Der Rhythmus Deiner Seele von Nyn ================================================================================ Kapitel 5: Leid --------------- Zu allererst möchte ich mich wieder bei meinen beiden Kritikerinnen bedanken. Euer Lob mach süchtig! Aber es spornt mich auch an, jeden Satz dreimal umzudrehen, bevor ich zufrieden bin, damit es Euch auch weiterhin gefällt. :) --- Die Luft war erfüllt vom Schreien der Marktleute und den unzähligen Gerüchen der Waren die sie anboten, als Sanji über den Basar der Goldgräberstadt schlenderte. Er war zwar immer noch beunruhigt wegen Jeff, aber er wußte, daß er Prioritäten setzen mußte. Und seine Küche hatte nun einmal Vorrang vor allem anderen. Seine Zutaten wählte er stets mit peinlichster Sorgfalt aus und so konnte er sich auch jetzt nicht erlauben, beim Einkaufen in Hektik zu verfallen. Also hatte er seine Nervosität gebändigt. Die brennende Zigarette zwischen seinen Lippen und die halb volle Schachtel in seiner Hosentasche taten ihr übriges zu seiner Entspannung. So spazierte er nun von Stand zu Stand, probierte hier, feilschte da und war alles in allem sehr angetan von dieser Stadt und ihrem Markt. Die Lebensmittel waren frisch und die Auswahl groß. Er inhalierte zufrieden den Rauch seiner Zigarette. Das war einer der Vorteile reicher Städte: Die Bewohner konnten sich den Luxus guter und exotischer Lebensmittel – und Zigaretten – leisten. Der Nachteil bestand darin, daß sich in solchen Städten auch häufiger die Marine herumtrieb, schließlich wollten die wohlhabenden Städter auch gerne wohlhabend bleiben und ihr Geld und Gut nicht an marodierende Piraten verlieren. Doch die Goldgräberstadt war auch in dieser Beziehung wohltuend anders. Die Digger waren es gewohnt, sich selbst zu verteidigen und brachten der Marine ein gesundes Mißtrauen entgegen, was vermutlich damit zusammenhing, daß sie diesen Gerechtigkeitsfanatikern nur ungern Einblick in ihre nicht immer ganz lauteren Geschäfte gewährten. So konnte auch die Strohhutbande ohne größere Scherereien befürchten zu müssen, die Stadt erkunden. Nami wollte nach neuen Klamotten schauen, Robin und Chopper waren auf Bücherjagd und Usopp klapperte die Kleinwarenhändler ab, immer auf der Suche nach Krimskrams, den er für seine neuesten Erfindungen brauchen konnte. Luffy war wie üblich ziellos losgelaufen und hatte bestimmt schon wieder ein paar interessante Leute getroffen. Irgendwie hatte der Junge ein Gespür für Menschen und brachte auch Fremden eine Gutgläubigkeit entgegen, die der Smutje insgeheim bewunderte. Er war es von je her gewohnt, niemandem zu trauen und seine Probleme alleine anzugehen, denn er hatte vor Luffy noch niemals jemanden getroffen, an den er wirklich geglaubt hätte. Selbst sein Verhältnis zu Jeff war nicht wirklich vertrauensvoll gewesen. Sicher, der alte Koch hatte ihm das Leben gerettet und ihn auf seine schroffe Art auch erzogen und stark gemacht, mal ganz zu schweigen von den Kochkünsten, die er ihm vermittelt hatte. Aber die Schuld, den Piratenkoch seines Traumes beraubt zu haben, hatte immer wie ein Schatten über ihnen gehangen und verhindert, daß sie ein herzlicheres Verhältnis aufbauen konnten. Sanji schüttelte den Kopf. Damit würde er sich später beschäftigen, jetzt würde er erst einmal für sich und seine Nakama einkaufen. Trotzdem bedauerte er flüchtig, daß er sich auch jetzt niemandem anvertrauen konnte. Luffy konnte zwar durchaus verständig sein, wenn es darauf ankam, aber leider war es oft sehr schwer, ihm die Ernsthaftigkeit einer Situation klarzumachen und dazu fehlte Sanji jetzt einfach die Energie. Die beiden Frauen schieden aus, da Nami für Männerangelegenheiten so gar kein Verständnis hatte und er sich vor Robin offen gestanden ein wenig fürchtete. Nie würde er es wagen, die kühle Schwarzhaarige mit seinen persönlichen Problemen zu belästigen. Usopp und Chopper waren einfach zu jung und Zoro... tief in seinem Herzen hätte er sich gewünscht, sich dem Schwertkämpfer anvertrauen zu können. Dessen Ruhe und Gelassenheit würden ihm guttun und eine private Angelegenheit würde bei dem Grünhaarigen bestimmt auch privat bleiben. Sanji war sich sicher, daß der andere auch mit niemanden sonst über den Zeitungsartikel gesprochen hatte. Aber es gab da das klitzekleine Problem, daß Zoro schon immer der unnahbarste seiner Freunde gewesen war und er es, gelinde gesagt, äußerst merkwürdig finden würde, wenn Sanji jetzt mit seinen persönlichen Problemen zu ihm käme. Aber er hat doch selbst danach gefragt, meldete eine kleine Stimme sich zu Wort. Ja, und Sanji hatte ihm - sehr zu seiner eigenen Überraschung - beinahe sein Herz ausgeschüttet! Aber hier lag ja das zweite klitzekleine Problemchen: Selbst wenn der mürrische, schöne, unnahbare, erregende Roronoa Zoro ihm zuhören wollen würde – Sanji konnte doch gar nicht mehr in seiner Nähe sein, ohne an jenen verhängnisvollen Tag in Alabasta zurückzudenken! Bevor die verflucht lästige kleine Stimme erneut die wohlbekannten Bilder heraufbeschwören konnte, schloß der blonde Koch entschieden die Tür zu seinem Herzen wieder zu. Er konnte nicht mit Zoro reden und damit basta! Bei all diesen Überlegungen war der junge Smutje nicht untätig gewesen. Seine Arme waren inzwischen schwer bepackt. Als er nun aus seinen Grübeleien wieder auftauchte bemerkte er am Stand vor sich einen anderen Koch, der ihn irgendwie an das Baratie erinnerte. Er straffte die Schultern. Bald würde er mit seinen Nachforschungen beginnen, doch erst wollte er die Einkäufe zurück zum Schiff schaffen. Er hatte sogar ein paar saftige Steaks gefunden – Luffy würde aus dem Häuschen sein! Zu Recht! dachte er zufrieden. Ich werde schon was feines zaubern! Aber was mache ich als Beilage? Irgendwas Grünes... Er seufzte ergeben. Der lästigen kleinen Stimme war einfach nicht beizukommen. Dann hielt er inne. In der Auslage des Gemüsestandes an dem er soeben vorbeigegangen war hatte etwas seine Aufmerksamkeit erregt. Er ging ein paar Schritte zurück... Tatsächlich. Die schrumpelige kleine Marktfrau, die geschäftseifrig zu ihm gelaufen kam, wunderte sie sich ein wenig über den seltsamen jungen Mann, der ihr zwei Kilo ihrer besten Erbsen abkaufte und diese mit einer beinahe liebevollen Behutsamkeit in seinen Einkaufstüten verstaute. Als er sich abwandte um zu gehen, zuckte sie aber nur mit den Schultern und zählte zufrieden das Geld in ihrer Hand. Merkwürdig, die jungen Leute heutzutage. ♨ Jeff hatte Sanji schon eine ganze Weile beobachtet, wie der so entspannt seinen Einkäufen nachging. Beifällig bemerkte er, daß der Junge nur die besten der Waren einkaufte und sich auch von den gewieftesten Händlern nicht übers Ohr hauen ließ. Er hatte wirklich viel von ihm gelernt. Der alte Koch hätte sich zufrieden die Hände gerieben, wenn sich in ihm nicht gerade in diesem Moment sein schlechtes Gewissen geregt hätte. Was er mit Sanji vorhatte, war wirklich nicht die feine Art. Entschlossen schob er diesen Gedanken zur Seite. Es ging schließlich ums Baratie und seine Zukunft. Und das ging den Jungen auch etwas an, war er nicht sein Mitbegründer gewesen? Etwas beruhigter wandte Jeff seine Aufmerksamkeit wieder dem Kleinen zu und sah gerade noch wie dieser um eine Ecke verschwand. Den alten Piraten kümmerte das wenig. Er hatte seine Männer strategisch auf dem ganzen Marktplatz verteilt. Sanji würde ihm nicht durch die Lappen gehen. Mit einem leisen Seufzen rieb er seinen Beinstumpen, an dem das Holzbein ein wenig drückte und folgte dem blonden Bengel in unauffälligem Abstand. Ihn zu finden war erstaunlich einfach gewesen. Er war zwar schon bei seinem ersten Treffen auf dem Baratie von dem Mut und der Entschlossenheit des jungen Monkey D. Luffy beeindruckt gewesen, aber daß er sich so schnell auch auf der Grand Line einen Namen machen würde, damit hatte er nicht gerechnet. Ein Kopfgeld von 100.000.000 Beri war wirklich eindrucksvoll für so einen kleinen Bengel und auch der verrückte Schwertkämpfer, der es gewagt hatte, Falkenauge herauszufordern, hatte sich offensichtlich weiterentwickelt. Jeff war das im Grunde genommen herzlich egal, aber sie hatten ihm indirekt einen gewaltigen Gefallen getan. Den Weg der Strohhutbande durch die Grand Line zu verfolgen war nun ein Kinderspiel. Jeder, der sie gesehen hatte, berichtete bereitwillig davon und nachdem der alte Pirat einige Beziehungen hatte spielen lassen, die er noch auf der Grand Line hatte, war es ein Leichtes für ihn gewesen, einen Lockport für die Goldgräberinsel zu bekommen und noch vor Sanji und seinen Freunden dort anzukommen. Beinahe eine Woche hatte er die Stadt und die Umgebung erkundet und sein Plan hatte weiter Form angenommen, bis schließlich einer seiner Köche berichtete, daß die Going Merry am Horizont gesehen worden war. Er hatte gewußt, daß Sanji früher oder später auf dem Markt auftauchen würde und, wie erhofft, war er alleine. Jeff war ihm gefolgt und wartete nur noch auf einen passenden Zeitpunkt, seinen Plan in die Tat umzusetzen. Dieser Moment schien nun gekommen zu sein. Der Junge war plötzlich stehengeblieben und hatte offenbar geistig abwesend zwei Kilo Erbsen gekauft. Jeff erkannte sofort, daß es sich wieder um Spitzenqualität handelte, aber...Sanji haßte Erbsen! Was machte der Bengel da bloß? Der alte Koch hatte keine Erklärung, aber er erkannte eine Gelegenheit, wenn sie sich ihm bot. Mit schnellen Schritten trat er von hinten an den Jüngeren heran und lege ihm eine Hand auf die Schulter. „Kleiner...“ ♨ 9998...9999....10000...„Uff!“ Zoro ließ seine Hanteln auf die Planken der Going Merry fallen, wo sie tiefe Dellen hinterließen. Klasse, Usopp würde begeistert sein, daß er sein geliebtes Schiff so demolierte. Genervt verdrehte der Schwertkämpfer die Augen und schob die Gewichte zur Seite. Na ganz toll! Die eine Planke sah ziemlich zertrümmert aus. Vielleicht sollte er sie besser auswechseln bevor die anderen... Ach was! Waren sie doch selbst schuld, daß sie einfach abgehauen waren und ihn mit der Bewachung des Schiffs stehen gelassen hatten. Er fröstelte leicht. Im Herbst war es vielleicht nicht so günstig, zu lange mit freiem Oberkörper auf Deck herumzustehen. Eilig zog er sich sein Hemd über und brummte zufrieden. Schon besser. Doch gleich verfinsterte sich seine Miene wieder. „Eigentlich war der verdammte Löffelschwinger an der Reihe!“ maulte er den großen Schafskopf am Bug an und lehnte sich neben ihm auf die Reling. Der Gehörnte schaute jedoch weiterhin stoisch nach vorne und beachtete den frustrierten Schwertkämpfer nicht weiter. Zoro seufzte. Klar, hatte Sanji einkaufen gehen müssen. Das zusammengeschusterte Frühstück heute morgen war Grund genug. Aber warum hatte er so ein verdammt schlechtes Gefühl bei der Sache? Ihm war regelrecht mulmig gewesen, als er den Koch alleine hatte losziehen sehen. Es wäre besser, wenn Luffy oder ich ihn begleitet hätten! Stöhnend ließ Zoro seinen Kopf zwischen die Arme sinken und fuhr sich mit den Händen durch das kurze grüne Haar. Was dachte er da bloß? Machte er sich etwa Sorgen um den bescheuerten Koch? Das war ja nicht zum aushalten. Er war auf dem Weg, der beste Schwertkämpfer der Welt zu werden, nicht das beste verdammte Kindermädchen! Wenn der Löffelschwinger das erführe, würde er sich schlapp lachen und Zoro hätte keine ruhige Minute mehr vor seinen Sticheleien. Und Recht hätte er auch! Schließlich war der Smutje, auch wenn er seiner eigenen Schwertkunst natürlich immer unterlegen bleiben würde, nicht gerade ein Schwächling. Als Sir Crocodile sie gefangen gehalten hatte, war er sogar ganz nützlich gewesen, gestand Zoro ihm großzügig zu. Trotzdem... Der Schwertkämpfer verschränkte seine Arme auf der Reling, stütze seinen Kopf darauf und starrte auf die Insel, die sich im Licht eines herrlichen Herbsttages vor seinen Augen erhob. Schön war es hier. Im goldenen Licht der Mittagssonne leuchteten die bewaldeten Hügel der Insel in warmen Rot- und Orangetönen. Zoro runzelte die Stirn. Irgend etwas war faul, aber was? Der Zeitungsartikel war wenig aufschlußreich gewesen. Jeff Rotfuß war wieder auf der Grand Line gesichtet worden. Na und? Zoro hatte den Wisch im Licht des Vollmonds gerade so entziffern können. Jetzt holte er ihn wieder aus seiner Hosentasche hervor und fixierte ihn, als wolle er auch die letzte mögliche Information aus dem kurzen Bericht herausquetschen – und wäre das Papier lebendig gewesen, es hätte seine dunkelsten Geheimnisse und obendrein auch noch seine Großmutter verraten, nur um diesem Blick entgehen zu können. Aber so blieb es stumm und Zoro war auch nicht schlauer als vorher. Obendrein war der Artikel auch ziemlich veraltet. Der Zeitungsvogel hatte offensichtlich nicht nur eine lange Reise hinter sich gebracht gehabt, sondern sich auch noch alle Zeit der Welt gelassen. Der Grünhaarige rieb sich mit einer Hand über die Stirn und versuchte nachzudenken. Was wußte er über Jeff Rotfuß? Er war auf dem Restaurantschiff gewesen wo sie den Suppentopf aufgegabelt hatten, oder? Sein Ziehvater oder so was. Ein Holzbein hatte er auch gehabt... Verdammt. Zoro war bestimmt nicht auf den Kopf gefallen, aber er war auch kein verdammter Detektiv! Woher sollte er wissen, was den Smutje so daran aufregte, daß der alte Knacker auf der Grand Line herumschipperte? Zoro hätte verstehen können, wenn der Koch sich gefreut hätte, seinen alten Kumpel wiederzusehen. Aber als Vorfreude konnte man Sanjis Verhalten in den letzten Tagen nun wirklich nicht bezeichnen. Geflissentlich überhörte er die Stimme in seinem Hinterkopf, die ihn zum einen fragte, warum ihm das überhaupt aufgefallen sei und zum anderen bemerkte, daß Sanjis Atem nachts schon das ein oder andere Mal von großer Freude gezeugt hatte... Mit einem letzten Seufzen richtete der Schwertkämpfer sich auf. Er hielt gar nichts davon, sich selbst zu belügen. Da zog er ein paar unbequeme Wahrheiten vor. Es reichte, daß er sie mit niemand anderem zu teilen brauchte. Und so mußte er sich eben eingestehen, daß er sich Gedanken um den blonden Smutje machte. Aber er würde sich nicht zum Affen machen! Deshalb widerstand er seinem Impuls, über die Reling zu springen und den Kochlöffel suchen zu gehen und hob stattdessen seine Hanteln wieder auf. Körperliches Training war immer noch die beste Ablenkung bei Streß jeglicher Art. ♨ Sanji fuhr zusammen als die schwere Hand auf seine linke Schulter fiel. Er war gerade in Gedanken bei dem grünhaarigen Schwertfuchtler gewesen. Ob er wohl den Wink mit den Erbsen verstehen würde? Er lächelte leicht, aber als er die alte Stimme hörte, wich ihm alles Blut aus dem Gesicht. Er spürte, wie ihm die Knie weich wurden, zwang sich aber dazu, erst aufrecht stehen zu bleiben und sich, als er merkte, daß seine Beine ihren Dienst noch eine Weile tun würden, langsam umzudrehen. Hätte er einen Geist gesehen, er hätte nicht erschütterter sein können. Die blauen Augen schienen groß und dunkel in dem aschfahlen Gesicht, die fein geschwungenen Lippen blutleer zusammengepreßt. Für einen Moment stand er noch wie eingefroren, rang innerlich um Fassung, dann hatte er sich wieder in der Gewalt und auch die Farbe kehrte in sein Gesicht zurück. Mit der rechten Hand griff er ruhig nach seiner Zigarette, an der er noch kurz zog, bevor er sie aus dem Mund nahm und mit halb geschlossenen Augen den blaugrauen Rauch ausblies. „Jeff...“, sagte er und zwang sich, den alten Koch anzugrinsen. Er hatte nun aus dem Augenwinkel auch ein paar seiner alten Kameraden gesehen und wollte sich auf keinen Fall eine Blöße geben. Doch hinter der heiteren Fassade arbeitete sein Gehirn auf Hochtouren. Warum war der alte Sack hier? Wie konnte er überhaupt so schnell hier sein? Er war doch weit später als sie aufgebrochen. Oder? Ja, das mußte so sein, sonst hätte es viel eher in der Zeitung gestanden. Jeff Rotfuß war schließlich kein Unbekannter auf der Grand Line. Wo kam er also so plötzlich her und was wollte er von ihm? Sanji fühlte sich leicht unbehaglich und der Eindruck von Jeffs Männern eingekesselt zu sein, ließ sich auch nicht abschütteln. Aber er beschloß sich nichts anmerken zu lassen und erst einmal abzuwarten. Irgendwie freute er sich ja auch, den alten Sack wiederzusehen. Daher nahm er auch dessen Angebot, auf diese unerwartete – Tatsächlich? – Freude etwas trinken zu gehen mit einem Lächeln an. Seine Einkäufe in beiden Armen balancierend schaffte er es sogar, sich eine neue Zigarette anzuzünden, als er dem alten Koch in eine nahegelegene Kneipe folgte. „Eine Kneipe?“ Sanji hob überrascht eine geschwungene Augenbraue. Das war doch eigentlich nicht ihr Stil. Jeff brummte nur und schob den Jüngeren vor sich her in den halbdunklen Schankraum. Da es gerade Mittagszeit war und draußen hell die Sonne geschienen hatte, mußten Sanjis Augen sich erst an das Schummerlicht gewöhnen, doch dann konnte er eine erstaunlich geschmackvoll eingerichtete Bar erkennen und die gut gefüllten Weinregale an den Wänden ließen jeden Protest sogleich auf seinen Lippen ersterben. Mit fachmännischem Blick erkannte er, daß die Weine in der Auslage durchweg von erlesener Qualität waren, was mochte der Wirt also erst aus seinem Privatvorrat – und Sanji hatte keinen Zweifel, daß er über einen solchen verfügte – hervorzaubern können. Die Augen des Blonden nahmen einen verträumten Ausdruck an und für einen Moment vergaß er seine prekäre Situation. Bis ihn ein Schnaufen daran erinnerte, in wessen Gesellschaft er nun in einem der tiefen Ledersessel Platz nahm. Er stellte seine Einkäufe neben seinem Sessel ab und beobachtete aus dem Augenwinkel, wie der alte Koch sich ihm gegenüber niederließ und für sie beiden einen edlen Weißwein bestellte. Sanji neigte zwar eher zu einem schweren Roten, aber er wußte es besser, als daß er dem alten Knochen reingeredet hätte. Der Wein kam und war wirklich vorzüglich. Sanji fühlte den Blick seines Gegenübers, wie er jede seiner Bewegungen aufmerksam aber schweigend beobachtete. Langsam wurde die Stille erdrückend. Leicht angespannt fragte der Jüngere nach ein paar gemeinsamen Bekannten und dem Baratie, aber er erhielt nur karge, unbestimmte Antworten. Um ein ausdrucksloses Gesicht bemüht nippte er wieder an seinem Wein. Das ungute Gefühl wurde immer stärker. Jeff benahm sich eigenartig. Er war zwar nie sehr gesprächig gewesen und wenn sie Worte gewechselt hatten, gab das sowieso meistens nur Zoff. Aber diese ausweichende Art kannte er nicht an dem alten Sack, der sonst kein Blatt vor den Mund nahm. Eine Weile saßen sie beide schweigend da und tranken nur ab und zu von ihrem Wein, bis es Sanji schließlich zu zuviel wurde und er den alten Mann einfach gerade heraus fragte: „Was treibt Dich nun wieder hierher? Hattest Du nicht der Grand Line abgeschworen?“ Er warf einen vielsagenden Blick auf Jeffs Holzbein. Der alte Koch rührte sich nicht und wenn Sanji es nicht besser gewußt hätte, hätte er gedacht, der andere müsse nach den richtigen Worten suchen. Doch jetzt schien er einen Entschluß gefaßt zu haben. „Sanji, ich will nicht lange drumherum reden: Das Baratie geht pleite, wenn Du nicht zurückkommst. Deshalb bin ich gekommen, um Dich nach Hause zu holen.“ Über den Rand seines Weinglases bedachte der alte Koch den Jungen mit einem berechnenden Blick, den er aber gleich wieder verbarg, als er das Glas abermals ansetzte. Sanji rührte sich nicht. Dann verzog sich sein Mund zu einem bitteren Lächeln. „Nach Hause, sagst Du? Scheiße, alter Mann, ich habe nie ein Zuhause gehabt.“ Mit dem gleichen bitteren Gesichtsausdruck zog er an seiner Zigarette und ließ den Rauch langsam durch schmale Lippen entweichen. „Und überhaupt, was soll das heißen, das Baratie geht pleite? Du bist doch der scheiß Chefkoch!“ Er fixierte Jeff mit seinem Blick und dachte, Das soll der Grund sein? Das soll reichen, damit er sich auf diese Reise gemacht hat? Nicht das All Blue, sondern...ich?! Eine Mischung aus Erleichterung und Enttäuschung machte sich in Sanji breit. Erleichterung, daß der alte Sack dem All Blue auch nicht näher war, als er selbst und Enttäuschung, weil er mehr von ihm erwartet hätte. Scheiße, er war ein gefürchteter Pirat und fantastischer Koch gewesen. Sollte er jetzt ernsthaft so eine Lappalie nicht alleine geregelt bekommen, er war schließlich der beste Koch, den es gab. Doch schon durchzuckte Sanji das altbekannte Gefühl des schlechten Gewissens. Wenn Jeff das alleine nicht hinbekam, dann nur, weil er, Sanji, daran Schuld hatte. Seinetwegen hatte er seinen Traum aufgeben müssen, seinetwegen hatte er sein Bein verloren. Als sich die alte Litanei in Sanjis Kopf wieder abspulte, wich das bittere Lächeln einem gequälten Ausdruck der Reue und als er diesmal an seiner Zigarette zog, zitterte seine Hand ein wenig. Jeff hatte die ganze Zeit geschwiegen und den Jungen aus halb geschlossenen Augen beobachtet. Auf genau diesen Gesichtsausdruck hatte er gewartet! Einen Moment lang zögerte er noch zum finalen Stoß anzusetzen, aber dann sah er vor seinem geistigen Auge das Bild des stolzen Piratenkochs als Angestellten in irgendeiner spießigen kleinen Stadt-Spelunke aufsteigen. Tut mir leid, Kleiner, aber... „Du bist es mir schuldig“, sagte er leise. Sanji erstarrte. Ihm wurde heiß, doch augenblicklich fing er an zu zittern, als wäre ein Eissturm über ihn hereingebrochen. Nur mit Mühe konnte er verhindern, daß seine Zähne klapperten. Er wollte etwas erwidern, wollte sagen, daß er seine Schuld in den vielen Jahren, in denen er für den Alten gearbeitet hatte, getilgt hatte und daß er, Jeff, ihn schließlich so gut wie rausgeschmissen hatte. Er wollte schreien und wie wild um sich treten als die erbarmungslose Gewißheit über ihn hereinbrach, daß er es trotzdem tun und tatsächlich seine Nakama verlassen würde, und er fühlte eine hilflose Wut in sich aufsteigen, als er unweigerlich an das schöne, stolze Gesicht des Marimos dachte. Was würde der wohl von ihm halten, wenn er einfach so ginge? Seine Kehle schnürte sich zu, als er wieder Zoros Atem und seine tiefe Stimme an seinem Ohr spürte und er abermals seinen ganz eigentümlichen Geruch in der Nase hatte. Er schluckte schwer. Aber er spürte auch Jeffs unbewegten Blick auf sich ruhen und das uralte Gefühl der Schuld übermannte ihn, begrub all seine frischeren Gefühle unter sich. Er fühlte förmlich, wie sein Herz zerriß, als er kraftlos nickte. Jeff wußte, daß er gewonnen hatte. Entschlossen schob er den nagenden Zweifel zur Seite, daß er dem Jungen gerade ein großes Unrecht antat. Trotzdem fühlte er sich plötzlich alt. Er zuckte unmerklich mit den Schultern. Wenn sie dieses dreckige Meer hinter sich gelassen und das Baratie wieder in Schwung gebracht hätten, würde schon alles wieder in Ordnung kommen. Der Bengel war schließlich auch ein Koch, er würde es eines Tages verstehen. Sanji hatte die Zeit des Schweigens genutzt, um sich wieder zu sammeln. Als er das Weinglas auf dem Tischchen vor sich abstellte, fiel sein Blick auf seine Einkaufstüten. „Jeff?“ „Hmm?“ „Bevor wir fahren, will ich noch die Lebensmittel zur Going Merry bringen. Keine Sorge,“ fuhr er mit einem freundlosen Lachen fort, als er den alten Mann die Stirn runzeln sah, „es wird keiner an Board sein“, außer ihm, „also wird mich auch keiner aufhalten.“ Der alte Sack sah ihn einen Moment lang forschend an, nickte dann aber. „Jetzt ist es Mittag. Um drei Uhr treffen wir uns wieder hier, verstanden?“ Sanji nickte kurz, drückte seine Zigarette im Aschenbecher vor sich aus und erhob sich. Ohne den alten Piraten noch eines weiteren Blickes zu würdigen verließ er mit seinen Einkäufen im Arm die Bar. Jeff sah ihm gedankenvoll nach. Als die Tür sich hinter dem Jungen geschlossen hatte, winkte er zwei seiner Männer zu sich, die an einem der schlecht einsehbaren Nischentische gesessen hatten. „Folgt ihm unauffällig. Und berichtet mir über alles, was er tut.“ Die beiden Männer nickten stumm und eilten dem Blonden hinterher. Zurück blieb ein alter Koch, der sich nachdenklich ein weiteres Glas Wein einschenkte. ♨ Im Hafen angekommen blieb Sanji eine Weile einfach nur stehen und betrachtete die Going Merry. Den freundlichen Schafskopf am Bug, die inzwischen unzählig oft mit mehr Hingabe als Können ausgebesserten Planken, den kleinen Mandarinenhain. Er dachte an die schönen Stunden, die er hier mit seinen liebenswert verrückten Nakama verbracht hatte. Der hohle Raum in seiner Brust, der einmal sein Herz gewesen war, schmerzte dumpf. Er hätte nie ein Zuhause gehabt hatte er dem alten Sack eben noch gesagt, aber das stimmte nicht mehr. Hier, an Bord dieses kleinen Piratenschiffes hatte er eine Heimat gefunden. Und eine eigentümliche Familie noch dazu. Sein Blick wanderte den Mast hinauf, über das gereffte Segel bis er an seinem eigentlichen Ziel hängenblieb, dem Büschel grüner Haare, das über den Rand des Krähennestes lugte. Sanji stellte die schweren Einkaufstüten kurz auf den Boden, während er sich gedankenverloren eine neue Zigarette anzündete. Den grünen Schopf ließ er dabei nicht aus den Augen. Bestimmt schläft er gerade wieder, dachte er und blies eine Wolke weißen Rauchs aus, typisch! Sein niedergeschlagenes Lächeln wurde von einem feinen Stich begleitet, der die dumpfe Leere in seiner Brust durchdrang. Zögerlich wandte Sanji seinen Blick ab, griff nach seinen Tüten und sprang mit einem gewaltigen Satz an Bord, von wo er geradewegs in die Küche eilte. Dort angekommen ließ er seine Einkäufe zu Boden gleiten und lehnte sich mit dem Rücken an die Tür, wo erst einmal mit geschlossenen Augen verharrte. Ich kann das einfach nicht! Scheiße, ich kann nicht...! Aber Du mußt!, drängte sich eine alte Stimme in seine Gedanken. Du bist es mir schuldig... Sanji fühlte sich elend. Und erschöpft. Er hatte sich Zeit erbeten um Abschied zu nehmen, doch es war noch schwerer, als er erwartet hätte. Dennoch, er hatte einfach keine Wahl. Er würde es Jeff nie abschlagen können und das wußte der alte Sack auch ganz genau. Verdammte Scheiße! Angewidert verzog der Blonde das Gesicht. Er wurde von dem Alten nach Strich und Faden manipuliert und er war unfähig, sich dagegen zu wehren. Das schlechte Gewissen war einfach zu erdrückend. Scheiße, Mann! Zoro würde so was nicht mit sich mach... „Au!“ Fluchend rieb sich Sanji den Rücken, in den sich gerade überraschend die Türklinke gebohrt hatte. Dicht neben seinem Kopf – zu dicht!– schob sich ein marimogrüner Schopf durch den Türspalt. Als Zoro ihm das Gesicht zuwandte, streifte sein Atem die Wange des Blonden. „Da bist Du ja wieder, Kochlöffelchen“, brummte er. Kochlöffelchen? Sanji schluckte und sein Puls beschleunigte sich. Wie ist das möglich, wenn einem schon das Herz herausgerissen worden ist, wanderte ein diffuser Gedanke durch sein überanstrengtes Hirn, Muß ich Chopper bei Gelegenheit mal fragen. Mit Mühe widerstand er der Versuchung, den Kopf zu drehen und das markante Gesicht des Schwertkämpfers genauer zu studieren. Er konnte sich nur zu gut daran erinnern, was das letzte Mal mit ihm passiert war, als er diesen bemerkenswerten Augen zu nahe gekommen war. Also starrte er stur geradeaus und versuchte, die herben Gerüche von sonnengebräunter Haut und Meersalz zu ignorieren, die seine verräterische Nase begierig aufsog. Wieder bohrte sich die Türklinke in sein Kreuz. „Jetzt laß mich schon rein, ich hab Durst!“ murrte Zoro jetzt schon ungehaltener. Sanji faßte einen Entschluß. Er stieß sich nach vorne weg, drehte sich um die eigene Achse und trat die Tür mit einem kräftigen Fußtritt, der sein ohnehin schon geschundenes Herz in kleine Fetzen riß, zu. Es muß sein, versuchte er sich zu rechtfertigen, als er das laute Fluchen des überraschten Schwertkämpfers vernahm. Polternd flog die Tür aus ihren Angeln und in der Öffnung stand Zoro wie ein grünhaariger Racheengel. Unwillkürlich wich Sanji einen Schritt zurück, doch dann schob er seine Hände in die Hosentaschen und brachte sich entschlossen in Stellung. Er würde nicht vor Zoro davonlaufen. „Hat man Dir jetzt endgültig ins Hirn geschissen, verdammter Löffelschwinger?“ grollte dieser. Seine Stimme war gefährlich tief, in den schwarzen Augen unter den zusammengezogenen Brauen brannte ein kaltes Feuer. Die linke Hand zur Faust geballt stütze er sich gegen den Türrahmen, die rechte hielt er an die Seite seines Kopfes gepreßt. Sanji erblasste, als er sah, wie zwischen den starken Fingern Blut hervorquoll. Er hatte den Schwertkämpfer schon oft bluten gesehen, aber nie war er selbst der Grund dafür gewesen. Wie in Trance ging er langsam auf den Grünhaarigen zu. Selbst wenn er gewußt hätte, daß er dem sicheren Tod entgegentreten würde, er hätte sich nicht anders entscheiden können. Seine Augen wurden magisch angezogen von den tiefroten Rinnsalen, die den kräftigen Handrücken hinunter sickerten. Beinahe unbeteiligt beobachtete er seine eigenen schmalen, weißen Hände, die nach der großen braunen Hand griffen und diese sanft aber bestimmt zu sich zogen. Sein Blut rauschte so laut in seinen Adern, daß er Zoros Protest nicht hörte. Und auch die linke Hand des Schwertkämpfers, die plötzlich so heftig an seiner Schulter rüttelte, daß ihm die halb abgebrannte Zigarette aus dem Mund fiel, nahm er kaum wahr, als er gebannt auf das blutüberströmte Ohr starrte. Offensichtlich war Zoros rechte Gesichtshälfte mit voller Wucht von der Türkante erwischt worden. Sanji wurde übel. Nicht, weil er mit dem Blut nicht umgehen konnte. Was ihn krank machte war die Erkenntnis, daß er gerade für Jeff einen der wichtigsten – wenn nicht den wichtigsten – Menschen in seinem Leben verletzt hatte. In Sanji zerbrach etwas. Eine Mauer aus Schuldgefühlen und Selbstvorwürfen, die er jahrelang auf- und ausgebaut hatte. Endlich war der Druck zu groß geworden und die letzten Reste seines inneren Schutzwalles wurden von einer Welle aus unterdrückten Emotionen mitgerissen, die unaufhaltsam als heiße Tränen über sein Gesicht strömten. Geblendet, krallte er sich hilfesuchend an Zoros Hand und unerwartet wurde er umgeben von Wärme und einem ungekannten Gefühl der Geborgenheit. Als er den starken Arm um seine Schultern spürte, der ihn näher an die breite Brust zog, war es Sanji egal, daß Zoro ihn für einen Schwächling halten mußte. Er hatte nicht mehr die Kraft, sich seiner Gefühle zu erwehren. Also klammerte er sich an den Größeren und ließ die befreienden Tränen laufen, die die alten Zwänge und Ängste langsam aus ihm herausspülten. Sein Verstand machte eine Pause, aber sein geschundenes Herz und seine ausgedörrte Seele sogen instinktiv den beruhigenden Geruch Zoros ein, seine Wärme und Stärke. Nach einiger Zeit – für Sanji hätten es Minuten aber auch Stunden sein können – begann der junge Koch sich wieder zu beruhigen. Sein Atem ging immer noch heftig und stoßweise, aber die Tränen waren versiegt. Erst jetzt fiel ihm auf daß eine warme Hand unablässig über seinen Rücken streichelte und unter dem tränennassen Hemd an seinem Gesicht ein kräftiges Herz schlug und eine tiefe Stimme beruhigend brummte. Mit einem Mal wurde Sanji sich seiner Situation bewußt. Schlagartig schoß ihm das Blut ins Gesicht und er wollte hastig einen Schritt zurückgehen. Doch der Arm um seine Schultern ließ ihn nur langsam frei. Verlegen wischte Sanji sich mit dem Ärmel über die Augen, konnte die blutbedeckte Hand des Schwertkämpfers aber einfach nicht loslassen. So zog er ihn dann ohne ein Wort, ohne ihm ins Gesicht zu sehen, zum Spülbecken, drehte das Wasser auf und begann die kräftige Hand zu reinigen. Zoro ließ es schweigend geschehen. Als er mit der Hand fertig war griff Sanji nach einem sauberen Lappen und befeuchtete diesen mit warmem Wasser. Er holte tief Luft und drehte sich endlich zu dem Schwertkämpfer um. Zoro stand ganz still, als er ihm sanft das Blut vom Gesicht wusch. Auch als Sanji sich zur Spüle drehte, um den Lappen auszuwaschen und dann mit der Reinigung fortzufahren, regte der Grünhaarige sich nicht. Erst als der Smutje sich zum zweiten Mal wegdrehen wollte, griff Zoros rechte Hand nach seinen Handgelenken und die linke faßte ihn unterm Kinn. Sanji hatte das Gefühl, ein Déja vù zu erleben und ein Schauer lief durch seinen Körper, als er zuließ, daß sein Kopf langsam angehoben wurde. Er schluckte und sah Zoro direkt in die Augen. „Das reicht jetzt, Kochlöffelchen“, brummte der. Er hat es schon wieder gesagt! Abermals war Sanji gefesselt von dem durchdringenden Blick der schwarzen Augen, abermals begann sein Herz schneller zu schlagen. Nur wenige Zentimeter trennten ihre beiden Gesichter und Sanji begann sich ernsthaft zu fragen, ob Zoro ihn wohl küssen würde. Augenblicklich wurde er wieder rot und versuchte wegzuschauen. Aber so leicht wollte der Grünhaarige ihn offenbar nicht entwischen lassen. Er hielt seinen Blick gefangen, einfach so. Wie macht er das bloß? fragte Sanji sich zerstreut, aber er war viel zu beschäftigt, um sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen. Schließlich schien Zoro ein Einsehen zu haben. Unvermittelt ließ er von dem Smutje ab und befingerte vorsichtig sein wundes Gesicht. „Etwas Eis wäre nicht schlecht“, bemerkte er, drehte sich um und ließ sich auf der Bank vor dem Eßtisch nieder. Sanji sah seinen erwartungsvollen Blick und seufzte. Irgendwie war er enttäuscht. Aber auch ein bißchen erleichtert. Der Marimo war einfach zu unberechenbar. Er drehte sich zur Spüle um und wusch den Lappen aus, bis er sicher war, daß er sein Gesicht wieder unter Kontrolle hatte. Dann zog er die inzwischen fast leere Schachtel aus der Hosentasche, zündete sich eine Zigarette an, bemerkte zufrieden, daß seine Hände ganz ruhig waren, und schob die Schachtel wieder zurück. Immer noch mit dem Rücken zu Zoro, nahm er einen tiefen Zug und atmete eine langgezogene weiße Wolke aus. Die Zigarette in den Mundwinkel geklemmt, nahm er dann den Lappen mit zum Kühlschrank, wickelte ihn um ein paar Eisklumpen und setzte sich dem Grund für seine verwirrten Gefühle gegenüber an den Tisch. „Sorry...“ schob er den behelfsmäßigen Kühlbeutel dem Marimo entgegen. „Schon gut.“ Zoro griff nach dem Beutel und hielt ihn sich vorsichtig an den schmerzenden Kopf. Als die Kälte des Eises mit seiner empfindlich wunden Haut in Berührung kam, zuckte er leicht zusammen und schloß für einen Moment die Augen. Als er sie wieder öffnete brannten sie mit einer Intensität, die Sanji schlagartig klarmachte, daß er soeben seine letzte Chance, Roronoa Zoro zu entkommen, verpaßt hatte. „Und jetzt verrätst Du mir, was hier eigentlich los ist.“ Es war keine Bitte und Sanji wußte, daß er Zoro alles erzählen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)