Was wir vergassen von Ulli ================================================================================ Kapitel 1: Sheherazades Buchhandlung ------------------------------------ Nervös lief ich die Regale entlang, griff wahllos nach Büchern und blätterte in ihnen herum. Immer wieder huschte mein Blick nervös hin zur Kasse, wo eine ältere Dame mich schon misstrauisch beobachtete. Offenbar machte ich den Eindruck eines Diebes der gerade sein ersten Raubzug plante und sich nicht traute. Eigentlich hatte ich gar nicht vor herzukommen. Fast zwei Wochen waren seit dem Gespräch mit Saskia vergangen. Als sie angerufen hatte um den Stand der Dinge zu erfragen, sagte ich ihr ich hätte keine Zeit dazu gefunden, herzukommen. Mittlerweile war es nicht einmal mehr nur meine Abneigung gegen One night stands. Ich fand es billig zu einer Stadtbekannten Lesbenschlampe zu gehen. Das war reine Selbsterniedrigung. Als wäre ich nicht in der Lage mir selbst etwas zu suchen. Nur, wenn man es genau nahm, dann war ich das tatsächlich nicht. Zum scheitern verurteilte Beziehungen vielleicht. Aber nichts Bindungsloses. Ich zwang mich, mich zusammenzureissen und den blick fest auf das Buch in meiner Hand zu richten. Wo sie wohl steckte? Die Alte Frau hinter der Kasse war ja sicherlich nicht Cynara. Ebensowenig wie die andere Mitarbeiterin die Bücher ins Regal sortierte. Cynara. Ich mochte den Namen immer noch nicht. Ob sie wohl Ausländerin war? Ich hatte nichts gegen Ausländer, nur ihre Nachnamen klangen manchmal so hochgestochen. Hinter mir hörte ich wie jemand mit eiligen Schritten aus dem Keller emporstieg. „So, ich bin wieder da, Birgit, du kannst jetzt deine Pause machen“ Ob sie das war? Eine Sekunde zögerte ich , doch dann drehte ich mich ruckartig um. Etwas zu schnell wie ich nachher feststellte, doch meine Neugier war zu gross, als das ich auf meinen schwachen Kreislauf hätte Rücksicht nehmen können, was mich sovort dazu brachte einen schritt zurück zu taumeln, bis ich mit den Fersen gegen das Bücherregal schlug und ich darauf fiel. Sie drehte sich zu mir um und betrachtete mich Stirnrunzelnd. „Haben Sie sich verletzt?“ Ich konnte nur noch wie traumatisiert den Kopf schütteln. Das musste sie sein. Cynara. Doch so ausländisch wie ihr Name klang, sah sie nicht aus. Nicht einmal im Entferntesten. Doch was mich beschäftigte war weniger ihre Herkunft. Ich hatte ein unglaubliches deja vu Erlebnis, und ich wurde das Gefühl nicht los, die Frau von irgendwoher zu kennen. Ich steigerte mich richtig in diesen Gedanken hinein, und als ich ihr hinterher sah, glaubte ich sogar ihren Gang bis ins kleinste Detail auswendig zu kennen. Diese Tatsache verwirrte mich. Für einen Moment vergass ich meine Nervosität und starrte angestrengt auf das Buch in meiner Hand, ohne es jedoch bewusst zu sehen. Ich konnte nicht einmal sagen was ich dachte, wenn ich überhaupt dachte. Es kam mir vor wie einer dieser Momente, wo man an tausend Dinge gleichzeitig dachte, doch nicht ein einzigstes davon nennen konnte, oder später zu sagen vermochte, in welche Richtung die Gedanken abgerutscht waren. „Entschuldigen Sie, würden sie mich bitte zu diesem Regal lassen?“ Erst die forsche Stimme eines älteren Mannes mit angegrauten Haaren riss mich wieder aus dem Strudel der nirgendwohin führte und hektisch erhob ich mich von dem Regalvorsprung, auf dem ich immer noch sass als wäre es eine Parkbank. „Tschuldigung“, nuschelte ich dem Boden zu und wandte mich eilig ab. Mein Blick wanderte wieder zu Der jungen Frau hin, die sich mit ihrer Kolegin die die Bücher einsortierte, vermutlich Birgit, unterhielt. Ich hatte auf den ersten Blick hin begriffen wieso sie so einen Erfolg bei all den Frauen hatte. Ihre Proportionen waren einfach Perfekt. Nicht perfekt wie in diversen Pornos die bei unbefriedigten Ehemännern unter den Bettlatten versteckt waren. Ihr Po war weder zu gross, noch zu klein. Sie war dünn, aber nicht Mager und ihre Brüste hatten bestimmt keinen 90 cm Umfang, so das man Angst haben müsste erschlagen zu werden, sondern waren ebenso Perfekt. Die Haut war, soweit ich von meiner Position aus erkennen konnte, eben und weich. Es war eine Haut, die man sofort berühren und streicheln wollte und bei der man sicher war das sie sich nach Seide anfühlen würde. Sie war leicht gebräunt, aber nicht verbrannt und ihre kohlrabenschwarzen Haare weder Lang noch Streichholzkurz. Eher schienen die Haare Halblang, so das ihr Strähnen elegant in die Augen fielen, ohne, dass sie im Bett stören würden. Sie trug, wie ein perfekter Gegensatz zu ihrem körperlichen Erscheinungsbild, einfache, abgetragene Jeans und ein altes Top. Es war ein Anblick der einem die Sprache verschlug. Doch das, was sie am anziehendsten machte, war ihr Selbstbewusstsein, das in jeder ihrer Bewegungen zum Ausdruck gebracht wurde. Am liebsten hätte ich mich in ein Mauseloch verkrochen. Diese Frau sollte ich ansprechen? Eine Frau die vermutlich auch den Papst hätte um den kleinen Finger wickeln können, hätte sie Interesse an ihm gehabt. Ich kam mir winzig vor. Plötzlich war ich klein und Fett, die drei Pickel an meiner Schläfe hatten sich in einer atemraubenden Geschwindigkeit vermehrt, sich über das ganze Gesicht verteilt und Meine eigenen brauen Haare trieften vor Fett, während ihre Spitzen sich vor Trockenheit spalteten. Ich schüttelte den Kopf und vertrieb somit meine Gedanken, bevor meine innere Selbstvernichtung grössere Ausmasse erreichen konnte. In diesem Augenblick wurde mir klar, dass ich Saskia niemals sagen könnte, die Frau würde mir nicht gefallen und ihr dabei in die Augen sehen. Sie gefiel mir. Sie hätte jedem gefallen. Doch wie sollte ich sie denn bitte ansprechen? Als diese Frage sich in meinem Kopf breit machte, hätte ich mich am liebsten geohrfeigt. Was war ich denn? Ein Teeny der dem Schulschwarm nachjagte? Diese Zeiten hatte ich doch lange hinter mir gelassen. Ich beschloss, von nun an Vernünftig vorzugehen. So schwer würde es nicht sein, denn sie war es schliesslich gewohnt das Frauen zu ihr kamen. In meinem Kopf begann ein kleines Menschlein zu raunen, dass ich mir gar nicht sicher sein konnte ob die Frau tatsächlich die besagte Cynara war, doch ich schenkte ihm kein Gehör. Wenn ich nur dieses Gefühl loswerden würde das ich sie kannte. Es würde mir um einiges leichter fallen. In meinem Kopf ging ich sämtliche entfernt Bekannten Personen durch die mir einfielen, doch ihr Gesicht tauchte nicht auf. Ich lies ihre Reaktion auf mich wie ein Film vor meinen Augen durchlaufen, doch alles was mir dabei auffiel, war, das ich mich wirklich peinlich benommen hatte. Vermutlich hielt sie mich also für den letzten Schwachkopf, würde nicht einmal im Traum daran denken mit mir ns Bett zu gehen und ich könnte mir das ganze sparen und wieder gehen. Seufzend betrachtete ich, wie sie Bücher einsortierte. Birgit war inzwischen verschwunden, vermutlich dorthin, wo Cynara hergekommen war. Ich hatte gar nicht mitbekommen wie sie an mir vorbeiging, doch vermutlich hatte ich in der letzten halben Stunde ohnehin nicht all zu viel mitbekommen. So langsam, entschied ich, müsste ich sie endlich einmal ansprechen. Was war schon dabei? Ich fühlte wie die Nervosität erneut in mir aufstieg und beinahe glaubte ich das sie meinen Körper ein klein wenig taub machte. Gerade wollte ich tief Luft hohlen und auf sie zutreten, da erhob die alte Frau das Wort. „Cynara, ich geh schnell Herbert anrufen, hast du bitte ein Auge auf die Kasse?“ Die junge Frau hob den Kopf und nach einer kurzen Pause, bei der ich nicht wusste womit sie sie füllte, nickte sie. „Sicher“ Die alte Frau ging an mir vorbei, wie ihre Kolegen es vor ihr schon getan hatten. Offenbar war unten im Privat Bereich das Büro der Buchhandlung. Immerhin wusste ich nun sicher das sie die Person war die ich suchte. Und bis auf ein paar einzelner Kunden in den verschiedenen Ecken des Ladens war ich mit ihr allein. Am Rande meiner Wahrnehmung hatte ich den Eindruck in einen schlechten Hollywood Film geraten zu sein, so glatt war die Situation verlaufen. Doch meckern wollte ich bestimmt nicht, wenn das Schicksal es einmal gut mit mir meinte. Herbert sei Dank. Ich legte den Griff fester um das Buch in meiner Hand und trat auf die Kasse zu. Doch während meiner Grübeleien war ein Kunde zu der jungen Frau getreten, die nun in einem Regal hinter sich nach einem der Bücher suchte. Offenbar waren dort die bestellten Exemplare untergebracht. Mit einem Mal kam ich mir lächerlich vor. Ich hatte überhaupt nichts übrig für Bücher und stand hier nun mit einem in der Hand, zwischen Leuten die sogar bestimmte dieser Dinge haben wollten und diese extra bestellen liessen. Ich hatte einmal in meinem Leben ein Buch bestellt. ‚Bei Sara‘, die Schullektüre der fünften Klasse. Ich hatte drei Seiten gelesen und mich dann durchgemogelt. Falls es noch existierte lag es in einer der Kisten auf dem Speicher meiner Mutter. Vielleicht hatte ich es auch verschenkt. Doch der Kunde hatte nun sein Buch. Zurück konnte ich nicht mehr, also wartete ich geduldig bis ich an der Reihe war. Die Frau nahm mir das Buch aus der Hand, lächelte mir zu und tippte die Zahlen in die Kasse ein. „5.50 €, hätten Sie es gerne als Geschenk verpackt?“ Ein wenig geplättet lege ich das Geld auf den Tresen und schüttel den Kopf. Ich nahm mir in diesem Augenblick fest vor nichts weiter zu sagen doch ohne dass ich es hätte beeinflussen können, sprudelten plötzlich die Worte schon aus mir heraus. „Sind Sie Cynara? Eine Freundin von mir hatte gemeint ich sollte zu ihnen gehen“ Die Frau sah eine Sekunde lang überfahren aus, doch dann verbreitete sich Verständnis auf ihrem Gesicht. Aus der Nähe nun Konnte ich ihre Augen erkennen. Es war eine Mischung aus Grün und Grau. Es sah interessant aus. Es waren Augen mit denen man sich hätte Stundenlang beschäftigen können, welche der beiden Farben überwiegend war. Und wieder kam mich dieses unbestimmte Gefühl, ihr schon einmal begegnet zu sein. „Oh… nun, ja, von mir aus gerne. Aber momentan muss ich arbeiten“ Sah ich so aus als wollte ich hier und jetzt auf der Stelle mit ihr Sex haben? Nervös sah ich an mir herunter, obwohl ich wusste das es dort nichts zu entdecken gab ausser meiner braunen Leinenhose und meinem zu grossen T-Shirt. Nicht einmal einen Fleck konnte ich finden. Auch wenn dies keinerlei Auskunft über meine Lüsternheit geben könnte. „Also, ähm… wie wäre es mit Samstagnachmittag? Hast du da Zeit? Warte, ich geb dir meine Adresse“ Ihre Stimme klang ein wenig kühl, doch war diese auch schon vorher in ihr gewesen, so das ich erahnen konnte das sie sich immer so anhörte. Sie griff nach einem Zettel, doch ich hielt sie auf. So ging mir das ganze dann doch etwas zu schnell. „Können wir uns nicht lieber erst einmal in der Stadt treffen? Ich lad dich ein zu einem Kaffe, oder einem Eis wenn du einverstanden bist“ Einen Moment lang sah sie überrascht aus, doch dann lächelte sie. „Von mir aus gerne… Wann und Wo? Ich hab ab 12 Uhr Frei“ Ohne mich wirklich unter Kontrolle zu haben nannte ich den Namen des Cafes mit dem ich mich mit Saskia getroffen hatte und eine Uhrzeit. Keine zwanzig Sekunden später stand ich auch schon auf der Strasse, Die kleine Plastiktüte mit meinem Buch darin baumelte in meiner Hand. Ich öffnete sie und Betrachtete das Taschenbuch. Ein Kleiner Zwerg, eher schon ein Gnom war darauf Abgebildet. ‚Kleiner König Kalle Wirsch‘ Die war der Moment, in dem ich beschloss, nie wieder ein Buch zu kaufen ohne es mir vorher anzusehen. In dieser Nacht schlief ich für meine Verhältnisse sehr schlecht. Als ich schliesslich in der Dunkelheit hochschreckte, war mein Bett zerwühlt und einige Kissen lagen auf dem Boden. Ich schwitzte nicht wirklich, dennoch liefen mir heisse und kalte Schauer über den Rücken und ich brachte nur ein einziges Wort über meine ausgetrockneten Lippen „Mieke!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)