Substitute von Alibear (GeneXOcelot-Story) ================================================================================ Kapitel 1: Erstes Zusammentreffen --------------------------------- Das erste Mal, dass wir voneinander hörten, war am Telefon. Ich war sofort von deiner Stimme fasziniert. Sie strotzte nur so von Stärke und Wissen, und doch war da noch etwas anderes. Eine winzige Facette nur, kaum wahrnehmbar für den ungeübten Hörer, doch berufsbedingt hörte ich es heraus. Was mich dort fesselte, war eine Aura von Einsamkeit. Ja, deine Stimme hatte es mir verraten. Du warst damals einsam. Stark zwar nach außen hin, doch da war etwas, tief in dir, dass sich nach jemanden sehnte. Warst du mit deinen Fähigkeiten doch einzigartig auf der Welt, geschaffen nur zu einem Zweck. Einem Zweck, weit von Gefühlen entfernt. Du sehntest dich nach Zuneigung, deine Stimme hatte dich verraten. Es war nur ein kurzes Gespräch, doch all dies konnte ich hören. All dies führte mich dazu, dass zu tun, was ich getan hatte. Bis auf eine Person zuvor hatte ich mich noch niemand so fasziniert. Doch diese Person war unerreichbar. Vielleicht warst du am Anfang nur ein Trost für mich, eine Möglichkeit, zu vergessen. Dennoch wollte ich dich kennen lernen, egal, was es mich kosten würde. --------------------------------------------------------------------------------- Ein Krankenzimmer, typisch eingerichtet. Steril. Zweckmäßig. Nichts, was einem das Gefühl geben könnte, dass man hier hingehörte. Das bemerkte auch der Mann, der gerade eben seine Augen aufschlug und jetzt die Decke dieses Zimmers betrachtete. Von Rissen zerfurcht, an einigen Stellen fehlte schon der Putz, der anscheinend schon vor Jahren abgebröckelt war. An anderen Stellen zeugten dunkle Flecken von zahlreichen Regengüssen, deren Wasser durch das anscheinend marode Dach bis zur Decke dieser Etage gekrochen war. Der Geruch von Desinfektionsmitteln hing schwer in der Luft und stach ihn in der Nase. Wo war er nur? Er versuchte, sich an etwas zu erinnern. Ein Mann tauchte dort auf, ein Mann, der mit ihm, so schien es damals, um Leben und Tod gekämpft hatte. Eigentlich mehr um den Tod, denn es war beschlossene Sache, niemand von ihnen, egal ob er gewonnen hätte oder nicht, hätte mit dem Leben davonkommen können. Ihr Schicksal war besiegelt, es ging nur noch um ihren Stolz als Kämpfer. Wer der Bessere war. Wer es verdiente, als der Beste bezeichnet zu werden. Wer den Titel des Boss verdiente. Er selbst, der er aus ihren Zellen geschaffen wurde? Oder dieser Mann, ein einfacher Mensch aus Fleisch und Blut, ein einfacher Kämpfer…aber doch der Bezwinger von The Boss. Es war ein erbitterter Kampf. Sie schenkten sich nichts. Egal, wie er vorging, der Mann ließ sich nicht von ihm bezwingen. Er kämpfte wie ein Raubtier, schien nur darauf bedacht, zu überleben. Ein wildes Tier, dass, wenn in die Enge getrieben, seine Zähne zeigte und ohne Rücksicht auf Verluste kämpfte. Jedem Angriff auswich, jedem Messer, dass nach ihm geworfen wurde. Hielt sogar der Stimme stand, ließ sich nicht von seinen Reden beeinflussen, zückte nur immer wieder seine Pistole, richtete den Lauf auf seinen Feind und drückte ab. Dieser Mann war einfach nur unglaublich… Er verdiente seinen Titel wirklich, dachte der Mann im Bett und versuchte, sich etwas im Zimmer umzusehen. Doch gab es eigentlich kaum etwas zu sehen. Was ihn umgab, war ein fast vollständig leerer Raum. Dennoch hörte er Geräusche. Ein stetes Tropfen. Etwas stach in seinem Arm. Hab ich vielleicht noch eine Kugel dort stecken? Er schaut seinen Arm hinab, doch statt einem Einschussloch fand er dort eine Nadel, halb in seinem Arm vertieft, die andere Hälfte außerhalb und mit einem dünnen Schlauch verbunden. Der Mann folgte dem Verlauf dieses Schlauches und sah, dass er an einem Tropf hing. Die dort herunterfallenden Tropfen einer Kochsalzlösung störten die Ruhe mit einem leisen, aber steten Tropfen. Irgendwie musste der Mann grinsen. Bin ich nicht gestorben? Sollte ich nicht tot sein? Das Grinsen ging in ein leises Lachen über. Er hatte doch die Kugeln gespürt, sie schlugen immer wieder auf seinen Körper ein. Das dürfte doch wohl genügt haben, um ihn von dieser Welt zu schaffen. Um ihn zu erlösen, denn insgeheim hatte er auf den Tod gewartet. Was gab es denn auf dieser Welt, was ihn gehalten hätte? Seine Augen wurden wieder schwer. Er wollte schlafen, sich im Schlaf vor dieser Welt verstecken, einfach nichts mehr damit zu tun haben. Dem Ganzen am liebsten ein Ende setzen. Warum war er noch hier? „Kaum bist du aufgewacht, willst du wieder schlafen. Hah, als hättest du noch nicht lange genug geschlafen in diesen drei Monaten, die du im Koma lagst.“ Eine Stimme! War da doch noch jemand in diesem Raum? Aber, er hatte sich doch gerade umgesehen und niemanden entdeckt, er war allein im Zimmer. Aber, wenn dem wirklich so war, woher kam dann diese Stimme? Er riss die Augen wieder auf und versuchte, sich weiter umzusehen. Versuchte, seinen Kopf nach links zu drehen. Dort sah er nur eine kahle Wand, fleckig und braun vom Zahn der Zeit. Eine Tür war in sie eingelassen, die auch schon ihre besten Tage hinter sich hatte. Von dort kam die Stimme aber nicht. Zu seiner Rechten, zu der er jetzt seinen Kopf drehte, war zwar wieder eine dieser braunen Wände, diesmal aber kurz unterbrochen von einem Fenster, dass sich regelrecht danach sehnen musste, mal wieder gründlich geputzt zu werden. Doch nicht nur der Dreck von mindestens zwei Jahren verdeckte dieses Fenster. Dort war eine Gestalt. Er kniff kurz die Augen zusammen, öffnete sie wieder und versuchte, sich auf die Person, die dort am Fenster war, zu konzentrieren. Sie schienen ihm irgendwelche Medikamente gegeben zu haben, denn er sah alles ziemlich verschwommen. Doch je länger er sich konzentrierte, desto deutlicher wurde die Gestalt. Sie saß auf der Fensterbank. Der Körper halb zu ihm gewandt, der Kopf zum Fenster hin. Er musterte die Kleidung. Sein Blick wanderte dabei von den Schuhen bis zum Hals und blieb nicht einmal stehen. Die Schuhe, schwarzes Leder, sehr elegant, aber nicht auffällig. Achtete man nicht allzu sehr auf sie, schien man sie kaum für so teuer zu halten, wie sie wohl schlussendlich waren. Die Hose war aus feinstem dunkelblauem Stoff, das blaue kaum noch wahrzunehmen. Ähnlich wie bei den Schuhen sah man auch ihr nicht an, zu welch hohen Preis sie erstanden wurde. Der Blick wanderte höher und fiel auf ein dunkelblaues Sakko, ordentlich gebügelt und geknöpft. Durch den Sakkoausschnitt sah man eine dunkelblaue Krawatte auf einem weißen Hemd aufblitzen. Alles in allem schien, zumindest von der Kleidung her, ein berechnender Geschäftsmann dort zu sitzen. Doch von seinem Sitzstil ausgehend war diese Möglichkeit völlig ausgeschlossen. Die Beine lässig übereinander geschlagen, einen Arm leicht in die Hüfte gelegt, der andere leicht angewinkelt, um mit dessen Hand den Kopf zu stützen, der halb gedankenverloren aus dem Fenster zu blicken schien. Der Mann wandte seinen Blick höher und musterte nun den Hinterkopf seines Besuchers. Kurzgeschorene, blonde Haare. Nein, eigentlich kein blond mehr. Es war so blond, dass es schon wie weiß wirkte. Wie bei einem Albino…. Plötzlich hörte er seinen Besucher auflachen. „Hast du mich jetzt genug gemustert?“ Sein Besucher wandte den Blick nun zu ihm und grinste ihn an. Irgendwie hatte er das Gefühl, ihn zu kennen. Kannte er nicht seine Stimme von irgendwo her? Das Grinsen wurde breiter. „Deinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, scheinst du gerade darüber nachzudenken, wer ich eigentlich bin.“ Er machte eine kleine Pause. „Liege ich damit richtig?“ Der Mann im Bett nickte schwach. Er kannte ihn, doch woher? „Meine Stimme solltest du eigentlich noch kennen. Wir hatten damals miteinander gesprochen. Es war zwar nur ein kurzes Gespräch, aber…“ Mit diesen Worten wandte er sich abermals halb ab und verschränkte die Arme vor der Brust. „Vielleicht bist du noch nicht wach genug, um mich erkennen zu können…du warst ja einige Zeit weg, da hast du meine Stimme sicher vergessen.“ Etwas Trauer umspielte seine Gesichtszüge, dann jedoch wandte er sich wieder dem Mann zu. „Aber das soll uns erst mal egal sein…“ Er erhob sich von der Fensterbank und näherte sich dem Bett, die Arme immer noch verschränkt und den Kopf zu Boden gerichtet, ganz langsam einen Fuß vor den anderen setzend. „Was ich mich momentan eher frage…“ Mit diesen Worten blieb er jäh stehen, keinen halben Meter mehr von der Bettkante entfernt. Er hob seinen Blick und grinste den anderen Mann leicht an. „Wie geht es dir denn, Gene?“ Gene grinste schwach. „Bescheiden, wenn ich ehrlich sein soll.“ Er hob schwach eine Hand an die Stirn und führte seinen Blick wieder zur Decke. „Wo…wo bin ich?“ „In einem Krankenhaus in einem kleinen Provinznest von Südamerika.“ Sein Gesicht versuchte einen entschuldigenden Ausdruck, der aber durch das immer noch vorhandene leichte Grinsen eher wie eine Verhöhnung wirkte. „Leider konnten wir dich nicht über die Grenze und in eine moderneres Krankenhaus in den U.S.A. bringen, aber warum dem so ist, brauch ich dir ja nicht weiter zu erklären, dass solltest du besser wissen.“ Und wie er das besser wusste! Schließlich war er es gewesen, der den U.S.A. mit dem atomaren Schlag gedroht hatte. Es hätte alles so perfekt laufen können. Doch ‚er’ funkte dazwischen, vereitelte seinen ganzen Plan, zerstörte alles, was er sich dafür in all den Jahren erarbeitet hatte. Alles zerstört durch einen einzelnen Mann. „Was ist mit ihm geschehen?“ fragte Gene. Der andere Mann schien etwas überrascht zu sein von dieser Frage, schien einen Moment zu überlegen und antwortete dann ganz langsam. „Wenn du mit ihm Big Boss meinen solltest…ihm wurde das Kommando über eine eigene Einheit übergeben.“ Er grinste wieder. „Ich finde ihren Namen sogar recht passend, wenn man überlegt, was er in seiner letzten Mission gemacht hatte…“ Doch Gene interessierte das nicht. Vorerst nicht. Erst wollte er endlich erfahren, wer dieser Mann war, der neben seinem Krankenbett stand. Er wollte wissen, wer er war, und er wollte wissen, was er von ihm wollte. Seine Stimme kam ihm bekannt vor, und je länger er ihm zuhörte, desto näher schien auch sein Name an sein Bewusstsein zu treten. Meinte er nicht, sie hätten damals ein Gespräch geführt? Welches damals meinte er nur? Gene versuchte, sich zu erinnern. Damals…San Hieronymo…hatte er da nicht mit jemandem am Telefon geredet? Er zwang sich regelrecht dazu, sich zu erinnern. Eigentlich war es gar nicht so lange her, zumindest dann, wenn man seinem Besucher trauen konnte. Es waren nur drei Monate. Ihm kam es wie Jahre vor. Er hatte mit jemandem telefoniert…nein, nicht mit jemandem, er hatte mit diesem Mann telefoniert…doch…der Name... Gene wandte seinen Blick noch mal zu seinem Besucher, der sich zu amüsieren schien. „Immer noch dabei, mir einen Namen zuzuordnen?“ Er grinste und fuhr sich lässig mit einer Hand durch die kurzen Stoppeln seiner Haare. „Vielleicht erinnerst du dich, wenn ich einen bestimmten Laut von mir gebe?“ Mit diesen Worten grinste er noch mehr, blickte Gene tief in die Augen. Atmete tief ein. Machte den Mund auf. Und Miaute. „Meeeooow.“ Dieser Laute schien von allen Wänden des Raumes zurückzuschallen. In Genes Ohren dröhnte er wie tausend Trompeten. Er kannte diesen Laut, er kannte diesen Mann, seine Stimme… …und nun auch seinen Namen. Er versuchte ein schwaches Grinsen. „Ich…ich erinnere mich wieder…du bist ein Spion der amerikanischen Regierung. Dein Codename…lautet Ocelot.“ Er machte eine kurze Pause, als ob er noch nach dem letzten Bruchstück des Namens suchen würde. „Revolver Ocelot. Was…was willst du von mir? Warum wurde ich gerettet?“ Ocelot seufzte auf. Er hob eine Hand, führte sie zu seinem Kopf und rieb sich mit zwei Fingern die Schläfe. „Langsam kann ich diesen Namen nicht mehr hören. Für alle bin ich nur Revolver Ocelot.“ Sichtlich genervt blickte er wieder Gene an, behielt seine Finger aber noch an der Schläfe. „Also klären wir erst mal eines, bevor ich dir erkläre, warum sich jemand die Mühe gemacht hat, einen Versager wie dich zu retten…“ Er zeigte mit dem Zeigefinger der anderen Hand auf Gene. „Nenn mich ADAM“, meinte Ocelot nur und grinste dabei wieder. Gene seufzte nun seinerseits auf. „Wenn du meinst, dass dieser Name eher zu dir passt…“ Bedächtig hob er den Kopf und starrte Ocelot wütend und genervt zugleich in die Augen. „Jetzt, wo wir diesen Punkt geklärt hätten…“ Gene machte eine kurze Pause und sammelte seine Kräfte. Irgendwie hatte er das seltsame Gefühl, dass dieser Junge dort ihm selbst jetzt nichts erklären würde, dass er irgendwelche Ausflüchte finden würde, um sich aus dieser Situation herauszuwinden. Also gab es für ihn jetzt nur noch eine Möglichkeit, dass er von Ocelot wirklich eine Antwort bekäme. Gene grinste in sich hinein. Ja, so würde er eine Antwort bekommen, endlich eine Antwort auf seine Fragen. Diesem kleinen Jungen da neben seinem Bett würde gar keine andere Möglichkeit offen stehen, als ihm eine Antwort zu geben. Es wird geradezu aus ihm heraussprudeln. Gene konzentrierte sich. Seine Stimme würde ihm Zugang zu dem Wissen beschaffen, nach dem es ihn verlangte. Er blickte Ocelot finster und überlegen an. „Und jetzt hätte ich gerne Antworten! Du fängst sofort damit an, zu reden!“ Seine Stimme klang, als würde sie von den Wänden eines riesigen Saals reflektiert werden. Wie ein Echo wurde seine Aufforderung immer wieder und wieder zurückgeworfen. Ocelot würde seiner Stimme nicht widerstehen können. Er würde reden, reden und nochmals reden. Kein Detail auslassend. Jede noch so winzige Kleinigkeit würde aus seinem Munde kommen, soviel, bis er vor lauter Reden ausgelaugt wäre. Das alles würde geschehen, selbst wenn er es nicht wollte. Eine kurze Pause entstand. Warum antwortete er noch nicht? Gene wurde ungeduldig. Dann plötzlich zog sich eine Grimasse durch Ocelots Gesicht, und er fing schallend an zu lachen. Er krümmte sich regelrecht vor Lachen, konnte sich nicht mehr beherrschen. Wie? Was? Was soll das? Warum lacht er auf? Warum…sollte er jetzt nicht eigentlich losreden? Sollte er nicht das unwiderstehliche Verlangen haben, ihm alles zu erzählen? Nicht das Gefühl haben, wenn er ihm jetzt nicht alles erzähle…dass er ihn betrüge? Stattdessen stand er nun vor ihm und lachte sich dumm und dämlich. Er schien gar nicht mehr aufzuhören. Wie? Wie konnte er nur? Gene war sichtlich verwirrt. Dieser Junge verwirrte ihn. Noch…noch niemand zuvor hielt seiner Stimme stand. Niemand zuvor…Nein, halt, es gab jemanden, aber das war was anderes. Dieser Jemand war anders. Aber dieser Junge dort…Dieser Junge war doch sicherlich noch nicht einmal halb so alt wie er selbst, wie konnte er es also wagen, sich ihm zu widersetzen? Oder…vielleicht…? Zweifel machten sich in Genes Gedanken breit. Vielleicht widersetzte er sich ja gar nicht. Vielleicht reichte auch einfach seine Kraft nicht mehr aus. Vielleicht…war er zu schwach… Langsam hörte Ocelot auf zu lachen und wischte sich schnell eine Lachträne aus den Augen. „Ahahaha, das hat Spaß gemacht.“ Keine Sekunde später hatte er sich auch schon wieder gefasst und grinste Gene wie zuvor auch schon an. „Na ja, wie auch immer...“, sagte er und winkte ab. „Deine beiden Fragen beantworte ich das nächste Mal, wenn wir uns wieder sehen.“ Die Türklinke bewegte sich und eine Krankenschwester, keine 1,50m groß, um die vierzig und mit einem ungesunden braunen Teint betrat das Zimmer. Sie trug ein Tablett mit mehreren Tellern und Schüsseln herein. Wahrscheinlich das Essen. Das Geschirr war mit undurchsichtigen Hauben verdeckt, um wohl den Patienten den Eindruck zu vermitteln, dass sie sich auf etwas freuen könnten. Ocelot ergriff wieder das Wort. „Ich war vorhin so frei und habe dem Personal ein Zeichen zukommen lassen, dass du wieder wach seist. Nach all der flüssigen Nahrung willst du doch sicher wieder etwas bissfestes zu dir nehmen“, grinste er Gene an, gab der Krankenschwester ein kleines Handzeichen und machte sich auf den Weg zur Tür. Als er die Hand auf der Klinke hatte, blickte er sich noch einmal zu Gene um. „Wir sehen uns bald wieder.“ Diese Worte klangen fast wie eine Drohung. Er drückte nun endlich die Klinke durch, öffnete die Tür, trat hinaus auf den Gang und ließ sie hinter sich zufallen. Rotzbengel! , dachte sich Gene nur. Dieser Junge nahm sich einfach zuviel heraus. Wer dachte er eigentlich, wer er ist, dass er Gene so behandeln könne? Es schlauchte ihn merklich, dass Ocelot so herablassend zu ihm war. Versager…so etwas musste er sich von so einen kleinen Emporkömmling nicht bieten lassen. Sein Ruf als einer der besten Spione der Regierung eilte ihm zwar voraus, aber als Gott den Respekt verteilt hatte, war Ocelot anscheinend damit beschäftigt, sich bei der Schlange für Hochnäsigkeit vorzudrängeln. Beim nächsten Treffen würde er ganz andere Seiten ihm gegenüber aufziehen, da war Gene sich sicher. Obwohl er in Gedanken noch immer über Ocelot zeterte, verlagerte sich sein Interesse langsam zur Krankenschwester und er begann, sie zu beobachten. Sie war fleißig dabei, alles für seine Speisung vorzubereiten. Emsig wie eine Biene und mit kleinen Tippselschritten lief sie vom Bett zu dem einzigen Tisch im ganzen Zimmer. Eigentlich konnte man ihn kaum als Tisch bezeichnen, es war eher ein Brett, das an einem kleinen, auf Rollen verschiebbaren Gestell befestigt war. Sie stellte das Tablett dort ab und schob den Tisch zum Bett, und bald schwebte das Brett mit dem Essenstablett über Genes Hüften. Schnell machte sie sich daran, die Kopfseite des Bettes nach oben zu verstellen, damit Gene, nur um zu essen, nicht seine Kraft dafür verschwenden musste, sich aufrecht hinzusetzen, um überhaupt an die Teller zu kommen. Als sie damit fertig war, wandte sie sich dem Tablett und vor allem den Hauben auf den Tellern zu. Sie griff sich eine Haube und enthüllte somit die unter ihr befindliche Überraschung. Gene interessierte sich eigentlich nicht für das Essen. Er war jetzt ganz und gar mit der Beobachtung der Krankenschwester beschäftigt. Die enthüllte nach und nach die Geheimnisse seines Tabletts, schaut einmal kurz zu ihm und schenkte ihm eines dieser typischen Krankenschwesterlächeln. Er erwiderte es, aber bei weitem nicht mit soviel Elan, wie es ihm von ihr entgegengebracht wurde. Und in einem noch wichtigeren Faktor unterschieden sich ihres und sein Lächeln: Ehrlichkeit. In seinen Gedanken hatte er schon etwas anderes mit ihr vor. Sie machte sich währenddessen daran, die Gabel zu nehmen, die neben einem der vielen Teller lag, und auf einem ebendieser herumzustochern. Wollte sie ihn etwa füttern? Was für eine Unverschämtheit! Ich habe ja wohl noch genug Kraft, um alleine zu essen, dachte Gene wütend. Wie konnte sie es wagen, ihn damit nur noch mehr zu demütigen, als es Ocelot eh schon getan hatte… „Geben sie mir die Gabel und verschwinden sie! Ich bin dazu sehr wohl noch selbst in der Lage!“ Seine Stimme hallte wie ein Echo im Verstand der Krankenschwester wider. Schmetterte von allen Seiten auf ihren Verstand ein. Nahm langsam von ihr Besitz und steuerte ihr Verhalten. Ihre Augen verloren ihren Glanz, wurden stumpf. „Sì, Señor“, gab sie als einzige Worte von sich und reichte Gene die Gabel, die er ihr regelrecht aus der Hand riss. Sie verbeugte sich noch einmal. Drehte sich zur Tür. Öffnete sie und verließ schnellstmöglich das Krankenzimmer. Gene grinste triumphierend, als er die Tür hinter ihr zuschlagen hörte. Er hatte doch nichts von seinen Fähigkeiten eingebüßt, dieser Ocelot hatte vorhin einfach nur Glück gehabt. Das nächste Mal ist er dran! Mit diesem Gedanken auf den Lippen machte er sich daran, seine erste Mahlzeit nach drei langen Monaten des Schlafes zu sich zu nehmen. Kapitel 2: Langeweile und Geständnisse -------------------------------------- Kaum war ich zur Tür heraus nach diesem ersten Gespräch, schon fühlte ich mich unendlich müde und erschöpft. Ich hätte mich gleich an die Tür lehnen können und wäre in mich zusammengesackt. Deine Attacke hatte mir schwer zugesetzt, weißt du das? Als ich dort neben deinem Bett gestanden hatte und deine unendlich weit klingende Stimme mir den Befehl gab, zu reden… Ich konnte mich kaum zusammenreißen. Meine Zunge wollte mir nicht mehr gehorchen, meine Stimmbänder wollten Wellen in die Luft setzen, die in deinen Ohren dir die ganze Wahrheit offenbart hätten. Beinahe hättest du schon an diesem Tag mehr von mir erfahren, als ich dir hätte preisgeben wollen. Die ganzen Hintergründe hinter deiner Rettungsaktion, wie es geschehen war, mit welcher Dringlichkeit gearbeitet wurde, um dich aus den Trümmern zu holen. Um dich den Fingern der amerikanischen Regierung zu entreißen, die dich am liebsten nur tot gesehen hätten. Vor allem hättest du eines erfahren: ‚Wer’ das alles arrangiert hatte…wer dich retten wollte… Das ich dich haben wollte. Doch durch deine Unsicherheit konnte ich mich aus deinen verbalen Fesseln befreien. Deine Unsicherheit zeigte mir ein Schlupfloch, wies mir einen Weg, mich aus deiner Schlinge zu reißen, die sich langsam um meinen Hals gelegt hatte. Ich lachte. Ich lachte, weil ich deiner Macht dieses Mal entkommen war. Dieses Mal solltest du noch im Unwissen bleiben. Dieses Mal… Vielleicht wäre es das nächste Mal anders? Vielleicht… --------------------------------------------------------------------------------- Es war nun schon eine Woche her, seit Ocelot ihn besucht hatte. Seit dieser kleine Junge in seinem Angeberanzug hier aufgekreuzt war, ihn fast zu Weißglut gebracht hatte. Noch jetzt bekam er Kopfschmerzen bei dem Gedanken daran. Dieses Balg hatte ihn als Schwächling dargestellt. Versager. Versager. Versager. Immer noch klang dieses Wort in seinen Ohren nach, noch immer quälte und schmerzte es ihn. Versager. Versager. Versager. Gene legte sich schnell die Hände auf seine Ohren und schloss seine Augen. Dieser kleine Bastard! Wie hatte er es nur geschafft, dass er so in seinem Kopf herumspukte? Wie hatte er es bewerkstelligt, dass ein einziges Wort ihn so verletzen konnte? Wie das alles…..wie das alles nach nur einem einzigen Treffen? Gene machte die Augen wieder auf. Noch immer lag er in diesem verwahrlosten Krankenhaus, noch immer war er an dieses schäbige Bett gefesselt, dass ihn mit den kaputten Sprungfedern seiner durchgelegenen Matratze, die ihm immer wieder in den Rücken stachen, daran erinnerte, dass das hier kein Traum, sondern bittere Realität war. Am liebsten wäre er schon längst aus dieser Einrichtung geflohen, doch noch immer hatte er keine Kraft in den Beinen, keine Kraft, um aufzustehen. Sie wollten ihn nach den drei Monaten der völligen Ruhe einfach nicht mehr tragen. Sie hatten sich ihm verweigert. Ihm blieb somit nichts anderes übrig, als zu bleiben und zu warten. Gene seufzte und dachte an die letzten Tage, die er hier wach verbrach hatte. Er hatte es sich zu einer Art Sport gemacht, das Personal zu ärgern und zu den absurdesten Sachen zu überreden, wie er es nannte. Von der Putzfrau, die aus des Toilette trinken sollte, über die Krankenschwester, die wie ein Huhn gackernd und geifernd durch das Zimmer schwankte bis zum Arzt, der sich selbst seine Spritzen setzen sollte, er hatte da keinen Unterschied gemacht. Es war alles zum Brüllen komisch gewesen. Doch das Beste hatte er sich mit dem Chefarzt und dem Krankenhauspriester geleistet. Ein Schmunzeln machte sich auf seinem Gesicht breit. Das war wirklich der Höhepunkt bisher gewesen. Es fing schon gut an, als beide vor ein paar Tagen in sein Zimmer traten und nach dem Rechten sehen wollten. Bis jetzt wusste er noch nicht, warum auch der Priester mitkam, aber das sollte ihm egal sein. Als erstes schritt der Chefarzt durch die Tür, marschierte eingebildet, wie ein Chefarzt nur sein konnte, herein und enthüllte sein perfektestes Perlweißlächeln. So wie er hereinstolzierte konnte man ihn leicht mit einem Pfau verwechseln, der mit seiner Federpracht die willigen Weibchen beeindrucken wollte. Er schien sich wirklich für den Besten zu halten, nicht nur ein Halbgott in Weiß, hier kam der Gott. Dennoch trübte eine Sache sein auftreten, denn seine Größe war wirklich nicht von göttlicher Natur. Er maß gut und gerne 1.60m. Mit Schuhen. Der Priester, der hinter ihm ins Zimmer schritt, war da schon ein ganz anderes Kaliber. So wie er in seiner Robe erschien, wirkte er wirklich Furcht einflößend, wie der schwarze Mann aus den Gutenachtgeschichten für die kleinen Kinder, die den ganzen Tag über nicht brav waren. Mit seiner Größe kratzte er schon an der 2m-Marke, seine Arme waren dick wie Baumstämme und sein Gesicht war Furcht erregend, erst recht, wenn er jemanden anlächelte. Eine wahrlich teuflische Waffe Gottes. Auf so einen Verfechter seiner Religion konnte der Herr dort oben wahrlich stolz sein, falls es ihn wirklich gab. Aber er konnte es auch nur dann sein, wenn sein Verfechter nicht den Mund aufmachte. Sobald dies aber geschehen sollte, verlor man sämtlichen Respekt vor ihm. Ein Priester mit dem Aussehen und Auftreten eines Schwergewichtlers, aber dem Gemüt eines Vierjährigen. Diese beiden so konträren Charaktere betraten nun Genes Bühne, um ihm ein kleines Lustspiel zu bereiten. Doch das konnte noch etwas warten. Erst wollte Gene sie noch eine Weile beobachten, bevor er zuschlagen würde. Es würde herrlich werden. Sie betraten seine Bühne durch die halbverrottete Tür, die schwer dabei ächzte. Man bekam das Gefühl, dass sie eigentlich jeden Augenblick aus denn Angeln fallen sollte, doch sie hielt sich wacker. Schnellen Schrittes trat nun der Chefarzt an sein Bett , mit seinem penetranten Lächeln im Gesicht, dass nur noch von den Ohren davon abgehalten wurde, sich in einem perfekten Kreis um den Rest seines Gesichtes zu legen. Der Priester ging langsam und bedächtig im Zimmer umher, jeden Schritt überlegend, als würde er jeden Flecken Erde, auf den er seinen Fuß setzen wollte, erst gründlich sondieren, um nicht versehentlich auf ein Kleinstlebewesen zu treten und auf Grund dessen in den tiefsten Tiefen der Hölle zu landen. Gene konnte das irgendwie verstehen. Ihm war das vermehrte Auftreten von Kakerlaken, Asseln und Silberfischchen in seinem Zimmer auch schon aufgefallen. Weiter den Priester beobachtend, der nun bedächtig zur Fensterbank schritt und seine Robe straffte, um sich keine Falten in dieser zu sitzen, wenn er sich auf der Fensterbank niederließ, wurde Gene vom Chefarzt allzu überschwänglich begrüßt. „Ah, Señor Gene!“ Seine Stimme überschlug sich fast, als er nach Genes Hand griff und sie kräftig schüttelte. Dabei grinste er die ganze Zeit hohl vor sich hin. „Sind sie doch endlich aufgewacht?! Wir dachten schon, sie würden es nie mehr schaffen und hatten unseren Padre Peréz schon auf sie vorbereitet.“ Dabei zeigte er nach hinten zu dem mit fest zusammengehaltenen Beinen sitzenden Priester, der kurz von seiner Bibel aufblickte, die er sich mitgebracht hatte, Gene leicht zuwinkte und grinste. „Aber zum Glück sind sie wieder OK, nicht wahr? Na, dann wollen wir doch mal sehen, wie es uns denn geht.“ Daraufhin ging er zum Fußende des Bettes und nahm sich die Krankenakte, die in einem kleinen Drahtgestell dort hing. Gene konnte ein Blatt mit einer ziemlich langen Kurve anschauen, die in langsamen Schritten stetig sank. „Ah, wie ich sehe machen wir rasante Fortschritte“, sagte der Arzt in einem sehr akzentreichen Englisch. Doch dann verzog sich seine Stirn zu einem zerklüfteten Gebirge. „Aber diese Blutwerte gefallen mir noch nicht. Wir werden sie wohl noch eine Weile hier behalten müssen.“ Und kaum hatte er das gesagt, begann er eine lange, in feinstem Fachchinesisch gehaltene Rede über Genes Gesundheitszustand. Diesen interessierte das nur leidlich, filterte nur die wichtigsten Informationen heraus. Was er schon machen durfte. Was er noch sein lassen sollte. Welche Medikamente ihm noch gegeben werden sollten. Wann er endlich von hier verschwinden könnte. „Wir werden sie noch mindestens einen Monat hier behalten und beobachten müssen, ehe wir sie entlassen können….“, und schon war der Chefarzt wieder bei den Fachausdrücken, seinem Element, in dem er sich wohl fühlen konnte. Gene seufzte innerlich. Noch ein ganzer Monat. Ein ganzer Monat in dieser Ruine. Warum das alles? Hätte man ihn sterben lassen, müsste er jetzt nicht so was ertragen. Es hätte zu Ende sein können. Dieses Mal hatte ihn jemand vor der Sense gerettet, doch das nächste Mal würde er dem Tod nicht noch einmal von der Schippe springen. Das nächste Mal ist es endgültig. Der Chefarzt setzte seine Rede fort, unbeirrt dessen, dass Gene ihm eigentlich überhaupt nicht mehr zuhörte, sondern seine Aufmerksamkeit lieber ganz und gar dem Priester zuwandte, der sich auch lieber mit seiner Bibel zu beschäftigen schien als mit irgendeiner Person, die sich in diesem Raum befand. Gene musterte diesen Diener Gottes eingehend. Was für eine Verschwendung von Material. Mit dieser Statur und diesen Muskeln hätte er einen perfekten Soldaten abgegeben. Solch ein Potential, einfach verschwendet, nur um ein Sklaventreiber für eine Religion zu werden, denen die Menschen in letzter Zeit vermehrt ihren Rücken zugewandt hatten. Gene grinste vor sich hin. Dem Priester wurde diese Musterung sichtlich unangenehm, er schien, auch wenn er seinen Blick unbeirrt auf seiner Lektüre gerichtet hatte, die Blicke zu spüren, die Gene auf ihn platzierte, und begann zu schwitzen. Er fuhr sich mit einem Finger unter den Kragen seiner Robe, lockerte ihn etwas und schluckte schwer. Jetzt musste Gene noch mehr grinsen. „So, ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen stimmen sie mit meiner Diagnose somit überein.“ Nun war es wieder die Aufgabe des Chefarztes, Genes Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, was ihm durchaus gelang. Er klappte die Krankenakte wieder zu und steckte sie in ihr Gestell zurück. „Dann ist es beschlossene Sache, dass sie noch etwas länger in unserem Hause verweilen.“ Gene ließ den Chefarzt reden und konzentrierte sich wieder auf den Priester. Dieser wurde immer ungeduldiger, je länger er von Gene beobachtet wurde, schien regelrecht aufspringen zu wollen, um schnellstmöglich aus diesem Zimmer und aus seinem Blickfeld zu kommen. Er fing an, noch mehr zu schwitzen, obwohl in dem Zimmer angenehme 24°C herrschten. Diesmal tat Gene ihm den Gefallen und schaute weg. Es war langsam soweit. Gleich würde er sein Theaterstück spielen lassen. Er schaute zum Chefarzt, und ein Grinsen machte sich über seine Gesichtszüge breit. Würden der liebe Herr Doktor und der ach so fromme Moralapostel nicht perfekt zueinander passen? Langsam machte sich eine Idee in Genes Gedanken breit, eine Idee, die in ihren Grundzügen schon vorhanden war, als die beiden sein Zimmer betraten, nun aber konkrete Gestalt annahm. Das würde sicher Spaß machen, dachte er und rieb sich innerlich die Hände. Jetzt fehlte nur noch der rechte Einstieg. Und wie auf ein Stichwort gab der Chefarzt auch das erhoffte Zeichen. „Na dann, Señor Gene“, lächelte er den im Bett liegenden Mann an. „Haben sie noch irgendwelche Fragen, oder vielleicht irgendwelche Wünsche, denen wir für sie nachgehen könnten?“ Genes Grinsen bekam einen fiesen Unterton. „Da gibt es etwas, womit sie mir eine Freude bereiten könnten.“ Seine ganze Kraft auf seine Stimme konzentrierend, blickte er dem Chefarzt tief in die Augen und sagte, mit dem Kopf in Richtung des Priesters deutend: „Holen sie ihm einen runter.“ Die Augen des Arztes wurden stumpf und emotionslos, wie schon bei der Krankenschwester ein paar Tage zuvor, und er schritt, ohne ein Widerwort, zu dem immer noch auf seine Bibel fixierten Priester, der von der Szene bisher noch nichts mitbekommen zu haben schien. Doch sofort wurde ihm seine Lektüre aus der Hand gerissen und in eine Ecke des Zimmers geschleudert. Er selbst wurde von dem festen Griff des Arztes festgehalten, der sich wiederum vor den Priester kniete und sich an dessen Hose zu schaffen machte. Vollkommen überrascht versuchte der Priester, sich zu wehren und aus dem Griff des Arztes zu befreien, der sich voller falscher Wollust anscheinend nicht mehr halten konnte. Doch Gene war schneller und funkte dazwischen. „Sie werden schön dort sitzen bleiben, Mr. Peréz, und die Sachen genießen, die er mit ihnen anstellen wird.“ Nun verloren die Augen des Priesters ihren Glanz und augenblicklich hörte er auf, sich zu wehren und gab sich den Berührungen des Arztes hin. Es war wirklich ein Anblick für die Götter. Das war ein Spaß! Gene lag immer noch allein im Zimmer und amüsierte sich bei dem Gedanken an diesen Anblick vor wenigen Tagen. Ein Arzt und ein Geistlicher…ein wahres Traumpaar. Als sie dann fertig waren und aus der Trance erwachten, wurde es erst richtig amüsant. Beide schauten sich verlegen an, der Arzt wischte sich den Mund und der Priester schloss schnell seine Hose. Keine zwei Sekunden später waren sie aus dem Zimmer und Gene sah sie nicht mehr wieder. Leider hatte er seit diesem Vorfall nichts in der Art mehr machen können. Das Personal mied ihn, blieb und kam nur so lange ins Zimmer, wie es nötig war, brachte ihm nur noch das Essen zu den eingeteilten Zeiten oder gab ihm seine Medikamente. Niemand hatte mehr Lust, zu seinem Spielball zu werden. Ein Seufzer kam ihm über die Lippen. Es wurde langsam langweilig hier. „Nanana, ist hier jemand etwa unzufrieden mit seiner Situation?“ Diese Stimme schon wieder! Gene blickte auf und sah Ocelot direkt in die Augen, der gleich am Fußende des Bettes stand und sich an der Bettkante aufstützte. Soviel wie Gene sehen konnte, war er heute etwas legerer gekleidet. Ein kurzärmeliges T-Shirt und ein rotes Barett. Genes Gesicht verzog sich zu einer wütenden Grimasse. „Das geht dich einen feuchten Dreck an, Ocelot!“ schrie er ihn an. Wie war ein rein gekommen? Es war keine Tür zu hören…wie hatte er es geschafft, sich so nah an ihn heranzuschleichen, ohne auch nur das geringste Geräusch zu verursachen? „Wie bist du überhaupt hier hereingekommen? Es wäre besser für dich, du würdest so schnell wie möglich wieder verschwinden, denn ich habe sehr schlechte Laune!“ Das stimmte sogar. Kaum hatte er Ocelot gesehen, schon hatte Gene eine unendlich scheinende Wut im Bauch. Ocelot grinste nur, und statt ihm eine Antwort auf seine Frage zu geben, säuselte er nur: „Du bist so süß, wenn du dich aufregst.“ Er erhob sich von seiner stützenden Position und schritt näher auf Gene zu, der nun auch Ocelots Hose musterte. Es war eine blaue Jeans. Ocelots Gesicht wurde wieder ernst. „Aber sag mir, hatte ich es dir nicht das letzte Mal schon gesagt? Ich heiße nicht Ocelot. Nenn mich Adam.“ Gene keifte ihn an: „Ich nenne dich, wie es mir passt, hast du verstanden?! Ich lasse mir von einem kleinen Jungen wie dir nicht vorschreiben, was ich zu sagen habe!“ Daraufhin musste Ocelot wieder grinsen. Er stand nun neben Gene an der von ihm aus rechten Seite des Bettes und beugte sich mit verschränkten Armen zu seinem Gesicht vor. „Und ob ich dir etwas zu sagen habe…“ Er löste einen Arm aus der Verschränkung, hob ihn langsam und führte eine Hand an Genes Gesicht. Mit einem Finger glitt Ocelot ihm leicht über die Wange. „Wenn du wüsstest“, sagte er leicht lächelnd. Gene schlug Ocelots Hand von seiner Wange weg und sah ihm mit einem Blick an, der sagte, wenn er ihn noch einmal berühren würde, sei er tot. Ocelot hingegen verschränkte die Arme wie schon zuvor, wich vom Bett zurück, drehte sich mit dem Rücken zu ihm und ging auf das schmutzige Fenster zu. „Ich habe vom Personal gehört, dass du hier Ärger machen würdest.“ Seine Stimme klang hart und keine Widerworte akzeptierend. Gene musste lächeln. Wie schnell dieser Ocelot doch sein Gemüt verändern konnte. Wie ein Schauspieler. „Und wenn ich das getan hätte? Das sollte dir doch egal sein, ich kann machen, was ich will“, meinte er nur gleichgültig, streckte sich und legte sich die Hände unter den Kopf, um diesen somit zu stützen. Seine Haltung war ein Ausdruck vollster Zufriedenheit. Er hatte einen wunden Punkt bei Ocelot gefunden, und das erfreute ihn sichtlich. „Es geht dich nichts an, was ich mache…“ „Und wie es mich etwas angeht!“ Wütend drehte sich Ocelot zu ihm um, das Gesicht voller Zornesröte. „Was meinst du eigentlich, wer hier für deine Taten gerade stehen muss? Ich bürge hier für dich, Gene!“ schrie er ihn an. Einen Moment sahen sich die beiden Männer wütend an. Die Luft zwischen ihnen war wie elektrifiziert, es knisterte hörbar und man konnte schon fast die Blitze zwischen ihnen zucken sehen. So verharrten sie einen Moment, bis sich Ocelot seines Verhaltens bewusst wurde. Er seufzte einmal laut auf, führte sich eine Hand an die Stirn und schloss die Augen. Einen Augenblick herrschte Ruhe, die dann aber von Ocelot unterbrochen wurde, als er wieder das Wort ergriff. „Gene, wenn du hier Ärger machst, wirft das ein schlechtes Licht auf mich. Und nicht nur mir schadet es, auch dir wird es schaden.“ Seine Stimme klang leicht verzweifelt, war aber dennoch fest. „Was meinst du eigentlich, wer veranlasst hat, dich da rauszuholen?“ Er ließ seinen Kopf sinken und seufzte erneut. Gene hingegen spitzte die Ohren. Ocelot wollte es ihm wirklich sagen! Endlich würde er erfahren, wer es war, der ihn den Händen des Todes entrissen hatte. „Jetzt kannst du es ja erfahren…wenn du es dir nicht eh schon gedacht hast.“ Langsam drehte sich Ocelot zu Gene, hob seinen Kopf und lächelte ihn schwach an „Das war eigentlich auch der Grund, weswegen ich heute zu dir gekommen bin. Ich wollte dir sagen…“ Er holte noch einmal tief Luft, bevor er weiterfuhr. „Ich war es.“ Sein Lächeln wurde einen Hauch trauriger. „Ich hatte dafür gesorgt, dass du von dort herausgeholt werden solltest. Ich…und meine frühere Einheit…zumindest, was von ihnen übrig geblieben ist. Es war nicht einfach….die CIA hatte schon ihre Männer für die Räumung der Anlage angeheuert. Sie sollten Spuren aufnehmen, Spuren vernichten, Spuren legen. Vor allem sollten sie Spuren von dir finden und zerstören, damit jegliche Hinweise auf deine Existenz verloren gehen würden. Vor allem sollten sie dich finden. Lebendig oder tot machte für sie keinen Unterschied, denn hätten sie dich lebendig gefunden, dann hättest du Bekanntschaft mit einer ihrer Kugeln gemacht.“ Er grinste und drehte sich wieder weg. „Wir waren aber etwas schneller. Wir fanden dich eher und konnten dich hier unterbringen…“, und bei diesen Worten machte er eine ausladende Geste, um seine Worte noch etwas zu unterstreichen. „Wenn auch zu einem hohen Preis. Ich konnte zumindest meine Verbindungen nutzen…und damit einen der interessantesten Menschen retten, dem ich je begegnet bin.“ Gene war geschockt. Es wollte eigentlich ein Widerwort geben, irgendetwas dazwischen werfen, nur um Ocelot zu verletzen. Doch was er jetzt gerade erfuhr, war einfach unglaublich. Ocelots Lächeln verzog sich wieder zu einer grinsenden Grimasse. „Also sei mir dankbar.“ Nach dieser langen Erklärung streckte er sich einmal, blickte auf seine Armbanduhr und dann wieder zu Gene. „Die Besuchszeit ist um. Wie ich hörte, bist du noch einen ganzen Monat hier. So lange, wie du hier bist, wirst du damit vorlieb nehmen müssen, dass ich dich besuchen komme.“ Gene wollte protestieren, doch Ocelot wimmelte ihn ab. „Keine Widerworte. Du stehst unter meiner Obhut. Machst du Ärger, dann…“ Daraufhin lachte er nur fies, anstatt den Satz zu beenden. Wieder zur Tür schreitend, winkte er noch einmal lasziv über die Schulter und sagte leise: „Arrivederci.“ Und schon war er wieder aus der Tür und aus dem Zimmer. Gene war immer noch verwirrt. Dieser kleine Junge hat mich gerettet? Er hat dafür gesorgt, dass ich noch lebe? Er bürgt für mich? Eine Hand an die Stirn führend, schüttelte er eine ganze Weile den Kopf, als wolle er die Wahrheit, die ihm Ocelot gerade offenbart hatte, von sich abschütteln. Das konnte einfach nicht sein! Er hatte doch überhaupt keinen Nutzen daraus ziehen können, Gene zu retten. Warum das also? Gene grübelte sorgfältig darüber nach, doch nach einer Weile bekam er davon Kopfschmerzen. Ocelot, was hast du nur mit mir vor? , dachte sich Gene. Er führte eine Hand an die Wange, an der ihm Ocelot mit seinen Finger entlang geglitten war. Kurz darauf verbesserte er sich in Gedanken. Nein, nicht Ocelot…es heißt Adam. Kapitel 3: Auf wessen Seite... ------------------------------ Nach diesem zweiten Gespräch mit dir fühlte ich mich etwas erleichtert, ganz so, als wäre mir ein Stein vom Herzen gefallen. Nun kanntest du zumindest die Wahrheit, wer hinter deiner Rettung steckte. Sicher wolltest du es gar nicht wahrhaben, dass ich dafür gesorgt hatte, aber das war eben die Realität. Die Wahrheit. Dass du dir einen Spaß daraus zu machtest, das Personal des Krankenhauses zu ärgern, interessierte mich herzlich wenig. Wenn ich in deiner Situation stecken würde, würde ich vor Langeweile sicher auch mit so etwas anfangen. Ich wäre vielleicht sogar etwas schlimmer als du. Dennoch musste ich dir eine Standpauke machen. Es wäre fatal, wenn du damit weitermachen würdest. Wenn du damit weitermachen würdest, würde es das Personal nicht mehr lange mitmachen. Eines Tages würde ihnen der Kragen platzen. Sie würden dich in ihrer Ohnmacht der Polizei melden. Das wäre ein schwerer Fehler. Sobald die Polizei weiß, wo du steckst, wissen auch sie, wo du steckst. Weiß er, wo du steckst. Es wäre ein fataler Fehler. Du würdest dann nicht mehr lange genug auf dieser Welt verweilen können, um diesen noch zu bereuen. Wenn er hinter dir her wäre, dann wäre es aus mit dir. Aber ich brauche dich noch. Ich habe noch nicht alles erledigt, was ich mir dir vorhabe. Ich musste ihn noch eine Weile von dir fernhalten. Ich hatte dir die Wahrheit gesagt… Doch war es wirklich die Wahrheit? Nein….es war nur die halbe Wahrheit… --------------------------------------------------------------------------------- Ocelot ging einen langen, weiten Gang entlang. Sein langer Trenchcoat schleifte dabei den marmornen Boden entlang, schient unsichtbaren Staub auffangen zu wollen. Das Klacken seiner Stiefel wurde von dem steinernen Boden und der schrecklichen Weite des Ganges nur verstärkt und klang immer bedrohlicher, je weiter er ging. Man hatte nach ihm gerufen, ohne dass er wusste, warum. Was wollten sie von ihm? Sie…sie hatten es doch nicht schon herausgefunden, oder? In Gedanken versunken, steckte Ocelot seine Hände in die weiten Taschen seines Trenchcoats. Er war ihm definitiv zu groß, aber er trug ihn nicht ohne Grund. Mit diesem Kleidungsstück fühlte er sich mit jemandem verbunden. Wenn er ihn trug, so schien es, konnte er die Gedanken und Gefühle jener Person sehen und verstehen. Und es klingt zwar albern, aber irgendwie mochte er auch den Trenchcoat an sich. Langsam schritt er weiter und näherte sich allmählich der Tür, zu der er hinzitiert wurde. Ob er mit ihm wohl über einen Einsatz sprechen wollte? Seinen Rat haben wollte? Oder…ihn einfach nur sehen wollte? Ocelot schüttelte heftig mit dem Kopf. Nein, so etwas würde er nie wollen! Seit er das Kommando hatte, dachte er nicht mehr an andere. Für ihn gab es nur noch den Einsatz…und sich selbst. Wie konnte es nur so weit kommen? Wie konnte sich ein Mensch so sehr verändern? Was ist nur vor drei Monaten mit ihm geschehen, dass er sich in dieses ‚Etwas’ verwandelt hatte? Und er hatte ihn einmal so sehr bewundert… Erneut schüttelte er den Kopf. Nein, das stimmt nicht, dachte sich Ocelot. Du bewunderst ihn noch immer. Dieses Gefühl ihm gegenüber kannst du nicht mehr ablegen. Es wird immer ein Teil von dir sein… Ohne es bewusst bemerkt zu haben, stand Ocelot nun vor der Tür. Er war so in Gedanken vertieft, dass er gar nicht wahrgenommen hatte, dass er ihr schon so nahe stand. Diese Tür trennte ihn noch von ihm. Diese Tür trennte ihre Körper…doch in Wahrheit trennten sie Welten. Ein leises Schaudern erfüllte seinen Körper, glitt ihm langsam den Rücken und sämtliche Glieder hinab. Nach außen hin gab er zwar immer den Gelassenen, der mit jeder Situation zu Recht zu kommen schien. Doch er schaffte es immer wieder, ihn in seinen Grundfesten zu erschüttern, etwas in ihm zu treffen. Es war kein Gefühl von Furcht oder Angst, es war Ehrfurcht. Ehrfurcht, die seinen ganzen Körper erfüllte, wenn sie sich trafen. Ganz ruhig, Adam. Du warst schon so oft bei ihm. Du bist ihm schon so oft begegnet. Lass ihm keine Chance, deine Gefühle zu sehen. Er darf sie nicht bemerken. Er darf sie nicht gegen dich verwenden können. Diese Vorsätze sagte sich Ocelot nun wie ein Mantra vor sich hin, versuchte langsamer, konzentrierter zu atmen. Seinen Puls wieder unter Kontrolle zu bekommen. Seine Hand näherte sich langsam der Türklinke, und noch langsamer drückte er sie durch und öffnete schlussendlich die Tür. Ein Schwall rauchiger, stickiger Luft kam ihm entgegen. Der Raum schien in Nebel gehüllt, dicke Rauchschwaden verdeckten die Sicht auf das gesamte Interieur. Leicht grinsend trat Ocelot langsam ein. Hatte er es also doch noch nicht aufgegeben. Zaghaft ließ er die Tür hinter sich zufallen. Ein leises Klicken war zu hören, als das Schloss hinter ihm zu glitt. „Ocelot…bist du also endlich gekommen. Setz dich bitte.“ Eine rauchige, tiefe Stimme begrüßte in, von der man nicht sagen konnte, ob sie jemandem gehörte oder als selbstständiges Wesen in diesem Raum existierte. Doch Ocelot wusste, wem diese Stimme gehörte, und er wusste ebenso, dass diese Stimme keine Widerworte zuließ. Vorsichtig trat er weiter in den Raum hinein, halb tastend, bis er endlich einen Stuhl vor sich fand, der vor einen Schreibtisch gerückt war. Er griff sich dessen Lehne, zog ihn langsam zurück und setze sich bedächtig auf ihn. Der Stuhl gab ein leises Knarren von sich, ansonsten blieb er stil. Es herrschte ein Moment der Ruhe. Ocelot sah sich etwas um. Durch den Rauch war kaum etwas zu erkennen, nur die Schatten einiger anderer Möbel, wie Schänke, Regale oder sogar ein Sofa waren auszumachen. Die Wände waren von einem einheitlich dichten Grau verdeckt, nur schwer waren die Umrisse von Bilderrahmen zu erkennen, die sie schmückten. Seufzend wandte er den Blick wieder vor sich, zum Schreibtisch. Ocelot musste sich schwer konzentrieren, um hinter dem Schreibtisch etwas ausmachen zu können. Da war ein lederner Bürostuhl. Es schien, als würde eine Hand seitlich aus ihm wachsen, die lässig eine Zigarre hielt. Natürlich wusste er, wem die Hand gehörte. „Wie läuft die Operation, Ocelot?! Die Hand bewegte sich und verschwand hinter dem Stuhl. Eine kurze Pause entstand, man hörte ein leises einatmen, kurz darauf ein heftigeres ausatmen. Eine Wolke dicken Rauches fand ihren Weg zur Decke. „Irgendwelche Ergebnisse bisher?“ Ocelot musste sich schwer zusammen reißen, um nicht in einen Hustenanfall auszubrechen. Er wedelte den Rauch weg, der vor seiner Nase langsam und bedächtig herumtänzelte. Vielleicht könnte er so noch das letzte Quäntchen frischer Luft zu sich dirigieren. Es war vergebliche Müh. „Bisher noch keine Ergebnisse, Sir“, erwiderte Ocelot nach einer Weile in einem unterwürfig klingenden Ton. „Meine Männer versuchen ihr Bestes, um irgendwelche Spuren zu finden, doch die CIA hat eine beachtliche Leistung…“ Er kam nicht mehr dazu, diesen Satz zu beenden. “Mir ist egal, was die CIA geleistet hat!“ Der Stuhl drehte sich nun und gab den Blick auf einen wütenden Mann in seinen Vierzigern und in einen Trenchcoat gekleidet preis. Die braunen Haare, von ein paar weißen Strähnen verziert, hingen zottelig von seinem Kopf herunter, ganz so, als wäre er gerade aus dem Bett aufgestanden und hätte noch nicht die Zeit gefunden, sich frisch zu machen. Eine ganz widerspenstige Strähne hing ihm vorne über die Stirn. Ein Vollbart hinderte den Betrachter daran, die Haut seines Gegenübers mustern zu können, die sicherlich schon ein paar Falten bekommen hatte. Eines seiner blauen Augen war durch eine Augenklappe verdeckt, ganz so wie bei einem Piraten. Ocelot korrigierte sich. Nein, es verdeckte nicht das Auge. Es verdeckte seine Überreste. Ein Mahnmal. Ein Mahnmal, das er ihm vor fast acht Jahren bereitet hatte. Es würde ihn immer an ihn erinnern. An seine eigenen Fehler. Dass er niemandem mehr richtig vertrauen konnte. Diese Verletzung machte ihn zu etwas Besonderem. Erst mit dieser Verletzung schien er vollständig, war er das, was er nun war. Erst damit war er Big Boss. Ocelot konnte sich ein Grinsen auf Grund dieser Erinnerung einfach nicht verkneifen. Das war ein Fehler, und das wusste er nur allzu gut. „Amüsiert dich dein Unvermögen auch noch?“ Big Boss wurde immer wütender und ungeduldiger. Nicht mehr lange, und ihm würde endgültig der Kragen platzen. „Was soll das Ocelot? Warum enttäuschst du mich? Ich habe dich auf seine Suche angesetzt, weil ich dachte, dass du mein bester Mann wärst. Ich will verdammt noch mal Ergebnisse!“ Mit diesen Worten knallte Big seine Hand wütend auf die Tischplatte. Ocelot war erstaunt, dass diese diesem Schlag standgehalten hatte. Erwartet hätte er eher eine Vertiefung in der Form von Big Boss’ Hand. Aber jetzt war es erst mal an ihm, zu sprechen. „Es tut mir wirklich leid, Big Boss, Sir“, versuchte er in seinem besten speichelleckerischen Ton, um den Zorn von Big Boss etwas abzumildern. Wer weiß, wozu dieser noch in der Lage wäre, wenn sich seine Laune noch weiter verschlimmerte. Wenn solche eine Entwicklung denn überhaupt noch möglich wäre. „Wir drehen momentan jeden Stein dreimal um, um irgendwelche Hinweise auf seinen Verbleib zu erhalten“, fuhr Ocelot fort. „Aber er scheint wie vom Erdboden verschluckt. Als hätte es ihn nie gegeben.“ Er versuchte eine verzweifelte Tonart, um seinen Worten mehr Tiefe und Ehrlichkeit zu verleihen. Und Big Boss schluckte jedes einzelne seiner Worte. An mir ist wirklich ein Schauspieler verloren gegangen, dachte sich Ocelot ihm Stillen. Big Boss lehnte sich, jetzt etwas entspannter, in seinen Bürostuhl zurück, nahm die Zigarre zwischen die Zähne du kaute etwas auf ihrem Ende herum. Mit einer Hand fummelte er am Kragen seines Trenchcoats herum. „Ocelot, du weißt ganz genau, wie wichtig es ist, dass wir diesen Typen schnappen. Er hat hunderte von Soldaten und Zivilisten auf dem Gewissen, hat den Vereinigten Staaten mit einer Atombombe gedroht…wir können so jemanden wie ihn nicht frei herumlaufen lassen! Wer weiß, was er sich gerade in seinem sicheren Versteck für einen psychopathischen Plan ausdenkt, und wer weiß, was dieser für Folgen für uns haben könnte, wenn er in der Lage wäre, ihn auszuführen.“ Big Boss seufzte, drehte sich in dem Stuhl wieder herum, so dass Ocelot nur die Rückenlehne sah, und richtete sich auf. Die Arme leicht hinter dem Rücken verschränkt, begann er, sich langsam im Zimmer hin und her zu bewegen. „Er ist vor drei Monaten einfach aus den Trümmern der Anlage verschwunden. Sein Körper war einfach nirgendwo mehr auszumachen.“ Bedächtig schritt er weiter voran, ging um den Tisch in Ocelots Richtung gewandt. Er kam ihm von der Seite näher, näher an den Stuhl heran, auf dem dieser saß. „Er hätte verhaftet werden müssen, lebenslang hinter Gittern oder in eine psychiatrische Anstalt gebracht werden sollen. Es war mein Fehler, dass er entkommen konnte. Ich hätte ihn am Besten töten sollen. Mit scharfer Munition auf ihn schießen sollen, anstatt ihn mit einer ‚Hush Puppy’ außer Gefecht zu setzen.“ Jetzt trennte sie nur noch ein Schritt. Big Boss stand jetzt nur noch einen Schritt von Ocelots Stuhl entfernt und ließ seinen Kopf hängen. Ocelot musste schwer schlucken. Er versuchte, in Bigs Richtung blicken, sein Hals aber erwehrte sich jeder Bewegung. Sein Körper wusste instinktiv, welches Verhalten für ihn von Vorteil war, Wenn er sich zu Big gedreht hätte, wäre er schwach geworden. Ihn jetzt zu sehen, wie er mit seinem Gewissen rang, wie er seine Schwäche zeigte, so selbstverständlich einen Fehler zugab. Das hätte Ocelots Barriere des Schweigens gebrochen. Seine Gefühle wären mit ihm durchgegangen, hätten sein Verhalten gesteuert. Und wenn das geschehen würde, wären seine ganzen Bemühungen umsonst gewesen. Alles, was er erreicht hatte. Trotz der Gefühle war er immer noch ein eiskalter Planer. Er wollte einfach nicht zulassen, dass das alles zerstört würde, auch wenn es für ihn Schmerz bedeutete. Schmerz, dass er Big Boss wieder einmal belügt. Plötzlich wurde er aus seinen Gedanken gerissen, als er etwas warmes auf seiner linken Schulter fühlte. Er wird doch nicht… Sein Verstand gewann wieder die Kontrolle über den Körper zurück und er drehte seinen Kopf in Richtung dieser Wärmquelle. Als er den Verursacher erkannte, erhöhte sich sein Herzschlag etwas und er drehte den Kopf leicht verlegen wieder weg. Er hat doch… Big Boss hatte ihm seine Hand auf die Schulter gelegt. Ocelot wurde nervös. „Sir, geben sie sich nicht die Schuld daran. Ich werde meinen Männern sofort neue Befehle erteilen und sie dazu anheizen, diesen Bastard endlich zu fassen. Ein Individuum wie dieses darf einfach nicht in Freiheit bleiben!“ stammelte Ocelot schnell hervor, erhob sich von seinem Stuhl und wollte gehen. Er wollte raus hier. Länger konnte er sich einfach nicht verstellen. Sein ganzes Leben lang hatte er nichts anderes als eine Rolle gespielt, sich immer nur verstellt. Doch dieser Mann stand nun kurz davor, dass er seine Vorstellung beendete. Kalter Schweiß ran Ocelots Rücken hinab. Je länger er sich in diesem Raum mit diesem Mann befand, desto nervöser wurde er. Seine Nähe schwächte ihn. Lassen sie mich gehen, Big Boss, flehte Ocelot ihn in seinen Gedanken an. Lassen sie mich gehen, Snake. Lass mich gehen, John. Doch Big Boss ließ ihn nicht gehen. Stattdessen drückte er ihn mit seiner Hand leicht wieder herunter. Zwang ihn somit, sich wieder zu setzen. Er war noch nicht fertig mit ihm. „Ich schätze deinen spontanen Enthusiasmus sehr, Ocelot. Deinen immer noch vorhandenen jugendlichen Eifer in allen Ehren, aber du solltest dich der Konsequenzen deines Versagens bewusst sein. Dass ich es langsam nicht mehr dulden kann, von deiner Truppe nichts als Fehlschläge gemeldet zu bekommen. Wenn ich überhaupt mal etwas von ihnen höre.“ Seine Stimme wurde wieder hart, gebieterisch, keine Fehler erlaubend. Sie wurde wieder zum perfekten Werkzeug eines Kommandanten. Big Boss stand nun hinter ihm und wandte seinen Kopf etwas nach unten, so dass er Ocelot direkt in sein linkes Ohr sprechen konnte. Sein heißer Atem brannte Ocelot auf der Haut. „Du schuldest mir etwas Ocelot“, und mit diesen Worten führte er seine rechte Hand an die Augenklappe. „Sei dankbar, dass ich dir die Chance dazu gebe, dich für diese Wunde auf diese Weise zu ‚entschuldigen’.“ Das letzte Wort betonte Big besonders scharf. „Jetzt tu endlich etwas dafür, oder ich stelle dich vor das Kriegsgericht wegen Missachtung von Befehlen deines Vorgesetzten.“ Doch mit dieser Drohung bewirkte Big Boss bei Ocelot genau das Gegenteil von dem, was er eigentlich im Sinn hatte. Er biss mit solchen Drohungen bei Ocelot auf Granit, stand er doch unter persönlichen Schutz der Regierung. Somit durfte er sich eigentlich fast alles erlauben. Ocelot grinste. Hättest du mir mit etwas anderem gedroht, Big, dann wäre ich dir vielleicht gefügig geworden. So aber… Er legte seine Hände auf die Armlehnen des Stuhls, in dem er saß, und stemmte sich hoch. Es war Zeit, zu gehen. „Sir, ich verspreche ihnen, ich und mein Truppen werden unser Bestes geben, diesen Kriminellen zu fassen und sie nicht mehr zu enttäuschen.“ Er schob den Stuhl nach hinten, so dass Big Boss ihm ausweichen musste und um ihm selbst Platz zu schaffen. Ocelot drehte sich zu Big Boss um. „Wenn es ihnen nichts ausmacht, werde ich mich auf den Weg zu meinen Männern machen und sie in alles unterrichten. Sir?“, sagte er in einem entspannten Tonfall, glitt elegant an Big vorbei und machte sich auf dem Weg zur Tür. Am Liebsten hätte er noch einen letzten Blick auf ihn geworfen, um zu sehen, wie überrascht er jetzt von seinem Verhalten war. Doch sein Instinkt verriet ihm erneut, dass es richtiger wäre, die Augen geschlossen zu halten. Und er vertraute seinem Instinkt ausnahmslos. An der Tür angekommen, die Hand schon an der Klinke platziert, hörte er, wie Stoff über den Boden schleifte. Big hatte sich noch ein letztes Mal zu ihm gedreht. „Ich verlasse mich auf dich“, sagte er in einem aufbauenden Ton zu dem vor der Tür stehenden Ocelot. Er ließ noch eine kurze Pause verstreichen, ehe er den Satz beendete und Ocelot mit seinem letzten Trumpf stach. „Hast du verstanden, Adamska?“ Ocelot lächelte leicht. „Ich werde sie nicht enttäuschen, Sir.“ Damit öffnete er die Tür und verließ den von Rauch geschwängerten Raum. Kaum war die Tür hinter ihm zugefallen, schon änderte sich Big wieder. „Und? Was meinst du zu seinem Verhalten, Chicken Fox?“, fragte er in den Raum. Dabei führte er sich seine Zigarre wieder zwischen die Lippen und nahm einen tiefen Zug. Aus einer Nische des Raumes trat ein blonder Mann. Die Nische war kaum wahrzunehmen, es schien, als trete er aus dem Nichts hervor. Sie war unscheinbar, perfekt getarnt vor den Augen des ungeübten Betrachters. Ocelot hätte sie sicherlich bemerkt. Doch der Rauch von Bigs Zigarre tat sein übriges zur Tarnung hinzu. Der blonde Mann hatte Arme vor der Brust verschränkt, die Tarnjacke mit den abgerissenen Armen gab den Blick auf seine unbedeckte Brust frei. „Wenn ich von seiner nonverbalen Kommunikation ausgehe, dann konnte ich erhebliche Differenzen zwischen seiner Körpersprache und den Inhalten seiner Aussagen wahrnehmen.“ Er löste eine Hand aus der Verschränkung und fuhr sich mit ihr grübelnd über das Kinn. Big Boss drehte sich zu ihm hin und hob eine Augenbraue. „Mit anderen Worten?“ Chicken Fox machte sich die Antwort auf diese Frage einfach. „Er lügt.“ Big Boss grinste und wandte sich wieder seinem Schreibtisch zu. „Das ist alles, was ich hören wollte.“ Er trat hinter den Schreibtisch, an seinen Bürostuhl, rückte diesen zurecht und setzte sich hin. Etwas über den Tisch gelehnt, versuchte er, an die Gegensprechanlage zu kommen, die ungefähr mittig auf der Tischplatte stand. Er drückte ihren roten Rufknopf durch, und ein Summen war zu hören. Dann eine helle Frauenstimme. „Ja Sir?“, fragte sie und wartete auf seine Anweisungen. „Bringen sie mir Fox her. Ich habe einen Auftrag für ihn.“ Big Boss löste den Finger wieder von dem Rufknopf und verschränkte seine Hände vor seinem Gesicht. Er grinste. Du glaubst also, du könntest ihn vor mir verstecken, wie? Du könntest ihn vor mir retten…Doch wenn du so dachtest, dann hast du dich gewaltig geirrt. Da legst du dich mit dem Falschen an, Ocelot. Ich werde ihn kriegen. Ich werde ihn kriegen. Pass nur auf, bald habe ich dich…und dann gnade dir Gott, Gene! Mit diesen Worten in seinen Gedanken fing er lauthals an zu lachen. Kapitel 4: Vertrauen? --------------------- Das erste, woran ich dachte, nachdem ich mit Big Boss geredet hatte, war, dass ich sofort zu dir musste. Irgendetwas in mir hatte ein sehr schlechtes Gefühl bei der Sache. So, als hätte er etwas in meinem Verhalten gesehen, einem Verhalten, für dass ich mich eigentlich schämen sollte. Wie konnte ich nur so unprofessionell sein? Wie hatte er es nur geschafft, mich so durcheinander zu bringen? Es war mir ja schon regelrecht peinlich…Gegenüber ihm so unprofessionell zu sein, er, der er in so kurzer Zeit so kalt geworden war, eine solche Wandlung durchgemacht hatte. Manchmal fragte ich mich, was wohl geschehen sein mochte…. Aber eigentlich kann er mir egal sein. Ich hatte zwar in seiner Gruppe angeheuert, aber als Erstes bin ich immer noch ein Spion. Und Spione täuschen alles und jeden. Bist auch du nur ein Opfer meiner Täuschung? --------------------------------------------------------------------------------- Gene war wie immer allein in seinem Zimmer. Er saß auf der Kante seines Krankenbettes, die Füße einige Zentimeter über dem Boden schwebend. Mit ihnen herum schwingend, sah er zum Fenster. Es regnete schon den ganzen Tag. Schon als er aufgewacht war, war ihm die ungewohnte Dunkelheit aufgefallen. Die Wolken verdunkelten derartig den Himmel, dass er schon beinahe dachte, es wäre immer noch Nacht. Oder, schon wieder… Seufzend blickte er weiterhin auf das Fenster, an dem die Regentropfen in Scharen prasselten und wie ein einziger dichter Nässefilm herunter liefen. Gedankenverloren folgte er mit seinem Blick ihrem Verlauf. Der Regen…wirkte so…unwirklich, als ob er nicht von der Natur, sondern von etwas anderem herbeigeführt wurde. Er schien einfach nicht angebracht. Er machte einen trübsinnig. Gene wandte schnell den Blick vom Regen ab, damit sich diese Trübsinnigkeit nicht auf ihn übertragen konnte. Er hatte noch etwas anderes, etwas Besseres zu tun, als sich Gedanken über das Wetter zu machen und den Regentropfen auf ihrem Weg zur Erde zuzuschauen. Seit einigen Tagen hatte er im Bett versucht, seine Beine wieder zu bewegen. Es war erst etwas seltsam, denn sie fühlten sich an, als würden sie gar nicht zu seinem Körper gehören. Doch dieses Gefühl verflog alsbald und machte einem anderem dafür Platz. Unangenehmes Stechen und Kribbeln, als ob ihm jemand mit Abermillionen von Nadeln an allen Seiten auf seine Beine einstechen würde. Dieses Gefühl war unerträglich, nahm fast seinen ganzen Verstand in Anspruch. Beinahe hätte er aufgrund dieser Schmerzen aufgegeben, sich einfach wieder seinem Schicksal hingegeben, an dieses Bett gefesselt zu sein und den lieben langen Tag nichts anderes als an die Decke zu starren. Doch auch diese Schmerzen verflogen schneller als erwartet und schon bewegte er die Beine auf und ab, beugte sie, spreizte sie. Er wollte erst wieder ein Gefühl für sie entwickeln, eher er sich an sein eigentliches Ziel trauen würde. Endlich wieder auch eigenen Beinen stehen zu können. Endlich wieder laufen zu können. Und nun saß er hier, keine drei Tage, nachdem er damit angefangen hatte, und machte sich bereit, einen Versuch zu starten. Ganz vorsichtig stieß er sich mit den Händen von der Bettkante ab und ließ langsam das Gewicht seines Körpers auf seine Beine wirken. Ganz langsam, nur keine ruckartigen Bewegungen. So richtete er sich auf, erhob sich immer weiter, entfernte sich immer mehr mit seinem Körper vom Bett, bis er schlussendlich wirklich stand. Seine Knie zitterten noch etwas, aber im Großen und Ganzen war sein Stand sicher. Wusste ich es doch, dass es geht. War doch gar nicht so schwer, dachte er sich und versuchte einen zaghaften Schritt nach vorne. Er hob vorsichtig seinen linken Fuß, verlagerte sein Gewicht auf das rechte Bein, um sein linkes zu entlasten und so den ersten Schritt tun zu können. Es schien alles zu klappen, er hob sein Bein, winkelte es leicht an, schob es etwas nach vorne. Dann aber wankte er. Sein Gewicht schien zu viel zu sein für das rechte Bein allein. Schnell setzte er den linken Fuß wieder auf den Boden, um sein Gewicht besser verteilen zu können. Erleichtert atmete er aus, als er merkte, dass er wieder sicher stand. Ich habe das ganze wohl unterschätzt, es ist doch etwas schwerer, als ich angenommen hatte. Ich fühle mich wie ein kleines Kind, das seine ersten Gehversuche startet! Gene grummelte ein wenig. Den nächsten Schritt plante er jetzt mit Vorsicht und Bedacht. Er wollte sich selbst beweisen, dass er es konnte. Das er niemanden bräuchte, um wieder der Alte zu werden. Keine Krankenschwestern. Keine Physiotherapeuten. Keine Ärzte. Keinen Ocelot! Der Gedanke an diesen treulosen Bengel gab ihm die nötige Kraft, einen weiteren Schritt zu tun. Was dachte sich dieser Kerl eigentlich? Erst große Töne spucken und mich warnen, dass er mich öfter besuchen kommt, als mir je lieb sein könnte…und das Resultat?! Genes Kräfte schienen durch die Wut regelrecht zu gedeihen. Ehe er sich versah, war er bis zum Fenster gelaufen und konnte sich nun an dessen Fensterbank ein bisschen ausruhen. Er stemmte erst seine Hände auf den kalten Stein, dann verlagerte er seinen Körper so, dass er sich umdrehen konnte. Schlussendlich ließ er sich auf ihr nieder und hatte nun eine ganz neue Aussicht auf sein Quartier. Wenn er ehrlich sein sollte, sah es von hier nicht anders aus. Zumindest nicht im positiven Aspekt anders, im Gegenteil, von dieser Ecke aus betrachtet schien es noch schmutziger, dunkler und unfreundlicher als es eh schon vom Bett aus aussah. Vom Bett aus hatte er es immer aus einer Höhe gesehen, die ungefähr Hüfthöhe entsprach. Schon aus dieser Höhe wirkte es klein und kalt. Die Leere des Raumes war schon regelrecht erschreckend. Nun aber, aus Schulterhöhe, war das Zimmer noch um einiges mehr geschrumpft. Gene grummelte erneut. Aus dieser Perspektive betrachtet, zog er ganz neue Aspekte bezüglich seines Aufenthalts in diesem Krankenzimmer. Er fühlte sich immer mehr wie eine Sardine, gequetscht in eine verbeulte Blechdose. Wenn Ocelot das nächste Mal vorbeischauen würde, würde er ihm seinen Dank für dieses Etablissement aussprechen. Und dieser Dank würde keineswegs schmerzfrei verlaufen. Aber wie gesagt, ‚wenn’ Ocelot vorbeischauen würde. Gene seufzte und ließ den Kopf hängen. Er hob seine Arme, öffnete seine Hände und ließ sein Gesicht in diesen versinken. Langsam schloss er seine Augen. Ocelot kam schon seit einer ganzen Zeit nicht mehr zu ihm. Wie lange war es diesmal wieder her? Dieser Junge konnte echt Rekorde in Unzuverlässigkeit aufstellen. Er sagt zwar Dinge, aber am Ende enttäuscht er einen. Gene riss die Augen wieder auf. Was war das wieder für ein Gedanke?, fragte er sich selbst. Das klang fast so, als würdest du diesen Lausebengel auch noch vermissen?! Du bist besser dran, wenn du alleine bleibst. Der einzige, dem du vertrauen kannst, bist du selbst!, ermahnte er sich in Gedanken. Dieser Junge ist nicht gut für dich. Am Ende… …wird er dich nur verraten. Ein seltsames Stechen machte sich in seiner Brust breit, als diese Gedanken durch seinen Kopf schossen. Was war das nur? Er würde doch nicht doch noch irgendwelche inneren Verletzungen haben, die die Ärzte noch nicht diagnostiziert hatten? Mit den schlimmsten Befürchtungen im Kopf legte er sich eine Hand auf die Brust und wollte nachprüfen, ob er eine Verletzung tastend ausmachen könne, doch er hatte die Hand noch keine Minute auf ihr, da verging auch schon wieder der Schmerz. Merkwürdig. So etwas hatte er noch nie gefühlt… Doch er würde aufpassen müssen. Wenn dieser Schmerz öfters aufträte, müsste er sich an einen Arzt wenden. Gene nahm die Hand wieder von der Brust und legte sie seitlich von sich wieder auf die Fensterbank. Ihm wurde etwas kalt, kein Wunder, hatte der Regen doch dafür gesorgt, dass die Temperaturen draußen um einen zweistelligen Wert gefallen waren. Doch das war nicht der einzige Grund für diese Kälte. Dieses Krankenhaus mochte zwar Rückständig sein, doch ließ es sich nicht den Luxus einer Klimaanlage entgehen. Der Wahre Amerikanische Traum schien damit ein Stückchen näher für dieses ärmliche Krankenhaus, und die Anlage hatte sicher auch ihren Nutzen für all die alten und gebrechlichen Leute, die ihre Mahlzeiten nur noch mit der Schnabeltasse bekamen und ihre Körperöffnungen in etwa so gut wie ein Baby kontrollieren konnten. Für diese Leute schien sie wichtig, denn jedes Grad zuviel auf dem Thermometer konnte für sie Tage , Wochen, ja sogar Monate ihres Lebens kosten. Doch wenn es draußen schon kalt genug war, war eine Klimaanlage nur noch halb so effizient und doppelt so überflüssig. Doch das schien niemanden zu interessieren. Und nachher beschweren sie sich über Geldmangel. Gene grinste und kicherte kurz in sich hinein, als er sich auch schon langsam wieder mit den Händen von der kalten Fensterbank hochhob und seine Beine wieder mit seinem Gewicht belastete. Etwas schneller, aber immer noch wackelig, machte er sich Schritt für Schritt auf den Weg zu seinem warmen Bett, das in der Mitte des Raumes stand. Seine ganze Konzentration darauf richtend, kam er der warmen Zuflucht immer näher. Bald hätte er es geschafft. Plötzlich ging die Tür auf und Ocelot trat ins Zimmer ein. Als er Gene ohne irgendeine Hilfe laufen sah, musste er grinsen. „Na, da kann es wohl jemand kaum noch erwarten, mich zu begrüßen, wie?“ Damit brachte er Gene aus der Fassung. Durch das plötzliche Auftreten Ocelots aus der Konzentration gebracht, schaffte er es nicht mehr, seine Bewegungsabläufe zu koordinieren. Schnell noch nach einer Möglichkeit suchend, sich irgendwo festzuhalten und somit einem Sturz zu entgehen, stolperte er über seine eigenen Füße und landete mit seinem Hintern auf dem Boden. Noch ehe er seine Wunden lecken konnte, hörte er auch schon Ocelot herzhaft auflachen. „Thahahaha, ich wusste ja schon immer, dass ich umwerfend bin, aber dass dieser Effekt ‚so’ stark ist?“ Ocelot lachte weiter. Lachte weiter über ihn. Gene spürte etwas Warmes in seine Wangen fließen und voller Zorn sah er zu dem lachenden Ocelot auf, während er sich mit einer Hand sein schmerzendes Hinterteil rieb. „Verdammt, Adam, das nächste Mal klopf gefälligst an, damit ich mich mental auf dich vorbereiten kann!“, schnauzte er seinen Besucher an. Doch daraufhin musste Ocelot noch mehr grinsen. „Du hast dir meinen Namen gemerkt“, sagte er mit unverhohlener Freude in der Stimme. Gene schmunzelte. „Irgendjemand muss dir doch das das Gefühl geben, dass du was wert bist, auch wenn dem nicht so ist, oder?“, sagte er in einem verhöhnenden Ton. Das hatte gesessen. Ocelots Miene verfinsterte sich schlagartig und es herrschte wieder Ruhe im Raum. Langsam trat er weiter in den Raum hinein. Seine Stiefel matschten und quietschten dabei unheimlich laut. Gene musterte sie genauer, um herauszufinden, warum sie das machten. Und erst jetzt bemerkte er, dass Ocelots Kleidung vor Nässe nur so triefte und an ihm klebte. Seine Schuhe hinterließen kleine Pfützen, sein Trenchcoat wirkte wie ein nasser Sack an seinem Körper. Ist wahrscheinlich ohne Schirm durch diesen Regen gelaufen. Geht mich nichts an. Er muss selbst wissen, was er sich leisten kann. Und dennoch. Gene interessierte es dennoch, warum Ocelot durch den Regen gelaufen war. Es wäre sicher ein Leichtes gewesen, einen Schirm zu bekommen. Warum also? Doch weiter kam er nicht mit seinen Gedanken, denn Ocelot stand nun vor ihm, ging leicht in die Knie, platzierte seine Hände unter Genes Achseln und zog ihn wieder auf die Beine. Langsam führte er ihn wieder zu dem Bett, zu dem dieser eigentlich unterwegs war. Obwohl Ocelots Hände kalt wie Eisklötze und ganz nass waren, wurde es Gene heiß, als er seine Hände an seinem Körper spürte. Ihm war die ganze Aktion peinlich, er hätte gut und gerne darauf verzichten können, dass ihm geholfen wurde. Vor allem konnte er auf die Hilfe von Adam verzichten….Oder etwa doch nicht? Es dauerte nicht lange und Gene saß wieder auf der Kante seines Bettes wie zuvor schon auch, bevor er seinen Laufversuch gestartet hatte. Er blickte Ocelot in das starre und ausdruckslose Gesicht, das, während er ihm geholfen hatte, nicht einen Miene verzog. Gene musterte es genau. Adam musste es kalt sein, noch kälter als ihm selbst, denn er war leicht blass um die Nase herum und die Lippen hatten einen blässlich blauen Ton angenommen. Er musste sehr lange im Regen gelaufen sein. Wenn er den Mantel noch länger anbehalten würde, wäre er auf schnellstem Wege erkältet. „Zieh dir doch den Mantel aus“, sagte Gene zu seinem Gegenüber, genauestens daraus achtend, dass diese Aufforderung eher beiläufig klang, aus reiner Höflichkeit und guten Manieren, nicht aber aus Sorge heraus gesagt. „Wenn du hier weiter wie ein begossener Pudel herumläufst, bist du noch derjenige, der in solch einem Bett Platz nehmen muss“, meinte Gene und klopfte dabei mit einer Hand leicht auf die Matratze. Ocelot musste daraufhin wieder grinsen. „Ach, hast du es also bemerkt? Wie aufmerksam von dir.“ Ocelot schloss leicht die Augen und sein Grinsen wurde zu dem eines kleinen Schuljungen, der sich über etwas Schönes freute, ein Lob oder ein kleines Präsent. Als Gene es sah, wurde er rot. Er wandte seinen Kopf zur Seite, um zu vermeiden, dass Ocelot seine Verlegenheit bemerkte und deutete mit einer Hand zu der Wand hinter ihm. „Es ist ja auch nicht gerade schwer, dass zu bemerken, du hinterlässt ja genug Pfützen, die groß genug wären, um darin ausgiebig zu schwimmen. Da hinten ist ein Haken an der Wand, da kannst du zumindest den Trenchcoat aufhängen.“ Gene ließ den Blick wieder zu Ocelot wandern, der nun zu der Wand schaute, auf die Gene zeigte. Bedächtig ging er auf sie zu und knöpfte währenddessen den Trenchcoat auf. „Danke“, meinte er nur trocken, pellte sich aus dem vor Nässe schweren Kleidungsstück und hing es vorsichtig auf den kleinen Haken. Ein olivgrünes Hemd und eine Armeehose kamen dabei zum Vorschein, die an manchen Stellen auch schon Spuren von Feuchtigkeit zeigten, die durch den Trenchcoat gewandert war, aber im Gegensatz zu diesem noch nicht völlig durchnässt waren. Doch Gene schien dieser Umstand gar nicht zu interessieren. Er starrte weiterhin auf die Uniform. An einem Arm des Hemdes war ein Abzeichen angenäht, doch konnte er beim besten Willen nicht erkennen, was es darstellen konnte. Seine Augen waren noch immer nicht ganz in Ordnung, seine Sehkraft noch immer etwas geschwächt. Wohl oder übel musste er warten, dass Ocelot wieder näher an sein Bett trat, dann erst könnte er es untersuchen. Gene nahm seine Hände nach hinten auf die Matratze und versuchte, sich wieder richtig auf dem Bett zu positionieren, um sich wieder hinlegen zu können, als Ocelot, der immer noch mit dem Gesicht zur Wand starrte, etwas leise sagte. „Er ist hinter dir her.“ Hinter mir her? Gene verharrte in seiner Bewegung und starrte verwirrt in Ocelots Richtung. Wer ist hinter mir her? Er überlegte noch einen Moment, was Ocelot mit seiner Aussage meinen könnte, doch er kam einfach auf kein Ergebnis. Seltsamerweise herrschte Leere in seinem Gedächtnis. „Wer ist hinter mir her, Adam?“, fragte er Ocelot in einem ruhigen, aber dennoch neugierigen Ton. Ocelot seufzte kurz, wobei seine Schultern ein Stück nach unten sackten. Er drehte sich zu Gene um. „Du weißt ganz genau, wen ich meine.“ Mit diesen Worten bewegte er sich wieder auf das Bett zu und ging zu dessen Fußende, an dem er sich leicht abstützte. Gene sah wieder auf das Abzeichen an Ocelots Hemdarm. Nun erkannte er, was sich auf ihm befand. Ein orangener Fuchs, die Augen schienen Jagdlüstern auf ihn gerichtet. In seiner Schnauze hielt er ein Messer mit frisch geschärfter Klinge. Über dem Fuchs stand in orangenen Lettern ein Schriftzug. FOX HOUND. Was zum Henker ist Fox Hound? „Big Boss hat seine Gruppe auf dich angesetzt. Ich muss dich so schnell wie möglich aus diesem Krankenhaus schaffen, sobald dein Gesundheitszustand es zulässt.“ Gene wandte sich wieder Ocelots Gesicht zu. Sein Grinsen, was üblicherweise seine Züge zierte, war einer sehr besorgt erscheinenden Miene gewichen. Eine kleine Falte zierte seine Stirn. Es schien ihm ernst zu sein. Er wollte Gene hier rausbekommen, bevor Big Boss sich ihn schnappen konnte. Koste es, was es wolle. „Warum sollte Big Boss hinter mir her sein?“, gab er als Dementi von sich. „Er weiß doch gar nicht, dass ich noch lebe, warum also sollte er…“ Doch noch bevor er seinen Satz beendet hatte, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Der Einzige, der wusste, dass er noch lebte, stand ihm direkt gegenüber. Ocelot musste ihn verraten haben. Verraten und verkauft. Und dieses Wissen um seinen Verrat machte Gene nun rasend vor Zorn. „Du elendiger Bastard! Du hast mich verraten! Du hast ihm davon erzählt, dass ich noch lebe, dass ich hier liege. Du hast ihm alles auf einem silbernen Präsentierteller serviert!“ Gene verstummte augenblicklich, als er bemerkte, dass Ocelot eine betrübte und verletzte Miene auflegte. Er hatte einen wunden Punkt getroffen, wieder einmal. Doch dieses Mal freute er sich nicht darüber. Dieses Mal war er enttäuscht. „Ich dachte, ich könnte langsam ein Vertrauen zu dir aufbauen“, meinte Gene nur trocken. „Ich dachte wirklich, dass es einen anderen Grund hatte, dass du mich gerettet hast.“ Ocelot ließ nur verletzt den Kopf hängen und blickte zur Seite. Er konnte Gene einfach nicht mehr ins Gesicht sehen. Gene atmete einmal kurz und tief ein und aus. „Eine Frage hätte ich, nur, dass ich mich auf Big Boss’ Angriff vorbereiten kann. Wie lautet der Name von seiner Einheit?“ Auf diese Frage schien Ocelot den Kopf noch weiter abwenden zu wollen, als es überhaupt körperlich möglich gewesen wäre. Er schwieg. „Ocelot, sag mir sofort, wie sie heißt!“ Gene setzte seine Stimme ein, um sein Gegenüber zu einer Antwort zu zwingen. Doch seltsamerweise hatte er das Gefühl, die Antwort auf diese Frage schon zu kennen. Schon gelesen zu haben. Gelesen…auf Ocelots Arm. Sein Verdacht bestätigte sich schmerzhaft, als Ocelot sein Schweigen brach, seinen Kopf zu Gene wandte und ihn mit traurigen Augen ansah. Erst jetzt bemerkte Gene, dass diese leicht gerötet und geschwollen waren. „Fox Hound“ gab Ocelot als einzige Wörter von sich, sein Ton halb traurig, halb entschuldigend, und ließ wieder den Kopf hängen Gene schloss seine Augen. Ein Stechen zog sich durch seinen gesamten Körper. Er wusste es. Er hatte es gewusst… Kapitel 5: Verlangen... ----------------------- Ich musste einfach meinen Blick von dir abwenden, als ich dir den Rest der Wahrheit enthüllte. Es dir schon zu sagen sorgte dafür, dass sich eine eisige Hand um mein Herz legte und es zu erdrücken drohte. Hätte ich noch deinen Blick gesehen, deinen enttäuschten Blick… Ich wäre vor deinen Augen zusammengebrochen. Etwas in mir konnte es einfach nicht ertragen. Was war es? Woher kam es? Ich dachte, nein, ich wusste doch, der einzige Grund, weswegen ich dich gerettet hatte war deine Stimme. Diese traurige, einsame Stimme. Ich wollte dich nur kennen lernen und deine Stimme gerettet wissen. Diese einzigartige Gabe, Menschen zu kontrollieren. Ihnen ein Verhalten aufzuzwingen. Doch da war noch etwas anderes… Hatte deine Stimme etwas in mir verändert? Oder…hattest du etwas in mir verändert? --------------------------------------------------------------------------------- Gene saß immer noch mit geschlossenen Augen da. Ein tiefer Schmerz durchzog seinen Körper und langsam kauerte er sich auf Grund dessen zusammen. Suchte Schutz. Isolation. Am liebsten wäre er jetzt alleine, ganz alleine in diesem Raum. Die Anwesenheit Ocelots erfüllte ihn mit Ekel. Ekel davor, dass jemand so kaltblütig eine Person verraten konnte. Das Ocelot ihn verraten hatte. Wie hatte er das nur tun können? Es herrschte eine unheimliche Ruhe im Krankenzimmer, keiner der beiden Männer traute sich, etwas zu sagen oder sich überhaupt zu rühren. Beide blieben sie reglos in ihren derzeitigen Positionen, Gene zusammengekauert auf dem Bett, Ocelot halb zusammengesunken am Fußende dessen. Jeder war nur mit seinen Gedanken beschäftigt. Beide waren sie Gefangene ihrer Vorstellungskraft, und bei Beiden drehte sich diese um den jeweils anderen. Warum dieser Verrat? Warum habe ich es ihm nur gesagt? Wie konnte er mir das nur antun? Wieso bin ich überhaupt hierher gekommen? Verwirrung, Zweifel, Trauer, beide Männer durchlitten beinahe parallel die verschiedensten Gefühle. Keines war von Dauer, doch jedes weitere war eine Steigerung des vorhergegangenen. Eine Steigerung, die ins Unendliche zu wachsen drohte. „Gene?“ Ocelot ergriff nach einer halben Ewigkeit wieder das Wort. „Gene, ich…es tut mir leid.“ Seine Worte klangen ehrlich. Er wollte nichts anderes sehnlicher, als sich bei Gene für all das zu entschuldigen und von diesem Akzeptanz zu bekommen. Eine Bestätigung, ein Zeichen, dass dieser die Entschuldigung annahm. Er wartete vergeblich. So einfach ließ sich Gene nicht besänftigen. „Lass die leeren Worte, Ocelot“, erwiderte Gene nur kalt, ohne auch nur aufzublicken. Ocelot wollte nur noch im Boden versinken. Warum hatte er seine Vermutungen auch nur derart geäußert? Es war doch noch gar nichts sicher, er hatte bisher nur die logischen Schlussfolgerungen seines Verhaltens gegenüber Big Boss gezogen, wie er nun höchstwahrscheinlich reagieren würde. Doch wie er es Gene gesagt hatte…klang es wie ein Todesurteil. Ocelot hatte es ihm so dargelegt, als wäre es die bittere Wahrheit, als müsse sich Gene nun in Sorge um sein Leben vor Big Boss verstecken. Wenn er dies überhaupt hätte bewerkstelligen können. Niemand konnte sich vor Big Boss verstecken. Er würde jeden finden… Dem am Fußende des Bettes stehenden Mann zog ein eisiger Schmerz durch die Brust, der so stark schien, dass er sich die Hände an diese legte. Es waren doch nur seine Sorgen, seine Hirngespinste, die er Gene nahe gelegt hatte. Er wollte ihn noch nur gewarnt wissen, so dass er sich vorbereiten könnte. Sich schützen könnte. Überleben könnte…für ihn überleben könnte. Etwas Warmes stieg Ocelot in die Wangen, und voller Verwunderung ob seiner Gedanken gegenüber legte er sich seine Hand, die auf seiner Brust ruhte, nun auf den Mund. Hatte er das gerade wirklich gedacht? Konnte es etwa sein, dass…? Vehement schüttelte er den Kopf. Nein, korrigierte er sich in Gedanken. Du brauchst ihn nur wegen seiner Stimme. Seine Stimme ist das Einzige, was dich an ihm interessieren sollte. Mit dieser Stimme…konnte man so viel erreichen. Während er sich so in Gedanken regelrecht selbst manipulierte, blickte er zu dem immer noch zusammengekauerten Gene. Ocelot musterte ihn genau. Das Patientenhemd, das Gene trug, war zwar vorne geschlossen, doch hinten zeigte es eine lange Öffnung, einen langen Schlitz. Es schien fast so, als wäre es gerissen. Aber, irgendwie kam es Ocelot vor, als würde er diesen Schlitz erst jetzt bemerken, diese Weite, die sich über Genes gesamte Hinterpartie erstreckte. Gene hatte es bis jetzt immer geschafft, sie zu verdecken, aber nun… Nun, da er so zusammengekauert und leicht nach vorne gebeugt da saß, konnte Ocelot einen Blick auf Genes Rücken erhaschen. Leicht war die Wirbelsäule durch die angespannte Haut zu erkennen, sie zeichnete sich ganz sanft ab, ebenso die Schulterblätter. Seine Haut zeigte eine leichte Blässe, die andere als vornehm bezeichnen würden, so wie bei den Edelfrauen im 18. Jahrhundert, die Arsen schluckten, um so einen Teint zu bekommen. Ein paar Muskeln ließen sich ausmachen, nicht mehr stark genug, um deutlich hervorzutreten, dennoch immer noch vorhanden. Ocelots Blick wanderte zu Genes Nacken. Er konnte einfach nicht aufhören, ihn zu beobachten, seinen Körper zu mustern. Genes Haare fielen ihm leicht in den muskulösen Nacken, wirkten nicht eben, sondern wild gewachsen und waren vom Liegen leicht zerzaust. Ihre Farbe war schwer zu greifen, nicht ganz weiß, aber auch nicht vollkommen blond. Ihn weiter beobachtend, erhöhte sich Ocelot Herzschlag um ein Vielfaches. Ein seltsames Verlangen machte sich in ihm breit, ging aus von seinem Herzen und erlangte die Kontrolle über seinen gesamten Körper. Seine Beine, seine Füße, seine Zehen. Seine Arme, seine Hände, seine Finger. Seinem Mund, seine Lippen, seine Zunge. Seine Augen… Nicht mehr lange, und es würde auch seinen Verstand kontrollieren. Er konnte es sich einfach nicht erklären. Das Kribbeln zog durch seinen ganzen Körper, wollte ihn dazu bringen, sich Gene zu nähern. Diesem Mann, der dort vor ihm auf dem Bett saß, ihn nicht eines Blickes würdigte, den er gekränkt hatte. Er wollte diesen Mann besitzen, seinen Körper ganz für sich allein haben. Jetzt ging es nicht mehr nur um seine Stimme. Er wollte ihn berühren… Ocelot dachte weiter diese Gedanken, seine Beherrschung immer mehr verlierend, als Gene sich plötzlich regte, aus seiner Deckung hervorlugte, zu ihm blickte. Seine Augen blitzten Ocelot eiskalt an. „Was macht du hier noch Ocelot? Musst du nicht los und dir das Kopfgeld sichern, das auf mich ausgesetzt war?“ Gene lachte leicht, aber mit einem traurigen, verletzten Unterton. „Ach, nein“, setzte er seine Rede fort. „Ein Kopfgeld würdest du ja nur erhalten, wenn ich ‚tot’ wäre. Aber dazu wäre ein Grünschnabel wie du ja nie in der Lage.“ Er kauerte sich wieder etwas mehr zusammen, seinen Blick dabei von Ocelot abwendend. „Naja, zumindest wirst du für die Information meines Aufenthaltsortes eine kleine Belohnung bekommen. Ich hoffe, dass sie den Aufwand wert ist, den du hast aufbringen müssen, um mich zu ‚sichern’.“ Mit diesen Worten hob er einen Arm und machte mit dessen Hand eine abweisende Bewegung. Er konnte einfach nicht länger mit Ocelot in einem Raum sein. Seine Anwesenheit schien ihn regelrecht zu zerreißen. „Geh, Ocelot, du hast hier nicht mehr zu tun. Dein Auftrag ist erledigt.“ Doch statt sich auf den Weg zu machen, starrte Ocelot ihn an. Und starrte. Und starrte… Dieses Starren machte Gene nervös. Irgendetwas an diesem Starren gefiel ihm einfach nicht, Er fühlte sich, als würde Ocelot ihn mit seinen Augen ausziehen, diese durchdringenden blauen Augen labten sich an ihm, diese durchdringenden blauen Augen musterten jeden Zentimeter seines Körpers. Diese durchdringenden blauen Augen…diese…schönen Augen… Gene hielt es nicht mehr länger aus. Er musste Ocelot aus diesem Raum kriegen, und wenn er wieder seine Fähigkeit dafür einsetzen musste. Eiligst sammelte er seine Konzentration und setzte sie vollständig in seine Stimme. „Geh mir aus den Augen, Ocelot! Verschwinde endlich! So eine widerliche Kakerlake wie du sollte schnellstens verschwinden, bevor ich sie platt trete!“ Seine Stimme hallte durch den Raum und erreichte Ocelot mit voller Wucht. Gleich war er ihn los, gleich war er fort. Fort. Für immer fort. Doch obwohl ihn das hätte gnädig stimmen müssen, schmerzte es Gene. Sein Brustkorb schien vor Schmerzen zu explodieren. Woher kam dieser Schmerz? Solch ein Schmerz…konnte doch nicht nur von diesen Verletzungen herrühren… War die Ursache dieses Schmerzes nicht seine körperlichen Wunden, sondern…dieser Junge? Wenn dem so war, dann würde er das nun nicht mehr erfahren. Ocelot würde jetzt gehen und nicht mehr zurückkommen, er würde es einfach nicht mehr wagen. Dafür hatte er sich zuviel geleistet. Gene seufzte und ließ seinen Körper sich entspannen. Er schloss seine Augen und lauschte einer Weile der Ruhe des Raumes. Nun war er wieder allein. Vollkommene Ruhe umgab ihn, schien ihn zu umhüllen und zu isolieren, schien ihn dauerhaft zu erdrücken. Und sie machte ihn misstrauisch. Seitdem er Ocelot seinen letzten Befehl gegeben hatte war es still. Zu still. Man hätte eine Stecknadel fallen lassen können und ihr Geräusch beim Aufschlagen hätte die Wände des Raumes zittern und beben lassen. Aber, das konnte doch nicht sein! Ein letztes Geräusch hätte er hören müssen. Ein letztes Geräusch. Ein letztes Geräusch, von Ocelot verursacht. Er hätte die Tür hören müssen, die Ocelot geöffnet und dann wieder hinter sich geschlossen hätte, die Tür, die ihn von diesem Jungen erlöst hätte. Doch alles hüllte sich in Schweigen. Tiefes, furchteinflößendes Schweigen, alles war still seit seinen harschen Worten. Dann bedeutet das, dass er… Gene blickte auf… … und sah Ocelot, der immer noch am Ende des Bettes stand. Er stand da wie schon die ganze Zeit über, die ganze Zeit, seitdem er ihm alles gestanden hatte, seitdem ihm Gene gesagt, nein, befohlen hatte zu gehen. Doch sein Blick, seine Mimik und Gestik waren nicht mehr die eines Mannes, der sich seiner Schuld bewusst war und sich für diese schämte und entschuldigen wollte. Jetzt stand er nicht mehr dort wie ein scheues Reh, in die Scheinwerfer eines Autos blickend, Sekunden nur vor seinem Tod, voller Angst, starr, verstört. Nein, er stand vielmehr wie ein Raubtier vor seiner Beute, den Moment abwartend, in dem es Schwäche zeigen würde. Der Moment, in dem er angreifen konnte. Langsam bekam es Gene mit der Angst zu tun. Dieser Bursche war ihm nicht mehr geheuer. Hatte er es wieder geschafft, seiner Stimme zu widerstehen…es war einfach unglaublich. Gene starrte mit leichten Anzeichen von Angst in den Augen zu Ocelot, der ihn jetzt angrinste wie bei seinen vorherigen Besuchen. So, als wäre all das eben gar nicht passiert, gar nicht geschehen. Als hätte das ganze Geständnis vorhin gar nicht statt gefunden. Langsam löste sich Ocelot von der Bettkante und schritt ohne sichtliche Reue seitlich an Gene heran. Er verschränkte die Arme vor der Brust und schien leicht amüsiert zu sein. „Nanana, so redet man doch mit niemanden, der einen beschützen möchte“ sagte er in einem leicht rügenden Ton, aber ohne irgendeine Form von Ernsthaftigkeit. Das jungenhafte Grinsen zierte wieder sein Gesicht. Gene stieg die Wärme und Hitze, die sich in seinem ganzen Körper angestaut hatte, in die Wangen. Was war nur los mit ihm? Warum…spielte sein Körper so verrückt? Warum war er nicht mehr Herr über sich selbst? Ocelot trat immer näher, und je näher er ihm kam, desto lauter und schneller schlug Genes Herz. So schnell und heftig, dass es seinen Brustkorb zu durchbrechen drohte. Sein Körper schien sich gegen ihn verschworen zu haben. Sein Verstand wusste genau, was er zu tun hatte. Was er eigentlich zu tun hatte… Doch sein Körper rebellierte. Schnell schloss er die Augen, um Ocelot aus seinem Sichtfeld zu haben. Doch es war zu spät. Sein Antlitz hatte sich auf seine Netzhaut gebrannt. Es grinste ihn an. Verdammt seiest du, Ocelot!, dachte er sich noch, als er auf einmal etwas Kaltes auf seiner Wange spürte, dessen Kälte von seiner Haut absorbiert wurde und sich durch seinen ganzen Körper zog. Seltsamerweise empfand er diese Kälte aber nicht als etwas Schlechtes. Etwas ganz tief in ihm sehnte sich nach dieser unbekannten Kälte, reckte sich danach, kam ihr willig entgegen. Zögerlich öffnete er die Augen und sah Ocelot direkt in seine. Die Kälte, die Gene auf seiner Wange spürte, rührte von Ocelots Hand, die er ihm dorthin platziert hatte. Kurz entlockte diese Berührung Gene ein Lächeln, welches aber ebenso schnell wieder wich wie es gekommen war. Zorn erfüllte ihn. „Nimm verdammt noch mal deine Hand da weg, Ocelot!“, sagte Gene finster und drohend zu ihm. Doch obwohl es so klang, wusste Gene doch, dass diese Aussage niemals von Ocelot ernst genommen werden könnte. Er nahm sie noch nicht einmal selbst ernst. Diese Worte straften seinen Körper Lügen. Ocelot schaute ihn einen Moment lang tief in die Augen, wandte seinen Blick aber plötzlich nach unten ab und musterte das Krankenbett. Nachdem er es eine Weile untersucht hatte, zeigte sich ein Grinsen auf seinen Gesichtszügen. „Sie haben dir die Katheter schon entfernt, oder?“, fragte er Gene ganz unverblümt und direkt. Und das verwirrte Gene. Nicht nur die Frage, auch die Direktheit überraschte ihn, so dass er erst keine Zeit dazu fand, über die Absichten nachzudenken, die Ocelot damit zu erreichen versuchen würde. „Ähm, ja, die habe ich schon seit einigen Tagen nicht mehr, aber was…“, doch er bekam den Satz nicht mehr beendet, denn genau dann, als er diese Worte aussprach, schien er zu verstehen. Gene wusste irgendwie, was Ocelot vorhatte. Doch bevor er etwas dagegen unternehmen konnte, geschah es auch schon. Genau in dem Moment, als ihm selbst die Erkenntnis darüber kam, führte Ocelot seinen Plan auch schon aus. Gene spürte etwas Kaltes sein Glied umfassen und daran sanft entlangfahren, während ein Druck auf seiner Brust ihn sanft, aber bestimmend nach hinten auf den Rücken zwang. Noch bevor er realisieren konnte, was Ocelot mit ihm anstellte, spürte er ihn auf sich, wie er sich halb auf die Matratze kniete, halb sein Gewicht auf Genes Körper verlagerte. Noch bevor ein Laut über Genes Lippen dringen konnte, spürte er Ocelot diese mit seinen umschließen, seine Zunge an ihnen lecken, um Eintritt suchend und bittend. Sie waren eiskalt…und dennoch entfachten sie ein ihm unerklärliches Feuer in seinem Körper. Was geschah hier nur mit ihm? Was…hatte Adam wirklich mit ihm vor? Kapitel 6: Besitz ----------------- Nachdem ich Gene dort sitzen sah und eine Weile beobachtet hatte, hatte ich nur noch einen Gedanken im Kopf: Ich wollte ihn besitzen! Ihn als Ganzes besitzen… Seine Stimme…reichte mir nicht mehr. Ich wollte seinen Körper. Ich wollte seinen Körper an meinem fühlen. Wollte ihn berühren… Verlangen…es herrschte nur noch Verlangen in mir. Mein Körper handelte automatisch. Nie zuvor hatte ich so etwas mit jemandem gemacht. Nie zuvor hatte ich derartig gefühlt. Nein…das ist eine Lüge. Dieses Gefühl…besaß ich schon einmal…besitze es immer noch. Doch das war jetzt Nebensache. Nur du warst jetzt wichtig. Und dennoch…wünschte ich mir, jemand anderes läge in diesem Bett… Mich verlangte es nach jemand anderem…auch wenn ich es mir nicht eingestehen konnte… Verlangen…nur noch Verlangen… Würdest du mein Verlangen stillen können? --------------------------------------------------------------------------------- Gene schnappte nach Luft. Ocelots Berührungen raubten ihm den Atem. Doch wie sollte er Luft bekommen? Sein Mund wurde von Ocelots Lippen versiegelt. Ocelots Zunge leckte immer wieder an Genes Lippen, doch dieser kniff sie vehement zusammen. Die Luft, die er durch die Nase holen konnte, reichte bei weitem nicht mehr aus und ein leichter Schwindel befiel ihn. Er wollte das nicht. Er wollte nicht, dass Ocelot ihn so berührte, dass Ocelot ihn auf diese Weise zu demütigen versuchte. Doch vor allem wollte er nicht, dass seinem Körper all dies gefiel. Ocelots Hand ergriff leicht Genes Glied und begann in einem sanften und ruhigen Rhythmus an ihm auf und ab zu fahren. Gene konnte sich einfach nicht mehr zurückhalten, seine Augen weiteten sich, die leichte Röte in seinem Gesicht intensivierte sich, und langsam gab sich sein Glied dem Rhythmus hin, den Ocelot bestimmte. Er wollte aufstöhnen, öffnete seinen Mund und fühlte nun Ocelots Zunge mit seiner herumspielen. Hör auf… Hör auf, Adam… Bitte…hör…doch auf… Doch Ocelot machte weiter, unaufhaltsam weiter, je mehr sich Gene in seinem Inneren gegen ihn sträubte. Langsam wurde ihm sein Patientenhemd mit eiskalter, bestimmender Hand hochgeschoben und gab den Blick auf seinen muskulösen Oberkörper frei. Jedes Mal, wenn dabei Ocelots kalte Hand seine Haut streifte, zog Gene ein wohliger Schauer durch den Körper. Jedes Mal, wenn seine Hand Genes Haut berührte, schien ein Feuer an diesen Stellen aufzulodern. Gene bekam kaum noch Luft, seine Atemzüge wurden immer hastiger und er begann zu schnaufen. Dann löste sich Ocelot von Genes Lippen und sein Kopf wanderte langsam Richtung Oberkörper. Dabei küsste er immer wieder flüchtig Genes Körper, sein Kinn, seinen Hals, bis er schlussendlich am Ziel war. Er kam mit dem Gesicht einer von Genes Brustwarzen näher und ganz vorsichtig umschloss er diese mit seinem Mund und saugte an ihr. Das wurde einfach zuviel! Genes Erregung wurde immer größer, sein Körper entzog sich immer mehr seiner Kontrolle, wollte nur noch die Berührungen und Liebkosungen genießen. „O…Ocelot…hör…hör damit auf“, brachte Gene keuchend hervor. Sein Verstand sagte ihm, dass das, was hier gerade passierte, einfach nicht richtig war. So etwas durfte einfach nicht passieren. „Ocelot…haah…nein, Adam, ich…ich bitte dich, hör auf!“ Seine letzte Konzentration aufbringend, versuchte Gene die Kontrolle über seine Hände wiederzuerlangen. Er wollte Ocelot wegstoßen. Ihn wegstoßen und ihn somit von seinem weiteren Vorhaben abhalten. Diese aber hatten einen eigenen Willen. Anstatt Ocelot von sich zu drängen, zogen sie zu Ocelots Oberkörper und fingen damit an, die Knöpfe seines Hemdes zu lösen. Als Ocelot das bemerkte, löste er sich kurz von Genes Brust, schaute ihm in die Augen und grinste ihn lüstern an. „Dein Körper meint aber etwas ganz anderes dazu“, erwiderte er nur und führte seine Hand zu der Brustwarze, die er gerade noch mit seinem Mund behandelt hatte. Die Berührung entlockte Gene ein weiteres kurzes, aber tiefes Stöhnen und Ocelots Grinsen wurde nur noch breiter. „Sie ist ganz hart geworden. Und…sie ist so schön empfindlich…“ Sein Zeigefinger glitt immer wieder über sie, im Kreis um sie, und je länger er das machte, desto härter wurde sie. „Du bist mein, Gene…mein ganz allein“, sagte Ocelot mit fester und herrischer Stimme. „Dein Körper gehört mir. Ich habe dich gerettet und nun kann ich mit dir das machen, was ich will.“ Fest kniff er in die harte Brustwarze und Gene schrie lusterfüllt auf. Das motivierte Ocelot nur noch mehr, und wieder führte er sein Gesicht an sie und biss leicht verspielt auf ihr herum. Währenddessen half er mit seiner freien Hand Gene dabei, sein Hemd zu öffnen und streifte es, sobald dies geschehen war, von seinen Schultern. Seine andere Hand spielte dabei immer noch mit Genes Glied, welches immer steifer wurde und seiner Erektion immer näher kam. Genes Laute wurden immer primitiver, sein Kommunikationsvermögen schien für ihn wie weggeblasen, seine Sprache nur noch aus Keuchen und Stöhnen zu bestehen. Trotzdem bekam er noch einen Satz zustande, wenn auch immer wieder unterbrochen von lautem Schnaufen und lusterfülltem Schreien. „Adam…was…was…wenn…wenn jemand kommt?“ Diese Frage aus seinem Mund zu vernehmen verwirrte Gene. Warum machte er sich solch einen Gedanken? Er wollte es doch von Anfang an nicht, und wenn er von Anfang an nicht so gekommen wäre, dann müsste es solch eine Überlegung nicht geben, sie wäre sinnlos. Doch es gab sie, er dachte sie. Hatte er sich damit seinem Verlangen hingegeben? Plötzlich hörte er Ocelot kichern, ein jungenhaftes Kichern, und sah ihn wieder zu sich aufblicken. „Hast du wirklich noch diese unnötige Angst in dir?“ kicherte Ocelot ihn an. Er schloss die Augen und fing herzhaft an zu lachen. Wie schön dieses Lachen doch war. So herzhaft, tief und rein… Gene hätte ihm am Liebsten eine Ewigkeit gelauscht… Doch nach einer Weile hörte Ocelot auf, öffnete die Augen und blickte ihn wieder an. Seine Augen leuchteten vor Freude, aber auch vor Lust. „Keine Sorge, Gene. Es wird niemand kommen.“ Bedächtig strich er mit der einen Hand über Genes Waschbrettbauch, der nun auf Grund eines leichten Schweißfilms glitzerte. „Du hast so gute Vorkehrungen getroffen, da wird wohl kaum ein Arzt, eine Schwester oder sonstiges Personal hier hereinkommen, wenn es nicht innerhalb des Dienstplanes vorgesehen ist.“ Die Hand wanderte hoch auf seine Brust und massierte diese leicht. „Entspann dich Gene. Entspann dich, lass deine Gedanken ruhen und hör nur auf deinen Körper.“ Mit diesen Worten beugte er sich wieder zu Gene herunter und ließ seine Zunge über dessen Oberkörper gleiten, das Salz seines Schweißes schmecken. Genes Hände tasteten sich von Ocelots Bauch über die Seiten und spürten schlussendlich seinen Rücken unter ihnen. Leicht krallte er sich mit ihnen in ihm fest, was Ocelot kurz aufzucken ließ, aber nicht davon abhielt, weiterzumachen. Zwischen seinen Lenden näherte sich Gene immer mehr seinem Höhepunkt. Ocelots Hand wurde immer schneller, pumpte immer fester, je weiter er sich versteifte. Nicht mehr lange, und er würde sich nicht mehr halten können. „Adam…Adam…“, sagte er voller Wollust, aber auch voller Scham. „Ich…ich kann nicht…mehr“, brachte er nur noch schwach hervor, den Kopf zur Seite wendend, damit Ocelot nicht erkennen konnte, wie peinlich ihm das Ganze war. Ocelots Zunge hielt inne, und Gene hörte seine verführerische Stimme. „So schnell schon? Hmmm…und ich dachte, ich hätte noch etwa länger Spaß mit dir.“ Ein leises Kichern war zu vernehmen. „Egal. Beenden wir es.“ Auf einmal spürte Gene die eiskalte Hand nicht mehr auf seinem heißen, erigierten Glied, und dieser Umstand machte ihn stutzig. Den Blick wieder zu Ocelot wendend, wollte er herausfinden, woran das lag. Und kaum hatte er dies getan, wünschte er sich nichts sehnlicher, als diese Tat ungeschehen zu machen. Was er sah, war, dass Ocelots Kopf sich von seinem Oberkörper entfernte und weiter seinen Körper herunterzog. Gene wurde knallrot. Aufgebracht legte er seine Hand an Ocelots Kopf und hielt ihn fest. „Adam, was…was hast du vor?“ fragte er leicht verängstigt. Doch Ocelot wimmelte nur Genes Hand mit seiner ab und setzte seinen Weg unbeirrt fort. „Wie ich es gesagt habe…ich bringe es zu Ende.“ Nun war er unten angekommen und sein Gesicht schwebte mit dem Mund über Genes Erektion. „Adam, tu…tu das nicht!“ Aber Ocelot hörte nicht auf Gene. Leicht öffnete er seine Lippen und senkte seinen Kopf. Keine Sekunde später spürte Gene Ocelots feuchte Zunge an ihm lecken. Schnell fuhr Ocelot rauf und runter, immer wieder mit der Zunge herumschlagend, von allen Seiten auf Genes Glied einwirkend. Dieser verlor nun vollends die Beherrschung. Seine Hände entfernten sich von Ocelots Körper und fanden neben seinem Körper Platz, sich fest in die Matratze krallend. Die Lust, die er bei dieser Aktion empfand, vernebelte ihm alle Sinne, er achtete auf nichts mehr. Auf nichts und niemanden. Nur noch auf sich selbst und seinen Höhepunkt, der nun bevorstand. Ocelots Kopf bewegte sich immer schneller auf und ab, seine Lippen umschmeichelten sowohl sanft als auch ganz fest Genes Glied, saugten und zogen an ihm und zwangen ihn regelrecht zu kommen. Mit seinen Händen, die nun nichts mehr zu tun hatten, griff er nach Genes Hüften und hielt ihn fest, damit er beim Kommen keine allzu ruckartigen Bewegungen machen konnte und Ocelot somit verletzen würde. Er packte fest zu und streichelte mit seinen Fingern sanft über seine Haut. Doch Gene spürte davon nichts mehr. Die Erregung hatte ihn vollkommen unter Kontrolle, und nun zog sie sich durch seinen ganzen Körper. Als sein Glied sich noch mehr versteifte, hob er, so gut es noch unter Ocelots Griff ging, die Hüfte und streckte den Rücken durch. Ein Schwall Samenflüssigkeit ergoss sich in Ocelots Mund und Gene ließ sich befriedigt und erschöpft auf den Rücken sinken. Als er keuchend nach Luft schnappte, hörte er noch ein leises Schluckgeräusch, dann lösten sich Ocelots Lippen von ihm. Dann wieder ein leises Kichern. „Schon vorbei?“ meinte Ocelot nur etwas traurig. Langsam lugte er wieder hervor und grinste Gene an. „Das nächste Mal ist es hoffentlich länger“, meinte er nur, erhob sich von Genes Körper, entfernte sich vom Bett und hob sein Hemd auf. Gene wurde wütend. Sein Patientenhemd hektisch herunterziehend, stützte er sich mit den Ellenbogen von der Matratze ab und schaute dem jungen Mann hinterher. „Es wird kein nächstes Mal geben, Ocelot! Das werde ich zu verhindern wissen!“ schrie er seinen Gegenüber an. Dieser aber grinste nur, als er diese Worte hörte, und streifte sich sein Hemd wieder über. „Mir hatte es besser gefallen, als du meinen richtigen Namen hervorgestöhnt hattest“, sagte er trocken, während er sich sein Hemd zuknöpfte. Gene wurde knallrot, wandte seinen Kopf zur Seite und legte sich eine Hand vors Gesicht. Dieser kleine Teufel…jetzt nutzte er diesen einen Moment der Schwäche schamlos aus, dachte sich Gene nur. Ihm…ihm hatte es ja gefallen…diese ganzen Berührungen von Ocelot. Diese sanfte und doch so bestimmende Art. Doch er wollte es einfach nicht zugeben. Das wäre ein Fehler. Würde er es zugeben, dann würde er damit zeigen, dass er abhängig ist. Abhängig von Ocelot. „Ich werde dann mal gehen.“ Gene drehte sein Gesicht wieder zu Ocelot und sah, wie dieser zu seinem immer noch nassen Trenchcoat ging. „Ocelot, warte!“ rief Gene ihm wütend zu. „Ich, ich werde mich dafür an dir rächen, das schwör ich dir!“ warf er Ocelot wutentbrannt entgegen. Dieser nahm den Trenchcoat, warf ihn sich über die Schulter, drehte sich noch einmal zu dem im Bett liegenden Mann um und lächelte leicht. „Das will ich doch hoffen“, flüsterte er ihm leise zu, drehte sich zur Tür, öffnete sie und trat aus dem Zimmer. Und ließ somit einen vollkommen verwirrten Gene zurück. Den Kopf schüttelnd fiel dieser wieder auf das Bett zurück. Was sollte das alles nur? Warum hatte Ocelot mir das angetan? Mit diesem Gedanken im Kopf, schlief er kurz darauf völlig erschöpft ein. Ocelot hingegen stand noch eine Weile draußen an der Tür gelehnt da und dachte noch einmal über all das nach, was passiert war. Obwohl er sich nur auf Gene konzentrieren wollte, während er das alles mit ihm gemacht hatte, war er in Gedanken bei jemand anderem. Er wollte das alles nicht mit Gene tun, in Wirklichkeit wollte er jemand anderen. Jemand, der unerreichbar war. Nach einer Weile schüttelte er den Kopf, grinste leicht traurig und machte sich daran, das Krankenhaus zu verlassen. Während all dieser Zeit hatte er nicht die Gestalt bemerkt, deren silberne Haare im Licht des Flures zu glitzern schienen, und die den Jungen beobachtet hatte. Jetzt kramte sie in einer Tasche ihrer Uniform und zog ein Funkgerät hervor. Sie stellte es auf Sendefunktion, zog die Antenne heraus und sprach leise in die Sprechmuschel hinein. „Fox hier. Big Boss, ich habe ihn gefunden. Werde Ihnen später Bericht erstatten. Over and Out.“ Damit ließ er das Funkgerät wieder in die Tasche gleiten und entfernte sich langsam von der Tür zu Genes Zimmer. Kapitel 7: The other Side ------------------------- Nach dieser Sache musste ich nur eines machen: Nachdenken. Ich musste darüber nachdenken, was alles geschehen war. Warum hatte ich so im Krankenhaus reagiert? Warum hatte ich mich einfach nicht zurückhalten können? Und vor allem: Warum dachte ich bei der ganzen Sache nicht einmal wirklich an dich? Ich konnte dich zwar fühlen, und ich wusste auch, dass du es warst, den ich so behandelte… Doch mein Herz befahl meinem Verstand, dich zu ersetzen… Dein Verhalten, deine Reaktionen auf mein Handeln auf jemand anderen zu übertragen. Während der ganzen Zeit warst es nicht du, den ich unter mir sah… Nachdenken, einfach nur Nachdenken. Eine Weile alleine sein und einfach nur Nachdenken. Etwas Zeit blieb mir ja noch, mich zurückzuziehen, deine Entlassung ließ noch ein paar Tage auf sich warten. Genug Zeit für mich. Daher zog ich mich in meine Wohnung zurück. All die Tage blieb es still bei mir. Ich brauchte einfach Ruhe… Hätte ich geahnt, was sich währenddessen anbahnte, ich hätte meine Ruhe schnellstmöglich verlassen. Doch es geschah einfach, ohne dass ich etwas davon mitbekam. Erst später sollte ich von diesem Treffen erfahren. Später… Zu spät, um das zu vereiteln, was dann kommen könnte? --------------------------------------------------------------------------------- Big Boss saß in seinem Sessel, den er in Richtung des großen Fensters gerückt hatte. Wie immer rauchte er eine Zigarre, kubanisch, und ein Grinsen zierte sein Gesicht. Erfreut kaute er auf dem Ende der Zigarre herum. Endlich hatte man ihn gefunden. Trotz all seiner Versuche, sich im Hintergrund zu halten, sich vor der Welt und ihm zu verstecken. Trotz aller Bemühungen seiner Helfer. Gene konnte ihm einfach nicht entkommen. Niemand konnte seiner gerechten Strafe entgehen, auch nicht jemand wie er, trotz all seiner ihm verliehenen Fähigkeiten. So unnütz war das Successor-Projekt also wirklich… Wenn die Wissenschaftler, die daran beteiligt waren, dass nur wüssten… Ein leises Lachen kam ihm über die Lippen. Jemand wie Gene, der nur durch eine utopische Vorstellung von verrückten Militärwissenschaftlern, die sich einmal im Leben für Gott halten wollten, auf dieser Welt existierte, dem es von Natur aus eigentlich nicht gestattet war, zu leben…so jemand konnte einen echten Menschen einfach nicht überlisten. Er würde seine gerechte Strafe bekommen…die Strafe dafür, dass er sie getötet hatte. Langsam kam Big Boss wieder aus seinen Gedanken und schien sich wieder für das zu interessieren, was vor seinen Augen lag, die Welt dort draußen, jenseits der Fensterscheibe. Wie dunkel es doch draußen war… Die letzten Tage hatte es nur noch geregnet. Doch dieser Regen war nicht natürlich. Irgendjemand…schien diesen Regen zu kontrollieren, ihm zu befehlen, diese Welt in Dunkelheit und Nässe verschwinden zu lassen. Big Boss kannte diesen Regen nur allzu gut. Ebenso wie seinen Beschwörer. Seufzend hob er seinen linken Arm, schob mit seiner rechten Hand den linken Ärmel seines Trenchcoats hoch und blickte auf seine Armbanduhr. Es war schon spät. Zu spät. Seit Fox sich bei ihm über Funk gemeldet hatte, waren schon acht Stunden vergangen. Allmählich sollte er hier ankommen und seinen Bericht erstatten. Wieder seufzte Big Boss und ließ den Arm fallen. Wer weiß, wo sich Gene versteckt hält…du musst einfach warten… Ein Klopfen an der Tür ließ ihn aus seinen Gedanken hochschnellen. Er drehte den Sessel so, dass er in Richtung Zimmertür blicken konnte. War das endlich Fox? Schon fast aufgeregt erhob er sich aus dem Sessel und ging halb auf die Tür zu, bevor er endlich die Worte sagte, auf die der Mann jenseits der Tür wartete. „Komm herein!“ Die Tür öffnete sich fast schleichend. Big Boss beobachtete den unendlich langsamen Vorgang, wie die Tür langsam auf ihn zu zuschwingen schien, sich langsam in den Raum erstreckte und den Blick auf den Raum preisgab, den sie von seinem Büro abtrennte. Die den vor ihr Wartenden von ihm trennte. Doch als Big Boss diesen jemand sah, ließ er nur einen enttäuschten Seufzer von sich. Es war nicht Fox. Zumindest nicht der Fox, auf den er gewartet hatte. Doch auch der entnervte Blick, den Big Boss auf ihn richtete, ließ den Mann nicht davon abbringen, einzutreten. „Hallo Snake! Ich hoffe, ich störe dich nicht gerade bei irgendetwas?’ Grinsend trat Chicken Fox in sein Büro und schloss schnell die Tür hinter sich. „Ich habe dir doch schon tausendmal gesagt, dass, wenn wir noch im Dienst sind, du mich mit Big Boss anzureden hast, Chicken Fox“, erwiderte Snake nur leicht sauer, machte wieder kehrt und ging zu seinem Schreibtisch. Leicht ließ er seine rechte Hand über das Holz der Arbeitsplatte streichen, fühlte dessen Maserung, ehe er sich hinter den Tisch begab und sich in seinen Bürostuhl setzte. „Ach, nun komm schon, Snake“, sagte Chicken Fox leicht schmollend. „Wenn wir alleine sind, kannst du doch mal eine Ausnahme machen.“ Langsam ging Chicken Fox auf den Schreibtisch zu, wandte sich dann aber doch zur Seite und zu dem Sofa, schmiss sich regelrecht darauf und machte es sich bequem. „Ich möchte das aber nicht!“ warf ihm Snake nur verärgert zu. „Was ist das nur für ein Kommandant, der es nicht zu Stande bringt, dass die ihm unterstellten Soldaten und die ihm niederrangigen Offiziere ihn mit dem korrekten Titel und dem nötigen Respekt ansprechen?“ „Ganz einfach. Ein menschlicher Kommandant“, sagte Chicken Fox nur trocken und verschränkte die Arme hinter den Kopf, um diesen auf ihnen zu stützen. Mit solchen Antworten traf er Snake schwer, dass wusste er auch, ohne zu ihm zu blicken. Sicherlich würde er jetzt dasitzen, sich eine Hand vor das Gesicht legen und bedrückt dreinschauen. All das konnte er sich denken und vor seinem geistigen Auge abspielen, während er die Decke von Snakes Büro betrachtete. Er mochte ja kalt geworden sein in diesen fast vier Monaten, doch ein Teil seines alten Ichs war noch übrig geblieben, und seltsamerweise wusste Chicken Fox, wie er diesen Teil aktivieren konnte. Wenn er wollte, traf er immer mit den richtigen Worten… „Wenn du nur hier bist, um mich fertig zu machen, dann kannst du gleich wieder gehen…“ Nun drehte er doch sein Gesicht zu Snake und musste sich ein Grinsen verkneifen, da er nämlich genau so reagiert hatte, wie er es sich selbst gedacht hatte. Jaja…das Psychologiestudium war doch zu was nütze… Schwerfällig hob sich Chicken Fox wieder von dem Sofa und ging zu Snake. Die letzte Mission war einfach zu viel für ihn gewesen. Sie hatte ihm zuviel abverlangt, hatte zuviel an seiner Substanz genagt und ihn dabei fast in ein tiefes Loch gestürzt. Doch er entkam diesem Schicksal und einer damit verbundenen schweren Depression. Der Preis war hoch für diesen Sieg über seine unmittelbare Vergangenheit. Chicken Fox stellte sich hinter Snake und begann, ihm leicht die Schultern zu massieren. „Du solltest wirklich mehr entspannen und die eine Auszeit nehmen. Es stehen genügend fähige Soldaten und Offiziere unter deinem Kommando, die einmal für ein paar Tage deinen Posten übernehmen könnten. Mein Rat an dich: Gönn dir eine Pause!“ Murrend nahm Snake die Zigarre aus dem Mund und legte sie in einen Aschenbecher, der nur einen Armbreit weit entfernt auf seinem Schreibtisch stand, und ließ sie dort eine Weile ohne ihn weiterrauchen. Er hingegen legte den Kopf in den Nacken und sah Chicken Fox somit genau in die Augen. Ein leichtes Grinsen zierte seine Züge. „Ist das dein Rat an mich als Psychologe, Roy?“ fragte er etwas schelmisch, dabei Chicken Fox’ richtigen Vornamen stark betonend, um ihn etwas härter klingen zu lassen, als wolle er ein Kind rügen, das gerade einen Keks aus einer Dose geklaut hat, obwohl das Abendessen kurz bevorstand. Roy erwiderte Snakes Gesichtszug mit einem schiefen Grinsen. „Nein, Snake. Das ist einzig allein mein Rat an dich als ein guter Freund.“ Gerade, als Roy dies gesagt hatte, klopfte es an der Tür. „Tja, eine Pause ist anscheinend nicht drin, Roy.“ Snakes Gesicht wich dem seinen wieder aus und blickte nun wieder Richtung Tür. „Das wird wohl Gray Fox sein“, sagte er nur trocken, erhob sich aus seinem Sessel und entriss sich damit Roys Händen. „Falls du dich bitte wieder an deine Pflichten erinnern würdest, Chicken Fox“, meinte Snake nur und zeigte zu dem Sofa, auf dem Roy vorhin gelegen hatte. Roy blickte nur leicht seufzend dahin. Und da geht wieder Snake, um Big Boss Platz zu machen, kam es ihm in Gedanken, und langsam ging er zu dem Sofa und setze sich auf dieses. Snake schien zufrieden und machte sich auf den Weg zur Tür. „Ich möchte, dass du die Sache hier mithörst und sie bewertest.“ Er legte die Hand an die Klinke und blickte noch einmal zu Roy. Ein leichtes Nicken zu ihm werfend, drückte er schließlich die Klinke herunter und öffnete die Tür. Diesmal war es der richtige Fuchs. Snake trat einen Schritt von der Tür zurück und machte eine Geste, die Gray Fox sagen sollte, dass er eintreten sollte. Langsam trat der junge Mann in das Büro seines Kommandanten. Dabei wurde er genauestens von Roy gemustert, der nun mit vor dem Mund verschränkten Händen dasaß. Seine Bewegungen verraten noch immer das Experiment, das an ihm durchgeführt wurde, fuhr es Roy durch den Kopf. Ob er das jemals verbergen und ein normales Leben führen könne? Oder würde er für immer ein Kämpfer bleiben und als solcher sterben, mitten auf dem Schlachtfeld? In diesem Moment blickte Fox zu Roy und ihre Blicke kreuzten sich. Fox nickte nur kurz zu ihm, und Roy erwiderte es nur. Das war die einzige Art der Kommunikation, die zwischen den beiden Männern ablief, und sie reichte vollkommen aus, um sich auszutauschen. Eine einzige Bewegung verriet und sagte manchmal mehr als alles andere. Als Snake ihn zu dem Stuhl bat, der vor seinem Schreibtisch stand, wusste Roy, dass er nun aufmerksam würde zuhören müssen. Jede Information, die gleich aus Fox austreten würde, müsse von ihm durchleuchtet werden. Jedes kleine Detail untersucht werden, um ein weiteres, wichtigeres daraus zu filtern. Roy sah zu, wie Snake sich hinter seinen Schreibtisch auf den Bürostuhl setzte und nun den ihm gegenübersitzenden Mann musterte. Jetzt war es wieder soweit, jetzt war Snake wieder gegangen und Big Boss trat an seine Stelle, um Informationen für seine Pläne sammeln zu können. Ein leichtes Seufzen glitt Roy über die Lippen. Ihm missfiel die zweite Seite von Snake, denn diese war kalt und skrupellos, jeden eigenen Vorteil suchend und ausnutzend. Sie war das genaue Gegenteil von dem Snake, den er in San Hieronymo kennen gelernt hatte. Von dem Snake, der ihn aus den Zellen und somit der Gefangenschaft von FOX befreit hatte. Den er willigst mit einem Truck von einem Ort zum anderen gefahren hatte, wenigstens eine Arbeit, die er in seinem damaligen Zustand erledigen konnte. Für den er die sowjetischen Soldaten mit Hilfe seiner psychologischen Kenntnisse überredet hatte, um mit deren zusätzlicher Kraft die rebellierende FOX-Einheit zu stoppen. Doch dieser Snake schien mehr und mehr in den Hintergrund zu rücken. Es fing alles damit an, dass Snake zusehen musste, wie ein einzelner Mann es allein mit Hilfe seiner Stimme zu Stande gebracht hatte, sich mindestens dreißig überaus fähiger Soldaten zu entledigen, ohne dass er etwas dagegen unternehmen konnte. Sie schossen sich gegenseitig nieder, alle in dem Glauben, unter ihnen wäre ein Verräter, den sie ausschalten müssten. Snake stand mitten unter dieser wild um sich schießenden Meute, bekam mehrere Streifschüsse mit, versuchte alles mögliche, um ihnen wieder die Augen zu öffnen, ihnen mitzuteilen, dass sie einer Lüge unterlagen… Dann wäre er beinahe selbst gestorben. Einer der Soldaten zielte auf ihn mit seinem MG und drückte ab. Beinahe wäre alles aus gewesen, wenn nicht Jonathan dazwischen gesprungen wäre und Snake gerettet hätte. Jonathan war ihr erster Rekrut, und er starb genau vor Snakes Augen, nur um ihn zu beschützen. Um das zu beschützen, woran er glaubte. Es fing mit diesem Ereignis an, dass er sich mehr und mehr von der Außenwelt abschottete und eine Scheinpersönlichkeit aufbaute, die der ganzen Mission mit Emotionslosigkeit gegenüberstand und sie ohne irgendeine Gefühlsregung durchführte. Immer mehr Soldaten starben um ihn herum, immer mehr Menschen, alle nur für ihn selbst, um ihn zu schützen, und immer größer wurde die Abschottung. Bis es dann zu dem ausschlaggebendsten Punkt kam. Bis zu diesem Zeitpunkt hätte man ihn noch aus diesem Fahrstuhl holen können, der immer weiter und weiter zu einem Punkt hinab fuhr, den am Ende niemand mehr erreichen würde außer Snake selbst. Doch mit einem letzten Tod wurde Snakes Schicksal besiegelt. Ein Tod kann soviel verändern, niemand kann sterben, ohne damit sein Umfeld entscheidend zu beeinflussen. Als sie starb, starb Snake mit ihr und Big Boss trat an seine Stelle… „Chicken Fox, ich wäre dir sehr dankbar, wenn du deine Aufmerksamkeit wieder der Realität zuwenden würdest, anstatt in deine Traumwelt abzudriften.“ Roy schreckte leicht hoch und blickte zu Snakes Schreibtisch. Snake blickte ihn nur halb wütend an, denn er war wohl kurz davor, die Geduld mit ihm zu verlieren. Nun war es wieder an Roy, seine eigene Maskerade aufzuziehen und seine Gefühle, Gedanken und Befürchtungen zurückzustellen. Auch er hatte eine Scheinpersönlichkeit, die nicht weit von Snakes entfernt war. Doch im Gegensatz zu Snakes nahm ihn seine nicht vollkommen ein. Er wusste, welche Seite sein wahres Ich war, und er wusste auch, wo er eine Grenze ziehen musste. Snake jedoch hatte die Kontrolle verloren. Doch könnte ihm Roy das niemals ins Gesicht sagen, denn er wusste, würde er dies tun, würde seinen Worten eh keine Beachtung geschenkt werden. Snake müsse schon selbst darauf kommen, erst dann würde man ihm richtig helfen können. Zwang würde hier nichts bringen. Und solange müsse Roy eben mitspielen. Einmal tief durchatmend und sich noch etwas Zeit nehmend, sich zu sammeln, nickte er dann seinem Kommandanten zu. „Es tut mir Leid, Sir. Setzen sie das Gespräch fort“, sagte Roy nur trocken, doch Big Boss schien mit dieser Antwort besänftigt und wandte sich wieder Fox zu. „Dann beginnen sie mit ihrem Bericht, Gray Fox.“ Mit diesen Worten griff Big Boss wieder zu seiner Zigarre und achtete nun nur noch auf Fox’ Worte, ein fieses Grinsen dabei zeigend. Obwohl er versuchte, es zu vermeiden, blickte Roy doch immer wieder zu Big Boss. Sorgen machten sich in ihm breit, als er diesen Ausdruck in dem Gesicht seines Freundes beobachtete. Dieses Gesicht zeigte nichts anderes mehr als Kälte und Mordlust. Je mehr Fox über seine Entdeckungen erzählte, desto finsterer wurde Big Boss’ Miene. Er schien schon einen Plan auszuarbeiten, wie er Gene am Besten zu Strecke bringen könne. Wie er ihn erledigen könne. Es schmerzte, mit ansehen zu müssen, wie jemand wie Snake so tief fiel. Doch der Fall war einfach nicht mehr aufzuhalten, nicht von seinen Soldaten, nicht von seinen Offizieren, und vor allem nicht von ihm. Snake müsse sich selbst aufhalten, wenn er sich noch hätte retten wollen. Doch dieser Gedanke schien ihm selbst nicht zu kommen. Es schmerzte Roy, denn er wusste, wenn es so weiter ging mit Snake und seiner Suche nach Gene, dann hätte er bald einen guten Freund verloren. Und niemand konnte etwas unternehmen… Kapitel 8: Schein und Wirklichkeit ---------------------------------- Eine weitere Woche verging ohne große Zwischenfälle – zumindest ohne einen, von dem ich erfahren hätte. Die Zeit verging schnell, rann wie feiner Sand durch unsere von Blut befleckten Hände. Doch trotz dieser ganzen Weile hatte ich es nicht geschafft, bei meinen Überlegungen auf irgendein Ergebnis zu kommen. Manchmal macht man Dinge, die mehr als irrational sind… Doch weiter darüber zu grübeln brachte uns auch nicht weiter, denn jetzt war es erst mal an der Zeit, dich aus diesem Krankenhaus herauszuholen. Endlich war deine Krankenzeit um. Jetzt konnte ich dich endlich von dort wegbringen und dich vor ihm verstecken. Ob das aber wirklich etwas nützen würde, war mir einfach egal. --------------------------------------------------------------------------------- Nach einer langen, traumlosen Nacht wachte Gene langsam auf. Schwerfällig machte er die Augen auf und betrachtete die Decke seines Zimmers. Man sah es ihm nicht an, doch innerlich war er voller Vorfreude ob dieses heutigen Tages. Endlich… Endlich werde ich entlassen. Heute war der Tag, an dem er dieses Krankenhaus verlassen konnte. Er freute sich schon die ganze letzte Woche darauf, denn so würde er sich endlich Ocelots Einfluss entziehen können. Ihm endlich durch die Hände schlüpfen und sich allein irgendwo abschotten, versteckt vor Fox Hound und ihm. Eine Woche hatte er Zeit, sich ein Versteck zu überlegen, einen Plan auszuarbeiten. Nun war er bereit, ihn anzugehen. Mit noch vom Schlaf zeugender Trägheit hob er sich aus dem Bett hoch und versuchte, sich aufzusetzen. Noch immer schmerzten ihm leicht seine Glieder, noch immer wehrten sich manchmal seine Beine gegen seine Befehle. Doch im Großen und Ganzen war er soweit, soweit, endlich wieder auf eigenem Befehl zu handeln. Müde sah er sich im Zimmer um und bemerkte auf dem kleinen Rolltisch eine fremde Erhebung. Sich regelrecht aus dem Bett quälend stellte er sich vorsichtig auf seine Beine und ging auf den Tisch zu. Aus der Nähe betrachtet entpuppte sich die Erhebung als Kleidung, die für ihn ausgelegt worden war. Murrend hob er den Haufen hoch und musterte seine Bestandteile. Sie waren nichts Großartiges, ein dunkles T-Shirt, eine Jeans und Unterwäsche. Naja, zumindest nicht allzu auffällig, ich muss ja nicht gleich mit einem Schild durch die Gegend laufen, das sagt: Nehmt mich fest, ich bin ein gesuchter Krimineller! Dennoch missfiel ihm leicht die Kleidungswahl, sie entsprach einfach nicht seinem Stil. Das letzte, was er angehabt hatte, war ein hautenger Schutzanzug aus Kevlar, dazu einen langen, fast auf den Boden fallenden Trenchcoat und ein schwarzes Barett. In diesen Klamotten hatte er sich wohl gefühlt, sie entsprachen seinem Charakter und waren erforderlich für die Situation, in der er sich befand. Etwas wehmütig erinnerte er sich an San Hieronymo zurück. Auch wenn das Ganze damals für ihn kein gutes Ende nahm, so vermisste er es dennoch. Es war einfach wie ein Zuhause, dort hatte er sich wohl gefühlt. Geschaffen für das Schlachtfeld, war es für ihn der einzige zumutbare Ort, an dem er sich hatte aufhalten können. Leicht seufzend warf er schroff den Haufen wieder auf den Platz zurück, auf dem er zuvor gelegen hatte. Irgendwie hatte er noch keine Lust, seine ‚Ziviltarnung’ anzulegen. Auf einmal hörte er etwas rascheln, schaute wieder zu dem Haufen und sah noch so eben einen Zettel auf den Boden heruntersegeln. Woher kam der denn? ging es Gene durch den Kopf und bückte sich nach diesem, sobald der den Boden erreicht hatte. Da er mit der beschriebenen Seite zuerst auf den Boden gefallen war, konnte Gene noch nicht sehen, was auf ihm stand, als er ihn hochhob, doch stellte er schon seine eigenen kleinen Vermutungen bezüglich seines Inhaltes an. Vielleicht war das ja eine Nachricht vom Krankenhauspersonal. Irgendwie musste er bei dem Gedanken an diese Option schmunzeln. Wenn diese Leute mir wirklich eine Nachricht zukommen lassen würden – nach all den Späßen, die ich mit ihnen getrieben hatte – würde sie sicher nicht allzu positiv ausfallen. Was er von so einer Nachricht erwarten würde, wären so aufbauende Sätze wie ‚Endlich verschwinden sie’ oder ‚Mögen sie in der Hölle schmoren!’. Jaja, medizinisches Personal mag zwar dazu geschult worden sein, einen gewissen Grad an Toleranz zu besitzen, an den andere Leute nicht in hundert Jahren ranreichen würden, aber so sehr wie er diese strapaziert hatte, würde es ihn nicht wundern, wenn er so etwas zu lesen bekäme. Naja, Hauptsache ich hatte meinen Spaß gehabt. Seine Finger berührten nun den Zettel, nahmen ihn vorsichtig und hoben ihn vom Boden auf, dabei die beschriebene Seite zu sich drehend. Als er nahe genug war, konnte er auch die feine Schrift entziffern, die das Weiß des Zettels bedeckte. Die Nachricht war definitiv an ihn gerichtet, auch wenn der Imperativ die vorherrschende Grammatik und kaum ein Wort der Anrede vorhanden war. Zieh das an und halt dich bereit. Komme heute vorbei, um dich abzuholen. Das war alles, das war die ganze Nachricht. Nur diese zwei mehr als mickrigen Sätze, ordentlich hingeschrieben, aber ohne irgendein Gefühl dabei. Nicht mal der Name des Verfassers stand da, als ob er es nicht für nötig gehalten hätte, ihn zu hinterlassen, da derjenige, an den die Nachricht ging, es eh wissen würde. Und wie derjenige das wusste… Ocelot…du…verdammter… Wütend knüllte Gene das Papier in seiner Hand zusammen und das Rascheln erfüllte den ganzen Raum. Du verdammte kleine Mistkröte, meinst du eigentlich, ich bin dein Haustier, das du einfach so herumkommandieren kannst, wie es dir gerade passt?! Sich zum Mülleimer drehend, holte Gene weit mit dem Arm aus und versenkte den zusammengeknüllten Haufen mit einem Wurf. Zornesröte machte sich auf seinem Gesicht breit. Warum musste er ihn immer so behandeln? Woher nahm er sich die Dreistigkeit, ein solches Verhalten ihm gegenüber zu zeigen? Zuckerbrot und Peitsche, mehr war das nicht zwischen Ocelot und ihm. Erst stellte er Dinge mit ihm an, an die er nie gedacht hätte, berührt ihn auf eine Weise, dass es ihm die Sinne und das Urteilsvermögen raubt, und dann kommt er wieder mit so etwas kaltherzigen, fiesen… An diesem Punkt unterbrachen sich Genes Gedanken. Halt, einen Moment, etwas an dem, was du dir da gerade gedacht hast, kann doch einfach nicht richtig sein. Spul noch einmal zurück und überdenke alles, flüsterte eine Stimme in ihm, forderte ihn geradezu dazu heraus. Zuerst irritierte ihn das, aber er tat, wie sie ihm geheißen hatte. Es stimmte, Ocelot behandelte ihn immer wie seine kleine Spielpuppe, er machte mit Gene eigentlich nur, was ihm selbst gefiel. Spielte mit ihm, mit seinem Körper, seinen Gefühlen… Moment mal…mit…mit meinen Gefühlen?!?! Erstaunen machte sich in Gene breit. Wieso spielte er mit meinen Gefühlen? Was ist das für ein absurder Gedanke? Man kann erst mit eines anderen Gefühlen spielen, wenn derjenige hinsichtlich deiner Person etwas empfindet, so einfach ist das. Laut dieser, seiner Definition, sollte es also für Ocelot schwer sein, mit Gene hinsichtlich dieser Richtung zu ‚spielen’… Also? Warum sollte ich mir irgendwelche Sorgen machen? Doch etwas in ihm sagte dazu etwas anderes. Etwas in ihm fühlte sich von Ocelot missbraucht. Von Adam missbraucht, nicht physisch, sonder psychisch. Schamesröte stieg ihm nun ins Gesicht. Ihre Farbe war intensiver, schwerer zu unterdrücken als die Farbe des Zorns. Und das mit ihr verbundene Gefühl setze dem Körper viel mehr zu. Wenn Zorn schon etwas Schmerzhaftes war, was für einen Schmerz musste Gene jetzt empfinden? Alles schien auf ihn zu fallen. Die ganze Welt um ihn herum stürzte auf ihn ein. Das Ereignis, das eine Woche zuvor stattgefunden hatte. Alles wiederholte sich vor seinen Augen, und er musste sich in Entsetzen, Ekel und Lust gehüllt eine Hand vor den Mund legen, um nicht sofort los zu schreien. Alles, alles kam zu ihm zurück… Adams Hände, seine Lippen, seine Blicke… Gene musste sich irgendwo aufstützen, sich festhalten, um nicht dem Druck all dieser Erinnerungen zu erliegen. Alles, jede Berührung, jeder Kuss… Hitze, unendliche Hitze erfüllte seinen Körper bei diesen Erinnerungen. Alles, alles wurde von ihm erzwungen! Er wollte das nicht, konnte es einfach nicht gewollt haben, nicht, was Adam mit ihm gemacht hatte. Das alles… Und dennoch reagierte sein Körper befremdlich auf diese Erinnerung, wurde heiß, erregt. Seine Sinne spielten verrückt, gaukelten ihm Berührungen vor, wo keine waren, gaben vor, dass Adam bei ihm wäre. Hände, die ihn berührten, unter seine Kleidung glitten, über seinen Körper strichen. „Du bist mein, Gene“, erklang eine Stimme von hinten. Das…das war doch… Hastig und erschrocken drehte sich Gene um – doch sah er niemanden hinter sich. Das…das konnte doch einfach nicht sein! Er hatte ihn doch gehört! Er war hinter ihm, hatte ihn… Hatte ihn berührt… „Was ist, suchst du mich etwa?“ Auf einmal spürte er wieder die Hände hinter sich, wie sie ihn leicht umarmten und dennoch fest genug hielten, um ihn von seinem Vorhaben, sich erneut umzudrehen, abzuhalten. „Nein, bleib so…so ist es schöner“, sagte die Stimme sanft zu ihm, gefolgt von dem Gefühl eines zarten Kusses auf Genes Nacken. Dieser errötete nun, sich noch gegen all die Zärtlichkeit innerlich sträubend, aber nicht sichtlich wehrend. „Adam, warum…warum machst du das mit mir? Was…was bringt dir das?“ fragte er leicht stöhnend, doch der Mann hinter ihm blieb stumm, benutzte seinen Mund statt zum Reden lieber für die Liebkosung von Genes Nacken und Hals. Seine Hände glitten wieder unter Genes Kleidung, erforschten seinen Körper auf ihre ganz eigene Art und Weise. Diesem war das sichtlich peinlich, sein Gesicht glich mehr und mehr dem eines gewissen Nachtschattengewächses, doch anstatt dazwischen zu greifen und ihn davon abzuhalten, ließ er es mit sich machen, nahm seine eigenen Hände sogar nach hinten und hielt sich sanft an seinem Hintermann fest. Ihm war es nicht unangenehm, anscheinend verlangte er nach so einer Art der Zuwendung, ja, hatte sogar darauf gewartet. Darauf gewartet, dass ihn jemand so behandeln würde. Das ihn jemand brauchen würde. Das er nicht unnütz ist auf dieser Welt… Die Hände indes wurden auf einmal grober, kratzten und zerrten an ihm, als wollten sie seinen Körper zerstören, damit niemand anderes auf die Idee kommen würde, sich seiner zu bemächtigen. Gene verwirrte das zutiefst. „Adam, was…was soll das, das…das tut weh!“ ließ er laut vermerken und riss sich aus der Umarmung, um sich zu seinem Hintermann umdrehen zu können, ihm in die Augen blicken zu können. Doch statt einer Statur, statt eines Gesichtes sah er nur einen in Schatten gehüllten Schemen. „A…Adam, bist…bist du das?“ Ein weiteres ihm fremdes Gefühl machte sich in ihm breit, ein Gefühl der Angst. Wer war dieser Schatten? War es wirklich Adam, der da vor ihm stand? Dann auf einmal wieder die Hände, die sich langsam auf seinen Körper zu bewegten wie zwei selbstständige Lebewesen. Sanft strichen sie über Genes Brust und wanderten langsam seinen Körper hinauf. „Adam? Wer ist Adam?“ fragte die Stimme leicht spottend. Die Hände näherten sich seinem Hals. „Ach, du meinst Ocelot, richtig?“ Ein plötzlicher Druck schnürte Gene die Kehle zu, raubte ihm den Atem. Was…was soll das?! Sein Hals wurde zusammengequetscht, zusammengepresst von den Händen, die gerade noch so sanft zu ihm waren. „Wa- was zur Hölle machst du? Wer bist du? Wo ist Adam?!“ warf er verzweifelt dem Schemen vor sich entgegen, immer mehr die Kontrolle über sich und seinen Körper verlierend, je fester die Hände zupackten. „Was ich mache? Ich schaffe dich aus dieser Welt, Gene.“ Mit diesen Worten lichtete sich der Schatten und die Gestalt erschien im vollen Lichte. Genes Augen weiteten sich bei diesem Anblick vor Erkenntnis und Entsetzen. „Na Gene? Hast du mich wieder erkannt?“ fragte ihn sein Peiniger nun leicht höhnend. Nein, das…das konnte doch nicht, das konnte einfach nicht sein. „S…Snake…wie…wie hast du…hat Ocelot…?“ Sein Atem wurde immer geringer, langsam reichte seine Luft nicht mehr aus, seine Sinne richtig arbeiten zu lassen. Snakes Gestalt vor seinen Augen verdoppelte, vervierfachte sich, verschwamm langsam. Dennoch erkannte er ihr Grinsen. „Oh nein, keine Sorge, Ocelot hat nichts verraten. Zumindest…“ Sein Grinsen wurde noch breiter, als er eine kleine Pause zwischen diesem und seinen nächsten Satz wirken ließ. „Zumindest nicht direkt. Aber das spielt nun auch keine Rolle mehr. Ich habe mich seiner entledigt.“ Mit diesen Worten machte Snake eine kurze, hinter sich deutende Kopfbewegung. Gene folgte mit den Augen diesem Hinweis und sah eine an die Wand zusammengekauerte Puppe regungslos liegen. Rote Farbe zierte ihre Kleidung… Nein, das…das war keine Puppe! Und…das war auch keine Farbe! „ADAM!!“, schrie Gene so laut er noch eben konnte, um damit seinem Entsetzen freien Lauf zu lassen. „Snake…du…du widerlicher…“ Erneut versuchte er sich zu wehren, legte seine Hände um die von Snake, um sie von sich zu lösen. Doch es wäre einfacher gewesen, einen Schraubstock aus seiner Arretierung zu bekommen. Sie gaben einfach nicht nach. Und ganz langsam wurde ihm schwarz vor Augen. Ein Lachen erfüllte den Raum. „Keine Sorge Gene…“, drang es von weit entfernt zu seinen Ohren vor. „Du wirst ihm ja jetzt Gesellschaft leisten können.“ Ein letzter Druck, und die Schwärze um ihn herum breitete sich aus, hüllte ihn ein, verschlang ihn für immer. Schweißgebadet schreckte Gene hoch und öffnete panisch die Augen. Was…ein Traum?! Langsam legte er eine Hand auf seine Stirn und beobachtete die Leere seines Zimmers. Niemand war hier…niemand außer ihm. Kein Snake…kein Ocelot… Ein Albtraum…nur…ein Albtraum. Doch… Die Hand wanderte von seiner Stirn zu seinem Hals. Er spürte sie immer noch…diese…eiskalten Hände, die seinen Hals umklammerten…den letzten Atem aus ihm pressten. Alles war so real…der Druck…die Atemnot… Der Anblick von Ocelots leblosem Körper… Das war einfach zuviel…ihn…ihn so zu sehen…war…war einfach zuviel… Etwas rann seine Wangen hinab, kitzelte leicht über deren Haut. Warum…warum träume ich so etwas…warum…musste ich Adam so sehen? Nun legte er seine Hand auf seine Wange und spürte die Nässe der von ihn vergossenen Tränen. Kapitel 9: Einsichten? ---------------------- Ein seltsames Gefühl übermannte mich, als ich über die Schwelle des Eingangs schritt. Irgendetwas war anders, als ich das Krankenhaus dieses Mal betrat. Die Stimmung unter dem Personal war mehr als heiter, anscheinend waren sie froh, ihren Problempatienten endlich loswerden zu können. Nach allem, was dieser mit ihnen angestellt hatte, hätte es mich auch nicht verwundert, wenn sie schon die Girlanden, Luftballons und eine Schüssel voll Bowle hingestellt hätten, um diesem mehr als denkwürdigen Tag den nötigen Tribut zu zollen. Doch obwohl alles so stimmig war, dieses Gefühl, das in der Luft schwebte und von jeder einzelnen Person ausging, der ich auf diesem Weg durch dieses…rustikale Gebäude begegnete, irgendetwas hinderte mich daran, diese Freude ebenso zu empfinden. Etwas dunkles, trauriges ging von deinem Zimmer aus, stromerte durch die Flure und Korridore, und schien nur darauf gewartet zu haben, lauerte mir auf, heimlich, still und leise. Ließ sich von niemandem von seinem Vorhaben abhalten. Hockte nur da und wartete den Moment ab, wo es das Klappern von Sporen hörte. Kaum war dieses vernommen, schlug es zu und nahm Besitz von seinem Opfer. Besitz von mir. Trieb das mulmige Gefühl in mir, die Trauer, die Schuld, die Unsicherheit, immer weiter zum Höhepunkt. Vor deiner Tür stehend war es am schlimmsten. Es schnürte mir die Kehle zu, trieb mir fast den Schweiß aus den Poren, zwang mich zu schlucken, da mein Hals so trocken und so rau wie Sandpapier wirkte. Meine Hand wollte sich nicht rühren, nicht zur Klinke deiner Tür wandern, ehe ich sie innerlich dazu zwang. Ein letzter, tiefer Atemzug, und ich war endlich fähig, endlich wieder vollends unter Kontrolle, um diese Tür, diese Barrikade zwischen uns zu öffnen. Und was sich mir da darbot, versetzte mir fremdartiger weise einen Stich ins Herz. --------------------------------------------------------------------------------- Er konnte einfach nicht mehr so daliegen und die Decke betrachten, während die Tränen, die seine Wangen entlang liefen, immer mehr wurden und seitlich seines Gesichtes deutliche Spuren auf dem Kissen hinterließen. Rasch setzte er sich auf und versuchte, wieder Herr der Lage zu werden und den Zeichen der Schwäche und Verletzlichkeit, die seine Augen produzierten, mit seinen Händen Einhalt zu gebieten. Immer wieder wischte er sie weg, immer wieder fühlte er die seltsame, für ihn ungewohnte Nässe, wollte sie entfernen, doch je mehr er sich dagegen wehrte, desto mehr kamen nach. Je mehr er sich sträubte, desto mehr zeigten sie sich. Als wollten sie ihm etwas mitteilen. Als wollten sie ihm zeigen, dass da etwas war, dem er sich bisher noch nicht bewusst war, etwas, dass durch eine von ihm selbst geschaffene Tür von ihm verschlossen gehalten wurde, vor ihm versteckt wurde. Es gab nur einen Schlüssel, der in das dazugehörige Schloss passte. Der Traum war das vorsichtige, zaghafte Klopfen, die Tränen ein verschmitzter Blick durchs Schlüsselloch. Und der Schlüssel….der Schlüssel war… Vehement schüttelte Gene den Kopf, sich damit davon abhaltend, eine Schlussfolgerung aus diesen ihn durch den Kopf schießenden Gedanken zu ziehen. Soweit durfte es erst gar nicht kommen. Das wäre nicht richtig, das wäre einfach nur falsch, gegen seine Prinzipien, gegen seinen Charakter. Und doch war es da, auf dem Vormarsch, stand kurz davor, sich in sein Bewusstsein zu drängen, sich in seinem Kopf zu manifestieren. Von einem ‚was wäre‘ zu einem ‚was ist‘ gewandelt zu werden. Schein zu Wirklichkeit. Illusion zu Realität. Nein, nein und nochmals nein, es darf einfach nicht! ermahnte sich Gene erneut in Gedanken und vergaß dabei sogar die Tränen, die immer noch unaufhaltsam seine ausgeprägten Wangenknochen entlangliefen. Ich darf gar nicht erst auf die Idee kommen! Dieser Traum war belanglos, hat mich nur mit dem konfrontiert, was mich momentan beschäftigt und was objektiver Fakt ist! War nur ein Alptraum, der als Konsequenz zu diesem einen Vorfall entstanden ist. Nichts Subjektives kann sich aus einem Traum schließen lassen, vor allem nicht… Klappern ließ ihn aus seinen Gedanken hochschrecken, vertrautes Klappern, das von jenseits des Flures langsam, aber unaufhaltsam zu seiner Tür schritt und sich mehr und mehr näherte. Heute war der Tag, heute wurde Gene entlassen, und heute wollte er kommen, ihn abzuholen. Zu sich zu holen. Verdammt, er darf mich nicht so sehen, so nicht! Panik machte sich in ihm breit und verdeckte seine Gedanken mit Eile, Eile die Tränen wegzuwischen, seine Gedankengänge zu vertuschen, schnell das Kissen umzudrehen, das Spuren beider Tatsachen zeigte, und damit alles verheimlichen zu können. All dies hatte er vor, während das Geräusch stetig näher kam und immer lauter, immer deutlicher wurde. Doch er war wie gelähmt, jeder Muskel in ihm schien zu meutern, sich gegen die Befehle sträubend, die die Nerven zu ihnen sandten. Verdammt, es…es darf einfach nicht! Mit seinem Körper ringend schaffte er es schließlich dennoch, sich aus der Starre zu lösen, die ihn gefangen hielt, und seine Pläne in die Tat umzusetzen--- Dann wurde die Tür aufgerissen. Vollkommen erschrocken ob dieses lauten Geräusches drehte Gene, dessen Gesicht immer noch deutliche Spuren der Tränen zeigten, seinen Blick zur nun offenen Tür, auf dessen Schwelle Ocelot zu ihm gewandt stand. Erst spiegelte sich Erstaunen in dessen Gesicht, als er den auf dem Bett sitzenden Mann so sah, doch noch schneller, als diese Miene sich in sein Gesicht gelegt hatte, verschwand sie auch schon wieder und machte einem frechen und leicht boshaften Grinsen Platz. „Na, was sehe ich denn da? Ist dir was ins Auge geflogen oder musstest du vor Freude, dass ich dich heute abholen komme, schon weinen?“ stichelte er nun auf Gene ein, während er ins Zimmer trat und dabei die Tür hinter sich zufallen ließ. Durch diese Stichelei mehr als angegriffen, wischte Gene sich demonstrativ ein weiteres Mal über sein Gesicht, um die Tränen zu beseitigen, und startete seinerseits einen Gegenangriff. „Natürlich musste ich weinen, weil du mich abholst, Schließlich ist meine ruhige Zeit damit jetzt passé und ich muss mich mit einem ungezogenen Gör wie dir herumschlagen!“ warf er Ocelot nun seinerseits eher halbherzig an den Kopf, aber egal halbherzig oder nicht, erreichen können hätte er damit eh nichts, da dieser scheinbar gedankenverloren durch das Zimmer streifte , mit verschränkten Armen umherblickte, als wäre er auf der Suche nach etwas bestimmten. Leicht verärgert dadurch, dass sein Konter auf unfruchtbaren Boden gefallen war, machte sich Gene schließlich daran, aus dem Bett aufzustehen und sich nach der Tasche zu bücken, die unter diesem lag. Kaum hatte er sie hervorgezogen, kam von Ocelot auch schon etwas. „Sind das da deine Sachen?“ und mit einem leichten Kopfnicken deutete er auf die kleine Tasche, die nicht größer als eine Einkaufstasche war. Gene hob sie hoch und legte sie aufs Bett, noch einmal einen Blick in sie werfend, um nachzuprüfen, ob auch wirklich alles drin war, ehe er auf die Frage sicher Antworten könne. Auch wenn dieses Nahschauen sicherlich nur dazu diente, etwas Zeit zu schinden. „Ich hatte ja nicht allzu viel“, antwortete er dann endlich, immer noch leicht in der Tasche kramend. „Als ich eingeliefert wurde, hatte ich ja nicht mehr als das, was ich direkt am Körper trug.“ Seufzend schloss er die Augen und ließ sich leicht gegen das Bett sinken. Ja, er hatte nichts mehr, nur noch den Anzug, das Barett und den Trenchcoat. Eigentlich…wäre da noch eine Sache mehr gewesen. Etwas mehr als wichtiges. Hätte er sie noch gehabt, hätte er sich von Ocelot nicht so herumkommandieren lassen müssen, sondern, im Gegenteil, er hätte Ocelot herumkommandiert. Aber er hatte es ja nicht mehr. Fest in dem Glauben, nicht mehr lebend davon zu kommen, vertraute er es der Person an, die ihn besiegt hatte. Die ihn durch ihre Art, ihren Kampfstil und durch ihre Standhaftigkeit in diesem Moment beeindruckt hatte. Irgendwie dachte Gene in diesem Moment, dass er sich mit dieser Handlung die Absolution hätte erteilen können, sich all seiner Straftaten, all seiner Sünden, die er begangen hatte, freisprechen können. Gutes tun zu lassen mit etwas, das aus Bösem geschaffen wurde. Wenn er gewusst hätte, dass er sich mit dieser Geste seinen eigenen Strick gedreht hatte, hätte er es lieber verschluckt, als es dieser Person zu geben. Sich innerlich immer noch über diese Sache aufregend, hörte er plötzlich ein lautes Knistern vor sich. Überrascht öffnete er sie Augen und sah eine weitere Tüte vor sich liegend, schwarz und unscheinbar. Er griff nach ihr, öffnete sie- Und zog einen edlen schwarzen Anzug aus ihr hervor. „Du hast ja nichts zum Anziehen, das dich draußen nicht wie eine wandelnde Zielscheibe herumlaufen lässt, daher habe ich mir die Freiheit genommen, dir etwas zu besorgen“, kam es aus Ocelots Richtung, doch als Gene zu diesem blickte, sah er ihn nur weiterhin unbeteiligt sich im Raum umsehen. Also blieb Gene eigentlich nichts anderes übrig, als sich wieder dem Anzug zuzuwenden, der nun ausgebreitet vor ihm lag. „Zieh ihn so schnell wie möglich an, ich habe keine Lust, noch länger in diesem Kaff auf dich zu warten.“ Mit diesen Worten riss sich Ocelot aus seiner Lethargie und schritt wieder zur Tür. „Ich lasse dich am Besten alleine, während du dich umziehst“, meinte er nur, als er auch schon mit der Hand nach der Türklinke griff, um dann draußen auf Gene zu warten. Doch dieser ließ ihn nicht so schnell entkommen. „Nein, Oce-…Adam“, korrigierte er sich, „bitte warte noch einen Moment.“ Wie leicht kam ihm diese Bitte über die Lippen? Ohne, dass er irgendwie darüber hatte nachdenken müssen, waren diese Worte auch schon gesagt, ganz wie von Zauberhand kamen sie, ohne, dass er hätte wissen können, woher. Und Ocelot stoppte wirklich, drehte sich aber nicht zu ihm um, sondern meinte nur mit einem leicht gehetzten Tonfall: „Was ist denn noch? Wenn wir uns nicht langsam von hier entfernen, erwischen sie uns noch!“ Gene schüttelte auf dieses Argument hin nur den Kopf. „Wenn sie die Möglichkeit hätten, uns jetzt zu erwischen, meinst du nicht, dass sie es dann schon längst getan hätten?“ Auf diese Frage folgte erst nur einen Moment lang Schweigen, bis sich dann Ocelot doch dazu durchgerungen hatte, von seinem Vorhaben abzulassen und leicht lachend wieder zurück in den Raum zu schreiten. „Thaha, kein schlechtes Argument, das muss ich dir lassen“, sagte er nur, als er langsamen Schrittes zurück zu Gene ging und sich schlussendlich neben ihn stellte. „Also, warum sollte ich noch warten?“ fragte er ihn, immer noch leichte Anzeichen von Ungeduld in seinem Ton mitschwingend, aber ebenso Spuren von Neugierde. „Hat der kleine Gene etwa etwas auf dem Herzen, das er mir unbedingt anvertrauen möchte?“ Die Verspottung in diesem Satz konnte noch nicht einmal ein Taubstummer überhören, aber Gene ließ sich davon nicht ärgern, sondern antwortete ganz normal darauf. „Willst du wissen, warum ich geweint habe?“ kam es nur ganz trocken von ihm, und er konnte regelrecht fühlen, wie unangenehm es Ocelot neben ihm wurde. „Warum sollte ich das wissen wollen? Es ist ja nicht so, dass es mich etwas angehen-„ „Aber es geht dich eben verdammt nochmal etwas an!“ unterbrach Gene ihn schon beinahe schreiend und drehte sich wutentbrannt zu ihm. Seine Augen funkelten Ocelot zum einen voll Zorn, zum anderen voller Unsicherheit an, zwei Gemütszustände, die eigentlich nicht koexistieren können, doch die Tatsache, dass sie es in Genes Blick taten, machte Ocelot nur noch nervöser und platzierte einen schalen Geschmack in seinem Mund. Doch obwohl es ihm so zusetzte, war Ocelots Widerstand diesem Mann gegenüber noch nicht gebrochen. Doch immer mit leichtem Spott behaftet, blickte er ihm eiskalt in die Augen. „Und was soll das sein? Was von dem, was in deinem Kopf vorgeht, sollte in irgendeiner Weise mit mir zu tun haben? Du solltest froh sein, dass ich mich überhaupt für dich interessiere, wenn es auch nur deine Fähigkeiten sind.“ Mit diesen Worten wandte er sich wieder von dem ihn immer noch anstarrenden Gene ab und entfernte sich von ihm. „Du interessierst mich nicht als Mensch, Gene, du interessierst mich einzig und allein Als Resultat eines faszinierenden Experimentes.“ Damit wollte er ihm unmissverständlich klar machen, wie sie zueinander standen. Gene war nur ein Objekt, ein Gegenstand, der von Ocelot benutzt wurde, wann immer ihm es passte, nicht mehr. Ihm war damit das Recht des Individuums genommen. So wollte es zumindest Ocelot. Doch Gene wollte das nicht wahr haben. „Wenn ich dich nicht als Mensch interessiere, warum hast du dann diese eine Sache mit mir gemacht?“ warf Gene die Frage in die Runde, doch bevor Ocelot die Möglichkeit einer Antwort bekam, fuhr Gene weiter fort. „Versuch mir nicht weiß zu machen, dass du mir damit nur meinen Status als Objekt klarmachen wolltest, dass du die Fäden über mein Schicksal in den Händen hälst und nicht ich.“ Gene löste sich vom Bett und ging nun zu Ocelot, Schritt für Schritt, sich beinahe schon anschleichend, bis er dann hinter ihm stand und ich eine Hand auf die Schulter legte. „Diese eine Tat hat mich beeinflusst. Oder sagen wir, sie hat zumindest meine Träume beeinflusst“, flüsterte er nun leicht in dessen Ohr, was diesen dazu veranlasste, leicht aufgebracht zu knurren. Gene musste schmunzeln. Wie war das noch? Ocelot hatte die Fäden in der Hand? Tja, das mochte er vielleicht noch denken, aber mit dieser Reaktion trat er die Fäden an Gene ab. Nun war es für ihn an der Zeit, zu lenken. „Lass mich in Ruhe weitererzählen, dein Aufmucken bringt dich jetzt nicht weit.“ Seine Hand packte nun fester die Schulter von Ocelot, und nur eine kleine Bewegung mehr, und sie schauten sich tief in die Augen wie schon ein paar Momente zuvor. Diesmal war es aber Ocelot, der ihn zornig anblickte. Doch Gene war das egal. „Ich träumte von Big Boss. Irgendwie hatte er es geschafft, mich zu finden und in die Zange zu nehmen, mich gefangen zu nehmen. Natürlich kam mir als erstes in den Sinn, dass du mich verraten hast, wer sonst hätte davon wissen können, dass ich noch unter den Lebenden weile?“ Während dieser Rede kam er mit seinem Gesicht dem von Ocelot näher, der diesen Umstand aber gar nicht zu bemerken schien, ihn nur weiterhin voller Zorn in die Augen starrte und sich nicht darum kümmerte, was sonst noch um ihn herum geschah. Grinsend fuhr Gene weiter fort. „Doch dann meinte er etwas, das mich überrascht hatte. ‚Oh nein, keine Sorge, Ocelot hat nichts verraten‘…“ Gene ließ eine kleine Pause zwischen diesem und dem Schlussteil seiner Rede wirken, in der er das Mienenspiel von Ocelot beobachten wollte. Doch wenn dieser in irgendeiner Weise davon überrascht oder geschockt war, so zeigte er es kein bisschen, seine Gesichtszüge wirkten wie festgefroren in dem vorhergegangenen Zorn. Diese Bockigkeit ließ Gene aufseufzen, und er setzte nun zum letzten Part seines Traumes an. Nach dessen Kinn greifend und es leicht, aber bestimmend festhaltend, setzte er zum Finale an. „Du lagst dort…tot in einer Ecke, deine Kleidung voller Blut, dein Körper blass wie Porzellan. Sicherlich denkst du dir gerade: ‚Hach, wahrscheinlich war er froh, als er mich so sah, sicherlich war er froh, mich endlich los zu sein‘.“ Gene schüttelte aber daraufhin nur den Kopf. „Doch es war nicht so. Es ging nicht spurlos an mir vorbei, soviel ist sicher. An niemanden würde so ein Anblick vorbeigehen, ohne etwas zu hinterlassen. Manchen deiner Feinde würde es sicher ein Grinsen im Gesicht hinterlassen. Doch bei mir….war es das genaue Gegenteil…ich…weinte. Ich weinte die Tränen, die du gesehen hattest, als du heute in mein Zimmer kamst und mir ins Gesicht geblickt hattest.“ Und mit diesen Worten schaffte er es endlich, den Ausdruck in Ocelots Gesicht zu ändern. Dessen Augen weiteten sich in Erstaunen, dessen Mund öffnete sich voller Verwunderung, die Frage nach dem Warum war deutlich auf dessen Lippen zu lesen. Erneut schüttelte Gene mit dem Kopf. „Frage nicht nach dem Warum. Du kannst es dir sicher denken.“ Vorsichtig schob er Ocelots Gesicht näher zu seinem, so dass nur noch wenige Zentimeter ihre Lippen voneinander trennten. Traurig, aber auch leicht verführerisch sah Gene in die Augen seines Opfers, die wie vor Schreck geweitet waren. „Deine Aktion,“ begann er seinen nächsten Satz, wobei er leicht lachen musste bevor er ihn fortführen konnte. „Sie…hat etwas bei mir hinterlassen. Etwas Tiefes. Etwas Starkes. Etwas, dass ich zuvor noch nicht kannte.“ Sein Blick intensivierte sich und hielt Ocelot in seinen Bann. Nun war es nicht mehr aufzuhalten. „Adam…“ fing er noch an, als er auch schon die Lücke zwischen ihnen überwand, seine Augen schloss und sich ihre Lippen trafen. Kapitel 10: Protection ---------------------- Dein Geständnis, deine Worte, dass deine Tränen mir gegolten haben sollen – das schockierte mich so sehr, dass ich wie zu Stein erstarrt da stand und der darauf folgenden Aktion, die du an mir ausübtest, nicht ausweichen konnte. Verwundert starrte ich nur die ganze Zeit in deine Augen - diese blauen Augen, die einen in sich zogen, in denen man versinken konnte - und dachte über den Sinn deiner Worte, über ihren Inhalt nach, während du dich mir mit dem Gesicht nähertest und mich in einen Kuss zogst. Ich wollte es einfach nicht akzeptieren, was du mir dort offenbart hattest, wollte nicht wahr haben, was es für dich, für mich – uns beide – bedeuten würde. Es durfte nicht sein, es durfte jetzt einfach noch nicht sein, sowas war einfach noch nicht möglich, nicht durchführbar. Doch ein anderer Teil in mir wollte nichts anderes, als darauf einzugehen, zu reagieren. Wollte sich fallen lassen in diese Zärtlichkeit, in das Gefühl, das es in mir auslöste. Für einen Moment, nur für einen kleinen Moment – so kurz er auch sein mochte – wollte ich mich hingeben. Das immer wieder geschehende Zusammentreffen unserer Lippen, deiner warmen, gefühlvollen auf meinen kalten, starr zusammengepressten Lippen… Wie gern hätte etwas in mir darauf reagiert, schrie regelrecht danach, meine Sorgen zu vergessen, die so schwer auf mir lasteten. Doch ich überhörte dieses Klagen, wohlwissend, dass ich nicht vergessen konnte, nicht vergessen durfte. Denn in diesem Falle hätte Vergessen nichts anderes als Verderben bedeutet. Ich durfte nicht vergessen, dass alles noch auf der Kippe stand, dass dein Leben in der Schale einer schlecht ausbalancierten Waage lag. Es war einfach noch zu früh, und der Preis für Versagen zu hoch… Wir waren immer noch nicht weg aus diesem Krankenhaus, du immer noch nicht in Sicherheit gebracht - Und ich? Ich schwamm immer noch in dem Chaos meiner Gefühle umher, ohne die Aussicht auf ein rettendes Ufer, dass ich in nächster Zeit erreichen könnte. Immer noch unentschlossen, was ich nun wollte. Wen ich nun wollte. Daher…musste ich jetzt, für diesen Moment, meine Gefühle vergessen, sie verdrängen und mich nur noch von meiner Rationalität leiten lassen. Ein Schlussstrich musste gezogen werden, unbedingt – auch wenn er nur vorläufig war… --------------------------------------------------------------------------------- Der Kuss schien eine Ewigkeit anzudauern. Die Welt hielt den Atem an, wartete gespannt auf den Ausgang dieser Intimität, wollte wissen, wie es endete, mit welchen Gedanken, welchen Gefühlen die Männer aus ihr gingen. Oberflächlich schien alles perfekt, wirkte alles so, wie es sich ein hoffnungsloser Romantiker es sich nicht besser hätte vorstellen können. Ein Kuss, geschwängert von den Gefühlen seiner beiden Akteure. Aber so war es nur an der Oberfläche – betrachtete man nur etwas genauer dessen Fassade, so zeigten sich tiefe Furchen und Risse. Das Negative quoll aus diesen hervor, offenbarte sich dem gespannten Publikum. Und nicht nur das Publikum wurde sich dieses Umstandes gewahr, auch an den Handelnden konnte es wohl kaum vorbeigehen, dass etwas an dieser Gleichung nicht stimmte. Etwas war falsch an dem Ganzen, das wurden sie sich mehr und mehr bewusst – das wurde sich Gene mehr und mehr bewusst. Doch trotz dieser Erkenntnis hing dieser immer noch an Ocelots Lippen fest, zum einen vor Verwunderung – Verwunderung, warum der andere nicht reagierte, nicht mit einer Nuance seines Körpers auf diese für Gene doch sehr ungewöhnliche Zärtlichkeit einging. Warum? Was soll das? War es nicht genau das, wohin du mich treiben wolltest? Ist das hier nicht genau das, was du willst? Zum anderen war es Wut, die Gene weiterhin an Ocelot hielt. Verärgert über diesen Umstand, dass der Andere einfach nichts tat, zog Gene Ocelot noch tiefer in den Kuss, wurde fordernder, verlangender. Löste und schloss den Kuss etliche Male, um ihn endlich zu einer Reaktion zu zwingen – und mittlerweile war es ihm sogar egal, welcher Art diese war. Hauptsache, Ocelot würde nicht mehr wie eine Statue dastehen, teilnahmslos, kalt, gefühllos. Nun komm schon – KOMM SCHON! All das, diese ganze Vorbereitung, meine Rettung, meine Versorgung, deine ganzen Annäherungen – es hat doch nur alles darauf angespielt, dass… Dass ich mich dir ergebe. Endlich hatte er es geschafft, geschafft, etwas in Gene hervor zu heben, das er nie im Leben für möglich gehalten hätte. Und was war seine Antwort darauf? So sehr sich Gene auch bemühte, die in ihm erwachenden Emotionen zu präsentieren, nichts davon schien auf deren Auslöser überzugehen. Nein, eher gingen sie einfach an ihm vorbei. Als Gene dann in einem weiteren Versuch eines Kusses seine Augen öffnete und in die seines Gegenübers blickte, fand er Bestätigung in seiner Annahme. Von Ocelots Augen ging nur Desinteresse aus. Verdammt! Der Zorn stieg immer weiter hinab in Genes Innerstes und beeinflusste immer mehr seine Handlungen, ließ sie eiliger, ruppiger werden – nervöser. Nun mach endlich was…irgendwas muss doch- Doch dann nahm er endlich zwei Dinge wahr, die von Ocelot herrührten. Zum einen war es das Gefühl kalten Metalls an einer Stelle seiner Schläfe. Zum anderen war es das Geräusch einer Waffe, deren Abzug gespannt wurde, bereit, abgefeuert zu werden. Gene wich leicht mit dem Gesicht zurück, gerade so weit, dass er Ocelot ohne Probleme in die ausdruckslose Miene blicken konnte, die er ihm zeigte. „Gehen sie weg von mir, oder ich kann nicht garantieren, dass nicht ich es sein werde, der ihnen eine Kugel durch den Kopf jagt, Viper.“ Eiskalt warf er Gene diese Worte an den Kopf, den Revolver dabei auf diesen gerichtet. Mit einem leichten Anfall von Furcht begann Gene sich von seinem ehemaligen Opfer zurückzuziehen, ganz vorsichtig, um es nicht aufzuschrecken und mit einer unbedachten Bewegung noch einen Grund zu geben, doch noch Gebrauch von der Waffe zu machen. Was dieser momentan wohl auch ohne zu zögern getan hätte, wenn Gene sich anders verhalten hätte. Doch… Moment, was hatte er gerade für eine Anrede benutzt, als er ihm gedroht hatte? Immer noch leicht verängstigt, aber mit einem Hauch von verwunderter Neugier blickte Gene nun vom Lauf des auf ihn gerichteten Revolvers zu dessen Besitzer hinauf, dessen Gesicht ein hinterlistiges Lächeln zeigte. „Was ist denn, Gene? Treibt dir mein kleines Schätzchen etwa so die Furcht in die Glieder?“ Auch wenn Gene sich der Gefahr mehr als bewusst war, die sich in Form einer Kugel aus einem Colt Single Action Army darbot, so konnte er doch nicht die Gedanken von dem Fakt lassen, wie Ocelot in gerade angesprochen hatte. Viper… Ein Name aus vergangenen Tagen…viel zu vergangenen Tagen. Doch, woher - ? „Woher weißt du von meinem Codenamen bei FOX?“ Jetzt doch vollkommen die Bedrohung aus den Augen verlierend, kam Gene dem anderen Mann wieder näher und setzte seine ganze Konzentration in seine Stimme, um Ocelot mit dieser zu konfrontieren. Er musste das einfach wissen. „Woher weißt du von ihm? Ich glaube kaum, dass jemand von FOX HOUND, bei denen du ja unzweifelhaft untergekommen bist, Zugriff auf solche Daten hat. Schließlich ist das streng vertrauliches und geheimes Regierungsmaterial!“ Zornig blickte er zu Ocelot, dessen Statur leicht unter der Einwirkung der Stimme zu zittern begann, aber trotz allem die Waffe nicht sinken ließ. Sicherlich wollte er diese Situation am liebsten umgehen, oder jetzt eher so schnell wie möglich hinter sich bringen. Doch Gene machte unaufhaltsam weiter mit seinem Kreuzverhör. „Was treibst du hier eigentlich für ein Spiel, Ocelot? Du hintergehst FOX HOUND und damit Big Boss, indem du mich scheinbar rettest, du hintergehst die Regierung, indem du streng vertrauliche Daten über meine Zeit bei FOX einholst, du hintergehst-“ Nun stoppte Gene seine Aufzählung, noch gerade rechtzeitig, bevor er erneut etwas ausgespuckt hätte, das er nicht mehr so leicht hätte rückgängig machen können. Etwas, das Ocelot erneut einen Teil seines Gefühlschaos‘ offenbart hätte. …du hintergehst mich, indem du mir vorspielst, dass du etwas für mich übrig hast… Kopfschüttelnd blickte er wieder zum blankpolierten Revolverlauf, der sich während all dieser Zeit noch immer nicht einen Millimeter bewegt hatte. „Woher hast du das alles?“ Eine letzte ungläubige Frage. Für einen Moment schien Ocelot noch damit zu kämpfen, ob er auf das alles eingehen sollte oder nicht, ob sich sein Verstand Genes Forderung hingeben sollte oder nicht. Doch dann zuckte Ocelots Mundwinkel einen Wimpernschlag lang noch einen Ticken höher, um sein Gesicht für den Bruchteil einer Sekunde in ein diabolisches Grinsen zu tauchen. „Wende nie wieder deine Stimme gegen mich an, Gene. Du weißt, dass sie eh nichts bei mir bringt. Und wenn du wüsstest, woher ich meine Informationen beziehe, müsste ich dich noch schneller erschießen, als dir das lieb ist, mein Freund.“ Kurz ließ er seine Waffe sinken und spielte mit ihr herum, rotierte sie mehrere Male um seinen Finger, um sie danach nur wieder auf ihr misstrauisches Ziel zu richten. „Einigen wir uns einfach auf die Tatsache, dass ich meine Quellen habe, und machen wir mit dem weiter, was momentan am Wichtigsten ist.“ Mit ein paar Bewegungen seines Revolvers winkte er Gene zurück von sich und zum Bett, dabei nie den Ausdruck aus dem Gesicht weichend, dass er es ernst meinen würde, abzudrücken, sobald dieser noch einmal aufmucken würde. „Nimm endlich deine Sachen zusammen und zieh dich an“, meinte Ocelot nur leicht bissig und trat, konträr zu dem sich zum Bett bewegenden Gene, mit dem Rücken voran zur Tür, dabei den Blick nicht einmal vom anderen abwendend. Kaum, dass er an sie stieß, griff er auch schon nach hinten zu ihrer Klinke, um sie schon einen Spalt weit öffnen zu können. „Ich warte dann draußen auf dich.“ Noch einmal funkelte er drohend zu Gene, um sich davon zu überzeugen, dass dieser seine Aufmerksamkeit dem Kleidungsstück auf der Matratze widmete – verstaute dann schlussendlich wieder seinen Revolver und ging halb durch die Tür. Fast hatte er sie schon hinter sich geschlossen, als noch ein letztes Wort über seine Lippen kam – in einem, überraschenderweise konnte man schon sagen, traurigen und verletzten Ton. „Идиот.“ Damit schloss sich die Tür hinter ihm und ließ Gene damit wieder allein zurück - allein in zweierlei Sinnen. Denn nicht nur der Raum wirkte nun verlassen durch Ocelots Fortgehen, auch in Gene machte sich eine Leere breit, ohne dass dieser etwas dagegen unternehmen konnte. Ohne dass dieser sich dagegen wehren konnte. Und dennoch… Dennoch legte sich ein sanftes Lächeln auf sein Gesicht, als er sich aus der Krankenhauskluft pellte und in den Anzug warf. Adam, du hast dich verraten. Sorgfältig knöpfte er sich die Knopfleiste des Hemdes zu, das er sich als erstes übergestreift hatte. Auch wenn du den Unnahbaren spielst, auch wenn du einen sicheren Abstand zu mir wahren willst – so hat dich doch der Ton und die Wahl deines letzten Wortes verraten. Leicht krempelte er seine Ärmel hoch. Noch hatte er eine Chance. Noch hatte er sie, und er würde sich auch nutzen. Darauf konnte sich Ocelot verlassen. ******************************************************************************** „Oh, Señor Gene? Da muss ich sie leider enttäuschen, der wurde schon heute früh entlassen und abgeholt.“ Die Stationsschwester blickte mit leicht geröteten Wangen immer wieder zwischen ihren Unterlagen zu dem Mann vor sich hin und her. Die Nervosität in ihren Bewegungen war kaum zu übersehen, was dem Mann, der vor ihr stand, nicht entging und ihm ein leicht amüsiertes Lächeln entlockte. Das wäre aber schade, meinte er nur zu ihr, wo er sich doch so auf ein Wiedersehen mit einem alten Freund und Kameraden gefreut hatte. Mit einer leichten Trauermiene lehnte sich der fremde Mann mit den Ellenbogen auf die Tischplatte des Empfangs und schaute leicht zur Schwester hoch. Wo er doch so einen langen Weg auf sich genommen hatte und sofort hierher geeilt war, als er Gerüchte vernommen hatte, dass er hier liegen würde. Nur noch einmal wollte er seinen alten Armeekameraden treffen und mit ihm plaudern. Aber kaum war er da, ward er auch schon entlassen, so ein Jammer. All das erfüllte seinen Zweck bei der Schwester, deren Kopf puterrot wurde und nun nur noch hektischer durch ihre Unterlagen fingerte, um nicht doch noch eine nützliche Information für den netten, gutaussehenden Herren ans Tageslicht zu fördern. Schließlich wollte sie ihn nicht so einfach mit leeren Händen nach Hause gehen lassen – wo er sich doch so gefreut hatte. Eiligst blätterte sie durch den Stapel, der sich vor ihr befand – und da schien auch schon das zu sein, wonach sie so manisch gesucht hatte. „Ah, warten sie, hier ist vielleicht etwas, dass ihnen weiterhelfen könnte!“ Mit diesen ankündigenden Worten präsentierte sie dem Mann einen Zettel aus dem Blätterwust, den dieser sofort an sich nahm und genau studierte. Gespannte Aufregung erfüllte die Schwester. Hatte sie ihm etwas geben können, dass ihm weiterhelfen konnte? Womit er in der Lage war, ein Treffen mit seinem alten Freund arrangieren zu können? Weiterhin voller Bange starrte sie dem Mann ins Gesicht, der immer noch mit dem Studium des Zettels beschäftigt zu sein schien. Doch als sie dann sein Lächeln sah, fiel ihr regelrecht ein Stein vom Herzen. Sie freute sich sogar richtig, als er den Blick wieder zu ihr wandte. Sein kleiner Bruder Adamska hatte sich also seiner angenommen und ihn heute abgeholt? Sein fragender Blick kreuzte genau den der Schwester, die diesem nicht lange standhalten konnte und verlegen das Gesicht zu Seite wand, ehe sie ihm wieder antwortete. „Genau so ist es.“ Mit einem dezenten Nicken unterstrich sie noch ihre Bestätigung. Mit einem Schmunzeln zog sich der Mann zurück und wedelte dabei sachte mit dem Papier durch die Luft. Ob er sich vielleicht die Adresse kopieren dürfe? Mit einem leicht ungläubigen Blick richtete er diese Frage an die Schwester, wohl schon innerlich mit einer Verneinung seiner Bitte rechnend. Doch da kannte er anscheinend sein eigenes Charisma schlecht. „A-Aber sicher doch!“ kam es nur hastig von der Schwester, die ihm sofort Stift und Zettel gab, damit er alles benötigte hatte, um sich die wichtigsten Sachen zu notieren. Es dauerte auch nicht lange, da reichte er ihr auch schon die Unterlagen und den Stift wieder zurück, steckte den Zettel in seine Hosentasche, verabschiedete sich mit einem leichten Dank und verließ das Krankenhaus so schnell wie möglich. Wahrscheinlich wollte er so schnell wie möglich seinen Freund besuchen…so viel, wie sie miteinander erlebt zu haben scheinen. Dieser Gedanke durchfuhr der schmachtenden Krankenschwester, als sie dem Mann hinterher blickte. Ein leichtes Seufzen war alles, was sie noch danach hervorbringen konnte, als sie die Akte wieder verstaute und hoffte, dass sie niemand dafür anschwärzen würde. Sie hatte ja ihre Schweigepflicht gebrochen und einfach jemand wildfremden Personaldaten anvertraut, von dem sie nicht wusste, ob er tatsächlich mit dem Patienten in irgendeiner Verbindung stand. Doch für diesen Mann hätte sie wohl alles getan. --- Kaum war der Mann aus dem Krankenhaus getreten, schon griff er nach seinem Funkgerät, das er in seine Jackentasche verstaut hatte, und nahm davon Gebrauch. „Big Boss? Können sie mich hören? Over“, raunte er schnell durch den Äther und wartete geduldig eine Antwort ab. Die folgte prompt, begleitet von leisem statischen Rauschen. „Big Boss hier. Wie lautet ihr Status, Chicken Fox?“ Mit einem traurigen Grinsen nahm Roy das Funkgerät wieder in Sprechweite. Hattest wohl die ganze Zeit auf eine Antwort gelauert, wie? „Ich bin gerade draußen. Gene ist nicht mehr im Krankenhaus, er scheint wohl schon am frühen Morgen von jemandem abgeholt worden zu sein.“ „VERDAMMT!“ Ein Grummeln zog sich nach diesem Fluch durchs Funkgerät, bis sich Big Boss schließlich wieder meldete. „Hast du irgendwelche Informationen sammeln können? Ob ihn Ocelot mitgenommen hat, wohin er gebracht wurde?“ Roy schwieg einen Moment. Er hatte damit gerechnet, das Snake ihn das fragen würde. Natürlich hatte er Informationen, natürlich war es Ocelot. Und positiv, er wusste, wo die beiden sich aufhalten würden. Er hatte sämtliches Wissen, das Snake gerne gehabt hätte, hat dank seiner Erfahrungen in Sachen Psychologie und deren Anwendung auf Menschen, die er schon damals in San Hieronymo mehr als gut beweisen konnte, alles aus der Krankenschwester bekommen können, was er hatte wissen wollen. Deswegen wurde auch er geschickt, da er das Aussehen und das Wissen hatte, um so etwas in Erfahrung bringen zu können, egal, wie der Informant zu Verrat oder sonstiges in der Art stand. Dennoch – dennoch schwieg er. „Negativ.“ Einen Moment lang ließ er diese Antwort auf Snake wirken – auch etwas, das er dank seiner Psychologiekenntnisse tat – ehe er in einer monotonen Tonlage fortfuhr. „Ich konnte nichts dergleichen in Erfahrung bringen, die Schweigepflicht scheint dem Personal hier schon mit der Muttermilch eingeimpft worden zu sein.“ Wieder nur ein langes Schweigen, nachdem er den Satz beendet hatte. Snake musste diesen Rückschlag wohl erst einmal verdauen, schließlich erschien es für ihn wohl unmöglich, dass Roy nicht das gewünschte Ergebnis erzielt hatte. „Ok“, kam es dann doch noch schwach durch die Leitung. „Versuch, durch die Mitpatienten oder sonstigen Leuten noch an irgendwelche Informationen zu kommen und melde diese dann nachher bei mir. Verstanden?“ „Verstanden. Over and Out.“ Damit schaltete Roy das Funkgerät ab, versuchte, sich zu entspannen und atmete mehrmals tief durch. Er hatte gerade Snake angelogen, hatte ihm die Wahrheit verschwiegen, ja, ihn sogar verraten, ohne dabei mit der Wimper zu zucken und ein allzu schlechtes Gewissen zu haben. Erneut zeigte sich ein trauriges Lächeln auf seinen Gesichtszügen. Jetzt bin ich nicht besser als Ocelot, dachte er sich nur und schüttelte leicht den Kopf. Falls das rauskommen sollte, war er sicher ein toter Mann. Es tut mir ja leid, Snake. Aber - Schwer schluckte er den Kloß hinunter, der sich in seinem Hals gebildet hatte. Er musste da jetzt durch, auch wenn der Weg ein beschwerlicher sein sollte. Ich tue das nur zu deinem Besten, Snake. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)