Gefangen in der Dunkelheit von Erdnuss91 (ohne Fluchtweg in einer fremden Welt) ================================================================================ Kapitel 3: Spuren, die langsam erscheinen ----------------------------------------- Es scheint mir wie eine Ewigkeit und beinahe wäre ich auch wieder in meinem Reich gelandet, aber jemand scheint dieses absolut nicht zu lassen zu wollen. Wieder wird mir meine Decke weggeholt. „Ruki bist du wach?“, erkundigt sich Uruha. Wenn ich schweige denken sie bestimmt ich schlafe, sicherlich. „Ach komm schon“, quengelt der größere von beiden. Ich schlafe, seht er das nicht? Zaghaft werde ich in die Seite gepiekst. Warum können die mich nicht einfach in Ruhe lassen? „Ruki?“, versucht er es noch einmal. Einfach nicht reagieren, einfach das alles ignorieren. „Lebst du noch?“ Sie sind nicht da, sie sind nur eine Einbildung. „Verarsche uns nicht“, brummelt Reita. Ich bin ganz alleine hier. „Jetzt sei doch nicht beleidigt“, versucht es Uruha auf die sanftere Tour. Das ist lediglich der Wind der solche Töne von sich gibt. Vorsichtig wird eine Hand auf meinen Rücken gelegt. Erschrocken reiße ich die Augen auf. Das tut verdammt noch einmal weh! „Du lebst ja doch noch“, stellt Uruha belustigt fest und wendet sich kichernd ab. Wütend drehe ich mich um und sofort wird die Hand weggenommen. „Redest du nicht mehr mit uns?“, will er beleidigt wissen. Und schon wieder beginnt Uruha zu schmollen, wie nervig. „Ruki-chan?“, spricht mich Reita an. Irritiert erwidere ich: „Ja?“ „Du redest ja doch noch mit uns“, mischt sich Uruha ein. Seufzend stehe ich auf. „Wohin willst du?“, will Reita alarmiert wissen. Muss ich mich etwa für jeden Schritt bei dir rechtfertigen Blondie? „Nirgendwo“, antworte ich resigniert. Ich setze mich wieder auf die Bettkante und gähne herzhaft. Die Schmerzen rauben mir auch noch das letzte bisschen an Energie und Geduld. „Wenn man ihn so sieht ist er total süß. Jetzt beiße mich nicht schon wieder“, bittet mich Reita feixend und hebt abwehrend die Hände. Eigentlich wollte ich ihn auch gar nicht beißen. Denn dafür bin ich viel zu müde und ausgelaugt. Wo kann man hier bitte schön in Ruhe ein paar Stunden Schlaf nachholen? „Ruki? Was sind das für rote Flecken auf deinem Hemd?“, fragt mich Uruha in Sorge. Sind die Wunden wieder aufgegangen? Okay, das würde wenigstens das unangenehme Brennen begründen. Warum muss das ausgerechnet heute passieren? Vielleicht war das mit der Dusche doch keine so gute Idee. „Keine Ahnung“, lüge ich. „Die sehen noch ziemlich neu aus“, stellt Reita fest. Wenn sie auch gerade eben erst aufgerissen sind, dann ist das kein Wunder. Ich drehe den Kopf und sehe Uruha dabei zu wie er meinen Rücken mustert. Leicht fährt er mit der Hand über das Hemd und guckt danach intensiv seinen Finger an. „Bitte zieh dein Hemd aus“, fordert er mich auf, „Du blutest am Rücken.“ „Na und?“, antworte ich und zucke mit den Schultern. Das ist für mich nichts neues. Ich hasse es, wenn andere meinen geschundenen Körper sehen und werde mich garantiert nicht vor ihnen entblößen! „Nichts na und. Soll ich es dir ausziehen?“, bietet er mir an. „Wag es dich“, meine ich drohend und verenge die Augen zu Schlitzen. Warum können die Leute keine Angst vor mir haben? Wahrscheinlich weil ich viel zu klein bin, für die restlichen Leute in meinem Umfeld. „Reita gehst du bitte einen Verbandskasten holen“, meint Uruha. Reita verlässt kurz den Raum und kommt mit einem kleinen Kasten wieder. Muss das jetzt wirklich sein? Es ist eigentlich auch ganz gut, wenn das ganze jetzt verbunden wird. So sind die Wunden nachher nicht voller Flusen und das Hemd klebt dann nicht so an ihnen. „Ruki?“, spricht mich Reita vorsichtig an. Ich schaue weiter auf den Boden. Mir ist das alles so extrem unangenehm. „Aber bitte stellt keine Fragen und bitte erzählt es keinem“, stelle ich als Bedingung. Langsam ziehe ich das Hemd aus und versuche die anderen beiden zu ignorieren. Ihre Reaktion war so klar, so verdammt klar. Was ist denn so schlimm an einem so zugerichteten Rücken? Nichts, denn meinen Großvater hatten die Auswirkungen seiner Taten auch nie interessiert. „Mir wird kalt“, mosere ich. „Warte, wir beeilen uns“, versichert mir Uruha und klingt dabei ziemlich traurig. Ich strecke etwas die Arme hoch und ignoriere das Ziehen in meinem Rücken. Es dauert ein paar Minuten bis die anderen beiden endlich aus ihrem Schockzustand erwacht sind. Erst desinfiziert Uruha die Wunden großzügig, was ziemlich brennt. Anschließend wird mir noch eine kühlende Salbe vorsichtig mit einem Holzspatel drüber geschmiert, Danach legen sie erst einmal Kompressen drüber und fixieren diese schließlich mit einem Verband. Mehrmals zucke ich zusammen und immer wieder wollten sie wissen ob ich es noch aushalte. Uruha steht kurz auf nur und nimmt ein Schlafanzugsoberteil aus seinem Schrank und hält mir dieses vor die Nase. „Das ist wenigstens nicht so eng“, erklärt er mir. Uruha ist ja nur knappe 20cm größer als ich also kann das ja auch gar nicht so klein und eng wie mein Zeug sein. Reita zieht es mir kurzer Hand über, ich hatte kaum Zeit mich zu wehren. Die Schmerzen setzen mich ganz schön außer Kraft. „Willst du hier bei uns schlafen oder lieber im Wohnzimmer?“, fragt mich Uruha. Uruha beginnt die Futons für die Nacht auf den Boden zu legen. „Bei euch bitte“, gebe ich kleinlaut zu. Ich habe Angst davor alleine zu schlafen. Was ist wenn ich von meinem Großvater träume? Bin ich hier wirklich sicher? „Dann kannst du dich ja hier neben mich hinlegen, denn ich glaube kaum dass Uruha dich in seinem heiligen Bett zulässt“, neckt Reita. Solange mich Reita nachts in Ruhe lässt habe ich damit weniger ein Problem. Zitternd stehe ich auf und lege mich direkt auf den erstbesten Futon. „Brauchst du noch etwas?“, erkundigt sich Uruha. Die beiden mustern mich ziemlich besorgt und man sieht ihnen immer noch an, dass das was sie gesehen haben keine Kleinigkeit für sie ist. Leicht schüttele ich den Kopf. „Du, wir gehen noch zu einem Freund. Willst du vielleicht mit?“, erkundigt sich Reita. Ich verneine das Angebot. Ich brauch jetzt erst einmal etwas Zeit für mich um mit dem ganzen klar zu kommen. Und mit den Schmerzen würde ich sowieso nicht weit kommen. Die Salbe ist richtig kühl und hilft gegen die Schmerzen. Aber leider verspüre ich diese Kälte am ganzen Körper. „Dann passe gut auf die Wohnung auf und lass niemanden rein“, bittet mich Uruha. „Wen sollte ich denn reinlassen?“, antworte ich irritiert. „Kleiner man kann ja nie wissen“, erwidert Uruha. „Ich bin nicht klein“, murrend ziehe ich mir die Decke bis zur Nasenspitze. „Natürlich bist du kleiner als ich“, fügt er hinzu. Augen rollend meint Reita: „Wir legen den Zettel mit den Handynummern neben das Telefon, wenn irgendetwas ist kannst du uns ja anrufen.“ Seufzend schaue ich Reita tief in die Augen. Er hat richtig schöne, auch wenn er es garantiert nicht hören will. Genauso wie ich seinen richtigen Namen nicht sagen darf, obwohl er so schön ist. Akira klingt viel besser als Takanori. Ich wundere mich darüber warum Uruha so viel Vertrauen in mich hat. Immerhin könnte ich ja seine ganze Wohnung leer räumen. Und mit diesen Worten lassen mich die beiden alleine. Er scheint richtig naiv zu sein, wahrscheinlich noch mehr als ich. Aber vielleicht denkt er auch ich bin zu gepeinigt um solche üblen Taten zu begehen. Dabei sind doch meistens Leute, die vom Leben gezeichnet wurden so hinterlistig. Bei mir täuscht er sich auf alle Fälle nicht. Ich würde nie auf den Gedanken kommen ihm etwas antun zu wollen, immerhin weiß ich was Schmerzen bedeuten. Insgeheim frage ich mich was das für ein Freund ist. Ob er wohl in unserer Klasse ist? Wahrscheinlich ist er das. Ich hoffe die beiden kommen nicht sternhagelvoll nach Hause. Zu oft habe ich meinen Großvater im Alkoholrausch erlebt und die Folgen machen mir immer noch Angst. Wie kann man nur so viel Trinken? Wie kann man sich nur so gehen lassen? Eigentlich sind wir noch zu jung für Alkohol, aber das hat meine Klassenkameraden auch nie gestört. Ich schnappe mir meine Decke und gehe auf den Balkon. Die Tür schließe ich hinter mir und setze mich an die Wand. Von innen scheine ich wohl unsichtbar, denke ich. Mir gefällt es wie mich der Halbschatten noch zusätzlich verdeckt. Ich schaue in den Himmel und erblicke kaum Sterne. Was meine Eltern wohl gerade machen? Bestimmt mich suchen, völlig in Sorge. Dabei brauchen sie das gar nicht, mir geht es gut. Glaube ich auf jeden Fall. Ich sitze hier bei jemandem der mich gut behandelt, deshalb sind Sorgen unbegründet. Zwar bin ich momentan alleine, jedoch fühle ich mich trotz allem geborgen. Denn ich weiß sie kommen wieder und lassen mich nicht allein. Langsam macht sich die Kälte der Nacht über mich her, es ist mir vollkommen egal. Ich schaue weiterhin die Sterne an und wage ab und an einen Blick auf die Skyline dieser Stadt. Sie ist anders wie unsere, ganz anders. Bei uns steht Haus an Haus, man wird regelrecht von ihnen erdrückt. Nur bei unserem Viertel ist es anders. Riesige Grundstücke, dunkle Gebäude, nur die Straßenlampen spenden nachts Licht. Auf Bewohner hofft man vergebens, meist sieht man nur Bedienstete. Es ist fast abnormal so wie es da ist. Jede Nacht hatte ich Angst von der Dunkelheit verschlungen zu werden. Es ist dort alles so steril und kalt und einfach viel zu perfekt. Hier ist es anders, hier sehe ich das Licht. Es ist so gegensätzlich. Hier wird mir Wärme gespendet, wo ich früher war gab es keine. Es ist die richtige Entscheidung die ich getroffen hatte. Ein Mensch kann nicht ewig allein sein, ein Mensch braucht Wärme wenn er leben will. Und wo kann ich sie besser bekommen als hier? Ich wurde so lieb empfangen, es wäre dumm gewesen es nicht zu beachten. Immer wieder schlafe ich ein, wache aber durch Geräusche wieder auf. Bei meinen Eltern war es immer still, unheimlich still. Aber hier ist es alles andere als still. Immer wieder hört man Besoffene grölen oder Autos hupen. Zu sagen es stört mich wäre falsch, denn mir gefällt es. Ich spüre es erste Mal das ich nicht einsam bin und es ist ein schönes Gefühl. Nach scheinbar endlosen Stunden höre ich wie die Haustür unten ins Schloss fällt. Vielleicht sind endlich die beiden nach Hause gekommen. Ich kuschle mich leicht unter die Decke und warte ab was kommen mag. Die Wohnungstür geht auf und ich höre leises Gepolter. Weniger später höre ich jemanden meinen Namen rufen, aber da ich nicht weiß wer ruft, reagiere ich nicht. Mir wurde beigebracht das Neugierde nichts Gutes mit sich bringt, also gucke ich auch nicht nach. Die Balkontür wird aufgeschoben und Uruha beugt sich zu mir runter. „Ruki?“ , spricht er mich unsicher an und ruft quer durch die Wohnung, „Reita ich hab ihn.“ Kurz darauf steht der andere auch schon vor mir. Etwas verwundert blicke ich die beiden an. Die haben sich doch jetzt nicht Sorgen um mich gemacht, oder? Mir fällt der Geruch von Alkohol auf. Das hat nichts gutes zu bedeuten. Mein Herz beginnt zu rasen. „Warum wirst du so blass? Geht es dir nicht gut?“, erkundigt sich Uruha direkt in Sorge. „Es ist nichts“, erwidere ich mit hoher Stimme. Bilder erscheinen vor meinem inneren Auge. Ein Knoten bildet sich in meinem Hals und langsam bekomme ich Schwierigkeiten beim Atmen. Warum habe ich diese Angst nicht unter Kontrolle, wieso? Vor meinen Augen erscheint immer wieder das Bild von meinem Großvater. Ich halte mir die Hand vor den Mund und versuche krampfhaft nicht zu weinen. Ängstlich schaue ich zu Reita hoch. Immer wieder beginnt mein Körper haltlos zu zittern. „Ich bin es, Uruha“, ich weiß es doch. Mir bricht der kalte Schweiß aus, so viel Angst habe ich vor ihren Taten. Ich schließe die Augen und mache mich auf alles gefasst. Ich werde hochgehoben und irgendwann finde ich mich auf einem weichen Untergrund wieder. Jemand beginnt mir mit einem nassen und eiskalten Lappen über das Gesicht zu reiben. „Ist etwas passiert?“, fragt Reita besorgt nach. Jemand nimmt mich in den Arm und streicht liebevoll über meinen Rücken. Der Geruch von Alkohol steigert meine Angst weiterhin und ich versuche mich zu befreien. „Bitte lass mich los Uruha“, bitte ich ihn verängstigt. „Ruki?“, fragt Reita nach. Ängstlich schaue ich zu Reita hoch. Immer wieder beginnt mein Körper haltlos zu zittern. Mir bricht der kalte Schweiß aus, so viel Angst habe ich vor ihren Taten. Ich schließe die Augen und mache mich auf alles gefasst. Meine Stimme zittert und klingt mehr als brüchig. Langsam lässt er mich los und Reita nimmt mich stattdessen in den Arm. Leicht streicht er mir durch die Haare während ich immer noch versuche mich etwas zu beruhigen. Es ist nichts passiert und die beiden werden mir nicht weh tun. Warum muss mich meine Vergangenheit immer wieder einholen? Immer wieder wird es wie früher, egal wie weit ich weglaufe. Wie oft habe ich mir schon die Arme aufgeschlitzt um zu entfliehen? Wie oft habe ich mir selbst Verletzungen zugefügt oder Lügen erzählt um nicht in die Schule zu müssen? Ich habe versagt, immer. Egal was ich machte, immer musste ich in die Hölle zurück. Meinem Großvater war es egal wie schlecht es mir ging, Hauptsache ich bin in der Schule. Die Lehrer haben mich oft genug wieder nach Hause geschickt wo ich von ihm regelrecht mit dem Rohrstock erwartet wurde. In den Zeiten wo es am schlimmsten war hatte ich jede Menge Gewicht verloren, zwei Mal war ich deshalb im Krankenhaus. Durch Magensonde und Infusionen haben sie mich am Leben erhalten, gegen meinen Willen. Nach dem ersten Selbstmordversuch hatte ich solche Aktionen aufgegeben. Sie haben immer nur Hoffnungen erweckt, aber nie kam ich zum gewünschten Ziel. Ich war hinterher enttäuschter und trauriger als vorher. Anscheinend war mir der Tod nicht vergönnt, traurig aber wahr. Die Realität ist zu grausam, so wie sie ist. Eine Stimme zerrt mich zurück in die Gegenwart: „Ich stell dir ein Glas Wasser und Schlaftabletten hier hin. Kannst ja gleich mit Reita nachkommen.“ Langsam entfernt sich Uruha und lässt mich mit ihm alleine. „Morgen Mittag bekommen wir Besuch. Am besten wir zwei gehen jetzt auch schlafen“, informiert mich Reita. Etwas öffne ich die Augen und greife nach dem Glas Wasser. Mit der anderen nehme ich die Tabletten und schlucke sie runter. Das Wasser ist schön kalt. Leise stelle ich das Glas zurück auf den Tisch. „Reita ich komme nach, ok? Ich möchte noch etwas alleine sein“, erwidere ich. „Aber schlafe nicht im stehen ein, ansonsten bringt mich Uruha um. Gute Nacht kleiner“, wünscht mir Reita und steht auf. Seufzend spiele ich mit dem Saum des Oberteils. Erst als ich mir sicher bin, dass er hinter sich die Tür geschlossen hat, gehe ich an den Koffer und hole mein Taschenmesser hervor. Ich will die Tradition nicht brechen, ich will ihr lediglich hier und jetzt ein Ende setzen. Ich will nicht wieder schwach sein und zurück in die Vergangenheit. Rein symbolisch beende ich sie jetzt, dieses nehme ich mir fest vor. Das Badezimmer scheint mir am besten dafür geeignet, dort bin ich ungestört. Auf leisen Sohlen begebe ich mich hinein und schließe hinter mir die Tür ab. Ich brauche Zeit, viel Zeit. Ich hoffe niemand wird mich bei meinen Taten stören. Ich möchte mich in Zukunft nicht mehr selbst bestrafen. Ich kann nicht ewig Schmerzen mit Schmerzen überdecken. Ich lasse mich auf dem Boden fallen und klappe das wertvolle Silber aus. Bald habe ich es, halte es sicher in Händen. Nur ein paar fahrige und zittrige Bewegungen beschmutzen es, färben es rot. Ich höre auf, genieße die Schmerzen. Das pulsierende Anzeichen des Fluchtweges. Ein neuer Versuch aus der Welt zu verschwinden, ein neuer Versuch sie zu verdrängen. Wie immer wenn mich einer fertig gemacht hat. Meistens konnte ich den Impuls zurückhalten, dieses Mal war ich jedoch zu schwach. Zu Lange habe ich die Tatsache verdrängt, zu lange habe ich die Augen davor verschlossen. Es wird das letzte Mal sein. Ich koste es voll aus, ignoriere dabei den stetigen Blutfluss. So viel war es noch nie, aber noch nie zuvor wurde mir so ein Schmerz zugefügt. Schmerzen werden mit Schmerzen überdeckt, also habe ich lediglich den richtigen Maß gefunden, genau so ist es. Wie lange ich so da saß habe ich gar nicht bemerkt. Erst als die Tabletten langsam ihre Wirkung zeigen beginne ich mich zu beeilen. Ich schnappe mir Toilettenpapier mache es nass und wische sowohl das Taschenmesser als auch den Boden sauber. Über mir erblicke ich den Verbandskasten. Bewaffnet mit einer Mullbinde mache ich mich daran den Arm zu versorgen. Es schmerzt, es gefällt mir. Ich habe mein Ziel erreicht, ich habe dieses Mal nicht versagt. Sorgsam packe ich alles wieder weg. Spüle die verräterischen Spuren in der Toilette runter. Ein letztes Mal zupfe ich die Ärmel zu Recht. Die Tür öffne ich leise und schleiche zu meinem Koffer. Die Müdigkeit scheint mich zu überrollen. Schnell packe ich das Taschenmesser weg, denn ich will nicht dass sie es finden. Was würden sie nur denken wenn sie am nächsten Morgen mich mit einem Messer in der Hand hier liegen sehen? Nichts Gutes, bestimmt nichts Gutes. Und das letzte was ich jetzt gebrauchen kann sind unnötige Fragen. Denn diese Dinge gehen niemanden was an, niemanden außer mich. Und solange ich nur mich selbst verletzte ist doch alles in bester Ordnung. Gerade noch so schaffe ich den Weg zurück zu den beiden. Reita steht direkt auf als er mich im Türrahmen erblickt und nimmt mich in den Arm. „Du leuchtest richtig. Ist alles okay?“, erkundigt er sich. Meine Augen kann ich kaum noch offen halten und wehren fällt mir auch schwer. Zusammen setzen wir uns auf den Futon, die Müdigkeit reißt mich in eine andere Welt. Die Sonne strahlt ins Zimmer und zwingt mich regelrecht dazu die Augen zu öffnen. Ich muss einige Male zwinkern, denn sie blendet ein wenig. Sehen tue ich trotzdem wenig, denn in meinem Blickfeld liegt ein nasser Lappen. Ich schiebe ihn ein wenig bei Seite und richte meinen Blick auf den anderen Futon. Niemand da anscheinend. Ob es schon Mittag ist? Ist ja auch egal, ich bin immer noch müde. Mein Arm sowie mein Rücken scheint dieses nicht zu interessieren, denn sie lieferten sich gerade einen Wettstreit aus. Was tut am meisten weh? Leicht genervt drehe ich mich auf die andere Seite und ziehe die Bettdecke über den Kopf. Ich höre leise Stimmen und bemerke eine dritte, fremde Stimme. Ein Grund mehr sich unter der Bettdecke zu verstecken. Die Schritte kommen näher und jemand zieht an der Decke. „Ruki magst du nicht langsam mal aufstehen?“, spricht mich Reita an. Ich drehe mich unter der Bettdecke zurück auf die andere Seite. „Du brauchst keine Angst vor dem Besuch zu haben. Er ist nur halb so schlimm wie Uruha“, informiert er mich. „Das hab ich gehört Reita!“, hört man Uruha rufen. Leise lachend fordert mich Reita auf: „Es ist doch nur die Wahrheit. Also Ruki steh wenigstens auf.“ Ich schlage die Bettdecke zurück, denn langsam ging mir doch die Luft aus. Etwas mühsam richte ich mich auf und reibe mir über die Augen. Die Schlaftabletten haben es ganz schön in sich. Schon lange habe ich nicht mehr so fest und vor allem so lange am Stück geschlafen. „Geht es dir gut?“, fragt er in Sorge. Ich nicke und stehe ganz auf. „Kannst du noch reden?“, fragt Reita belustigt nach. „Ja, aber ich tu es nicht.“ Was wird das jetzt? Etwa ein Frage und Antwortspiel? „Du bist viel zu schweigsam für so eine schöne Stimme.“ „Reita bitte.“ „Was soll ich für dich tun?“, verdutzt starrt er mich an. „Schon gut“, meine ich nur seufzend. Warum müssen die mich schon am frühen Morgen so nerven? Auf eine ganz komische Art mag ich Reita jetzt schon. Im Gegensatz zu Uruha ist er nicht ganz so aufdringlich und bei ihm habe ich auch nicht eine ganz so große Angst. Ich gehe an ihm vorbei Richtung Küche. „Warum lässt du mich einfach alleine stehen?“, meckert Reita und rennt mir hinterher. Gekonnt ignoriere ich ihn und trete in den kleinen Raum. Als erstes fällt mir ein zweites scheinbar ungeschlechtliches Wesen auf. Ich bin zwar gerade der richtige der das behauptet aber egal. Ich begrüße die beiden und lächle leicht als ich in Uruhas Augen blicke. „Hallo kleiner“, begrüßt mich der Fremde. Warum müssen mich immer alle wegen meiner Größe aufziehen? Das ist wirklich alles andere als fair! Immer auf die kleinen! Kichernd merkt Uruha an: „Ich an deiner Stelle würde ihn nicht kleiner nennen.“ „Hunde die bellen beißen nicht, also wenn er ein Gegenargument gibt sind Ängste unbegründet“, stichelt der schwarzhaarige. Wie kann der Freund von den beiden nur so gemein sein? „Ruki willst du etwas essen?“, erkundigt sich Uruha und stupst mich in die Seite. Ich schüttele den Kopf, wende den Blick ab und setze mich neben Uruha an den Tisch. Wenigstens hat er sie im westlichen Stil eingerichtet. Normale Stühle sind immer noch bequemer als Sitzkissen, meiner Meinung nach. Entschuldigend meint Uruha zu dem Neuen: „Nimm es ihm nicht übel, mit uns redet er auch kaum.“ Ich gebe nur ein Grummeln als Antwort. „Uruha dein Freundeskreis ist echt ein bunt gemixter Haufen“, stellt der neue fest. „Da muss ich dir voll und ganz zustimmen. Aber Gegensätze ziehen sich ja schließlich an“, meint Uruha lachend. Irgendwie fühle ich mich ziemlich fehl am Platz. Mir ist auch dank der Tabletten ziemlich unwohl und ich fühle mich einfach nicht gut. „Uruha macht es dir etwas aus wenn ich im Wohnzimmer weiterschlafe?“, frage ich unsicher nach. „Nein, kannst du ruhig machen. Schlaf dich aus, dann geht es dir bestimmt heute Nachmittag um einiges besser“, versichert er mir lächelnd. Ich stehe auf und gehe auf den Balkon um mir die Decke von gestern Abend zu holen. Mit ihr zusammen gehe ich ins Wohnzimmer und lasse die Rollladen runter. Die Tür lasse ich offen, damit es nicht ganz so dunkel ist. Ich lege mich auf die Couch und kuschle mich unter die Bettdecke. Ob die zu jedem so herzlich sind? Schritte kommen näher und ich sehe Reita ins Gesicht. Ich frage mich echt wann ich einmal Ruhe haben werde. Haben die sich als Aufgabe ausgesucht mich in den Wahnsinn zu treiben oder was? „Du bist zu wach zum schlafen, mach dir doch nichts vor“, macht mich Reita darauf aufmerksam. „Schlaftabletten?“, antworte ich mit hochgezogener Augenbraue. „Damit du erst Mal wieder überall herum läufst und dann umkippst? Vergiss es“, meint Reita nur verächtlich. „Na wenn du meinst“, gebe ich mich kampflos geschlagen. „Ach man so macht das gar keinen Spaß.“ „Was soll Spaß machen?“, frage ich perplex nach. „Das würdest du gerne wissen wollen, oder? Sag ich dir aber nicht. Was war eigentlich letzte Nacht los?“, möchte er wissen und runzelt seine Stirn. „Wer hört alles mit?“, erkundige ich mich unsicher. „Nur ich, die anderen beiden sind in Uru’s Zimmer und spielen Playstation. So würden die noch nicht einmal ein Erdbeben bemerken“, meint Reita grinsend. „Uruha war los“, antworte ich widerwillig. Wie erklärt man die Angst vor etwas, ohne den ganzen Rest dazu erzählen zu müssen? „So beängstigten ist er auch nun wieder nicht. Er ist mit Alkohol nur etwas, wie soll man es nennen? Offener als sonst? Nein er ist schon sonst so offen, aber nicht so“, druckst er herum. „Es war wegen dem Alkohol an sich“, meine ich. „Hab ich mir schon irgendwie gedacht. Keine Angst so oft trinkt er nicht, immerhin ist er erst 16“, versichert er mich. Trotzdem ist er noch viel zu jung dafür. Um vom eigentlichen Problem abzulenken erwidere ich: „Ich hab es nicht so mit Alkohol weißt du.“ „Verträgst du keinen?“ „Nein, das ist es nicht. Ich mag lediglich nicht seine Auswirkungen“ „Bei Uruha brauchst du aber wirklich keine Angst zu haben. Wenn er wirklich betrunken ist landet er überall, bloß nicht zu Hause. Hast du Lust mit mir gleich die Hausaufgaben zu machen?“, fragt er nach, „Du kommst morgen wieder zur Schule mit, denn am Freitag war die Lehrerin schon ziemlich sauer.“ Benötigst er etwa meine Hilfe beim Addieren von 1 und 1 oder was? Ich nicke, da ich keine Lust habe groß alleine die Hausaufgaben zu machen. Und warum ist die Lehrerin nun schon wieder sauer? „Wieso?“, frage ich perplex nach. „Du warst am ersten Tag da, dann warst du 5mal krank und dann kamst du wieder einen Tag und dann, ja dann warst du verschwunden. Sie hatte gemeint sonst hättest du dich telefonisch entschuldigt nur dieses Mal nicht. Sie hat uns mehrmals gefragt ob wir etwas wissen“, erläutert er. Ob ich immer noch an der Schule angemeldet bin? Scheinbar haben sich meine Eltern nicht darum gekümmert und der Umzug zurück war auch alles andere als durchdacht. Was ist nur vorgefallen, dass wir plötzlich zurück mussten? „Ich denke mal ich wurde jetzt auch schon abgemeldet von der Schule“, erwidere ich unsicher. „Sicher?“, hakt er nach und schaut mich ganz komisch an. Irgendwie macht mir dieser undefinierbare Blick Angst. „Ich weiß es nicht. Ich hab mit meinen Eltern kein Wort gewechselt. Doch schon, aber nicht über dieses Thema“, gebe ich ehrlich zu. Aber an andere Gespräche kann ich mich nicht mehr so wirklich erinnern. Aber über irgendetwas müssen wir doch geredet haben, oder? „Du bist mir ja einer“, lachend guckt mich Reita an. „Kann man nichts ändern“, meine ich nur trocken. „Wenn du mehr Ruhe haben willst kannst du auch zwischendurch zu mir, nur ich wohne noch bei meinen Eltern“, bietet mir Reita an. „Ist doch nicht schlimm“, erwidere ich lächelnd. Ich bedanke mich kleinlaut für das Angebot und spiele etwas mit dem Saum von einem Oberteil. Schon lange habe ich nicht mehr so viel gesprochen und es tut einfach gut wieder halbwegs normalen Kontakt zu anderen Menschen zu haben. „Kein Problem. Solange du irgendwann den Mantel des Schweigens ablegst“, stichelt er. Ich nicke als Antwort, obwohl ich mir dabei alles andere als sicher bin. Kann ich den beiden wirklich vertrauen? „Wenn der Verband anfängt zu jucken sagst du Bescheid okay?“, bittet mich Reita, „Geht es deinem Rücken etwas besser?“ „Ja, ich denke schon. Auf jeden Fall sind die Schmerzen um einiges erträglicher geworden“, antworte ich wahrheitsgemäß. „Wenn die Wunden erst einmal etwas mehr verheilt sind dann lässt auch der Schmerz nach“, versichert er mir. Einige Minuten schweigen wir uns einfach an und Reita mustert mich ganz schön kritisch. Es ist mir ziemlich unangenehm, weshalb ich den Blick senke. Er besteht richtig darauf, dass ich etwas zu Essen zu mir nehme, weshalb ich aufstehe und ihm in die Küche folge. Dort drückt er mir eine Schale voll Reis mit Gemüse in die Hand und schiebt mich vor sich her Richtung Uruha. Er weiß schon, dass ich kein kleines Kind mehr bin? Oder bemuttert er andere gerne? Oder behandelt er mich nur so, weil ich hier Gast bin? Aber müsste mich nicht dann Uruha von vorne bis hinten bedienen? „Ich hab gedacht du wolltest etwas schlafen“, meint Uruha überrascht. „Ist das jetzt ein Vorwurf?“, frage ich verunsichert nach, „Reita hat gemeint ich soll nicht schlafen.“ War es falsch auf ihn zu hören? „Hör einfach nicht auf ihn“, fordert mich Uruha auf. Ich setze mich mit etwas Abstand neben die beiden. Verlegen fange ich an zu essen und versuche die beiden einfach zu ignorieren. „Ruki ignorier Uruha einfach“, meint Reita. Lachend meint Uruha: „Ruki ignorier Reita einfach.“ „Jetzt hört ihr zwei mal damit auf“, fordert der Neue die beiden auf. Reita setzt sich neben mich und beobachtet mich beim Essen. Die drei kabbeln sich noch ein wenig ehe das Gespräch verstimmt. Es dauert auch nicht lange bis der Neue und Uruha wieder vollkommen in das Spiel vertieft sind. Echt merkwürdig ist das Verhalten von den dreien. Ich frage mich echt ob solche Konsolen Geisteskrankheiten auslösen können, denn die haben definitiv eine. Wenn nicht sogar mehrere! ------- Disclaimer: keiner der charas gehört mir, es gibt kein Geld dafür Warnung: SVV(aber nur angedeutet) uhm... ich frag mich ob die Länge besser ist oder die andere =/ 3297 → 4729(20.01.2018) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)