Gefangen in der Dunkelheit von Erdnuss91 (ohne Fluchtweg in einer fremden Welt) ================================================================================ Kapitel 5: Fragen die unbeantwortet bleiben ------------------------------------------- Ich werde unsanft aus meiner Welt gerissen, denn jemand piekst mich ständig in die Seite. Genervt schlage ich die Augen auf und blicke in Aois Gesicht. „Du sollst doch nicht in der Badewanne schlafen, sogar hier kennt man Futons und Betten“, lacht er, „und das Wasser hättest du auch nicht extra rot färben müssen. Sicherlich hätte ich dafür auch noch einen Badezusatz finden können. Aber es ehrt mich, danke!“ Etwas beleidigt schaue ich runter auf das Wasser. Es ist leicht blutig so wie es ausschaut. Missmutig schaue ich auf meine Arme und entdecke die offenen Wunden, ein Seufzer entweicht mir. Etwas unsicher steige ich aus der Wanne und zische ihm noch ein „kein Wort zu niemanden“ entgegen. Mit einem verschmitzten Lächeln steht er auf und holt sich ein Handtuch um mir damit den Rücken ab zutupfen. Etwas widerwillig lasse ich es zu, denn ich weiß genau Proteste würden nichts bringen. Danach schmiert er irgendeine kühlende Salbe auf den Rücken, sowie auf meinen Arm und bedenkt beides wieder mit Kompressen und Verbänden. Ich verbeuge mich kurz und wünsche ihm eine gute Nacht bevor ich wieder zurück zu dem Futon gehe und mich hineinlege. Ich höre sie leise reden, es beruhigt mich ein wenig. Ich weiß wenn ich aufwache bin ich nicht alleine, es ist jemand für mich da. Immer wieder erinnere ich mich an Szenen aus der Vergangenheit, an glückliche Stunden. Zu Zeiten wo ich noch mehr Freiraum hatte, wo eigentlich alles in Ordnung war, solange ich hörig war. Damals hatte ich Zeit für Freunde, doch später blieb mir so etwas verwehrt. Wir trafen uns noch heimlich, aber dieses war nie genug. Irgendwann endete die Freundschaft. Wir lebten uns auseinander mit den Jahren. Schließlich stand auch er auf der anderen Seite, auf der Seite die mir soviel Leid zugefügt hat. „Ruki!“, wer ruft nach mir? „Wach auf, du hast einen Alptraum!“, ein Alptraum? Mein Leben ist ein einziger Alptraum und ich muss jedes Mal feststellen, es gibt kein Erwachen. Egal wie oft ich es mir wünsche, ich wache nie auf. Wie ein Blitz schlägt es in meinen Körper ein und hinterlässt eine unsagbare Art von Schmerzen. Um vor der Dunkelheit zu entfliehen öffne ich meine Augen, sehe direkt in seine, Reitas. Ich setze mich auf und presse meine Hand auf meinen Brustkorb, spüre wie mein Herz sich wegen den schnellen Schlägen fast überschlägt. Keuchend und schweißgebadet schaue ich mich im Zimmer um, erblicke eine Uhr und stelle enttäuscht fest, dass ich erst in ein paar Stunden zur Schule muss. Am liebsten würde ich ja gar nicht, aber ich will es hinter mich bringen, endlich. „...ki? Ruki?“, versucht mich Reita anzusprechen. Wie eine nervige Fliege scheuche ich seine Hand von mir weg. Ich möchte keine körperliche Nähe, nicht jetzt. Ich habe mir schon genug Schwäche in den letzten Stunden erlaubt, ich muss stark sein. „Schlaf noch etwas oder willst du noch etwas mit uns im Wohnzimmer rum sitzen?“, fragt er mich zögerlich. Ich nicke leicht und stehe auf, folge ihm. „...abletten nehmen?“, bekomme ich gerade noch so mit. „Iie“, flüstere ich als Antwort vor mir her. Wenn ich nicht aufpasse und das vor mir her träumen beende, passiert noch irgendetwas. Ich setze mich neben Reita auf ein Sitzkissen und höre danach den beiden beim Reden zu. Eher versuche ich es, denn immer wieder werde ich vom Sog meiner Gedanken mitgezogen. Sie reden über die Lehrer und einige Mitschüler, ich versuche so viele Sachen zu merken wie es nur geht. Es würde sicherlich hilfreich sein, irgendwann einmal. Plötzlich schlägt Aoi mit der flachen Hand auf Reitas Oberschenkel, ich schrecke etwas zurück. „Wenn wir noch fertig werden wollen müssen wir uns beeilen, wir wollen ja noch zu Uruha! Und der brauch immer ewig“, schreit er wie von Sinnen. Bevor ich es realisieren konnte waren die beiden schon aufgesprungen und wuselten wild umher. Augen rollend gehe ich zurück ins Zimmer und ziehe mich schnell um und lege den viel zu großen Schlafanzug zusammen gefaltet auf den Futon. Gemächlich begebe ich mich auf den Weg zur Tür und warte auf die anderen beiden. Anscheinend gehen wir nur zu Uruha um Reitas und meine Schulsachen zu holen. Da fällt mir noch ein, ich muss noch die Hausaufgaben machen! Wenigstens haben wir heute eine Freistunde, aber da ist bestimmt das Gespräch mit der Polizei. Und direkt anfangs schon die Hausaufgaben zu vergessen wirft ein schlechtes Licht auf mich. Ich werde sie gleich machen in der Schule, wenn nötig auch während dem Unterricht. Es war ja nicht viel und außerdem müsste sie mir leicht fallen, also brauch ich im Grunde keine Angst zu haben. Die Stunden schlichen nur vor sich her und ich war sichtlich erleichtert als mich die Klassenlehrerin aus dem Halbschlaf riss. Ich konnte sie mit wenigen Worten überzeugen, dass Reita unbedingt dabei sein muss. Das Gespräch mit der Polizei verlief bisher ziemlich ruhig, da ich die meiste Zeit sowieso nicht zu hörte und die Lehrerin meistens das Sprechen für mich übernahm. Die Worte die sie sprechen kommen ins eine Ohr rein, ins andere raus. Ich will es nicht hören auch wenn sie es nur gut meinen. Ich bin die ganzen Jahre alleine damit fertig geworden, warum soll ich dann andere Wege einschlagen? Ihnen damit auch noch zeigen, dass ich alleine nicht weiter komme? Dass ich schwach bin und ohne andere ein nichts? Ich würde ihnen damit nur Genugtuung geben, mehr nicht. „Und wegen den Verletzungen an deinem Rücken, es wäre das Beste wenn du dafür noch eine zusätzliche Anzeige machst“, schlägt der Polizist vor. Versteht es der Polizist nicht? Nur weil ich ihnen die verdammten drei Namen genannt habe, heißt es nicht dass ich jetzt ihnen noch einmal alles erzähle. „Das ist nicht nötig“, erwidere ich erbost. „Ein paar sind ja schon älter. Wer hat sie ihnen denn genau zugefügt?“, stochert er weiter in den alten Wunden herum. „Niemand“, erwidere ich verächtlich. „Von nichts, kommt nichts. Vielleicht ist es ein uns bekannter Täter“, warum kann er mich nicht einfach in Ruhe lassen? „Garantiert nicht“, und da bin ich mir auch noch sicher, was für ein Zufall. „Das können sie nicht wissen. Und es wäre ratsam ihn nicht zu decken, wer weiß ob er anderen das gleiche antut wie ihnen“, ist es mein Problem, wenn andere genauso schwach bin wie ich selbst? „Mir egal“, erwidere ich ehrlich. „Ist es einer aus ihrer Familie?“, warum sind es immer die Angehörigen Schuld? „Das geht sie überhaupt nichts an!“, schreie ich und springe von meinem Stuhl. Für einen kurzen Moment hatte ich die Verletzungen vergessen, bis sie mich durch ein schmerzhaftes Stechen zu Boden reißen. Ich beginne zu husten und augenblicklich wird mir schwindlig. Ich schaue zur Seite, will das Blut nicht sehen welches vor mir auf dem Boden ist. Eine leise Stimme dringt an mein Ohr. „Ruki geht es wieder?“, fragt Reita ängstlich. Ich nicke leicht und stehe auf, verlasse den Raum. Ich muss hier raus, die Enge bedrückt mich. Sie drängt mich in eine Ecke im Labyrinth, nimmt mir die nötige Luft zum Atmen. Ich möchte nicht mit der Vergangenheit konfrontiert werden, ich will nicht noch einmal alles durchleben, nicht noch einmal alles in Gedanken durchspielen. Die Erinnerungen sind schon schlimm genug, Worte würden sie eh nicht löschen. Es fühlt sich schrecklich an, alles scheint zu schwanken. Zitternd begebe ich mich auf den Weg zu den Toiletten. Nach einer Weile spüre ich wie mich jemand beginnt zu stützen, es stört mich nicht. Er öffnet mir die Türen, ganz so als wolle er mir auf dem langen Weg beistehen, als wolle er mir sagen, ich bin nicht alleine. Ich stürze mich förmlich auf das Waschbecken und spüle mir den Mund aus, immer wieder trübt rote Flüssigkeit die klare. Ich werde panisch, verstehe nicht wieso es nicht aufhört zu fließen, warum es immer wieder alles beschmutzt. Reita packt nach dem Wasserhahn und dreht ihn zu, schüttelt lediglich den Kopf. Mit angsterfüllten Augen schaue ich ihn an. Kommentarlos packt er meine Hand und zieht mich mit sich. Stumm gehen wir die vielen Gänge zurück. Er klopft an und öffnet die Tür. „Sensei ist es in Ordnung wenn wir schon gehen?“, fragt er nach. „Hai. Geht es ihm wieder besser?“, seit wann kann ich nicht mehr für mich selbst antworten? „Ein bisschen so wie es aussieht“, aber auch nur ein ganz kleines bisschen. Ich reiße etwas meine Hand zurück, sodass er loslässt. Wahrscheinlich hat er Angst davor mir weh zu tun. Dabei wäre es mir egal, vielleicht würde dieses etwas von den anderen Schmerzen ablenken. Ich schnappe mir meine Schultasche und winke den beiden noch einmal lächelnd zu bevor ich den Raum verlasse. Wie töricht, ich lächle obwohl es mir alles andere als gut geht. Ich fühle mich so als würde ich jeden Moment einen Sprung Richtung des Lichtes machen. Die Verletzungen sind schrecklich die sie mir zugefügt haben, zu schrecklich. Nur gegen die meines Großvaters kommen sie nicht an, denn diese sind tiefer, viel tiefer. Er hat mir meine Kindheit gestohlen, ohne überhaupt Gewissensbisse zu bekommen. Meine Füße tragen mich wie von alleine nach draußen. Hilflos stehe ich herum und werde von meinen Erinnerungen begraben. Alles dreht sich um mich herum, droht auf mich herab zustürzen. Meine Beine fühlen sich tot und schwer an, mühsam schleppe ich mich zum rettenden Halt. Ich gehe wenige Schritte, lasse mich erschöpft an der Mauer hin abgleiten. Mein Atem rast, immer wieder bekomme ich kaum noch Luft. Hörbar schnappe ich nach ihr, versuche meine zitternden Nerven zu beruhigen. Versuche zu vergessen was geschehen ist. Die Angst zu verdrängen. Sie wissen nicht wo ich zur Schule gehe, sie können mich nicht finden. Sie werden sich die Mühe nicht machen, sicherlich nicht. Ich brauche keine Angst zu haben, hier werde ich schon vor ihnen beschützt. Und wenn nicht ist es eben so, dann sterbe ich. Ob ich es in Jahrzehnten tue oder jetzt spielt im Prinzip keine Rolle. Eine Hand wird auf meine Schulter platziert, erschrocken krabbele ich ein paar Meter zur Seite. „Beruhige dich Matsumoto-san. Kommst du bitte wieder mit rein?“, bittet mich die Lehrerin. Ich nicke leicht und komme wackelig wieder auf die Beine. „Am besten du legst dich im Krankenzimmer etwas hin, hm?“, schlägt sie mir vor. Ich zucke nur mit den Schultern und folge ihr. Sie hält mir schließlich die Tür auf und ich verbeuge mich kurz und betrete den Raum. Ich weiß immer noch nicht wo das Krankenzimmer sich genau befindet, obwohl ich schon oft genug hier war. „Ruhe dich etwas aus und versuch wieder etwas runter zu kommen. Ich komm gleich noch einmal nach dir gucken. Nimm am besten erst einmal deine Tabletten, dann wird das schon wieder“, zuversichtlich lächelt sie mich an. Ich nicke und verbeuge mich noch einmal. Ich drehe mich um und gehe langsam zum Fenster. Ich höre wie die Tür geschlossen wird. Ich gehe zwischen das Bett und das Fenster und lasse mich auf den Boden hinab sinken. Ich kauere mich zusammen und verstecke meinen Kopf hinter meinen Armen. Stumm fließen sie wieder, meine Tränen. Ich will die Tabletten nicht nehmen, ich möchte nicht abhängig von ihnen sein. Sie sollen nicht mein Leben bestimmen. Sie sollen nicht den Herrn über Leben und Tod verkörpern. Ich möchte nicht so tief sinken, ich bin stark, ich schaffe das. Ich lasse mir nicht von irgendwelchen daher gelaufenen Menschen mein Leben ruinieren. Ich will aus meinen Fehlern lernen, ich will sie nicht wieder begehen. Ich möchte aus dem Kreislauf entfliehen, endlich wieder frei sein. All die Jahren in den Ketten, mein Körper sehnt sich danach eigene Entscheidungen treffen zu dürfen. Er sehnt sich nicht immer unterordnen zu müssen, sich nicht mehr beugen zu müssen. „..moto-san!“, ruft mich die Lehrerin. Ich drehe erschrocken meinen Kopf in Richtung der Stimme, sehe doch den Verursacher nicht. Auch als ich ihn hebe kann ich sie nicht ausfindig machen. Darauf hoffend, dass ich auch wirklich hier alleine bin und mir die Stimmen nur eingebildet habe, lege ich meinen Kopf auf die Arme. Stumm starre ich die Bettdecke vor mir an. „Matsumoto-san? Was ist los?“, fragt jemand besorgt. Ich drehe meinen Kopf noch einmal und entdecke tatsächlich meine Klassenlehrerin. „Hast du deine Tabletten genommen?“, ich schüttle leicht den Kopf,„So wird es nie besser. Nimm sie, dann geht es dir auch besser. Dein Freund hat sie dir extra heute Morgen noch vorne in den Rucksack gepackt.“ Ich nicke leicht und murmle ein leises „Arigato gozaimasu“ vor mir her. Etwas zögerlich nehme ich von beiden Packungen eine Tablette und spüle sie mit dem Wasser runter. Ich packe alles wieder weg und wische mir mit dem Hemdärmel ein paar Mal über das Gesicht. „Willst du wieder in die Klasse?“, ich nicke leicht,„Tut es sehr weh beim Reden?“, fragt sie besorgt. „Ein bisschen“, erwidere ich lediglich. Ich stehe auf und folge ihr aus dem Raum. Schweigend gehen wir die scheinbar endlosen Flure entlang. Es ist alles so weitläufig und riesig, dass war die alte Schule nicht. Kommt wohl daher, weil ich jetzt auf einer staatlichen bin und man hier leichter hinkommt. Zwar sind die meisten Aufnahmeprüfungen hart, aber man muss im Grunde kein Geld zahlen. Außerdem hab ich hier zwei Tage die Woche frei, was an meiner anderen nicht so war. Es ist schon komisch, alles. Besonders da jetzt schon Herbst ist und somit schon eine Menge des Schuljahres herum ist. Ich hoffe ich falle mit meinen Noten jetzt nicht zu sehr ab. Immerhin will ich wenigstens etwas haben, was mir beweist gut zu sein. Etwas was mir beweist kein notorischer Verlierer zu sein. Mein Magen beginnt zu rumoren und zu schmerzen. Ich kneife die Augen zusammen und versuche die Schmerzen durch drücken meiner Hand auf diese Stelle zu verringern, sinnlos. Stolpernd begebe ich mich zur Wand und gehe langsam zu Boden. Ganz am Rande nehme ich war wie die Lehrerin um mich herum wuselt. Sie versucht mich hoch zu heben, meine ich. Ich versuche ihr keine Schwierigkeiten zu machen, doch mein Körper lässt sich nicht davon beeindrucken. Immer wieder krampfe ich zusammen, wimmernde Laute entweichen meinen Lippen. Mit mehren Versuchen schaffe ich es wieder auf die Beine zukommen. Ich halte die Augen halbwegs geschlossen und lasse mich von den stützenden Armen führen und auf ein Bett legen. „Ich rufe einen Krankenwagen, hai? Bleib liegen, bitte“, meine ich heraus zuhören. Alles scheint sich zu drehen und immer wieder muss ich husten. Keuchend versuche ich mich halbwegs hinzusetzen und scheitere kläglich. Ein nasser Lappen wird mir auf die Stirn gelegt, ich versuche auszumachen wer da ist, aber ich erkenne nichts. „Matsumoto-san?“, spricht wieder dieselbe Person an. Ich drehe etwas den Kopf zu der tiefen Stimme und nicke leicht. „Versuch wach zu bleiben. Ist dir sehr schlecht?“, sie klingt ganz nach meinem Sportlehrer, die Stimme. „Iie… Was ist mit mir?“, frage ich unsicher nach. „Wissen wir nicht genau. Gleich kommt der Notarzt, er wird dir wahrscheinlich etwas zur Beruhigung und alles spritzen“, seine Stimme klingt so weit entfernt. Mein Magen krampft wieder, vor Schmerzen kralle ich meine Hände in die Decke. „Bleib ganz ruhig. Es wird alles wieder gut werden. Es dauert auch nicht mehr lange, dann hört es auf“, hoffentlich haben sie recht. Ich nicke leicht und drehe mich auf die Seite. Wildes Fußgetrappel ertönt und ich presse mir instinktiv die Hände auf die Ohren, haben früher diese Geräusche nie etwas Gutes bedeutet. Große Hände umschließen meine Handgelenke und ziehen meine Hände etwas von meinem Kopf weg. „Ruhig, dass ist nur der Notarzt und die Sanitäter“, versichert mir unser Sportlehrer. Die Tür wird aufgerissen und ich erkenne schemenhaft wie sich viele Personen nähern. Ich versuche die vielen Stimmen zu ignorieren, versuche sie alle nacheinander auszublenden. „Nicht erschrecken“, bekomme ich noch mit bevor mir eine Spritze in den Arm gejagt wird und jede Menge Chemikalien durch meinen Arm fließen. „Du wirst jetzt gleich einschlafen, keine Angst“, meint jemand zu mir. Ich lächle zögerlich und schließe meine Augen. Die beiden Sanitäter heben mich hoch und verfrachten mich vorsichtig auf die Trage. Es ist ein Gefühl als würde ich sehr tief fallen. Es gibt keinen Boden so wie es scheint. Die Stimmen kann ich kaum noch ausmachen, aber zwischendurch merke ich wie mir jemand die Hand drückt oder mir beruhigend über die Wange streicht. Einen kleinen Augenblick lässt es mich immer alles vergessen. Manche Worte klingend aufmunternd… Langsam öffne ich die Augen und zwinkere einige Male. Die Sicht ist schärfer wie beim letzten Mal und ich kann auch einige Leute ausmachen. Einige? Missmutig drehe ich mich auf die andere Seite und ziehe mir die Bettdecke über den Kopf. Ich höre wie sie leise raschelt und seufze genervt. „Ruki?“, genau die Stimme die ich nicht hören will momentan: Uruhas. Ich mag ihn noch, ja, aber ich will meine Ruhe. Die Bettdecke wird ganz von meinem Bett gezogen. „Du bist ja ganz verschwitzt. Geht es dir wieder besser?“, fragt Reita. Ich schaue ihm in die Augen und versuche auszumachen was sie mir sagen wollen. „Dir haben sie wohl die Stimmbänder abmontiert. Dabei habe ich ihnen extra gesagt sie sollen beim Magen auspumpen vorsichtig sein, immerhin redest sonst auch kaum was“, brummelt Reita leise. Ich schaue an mir herunter und kann lediglich feststellen, dass mir ein überaus großer Schlafanzug angedreht wurden ist. Außerdem befindet sich noch eine überaus gigantische Nadel in meinem Handrücken. Warum sieht alles an meinem Körper immer so riesig aus? Selbst die Spritze erscheinen bei mir viel größer, als bei anderen. „Die Infusion haben sie eben erst abgemacht. Aber dir geht es doch besser?“, ich beginne wieder Reita zu mustern. „Aoi der kleine beginnt mir Angst zu machen. Tu doch was Uruha!“, fleht Reita förmlich. Ich lege meinen Arm auf meine Stirn und lächle die drei an. Sie können es echt nicht lassen. „Ruki hast du eigentlich schon mit Geschichte angefangen?“, will Uruha wissen. „Iie, wieso?“, frage ich verwundert nach. „Weil morgen Abgabetermin ist?“, erwidert er lediglich. „Uhm, dann habe ich es bewusst verdrängt“, dabei vergesse ich sonst nie so etwas. „Baka-chan. Am Besten machst du es jetzt schnell, dann können wir sie mitnehmen und Morgen dem Lehrer geben“, bietet mir der Riese an. Ich nicke leicht. „Wann komm ich wieder aus dem Krankenhaus?“, frage ich zögerlich nach. Schließlich will ich nicht ewig hier versauern. „Ende der Woche, bist aber noch eine weitere krank geschrieben“, antwortet Reita. Seufzend schwinge ich die Beine vom Bett und schlurfe mehr schlecht als recht zu dem kleinen Tisch im Raum und setze mich auf einen der Stühle. „Habt ihr meine Schulsachen?“, frage ich die beiden. Reita nickt leicht und holt meine Schultasche aus dem Schrank. „Aber überanstrenge dich nicht, die Sache ist es nicht wert. Bitte werde schnell wieder ganz gesund“, fleht Uruha mich an. Ich setze ein bitteres Lächeln auf: „Wenn man zerbrochene Sachen reparieren könnte, würden auch die Wünsche von Menschen realistischer werden.“ Dankend nehme ich den Block und das Geschichtsbuch von Reita an. Mit dem Kugelschreiber den ich an meinem Block immer befestigt habe beginne ich die Hausaufgaben nieder zuschreiben. Nach einer halben Stunde hatte ich dann auch alles, alles was wichtig war. Ich reiße die Seiten aus dem Block und reiche sie Uruha. Etwas zögerlich nimmt er sie an. Erschrocken sehe ich auf das Blatt was sich hinter den anderen befunden hat. Es ist das Gedicht, welches ich vor kurzem geschrieben hatte. Eines, welches mir soviel bedeutet. ~ -Sanduhr im Wind- Gefangen hinter einem großen Zaun, scheint immer sinnlos abzuhauen, gibt es doch kein Sonnenlicht, das sich in den Fenstern bricht. Habe oft versucht zu entfliehen, mich vor der Zukunft zu verziehen, gab dem Stundenglas wahllos Risse, wie ich mein altes Leben vermisse. Dachte nie daran was würde ich tun, wenn ich schaffe zu entfliehen, wollte keine Gedanken von dem Sand der Zeit, von dem der Zukunft und Vergangenheit. Habe immer daran gedacht, habe endlose Stunden damit verbracht, zu denken in der Zukunft liegt das Licht, deshalb hinterfragte ich auch nicht. ~ Damit die anderen es nicht sehen, schlage ich schnell den Block zu. Vorerst hatte ich es jedoch noch einmal durchgelesen, nur um sicher zu werden. Damit ich sicher sein kann, ich tue das Richtige. Zusammen mit Block und Kugelschreiber begebe ich mich zu meinem Bett und lege mich in dieses. „Du siehst wie tot aus, weißt du das?“, gluckst Aoi vor sich her. „Iie, ist mir sowieso egal“, murre ich zurück. „Du bist ziemlich schlecht gelaunt“, stellt Uruha fest, „willst du uns nicht sagen was los ist?“ „Euch garantiert nicht“, gebe ich etwas gereizter von mir. Können sie nicht einfach den Mund halten und Fragen über Vergangenes lassen? Es ist unwichtig was war, es ist nur wichtig was gerade ist. Begangene Fehler sind nicht rückgängig zu machen, deshalb braucht man auch keine Worte für diese. Jeder Gedanke, jeder Satz darüber ist sinnlos, aber trotzdem tue ich es immer wieder. Eine Hand berührt mich an der Schulter und reflexartig schlage ich zu. Merke wie auf einmal etwas Nasses meine Hand streicht. Erschrocken ziehe ich sie zurück, schaue auf das Gesicht Uruhas. „Gomen… Gomen!“, presse ich verzweifelt hervor. Rote Flüssigkeit tropft langsam aus seiner Nase, wie versteinert sieht er aus. Ich weiß nicht was ich tun soll, wie ich dieses ungeschehen machen soll. „Ich glaube ihr geht lieber…“, murmele ich vor mir her. Reita schaut mich bemitleidenswert an und geht zu Uruha und wischt ihm das Blut weg. Irgendwie schafft er es auch, dass Uruha das Taschentuch weiterhin unter die Nase hält. Jedoch ist in sein Gesicht immer noch das blanke in Entsetzen geschrieben. „Wir bleiben hier, kleiner. Uruha wird schon den Schock überleben und uns beide wirst du bestimmt nicht so leicht attackieren können. Kleiner Wadenbeißer, du“, neckt Aoi. Etwas beleidigt schaue ich ihn an und wende mich dann wieder an die beiden neben meinem Bett. „Soll ich einen Arzt rufen?“, frage ich vorsichtig. „Ach wo. Der Große überlebt es schon“, meint Reita, „Beruhig du dich erst einmal. Vielleicht sollten wir für dich eher den Arzt rufen, du bist noch blasser wie eben“. Ich schüttele nur verneinend den Kopf. Nach scheinbar endlosen Minuten wird die Stille für mich unerträglich. „Ano… Wie viele Tage bin ich schon hier?“, hoffentlich nicht zu lange. „Seit vorgestern. Wir haben Donnerstagabend, wenn du es genau wissen willst“, klärt mich Blondie auf. „Arigato Reita. Ich bin immer noch total müde…“, ein Gähnen entweicht mir. „Hoffentlich ist es nur, weil es dir seelisch nicht so gut geht. Der Arzt hat auch so etwas in der Richtung angedeutet…“, murmelt Uruha mehr zu sich selbst, als zu mir. Es ist schon komisch. Die letzte Zeit wird mein Schlafbedarf immer größer, anscheinend bin ich wirklich seelisch, wie auch körperlich am Ende. Oder bin ich gerade erst auf der Zielgeraden? Was auch immer es ist… Ich will nicht sterben, nicht jetzt und nicht auf diesem Wege. Sooft habe ich es selbst versucht und jetzt soll ich sterben? Wegen Erschöpfung? Weil ich zu schwach bin um zu überleben? Weil ich nicht stark genug für den Alltag bin? Mir wird leicht auf den Kopf tätschelt. Fragend schaue ich in Uruhas Augen. „Hm… Ich wollte nur sehen ob du mich noch einmal schlägst“, lächelnd schaut er zurück. Zögerlich erwidere ich es. „Der Arzt meint du sollst zu einem Psychologen. Er vermutet, dass du eine Essstörung und alles hast. Und natürlich wegen dem Ritzen…“, böse funkelnd schaue ich Uruha an, „Aber… Also wenn du mit uns reden würdest… Und alles, würdest du dann wieder glücklicher werden? Würdest du dann… Vielleicht auch seelisch wieder besser werden? Ruki bitte… Würdest du es für uns versuchen?“ „Das geht nicht“, erwidere ich nur kalt. „Du musst es nur wollen. Denkst du wirklich du bist uns nichts wert? Besonders nachdem wir dich bei uns aufgenommen haben, ohne zu hinterfragen? Denkst du wir haben das aus Mitleid getan?“, ein Nicken von mir, „Glaub mir, die Streits mit den Lehrern waren nicht aus Mitleid. Wir haben dich gern. Du bist wie ein kleiner Bruder für uns, für den wir alles tun würden!“ „Uruha… bitte… Ich möchte es nicht hören. Weißt du wie viele mir das schon gesagt haben und es ihnen im Endeffekt egal war, wenn ich blutend im Schmutz lag? Es ist zwar lieb von euch… Aber ich kann es nicht, versteht es“, Tränen steigen in meine Augen. „Und wieso musst du bei diesen Worten fast weinen? Wieso?! Du lügst doch. Du willst es nur nicht versuchen! Gebe uns doch eine Chance“, verzweifelt schreit mich Uruha an. Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr, ich will diese Worte nicht hören. Ich presse meine Handflächen gegen meine Ohren, so dass es schmerzt. Ich lasse den Tränen freien Lauf, lasse eine Schwäche zu. Ich beiße auf meine Lippe, spüre wie sie dadurch platzt und Blut ihren Weg in meinen Mund findet. Immer wieder wird an meinen Armen gerüttelt, ich halte stand. Presse die Augen zusammen, will nicht sehen wer sich um mich bemüht. Ich spüre wie etwas durch die Nadel in meiner Hand gedrückt wird. Übelkeit steigt in mir auf, bei dem Gedanken. Ich habe Nadeln schon immer gehasst. Langsam lassen meine Kräfte nach, weichen einem leichten Zittern. Mir wird kalt, eiskalt. Die Hände nehme ich von meinen Ohren und kauere mich zusammen. Spüre wie mir eine Decke über den Körper gelegt wird. Jemand flüstert in mein Ohr: „Schlaf schön Ruki. Wir kommen morgen wieder, es wird alles wieder gut“, ich meine es ist Reita seine Stimme. „Sei lieb zu den Ärzten und lass dir regelmäßig Beruhigungsmittel spritzen… Dann geht es dir auch besser. Wir meinen es nur gut und halt die Ohren steif!“, eindeutig Uruha. „Kleiner Wadenbeißer werde ja wieder gesund. Ansonsten hab ich keinen mehr zum aufziehen und das wäre ja schade. Außerdem würde ich dich ansonsten vermissen Ruki-chan“, ein Knurren entweicht mir. Aoi meint es bestimmt nur gut, aber seine Art ist trotz allem gewöhnungsbedürftig! Wie kann man nur so gemein sein. Dabei bin ich doch krank! „O-yasumi nasai“, murmle ich noch vor mir her, bevor ich ins Reich der Träume abgleite. ------ Disclaimer: keiner von denen gehört mir(wäre auch zu schön *hust*) und ich verdiene auch kein Geld damit~ Warnung: SVV thx für die Kommis und Favos ^-^" es ist wichtig auch in den schlimmsten augenblicken noch mut fassen zu können, finde ich. und die hoffnung sollte man selbst im augenblick des todes nicht aufgeben =/ das Gedicht ist nicht das wahre, ich hab schon einmal bessere geschrieben... aber ich wollte unbedingt ein neues, nur für die ff~ 10.07.2009: 4214 -> 4460 Wörter =] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)