist etwas anders. Itachi hat entschieden, dass es vorbei ist und das alles hier bedeutet Abschied. Schon wieder. In meinem Magen schmerzt es fürchterlich und ich kann nicht beschreiben, wie schrecklich der Gedanke ist, dass er es doch wieder tut. "Du hast mir versprochen-" Er legt seine Hand auf meinen Mund, um mich zum Schweigen zu bringen. "Ich habe es dir nicht leicht gemacht. Ich bedaure, dass ich dich nicht früher zu mir geholt habe. Es tut mir leid, Sasuke." Was sagt er da? Ich schiebe seine Hand weg. "Nein!", schreie ich und weiche einen Schritt zurück. Er soll sich nicht entschuldigen! Er soll diese Dinge nicht sagen, weil er sich nicht verabschieden soll! Er soll gemein zu mir sein wie sonst auch, damit ich weiß, dass es noch nicht endet! "Wieso tust du das? Ich habe alles getan, was du von mir verlangt hast! Du hast es selbst gesagt, du willst, dass ich bei dir bleibe!" Er will mir antworten, aber ich bin noch nicht fertig. Ich will ihn gar nicht zu Wort kommen lassen, weil ich weiß, dass alles, was er sagen wird, endgültig sein wird. Vorher soll er wissen, dass ich es nicht mehr einfach so hinnehmen werde. Dieses Mal werde ich nicht tatenlos zusehen, wie er alles kaputtmacht. "Du kannst mich nicht wegschicken! Ich werde nicht gehen und ich werde dich nicht gehen lassen! Ich bin jetzt hier, ob es dir passt oder nicht! Und ich lasse mir das nicht mehr kaputtmachen. Ich werde bei dir sein, ob du willst, oder nicht. Um mich loszuwerden, müsstest du mich schon umbringen!" "Sasuke…" "Nein! Sei still und hör mir zu! Wenn es irgendwas gibt, das du tun musst, dann tu es, aber nimm mich mit! Ich weiß schon, dass du machtgeil bist und ich weiß, dass du ein schlechter Mensch bist. Es ist mir egal! Du bist mein Bruder und ich liebe dich, egal was du bist oder tust! Und wenn du da raus gehst und dieses Dorf hier dem Erdboden gleich machst, ist es mir egal, solange du mich mitnimmst!" Ich meine jedes Wort so, wie ich es sage. Für ihn habe ich alles aufgegeben und ich werde jetzt nicht damit aufhören. Wenn er mich zum Mitwisser macht, selbst wenn ich dafür zum Mörder werden muss, ich kann ihn nicht aufgeben. Es geht einfach nicht mehr. "Itachi, ich-" Als ich in sein Gesicht sehe, bleiben mir die Worte im Halse stecken. Er lächelt. Damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet und es nimmt mir komplett den Wind aus den Segeln. Ich vergesse, was ich sagen wollte, und starre ihn fassungslos an. Warum tut er das? Mein Zorn ist verflogen und zurück bleibt nur Verzweiflung. "Bitte, tu das nicht, Itachi", sage ich, obwohl ich genauso gut gegen eine Wand reden könnte. "Tu uns das nicht an." Er macht einen Schritt vor und packt, blitzschnell, meine linke Hand. Er hält sie so fest, dass es beinahe wehtut, und zieht sie ein Stück hoch. Er dreht meinen Arm, sodass die Innenseite nach oben zeigt und die Narbe, die inzwischen blass und schmal geworden ist, deutlich sichtbar ist. "Erinnerst du dich daran?", fragt er mich. "An unseren Zweikampf am See?" "Natürlich erinnere ich mich." Mit dem Daumen streicht er über die Narbe. "Ich hatte keine Lust, einen Kampf weiterzuführen, den ich sowieso gewonnen hätte. Für eine Weile wollte ich dich in dem Glauben lassen, du hättest mich getötet. Und dann hast du das getan." Warum erzählt er mir das? Er führt meinen Arm zu seinem Mund, küsst die Narbe und ich kriege unwillkürlich Gänsehaut. "Ich war wütend auf dich", sagt er ruhig und sein Atem streift meine Hand bei diesen Worten. "Ich bin es immer noch." Und deshalb will er mich verlassen? Weil ich ihn vor so langer Zeit beinahe verlassen hätte? "Verzeih mir", flüstere ich. Ich wusste es doch damals nicht besser. Aber hätte ich es nicht getan, hätte es das alles hier vielleicht nie gegeben. Dann wäre vielleicht jeder von uns seiner Wege gegangen und um nichts in der Welt würde ich die Dinge, die passiert sind, rückgängig machen wollen. "Niemals", antwortet er und es klingt so endgültig. Was für ein übler Scherz. Das soll sein Grund sein? Das soll der Grund sein, warum er nach all der Zeit immer noch wütend auf mich ist? Nur, weil ich ein einziges Mal nicht das getan habe, was er von mir erwartet hat? Das kann doch nicht wahr sein. Wenn das sein Grund ist, mich zu verlassen, dann hatte er es von Anfang an vor. Dann hat er nur mit mir gespielt, die ganze Zeit über. "Wieso tust du das?", frage ich. "Wenn du sowieso vorhattest, mich zu verlassen, warum erst jetzt? Dann hättest du es besser getan, als ich hier angekommen bin. Oder schon vor zwei Jahren. Warum jetzt?" "Ich habe einfach keine Kraft mehr", sagt er. Blut läuft wie eine Träne von seinem linken Auge über seine Wange. Wenn er es merkt, beachtet er es nicht. Das alles hier ist plötzlich so seltsam surreal. Ich bin wütend und verzweifelt, und doch irgendwie zu ruhig in Anbetracht der Tatsachen. Es fühlt sich an, als würden meine Gefühle hinter einer Nebelwand verschwinden, als wäre ich nicht ganz bei Sinnen. "Ich dachte, ich würde länger durchhalten. Ich muss wohl noch üben." Er nimmt mein Kinn und zieht meinen Kopf zu sich heran. Ich lasse es mir demütig gefallen und er küsst mich, flüchtig und zärtlich. "Verlass mich nicht", flehe ich ihn an. Mein Stolz ist mir längst egal, mir ist alles egal, wenn ich ihn nur dazu bringen kann, es nicht schon wieder zu tun. Warum muss er mich immer verlassen? "Eigentlich ist es eher umgekehrt, Sasuke." Es ist grauenhaft heiß hier drin, ich kann kaum atmen. Wann ist es eigentlich so düster hier drin geworden? Das Licht war doch an, oder? "Erinnerst du dich an das Versprechen, das du mir gegeben hast, als ich dir geholfen habe, Naruto zu retten?" "Natürlich erinnere ich mich." Keine Ahnung, warum er jetzt davon anfängt. Was könnte er noch von mir fordern, was ich ihm nicht freiwillig geben würde? Noch verstehe ich nicht, wie das alles zusammenhängt. "Was willst du für seine Rettung?" "Hasse mich nicht." Sein Tonfall jagt mir einen Schauer über den Rücken. Ich schiebe mich ein Stück weg. "Itachi, wovon redest-" Er nimmt mein Gesicht in seine Hände und sieht mir tief in die Augen. "Zeit aufzuwachen, Sasuke." Wa-? Das beruhigende Rauschen von Wasser dringt wie aus weiter Ferne an mein Ohr. Ich sehe etwas, bevor mein Hirn überhaupt in der Lage ist, die Bilder zu verarbeiten. Blau. Itachi taucht in meinem Blickfeld auf, aber ich starre an ihm vorbei. Hinter ihm ist der Himmel blau, mit weißen, watteweichen Wolken. Die Luft riecht nach Gras und Sommer und Blut. Ich liege in seinen Armen. Teile seines Akatsuki Mantels sind zerfetzt und blutig. Er zieht seinen Arm etwas hoch, sodass mein Kopf in Position rollt und ich ihm ins Gesicht sehen kann. Ich kann nicht darin lesen, für mich ist es völlig ausdruckslos. Seine mitternachtschwarzen Augen sind kalt und tot. Blind. Blut läuft vom linken Auge über seine Wange und hinterlässt eine rote Spur. Mein Herz hämmert wie wild in meiner Brust. Ich fühle mich so erschöpft wie nie zuvor in meinem Leben. Das ist eine Müdigkeit, die über alles hinausgeht, was ich je gekannt habe. Fetzen von Erinnerungen spuken in meinem Kopf herum. Ein Kampf am See. Ein zerrissener, blutiger Akatsuki Mantel. Eine Klinge auf blasser Haut. Eine Klinge tief in meinem Fleisch. Blut, das aus einer Schnittwunde quillt. Und ein Gefühl von Triumph, ausgelöst durch meinen kleinen Sieg über Itachi. Ich weiß, wo ich bin, noch bevor ich den Kopf nach links drehe. Mein linker Arm liegt im kristallklaren Wasser des Sees, und fühlt sich eiskalt und kribbelig an. Blut sammelt sich auf dem Handgelenk an, bis es wieder weggespült wird. Bis hierhin zurück also. Hier hat er mir in die Augen gesehen und von dem Moment an war ich gefangen in seiner Illusion, in Tsukiyomi. Alles, was gut und schön an meiner, unserer Geschichte war, war eine Lüge. Jetzt, endlich, ergibt alles einen Sinn. Ich sehe ihn wieder an. Selbst mein Gesicht fühlt sich irgendwie taub an, ich versuche meine Lippen dazu zu bringen, sich zu bewegen. Du musst wirklich noch üben. Das war fürchterlich. Viel zu viele Zufälle. Ich glaube nicht, dass er es gehört hat. Und jetzt kann er meine Gedanken nicht mehr lesen. Jedenfalls nicht mehr so gut. "Du hast nicht eine Sekunde lang gezweifelt." Da hat er Recht. Ich habe mich mit aller Kraft an eine Lüge geklammert, an etwas, das nie real war. Warum auch nicht? Die Realität hält nichts mehr für mich bereit als Schmerz und Tod. Es ist komisch, dass mir so leicht ums Herz ist, obwohl die Wahrheit so grausam ist. Er hat mich mit einer Lüge leben lassen, weil er mich nicht retten konnte. Er hat mit mir gespielt, weil er es nicht ertragen konnte, dass ich mit meinem Tod einen Sieg über ihn erringe. Er hat mich dazu gebracht, ihn mehr zu lieben als mein eigenes Leben. Es fällt so schwer, zu atmen. Meine Kehle fühlt sich trocken an. Ich sehe, dass meine Brust sich total hektisch auf und ab bewegt. "Warum, Itachi?", frage ich. Meine eigene Stimme kann ich kaum hören, weil das Blut so in meinen Ohren rauscht. Wenn es so enden musste, warum hast du mich dann immer wieder weggeschickt? Er sieht mich an. Aus toten Augen, die mich gar nicht mehr wirklich sehen können. Sein Gesicht ist wie versteinert, eine kalte, gleichgültige Maske. "Ich war wütend auf dich", antwortet er schlicht. Ich verstehe. Er wollte mich bestrafen, dafür, dass ich ihn ohne seine Erlaubnis verlasse. Jetzt, endlich, ergibt alles Sinn. Ich wusste es nicht. Trotz allem wusste ich nicht, wie grausam er sein kann. Er hat meine Zeit weiterlaufen lassen, so real wie nur möglich, und das nur, um mich zu quälen. Ein hin und her, ein auf und ab der Gefühle, bis es mich fast in den Wahnsinn getrieben hätte. Und in dem Moment, als ich in seinem Haus stand, als ich noch benommen war von dem Schreck, von dem Glauben, er hätte mich wieder alleine gelassen, war ich so verwundbar, dass ein einziges Wort von ihm mich hätte zerstören können. Aber was er in dem Moment sagen wollte, worauf er so lange hingearbeitet hatte, war nicht "verschwinde" oder "ich hasse dich". Es war "Zeit aufzuwachen, Sasuke". Ich wäre hier, an diesem Ort, zu mir gekommen und hätte begriffen, dass alles sinnlos gewesen ist. Dass er alles inszeniert hat, um mich leiden zu lassen. Dass er mich dazu gebracht hat, ihn zu lieben, nur um sich an mir zu rächen. Es wäre sein endgültiger, absoluter Triumph über mich gewesen. Aber er hat es nicht gesagt. Stattdessen hat er gesagt, dass er mich liebt. Und es macht mich glücklich. Ich weiß, er wollte mich zerstören. Aber es ist mir gleich. Am Ende leidet er genauso wie ich. Und wenn alles, was er mich hat durchmachen lassen, für ihn sinnlos erscheint, hat es umso mehr Sinn für mich. Für mich war es echt. Ein echtes, wirkliches Leben und am Ende hat alles, was wir in dieser Zeit scheinbar ohne Sinn getan haben, dazu beigetragen, uns beide zu verändern. Es war schön, solange es andauerte. Schön, bei ihm zu sein und ihn, wenn auch nur kurz, nur für mich zu haben. Ich versuche, zu lächeln und kann nicht genau sagen, ob es mir gelingt. Nein, ich hasse ihn nicht. Ich liebe ihn immer noch. Nur einen Moment lang huscht ein Ausdruck der Bestürzung über sein Gesicht und verschwindet dann wieder hinter einer kalten, teilnahmslosen Fassade. Entschuldige, Itachi. Jetzt bin ich derjenige, der geht, der ihn hier alleine lässt. Ich hätte mit allem gerechnet, aber nicht damit. Es tut mir so leid. Er zieht mich ganz fest in seine Arme, umarmt mich und der Schmerz in seiner Stimme ist echt, als er meinen Namen sagt. Ich drücke meine Wange an sein Haar und starre in den blauen Himmel. Es ist so furchtbar schade, dass es schon vorbei ist. ~ ENDE ~ *** Das war's! Wieviele von euch hassen mich jetzt? Ich habe lange überlegt, wo ich den Schnitt machen soll. Ursprünglich wollte ich, dass Itachi mittendrin die Kraft verlässt und Sasuke in seiner Zelle in Konoha sitzt, als es passiert. Aber dann habe ich das doch verworfen. Ich wollte zeigen, wie es hätte ausgehen können, wenn es wirklich so gekommen wäre. Wie das Happy End hätte sein können, wenn Sasuke nicht von Anfang an zum Tode verurteilt gewesen wäre. Diese Story ist mir wirklich wichtig und ich bin unendlich froh, dass ich sie doch noch zu einem für mich zufrieden stellenden Ende bringen konnte. Ich mag sie, weil sie viel von mir wiederspiegelt, weil sie irgendwie ungewöhnlich ist und weil ich damit einige neue Dinge ausprobiert habe. Es macht Spaß, in der Ich-Form zu schreiben, das hätte ich nie gedacht. Ich danke allen meinen Reviewern, ihr habt mich auf neue, spannende Ideen gebracht, ihr habt mir gezeigt, wo die Stärken und Schwächen der Story liegen und mich immer motiviert, mich aufzuraffen und trotz Krea-Tiefs weiterzuschreiben. Ich danke Marlkasha für viele neue Ideen, Eki-chan für eine wichtige Erkenntnis und ich danke Sama, die die Erste war, trotz allem, die die Anfänge dieser Story zu Gesicht bekommen hat. Übrigens werd ich die Story demnächst noch ein wenig überarbeiten und eventuell den letzten Teil dieses Kapitels als Epilog rausnehmen, also wundert euch nicht. Werd einfach nochmal drübersehen und ein paar Dinge, die mich noch stören, ändern. Aber wirklich was Neues oder Anderes wird nicht dazukommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)