The Black Widow Tale von Archimedes (Sparrington) ================================================================================ Kapitel 9: Sophia 1 ------------------- Nachdem der morgendliche, wach machende Disput mit Sparrow hinter mir liegt und das späte Frühstück an Bord eingenommen wurde, schicke ich mich an Hawkins zurück in den „Admiral Smollet“ zu begleiten. An der Reling stehend, poliere ich mit einem öligen Lappen das Schwert, das mir Turner zur Ernennung in den Stand eines Commodores geschmiedet hatte. Mein geübtes Auge geht prüfend die scharfe Klinge Stück für Stück ab, erfasst Unebenheiten und Kerben, entstandenen durch die Vielzahl an bestrittenen Kämpfen. Der außerordentlich gut bearbeitete Stahl ist noch in erstaunlich gutem Zustand, aber bald werde ich ihn flämmen lassen müssen, wenn ich nicht will, dass das Eisen darin spröde wird und mir im ungünstigsten Moment entzwei bricht. Automatisch gleitet mein Blick bei diesem Gedanken zu Sparrow, der mit Gibbs am Steuerrad steht, tief ins Diskutieren versumpft über den Kurs und wie er am besten gesetzt sei. Ich schüttele den Kopf. In meiner bedauernswerten Nachgiebigkeit, die ich von mir selbst erst seit der Begegnung mit dem Piraten kenne, habe ich ihm die Chance eingeräumt zu beweisen, dass ich vor einigen Tagen zu Unrecht meine Meinung widerrufen habe. Dass er ein guter Mann sei und dass diese Einschätzung an jenem Tag vor drei Jahren auf den Zinnen des Forts die richtige gewesen war. Nun gut, da sich daran nichts mehr ändern lässt, ohne dass ich dabei mein Gesicht verliere, so darf ich nicht bei jeder Gelegenheit meinem Misstrauen ihm gegenüber den Vorzug geben. Soll er seinen Versuch haben. Ich halte in meiner Arbeit inne, sehe hinunter in die spiegelnde Klinge und seufze frustriert auf. Sparrow, Sparrow, ganz gleich wie die Sache ausgeht, verlieren werde auf jeden Fall ich. Selbst wenn ich Euch hänge und ihr Eure kleine Wette verliert, so sterbt Ihr mit der Gewissheit, dass ich Euch nicht gefangen habe, sondern Ihr Euch ergeben habt… Piraten! Sie gehen immer mit dem größten Voreilt aus einer Verhandlung heraus… Mit einem unzufriedenen Brummen stecke ich das Schwert zurück in die Scheide und mache mich daran meine Pistole zu reinigen, um sie danach zu laden. Gedankenverloren starre ich dabei in den Hafen Tortugas, in den ein neues Schiff einfährt, direkt auf Backbordseite der Black Pearl und auf gleicher Höhe. Eine Weile sehe ich dem stolzen Linienschiff in all seiner Pracht und seiner im Vergleich heruntergekommenen Mannschaft zu, zu wunderlich ist die Erscheinung der Männer an Bord in ihren aufgeriebenen und zerschlissenen Fetzen. Sie will nicht so recht zu dem voll rahgetakelten Dreimaster passen, der mit seinen zwei Geschützreihen an Feuerkraft mit der Fortress mithalten könnte. Militärische Routine und das kindlich jungenhafte Interesse an allem, was soldatisch ist, beginnen die Kanonen zu zählen; schätzungsweise sechzig, Rang vier also und folglich etwa eine Crew von dreihundert Mann. Ich mache mir klar, dass alleine die untere Kanonenreihe genügen würde die Black Pearl mit einer einzigen präzise gesetzten Salve zu versenken. Im Speziellen in ihrem jetzigen Zustand… Gleichzeitig ist es eigenartig. Ich kann mich nicht entsinnen, dass weitere Kriegsschiffe außer meinen eigenen aus Port Royal ausgelaufen wären. Zumal die Mannschaft nicht im Besitz von Uniformen ist… ja sie gerade einmal zur Hälfte besetzt ist. Und Meldungen anderer Forts über ein bevorstehendes Gefecht, oder etwa einer zurückliegenden Kaperung haben den Stützpunkt nicht erreicht. Mit einem flauen Gefühl im Magen und aufkeimender Nervosität gehe ich auf die andere Seite der Pearl und besehe mir die See. Keine weiteren. Es ist immer ein ungewöhnlicher Anblick ein einzelnes Kriegsschiff außerhalb des Geschwaders anzutreffen, noch dazu in einem Piratenhafen. Das mulmige Gefühl wird zunehmend stärker und schließlich erreichen die Rufe und Befehle des Kommandanten mein Ohr, und innerlich fahre ich zusammen, blicke unumwunden zu den beiden - tatsächlich zwei - Flaggen hinauf. Es überrascht mich nicht wirklich, dass eine davon den Totenkopf trägt, schließlich sehen die Männer an Bord keineswegs wie Soldaten aus. Noch dazu bin ich seit gut zwei Wochen nicht mehr auf Jamaika gewesen, so ist es durchaus möglich, dass die Nachricht von einem verlorenen Schiff durchaus eingetroffen sein kann, ohne dass ich davon Kenntnis habe. Doch beim Anblick der anderen kralle ich hart die Finger in das schwarze Holz unter meinen Händen. Drei goldene Lilien auf weißem Grund. „Ein Schiff der Armées Royale Française!“ Ungläubig suche ich die Bordwand mit den Augen ab. Und tatsächlich… Honneur, Patrie, Valeur, Discipline* Der Kodex der Streitkräfte Ludwig XIV! Auf ein Neues beäuge ich die Crew des Linienschiffes, - dieses Mal kritischer -, deren Aufmachung auf jeden Fall in aller Form der von Piraten und Söldnern gleicht, auch wenn es sich um französische Piraten handelt. Auch der Captain hebt sich nicht wesentlich von ihnen ab. „Was macht dieses Schiff hier?“ „Die Isle de Tortue ist neutrales Gebiet Effendi. Nicht ungewöhnlich, dass auch die Faransey** hierher kommen. Müssen halt auch essen und ab und an ein bisschen Gesellschaft haben“ Neben mir auf den Brettern landen mit voller Wucht alte, schwere Seite. Aus den Augenwinkeln nehme ich wahr, dass Al Faras sich zu meiner zu Salz erstarrten Gestalt gesellt, sich den Schmutz von den Händen und den Schweiß von der Stirn reibt. Dann rückt er sich mit einem Lachen seinen Turban zurecht. „Neutral? Mitnichten. Die Insel ist britisches Hoheitsgebiet…. auch wenn sie in der Hand von Piraten sein mag“, erwidere ich, während mein Blick sich merklich verdüstert. Strategisch gesehen liegt Tortuga unbedeutend und der Araber hat damit Recht, dass viele französische Schiffe diese Stadt anlaufen. Aber Linienschiffe segeln für gewöhnlich nicht alleine, noch weniger lassen sie sich kapern. Diese Erfahrung durfte selbst Sparrow machen… Es mag stimmen, dass ich mir oft den Vorwurf machen lassen muss von Natur aus ein misstrauischer Mensch zu sein, und benennen kann ich es nicht, was genau mich unruhig macht, da das Schiff schließlich nicht unter der Flagge unseres Kriegsgegners gesegelt wird… aber etwas stimmt einfach nicht an diesem Bild… Vorsicht ist auf jeden Fall geboten, denn die politische Situation erfordert planendes Kalkül, nicht zuletzt, da Port Royal zu nahe an dem Piratennestes dran liegt, als dass ich mir Sorglosigkeit erlauben könnte. Das Fort liegt bloß zwei Tagesreisen entfernt, bei gutem Wind, wenig Tiefgang und etwas Glück ist der Weg sogar in knapp der Hälfte der Zeit zu schaffen. „Wisst Ihr Junge, das ist das Schöne am Piratentum. Keine Fragen nach Herkunft, Lage der Loyalität und vor allem nicht nach Stand. Kann es denn neutraler gehen?“ Al Faras, der damit begonnen hat beschädigte Teile aus den Seilen zu entfernen und die noch brauchbaren Enden wieder miteinander zu verknüpfen schielt zu mir herüber. Den Blick fest auf das Schiff längs der Pearl gehaftet, bleibt mir jedoch nur wenig Aufmerksamkeit für sein überaus lobenswertes, handwerkliches Geschick „Sir, wisst Ihr, ob des Öfteren Kriegsschiffe Kurs auf Tortuga nehmen?, frage ich den dunklen Mann, was ihn herzhaft lachen lässt. „Sahib, woher soll ich das wissen? Ich bin kein Pirat, auch kein Seemann, nur ein einfacher Schneider aus Rabat und selbst das erste Mal in dieser…“, schmunzelnd sieht er mich an, „´faszinierenden´ Stadt. Nur weil man zu einem unlieben Zeitpunkt die Bekanntschaft mit Jack Sparrow gemacht hat, muss das nicht heißen, dass man seine Neigung für Raub, Schmuggel und Hehlerei teilt.“ „Ihr seid Schneider?“ Das hätte ich zuletzt vermutet. Eine diffizile Arbeit wie diese passt nicht wirklich zu ihm, weder zu seinen tellergroßen Händen, dem vernarbten Gesicht, noch zu seiner eigenwilligen Art sich zu kleiden. Unter dem struppigen Bart erscheint ein breites Grinsen und seine dunkelblauen Augen funkeln mich amüsiert an. „Der erste Schein trügt oftmals, Effendi“ Ich grinse verlegen, da er mich durchschaut. „Verzeiht Sir, ich wollte Euch nicht beleidigen“ „Habt Ihr nicht“ Gemeinsam sehen wir auf das Schiff, das den Anker hinunterlässt. Da aber keiner von uns noch etwas zu sagen weiß, schweige ich und der Araber geht wieder seiner Arbeit nach. Eine geraume Weile stehen wir so in Stille nebeneinander bevor Al Faras mein Brüten schließlich nicht mehr aushält und das Wort ergreift: „Wenn Euch das große Schiff Sorge bereitet, genügend Männer sind hier, die Auskunft geben können“, brummelt er vor sich hin und nickt dann in Richtung der Mannschaft, ohne seine Arbeit zu unterbrechen, oder mich anzusehen. Auch mein Blick verharrt auf meinem gegenwärtigen Ziel, dem französischen Schiff, während ich nach meiner Waffe greife und sie in meinen Gürtel stecke. „Bis jetzt ist es nur eine Ahnung. Kein Grund die Pferde scheu zu machen.“ Ich nicke ihm zu. „Ich werde mich zuerst ein wenig in der Stadt umhören.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)