Schattenjagd von Carcajou (ehemals Kage no Kurayami) ================================================================================ Kapitel 1: Ein interessantes Gespräch ------------------------------------- Für den Fall, dass ich mich zu sehr in Japanischen Ausdrücken gesuhlt haben sollte, vorerst noch einige Begriffserklärungen: Taijiya -(Dämonen-)Jäger Youkai -(neutral) Japanischer Dämon Mononoke-(negativ) Dämon Kodachi -Kurzschwert, aber etwas länger als ein Wakizashi Iie/Hai -nein/ja arigato -danke Hakama -weite japanische Hosen Tabi - japanische Socken für Sandalen mit Zehenriemen Korrigiert mich bitte, wenn ich Mist geschrieben haben sollte. Wird in den einzelnen Kapiteln fortgesetzt! Ich schätze aber,das die meisten hier ETWAS mehr japanisch können als meinereiner...>.<° Nun aber genug geschwafelt! Kage no Kurayami 1. Kapitel: Ein interessantes Gespräch „Komm ruhig heraus, Taijiya.“ Der Schock, der den Angesprochenen durchfuhr, war so deutlich fühlbar wie die schwül- warme Brise, die sie in gemütlicher Fahrt entlang der Küste Honshus vorantrieb. Es blieb still. „Ich habe Dich bereits in Nagasaki entdeckt. Du bist mit den Adelsfamilien an Bord gekommen, nicht wahr? Und seitdem immer schön unauffällig in meiner Nähe geblieben, immer zwischen mir und den anderen Menschen. Und Du warst nicht mal so ungeschickt…“ Die junge Frau lächelte amüsiert und blinzelte träge in die gleißende Sonne, die mit unbarmherziger Wucht auf das vordere Deck des kleinen Küstenseglers brannte. Sie machte keine Anstalten, ihren bequemen und abgelegenen Platz am Bug zu verlassen, um diesen impertinenten Menschen von der Vergeblichkeit seines Vorhabens zu überzeugen. Das Schleifen von Metall auf Holz unterbrach die friedliche Stille. Sie warf einen kurzen Blick auf die aufgestapelten Ballen Segeltuch, hinter der sich der Mensch verbarg. Keiner der anderen Passagiere war zu sehen. Sie hatten sich vor der tropischen Sonne in den Schatten und unter Deck geflüchtet. Selbst von der Besatzung war kaum jemand bei der Arbeit. Nur der Steuermann am Heck hielt tapfer aus. Jegliche überflüssige Aktivität war unter der brütenden Hitze zum Erliegen gekommen. Sie hatte sich genau am sonnigsten, Exponiertesten Platz des Schiffes niedergelassen. Bot sich als Beute an. „Natürlich kannst du mich auch gerne angreifen. Doch dann müsste ich mich verteidigen. Und dann würden du, alle anderen hier an Bord und wahrscheinlich auch das Schiff vernichtet werden. Möchtest du das riskieren?“ fragte sie leise. Das Deck hob und senkte sich sanft im Rhythmus der Wellen. Die schweren Segel flappten und knatterte, als eine warme seitliche Böe das Schiff krängen ließ. Immer noch vibrierende Stille. Sie seufzte. „Wenn ich hier irgendjemanden hätte töten wollen, hätte ich es schon getan. Insbesondere dich. Ich möchte einfach nur nach Edo, ohne unnötigen Kampf. Was hätte ich denn schon davon?“ Sie schloss die Augen und schmiegte sich wieder an die sonnenerwärmte Bordwand. Die Ratlosigkeit hinter den Ballen war fast greifbar. Seine Anspannung auch. Sie unterdrückte einen erneuten Seufzer. „Tajiya… du langweilst mich. Wenn es zu einem Kampf kommt, wird nicht nur unser Blut fließen. Die Besatzung und vor allem die Samurai aus den Adelsfamilien werden nicht untätig bleiben. Und sie sind in dieser Art von Kampf nicht geübt. Willst du sie opfern, für einen von vorne herein zum Scheitern verurteilten Angriff?“ Seine Ausstrahlung wurde so intensiv, das es selbst ihr das Adrenalin ins Blut trieb. Wut, Angriffslust- und Frustration. Nur noch ein paar Nadelstiche… „Tajiya-San, ich wiederhole mich ungern. Ich habe keinerlei Interesse an einem Kampf. Von mir aus werde ich nicht beginnen. Wenn Ihr allerdings das unzähmbare Verlangen nach Blutvergießen verspürt, dann nur zu. Habt Ihr übrigens die Kleine gesehen, die mit einer der Familien an Bord gekommen ist? Sie dürfte höchstens vier bis fünf Jahre zählen, nicht war? Viel zu jung, um ihren Vater zu verlieren. Und erst recht zu jung zum Sterben.“ Sie hörte, wie der Mensch tief Luft holte. Nur noch ein kleiner Schubs… so dumm war er nicht, das hatte er auf der gemeinsamen Reise durch sein Verhalten schon bewiesen. Sie griff mit beiden Händen über ihre Schultern nach hinten und zog ihre Kodachis samt Scheiden aus ihrem Kaftan hervor. Demonstrativ legte sie die Waffen einen Meter neben sich gut sichtbar auf dem Boden. Ein Friedensangebot, eine Geste. Mehr nicht. „Es ist Eure Entscheidung, Jäger!“ -Treffe sie weise. Sie fiel, als vom Heck des Schiffes plötzlich das Wimmern eines Kindes ertönte. Die sanfte Stimme einer Frau antwortete und begann, leise ein Schlaflied zu singen. Ein paar Mal schniefte das Kind noch, dann herrschte wieder Stille. Mit einem Ruck wurde das Schwert wieder in die Scheide zurück gestoßen. Er WAR nicht dumm. Es änderte natürlich nichts an seiner Wut. „Für dieses Mal, Mononoke…“ „Natürlich, für diese Mal…“ Mit zwei Schritten stand er vor ihr. Mutig also auch… Sie musterten sich. Er war groß für einen Japaner. Ein ebenmäßiges, noch erstaunlich jugendliches Gesicht, jedoch bereits von Narben über Wangen und Augenbrauen gezeichnet. Die Bewegungen waren geschmeidig und kraftvoll. Braune Augen, die vor Intelligenz, momentan aber auch vor Wut funkelten. Er trug betont weite Reisekleidung und Sandalen. In einer Schärpe staken zwei Schwerter. Sie war nicht so naiv zu vermuten, das dass seine einzigen Waffen waren. Unter seinem Haori nahm sie nur zu deutlich das Knirschen von an einander reibenden Rüstungsteilen und das Klirren weiteren Klingen war. Außerdem umgab ihn der Geruch von verschiedenen Kräutern, die einem Youkai in ausreichender Menge mehr als nur die Tränen in die Augen treiben konnten. Ein erfahrener und umsichtiger Kämpfer. Gut, das er das war. Sonst hätte sie ihn tatsächlich töten müssen… Sie deutete auf ein Sitzkissen, das vor ihr auf dem blank gescheuerten Deck lag. „Bitte, setzt Euch.“ Einen Augenblick erstarrte er. Das Erstaunen, das langsam über sein Gesicht kroch, reizte sie beinahe zum Lachen. Das war ihm offensichtlich noch nie passiert, und wahrscheinlich war es überhaupt noch nie geschehen, dass ein Jäger von seiner potentiellen Beute dazu eingeladen wurde, sich zu ihr zu gesellen. Der Gedanke lähmte ihn einen Augenblick. Dann gewann die Wut wieder Oberhand. „Es ist meine Pflicht, Dämonen zu töten, nicht, ihnen Gesellschaft zu leisten!“ zischte er, unwillkürlich wieder die Hand an den Schwertgriff legend. Das Wesen in der Gestalt einer jungen Frau ließ sich aus ihrer bequemen, halb liegenden Position in den Kniesitz gleiten und goss seelenruhig Tee in zwei zierliche Schalen. „Nun, offensichtlich ist es euch im Augenblick nicht möglich, dieser Pflicht nachzukommen, hatten wir das nicht bereits geklärt?“ Ihre Stimme war leise und sanft, als wolle sie ein wildes Tier beruhigen. „Das wäre eine sehr erbärmliche Auffassung von Pflicht und Ehre, Tajiya- San. Das Überraschungsmoment ist dahin, ihr würdet sterben, ebenso alle anderen auf diesem Schiff. Ich werde höchstwahrscheinlich überleben. So viele sinnlose Tode…“ sie schnurrte fast „ … und ein solches Versagen. Denn ist es nicht vor allem eure Pflicht, eure Artgenossen zu schützen? Und darin HÄTTET ihr versagt, Jäger. Ein schmachvoller Tod. Das wäre sehr schlechtes Karma für euer nächstes Leben… Cha?“ „Was wollt ihr hier?“ Er hörte sich beinahe an wie ein aufgebrachter Drache. „Bei aller Besonderheit unserer jetzigen Lage, dies ist meine Angelegenheit. Wenn es euch beruhigt: Eure Artgenossen interessieren mich dabei überhaupt nicht.“ Er blinzelte ungläubig. Und wütend. „Warum sollte ich Euch glauben?“ „Weil ich keinen Grund zum Lügen habe.“ war die schlichte Antwort. „Ebenso wenig wie ich einen Grund habe, jemanden auf diesem Schiff anzugreifen. Menschen verbreiten sich wie eine Seuche auf der Erde. Warum sollte ich eigens die beschwerliche Überfahrt auf diese kleinen Inseln auf mich nehmen, um ein paar Menschen zu töten, wenn es sie auf dem Festland zu Millionen gibt? Macht Euch nicht lächerlich!“ Ein scheinbar ewiger Augenblick verging, in dem der Dämonenjäger versuchte, seine Fassung zu bewahren und diese Situation irgendwie ein zu ordnen. Sicherlich hatte er mit einer Enttarnung rechnen müssen. Aber diese Reaktion hätte er nicht einmal in seinen wildesten Alpträumen erwartet. Seine Gedanken überschlugen sich. Ein Angriff war tatsächlich ausgeschlossen. Die ruhige Gelassenheit kündete ebenso von großer Macht wie die Tatsache, dass ihre Aura nicht ein bisschen dämonisch war. Hätte er nicht durch Zufall gesehen, wie… sie wäre ihm nie aufgefallen. Jedenfalls nicht als Dämon. Selbst die sonst so charakteristischen spitzen Ohren fehlten, von Irgendwelchen Malen auf der Haut ganz zu schweigen. Seiner Erfahrung nach konnten sich nur die mächtigsten Youkai so perfekt tarnen. Der Überraschungseffekt wäre tatsächlich seine einzige Chance gewesen. Und nun? Langsam ging ihm auf, das er tatsächlich nur die Wahl hatte, das ganze Schiff ins Unglück zu stürzen, einfach weg zu gehen… oder aber eine einmalige Gelegenheit zu ergreifen und mit einem erklärten Feind unter den Bedingungen eines Waffenstillstandes ein Gespräch zu führen. Vielleicht die Möglichkeit, an neues Wissen zu gelangen, neue Schwachstellen zu entdecken und Methoden der Bekämpfung zu entwickeln… um sich zu beweisen, stärker zu werden. Und mittlerweile auch eine gewisse morbide Neugierde. Er starrte auf die angebotene Schale. Dann verneigte er sich höflich. Ließ sich in den Kniesitz nieder und legte ebenfalls beide Schwerter samt Scheiden neben sich auf das Deck. Immer noch misstrauisch sah er sie an. „Hai, arigato. Es wird mir eine Ehre sein.“ Die junge Frau lächelte. Das würde es sicherlich! Schweigend tranken sie den Tee, musterten sich. Und bereit, diese außergewöhnliche, wohl nie wiederkehrende Situation auszuschöpfen. Der Dämonenjäger machte keinen Versuch, seine Neugierde zu verbergen. Ihre Erscheinung war völlig fremdartig und geradezu exotisch. Sie war groß für eine Frau, beinahe so groß wie er. Die Haut war dunkel, noch viel dunkler, als die dunkelsten der Barbaren, die seit neuesten immer häufiger den Hafen von Nagasaki anliefen. Lange, offen getragene schwarze Haare, von denen nur die von Schläfe und Stirn an Hinterkopf zu einem dünnen Zopf zusammengefasst waren. In diesem Rahmen wirkten die jadegrünen Augen fast stechend, hypnotisch. Die Gesichtszüge waren viel ausgeprägter und kantiger als die von japanischen Frauen. Seinem Schönheitsempfinden entsprach sie nicht. Doch das minderte keinesfalls die Faszination. Die Kleidung war ähnlich auffällig, ein bunter Mischmasch aus ihm bekanntem und völligem Fremden. Ein sehr weites, an einen Haori erinnerndes dunkelgraues Kleidungsstück mit Kapuze, eine schwarze Hakama, einfache Strohsandalen ohne Tabis und ein ärmelloses, eng anliegendes Hemd aus Leder. Schmucklos, zweckmäßig und dennoch hochwertig. Die beiden Kodachis schienen ihre einzigen Waffen zu sein, aber er konnte nicht einschätzen, wie genau ihre Kräfte tatsächlich aussahen. Die Überreste, die er nach einer mühsamen Verfolgung in Nagasaki gefunden hatte, ließen ihn zwar einiges vermuten, aber so lange er es noch nicht mit eigenen Augen gesehen hatte, würde er so vorsichtig wie möglich sein und schlicht mit allem rechnen. Die Schwerter schienen rein japanischen Ursprungs zu sein und sie beherrschte seine Sprache und auch die üblichen Umgangsformen fließend. Das Handelsschiff der Barbaren war vom Festland herüber gekommen, aber ein chinesischer Dämon war sie auf keinen Fall. Und sie war definitiv nicht das erste Mal in Japan! „Woher kommt ihr? Es ist nicht zu übersehen, das ihr nicht aus den uns bekannten Ländern stammt!“ Sie lächelte. Er ließ sich auf das Spiel ein. Vielleicht wurde das ja wirklich eine nette und kultivierte Unterhaltung. Seitdem sie auf das portugiesische Handelschiff gegangen war, schien sie nur noch von Idioten und Rüpeln umgeben zu sein. Eine willkommene Abwechslung, wie sie es sich auch insgeheim erhofft hatte. „ lie, weder aus China, noch aus einem anderen Land in diesem Teil der Erde.“ „Aus dem selben Land wie die Barbaren? Habt Ihr noch andere Länder und Völker gesehen?“ Er selbst war nie von der Hauptinsel herunter, geschweige denn in andere Länder gekommen. Waren nicht aber auch Japan- vielleicht auch noch China- der Teil der Welt, der zählte? Trotzdem, es wäre schon interessant, etwas über den unzivilisierten Rest zu erfahren. „Den Göttern sei es gedankt, nein. Aber ich habe mir ihr Land angesehen.“ Er beugte sich unwillkürlich vor. „Und, wie ist es dort?“ Sie schnaubte. “Genauso schmutzig, laut und stinkend wie auf ihren Schiffen! Es sind tatsächlich Barbaren!“ „Keine Manieren!“ stimmte er unwillkürlich zu. Was er gesehen hatte, reichte ihm. Da waren sich beide völlig einig. „Doch woher kommt ihr dann?“ „Ihr werdet es nicht kennen.“ „Beschreibt es mir. Wer nicht nach Wissen strebt, ist dumm!“ erklärte er mit ehrlicher Überzeugung. Sonst hätte er sich wohl kaum auf diese Gespräch eingelassen. „Es ist noch weit hinter dem riesigen Reich Chinas. Mehr als zweimal so weit. Es liegt nicht einmal auf derselben Seite des dortigen Meeres…“ ihre Stimme verlor sich, während sie in Gedanken ihre Heimat durchschritt. „Man kann dort jederzeit den Horizont sehen. Kaum Menschen, sie leben fast nur an den Flüssen und wenigen Stellen, wo Wasser an die Erdoberfläche tritt. Weit und leer.“ Es ist ein wildes Land, Mensch. Es stößt eure Art von sich. Nur die, die sich nach seinem Rhythmus richten, können dort überleben. Und jene, die es tun, sind eins mit ihm. „Es besteht aus Steppe und Wüste, mehr nicht. Eine Sonne so heiß wie die Hölle, und mit einer Luft, die so trocken ist, das man glaubt, dass einem die Lunge zu Staub verbrennt. Für jemanden, der Japan mit seinen Urwäldern und Bergen kennt…stellt Euch einfach das komplette Gegenteil eurer Heimat vor!“ „Gibt es dort noch andere Dämonen?“ Bei einem Dämon so etwas wie Heimweh zu sehen, war verblüffend. Ein Mononoke mit Gefühlen? Waren sie dort ALLE so? „Hai, natürlich. Auch Geister und Götter.“ Verflucht sollen sie sein. „Und- warum seit Ihr dann hier? Was wollt ihr in Japan?“ auf einmal ließ sich die Feindseligkeit nicht mehr aus seiner Stimme verbannen. „Wir haben auf unseren Inseln genügend eigene Dämonen!! Wir benötigen keine zusätzlichen aus fremden Ländern!“ Einen Moment lang musterte sie ihn schweigend. Doch so kurzsichtig? „Sagtet Ihr es nicht gerade selbst? Wer nicht nach Wissen strebt, ist dumm. Eine große Weisheit aus Eurem Mund, wenn ich Eure Reaktion eben bedenke. Ich lebe schon seit Jahrhunderten. In meiner Heimat wird Wissen hoch geschätzt. Irgendwann…“sie zögerte. „….wird es einem zu eng. Die Welt ist so groß. Es wäre eine Schande, würde ich mein Leben nur auf ein und demselben Fleck Erde verbringen. Glaubt Ihr denn ernsthaft, dass sich das Leben eines Dämons zwangsläufig immer nur ums Töten drehen muss??“ Etwa nicht? Der Jäger sah sie ungläubig an. Ein dämonisches Wesen solcher Stärke, das um seines Vergnügens willen die ganze Welt durchquerte? Doch sie hatte getötet, hunderte Male, daran bestand für ihn kein Zweifel. Doch ihr ganzes Verhalten, diese arrogante Gelassenheit gleichzeitig mit geradezu vergnügter Neugierde zu erleben, allein die Tatsache, das ihm ein Waffenstillstand angeboten wurde, anstatt ihn Nachts unauffällig zu vernichten… als er sich die ganze Absurdität des gerade Erlebten und Gehörten verdeutlichte, rieb er sich unbewusst die Schläfen. Sein Fassungsvermögen gelangte eindeutig an seine Grenzen. Da musste ein boshafter Sinn und Hintergedanke verborgen sein. Musste. Ansonsten verstand er die Welt nicht mehr… Was sollte es? Wenn sich dieser Dämon im Moment so freundlich und offen zeigte, konnte er das auch. „Warum tut ihr das? Warum… sprecht Ihr so offen mit mir? Versteht mich nicht falsch, ich bin fasziniert, aber…“ er sah sie erschöpft an. „Warum in Kami-Samas Namen??!“ Sie sah ihn nur wieder an, jetzt eindeutig über seine Ratlosigkeit amüsiert. „Aus dem Grund, warum Dämonen immer tun, was sie gerade tun. Weil ich es möchte.“ Sie beobachtete seine unbewusste Reaktion. Sein Herzschlag hatte sich plötzlich verdoppelt. Verärgert, Mensch? „Soll ich ehrlich mit Euch sein? Weil ich schon lange mit niemandem einfach ganz normal gesprochen habe, deswegen.“ Sie hob die Schale und nahm einen tiefen Schluck. „Jedes intelligente Lebewesen hegt ab und zu den Wunsch, sich mit Anderen auszutauschen. Nichts gegen einen guten Kampf, aber das Leben besteht nicht nur daraus.“ Er presste unbewusst die Kiefer aufeinander. „Das wäre mir neu, verzeiht. Die Dämonen, die ich gesehen habe, waren immer nur darauf aus, Schaden anzurichten.“ „Vielleicht liegt das daran, dass sich auch nur solche Dämonen den Menschen absichtlich nähern? Diejenigen, die an solchen primitiven Vergnügungen kein Interesse haben, gehen einer Konfrontation in der Regel aus dem Weg. Im Übrigen besteht ein großer Unterschied zwischen einem guten Kampf und simplen `Schaden anrichten’.“ Das die meisten wirklich mächtigen Dämonen es einfach nur für unter ihrer Würde hielten, sich Krallen, Klingen und Kleidung an Kleinvieh schmutzig zu machen, verschwieg sie mit Rücksicht auf Stolz und Temperament des Jägers. Außerdem wäre dieser interessante Zeitvertreib dann mit Sicherheit beendet. Sein Blick war auch so schon hasserfüllt genug. „Ihr wollt mir also ernsthaft weismachen, dass es Youkai gibt, die nicht einfach nur zum Vergnügen töten? Den Menschen keinen Schaden zufügen wollen?“ „Hai. Sonst wärt ihr schon seit dem Augenblick des Ablegens nicht mehr am Leben.“ sagte sie schlicht. Seine Kieferknochen begannen zu mahlen, so heftig, dass er seine Zähne knirschen hörte. „Dann beantwortet mir doch bitte eine Frage: Warum töten Youkai Menschen? Wenn Ihr so großmütig und welt- erfahren seid, könnt Ihr mir doch bestimmt antworten, oder?!!“ Sie sah ihn an, lehnte sich dann genüsslich wieder gegen die Bordwand und zog ein Bein an. Für einige Sekunden fixierte sie über den Bug des Schiffes hinweg den Horizont. Betrachtete man die Sache umfassend, war das eine gute, wenn auch mutige Frage. Nur würde ihm die Antwort gefallen? „Erlaubt mir im Gegenzug eine persönliche Frage: Warum seit Ihr Dämonenjäger geworden?“ Er antwortete intuitiv. „Um Menschen zu schützen!“ „Warum ausgerechnet Tajiya? Warum nicht Samurai?“ „Weil ich dann nur für meinen Herrn gekämpft hätte. Für Politik und Macht. Ich hätte andere Menschen töten müssen.“ „Das ist aber nicht alles…“ Nun seufzte er. „Als Samurai muss man geboren sein. Ich stamme aus einem Jäger-Dorf, es ist meine Bestimmung.“ „Also einfach die falsche Familie? Das ist sicher nicht der einzige Grund.“ „lie. Nicht nur.“ Ein sarkastischer Unterton war nun nicht mehr zu überhören. „Wisst ihr, als Bauer inmitten der Wildnis ist die Bedrohung durch Youkai doch etwas direkter als durch Krieger eines feindlichen Feldherrn. Ich habe viele Freunde und Verwandte durch solche Ungeheuer verloren. Ich habe also jedes Recht, Euch zu fragen: Warum töten Dämonen Menschen?!“ Worauf wollte es hinaus? Er ließ sich von seinen Gefühlen mitreißen. Beruhige dich! Die Dämonin schwieg eine Zeit lang. Ihr Gesicht war dabei unergründlich. Schließlich nickte sie dem Jäger zu. „Dämonen töten. Menschen töten. Tiere töten ihre Beute tagtäglich. Das WARUM ist eine gute Frage. Ein Tier tötet, um seinen Hunger zu stillen. Es denkt nicht darüber nach, warum es das tut. Es gehorcht bloß seiner Natur. Dem Samurai reicht es, wenn sein Herr es ihm befiehlt. Hinterfragt er etwa seinen Herren? Und warum lässt der Feudalherr seine Truppen in ein anderes Gebiet einfallen? Lässt ganze Dörfer in Schutt und Asche legen? Und Dämonen? Einige fressen Menschen, andere wieder nicht. Einige terrorisieren förmlich ganze Landstriche. Einige schützen Fürstentümer, die einen Pakt mit ihnen eingehen. Andere weichen Menschen aus, wo sie nur können. Einige genießen es zu töten, andere tun es eben, wenn die Umstände sie dazu zwingen. Jeder tut, was er tun muss. Oder was er glaubt, tun zu müssen…“ Etwas wie Bedauern schwang in ihrer Stimme mit. „Menschen und Dämonen unterscheiden sich in diesen Dingen kaum. Jeder entscheidet nach seinen Möglichkeiten und Erwägungen. Das allgemeine DARUM gibt es nicht. Jedes Lebewesen hat sein eigenes WARUM. Doch wenn ich es für Euch zusammenfassen soll: Jeder tötet, wenn er es will und er es kann. Manche auch, weil sie es müssen. Überlebende sind diejenigen, die wissen WEN man töten kann und wie. Und wann man sich besser zurückziehen sollte.“ Es dauerte einen Moment, bis der Jäger begriff, was dieser Dämon gerade mit absolut gelassener Miene gesagt hatte. Dämonen töteten, weil sie es konnten. Weil sie es so wollten?? Und dabei sollten Menschen und Youkai GLEICH sein?? Der Mensch unterdrückte mühsam seine Erregung, beinahe überwältigt von dem Bedürfnis, diesen überheblichen Dämon einfach zu töten, dem Wunsch, dieser Bestie seine Verachtung entgegen zu schreien, sie leiden zu lassen und ihr zu zeigen, was es hieß, unterlegen zu sein. Er sah die zerstörten Dörfer, die angefressenen Toten in den Feldern, die verstümmelten Reste seiner Kameraden vor seinem inneren Auge. Unwillkürlich glitt seine Hand in den Ärmel seines Haori, umklammerte den Griff des vergifteten Dolches, gegen den noch kein Dämon hatte bestehen können. War er nah genug? Auf einmal bemerkte er den spöttischen Blick, mit dem sie ihn beobachtete. Ihre Hand lag lässig über einem Knie, aber für den Bruchteil einer Sekunde schien es ihm, als wären die Fingernägel länger und schmaler geworden, mit messerscharfen Spitzen. Sie konnte seine Wut so deutlich wittern wie er ein gutes Essen. „Warum auf einmal so zornig? Glaubt Ihr, dass es anders ist? Nutzt nicht ein jeder, der mächtiger ist als ein anderer diese Macht eines Tages aus? Werden ihm die Schwächeren nicht irgendwann gleichgültig sein? Sind es denn nicht selbst unter den Priestern und Mönchen nur sehr wenige, die sich und ihr Kräfte bis zur Selbstaufgabe in die Dienste ihrer Schutzbefohlenen stellen? Ihr seid ein ranghoher Jäger eures Clans. Nutzt nicht auch Ihr eure Befehlsgewalt über Eure Untergebenen aus? Was unterscheidet also Mensch und Youkai so grundlegend voneinander? Ist es denn nicht einzig und allein die Tatsache, dass Dämonen mächtiger sind? Ich habe Menschen, Götter und Dämonen gesehen, die aus den unterschiedlichsten Gründen getötet haben. Manche waren edel, manche nach vollziehbar, manche unsinnig, und einige benötigen gar keine. Doch so unterschiedlich sie In ihrer Art und Absicht waren und noch sind, in einem ähneln sich viele von ihnen- sie empfinden Vergnügen, wenn sie töten.“ Er schloss die Augen und atmete tief durch. Mühsam entspannte er seine Muskeln. Kein Kampf auf diesem Schiff. Es war einfach sinnlos. Die Dämonin schien es ähnlich zu sehen. An ihrer Hand waren auf einmal wieder nur normale Fingernägel. Letztendlich rührte sich niemand. Langsam beruhigte er sich wieder und nahm die Hand vom Griff des Dolches. Es war, wie es nun einmal war. Karma. Aber er hatte einen Entschluss gefasst. „Darüber kann man unterschiedliche Ansichten vertreten.“ Sagte er kalt. „Das ist bei den meisten Dingen so.“ stimmte sie friedfertig zu. „Und bei manchen sind die Standpunke wohl unveränderlich.“ Sie glitt wieder in den Kniesitz, schüttete seinen mittlerweile erkalteten Tee kurzerhand über Bord und goss neuen Cha ein. Er schaffte es, die Schale ohne Händezittern entgegen zu nehmen und höflich den Kopf zu neigen, bevor er einen Schluck nahm. Überrascht hob er die Augenbrauen. Der Tee war vorzüglich! Ein Jammer, das er die erste Schale zum Schluss verschmäht hatte! Langsam kam wieder ein Gespräch in Gang. Er lauschte ihren Schilderungen fremder Länder, sie stellte ein paar Fragen über menschliche Eigenheiten. Als die Dämmerung hereinbrach und der Kapitän den Anker warf, verstummten sie gänzlich. Es gab nichts mehr zu sagen. Schweigend sahen sie zu, wie die Sonne hinter den Bergen versank und das kleine Schiff in Schatten tauchte. Er erhob sich, als die ersten Bordlaternen angezündet wurden. „Ich danke Ihnen für Ihre Gesellschaft. Doch ich denke, ich werde mich jetzt zu meinem Platz zurück begeben.“ Sie sah ihm aufmerksam an. Sein Blick fiel auf ihre Schwerter. Er schob seine Waffen zurück in die Schärpe und strich langsam über die hölzernen Scheiden. „Bis Edo.“ Sagte er. Sie nickte knapp. Und ließ ihre Waffen, wo sie waren. Einen Augenblick lang sah er ihr in die Augen. „Ihr solltet auf die Laternen Acht geben.“ Flüsterte er. Noch einmal leuchteten ihre Augen im Licht der Lampen weiß-grün auf und er hörte sie leise lachen. Dann drehte er sich um und ging. Zwei Tage später geriet endlich der Hafen von Edo in Sicht der hitzegeplagten Passagiere. Während sich Besatzung und Passagiere auf das Einlaufen vorbereiteten, suchte der Taijiya nach der dunkelhäutigen Frau. Doch als er einen vorsichtigen Blick auf ihren Platz am Bug warf, erstarrte er. Er war leer. Mit einem wahren Panthersprung stand er am Bug und starrte auf die selbst für einen im Schwimmen geübten Menschen problemlos erreichbare Küste. Wie hatte er das nur vergessen können! ~°~ Kapitel 2: Edo -------------- Freut mich sehr, dass euch das erste Kapitel gut gefallen hat. Ich hoffe, das zweite gefällt ebenso…^^° Hier noch einmal ein paar Begriffe: Hanyou -Neutral Halbdämon, aber auch negativ Halbblut oder Bastard Miko -Priesterin Shingon -esoterische Glaubensschule innerhalb des Buddhismus Daimyo -Fürst,Feudalherr Shuriken-Wurfsterne/- Klingen Tanuki -Marderhund -san -Anrede wie "Herr" oder "Frau" sowieso, höflich -sama -SEHR höfliche Anrede! Viel Spaß! 2. Kapitel: Edo Edo hatte sie empfangen wie eine zähe Masse aus Lärm und Gestank, in der sie langsam zu versinken schien. Nach der frischen Seeluft und dem kühlen, reinen Duft des Waldes war ihr der Unterschied besonders bewusst geworden. Selbst die schwülste Luft auf See oder freiem Land war eine Wohltat in Gegensatz zu dem konzentrierten Geruch unzähliger Menschen, Tiere und Fisch. Der Hafenbezirke rochen in beinahe jedem Teil der Welt gleich. Nur feinste Nuancen verkündeten, dass man sich in einem anderen Land befand. Sie schob sich zielstrebig durch die Menschenmengen. Warum musste dieser elende Gnom überhaupt inmitten des Hafengebietes sein Quartier aufschlagen? Der einzige Vorteil bestand darin, dass er so leichter wieder zu finden war. Der Hafen wechselte seine Lage nicht so schnell, egal, wie sehr eine Stadt anwuchs. Menschenzeit verging so schnell… und mit ihnen veränderte sich auch immer ihre Umgebung. Das war eine Sache, in denen sie sich deutlich von Youkai unterschieden! Einen Augenblick lang hielt sie inne und ließ ihren Blick über die Stadt schweifen. Es HATTE sich noch etwas geändert. Menschen und Land mochten im Grunde dieselben geblieben sein, doch etwas in der Luft war neu- fremd. Und es hatte nichts mit Menschendingen zu tun. Eine Schwingung, die nur für Ihresgleichen und magisch begabte Menschen spürbar war. Sie hatte es bereits überdeutlich auf ihrer kurzen Reise entlang der Küste wahrgenommen. Sie war mit Höchstgeschwindigkeit gerannt, um genügend Abstand zwischen sich und diesen Taijiya zu bringen, um ihn nicht gleich wieder an den Fersen kleben zu haben, und um sich die ortsansässigen Youkai vom Hals zu halten. Doch selbst in dieser kurzen Zeit waren ihr unzählige dämonische Auren aufgefallen, viel, viel mehr, als gewöhnlich. Und wenn ihre Sinne sie nicht täuschten, bedeutete das nichts Gutes! So dicht an der Stadt… Es lag eine schier zerreißende Spannung in der Luft. Und die Menschen hatten sich gewappnet. Die Bannkreise, die die Stadt von der Wildnis abschirmten, waren für Menschenwerk gewaltig. Es hatte sogar sie einige Mühe gekostet, unbemerkt durch die Abschirmungen und an den zahlreichen Priestern und Mönchen vorbei zu kommen. Und auch jetzt noch spürte sie nur zu deutlich die unangenehme Energie, die von unzähligen Bannzetteln ausging, die überall in der Stadt verteilt waren. Einem schwächeren Dämon wäre diese Atmosphäre unerträglich gewesen. Nicht, dass es ihr wirklich gefährlich werden konnte, aber es war… Wie stahlharte Krallen auf glattem Schiefer jagte es ihr eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken. Und sollte sie einem dieser Zettel zu nahe kommen, würde er auf ihr Youki reagieren. Und sie hätte alle Priester des gesamten Viertels am Hals. Auf einen Kampf inmitten einer Stadt voller alarmierten Soldaten und Geistlicher verspürte sie nicht die geringste Lust. Innerlich beglückwünschte sie sich zu ihrem Entschluss, das Schiff zu verlassen und so einige Stunden vorher die Stadt zu erreichen. Nicht aus zu denken, hätte der Taijiya sie identifizieren können! Wenigstens konnte sie ihre Energie so weit unterdrücken, dass sie einen solchen Zettel schon direkt berühren musste, um eine Reaktion aus zu lösen. Und dennoch, als sie ihren Fuß auf den Strand gesetzt hatte, schon, als sie in Nagasaki das portugiesische Schiff verlassen hatte, überrollte sie das Gefühl, heimgekehrt zu sein. All die einst so vertrauten Laute und Gerüche wieder wahrzunehmen, den Klang der Sprache wieder in den Ohren zu haben… Zu Hause. Eine merkwürdige Empfindung. Sie zog sich den Strohhut tiefer ins Gesicht, um den allzu neugierigen Blicken aus zu weichen. Menschengestalt hin oder her, ihre grünen Augen und dunkle Haut waren einfach zu auffällig, um sich unbemerkt unter den hiesigen Menschen zu bewegen. Allein die übliche Diskretion und Höflichkeit hielt die Leute davon ab, sie zu dreist anzugaffen oder gar anzusprechen. Als offensichtlich ausländische, alleinreisende Frau, die zudem noch so groß war wie die meisten Männer, fiel sie auf wie der sprichwörtliche bunte Hund. Bei dem Gedanken an diesen Vergleich musste sie unwillkürlich grinsen. Wie es ihm wohl ging…? . Trotzdem, wie lästig! Sie seufzte erleichtert auf, als sie hinter den Dächern der Hütten den Wipfel des uralten Ahornbaumes entdeckte. Irgendeine glückliche Fügung hatte die Menschen wohl davon abgehalten, einen Schrein oder gar Tempel um den Baum herum zu bauen. Der mächtige Stamm erhob sich aus dem Schatten einer dunklen Seitengasse, Reste von Holzbalken und dichtes Gebüsch schützten den schmalen Durchgang vor neugierigen Blicken. Die eigentümliche, für alle Wesen deutlich spürbare Aura des Baumes sorgte dafür, dass sich kein Mensch zu nahe an ihn heranwagte. Für die Dämonin war diese abweisende Witterung wie ein warmes Willkommen. Ohne zu zögern tauchte sie in das Zwielicht von Baumkrone und Hütten ein. Sofort sank die Temperatur um einige Grade ab und der Krach reduzierte sich zu einem leisen Murmeln. Die Magie dieses Baumes und seines Bewohners war immer noch mächtig, vielleicht sogar noch mächtiger als bei ihrem letzten Treffen. Abwartend blieb sie direkt vor dem Stamm stehen und legte die Hand auf die warme Rinde. Einen Augenblick später spürte sie, wie sie ein unwiderstehlicher Sog ergriff, sie nach unten riss und der Boden sie verschlang. Sie landete einigermaßen elegant inmitten einer Staubwolke und einem Regen aus Sand und Steinen auf dem Grund der Höhle. Wütend schnaubte sie sich den Dreck aus der Nase. Das der Alte diese Spielchen immer noch nicht lassen konnte! Besagter Alte erwartete sie bereits. Auf dem runzeligen Gesicht des kleinen Youkais lag eine eigenartige Mischung aus Überraschung, Furcht- und vorsichtiger Freude! Unwillig schüttelte sie sich den Staub aus dem Kaftan. „Du hast dir immer noch keinen anderen Eingang zugelegt, Jiji?“ „Hättest du mir vorher gesagt, dass du kommst, hätte ich dir den anderen gezeigt, Shahi.“ Unbehaglich verharrte er auf seinem Wurzelsitz und sah zu ihr auf. „Du warst lange nicht hier.“ Sie sah sich um. Es hatte sich nicht viel verändert. Nur größer war es geworden, die kleinen Seitentunnel noch zahlreicher, wo er seine Flaschen, Krüge und Schriftrollen verwahrte. „Willst du mich hier stehen lassen?“ Er zuckte zusammen. „Nein, selbstverständlich nicht. Komm mit…“ er erhob sich und führte sie in einen schmalen Spalt zwischen zwei mächtigen Wurzeln. Dahinter befand sich eine weitere Kammer, im Gegensatz zu der ersten jedoch gemütlich mit Tatamis und Sitzkissen ausgestattet. Besonders kostbare Schriften und Krüge standen in Wandnischen, an einer Ecke lag ein Futon, um einiges dicker, als man es hier gewohnt war. Sie wartete höflich, bis er ihr ein Kissen zurechtrückte. „Kann ich dir etwas anbieten, Sake vielleicht?“ „Wasser. Und es riecht nach Fleisch… „ sie schnupperte genüsslich. „Was ist es?“ Der einem kleinen, verschrumpelten alten Mann ähnelnde Youkai lächelte erleichtert. Sie war offensichtlich in guter Stimmung. „Aaah, der Gestank draußen, nicht? Es ist Reh, ganz frisch und blutig, einen Augenblick…“ Schnell stellte er ihr einen kleinen Tisch auf und holte eine Platte mit einigen saftigen Flankenstücken hervor. Eigentlich hatte er das Fleisch bei einem Wiesel gegen ein paar Kräuter eintauschen wollen, aber die mussten nun eben warten. Man konnte nie wissen, wie SIE reagieren würde, wenn… Das Risiko war es nicht wert. Nachdem sie genüsslich ein paar Streifen verschlungen hatte, kam sie auch gleich zur Sache. „Was ist hier los, Jiji? Man könnte meinen, Edo wird von Youkai regelrecht belagert…“ Er seufzte. „Das trifft es vielleicht ganz gut- seit ein paar Monaten wandern immer mehr Dämonen aus ihren Revieren in den Gebieten von Musashi ab. Irgendetwas scheint ihnen fürchterliche Angst zu machen. Zwar ist dort schon seit etwa fünfzig Jahren scheinbar die Hölle los, aber in letzter Zeit wird es immer schlimmer! Seit etwa vier Wochen ist das ganze Gebiet in Bewegung… Seitdem das Shikon no Tama wieder aufgetaucht ist, herrscht dort Krieg. Wie übrigens im ganzen Land. Die Menschen scheinen seit einiger Zeit nichts anderes mehr zu können, als sich gegenseitig die Köpfe abzuschlagen. Unruhige Zeiten sind das…“ Er sah sie lauernd an. „Einige der mächtigeren Youkai werden vielleicht ganz glücklich sein, dass du wieder da bist.“ Shahi’s Blick verfinsterte sich, aber sie ging nicht darauf ein. „Das Shikon no Tama?“ Davon hatte sie gehört, früher einmal. „Wie…?“ „Oh, ich habe einige Informationen dazu, aber die sind so verrückt…“ er wedelte angewidert mit den Händen. „ Wenn du nicht viel Zeit hast, frag nicht!“ „Habe ich nicht. Weiter!“ „Es heißt, dass es durch irgendeinen Unfall zerbrochen ist und seitdem besonders zwei Gruppen auf der Jagd nach den Splittern sind. Die eine besteht aus Menschen UND Youkai, sogar einem Hanyou und der andere ist ebenfalls ein Hanyou- aber so mächtig, das selbst starke Youkai nicht gegen ihn ankommen. Am Anfang war er dafür verantwortlich, das viele Dämonen flüchteten, da er scheinbar die Fähigkeit besitzt, sie zu absorbieren- vollständig, mitsamt ihren Kräften! „ „Ein Hanyou? So mächtig?“ „Und klug und hinterlistig. Er kämpft nicht ehrlich, sondern mit List und Heimtücke. Er soll sogar Abkömmlinge erschaffen können, die er vorschickt. Und er beherrscht eine machtvolle Puppentechnik!“ „Also kein Kämpfer?“ Das behaupten manche auch noch von dir, dachte der Alte, hütete sich aber es auszusprechen. „Nur, wenn er alle Vorteile auf seiner Seite hat. Diese andere Gruppe ist aber auch nicht schwach. Und seitdem der Inu no Taisho ebenfalls auf der Jagd nach ihm ist, scheint er nach einer heftigen Auseinandersetzung verschwunden zu sein. Kurioserweise wurde es danach noch schlimmer, weil niemand mehr die niederen Dämonen unterdrückte. Das ganze Gewürm kam aus seinen Löchern hervor. Aber jetzt… Sie können nicht nach Norden, da sind die Hyoneko, der Süden ist ebenfalls geschützt und der Westen- nun, auch der Taisho weiß seine Länder zu schützen, nicht war? Also ist der einzige Ausweg der Osten. Und deswegen sind sie hier!“ „Und auch alle Priester und Taijiya im ganzen Land.“ Er nickte. „Es wundert mich selbst bei dir, dass du es geschafft hast, in die Stadt einzudringen. Sie haben die mächtigste Mikos und Mönche kommen lassen, dazu die stärksten Taijiya und es kommen immer noch mehr.“ Das hatte der Jäger also gewollt. „Gibt es keinen Daiyoukai in Musashi?“ „Nicht mehr seit Ryuukotsusei.“ Unwillkürlich fuhr sie ihre Krallen aus, beherrschte sich aber wieder. Der Alte nickte verständnisvoll. Niemand hatte gute Erinnerungen an diese Bestie, und Shahi bestimmt nicht. „Er ist übrigens tot!“ Sie starrte ihn an. „Wie…“ „Jemand hat den Bann gelöst und ihn getötet. Gerüchte sagen etwas von dem Geruch eines Hundes, aber nichts Genaues.“ Er hatte da schon so seine Vermutungen, sprach sie aber nicht aus. Einige Dinge sollte sie einfach selbst herausfinden. Sie wirkte jetzt schon gerade zu fassungslos. „Ist nicht schade um ihn… aber schon seit dem Bann gehören seine Länder den Menschen- da ja irgendjemand alle anderen potentiellen Nachfolger getötet hat, nicht wahr? Nun treibt sich dort all das Gesindel herum, das die anderen Daiyoukai nicht bei sich dulden. Bis vor kurzem zumindest. Jetzt sind sie ja hier.“ schloss er grimmig. „Die westlichen Länder?“ Er schmunzelte. „Dort ist alles recht friedlich. Vor ein paar Jahrzehnten haben es die Hyoneko unter Touran noch mal versucht, den Taisho zu besiegen, wurden aber in die Flucht geschlagen. Vor kurzem versuchten sie es noch mal und erweckten sogar ihren alten Herrn wieder zum Leben. Ist aber wieder schief gegangen.“ In seiner Stimme klang eindeutig Schadenfreude mit. Der Taisho, dachte Shahi. Sesshoumaru. Sie würde sich nie daran gewöhnen ihn so zu nennen. Inu Taisho… „Touran! Dumme, dumme Katze. Sie wird es wohl nie begreifen.“ Shahi schnaubte verächtlich. „Sie wird ebenfalls eine derjenigen sein, die sich SEHR über ein Wiedersehen freuen wird- Und sie nennen sich Pantherdämonen.“ erinnerte er sie vorsichtig. Der Blick, den er als Antwort erhielt, brachte sein Blut zum Gefrieren. Darin ähnelten sich die beiden sehr, die wilde Raubkatze und der weiße Hund… „Dafür ist mir jedes weitere Wort zu schade, Jiji.“ schnurrte Shahi, worauf hin der Alte einen großen Kloß im Hals verspürte. „Was hat Sesshoumaru überhaupt mit einem Hanyou zu schaffen? Diese Sache mit seinem Halbbruder muss ihm doch schon schwer genug im Magen liegen.“ „Gewiss. Es heißt, dass die beiden sich hassen und sich aufs Blut bekämpft haben, aber im Augenblick scheinen sie Waffenstillstand zu halten. Und dieser andere Hanyou, keine Ahnung, was der gemacht hat- Sesshoumaru wird wohl seine Gründe haben. Umsonst verschwendet er seine Energie nicht an Halbblüter.“ Shahi seufzte. „Sesshoumaru lässt Dinge nicht einfach unerledigt liegen.“ „Nein. Und deswegen, der andere Hanyou- wenn selbst Sesshoumaru es bisher nicht geschafft hat, diesen Abschaum zu töten- du solltest vorsichtig sein, wenn du in Musashi bist. Die Zeiten haben sich geändert. Und nicht nur in Edo sind die Menschen gegenüber den Dämonen dreister und stärker geworden.“ „Ich habe mit solchem Abschaum nichts zu schaffen.“ Dabei ließ sie offen, wen genau sie nun damit meinte. „Aber vielleicht er mit dir- er absorbiert Youkai!“ Er sah sie ernsthaft an, ohne seine aufrichtige Sorge verstecken zu können. „Du bist nicht gerade schwach. Dazu deine Fähigkeiten, er könnte dich als eine lohnende Beute…“ er verstummte, als er weiße Fangzähne aufblitzen sah. „Darum kümmere ich mich, wenn es soweit ist.“ sagte sie samtweich, was dem Alten endgültig alle Haare zu Berge stehen ließ. „Kongen- San…ich benötige noch einmal euer Wissen.“ Da war es wieder. All die Jahrhunderte, die er sie kannte, und noch immer wusste er nie, wie sie im nächsten Moment reagieren würde. Er kannte sie allerdings gut genug, um zu wissen, wann die Zeit für Plaudereien vorbei war. Und das es nicht ratsam war, ihre Geduld auf die Probe zu stellen, wenn sie sich dazu entschlossen hatte, keine mehr zu haben. „Stell mir die Frage!“ Sie griff in ihren Kaftan und zog eine Schriftrolle hervor. „Was weißt du darüber?“ Erst verdutzt, dann ungläubig betrachtete er die Zeichnung auf dem Pergament. Mit äußerst sorgfältigen Tusche- Strichen war dort das genaue Abbild eines Gegenstandes, wohl eines Medaillons dargestellt. Zwischen zwei geschwungenen Linien, die den alten Youkai entfernt an ein Kuhgehörn erinnerten, schien eine Scheibe eingelassen, auf der sich wiederum mehrere geometrische Formen befanden. Ein Rechteck, aus dem man zwei Teile entfernt zu haben schien, so das nun eher an eine sehr steile Treppe zu erinnerte, ein Halbkreis und darunter ein schräg gelegtes Oval. Oberhalb der Scheibe, zwischen den lang gezogenen Hörnern, lauerte eine geöffnete Vogelklaue. Die langen Krallen ließen keinen Zweifel an der Ernährungsweise des dazu gehörigen Tieres. Er erkannte die Herkunft dieses Stücks. Und es lief ihm kalt den Rücken herunter. „Suchst du den Gegenstand oder die Person, die ihn bei sich trägt?“ Die grünen Augen schienen plötzlich an Farbe zu verlieren, die Pupillen von einer weißen Linie umrandet. „Beides!“ erwiderte sie völlig ausdruckslos. Der Alte beeilte sich zu antworten. „Einige der Youkai, mit denen ich reden konnte, sprachen davon, dass sie eine fremde Aura im Landesinneren gespürt hatten. Keiner konnte sie identifizieren. Von einem solchen Gegenstand weiß ich nichts. Aber die neue Aura tauchte nur kurz vor dem Exodus der Youkai auf. Meinst du, da könnte ein Zusammenhang…“ Eine Antwort war überflüssig. Das passte einfach zu gut. Zusammen mit den Informationen, die sie im Laufe ihrer Reise gesammelt hatte und zu guter Letzt das, was der alte Baumgeist wusste… „Danke für die Informationen. War das alles? Dann…“ „Warte, ich habe da noch etwas für dich…“Er klatschte in die Hände. Er wusste nicht genau, was sie nach all der Zeit wieder nach Japan zurückgeführt hatte, aber er hatte da einen Verdacht. Und wenn er richtig lag, war es Schicksal, das er diesen Gegenstand aufgehoben hatte. Und es war an der Zeit, dass sie ihn wieder an sich nahm. Und ihn richtig einsetzen würde! Nach einigen Augenblicken kam ein Tanuki gähnend und sich streckend aus einem der Seitengänge herausgewankt. „Hai, was…“ Er erstarrte inmitten der Bewegung. Kongen schloss die Augen. DAS hatte er völlig vergessen! Shahi bleckte ihre Fangzähne zu einem breiten Grinsen. Die Zeit für ein wenig Spaß musste einfach noch sein. „Du hast diesen Trottel immer noch in deinen Diensten?“ Shahi taxierte den Marderhund gelangweilt von Kopf bis Pfote. „Scheint noch fetter geworden zu sein… Hast du ihn extra für mich gemästet?“ Dem Tanuki trat der Schweiß auf die Stirn, während ihm die Augen schier aus dem Schädel quollen. Er rührte immer noch keinen Finger. Kongen wedelte frustriert mit der Hand. „Nun steh da nicht so, sie hat schon gegessen. Und jetzt hol schon das Paket, du weißt, welches ich meine, Husch, Husch!“ Der Tanuki zuckte zusammen, als würde er aus einem Albtraum erwachen, taumelte zurück und stürzte dann Hals über Kopf davon, allerdings nicht ohne einmal den Tunnel zu verfehlen und mit solcher Wucht gegen die Höhlenwand zu prallen, das es nur so krachte. Ohne auf seine blutende Nase zu achten jagte er davon. Kongen sah Shahi strafend an. „Musst du ihn immer so erschrecken? Er ist mir mein treuster Diener.“ „Dein einziger.“ korrigierte sie nüchtern, während der Tanuki mit panischem Blick aus einem Tunnel herausgeschossen kam und im nächsten verschwand. „Ich frag mich nur, warum…?“ „Ich ihn noch nicht rausgeworfen habe?“ „… an den nächst besten Youkai verfüttert hast.“ Im Vorbeisausen gab der Tanuki ein hysterisches Wimmern von sich, bevor er sich in einen anderen Eingang stürzte. „Du solltest ihn nicht so rennen lassen, das macht das Fleisch zäh…“ Aus dem Hintergrund ertönte ein Schluchzen. „Ich bat dich darum, es zu lassen. Er ist sehr zuverlässig.“ „Im Schlafen und Fressen, da stimme ich dir zu. Er ist recht wählerisch, oder? Dann müsste er mit ein wenig Salz und deiner Gewürzmischung ganz vorzüglich…“ Ein dumpfer Aufschlag und ein ersterbendes Röcheln ließ Kongen mit den Augen rollen. „Großartig! Jetzt hast du es geschafft!“ Ungerührt schob sie sich noch ein Stück Fleisch in den Mund. „Er war schon immer ein Jammerlappen… ich kann ihn gerne für dich aufwecken gehen.“ „Bloß nicht!“ Wenn ein Youkai schon mal Sinn für Humor hatte und kein Kitsune war… „Gib ihm einen Moment…“ Für eine Minute herrschte Stille, nur unterbrochen von leisen Kaugeräuschen. „Kozo…?!?“ Keine Reaktion. „Na, großartig…“ Der Alte erhob sich ächzend und verschwand in einem der Tunnel. Ihr unberechenbares Temperament hatte sich wirklich nicht ein bisschen geändert! Als er wieder in die Kammer kam, wischte Shahi sich gerade genüsslich die letzten Spuren des Rehs aus dem Gesicht. „Und?“ „Er ist immer noch ohnmächtig. Musst du immer so auf ihm herum hacken?“ „Ja!“ Das klang verdächtig vergnügt! Er unterdrückte ein erneutes seufzen und legte das Paket vor ihr auf den Boden. „Bitte, das gehört dir.“ Ein schmaler, länglicher, von schwarzer Seide umwickelter Gegenstand. Sie erstarrte. Dann nahm sie es scheinbar gleichgültig auf und schob es unter ihren Kaftan. Er sah, wie sich ihr Blick verfinsterte, verspürte aber keine Furcht. Er wusste, dass ihr Zorn nicht ihm galt, sondern diesem Gegenstand. „Das muss fürs erste reichen Ji- san.“ Irritiert sah er, wie sie sich plötzlich erhob. „Willst du gehen? Ich meine…“ Shahi sah in das verrunzelte Gesicht. Ehrliche Enttäuschung stand in den feuchten schwarzen Augen. Er hatte sich trotz seiner Vorsicht aufrichtig gefreut, sie wieder zu sehen. Sie fühlte eine angenehme Wärme. Einen Moment lang erinnerte sie sich, wie sie zu dritt in dieser Höhle gesessen hatten und sie glücklich und wissbegierig gelauscht hatte, während sich die beiden bei einer Partie Go über die unterschiedlichsten Dinge unterhalten und gelacht hatten. Und für eine kleine Ewigkeit fühlte sie sich von der behagliche Atmosphäre dieser Höhle und den darin wohnenden Erinnerungen umhüllt und geborgen wie von einer warmen Decke. Dieses … es passte nicht hierher. Es verdarb den Frieden dieser Höhle. Warum hatte Kongen es nicht vernichtet? Was dachte er sich dabei? Es stellte die dunkelste Seite ihrer Seele, ihrer Vergangenheit dar… und es bereitete ihr fast Körperliches Unbehagen, welches die guten Erinnerungen an diesen Ort entweihte. Energisch schob sie dieses Gefühl bei Seite. „Bitte, Ji- San. Ich bin nicht zum Vergnügen zurückgekehrt und die Zeit drängt. Ihr habt meine Frage beantwortet, und nun muss ich gehen.“ Nachdenklich musterte er sie, versuchte, in ihren Augen zu lesen. Eine Sekunde lang war die undurchdringliche grüne Kälte echter Wärme gewichen, doch jetzt waren die Augen wieder hart und gaben nichts mehr preis. In Wirklichkeit wusste wohl nur eine Person, was in dieser Youkai wirklich vorging, und diese war seit 200 Jahren tot. Alter Freund, du bist wahrhaftig zu früh gestorben… Sie zog einen kleinen Krug aus dem Kaftan. „Betrachtet es als einen Tausch gegen eure Auskünfte. Es sind ausgewählte Erinnerungen aus verschiedenen Ländern. Ich denke, sie sind eure Mühen wert.“ Dann ging sie. Er betrachtete nachdenklich den Krug in seinen Händen. Sie hätte ihm nichts geben müssen… er sammelte Wissen, Erinnerungen und Erfahrungen, sie waren seine Freude, sein Lebenssinn. Wenn man so alt war wie er, was sollte man sonst mit seiner Zeit anfangen? Und Bilder aus fernen, noch nie zuvor gesehenen Ländern waren die Wertvollsten von allen. Ein Tausch? Das war ein Geschenk, die kostbarste Gabe, die er sich hätte vorstellen können. Ja, ER war zu früh gestorben. Aber der Abdruck seiner Hand auf dieser Seele würde nie mehr weichen. Es war richtig gewesen, ihr diesen Gegenstand wieder zu geben. Sie war bereit dafür. Die Frage lautete eher, war Japan bereit für die Konsequenzen? Gedankenverloren sank er mit dem Krug im Arm auf sein Kissen zurück. Er hatte die dumme Ahnung, dass ihm in naher Zukunft diese unruhigen Zeiten noch gerade zu paradiesisch friedlich vorkommen würden… Der hallende, tiefe Gongschlag der Burg von Edo verkündete die Mittagsstunde. Shahi blinzelte in die Sonne, registrierte ihre brennende Hitze. Ungewöhnlich für diese Jahreszeit. Flimmernde Luftschichten schienen sich zusammen mit der Macht der Bannkreise wie eine erstickende Decke über die Stadt zu legen, unter der sich alles sammelte, Gerüche, Furcht, Zorn, Magie, Spannung so stark, das die Atmosphäre unter ihr zu bersten schien. Shahi spürte auf einmal deutlich den Druck nahenden Unheils, gewaltig und umfassend. Hätte sie je Zweifel gehabt, so wären sie jetzt endgültig weggewischt. Sie spürte es mit jedem Atemzug, immer deutlicher. Die Suche war beendet. Sie hatte ihr Jagd- Gebiet erreicht und ihr Blut begann in ihr zu kochen. Unwillkürlich spannte sie die Hand an, so dass ihre Krallen hervortraten und sich die Sonne in ihnen fing, sie aufleuchten ließ. Bald, dachte sie, bald. Shahi atmete den Zorn und die Erregung ein und ließ sie wie einen Strom durch ihren Körper fließen, bis ihre Adern und Muskeln unter ihrer wachsenden Energie zu vibrieren begannen. Die wirkliche Jagd konnte beginnen! Vorsichtig mischte sie sich wieder unter die Leute. Edo schien trotz der Wärme keine Ruhe zu kennen, immer noch waren Gassen und Straßen voller Menschen, deren Ausdünstungen in der Hitze nicht unbedingt erträglicher wurden. Shahi lechzte danach, endlich wieder in die schattigen Wälder eintauchen zu können, weitab von Gestank und Lärm. Doch zuerst musste sie noch einen Freund abholen- der sie mit allergrößter Sicherheit schon ungeduldig erwartete. Noch einmal mitten durch dieses Getümmel- in ihr vibrierte es noch immer, die Aussicht, bald endlich wieder Jagen zu können, durch die dichten Wälder zu streifen und der Beute immer näher zu kommen machte sie regelrecht trunken. Der Aufenthalt in China, die ewig lange Überfahrt auf diesem stinkenden, verdreckten Schiff voller sexuell frustrierter Seeleute, die eine selbstbewusste, allein reisende Frau anscheinend nicht in Ruhe lassen konnten, ständig von Menschen und ihren Ausdünstungen umgeben… Sie war schon lange nicht mehr über einen solchen Zeitraum gezwungen gewesen, in dieser menschlichen Gestalt zu bleiben, und sie hatte es gründlich satt. Der Überschuss an Energie und Erregung, der sich in ihr angestaut hatte, begann ihr ernsthaft Unbehagen zu bereiten. Daran hatte auch der kleine Zwischenfall in Nagasaki nichts ändern können. Dieser schwache christliche Priester mitsamt seinem Anhang von nach Angst stinkenden Matrosen war nicht unbedingt ein nennenswerter Gegner gewesen und dadurch gänzlich ungeeignet für einen entspannenden Kampf. Ein kurzes Töten ohne Befriedigung. Langweilig, mit einem faden Beigeschmack nach verdrängten Erinnerungen. Sie spürte das Gewicht des Pakets an ihrer Hüfte. Es fühlte sich noch vertraut an- ZU vertraut für ihren Geschmack. Nur noch ein paar Stunden… Shahi seufzte und wich einem Trupp Samurai aus, die unter dem Wappen des hiesigen Daimyos die Straßen durchstreiften. Dass der Anführer sie scharf musterte, wunderte sie nicht. Schon eher, das er plötzlich mit der Hand am Schwert vor ihr stehen blieb und ihr den Weg versperrte, während die restlichen Männer sie umzingelten. Sie blieb betont ruhig, um eine Eskalation zu vermeiden und senkte unterwürfig den Kopf, doch als der Hauptmann plötzlich blank zog, reagierte ihr Instinkt. Für den Bruchteil einer Sekunde färbten sich ihre Augen hell, dann brachte sie sich mühsam wieder unter Kontrolle. Verflucht, ihre Selbstbeherrschung ließ mittlerweile ernsthaft zu wünschen übrig! Innerlich fletschte sie die Zähne. Allerdings war ihr nicht klar, auf wen sie eigentlich wütender war: auf sich oder diesen aufdringlichen Samurai! Sie verharrte unterwürfig mit gesenktem Kopf, während der Hauptmann ein paar verächtliche Worte über Ausländer im Allgemeinen und insbesondere über Barbarenfrauen zum Besten gab. Da Shahi nicht reagierte, sondern devot blieb und damit bessere Manieren bewies als er, verlor er schließlich das Interesse und marschierte weiter. Shahi blickte ihm zusammen mit einigen anderen Leuten kopfschüttelnd hinterher. Arrogant durfte ein Samurai sein- doch schlechtes Benehmen wurde niemandem verziehen- noch nicht einmal dem Tennô höchstpersönlich. Menschen…! Ihre erwachte Jagdlust und die aufpeitschende Atmosphäre brachten ihr Blut immer noch zum Kochen. Der Mensch würde nie ahnen, wie nah er dem Tod gewesen war. Shahi hätte ihn dreimal töten können, bevor er das Schwert auch nur einmal richtig geschwungen hätte. Lächerlich! Sie beschleunigte ihren Schritt. Noch ein Grund mehr, hier nur so viel Zeit wie nur unbedingt nötig zu verschwenden. Wenn sie sich nicht bald beruhigen konnte, dann… Sie unterdrückte nur mühsam ein verärgertes Knurren, als ihr der direkte Weg zu ihrem Ziel durch eine geballte Menge an spiritueller Energie versperrt wurde. Auch dass noch. Das musste ein ganzer verdammter Trupp sein, der sich dort versammelte. Frustriert schlug sie einen anderen Weg ein, der sie hoffentlich weitläufig um diese Aura herumführen würde. Langsam steigerten sich ihr Unwohlsein und ihre Anspannung zu merklichen Kopfschmerzen. Ihre Sinne begannen, unter dem Ansturm von Eindrücken und Alarmsignalen zu kapitulieren. Ihre Augen und Nase juckten, während es ihr immer schwerer fiel, ihr Youki unter Kontrolle zu halten. Die Menge an Spiritueller Kraft um sie herum zerrte zunehmend an ihrer Selbstbeherrschung. Und es wurde noch schlimmer. Die riesige helle Aura schien sich beinahe parallel zu ihr zu bewegen. Diese Bastarde marschierten vermutlich auf einer nur ein paar Häuser weiter verlaufende Straße entlang und ahnten nicht einmal, dass sie einen zunehmend entnervten Dämon langsam aber sicher um den Verstand brachten. Alles in ihr schrie danach, entweder zu fliehen oder die Ursache dieser unerträglichen Ausstrahlung zu vernichten. Sie konnte weder noch, und es zerriss sie förmlich. Ein beißender Gestank brachte sie wieder zur Besinnung. Shahi jaulte unwillkürlich gequält auf. Eine Eta- Siedlung. Sie befand sich genau vor einer Abdeckerei, wo anscheinend auch gleich Häute und Knochen weiterverarbeitet wurden. Der Aasgeruch und der Stechende Dunst der Gerbemittel mischten sich mit dem fauligen Gestank von altem Fisch und unzähligen Abfällen. Pfützen mit faulig-schlierigem Wasser standen auf dem schlammigen, aufgewühlten Boden. Ihr Magen drehte sich um, und eine Augenblick lang befürchtete sie wirklich, dass Bewusstsein zu verlieren. Das Wasser schoss ihr in die Augen und ihre Nase begann, wie Feuer zu brennen. Die Menschen beachteten sie kaum, als sie würgend vorwärts taumelte, um dieser Hölle zu entkommen. Nur weg von hier… Die Attacke traf sie mit voller Wucht, ohne das sie auch nur den Hauch einer Warnung verspürte. Unsägliche Schmerzen wüteten in jeder Faser ihres Körpers, als eine gewaltige Kraft an ihrem Youki zerrte und sie schüttelte wie einen Zweig im Wind. Shahi keuchte, als sich glühende Blitze reiner Pein durch ihren gesamten Leib zogen. Ihre Muskeln begannen, unkontrolliert zu zucken, sie erbebte am ganzen Körper. Sie brach in die Knie. Ein lang gezogener, tierischer Schrei trieb die entsetzten Menschen um sie herum in die Flucht. Ihr Brustkorb krampfte sich zusammen und sie rang verzweifelt nach Luft, schlug die Krallen in die schleimige Erde, um nicht einfach um zu fallen, während sich nun deutlich sichtbare Fesseln aus reiner Energie um sie schlangen, ihr die Kehle zuschnürten und sie von innen heraus zu verbrennen schienen. Ihre Sicht verschwamm unter einem weißen Schleier. Wieder schrie sie, ohne es verhindern zu können, das hass- und schmerzerfüllte Kreischen eines wilden Tieres. Der Stallmeister hob überrascht den Kopf, als die Pferde in den Ställen zu schreien begannen. Die Boxen erzitterten unter den Tritten der in Panik geratenden Tiere. „Was zum…“ Er sprang auf und rannte zu den Ställen. Eine Schlange, ein Feuer? Oh, Kami, alles, nur kein Feuer… Als er die Gasse zu den Ställen entlang rannte, musste er einigen in blinder Furcht fliehenden Pferden ausweichen, die sich die Halfter mit Gewalt von den Köpfen gerissen und sich den Weg frei geschlagen hatten, deren Gesichter, Brust und Beine blutüberströmt waren und nun verzweifelt nach einem Ausweg suchten. Die Stallknechte begannen nun ebenfalls zu schreien, ihre Stimmen überschlugen sich hysterisch. Das klang nicht nach Feuer! Der Stallmeister verspürte kalte Angst. Was ging da vor…? Er beschleunigte, bis ihm die Lungen zu platzen drohten. Er war ein alter Mann, gebückt und verkrümmt, aber die Furcht um seine Tiere trieb ihn voran wie einen jungen Spund. Er ignorierte die ihm entgegen rennenden Knechte, deren Gesichter nur noch von Furcht verzerrte Masken waren, rannte unbeirrt weiter- bis er vor den Stallungen wie erstarrt stehen blieb. Zwei tote Knechte lagen in einer rasch größer werdenden Blutlache vor einer leeren Box. Einer hielt noch die Reste der Schaufel in der Hand, mit der sie trotz seines Verbotes manchmal aufsässige Pferde einzuschüchtern pflegten. Ein Pferd stand inmitten der wirbelnden Panik bewegungslos auf dem Hof. Das Tier, das gestern mit dem Schiff aus Nagasaki gekommen war, dachte der Alte merkwürdig ruhig. Er erinnerte sich, beim Anblick dieses Geschöpfes regelecht in Verzückung geraten zu sein. Schlank, feingliedrig und muskulös, mit einem edlen, feinen Kopf. Er hatte an Nebel denken müssen, als es da so in der Sonne stand, das Fell hellgrau schimmernd, während der leichte Wind mit den durchscheinend weißen Strähnen von Mähne und Schweif spielte, eine flüchtige Erscheinung, unwirklich und unnahbar. Ein Tier das dem Herrn von Edo, wenn nicht sogar dem Tennô würdig war. Die Papiere sagten, dass es heute abgeholt werden sollte, und er hatte sich fest vorgenommen, nach der Möglichkeit eines Kaufes zu fragen… Er starrte es an, ohne sich rühren zu können. Es hielt den Kopf leicht gesenkt, die Augen halb geschlossen, in einer Haltung, die an ein lauerndes Raubtier erinnerte und schien zu lauschen, zu wittern, sog die Luft in kurzen, heftigen Zügen ein. Die Pferde, die noch in den Ställen gefangen waren, versuchten brüllend vor Furcht die Wände ihrer Boxen zu zertrümmern, Splitter und Fellfetzen flogen, der Geruch von Blut und Angst verbreitete sich wie eine dunkle, erstickende Wolke. Um das Tier auf dem Hof herrschte eine unwirkliche Ruhe, nur das feine Sausen eines leichten, auffrischenden Windes wirbelte Staub und Blätter auf. Sie begannen, sich in einer Art Wirbel um das Graue Pferd zu drehen. Eisige Kälte schien sich über den Hof und die Gebäude zu legen, als das Tier den Schädel hob und nochmals mit vibrierenden Nüstern witterte. Der Stallmeister verspürte einen Schauer reiner Todesangst, als er in die nun weit geöffneten Augen sah. Reine Blicklose Schwärze, leer und tief wie die Abgründe der Hölle selbst. Der Priester näherte sich vorsichtig, die Hände ineinander verschlungen, den Bann mit aller Macht aufrecht haltend. Rund um ihn herum tauchten Samurai und Taijiya aus ihrer Deckung auf, Schwerter, Ketten und Lanzen angriffsbereit erhoben. Hinter ihnen standen die Mikos und anderen Priester, den Bann mit ihren Kräften unterstützend, allen voran die Mikos aus Ise, einige mit gespannten Bögen auf den Dämon zielend, der sich in dem um ihn gezogenen Kreis in schierer Agonie wand. Vorsichtig kamen sie näher, die Waffen fest umklammert, bereit zu töten. Der Priester spürte die Wachsamkeit der obersten Abgesandten aus Ise, die gegenüber von ihm stand und deren Magie sich mit seiner einte, um den unbekannten Dämon zwischen ihnen immer weiter zu schwächen, seine Kraft zu unterdrücken, um jegliche Gefahr für die anderen Kämpfer aus zu schließen. Mit Unbehagen spürte er die immense Kraft, die sich ihm entgegen stemmte. Noch immer schien dort eine dunkelhäutige Frau vor ihm zu knien, doch blitzten bereits überlange Fangzähne in ihrem Mund auf, als sie wieder ein brüllendes Fauchen ausstieß. „Noch nicht!“ warnte ein Novize die Samurai, die sich bereits auf wenige Meter angenähert hatten. Die erfahrenen Jäger hielten sich noch vorsichtig im Hintergrund, einige griffen bereits nach Rauchbomben, vergifteten Shuriken und anderen Waffen. Ihre Instinkte warnten sie davor, sich dem Dämon zu nähern. Denn der hatte noch nicht aufgegeben. Blitze aus dunkler Energie schienen die kniende Gestalt zu umzucken, als sie versuchte, sich gegen die Macht der Angreifer zu wehren und ihre letzten Reserven an Youki aufrief. Shahi sah nichts, hörte nichts, witterte nichts mehr. Der ungeheure Schmerz betäubte ihre Sinne, unterdrückte ihr bewusstes Denken. Sie war völlig hilflos, ihre Kraftreserven schwanden rapide, während sie sich immer noch gegen den Fesselbann auflehnte. Nicht sterben. Nicht so. Nicht jetzt. Töten… Die anderen…töten… Aus den Tiefen ihres Unterbewusstseins hervor begann es zu brodeln. In ihrem Geist betrachtete sie unbeteiligt, wie sich die ungezügelte Energie gegen die Grenzen zu ihrem Bewusstsein drückte. Der letzte Rest ihres umnebelten Verstandes wog kühl die Möglichkeiten ab und traf dann die Entscheidung. Sie ergab sich dem Drängen ihres Überlebensinstinktes. Wie Magma aus dem Schacht eines Vulkans kochte Hitze, weiß- grünes Feuer in ihrem Bewusstsein empor, verschlang es und ließ die Bestie frei. Der Abt riss erschrocken die Augen auf, als er spürte, wie sich die Aura vor ihm zu verändern begann und zu wachsen schien. Sie begann sich zu verwandeln, das konnte doch nicht… Dieser Bann, noch dazu von so vielen anderen Energien unterstützt, sollte unzerstörbar sein, kein Youkai durfte in der Lage sein, sich unter seinen Fesseln zu … Sein Blick begegnete dem der Miko und er las in ihm die gleiche aufkeimende Furcht, die er auch in seinem Herzen spürte. Die Samurai wichen zurück, als die Frau den Kopf senkte und ein heiseres Grollen aus ihrer Kehle rollte. Die Energien um ihren Körper blitzen grell auf, so dass die Menschen geblendet die Augen schließen mussten. Gellende Schmerzensschreie rissen sie wieder aus ihrer Erstarrung. Statt einer Frau tobte nun die Gestalt einer Zweibeinigen, halbmenschlichen Raubkatze mit der Gewalt eines rasenden Sturmes unter den entsetzten Samurai, weiße, rasierklingenscharfe Krallen zerrissen Kehlen, durchtrennten Hälse und Gliedmaßen, zerschlugen Brustkörbe und Schädel wie überreife Früchte. Blutiger Regen verteilte sich in der Luft. Die wohlüberlegte Falle verwandelte sich in ein Schlachthaus. Der Oberste der Taijiya wechselte hastig einen Blick mit einer anderen Gruppe von Jägern, die sich bereits aufteilte, um den rasenden Dämon einzukreisen. Auf seinen Ruf hin zogen sich einige Jäger zurück, um die Geistlichen zu schützen, während sich die übrigen mit den Samurai zusammen Todesverachtend nach vorne warfen, um beinahe augenblicklich unter den Krallen des Youkai zu sterben. Der Dämon kämpfte nun völlig lautlos, das Gebiss mit den gewaltigen Fängen zu einem wilden Grinsen gefletscht, das schwarze Fell bereits stumpf vom Blut, die Kleidung zerrissen. Die zahlreichen Wunden von Schwertern, Dolchen und Wurfsternen schien er nicht mal zu spüren. Mit beiläufiger Präzision und Brutalität zerriss sie einen Mann nach dem anderen, ohne das diesen trainierten Kämpfern auch nur der Hauch einer Gegenwehr gelang. Und trotzdem warfen sich die Überlebenden immer wieder mit wütenden Kampfschreien nach vorne, die Männer des Daimyos allen voran. Dem Anführer wurde mit erschrecken bewusst, das die Samurai sich gezielt opferten, um ihm und seinen Leuten eine Chance zu geben. Verflucht sollst du sein, du Monster, sie werden nicht umsonst gestorben sein… „Die Bögen bereithalten!“ Der Abt stand immer noch wie erstarrt auf seinem Platz. Die Miko hatte sich bereits hinter die Linien ihrer Bogenschützinnen zurückgezogen, doch er konnte sich einfach nicht rühren. Gewiss, er hatte schon häufig Youkai gebannt, schwächere auch geläutert, aber noch nie hatte sich einer aus seiner geistigen Macht befreien können. Der Jäger aus Nagasaki hatte sie in seiner Nachricht vor der wahrscheinlichen Stärke und fremdartigen Eigenschaften dieses Exemplars gewarnt, nur deswegen hatte er überhaupt diese halbe Armee UND die Mikos aus Ise zugelassen. Keine ihm bekannte Dämonenart hätte sich gegen diese Übermacht wehren können, behaupten dürfen. Und doch starben die erfahrensten Jäger und die Samurai des Shoguns, zerfetzt wie Kirschblüten im Sturm, während er und die anderen machtlos waren. Das konnte, das DURFTE nicht sein… Einer der Samurai wurde genau vor seine Füße geschleudert. Mit schaudern sah er, dass dessen gesamter Leib vom Unterbauch bis zum Hals aufgerissen und zerfleischt war. Die Augen starrten leer und gebrochen zu ihm empor, eine Grimasse aus Schmerz und Todesangst. Als er den Blick hob, sah er für eine Sekunde genau in die Augen der Youkai. Jegliche Farbe schien aus ihnen gewichen zu sein, das leuchtende Grün bis auf einen schmalen Rand von weißglühendem Feuer verdrängt. Die Pupillen waren geweitet und völlig ausdruckslos. Keine Wut mehr, kein Zorn, nur … „O-bou- Sama, ihr müsst hier weg!“ Er zuckte erschrocken zusammen. Vor ihm stand der Taijiya- Führer mit gezücktem Schwert. „Die Bögen, ehrwürdiger Abt, wir müssen aus der Schusslinie…“ Der Abt sah sich verstört um. Tatsächlich hatten sich die Priesterinnen wieder in Schussposition gebracht, vor jeder kniete ein Jäger mit gezogenen Waffen. Inmitten dieses Kreises starben noch immer die Samurai, doch es waren nur noch eine Handvoll übrig. „Die Samurai, eure Männer, wir müssen…“ Der Taijiya verspürte einen kurzen, heftigen Stich in der Brust, als er den Geistlichen einfach bei Seite zerrte. „O- bou- Sama, weichen sie zurück, wird der Dämon ihnen folgen!“ Der alte Mann keuchte, als ihm der Sinn bewusst wurde. Das konnte der Mann vor ihm doch unmöglich ernst meinen… doch dessen Miene war hart und entschlossen! Er würde schießen lassen- und die Mikos? Wer würde ihnen diese Schuld abnehmen können? „Das werde ich nicht zulassen!“ Der Abt riss sich los und trat in den Kreis zurück, faltete die Hände und begann, laut zu beten. Sein Gesicht nahm dabei einen völlig abwesenden Ausdruck an- er würde den Jäger bereits nicht einmal mehr hören. Der Taijiya fluchte, wollte ihn wieder zurückreißen, wurde aber von einer Bewegung hinter ihm abgelenkt. Die anderen Mönche und Novizen hatten ihre Erstarrung abgeschüttelt und begannen nun ebenfalls, Bannsprüche aufzusagen. Ihre Stimmen wurden lauter, verwoben sich zu einem Chor, der in die nun monotonen, immer schneller vorgetragenen Formeln des Abtes mit einfiel. Auch einige der Mikos hatten ihre Bögen fallen lassen und die Hände gefaltet. Die Nackenhaare des Taijiya richteten sich auf, als er die zunehmende Energie in der Luft wie ein feines Knistern spürte. Konnten diese Shingon- Mönche tatsächlich eine solche Macht entfalten? Unwillkürlich blickte er zu der Youkai. Diese war inmitten ihrer Bewegung eingefroren. Etwas wie Verblüffung zeichnete sich auf ihren Gesicht ab, als sie versuchte, den Arm zu heben und nur ein ohnmächtiges Zucken der Muskeln zustande brachte. Ihre Augen flackerten irritiert, als sich die letzten überlebenden Männer auf einen Ruf des Taijiya hin mühsam zurückzogen. Sie fletschte wieder die Fänge und stieß ein heiseres Fauchen aus, während sich wieder eine helle Aura um sie herum aufbaute und sie erneut an jeder Regung hinderte. Der Abt spürte, wie ihm Schweißperlen über die Stirn rannen. Er hatte das Gefühl, dass ihm unter dem Druck gleich der Schädel bersten müsste. Soviel Kraft hatte er noch nie aufgebracht, nicht mal mit der Unterstützung seines gesamten Klosters. Ohne seine Schüler und die Mikos hätte er diese Anstrengung nicht für zwei Sekunden durchhalten können! Es war seine wilde Entschlossenheit, diese Menschen zu retten, die ihn vorantrieb und zu einer Macht befähigte, von deren Existenz er zuvor nicht einmal zu träumen gewagt hätte. Und sein Wille sprang auf die anderen Geistlichen über, riss sie mit sich und vereinigte ihre Kraft mit der seinen. Weiter, weiter… Sein ganzer Körper begann, unter der Beanspruchung zu zittern. Mit grimmiger Befriedigung sah er, wie der Dämon unter der Macht der Formeln erstarrte und sich die verletzten Kämpfer in Sicherheit brachten. Die oberste Miko trat zwischen den anderen hervor, einen Langbogen in der Hand. Der angelegte Pfeil leuchtete in blendender, läuternder Energie. Sie übertraf die ihrer acht noch kampfbereiten Mitstreiterinnen bei weitem. „Jetzt!“ brüllte der Taijiya. Mit einem Zischen flogen die Pfeile von der Sehne. ~°~ Kapitel 3: Dämon ---------------- Gleich vorweg: dieses Kapitel ist eventuell etwas kurz geraten, gomen. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, mit dem nächsten Kapitel mindestens bis zur Hälfte fertig zu sein, bevor ich wieder eines hochlade- und da liegt der Hase im Pfeffer! Denn weil ich in einem Anflug von entnervter Frustration das 4. Kapitel von vorne angefangen habe und auch schon wieder ein Monat rum ist und ich euch nicht länger warten lassen wollte *tief Luft holt* -hab ich meine Kapitel- Aufteilung einfach über den Haufen geschmissen und einen Kompromiss gebastelt, mit dem man hoffentlich leben kann! Das nächste wird dann hoffentlich wieder etwas länger… Trotzdem: Viel Spaß! 3. Kapitel: Dämon „Takeda Ishido-San?“ Der Jäger, der das kaum zur Ruhe gekommene Schiff in größter Eile verlassen hatte, bremste überrascht und erfreut ab. Vor ihm stand ein junger Mann, kaum 15 Jahre alt, der seiner Uniform und Rüstung nach zu urteilen zu einem Jäger- Clan gehörte und ihn offensichtlich erwartete. „Hai, der bin ich. Ihr habt meine Nachricht erhalten?“ Der junge Mann verneigte sich höflich. „Die Brieftaube erreichte unversehrt ihr Ziel und eure Nachricht wurde augenblicklich weitergeleitet. Man ist bereits dabei, euren Plan in die Tat umzusetzen. Der Dämon wurde aufgespürt und wir haben vor, ihn in eine Gegend abzudrängen, wo seine Sinne außer Kraft gesetzt werden. Eine große Gruppe erfahrener Jäger, eine Eliteeinheit von Samurai und eine Delegation mächtiger Mikos und Shingon- Mönche werden sich seiner annehmen.“ Der Jäger schloss die Hand zur Faust. Dieser geballten Macht würde selbst ein Daiyoukai nichts entgegensetzen können. Zumal rechnete er damit, dass sie abgelenkt und völlig überrascht sein würde. Arrogantes Ungeheuer! „Sie haben sich nach meinen Vorschlägen gerichtet?“ Der andere verneigte sich knapp. „Da Ihr bereits Kontakt mit dem Dämon hattet, schien es uns angebracht, Herr. Eure Warnungen vor dieser Kreatur waren ja sehr eindringlich.“ Die Miene des Jungen wurde hart. „Er wird Edo nicht lebend verlassen. Soweit es mir bekannt ist, hat es bereits begonnen. Wenn ihr dabei sein wollt, müsst ihr euch beeilen.“ Takeda setzte sich bereits wieder in Bewegung. „Das möchte ich um nichts in der Welt…“ Die Schreckensschreie der Leute um ihn herum ließen ihn aufblicken. „Bei allen Göttern…“ keuchte der Junge entsetzt. ~°~ Ein heftiger Windstoß ließ die Menschen zur Seite taumeln. Der Anführer der Taijiya zuckte irritiert zurück, als ihn etwas Feuchtes, Warmes ins Gesicht traf. Unwillkürlich blickte er zur Seite- und sah aus nächster Nähe, wie der Kopf des Abtes zwischen dolchartigen Fängen zersplitterte wie eine Porzellanvase, er selbst von dem aus dem Halsstumpf sprühenden Blut bespritzt wurde. Der Körper blieb noch eine Sekunde aufrecht stehen und sackte dann schlaff zusammen. Der Taijiya starrte wie gelähmt auf das pferdeartige Wesen, das den zermalmten Schädel des Abtes aus dem Maul fallen ließ und ihm das zu einer Raubtiergrimasse verzerrte Gesicht zuwandte. Blutiger Speichel glänzte auf den beinahe handlangen Fangzähnen, die Nüstern waren schlitzartig verengt, die Augen waren völlig schwarz, ohne Pupille, ohne Iris… Das Nichts gähnte ihm entgegen. Er schaffte es gerade einmal, den Griff seines Schwertes zu berühren, bevor ihn ein unwiderstehlicher Druck zurückwarf und meterweit davon schleuderte. Der Aufprall war so heftig, dass er ihm die Luft aus den Lungen trieb und grellweiße Sternchen vor seinen Augen tanzten. Für einen Sekunde fühlte er sich, als ob ihm alle Knochen im Leib gebrochen wären. Instinktiv versuchte er, sich aufzurichten, sank aber mit einem Aufschrei zurück. Schwärze drohte ihn zu überrollen, doch er kämpfte die drohende Ohnmacht mit aller Kraft nieder. Was bei allen Göttern der Unterwelt geschah hier gerade? Was war das für ein Wesen? Der Abt, die Miko, seine Krieger… sie hatten doch schon beinahe gesiegt, woher…? Der Anführer rang mit schierer Fassungslosigkeit und einer aufkommenden Panik. Konzentriere dich… Versuche, wieder Kontrolle über die Situation zu bekommen. Versuche, Dich wieder unter Kontrolle zu bekommen… Langsam öffnete er die Augen und blinzelte die Schleier vor seinem Sichtfeld fort. Als er wieder klar sehen konnte, erblickte er als erstes den zerteilten Körper der obersten Miko, die mit offenen Augen in den Himmel starrte. Sie war mit zwei Schwerthieben glatt in drei Stücke geschlagen worden. Entsetzt fuhr er zurück, versuchte, von ihr weg zu kommen. Er spürte, wie sich der würgende Griff der Panik wieder um sein Herz krallte, als er sich gehetzt weiter umsah. Er befand sich inmitten eines Trümmerfeldes. Die Druckwelle schien nicht nur ihn, sondern auch alle seine Männer, die Samurai und jeden der Geistlichen erfasst und in die Häuser des Viertels geworfen zu haben. Die leichten Holzhäuser hatten der Gewalt nicht standgehalten. Geborstene Balken, Überreste abgedeckter Dächer und zersplitterte Shoji- Wände lagen umher, bedeckten die Körper ihrer unglückseligen Bewohner und seiner Männer. Einige Leute waren nicht geflohen, sondern hatten sich in ihren Häusern versteckt. Er hörte das Jammern von Frauen und Kindern, das schmerzliche Stöhnen von Männern, SEINEN Männern. Dann sah er den Youkai. Er stand einfach da, zwei Kodachis locker in den krallenbewehrten Händen haltend, und ließ seinen Blick über die geschlagene Gruppe von Kämpfern wandern. Nur ein Pfeil hatte getroffen, stak in seinem Oberschenkel- der Youkai schenkte ihm keinerlei Beachtung. Das tierische Gesicht war starr, völlig emotionslos, während es die Einzelheiten der Zerstörung betrachtete wie einen seltenen Kunstgegenstand. Mit einer beiläufigen Bewegung wischte er die Klingen an der Kleidung eines Toten ab und hinterließ rote Spuren auf dem Stoff. Die Augen leuchteten immer noch in einem unheilvollen Weiß, doch nun schien sich der Youkai vollkommen unter Kontrolle zu haben. Als sich der Anführer bewegte, wandte er ihm langsam den Kopf zu. „Ich gratuliere, großer Jäger.“ Der Mensch schrak unwillkürlich zurück, als sich der eisige Blick der Youkai bis in seine Seele fraß. Die Stimme war rauh, heiser- und klang völlig unbeteiligt, als ginge es sie gar nichts an, als wäre dies hier SEIN Werk… Sie verspottete ihn! Wut schoss durch seine Adern und verdrängte Schmerz und Erschöpfung. Mühsam raffte er sich auf, zog sich mit zitternden Beinen an einem Pfosten hoch und umfasste seinen Schwertgriff. „Noch hast du uns nicht besiegt, Youkai!!“ Sie unterbrach den Blickkontakt und sah sich noch einmal um. Die Menschen, die noch am Leben waren, begannen sich langsam zu regen. Einige kämpften sich tatsächlich wieder hoch, griffen wieder nach den Resten ihrer Waffen. Die ehemaligen Bewohner der Hütten krochen ebenfalls unter den Trümmern ihrer Habe hervor, rafften ihre Kinder und Verletzten auf und versuchten, sich so schnell wie möglich in Sicherheit zu bringen. Sie kamen bemitleidenswert langsam voran. Sie blickte wieder zu dem vor Anstrengung und Wut zitternden Mann zurück. „Empfindest du ``besiegt´´ gleichbedeutend mit ``tot´´?“ Als Antwort riss er die Klinge aus der Scheide. „Solange noch Leben in mir ist, hat mich kein erbärmlicher Youkai besiegt.“ erwiderte er fest. Ihn überkam eine seltsame Ruhe, eine Art des Losgelöstseins, welches er noch nie zuvor erlebt hatte. Er würde kämpfend sterben. Die einzig richtige Art, in den Tod zu gehen. Mit einem wilden Schrei ging er in Position, hörte, wie ihn die überlebenden Kämpfer hinter ihm aufnahmen, bereit, sich der letzten Attacke zu stellen. Doch die Youkai vor ihm rührte sich immer noch nicht. Beinahe nachdenklich sah sie auf die vor Schmerz und Zorn keuchenden Männer, betrachtete jeden einzelnen von ihnen. Hinter ihr lauerte die graue Gestalt des Pferdedämons wie ein bösartiges Phantom, das halbgeöffnete Maul immer noch vor Blut triefend. Um ihn herum schien die Luft unter dem ausgestrahlten Youki in regelmäßigen Impulsen zu erbeben. Ein leichter Windhauch strich durch Haare, Kleidung und ließ die zerrissenen Fetzen der papiernen Türbespannungen knattern. Für einen Augenblick stand die Zeit still. „Wenn du es so wünschst…“ Mit einer gerade zu träge anmutenden Bewegung hob die Youkai die Kodachis auf Schulterhöhe empor. Mit einem gellenden Kampfschrei warf sich der Anführer nach vorne, das Katana zu einem tödlichen Streich erhoben. Doch noch im Vorwärtsstürmen weiteten sich seine Augen in schierem Entsetzen. Bei allen Kreisen der Hölle, was war DAS? „…Dann soll es so geschehen.“ Die Youkai hatte die Klingen der Kurzschwerter flach übereinander gelegt, bis sie sich beinahe berührten. Nun begann die Luft zwischen den Schwertern zu flimmern, zu vibrieren. Die Vibration breitete sich aus, erfasste die Klingen selber und ließ deren Umrisse verschwimmen. Eine ungeheure Hitze ging von ihnen aus, die bereits die Gesichter der Jäger berührte und das wahre Potential dieser Energie ankündigte. Über die Klingen hinweg bohrte sich der Blick der Youkai in die Augen des noch immer angreifenden Menschen. Ein undeutbarer Ausdruck lag darin. So unnötig… Mit deutlicher Anstrengung riss sie die Schwerter seitlich auseinander. Mit einem schrillen Kreischen explodierte die gewaltige Energie als eine sichelförmige Wand aus brodelnder Hitze. Sie wälzte sich in rasender Geschwindigkeit vorwärts, erfasste die Jäger und ließ sie augenblicklich aufflammen und zu Asche zerfallen. Sie wuchs weiter, überrollte die Trümmer der Häuser und die Leichen von Jägern, Samurai und Geistlichen, verwandelte sie in Sekundenbruchteilen in glimmende Haufen schwarzen Staubs. Keine Feuerwalze, keine sichtbare Glut, nur eine Front flirrender, wabernder Schatten, beinahe unsichtbar- bis sie auf einen Gegenstand traf und ihn verglühen ließ wie Papier auf einer Feuerstelle. Sie erstickte die Schreie der Menschen, leckte nach den um ihr Leben rennenden Flüchtlingen, entzündete Haare und Kleidung, türmte sich zu einer haushohen Mauer auf - um schließlich lautlos in sich zusammen zu sinken. Zischend flossen die letzten Ausläufer über den Boden, entzündeten weitere Häuser und Fuhrwerke um dann letztlich mit einem leisen Heulen zu verebben. In Flammen stehende Menschen warfen sich augenblicklich zu Boden, wälzten sich im Schlamm und erstickten das Feuer an ihren Körpern, hasteten ungeachtet ihrer Schmerzen weiter. Hinter ihnen schlugen immer höhere Flammen aus den noch von den Ausläufern erfassten Häusern, sie griffen erst langsam, dann immer schneller um sich. Shahi ließ die Schwerter sinken. Vor ihr erstreckte sich eine Schneise der völligen Zerstörung. Die Attacke hatte alles, was auf ihrem Weg lag, einfach eingeebnet. Verzogene, metallische Überreste von Schwertern und Lanzen ragten aus dem Staub, vereinzelte Knochen, Überbleibsel der Rüstungen der Jäger. Noch glimmende Reste massiver Balken. Sonst nichts. Die dröhnende Stille um sie herum wurde durch das immer lauter werdende Prasseln der Flammen durchbrochen. Es roch nach brennendem Holz und Fleisch. Es reizte sogar ihre bereits völlig betäubte Nase. Sie spürte eine Bewegung und lehnte sich dankbar an den grauen Körper hinter ihr. Wenn er nicht rechtzeitig gekommen wäre… Sie sah unwillig zu dem Pfeil hinunter, der sich fast durch ihren gesamten Oberschenkel gebohrt hatte. Statt Schmerz fühlte sie nur einen dumpfen Druck, als steckte ihr Bein zwischen zwei gewaltigen Klammern fest. Doch der feine Dampf, der von der Wunde aufstieg verhieß nichts Gutes. Wenn sie nicht in derselben Sekunde, in dem der Bann gebrochen war, senkrecht nach oben gesprungen wäre, hätten die Pfeile der Priesterinnen vielleicht ihr Ende bedeutet. Sie hatte sich nach einer Möglichkeit gesehnt, ihre überschüssige Energie los zu werden? Fast wäre es zum Lachen gewesen… Sie blickte zu den brennenden Häusern. Das Feuer breitete sich in den eng bebauten Gassen schnell aus, fand in den fast ausschließlich aus Papier und Holz gebauten Gebäuden nur zu gute Nahrung. Sie hörte, wie mit einem Gong Alarm geschlagen wurde und die Leute hastig mit den Löscharbeiten begannen Der Nachhall des Zusammenpralles von heller und dunkler Energie lag wie ein immer wieder erklingendes Echo in der Luft. Was an Jägern und Geistlichen noch am Leben war, hatte sich mit absoluter Sicherheit schon auf den Weg hierher gemacht. Shahi stand reglos da, sah den Flammen zu, wie sie weiter um sich griffen und das Eta- Viertel in Rauch und Asche verwandelten. Erstickender Qualm sank zu Boden und umhüllte sie und das Pferde- Wesen. Glühende Stücke von Holz und anderen Dingen begannen, aus den Rauchwolken herab zu regnen. Zeit zu verschwinden. Doch eines gab es noch… Sie wartete. Takeda hetzte rücksichtslos durch die sich ihm entgegendrängenden Menschenmengen. Vor ihm färbte sich der Himmel schwarz und rot, dicke Rauchwolken stiegen auf. Die dämonische Aura war wie ein Leuchtsignal aufgeflammt und dann wieder erloschen. Hatten sie es geschafft? Hatten sie den Youkai besiegen können? War das Feuer vielleicht nur durch die Auswirkungen des Kampfes entstanden? Ja, das war es sicherlich. Das MUSSTE einfach der Grund sein. Die Alternative verdrängte er wild entschlossen. Der Dämon war tot, und das Feuer würde man auch wieder löschen können, wie man es immer tat… Er ignorierte die warnende Stimme in seinem Bauch. Und auch die andere, mächtige Aura, die deutlich spürbar pulsierte, nicht ansatzweise verborgen wurde. „Gleich dort hinter der Gasse…“ keuchte der Junge atemlos, er hatte dem Tempo des Älteren kaum folgen können. Als sie um die Ecke bogen, verwurzelten sie im Boden. Fassungslos und starr vor Entsetzen standen sie vor dem Inferno. Der Junge würgte, als ihm der Gestank in die Lunge drang, unfähig, dem Schock stand zu halten. Das konnte niemand überlebt haben. Takeda rang nach Luft. „Oh, ihr Götter…NEIN!“ Der Junge neben ihm begann am ganzen Körper zu zittern. „Mein Clan, mein Vater- was ist geschehen? Herr, ihr sagtet…“ Er begann zu schluchzen. Takeda stolperte vorwärts. Er war wie betäubt, erstarrt. Das konnte, durfte nicht wahr sein. Irgendwo in dieser Hölle musste der Körper des Dämons zu finden sein. Musste. Das durfte er einfach nicht überlebt haben… „Taijiya…“ Takeda fuhr herum. NEIN! Schrie er innerlich, brachte aber keinen Ton über die Lippen. Er spürte, wie sein Herzschlag aussetzte. Direkt vor ihm schälten sich die Umrisse einer Gestalt aus dem Qualm. Ihre Augen waren weiß, nur noch ein schmaler, irisierend- grüner Rand um die Augäpfel sprühte kaltes Feuer. Sie trug noch immer die Kleidung vom Schiff, auch wenn sie jetzt zerfetzt und von Blut und Schmutz verfärbt war. Langsam kam sie auf ihn zu, mit lautlosen, geschmeidigen Schritten, unbeeindruckt von den zahlreichen Verwundungen und dem Pfeil in ihrem Bein. Ohne Eile kam sie näher, ihn mit ihren Augen fixierend. Er war außerstande, den Blick abzuwenden. Er wusste nicht, was er eigentlich erwartet hatte, wenn er sie in ihrer wahren Gestalt sehen würde, verzerrte Gesichtszüge, ein riesenhaftes Tier vielleicht - ein noch funktionierender Teil seines Verstandes analysierte nüchtern, was für einer Art Dämon er sich gegenüber fand. Er starrte in das Gesicht einer Raubkatze, das nichts mehr Menschliches an sich hatte. Schwarzes, seidiges Fell überzog ihren Körper. Ein langer, muskulöser Schwanz ragte unter dem wehenden Umhang hervor. An den Fingern blitzten dünne, sichelförmige Krallen auf. Bei einem japanischen Youkai wäre er nun von einem eher schwächeren Exemplar, vielleicht sogar nur von einem Hanyou ausgegangen- doch die entfaltete Kraft schloss dies völlig aus. Nur ein mächtiger, vollwertiger Dämon konnte derartige Verwüstungen anrichten, sich gegen so viel heilige Kraft behaupten. Was war sie? Welche Bestie hatte er da entfesselt? Das konnte, das durfte nicht geschehen sein, das war unmöglich… Ein Tier auf zwei Beinen, nichts weiter ist sie, eine elende Katze, die man mit einem guten Lanzenwurf erledigt und deren Fell man zur Verzierung seiner Rüstung nimmt… Hinter ihr riss der Vorhang aus Rauch auf und enthüllte das ganze Grauen. Takeda verspürte ein Brennen in der Brust, als ob es ihn jeden Augenblick zerreißen würde. Rissige, aufgesprungene Erde, als hätte dieser Boden noch niemals die Berührung von Wasser erfahren. Staub wirbelte hoch, vermischte sich mit dem beißenden Rauch der Feuer. Aus einem der Aschehügel ragte ein verkohlter Oberschenkelknochen empor- wie die Überreste der Barbaren in Nagasaki. Er sank in die Knie, ohne es wirklich zu bemerken. Sie waren tot. Sie waren auf seine Nachricht hin losgezogen, hatten nach seinem Plan gehandelt… Mit einem Ächzen sackte er vornüber, fiel auf alle Viere. Die Youkai war unmittelbar vor ihm stehen geblieben und sah auf ihn herunter. Er starrte an ihr vorbei, mit leerem Blick auf die vernichteten Menschen gerichtet. Sie roch die Tränen, die ihm über das Gesicht strömten. Ihre Witterung, so süß, alle anderen Gerüche überdeckend, wie Balsam in ihrer geschundenen Lunge… Er registrierte verschwommen, wie sie sich neben ihm in die Hocke niederließ, neugierig den Kopf schief legte. Etwas wie ein feines Lächeln umspielte die animalischen Züge, als sie sich vorbeugte und ihm zärtlich die Tränen aus dem Gesicht wischte. Takeda schauderte, als er das weiche, glatte Fell an seiner Wange spürte. Seine Glieder waren wie gelähmt, völlig kraftlos. Seine Hand lag dicht neben seinem Dolch, nur eine kleine Bewegung, und er könnte sich den Kopf dieses Monsters holen, ihren Kadaver über den Gräbern ihrer Opfer verbrennen. Nur eine kleine Bewegung… Sein Körper, seine Seele waren so starr und gefroren wie ein Teich im Winter. Er keuchte, vor Wut, Schmerz und Verzweiflung. Ihre Kralle strich über seine Stirn, seine Schläfe, zart wie eine Feder, als sie sich noch weiter zu ihm beugte und ihren Mund dich neben sein Ohr brachte. Ihre Stimme war so warm und weich wie ein milder Windhauch im Frühling. „Ihr habt versagt, Taijiya…“ flüsterte sie. Es traf ihn mit grausamer Wucht mitten ins Herz. Er war unfähig zu schreien, zu kämpfen, irgendetwas zu tun… er konnte nur reglos verharren, diesem Untier in die Augen starren und hassen, hassen… Sie wich langsam zurück und erhob sich mit einer fließend- anmutigen Bewegung. Wortlos trat sie zu den Überresten des Taijiya- Anführers und zog die verschmorten Reste eines Wakizashi aus der Asche. Als sie es von der verkohlten Scheide befreite, schimmerte die Schneide noch immer im Schein des Feuers. Mit einer beiläufigen Bewegung warf sie es Takeda vor die Füße. Er hob langsam den Kopf, starrte die verächtlich funkelnden weiß- grünen Augen. Sein Unterkiefer zitterte. Was sollte das? Was wollte sie noch von ihm? Noch immer lag dieses leichte, feine Lächeln auf ihrem Gesicht, doch ihr lodernder Blick schien ihn zu versengen, als sie ihn ein letztes Mal musterte. „Du bist es noch nicht einmal wert, dass man dich tötet.“ Immer noch auf den Knien liegend, das Kurzschwert vor sich, starrte er ihr nach, wie sie im Rauch verschwand. Versagt… Die Klinge glänzte verlockend. ~°~ Kapitel 4: Erschöpft -------------------- Leider wieder etwas kurz geraten- und auch etwas ruhiger…^^° Hm, Shahi ist tatsächlich nicht unbedingt die Sanftmut in Person. Aber wie ihr schon erkannt habt, hätte sie von sich aus keinen Kampf angefangen. Man erntet, was man gesäht hat… das haben die Menschen jetzt auf die harte Tour lernen müssen. Aber auch Shahi kommt nicht ganz so ungeschoren davon, wie es vielleicht aussieht. Und nun haben auch endlich Inuyasha und seine Freunde ihren ersten Auftritt und ich kann mit ruhigem Gewissen von einer Inuyasha- FF sprechen…°^^* Begriffe: Neko- Youkai - Katzendämon Houshi - Buddhistischer Mönch mittleren Ranges Kitsune - Fuchsdämon/- Geist Youki - Dämon. Energie Hiraikotsu - beinahe Mannshoher Bumerang aus Youkaiknochen, Sangos Waffe Osuwari - „Sitz!“ Baka - Idiot Gomen - Entschuldigung 4. Kapitel: Erschöpft Einen Tag später und einige Tagesreisen entfernt lachte eine strahlende Nachmittags- Sonne auf ein ganz anderes Bild herunter. Ein warmer Wind strich über eine weitläufige, mit Blumen übersäte Wiese, auf der es sich eine kleine, ungewöhnliche Gemeinschaft gemütlich gemacht hatte und sich genüsslich der wohlverdienten und dringend benötigten Erholung hingab. Langsam ziehende Wolken warfen lichte Schatten und tauchten das wogende Gras in einen verzaubernden Wechsel aus leuchtendem Grün und sanftem Dunkel. Vögel sangen, irgendwo in dem klaren, blauen Himmel ertönte der helle Ruf eines Falken. Die Landschaft verströmte Frieden und eine träge Heiterkeit, der Duft des kommenden Sommers lag schwer und süß in der Luft. Es hätte perfekt sein können, wenn da nicht… Shippou öffnete unwillig ein Auge. Auf seinem Bauch maunzte Kirara ungehalten. Konnten die nicht einmal Ruhe geben? „Kannst du mir verraten, was an dieser Schule wichtiger sein soll als das Juwel? Wieso willst du denn schon wieder zurück- HE, BLEIB GEFÄLLIGST STEHEN!!“ „Wieso sollte ich? Du hörst ja eh nicht zu, du IDIOT!!“ „Immer die selbe Leier.“ murmelte Miroku, ohne sich zu rühren. „Warum sollte ich? Du erzählst doch immer nur den gleichen blöden Mist von wegen Prüfungen und Tests. Wie soll uns dieser bescheuerte Kram gegen Naraku helfen, häh?“ „Wir suchen die Gegend jetzt seit einer geschlagenen Woche ab. Wir sind kreuz und quer durch das Land gehetzt, sind vorher schon bald einen Monat lang umher und beinahe bis ins Gebirge gewandert. Ich habe auch noch ein Zuhause, und das würde ich gerne ab und zu mal wieder sehen- Verdammt, solange habe ich fast noch nie an einem Stück in der Schule gefehlt! Außerdem will ich auch mal meine Familie wieder sehen, DU HOLZKOPF!!“ Sango kuschelte sich noch etwas fester ins weiche Gras. Das leise Rauschen, wenn der laue Wind durch die Halme streifte, das verstohlene Rascheln von Insekten und das fröhliche Zwitschern von Vögeln in den Ohren, die Wärme der Sonne im Gesicht… „Das Juwel ist wichtiger, du dumme Kuh!“ „Lass mich endlich in Ruhe. Jedes Mal machst du dasselbe Theater! BAKA! Geh mir bloß aus dem Weg!“ „Sie werden immer zärtlicher mit ihren Bezeichnungen, meint Ihr nicht auch, Sango?“ Die Dämonenjägerin seufzte resigniert. Konnten sie nicht mal einen Tag einfach entspannen, die Sonne genießen und ihre wunden Füße kühlen? War ein Tag Ruhe etwa zuviel verlangt? „Das könnte dir wohl so passen! Dann verschwindest du doch einfach wieder für eine Ewigkeit. Und was machen wir dann so lange?!“ „Wie wär’s mal mit ausruhen?“ Der Mönch hatte sich nun doch aufgerichtet. Ignorieren brachte nichts, das zeigte einfach die Erfahrung. „Das hätten wir alle bitter nötig- und du auch, Inuyasha!“ Der Hanyou drehte ihm vor Wut schnaubend das Gesicht zu. „BLÖDSINN!! Ich muss mich nicht ausruhen. Und wir haben nicht die geringste Spur von diesem Mistkerl!“ „EBEN!“ brüllte Kagome, vor Zorn mittlerweile hochrot im Gesicht. Inuyasha fuhr wieder herum, den silberweißen Pony angriffslustig gesträubt, die Ohren flach an den Kopf gelegt. „GENAU, EBEN!! Wie kannst du auch nur daran denken, jetzt zurück zugehen?! Nicht auszudenken, was dieser… dieser SCHEIßKERL in der Zwischenzeit anstellen könnte, während du unsere Zeit in dieser Schule verplemperst!“ Kagome schwoll an wie ein zu schnell aufgeblasener Luftballon. Miroku ließ sich entnervt zurückfallen. Wie immer brachte es auch nichts, sich da einzumischen. Dabei waren es noch gut zwei Tagesmärsche bis zum Brunnen. Und das würde nun die ganze Zeit so gehen… Miroku überdachte ernsthaft den Einsatz von Bannzetteln. Es wäre sicherlich weniger anstrengend, einen gelähmten, stummen Hanyou zu tragen, als sich die nächsten Tage dieses Gezeter und Geschrei anzuhören… Sango bedachte währenddessen Hiraikotsu mit liebevollen Blicken, sich mit dem Houshi gedanklich auf ganz ähnlicher Ebene bewegend. Shippou hatte sich auf die Seite gedreht, noch immer den Neko- Youkai in den Armen. Beide betrachteten aus halbgeschlossenen Augen einen großen, braunen Käfer, der sich Kopfüber unter einem gebogenen Grashalm entlang hangelte. „Inuyasha… OSUWARI!!“ Der Käfer verlor den Halt und plumpste auf den Rücken, wo er mit wild umherrudernden Beinen liegen blieb. Eine Weile sah der Kitsune den verzweifelten Bemühungen des Insekts zu, dann drehte er ihn vorsichtig wieder um. „OSUWARI, OSUWARI, OSUWARI, OSUWARIIII!!!“ Erschrocken stob ein Schwarm Vögel aus dem nahe gelegenen Gesträuch auf und ein Hase ergriff hastig die Flucht. Etwas weiter entfernt schlossen ein paar Bauern ergeben die Augen. Die Götter sandten die Erdbeben, wie es ihnen gefiel. Hoffentlich würden sie sich diesmal mit diesen noch verhältnismäßig leichten Erschütterungen begnügen… Der Vorsteher entschloss sich, dem Schrein mal wieder einen Besuch abzustatten. Wer weiß, was noch passieren würde, sollte er seine Gebete weiter vernachlässigen. Kagome stapfte wutschnaubend an dem Krater vorbei, den der Hanyou in den Boden gedrückt hatte. „Du bist so ein IDIOT!“ Inuyasha antwortete nicht. Konnte er auch gar nicht. Er hatte zu viel Erde im Mund. Miroku rückte etwas zur Seite, als Kagome sich grollend neben ihn auf den Boden fallen ließ. „Manchmal könnte ich ihn wirklich…“ Der Houshi seufzte ergeben. „Regt euch nicht auf, Kagome- Sama. Hattet Ihr etwa eine andere Reaktion erwartet? Warum musstet ihr überhaupt erwähnen, das ihr in eure Zeit zurückkehren wollt?“ Das Mädchen betrachtete unglücklich ihre Schuhspitzen. „Es ist mir so rausgerutscht. Gomen, jetzt benimmt er sich wieder absolut unmöglich!“ Aus den Tiefen des Erdlochs heraus ertönte ein protestierendes Knurren. Es wurde ganz allgemein ignoriert. Es würde noch eine Weile dauern, bis sich der Bann löste und sich der Hanyou von dieser heftigen Attacke erholt haben würde. So lange würden sie einfach die Ruhe genießen. „Ich glaube nicht, dass Ihr euch für seine schlechten Manieren entschuldigen müsst. Es wäre ausgesprochen ungewöhnlich, würde er sich anders verhalten.“ Erwiderte Miroku. Er hatte ihr keine Vorwürfe machen wollen. „Und eine Ruhepause können wir alle nur zu gut gebrauchen.“ Er warf einen Blick zu dem Krater und wurde etwas lauter. „UND DAMIT MEINE ICH UNS ALLE!!!“ Sango klopfte bezeichnend auf ihren Bumerang. „Der Meinung bin ich ebenso. Und ich bin durchaus bereit, sie mit allen Mitteln durchzusetzen.“ Kagome musste unwillkürlich schmunzeln. Naraku war immer noch wie vom Erdboden verschluckt. Die Spuren, denen sie gefolgt waren, hatten sie bis weit in den Norden geführt, fast bis in das Herrschaftsgebiet der Hyoneko hinein. Zwar hatte Touran Inuyasha und Sesshoumaru nach dem Kampf gegen den wiedererweckten Herrscher der Pantherdämonen eigentlich ein Friedensversprechen gemacht, aber man traute dem Braten nicht so ganz und war demzufolge äußerst froh gewesen, das Ende der Geruchsspur kurz vor den Grenzen erreicht zu haben. Leider stellte sich „Naraku“ lediglich als ein weiterer entflohener Abkömmling heraus, für dessen Beseitigung Inuyasha noch nicht mal sein Kaze no Kizu benötigte. Die erste Vermutung, dass der tückische Hanyou sie wieder einmal in eine Falle gelockt haben könnte, verwarfen sie wieder, als keine direkten Folgen zu spüren waren. Wahrscheinlicher war, dass sie schlicht einem Zufall zum Opfer gefallen waren, oder dass Naraku sie einfach an der Nase herum geführt hatte. Ein Spielchen, nur dafür gedacht, sie zu ermüden und zu zermürben. Vermutlich lachte sich Naraku gerade halb tot über diesen gelungenen Spaß. Kagome schnaubte unwillkürlich. Die Spur hatte sie durch die unwegsamsten Landstriche weit und breit geführt und jeder Youkai in weitem Umkreis hatte sich auf sie gestürzt. Keiner von denen hatte der Gruppe wirklich gefährlich werden können, die Attacken hatten jedoch den vermuteten Zweck, sie nicht zur Ruhe kommen zu lassen, hervorragend erfüllt. Und es waren doch ungewöhnlich viele gewesen! Sie alle hassten es, wenn dieser Hanyou sie immer und immer wieder austrickste. Mittlerweile regten sie sich allerdings kaum noch darüber auf. Sie hatten stillschweigend beschlossen, dass sie diesem Mistkerl damit zuviel der Ehre antaten. Eines jedoch hatte ihr Gegner wirklich erreicht. Sie waren müde. Unglaublich müde. Und sie waren mit den Nerven am Ende. Zwei Wochen in die eine, zwei Wochen in die andere Richtung… und zu guter Letzt noch dieser Schlenker, weil sie geglaubt hatte, einen Juwelensplitter zu spüren. Das Ganze als frustrierend zu bezeichnen, war die Untertreibung des Jahrhunderts! Kagome vermisste ihr weiches Bett und ihre Badewanne beinahe schmerzlich. Wieder einmal zur Schule gehen können, mit ihren Freundinnen gemeinsam Essen gehen, lästern, lachen- all diese ganz stinknormalen Tätigkeiten, denen eine gewöhnliche fünfzehnjährige üblicherweise nachging. Einfach mal für ein paar Tage Naraku, die Jagd nach den Juwelensplittern und diesen ganzen Wahnsinn verdrängen können… Nur ein paar Tage, bevor ein gewisser cholerischer Hanyou wieder mit dem Getöse und der Zerstörungskraft eines Tornados durch den Schrein toben würde.. Kagome ließ den Kopf ächzend auf die Knie fallen. Nur ein paar Tage… War das denn zu viel verlangt? Anscheinend schon. Miroku musterte sie mitfühlend. Er spürte ebenfalls jeden einzelnen seiner Knochen mehr als nachdrücklich. Und auch er war mit seiner Geduld am Ende. Inuyasha war unausstehlich geworden, seitdem sich auch noch die Spur mit dem Juwelensplitter als kalt herausgestellt hatte. Und als dann gestern noch diese junge Schönheit aufgetaucht war und von dieser Gegend und dem Frieden hier geschwärmt hatte, war das Tagesziel eigentlich schon eine beschlossene Sache gewesen. Sie waren von einem Bauern äußerst gastfreundlich aufgenommen worden, waren aber nun, aus welchem Grund auch immer, beinahe müder als zuvor. Vielleicht das gute Essen, mutmaßte der Houshi. Oder dieser vorzügliche Sake, den der freundliche Alte aus seinem Vorrat hervorgezaubert hatte. Und die Tochter erst… Reflexartig rieb er sich den Hinterkopf. Sango handhabte diesen Riesenbumerang, als wäre er ein Kinderspielzeug. Er hatte wie immer gar nicht so schnell reagieren können, wie sie ihm das Ding über den Kopf gezogen hatte. Dabei hatte er doch nur SEHR aufmerksam den Erzählungen von den merkwürdigen Geschehnissen hier und den verschwundenen Youkai gelauscht. Was konnte er dafür, wenn sich das Mädchen dabei so nah an ihn heranwagte, das er einfach in ihren Ausschnitt starren MUSSTE? Über ihnen zogen strahlend weiße Wolken lautlos dahin, wattig und weich wie cremiger Schaum. Ein Schmetterling setzte sich auf Sangos Fußspitze und faltete langsam seine Schwingen zusammen. Dieses Bild gab für Miroku den Ausschlag. Egal, was Inuyasha dazu sagen würde- und welche Mittel er würde anwenden müssen, um diesen Hitzkopf ruhig zu stellen. „Wenn ihr nichts dagegen habt, schlage ich vor, dass wir heute nicht mehr weiter reisen. Die Gegend ist friedlich und es gibt ein Gewässer in der Nähe. Wir sollten den Rest des Tages ausruhen und morgen mit neuen Kräften weiterziehen. Es sind nur noch mindestens zwei Tage bis zum Dorf. Und es hat keinen Sinn, sich über Dinge aufzuregen, an denen wir nichts ändern können. Wir sollten die Gelegenheit nutzen. Wer weiß, wann sie sich uns wieder bietet.“ Ein erstickter Wutschrei erklang hinter ihnen, man hörte das Scharren von Krallen auf fester Erde. Kagome drehte sich nicht einmal um. „OSUWARI!! - Ich glaube nicht, das einer von uns etwas dagegen hätte, Miroku- sama.“ Shippou streckte sich, gähnte und zeigte dabei seine kleinen Fangzähne. „Ausruhen. Das fänd’ ich toll. Bin soo müde…“ Kirara machte einen Schmusebuckel und schmiegte sich an Sango, um sich dort gleich wieder genüsslich zusammen zu rollen und demonstrativ die Augen zu schließen. Der Schmetterling ließ sich nicht stören. Sango kraulte der Neko- Youkai zärtlich den Nacken. „Ich wäre ebenfalls einverstanden, Houshi- Sama. In diesem Zustand sind wir eh zu nichts zu gebrauchen.“ Miroku schloss zufrieden die Augen. „Dann wäre es entschieden. Und, Inuyasha… wenn wir noch EINEN Ton von dir hören sollten, vergesse ich mich!!“ „Wir sollten allerdings nicht gleich hier bleiben.“ Sango nickte zu dem ausgedehnten Wald hinüber, der sich nicht weit entfernt an die offene Graslandschaft anschloss. „Wir brauchen schließlich Feuerholz. Und außerdem finden wir dort vielleicht noch eine kleine Beilage für Abendbrot und Frühstück.“ Kagome stimmte erleichtert zu. „Eine Nacht in einem friedlichen Wald ist das Beste, wenn wir schon unter freiem Himmel schlafen müssen. Ich kann hier wirklich weit und breit kein Youki spüren, auch nicht aus der Richtung des Waldes.“ Sie seufzte. „Es ist wirklich so unglaublich friedlich hier. Wir werden noch früh genug wieder auf Youkai treffen. Wir sollten das einfach genießen.“ Inuyasha spuckte Erde aus und grollte. Das konnte doch echt nicht wahr sein… Wutentbrannt stemmte er die Klauen in den Boden und riss mit einem Ruck seinen Kopf hoch. „Sagt mal, das kann doch nicht euer Ernst…“ Er wich hastig Hiraikotsu aus, der sich mit beängstigender Wucht genau in den Fleck Gras bohrte, auf dem er gerade noch gestanden hatte. Dann sah er sich einem wahren Hagel aus Bannzetteln gegenüber. Allen konnte er einfach nicht ausweichen. ~~ Unbemerkt von der nun aufbrechenden Gruppe hockte eine kleine Gestalt unter einem Busch und wischte sich einmal mehr den Angstschweiß von der Stirn. Den Göttern sei’s gedankt, es hatte geklappt! Mit einem mulmigen Gefühl sah er zu, wie sie den gelähmten Halbdämon auf die Feuerkatze luden. Die waren ja fürchterlich brutal! Allein schon gestern, wie die Taijiya dem Houshi ihre Waffe über den Schädel gezogen hatte! Gingen die etwa immer so miteinander um? Was taten sie dann bloß erst mit ihren Feinden? Glücklicherweise hatte er noch die magischen Kräuter gehabt, die ihnen halfen, ihr Youki zu überdecken. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn…Das war das letzte Mal, dass er seinem Vetter einen Gefallen tat, das schwor er sich. Sollte der seinen fetten Hintern das nächste Mal selbst aus seinem gemütlichen Baum und aus der Stadt hervor bewegen, anstatt ihn und seine Familie da mit hinein zu ziehen. Und ihm noch nicht mal zu sagen, WARUM er sie aufhalten und in diesen Wald locken sollte… Der Tanuki wartete, bis sie weit genug weg waren und hüpfte dann auf allen Vieren davon. Wenigstens war das Saufgelage mit dem Mönch ganz amüsant gewesen. Aber den Sake würde er sich ersetzten lassen. Dafür würde sein lieber Verwandter bluten! ~°~ Langsam versank der glühende Sonnenball hinter den westlichen Bergen. Ihre Strahlen tauchten den Himmel und die Wipfel der Bäume in blutiges Rot. Immer länger werdende Schatten krochen über die Lichtung, hüllten sie in weiches Dämmerlicht. Eine Krähe saß auf dem höchsten Ast eines schlanken Ginko- Baumes und genoss die letzten wärmenden Strahlen, blinzelte zufrieden, als sie sich wohlig aufplusterte und den Staub und Schmutz des Tages aus ihrem Gefieder schüttelte. Ein scharfer Schmerzenslaut ließ sie erschrocken aufflattern. Shahi unterdrückte einen weiteren Aufschrei, als die scharfen Fänge erneut versuchten, den Pfeil aus ihrem Fleisch frei zu beißen. Der Gestank von verschmorendem Fell und Haut lag in der Luft. „Samûn…“ Sie sank aufatmend zurück, als der Pferde-Dämon seinen Griff mit einem frustrierten Knurren löste und den Kopf hastig von ihrer Wunde zurückzog. Noch immer konnte sie es kaum fassen. In ihren kühnsten Träumen hätte sie sich nicht vorstellen können, dass Menschen jemals dazu in der Lage sein würden, ihr derartige Schmerzen zu zufügen. Seit sie auf dieser Lichtung gestrandet waren, hatte sich ihr Zustand kontinuierlich verschlimmert. Was zwar ziemlich schmerzlich, aber noch relativ harmlos begonnen hatte, war ganz allmählich und schleichend zu einer lebensbedrohlichen Situation geworden. Ihr gesamtes Fühlen bestand aus brennender Qual, die selbst den Fesselbann des Abtes aus Edo beinahe übertraf. Sie konnte nicht einmal mehr schreien, ihr fehlte einfach die Kraft dazu. Die Schmerzen nahmen ihr den Atem, umklammerten ihren Verstand und ließen sie langsam in lähmender Agonie versinken. Von dem Pfeil ausgehend durchzogen Heißglühende Adern aus sengender Pein ihren Körper. Die Haut um die Eintrittswunde herum war angeschwollen und hatte sich schwarzrot verfärbt, offene Risse und Krusten ausgebildet. Es knisterte und zischte leise, immer noch stieg dieser feine Qualm aus der Wunde auf. Die heilige Kraft des Geschosses hatte nicht nachgelassen, es verbrannte sie förmlich von innen, sog förmlich das Youki aus ihr heraus. Und je weniger sie noch entgegen zusetzten hatte, desto höllischer brannte der Pfeil. Shahi keuchte, als sie versuchte, sich etwas an dem Stamm herauf zu schieben, den Oberkörper aufzurichten. Sie hatte das verdammte Ding nicht einmal unmittelbar nach dem Kampf aus ihrem Bein herausziehen können. Diese Miko war sehr mächtig gewesen, und ihre Macht wirkte noch über ihren Tod hinaus. Aber das war es nicht alleine! Der Fesselbann, ihre eigene Youki- Attacke und vor allem der gewaltsame Durchbruch der Bannkreise um Edo hatte sie und den Pferde- Dämon zuviel ihrer Energie gekostet. Samûn hatte nicht nur sich, sondern auch sie vor der immensen Macht der Barriere schützen müssen, Shahi selbst hatte einfach nicht mehr genügend Kraft dazu gehabt. Der Aufeinanderprall der beiden Energien und die darauf folgende Druckwelle hatte sie beide beinahe zerrissen und nochmals großen Schaden an dem nahe liegenden Teil der Stadt verursacht. Die Bewohner von Edo würden den gestrigen Tag so schnell wohl nicht vergessen. Shahi schloss gequält die Augen. Gestern? Es war bald zweifelhaft, ob sie überhaupt noch lang genug leben würde, um das alles zu vergessen. Der Pfeil läuterte sie nicht nur quälend langsam, sondern machte es ihr auch unmöglich, ihre anderen Verletzungen zu heilen. Noch immer floss Blut aus den unzähligen Wunden auf Armen, Beinen, am Hals und Körper, hatte eine dunkle, zähflüssige Lache um sie herum gebildet. Ihre Kleidung hatte sich bereits voll gesogen, das Blut war teilweise geronnen und getrocknet, machte den Stoff steif und kratzig, verklebte ihr Fell zu stacheligen Borsten. Der penetrante Gestank malträtierte ihre immer noch angegriffene Nase und überdeckte alle anderen Witterungen, selbst Samûn entfernte sich von ihr, wenn er ihre Umgebung prüfte. Samûn. Er hätte es nicht tun müssen, sie nicht schützen müssen. Diese zusätzliche Belastung hatte selbst ihn beinahe überfordert. Und sogar jetzt noch setzte er seine Energie ein, um ihrer beiden Auren zu unterdrücken und sie vor Entdeckung zu schützen, anstatt sich zurück zu ziehen und sich auf seine Regeneration zu konzentrieren. Shahi verdankte ihm ihr Leben. Nur war es sehr ungewiss, ob sie diese Schuld jemals würde begleichen können. Sie machte sich keine Illusionen über ihre Situation. Die Menschen würden die Toten und die Zerstörungen nicht auf sich beruhen lassen. Shahi wusste nicht wirklich, wie weit sie von der Stadt entfernt gewesen waren, als Samûn die Kräfte endgültig verlassen hatten. Aber es konnte nicht allzu weit gewesen sein… wenn sie bedachte, wie lange sie schon hilflos hier herum lag, mussten die Jäger sie bald eingeholt haben. Denn das man sie verfolgen würde, stand außer Frage. So kurz vor dem Ziel… Eine erneute Schmerzwelle ließ sie aufstöhnen. Sofort stand der Pferde- Dämon wieder bei ihr, näherte sich dem Pfeil. Er schien bereit, es noch mal zu versuchen. Die Dämonin blickte auf sein Maul, sah die hässlichen, schwärenden Brandwunden auf seinen Lippen. Sie mussten auch ihm heftige Schmerzen bereiten. Müde schüttelte sie den Kopf. Es reichte, wenn dieser verfluchte Pfeil einen von ihnen verunstalten würde. Und Samûns Bemühungen würden wieder vergeblich sein. Solange der Pfeil noch voller läuternder Kraft war, würde kein Youkai in der Lage sein, auch nur das verbrannte Fleisch um ihn herum zu berühren, geschweige denn, ihn heraus zu ziehen. Und sollte er in ihrem Bein stecken bleiben, würde er sie töten, sie den nächsten Morgen bereits nicht mehr erleben. Shahi blickte erschöpft nach Westen. Gerade verschwand die Sonne endgültig hinter den Bergen. Die Gipfel leuchteten auf wie lodernde Glut. Wie der Schein eines riesigen Feuers. Wie der eines brennenden Schlosses vor zweihundert Jahren… Sie konnte noch nicht sterben. Nicht, bevor sie diese eine Schuld beglichen hatte- völlig gleich, was sie es kosten würde! Mühsam griff sie nach ihren Schwertern, zog eines aus der Scheide. Nachdenklich betrachtete sie die silbrig glänzende Schneide. Zwei weitere Meisterwerke, Toutousai... Ein Windhauch trieb ein welkes Blatt vorüber. Mit einer sanften, geradezu vorsichtigen Bewegung brachte Shahi die Klinge vor das Blatt, beobachtete verträumt, wie es sauber und glatt von der Waffe gespalten wurde, tänzelnd weiterflog, ohne seine Bahn zu verändern. Sie fühlte den dunklen Blick Samûns auf ihrer Seele. Seine Trauer umspülte sie wie eine warme Woge, als er verstand. Shahi erwiderte seinen Blick. „Du wirst mich wohl häufiger tragen müssen, mein Freund…“ Seufzend atmete er aus. Die einzige Möglichkeit, ihr Leben zu retten… Er trat näher, stellte sich neben sie, um notfalls ihr Bein fixieren zu können. Shahi betrachtete noch einmal mit dumpfer Wut ihr verletztes Bein. Zur Hölle mit diesen verfluchten, dummen Kreaturen!! Hätte sie doch die gesamte elende Stadt dem Erdboden gleichgemacht! Wilder, urtümlicher Zorn stieg in ihr auf, verdrängte die Schmerzen, als sie die Klinge mit der rechten Hand über den Kopf hob, um sie mit letzter Kraft durch ihren Oberschenkel zu schlagen. ~°~ Und? *schwitz* Inu und Co.’s erster Auftritt. Hab ich sie getroffen? *Ängstlich dreinschau* Man will die Charaktere ja möglichst so darstellen, wie man sie kennt und liebt. Ich hoffe, es ist mir einigermaßen gelungen. Mordsmäßiges Lampenfieber hab ich ja vor SEINEM Auftritt…!!! (Denke, ihr ahnt schon, wen ich meine…Das ist auch der Grund, warum eben so viele Seiten in die Tonne gewandert sind!!! ^^° Diese Aktion ist auch der Grund, weswegen hier schon wieder ein Cliffhanger steht- das was so echt nicht geplant, Indianerehrenwort!!) Und noch eine Frage zum Schluss: Mögt ihr lieber etwas kürzere Kapitel, dafür aber in einigermaßen regelmäßigen Monatsabständen (und dann wohl oder übel auch mit weiteren Cliffhangern), oder lieber längere- die dann aber auch noch länger auf sich warten lassen? Leider kann ich nicht so locker von der Hand runterschreiben, ich feile ständig daran rum und muss auch noch in der Stimmung dazu sein- außerdem wäre da noch die Arbeit, Haushalt etc usw…die ganzen großen und kleinen Probleme des Alltags><* Deswegen zieht sich das leider immer etwas hin, und ich wüsste gerne, was euch lieber ist- dann richte ich mich da nach euch. Noch mal vielen Dank für eure wahnsinnig lieben Kommentare und eure Geduld! Carcajou Kapitel 5: Miko --------------- Damit ihr nicht völlig die Lust verliert, werf ich mein Reserve- Kapitel auf den Tisch... Und hoffe, das euch die zeit nicht allzu lang geworden ist. Vor allem, weil- aber dazu später mehr. Vokabeln gibt es erstmal keine, hab schon alle Fremdwörter aufgeführt, die mir so eingefallen sind. Mal sehen, wie es dem Kätzchen so ergeht...^^ 5. Kapitel: Miko ~°~ Die gewaltigen Pranken erstickten das Knacken der brechenden Zweige unter ihren Sohlen, während Bäume und Sträucher scheinbar wie von selbst vor dem massigen Körper auseinander wichen. Völlig lautlos drang das Wesen in den Schatten des Waldes ein, verschmolz mit dem Zwielicht der Dämmerung und den Schatten der Stämme zu einem gestaltlosen, dunklen Schemen. Ohne zu zögern glitt es durch das Unterholz immer tiefer in den stillen Wald hinein. Es war hungrig. Ungeheuer hungrig. Die Youkai, die ihm hatten entkommen können, waren geflohen, hatten ihre angestammten Territorien verlassen. Seine Beute war fort, sein Jagdgebiet leer, ebenso wie sein Magen. Fressen… Das Fleisch und die Energie seiner Opfer wieder in sich hineinschlingen zu können… Die Erinnerung an den Geruch von frischem Blut lag intensiv und verlockend in seinen Nüstern, weckte die Gier in ihm, seine Zähne in lebendes Fleisch zu schlagen, Knochen zwischen seinen Kiefern bersten zu fühlen, den Geschmack von Blut wieder auf der Zunge zu spüren… Noch trug ihm der Wind keine Witterung zu, wehte nicht aus der Richtung, in der es seine Beute vermutete. Aber das war auch nicht nötig. Es wusste, wo es suchen musste. ~°~ „Shippou- Chan, meinst du nicht, dass wir langsam genug Essen gesammelt haben?“ Kagome sah über ihren Holzstapel hinweg belustigt auf den kleinen Kitsune herunter, der mit seiner ausgestopften Kleidung mittlerweile mehr einem kleinen Bären ähnelte als einem Fuchs. Er hatte alles, was er an Beeren, Pilzen und anderen essbaren Früchten gefunden hatte in seinen Yukata gestopft und trug seine Beute mit wichtiger Miene vor sich her. „Aber das ist doch noch lange nicht genug! Was, wenn wir bis Kaedes Dorf nichts mehr finden? Stell dir nur mal vor, wir müssten bis dahin hungern! Ich sorge nur für uns alle vor. Einer muss sich doch um alles kümmern!“ Er war überglücklich darüber, das Miroku ausdrücklich IHM den Auftrag erteilt hatte, sich um das leibliche Wohl der Gruppe zu kümmern, während Kagome lediglich zum Brennholzsammeln eingeteilt war. Das Sango und Kirara losgegangen waren, um ein wenig auf die Jagd zu gehen, zählte im Moment nicht. Shippou erfüllte seine wichtige Aufgabe mit Begeisterung und der Ernsthaftigkeit eines jungen Samurai, der seinen ersten richtigen Auftrag erhalten hatte. Kagome schmunzelte und rückte das Holz auf ihren Armen zurecht. „Dann sollten wir die anderen nicht länger warten lassen, oder?“ Ihr Lächeln verbreiterte sich, als der Kleine den Rücken durchdrückte und mit erhobenem Kinn vor ihr her marschierte. Die Bäume warfen bereits lange Schatten, gerade begann die Sonne hinter den Bergen zu versinken. Kagome freute sich auf den Abend. Nachdem sie den Wald erreicht hatten, waren sie auch ziemlich schnell über eine geradezu perfekte Lagerstelle gestolpert, gut geschützt unter einer riesigen Zeder, der Boden Knöchelhoch mit trockenem Laub und weichen Nadeln von Vorjahr bedeckt. Nur einige Meter weiter sprudelte eine kleine kristallklare Quelle aus dem Boden hervor. Es war fast zu schön, um wahr zu sein…. Dieser Wald bot Nahrung im Überfluss, einen geradezu fürstlichen Lagerplatz und schien immer noch so völlig friedlich zu sein! Sie würden heute Abend ein üppiges Mahl genießen können, gemütlich, entspannt, inmitten dieser wunderschönen, sie willkommen heißenden Umgebung… …Wenn da nicht diese eine kleine Sache wäre! „Meinst du, Miroku hat Inuyasha schon befreit?“ Shippou hatte sich umgedreht und blickte treuherzig zu Kagome auf. Sie lächelte grimmig. „Nur wenn er völlig lebensmüde ist. Er wird damit schön warten, bis wir alle wieder zurück sind! Außerdem hätten wir das dann garantiert auch schon gehört. “ Frieden konnte ja so relativ sein. Was half es, wenn die Landschaft frei von Unruhe war, wenn sie den Ärger selbst mitbrachten? Dabei hatte sie sich solche Mühe gegeben, diese blöde Geschichte zumindest für den Augenblick zu verdrängen. Miroku war im Lager bei dem immer noch gebannten Inuyasha geblieben. Mittlerweile schien der Houshi seine vielleicht doch etwas übertriebene Reaktion zu bereuen. Jedenfalls würden sie es alle sehr bereuen, sobald sie den Hanyou aus seiner mehr als unglücklichen Lage befreit hätten- und diese Gewissheit hatte den Mönch bisher auch davon abgehalten, die Bannzettel wieder zu entfernen. Als sie und Sango das Lager verlassen hatten, war Miroku wie ein Tier im Käfig auf und ab gelaufen, den gelähmten und sprachlosen Inuyasha nicht aus den Augen lassend, welcher wiederum den Houshi mit Zornsprühenden Blicken bedachte, die in ihrer Wirkung selbst dem tödlich- eisigen Ausdruck seines großen Bruders in keinster Weise nachstanden. Nein, Miroku würde es bestimmt nicht wagen, ohne das sie und Sango anwesend wären. Er war eindeutig zu weit gegangen. Aber war es nicht eigentlich Inuyashas eigene Schuld gewesen? Konnte sich Inuyasha nicht einmal ein bisschen in die anderen der Gruppe einfühlen? Sie waren schließlich alle erschöpft und entnervt gewesen. Ihr Blick verfinsterte sich. Warum konnte sich dieser Idiot denn nicht einmal ein bisschen zurückhalten? Er war schließlich nicht der einzige, der unter dem ganzen Stress zu leiden hatte! Musste er ihnen denn das bisschen Ruhe seit über einem Monat madig machen?! So weit würde es noch kommen, dass sie sich ein schlechtes Gewissen einreden lassen würde! „Baka!“ flüsterte Kagome unwillkürlich. Sie konnte sich sehr gut vorstellen, was passieren würde, wenn Miroku den Bann aufheben würde. Inuyasha würde hochgehen wie eine Rakete, wütend herumbrüllen und zetern wie ein Rohrspatz. Danach würde er wutschnaubend davon stapfen und die Nacht schmollend auf einem etwas weiter entfernten Baum verbringen. Eine heftige Explosion und danach Ruhe! Besser jedenfalls als permanentes Nörgeln und Motzen, beschloss Kagome. Augen zu und durch! Unmittelbar darauf schloss sie die Augen tatsächlich. Wem wollte sie hier eigentlich was vor machen? Sie waren fies gewesen. Auch, wenn es diesmal auf Mirokus Kappe ging, sie alle hatten es geduldet und waren also auch mit schuldig. Ihr schlechtes Gewissen lies sich nicht verleugnen und erst recht nicht zum Schweigen bringen. Ihn auf den Boden zu schicken oder in gewissen Situationen K.O. zu schlagen war eine Sache. Ihn so zu bannen, irgendwie eine ganz andere… Inuyasha hatte jeden Grund, stocksauer auf sie alle zu sein! Sie alle wussten doch, wie er war. Und anstatt zu versuchen, ihn irgendwie aufzuheitern und zu beruhigen, hatten sie noch Öl ins Feuer gegossen. Kagome nahm sich vor, sich in der nächsten Zeit besonders um ihn zu bemühen. Also mindestens die doppelte Menge an Ramen und Chips mitbringen… Doch dafür würde sie zuerst wieder in ihre Zeit zurückkehren müssen. Was Inuyasha wiederum auf die Palme treiben würde. Sie seufzte. Abgrundtief. Sie würde Miroku bitten, den Bann aufrecht zu erhalten. Am Besten noch mindestens vier Tage… Auf einmal spürte sie, wie eine kleine Hand an ihrem Rock zupfte. „Kagome…?“ Kagome bemühte sich, den Stapel Holz vor einem Einsturz und für sich selbst Ruhe zu bewahren, als sie so plötzlich aus ihren Gedanken gerissen wurde. „Was ist denn, Shippou- Chan? So schlimm wird es schon nicht werden, und wir müssen auf jeden Fall zum Lagerplatz zurück, oder?“ Shippou schien verstört. „Aber das meine ich nicht… Ich kann Blut riechen. Das ist sogar ziemlich viel Blut, glaube ich…“ Kagome lies prompt das Holz fallen. „Blut? Wie…“ Sie war augenblicklich hellwach. Wenn Shippou es riechen konnte, musste es ziemlich nah und wahrscheinlich auch tatsächlich eine größere Menge sein. Der Geruchssinn des Kitsune- Kindes war nicht annähernd so gut wie der von Inuyasha. Kagome konzentrierte sich für einen Augenblick. Aber außer dem schwachen Youki ihres Begleiters konnte sie nichts wahrnehmen. Also kein Dämon. Dann musste irgendwo ein verletzter Mensch liegen! Wie konnte das sein? Sie hatten doch weit und breit nichts wahrnehmen können- vielleicht Banditen? Keine Youkai, dafür menschliche Ungeheuer? Davon gab es ja auch noch eine ganze Menge… Soviel zu diesem Ach-so-friedlichen Wald! knurrte sie innerlich. „Woher kommt der Geruch?“ Shippou war entsetzt. „Du willst da doch nicht alleine hingehen? Du hast doch keine Ahnung, was uns da erwartet!“ Kagome beglückwünschte sich innerlich dazu, soviel Verbandzeug mitgenommen zu haben, das sie sogar jetzt noch zumindest das Nötigste dabei hatte. Den Rucksack hatte sie sich zusammen mit ihrem Bogen und den Pfeilen auf den Rücken geladen, um ihn mit Holz voll packen zu können. Jetzt flog das mühsam gesammelte Brennmaterial in alle Richtungen, während sie ihren Verbandskasten frei grub. Außerdem wäre sie ohne den Ballast schneller. „Willst du den ganzen Weg zurücklaufen und die anderen suchen? Wenn dort ein Mensch schwer verletzt liegt, ist es vielleicht schon zu spät. Wir sehen vorsichtig nach- dann kannst du ja immer noch die anderen holen, okay? Also, wo?“ Sie zuckten unwillkürlich zusammen, als sie schwach einen gepressten Schmerzensschrei hörten. Shippou wollte erneut zu einem Protest ansetzten, verstummte aber nach einem Blick in Kagomes entschlossenes Gesicht. Inuyasha wird mich umbringen…dachte Shippou unwillkürlich. Aber irgendwie war der Gesichtsausdruck Kagomes gerade um einiges Angsteinflößender als die Vorstellung von einem wütenden Hanyou! Er zeigte mit dem Finger in die entsprechende Richtung. Im nächsten Moment starrte er auf Kagomes Rücken, während sie bereits aus Leibeskräften in die angezeigte Richtung rannte. „WARTE AUF MICH!“ ~~ „Da…vorne, gleich hinter diesen Bäumen muss es sein…“ Shippou klammerte sich unwillkürlich an Kagomes Kleidung, als sich das Mädchen vorsichtig der Lichtung näherte. Sie legte demonstrativ den Finger auf ihren Mund, Shippou nickte hastig. Dabei hatte er schon geflüstert. Der Kitsune schwitzte Blut und Wasser, während sich Kagome duckte und vorsichtig einige Zweige zur Seite schob, um einen Blick auf die Lichtung riskieren zu können. Sie wollte helfen, aber nicht Hals über Kopf in eine völlig unbekannte Situation hineinplatzen. Wer wusste schon, was einen in diesem Jahrhundert an der nächsten Ecke erwarten konnte? Sie konnte sich zwar mit ihrem Bogen ganz gut verteidigen, aber im Zweifelsfalle alleine gegen eine Horde Räuber anzutreten, das traute sie sich dann doch nicht zu. Da würden ihr ihre Miko- Kräfte nicht unbedingt Hilfreich sein… Unendlich langsam schob sie den Kopf an die entstandene Lücke heran. Shippou versuchte, sein wie wild klopfendes Herz zu ignorieren. Sie sahen ja schließlich erst einmal nur nach! Und wenn da draußen irgendwelche merkwürdigen Gestalten herumlaufen würden, wäre Kagome auf jeden Fall so vernünftig, sich erst einmal zurück zu ziehen und die Anderen zu benachrichtigen! Schließlich war Kagome besonnen und würde niemals so unüberlegt handeln wie es Inuyasha immer tat… „NEIIIN, NICHT!!!“ Mit einem Aufschrei schleuderte Kagome den entsetzten Fuchs von sich und sprang mit einem Riesensatz auf die Lichtung. Das Schwert fuhr mit seinem singenden Geräusch herunter und grub sich über die gesamte Breite der Klinge hinweg in eine knorrige Wurzel hinein. Ein wildes, zischendes Fauchen, die kaum wahrnehmbare, blitzschnelle Bewegung eines großen Körpers, dann ein heiseres, drohendes Grollen. Stille. Shippou befreite sich mühsam aus den dichten Zweigen des Strauches, der seinen Sturz abgefangen hatte. Murrend zog er einige Zweige aus seinem dichten Schopf, klopfte sich den Schmutz von der Hose und hob schließlich den Kopf, um seiner Empörung über diese völlig unangebrachte Behandlung Luft zu verschaffen. „Kagome…“ Er verstummte. Kagomes instinktive Reaktion hatte sie mit einigen langen Sätzen beinahe den gegenüberliegenden Waldrand erreichen lassen. Nun stand sie wie eingefroren völlig frei und ohne Deckung in dem hohen Gras der Lichtung. Für einen Moment schien es, als ob die Welt erschrocken die Luft anhielt. Der Dämon stand unter einer mächtigen Zeder, fixierte Kagome regungslos. Das schwindende Licht der Sonne warf einen warmen, rosigen Schimmer auf das hellgraue Fell, schien über seinen Körper zu fließen, ihn zu umschmeicheln und zu liebkosen, betonte jeden Muskel, jede Linie in dem feinen Gesicht. Sanft wehten Mähne und Schweif in dem leichten Luftzug der Dämmerung, weich und fließend wie feinste Seide. Für eine Sekunde verlor sich Kagome in diesem Bild, vergaß, was sie gesehen, was sie auf die Lichtung getrieben hatte, war wie gebannt von diesem Anblick. Wie schön… Sie sah seine Fänge, die unnatürlich schwarzen Augen, die Raubtierartige, lauernde Haltung des Körpers… wären sie nicht gewesen, hätte Kagome geglaubt, einem Sagenwesen wie einem Einhorn gegenüberzustehen, eine flüchtige Erscheinung, unwirklich, ungreifbar… Wie unglaublich schön. Dann zersplitterte der Zauber des Augenblicks wie ein berstender Spiegel. Etwas wie ein gewaltiger Hieb gegen ihren Brustkorb trieb ihr plötzlich alle Luft aus den Lungen. Angst. Kagome erschauerte, als sich der Pferde- Dämon mit einem langsamen, gleitenden Schritt nach vorne bewegte und wie zu einem nahezu irren Grinsen die Fangzähne bleckte, Hals und Kopf wie eine angreifende Viper flach vorgestreckt. Fiebrige Angriffslust, eine absolut tödliche Bedrohung gingen in beinahe sichtbaren Wellen von ihm aus. Ihr gesamtes Empfinden zog sich schlagartig zu reiner, blinder, alles überflutender Panik zusammen. Schiere Todesangst legte sich wie eine eisige, lähmende Klammer um ihre Glieder, grub sich in ihren Verstand und löschte jeden klaren Gedanken. Regungslos starrte sie dem Dämon entgegen, der nun geduckt, mit langsamen, fließend- leichten Bewegungen auf sie zukam, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen. Die Schwarze Leere in diesen Augen zog sie in sich hinein. Alles in ihr schrie danach, zu rennen, um ihr Leben zu laufen, in instinktiver, kopfloser Flucht davon zu stürmen wie ein kleines Tier vor dem Räuber, doch sie war unfähig, auch nur einen Finger zu rühren. Ein letzter funktionierender Rest ihres Verstandes fragte sich, warum ein Dämon auf einmal ein solches betäubendes Entsetzen in ihr auslösen konnte, warum machte sie nicht einmal den Versuch, nach ihrem Bogen zu greifen? Ihre Kräfte zu nutzen? Warum…? Wie konnte das möglich sein? Sie hörte ihr eigenes, stoßartiges Keuchen, als sie verzweifelt um Atem rang, vergeblich versuchte, diese sie bis ins Mark erschütternde, unbeschreibliche Furcht abzuschütteln. oOo Auch Shippou war außerstande gewesen, auch nur einen Finger zu rühren, wie gelähmt von dem, was sich nur wenige Meter vor ihm abspielte. Als der Youkai sich in Bewegung setzte, zuckte er zusammen. Die Aggression des Pferde-Dämons rollte wie eine Druckwelle über die Lichtung, drückte das Gras nieder und dröhnte im Brustkorb des Kitsune wie der Schlag einer riesigenTaiko- Trommel. Unwillkürlich taumelte Shippou einige Schritte zurück. Noch immer fühlte er nichts außer einer ungezügelten Emotion, die in ihrer Intensität fast greifbar, einfach unerträglich war… Als Antwort empfand er eine Angst, die ihn beinahe überwältigte. Am ganzen Körper schlotternd starrte auf die Dolchartigen Fangzähnen, die sich drohend auf das Mädchen zuschoben. Verzweiflung durchfuhr ihn wie eine glühende Klaue, als das grässliche Maul immer näher an das Gesicht der jungen Miko herankam. Dieser Dämon würde Kagome töten…und ihn als Nachtisch gleich dazu. Ein Ruck durchfuhr Shippou, als Kagome hörbar nach Luft schnappte. Zur Hölle mit dieser Angst! Inuyasha und die anderen waren weit weg. ER war der Einzige, der Kagome jetzt noch beschützen konnte! Er konnte Kagome jetzt nicht im Stich lassen! Er musste sie beschützen! Also blieb nur Kämpfen. Youkai gegen Youkai! Mit einem verzweifelten Schrei warf sich der Kitsune nach vorne, raste wie ein roter Irrwisch durch das hohe Gras sprang mit ausgebreiteten Armen und vor Furcht gesträubten Schwanz vor Kagomes Beine, stellte sich zwischen das Mädchen und den Dämon. Wild entschlossen straffte er seinen Rücken, holte tief Luft und richtete sich auf, seinem Gegner fest in die Augen sehend. „Wenn du ihr was tun willst, dann musst du erst an mir vorbei!!“ Der Youkai reagierte nicht. Ein kaum hörbares, tiefes Knurren ertönte und ließ die Luft spürbar erzittern, als er sich weiter unaufhaltsam näher schob, den Kitsune völlig ignorierend, den Blick immer noch starr auf Kagome gerichtet. Shippous Zähne klapperten so heftig, das er kaum ein Wort heraus bekam. „N…Nicht… bitte…sie ..ich…wir wollten doch nur…“ Er sank rücklings gegen Kagomes Beine, sein Puls dröhnte ihm in den Ohren. Noch immer stand sie starr wie eine Salzsäule, die Augen seltsam leer und weit aufgerissen. Dieser Anblick jagte Shippou mehr Entsetzen ein, als es der grausamste Dämon je gekonnt hätte! Warum wehrte sich Kagome nicht? Warum lief sie nicht wenigstens weg?? Wieso schaffte sie es nicht, sich aus dieser Starre aus Todesangst zu befreien? Und warum blieb so was eigentlich immer an ihm hängen? Shippou konnte den heißen Atem des Youkai auf seinem Scheitel spüren. oOo Kagome verspürte ein Würgen in der Kehle. Inuyasha, hilf mir…Bitte… Der schlanke, silbergraue Schädel war nur noch eine Armlänge von ihrem Gesicht entfernt, sie hätte ihn berühren, über das schimmernde Fell streichen können- wenn sie nur in der Lage gewesen wäre, sich zu bewegen! Sie fühlte, wie sich Magen und Lunge zu einem eisigen Klumpen zusammenkrampften und sich ein klägliches Würgen durch ihre Kehle quetschte. Mit einem gierigen Laut zog der Dämon die Lefzen zurück, entblößte seine Fänge bis auf den Kiefer. Kagome sah den Speichel auf ihnen glänzen- und ihr Körper unterwarf sich dem Unausweichlichen! Sie schloss verzweifelt die Augen. Inuyasha… oOo Shippou schloss mit seinem Leben ab. Aber er würde nicht kampflos gehen! Im nächsten Augenblick umklammerte er das Bein des Pferde- Dämons und grub mit aller Kraft seine Fangzähne in dessen Fleisch. Er überraschte den Pferde- Dämon vollkommen. Mit einem irritierten Schnauben wich der Youkai zurück, löste den Blick von Kagome, die augenblicklich wie vom Blitz getroffen in sich zusammensank und röchelnd nach Luft schnappte. Instinktiv versuchte der Youkai, seinen unverhofften Angreifer abzuschütteln, bäumte sich mit einem schlangenartigen Zischen auf. Shippou kniff die Augen zu, als die Lichtung vor seinem Blick in einem Schwindelerregenden Wirbel verschwamm. Er hatte nur noch sehen können, wie Kagome ins Gras viel- unversehrt! Es hatte funktioniert! Triumphierend bohrte seine Fangzähne tiefer in das harte Fell. Wilder Stolz durchfuhr ihn, als er plötzlich Blut schmeckte. Grimmig biss er noch fester zu und verlor prompt das Gefühl für oben und unten, als er noch heftiger umher geschleudert wurde. Dann hörte die heftige Bewegung plötzlich auf. Der Dämon stand wieder ruhig auf seinen vier Beinen. Beängstigend ruhig. Shippous Nackenhaare sträubten sich, als er erneut den Atem des Youkai spürte- direkt an seinem Rücken. Das dumpfe Grollen ließ seinen gesamten Körper vibrieren. Doch hielt er weiter grimmig fest. Lauf schon, Kagome, solange er abgelenkt ist… Ihm wurde schwindelig. Kagome versuchte vergeblich, wieder auf die Beine zu kommen. Verzweifelt streckte sie die Hand aus, als sich die Fänge mit boshafter Langsamkeit um den kleinen Körper schlossen. „NEIIIN...“ „Samûn, burhah-Warte.“ Die Stimme war kaum mehr als ein raues Flüstern. Die Kiefer verharrten inmitten ihrer Bewegung. Kagome sank mit einem Aufschluchzen zurück, als der Pferdeyoukai sichtlich mühsam und zögerlich den Griff um den Kitsune löste und den kleinen Dämon freigab. Die zuvor flach angelegten Ohren richteten sich auf, zuckten kurz nach hinten und wandten sich dann dem immer noch am Boden hockenden Mädchen zu, das mühsam versuchte, seine Fassung wieder zu gewinnen. Der Pferdedämon sah sie nun direkt an. Kagome spürte den brennenden Blick des Youkai, war aber außerstande, den Kopf zu heben. Shippou… Sie lebte noch… wo war der andere Dämon? „Eine Miko, die von einem Youkai beschützt wird…Amüsant- und ich dachte, ich hätte schon alles gesehen…“ Giftiger Zynismus lag in den mühsam hervorgebrachten Worten. Kagome blinzelte, löste den Blick von dem surrealen Bild eines Kitsune, der sich noch immer wie ein wütender Terrier in das Bein eines mehr als Zehnmal so großen Dämons verbissen hatte und sah sich um. Unter dem Baum, vor dem sich der Pferde- Dämon postiert hatte, lag die übel zugerichtete Gestalt eines weiteren Youkai. Wegen dem sie überhaupt Hals über Kopf auf diese Lichtung gestürmt war! Trübe grüne Augen durchbohrten das Mädchen förmlich, während eine Hand den Griff eines Schwertes umfasst hielt. Ein weiteres Schwert stak in der mächtigen Wurzel der Zeder fest, es hatte das zähe Holz fast völlig durchtrennt. Kagome verspürte eine jähe Erleichterung, als sie das zwar schwer verletzte, aber noch immer am Körper befindliche Bein sah. Der Panther- Youkai hatte den grässlichen Hieb noch gerade so ablenken können. Und so, wie er aussah, würde er wohl kaum die Kraft zu einem erneuten Versuch haben. Langsam gewann Kagome die Kontrolle über sich zurück. Das zuvor empfundene abgrundtiefe Entsetzen kam ihr auf einmal wie ein längst vergangener Alptraum vor, unwirklich und verschwommen. Wieso hatte sie der Anblick des Pferdeyoukai derart erschüttern können? So viele Dämonen hatten sie bereits töten wollen, und viele waren wesentlich hässlicher gewesen als dieser dort… Aber darum konnte sie sich auch später Gedanken machen. Jetzt waren andere Dinge wichtiger. Das Gesicht des verletzten Youkai war trotz der schweren Verwundungen unbewegt, er wirkte höchstens leicht amüsiert, auf eine seltsame, unbeteiligte Weise belustigt, als betrachtete er ein seltenes, exotisches Insekt- wenn seine Augen nicht vor eisiger Wut und brennendem Hass förmlich geleuchtet hätten, in einer Intensität, die dem Mädchen trotz dem eben erlebten noch einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Dieser Zorn ging weit über das hinaus, was Kagome bei allen vorangegangenen Kämpfen von anderen Youkai gesehen hatte. Keine einfache Aggressivität oder Kampfeslust, sondern Hass, tief empfundener, persönlicher Hass. Es war, als müsste Kagome unter dem sengenden Blick zu Staub zerfallen. Warum? Was hatte sie ihm getan? Trotzig erwiderte sie den Blick. Kagome war sich keiner Schuld bewusst. Warum sollte sie sich ins Bockshorn jagen lassen? Das eben hatte sie schließlich auch überlebt! Einen Augenblick lang starrten sich Mensch und Dämon schweigend in die Augen, dann verzogen sich die Mundwinkel des Panthers zu einem bösen Grinsen. „Was ist, Miko? Planst du schon, wie du mein Fell verwerten kannst?“ Kagome stockte, schüttelte dann empört den Kopf. „N…nein, wie…Wie kommst du denn darauf? Ich…“ Sie verstummte. Was genau wollte sie eigentlich? Der Anblick des Youkai, der das Schwert gegen den eigenen Körper führen wollte, hatte sie einfach instinktiv reagieren lassen. Und dann war alles so schnell gegangen… Zum ersten Mal fasste sie ihr Gegenüber genauer ins Auge. Die zerfetzte Kleidung war schwarz vor geronnenem und eingetrocknetem Blut. An vielen Stellen schien sie mit dem stumpfen Fell verklebt zu sein. Die kleinste Bewegung musste höllisch sein! Durch die Risse im Stoff waren unzählige Schnitt- und Stichwunden zu sehen, aus denen noch immer frisches Blut austrat. Kagome schluckte unwillkürlich, als sie eine tiefe, aufklaffende Wunde in der linken Halsbeuge bemerkte. Das Fleisch glänzte feucht, der Knochen des Schlüsselbeines leuchtete hell aus dem Rot des Blutes hervor. Um den Youkai herum hatte sich eine beängstigend große Blutlache gebildet, deren metallisch- süßlicher Geruch sogar ihr unangenehm in die Nase biss. Er musste schon länger hier liegen… Hätte sich diese Verletzung nicht normalerweise längst schließen müssen…? Wie hatte er das bis jetzt aushalten können? Sie wusste von Inuyasha, das Dämonen zäh sein konnten, aber das… Wer hatte ihn überhaupt so zugerichtet? Doch den schlimmsten Anblick bot das Bein, in das sich ein langer, schlanker Pfeil gebohrt hatte. Kagome sog erschrocken die Luft ein, als sie die verbrannte und zerstörte Haut betrachtete. Unter den großflächigen dunklen Krusten sickerte helle Flüssigkeit und wässriges Blut aus rohem, entzündetem Gewebe hervor. Jetzt fiel ihr auch der Geruch nach brennendem Fleisch auf, der eindeutig von den weißen Rauchfahnen ausging, die aus der angeschwollenen Wunde direkt um das Geschoss herum aufstiegen. Kagomes Blick wanderte zu dem Gesicht des Youkais empor, der ihn unverwandt erwiderte. Seine Miene war nun wieder unbewegt, doch sein Atem ging schwerfällig und keuchend. Das Grün der Iris flackerte unruhig, weiße Ringe schienen sich kurzfristig um die Pupille zu bilden und wieder zu verschwinden. Es kam Kagome irgendwie bekannt vor… Der Youkai befand sich am Rande seiner Selbstkontrolle, ob nun durch die Wut oder die Qualen des Pfeils verursacht. Wie konnte er überhaupt noch bei Sinnen sein? Die Schmerzen, die er erleiden musste, überstiegen Kagomes Vorstellungsvermögen. Bei lebendigen Leibe langsam von innen heraus zu verbrennen… kein Wunder, das er sogar bereit gewesen war, sich das Bein abzuschlagen. Dieser Pfeil war eindeutig keine gewöhnliche Waffe! Jetzt wunderte es sie nicht mehr, dass er so feindselig war. Was hatte er getan, das eine Miko auf ihn geschossen hatte? Aber irgendwie interessierte sie das im Moment nur am Rande. Kagome glitt langsam auf die Knie und richtete sich so weit wie möglich auf, einen vorsichtigen Blick auf den Pferdeyoukai werfend, der sie mit seinen starren Augen regelrecht zu durchleuchten schien. Ans Aufstehen war nicht mal zu denken. Sie war sich nur zu klar darüber, dass sie bei der geringsten falschen Bewegung in Einzelteilen über die ganze Lichtung verstreut werden würde. Und das es diesem Pferde- Monster nun völlig egal sein würde, wenn da noch zehn Shippous an seinen Beinen hingen. Sie holte tief Luft. „Was soll ich mit deinem zerrupften Fell? Ich… wollte dir helfen.“ Einen Augenblick lang starrte sie der Panther an, der Hass in seinem Blick wich einem Ausdruck absoluter, ungläubiger Fassungslosigkeit. Dann lachte er. Einen Moment lang wusste Shahi nicht mehr, ob sie noch bei Bewusstsein war oder schon vom Wundfieber suggerierten Trugbildern erlag. Ihr Zustand begann sich anscheinend doch deutlich auf ihren Verstand auszuwirken. Das war einfach zu komisch! Man hatte sie mit allem angegriffen, was den Menschen an Magie und Kraft zur Verfügung gestanden hatte. Ohne, das sie sich irgendetwas zu schulden hatte kommen lassen, waren diese erbärmlichen Kreaturen wie wilde Hunde über sie hergefallen und hatten sie in die schlimmste Bedrängnis ihres bisherigen Lebens gebracht. Der Bannpfeil dieser elenden Priesterin würde sie wahrscheinlich mindestens ihr Bein, wenn nicht sogar ihr Leben kosten… und jetzt kniete diese junge Miko vor ihr, deren Macht anscheinend der Eigentümerin ihres Beinschmuckes in nichts nachstand und schien ernsthaft zu behaupten, ihr HELFEN zu wollen? Shahi entwich ein krampfhaftes Prusten. Die Schmerzen hatten ihre Kraft gebrochen und trieben sie an den Rand ihrer Selbstbeherrschung. Das war einfach zuviel! Die Miko hatte sich empört weiter aufgerichtet und funkelte sie wütend an. „Was gibt es daran zu lachen? Ich habe das ernst gemeint!“ Das war nicht unbedingt geeignet, Shahis grotesken Heiterkeits- Ausbruch zu verringern. Hilflos japste sie nach Luft und erst ein stechender Schmerz in ihrem Hals brachten sie wieder zu sich. Mit tränenden Augen sah sie wieder zu der Miko. „Aber dir ist schon bewusst, was ich bin und vor allem, wer mir diesen Pfeil verpasst hat? Und das du dein kleines Leben bis zu diesem Augenblick lediglich einem wohl geistig verwirrten Kitsune- Jungen verdankst?“ Das Menschenmädchen stutzte sichtlich. „Hai, aber…“ Sie schien bisher tatsächlich nicht darüber nachgedacht zu haben. Es war auch unwichtig. Samûn stand ebenfalls reglos da. War er sonst ein Ausbund an Ruhe und Ausgeglichenheit, so verrieten die von ihm ausgehenden Schwingungen deutlich den Aufruhr in seinem Inneren. Verwirrung, Überraschung- Neugierde? Noch immer hatte sich der Kitsune an seinem Bein nicht gerührt. Der Fuchs musste in eine Art Schockstarre gefallen sein… Alleine, das Samûn ihn noch nicht in der Mitte durchgebissen hatte…. Im Moment galt dessen Konzentration völlig der Miko. Nun, es war wohl eindeutig auch nicht der beste Tag des Pferde- Dämons! Shahi sah dunkle Punkte vor ihrem Sichtfeld tanzen. Lange würde sie nicht mehr durchhalten. Ein weiterer Versuch, sich des Problems mit dem Schwert zu entledigen würde schnell geschehen müssen, bevor sie den Kampf gegen den Heilschlaf verlor. Dann wäre Samûns gewaltiges Gebiss ihre letzte Möglichkeit, der Unterwelt und einem verfrühten Wiedersehen mit Anubis noch einmal aus dem Weg zu gehen… Weitaus schmerzvoller und langwieriger als eine Klinge. Wieder kochte die Wut in ihr hoch. So dicht vor dem Ziel, nach beinahe zweihundert Jahren auf der Suche… Und jetzt war sie gezwungen, Hand an sich selbst zu legen, um einem erbärmlichen Tod zu entgehen und die Jagd als Krüppel fort zusetzen, geschwächt, langsam und verwundbar. Und das alles nur wegen ein paar elender Menschen. Doch bevor sie sich endlich befreien und dem erlösenden Schlaf hingeben konnte, wollte sie das Blut dieser Miko sehen. Der Tod dieses Menschen würde ihr die Schmerzen erträglicher scheinen lassen- und als Entschädigung für ihr verlorenes Körperteil wäre es eine angemessene Anzahlung. Sobald die Zeit dafür gekommen war, würde Edo den Rest bezahlen. Leben für Leben. Und erstmals seit langer Zeit würde sie es wieder genießen! Wie ein sterbendes Herdfeuer erloschen die letzten Strahlen der Sonne. Nur noch ein sanfter, gelber Schimmer lag auf den Gipfeln der Berge. Beinahe schlagartig wich das warme Dämmerlicht den ersten Anzeichen der Nacht. Die Schatten auf der Lichtung vertieften sich zu Pfützen schwarzer Tusche. Ein letzter warmer Hauch strich über die Lichtung, drückte das Gras zu Boden und lies die Wipfel der Bäume sanft schwanken- der endgültige Abschiedsgruß des entschwundenen Tages. Aus dem Schatten leuchteten die grünen Augen des Panthers in einem unheilvollen Licht, während sein Körper mit der Dunkelheit zu verschmelzen schien. Kagome sah mit Entsetzen, wie sich der Blick des Panthers verhärtete. Die eisige Kälte verdichtete sich zu Endgültigkeit und unverhohlener, boshafter Genugtuung, während er zwei Worte in einer fremden, rau klingenden Sprache an den Pferdeyoukai richtete. Sie brauchte die Sprache nicht zu kennen, um die Bedeutung dieser Worte zu erfassen. Ihr wich das Blut aus dem Gesicht. Nein… hatte er denn nicht begriffen…? Neben dem Panther begann der Leib des Pferdeyoukai in dem ersten Licht der Sterne zu schimmern, hob sich hell vor dem Hintergrund der Bäume ab, während seine Augen wie schwarze Löcher in der Wirklichkeit schienen. Wieder taumelte Kagomes Verstand wehrlos in diese Tiefen hinein. ~°~ Immer schneller schoss der vor Erregung zitternde Körper durch das dichte Unterholz. Die Witterung seiner Beute drang ihm nun Süß und berauschend in die Nüstern. Obwohl noch weit entfernt, zog es an der Geruchsspur entlang wie an einen Faden- unbeirrbar. Es konnte spüren, dass sich das Opfer seit einiger Zeit nicht von der Stelle bewegt hatte und behindert, hilflos war. Und nur ein Mensch war bei ihm… einer mit heiligen Kräften, aber abgelenkt, unkonzentriert- und allein! Alles andere zählte nicht, war unwichtig. Die Beute war ihm sicher. Speichel troff in dicken Fäden von seinen lippenlosen Kiefern und benetzte Brust und Pranken, während es seinen Lauf noch beschleunigte, von namenloser Gier vorangetrieben. ~°~ Oo’ *Sich verkriecht* Schon wieder ein Cliffie, tut mir soo leid… Und vor allem, weil es jetzt ein Weilchen dauern könnte, bis es weitergeht. Bei mir ändert sich im Moment einiges, und bis sich da ein wenig Routine und Ruhe eingestellt hat, werde ich kaum zum Schreiben kommen. Ich hoffe, das es nicht allzu lange dauert, bis ich wieder weiß, wo oben und unten ist, aber bis dahin… Nochmals, Gomen nasai! *Sich flach auf den Boden schmeisst* ;_;° *Schnief* Ich werde mir Mühe geben, versprochen! Kapitel 6: Begegnung -------------------- Jaaahaaaaa! Man glaubt es kaum: es geht weiter.^^° Ich hoffe, ihr könnt euch überhaupt noch an die Geschichte erinnern… *Hüstel* (…) Ich hoffe, ich habe euch beim letzten Mal nicht geschockt, was die Verletzungen von Shahi betrifft. Aber ich kann nicht leugnen, eine gewisse morbide Ader zu besitzen. Es wird also noch öfter fies und auch ein wenig blutig werden, befürchte ich *Räusper*. Bei Dämonen geht es nicht immer harmlos zu- und bei dem Kätzchen erst recht nicht! Trotzdem und gerade auch für Hrafna (ich habs sogar früher geschafft): Viel Spaß^^ EINE ganze Vokabel- Miasma: Giftnebel 6. Kapitel: Begegnung Kagome blinzelte benommen. Was war geschehen? Eben gerade noch war sie sich absolut sicher gewesen, sterben zu müssen, und nun…? In ihrem Kopf drehte sich alles. War sie tot? Wo war sie? Vor ihren Augen lag Dunkelheit, sie konnte nur verschwimmende Schemen erkennen. „Samûn!“ Der wütende, mehr einem gepressten Zischen ähnelnde Aufschrei drang wie ein Hieb in Kagomes Bewusstsein und rüttelte sie endgültig wach. Mit leichter Irritation stellte sie fest, dass sie noch immer im Gras der Lichtung kniete- und tatsächlich die aufkommende Kühle der Nacht auf ihrer Haut spüren konnte. Auch registrierte sie das Brennen verschiedener leichter Schürfwunden auf Knien und Beinen… Sie lebte noch? Damit hatte sie nicht gerechnet… die finsteren Abgründe dieser Augen hatten sie scheinbar direkt in die Hölle saugen wollen. Wieder hatte sie das Gefühl vollkommener Hilflosigkeit und Ohnmacht überschwemmt. Alles in ihr hatte aufgeschrieen, sich in absoluter Todesgewissheit ein letztes Mal aufgebäumt, und dann waren ihr einfach die Sinne geschwunden. Also, was um alles in der Welt…? Waren die anderen doch noch rechtzeitig gekommen? Inuyasha? Aber warum war dann immer noch alles so still? Sie hörte nur das Rauschen der Bäume, das letzte, zaghafte Zwitschern einiger Vögel, weit entfernt das raue Schreien einiger Krähen. Kein wütendes Gebrüll, keine Kampfgeräusche, keine ihr bekannten Stimmen. Nur diese schweren, angestrengten Atemzüge dicht neben ihr, das leise Rascheln von Kleidung Langsam klärte sich ihre Sicht. Das sich ihr bietende Bild war nicht unbedingt geeignet, ihr wild hämmerndes Herz zu beruhigen. Sie fand sich unmittelbar vor dem verletzten Bein des schwarzen Youkai wieder, nur knapp außerhalb der Reichweite der tödlichen, voll ausgefahrenen Krallen eines vor Wut schäumenden Panther- Dämons. Mit einem erschrockenen Luftholen wich sie zurück, stieß dabei gegen den Vorderlauf des direkt hinter ihr stehenden Pferdeyoukai - und gegen Shippou. Sie überdachte ihre Situation. Sie war zwischen einem sehr aufgebrachten schwarzen Panther und einem mit ausgesprochen unheimlichen Fähigkeiten ausgestatteten Pferd eingeklemmt, die sich- nach der vor Anspannung knisternden Atmosphäre und den vor Wut sprühenden Augen des Panthers zu urteilen- gerade im Moment nicht sonderlich wohl gesonnen waren. Etwas in ihr sagte ziemlich laut und deutlich, das es jetzt sehr klug wäre, sich einfach wie Shippou zu verhalten: völlig reglos! Shahi zerriss es förmlich vor Schmerz und Zorn. Sie war nicht mehr fähig, einen klaren Gedanken zu fassen, starrte nur in ungläubigem Entsetzen zu Samûn empor, der ihr die Miko geradewegs vor die Füße geworfen hatte. Was bei allen Höllen Babylons hatte er vor? Wieso betrog er sie um ihre Genugtuung? Wieso schleppte er dieses Stück Abfall zu IHR?! Dieser Mensch und sein Angstgeruch dicht vor ihren Klauen waren mehr, als sie ertragen konnte. Shahis mühsam aufgebrachte Selbstbeherrschung begann zusehends zu bröckeln. Wieder drängte das dunkle Feuer in ihr mit ungestümer Gewalt gegen die Fesseln ihres Bewusstseins, vermischte sich mit dem pochenden Schmerz und ihrer Wut zu einem Dröhnen, das ihren Verstand zu überwältigen drohte. Sie wollte irgendetwas zerfetzen, fremdes Blut an den Krallen spüren, sich in blindwütiger Raserei vergessen, Schmerzen zufügen, anstatt sie zu ertragen. Den Feind vernichten… Für einen Sekundenbruchteil vergaß sie sogar ihr Bein, als sie die Miko vor sich mit hungrigem Blick anstarrte. Nur ein Hieb, ein einziger, schneller Schlag … Samûn sah das weiße Flackern in den Augen seiner Vertrauten und schlug zu. Sein Huf traf ihr Handgelenk, prellte ihr das Schwert aus der Hand, das im hohen Bogen zur Seite flog und sich mit einem dumpfen Aufschlag einige Meter entfernt mit der Klinge voran tief in die weiche Erde bohrte. Shahi fuhr mit einem hasserfüllten, geifernden Jaulen hoch, schlug reflexartig nach ihm- und sank mit einem erstickten Laut zurück. Ihr Körper verkrampfte sich vor Qual, die Muskeln an dem verwundeten Bein und die Sehnen an den Händen begannen unkontrolliert zu zucken. Dann erschlaffte sie und sank in sich zusammen. Sie konnte nicht mehr. Kagome war reflexartig zurückgewichen, als das Schwert urplötzlich auf sie zu kam, hatte aber noch nicht einmal Zeit gehabt, sich richtig zu erschrecken, bevor der Pferdeyoukai dazwischen gegangen war. Sie realisierte ungläubig, dass er sie tatsächlich beschützt hatte. Die Bewegung, mit der der Panther nach dem Schwert gegriffen und es aus der Wurzel herausgerissen hatte, war so schnell erfolgt, das sie gerade einmal einen verwischten Schemen hatte sehen können- und das Glitzern der auf sie gerichteten Schneide. Unsicher sah sie auf, sah zu den Augen des Pferdeyoukai hinauf, die ihren Blick mit einer dunklen Entschlossenheit erwiderte. Sie wirkten wie unendlich tiefe Teiche voll eisigen, dunklen Wassers, ruhig, trügerisch glatt und friedlich, aber voll düsterer Abgründe. Kagome sah ihr eigenes Gesicht in diesen Augen gespiegelt, den Schrecken, der sich noch immer auf ihm abzeichnete. Warum …? Sie registrierte verblüfft, wie auf einmal jegliche Furcht aus ihr wich, als würde sie aus ihr herausgezogen und durch eine felsenfeste Gewissheit, das hier überleben zu können, ersetzt wurde. Allerdings nur, wenn… Kagome wurde die Bedingung, an der ihr Überleben hing, so deutlich bewusst, als hätte der Pferde- Dämon es laut ausgesprochen. Ihre unerträgliche Furcht von eben, jetzt das? Konnte er etwa…? Sie öffnete den Mund, wollte etwas sagen, doch eine kaum merkliche Regung des Panthers und ein rasselndes Atemholen lies sie beide wieder aufblicken. Der Pantheryoukai öffnete mühsam die Augen, starrte erschöpft ins Leere. Das weiße Flackern war erloschen, die Iris dunkel und wie von einem stumpfen Schleier überzogen. Kagome schluckte schwer, als sie die Feuchtigkeit in den Augenwinkeln sah. Es trieb ihm wirklich die Tränen in die Augen? Kagome lief ein Schauer über den Rücken, als sich das Gesicht des Youkai erneut vor Schmerz verzerrte und ein von unsäglicher Pein erfülltes Ächzen ertönte. Sie umklammerte unwillkürlich den Rand ihres Rocks. Das war unerträglich! Die Tatsache, dass er sie eben hatte töten wollen, und das ihr ein weiteres Mal der Tod angedroht worden war, sollte sie ihm nicht helfen, verlor in diesem Augenblick völlig an Bedeutung. Niemand hatte es verdient, so leiden zu müssen, egal ob Mensch, Dämon oder was auch immer. Sie konnte ihm helfen, sie konnte es zumindest versuchen. Sie würde es nicht ertragen, wenn sie es nicht wenigstens einmal versucht hätte. „Bitte… lass mich dir helfen. Ich…“ Sie verstummte. Kagome wusste nicht, was sie noch sagen sollte. OoO Shahi starrte in den immer dunkler werdenden Himmel hinauf. Die dünne Sichel eines zunehmenden Mondes schob sich langsam über die Baumwipfel. Ein Sichelmond… Sie ertappte sich bei der Frage, was ER jetzt in diesem Moment wohl gerade tat- und verspürte ungeheure Dankbarkeit dafür, dass er sie nicht in diesem Zustand, in dieser erbärmlichen Lage sah. Von Menschenhand gefallen, vielleicht durch Menschenhand gerettet… Seine Reaktion konnte sie sich lebhaft vorstellen! Aber als ob es drauf noch ankommen würde… Sie spürte Samûn in ihrer Seele. Seine Präsenz verströmte Ruhe, Zuversicht und Kraft. Für einen Augenblick wurden ihre Gedanken wieder klar. Sie hatte ihm immer vertrauen können. Wenn er es versuchen wollte, wenn er diesem verrückten Mensch glaubte, dann… Seine Reaktion von eben zeigte unmissverständlich, was er von der Situation dachte. Er wollte es versuchen- und er würde sie mit Gewalt von jeder aggressiven Handlung abhalten, bevor dieser Versuch nicht erfolgt war. Er konnte diese Miko immer noch mühelos töten. Und sie notfalls von diesem Stück schwärenden Fleisches befreien… Shahi würde die Jagd beenden, gleich, wie viele Gliedmaßen ihr noch zur Verfügung stünden. Was dann geschehen würde, war ihr gleichgültig. Sie wollte diesen Bastard durch ihre Krallen verrecken sehen. Und wenn sie gemeinsam zu Hölle fahren würden, dann sollte es eben so sein. Aber stünden ihre Chancen nicht wesentlich besser, wenn ihr Körper noch intakt wäre? Nicht für das Töten, sondern für die Jagd an sich? Was dieser Beute an Macht fehlte, machte sie durch Erfahrung und Klugheit wett- und er kannte sie. Er kannte sie verdammt gut! Und jetzt.. gerade jetzt würde sie alle ihre Kräfte brauchen. Ihre Gedanken begannen, sich in ihrem Kopf zu drehen. Es war gleichgültig, wie sie sich entscheiden würde. Samûn hatte die Entscheidung für sie getroffen. Und sie war zu schwach, um sich dagegen wehren zu können. Es war sinnlos, weiter dagegen anzukämpfen. Shahi drehte schwerfällig den Kopf. Die Miko hockte mit weit aufgerissenen Augen vor Samûn und sah sie voll aufrichtigen Mitleids an. Mitleid… Alleine dieser Anblick trieb ihren Puls wieder jäh in die Höhe. Shahi verspürte den intensiven Drang, diese unerträglichen Augen augenblicklich auszureißen! Ein Mensch hatte Mitleid mit IHR?? Wieder fühlte sie dieses groteske Lachen in sich emporsteigen, doch sie hatte einfach keine Kraft mehr. Zu gar nichts mehr… Shahi ahnte, dass sie ihrer Stimme nicht mehr trauen konnte und nickte der Miko lediglich zu. Sie hatte nichts mehr zu verlieren. Noch nicht einmal mehr ihren Stolz. Das Mädchen seufzte unendlich erleichtert auf, als wäre ihr eine schwere Last von den Schultern gefallen. Eilig rückte sie näher, glitt neben ihr in den Kniesitz. Vorsichtig riss sie die zerfetzte Hose weiter auf und legte die Wunde großflächig frei. Sie hob die Hand, wollte schon nach dem Geschoss greifen- und zögerte. Ein wenig ängstlich musterte sie den Pfeil. „Vielleicht wird es etwas wehtun, ich habe so was erst einmal gemacht, und das war irgendwie anders…“ Shahi ließ ihren Kopf mit einem Knall gegen den Baumstamm fallen. ~~ Miroku schluckte. Wo blieben bloß Sango und Kagome? Allmählich begann er sich ernsthaft Sorgen zu machen. Allerdings nicht unbedingt um die beiden Frauen! Er machte sich nichts vor: ihm war sehr, sehr mulmig zumute. Manchmal war die Verwandtschaft zwischen Inuyasha und Sesshoumaru aber auch zu eindeutig, auch wenn die Wirkungsweise der tödlichen Blicke unterschiedlich zu sein schien- statt zu Eis zu erstarren, befürchtete der Houshi jeden Augenblick in ein Häuflein Asche zu zerfallen. Der Mönch fühlte die brennenden Blicke in seinem Nacken, als würde man ihn mit glühenden Messern traktieren. Inuyasha schien tatsächlich ernsthaft wütend zu sein. Wieso eigentlich? Konnte dieser Hitzkopf denn nicht einmal ein bisschen Verständnis für einen armen Houshi und dessen strapazierte Nerven aufbringen? Miroku seufzte abgrundtief. Er fühlte sich missverstanden, ganz eindeutig missverstanden. Auch Sango und Kagome hatten ihm einige undeutbare Blicke zugeworfen, bevor sie ihn mit Inuyasha alleine gelassen hatten. Standen sie jetzt etwas auch nicht mehr auf seiner Seite? So was Undankbares! Er hatte schließlich auch in ihrem Interesse gehandelt. Wahrscheinlich würden sie ihn nicht einmal mehr beschützen, wenn er Inuyasha befreite- denn ewig konnte er ihn wohl kaum unter dem Bann lassen. Obwohl Miroku dieser Gedanke recht verlockend erschien, bedachte er die wahrscheinliche Reaktion den Hanyou. Miroku rieb sich die Schläfen. Die Situation war verfahren. Er MUSSTE Inuyasha irgendwann befreien, aber ihn auch gleichzeitig irgendwie so ablenken, das der seinen Zorn auf ein anderes Ziel konzentrieren würde… aber zu warten, bis Naraku sich ihnen in den Weg stellen würde? Das würden schon alleine die Anderen nicht zulassen. Bei ihrer Rückkehr würden sie darauf bestehen, dass er Inuyasha befreite… und er wäre dem Zorn des Hanyou ausgesetzt! So ungerecht, lamentierte er innerlich. Er hatte es doch nur gut gemeint. Waren seine Sünden so groß, sein Karma so schlecht, dass seine Bemühungen so vergolten wurden? Konnten ihm Buddha und überhaupt mal ein paar der zahlreichen Götter denn nicht einmal gnädig sein? Miroku warf einen vorsichtigen Blick auf Inuyasha, zuckte aber unter dem wilden Funkeln in den goldenen Augen verstört zusammen. Irgendwie war ihm vorher noch nie so richtig bewusst geworden, das der Hanyou schlitzförmige Pupillen besaß… das waren nicht die Augen eines Hundes, sondern die eines Drachen kurz vor dem Zustoßen! Miroku ließ entmutigt den Kopf hängen. Oh, Ehrwürdiger Buddha, Ihr Götter, wer auch immer, verlangt, was ihr wollt, ich werde es tun, nur errettet einen armen Mönch aus höchster Not… Die Youki- Explosion war zwar schwach, aber deutlich spürbar und von einem eindeutigen Brandgeruch begleitet. Und sie kam aus der Richtung, in die Kagome und Shippou verschwunden waren. Augenblicklich war Miroku auf den Beinen. Noch nie hatten der Erleuchtete und der gesamte Pantheon der Gami ein so inbrünstiges „Danke“ zu hören bekommen wie in jenem Moment, als Miroku nach dem Bannzettel auf Inuyashas Stirn griff. OoO „Kirara?“ Sango blickte alarmiert auf, als sich die Nekoyoukai mit einem erregten Fauchen in ihre große Form verwandelte. Sie kannte ihre Freundin gut genug, um den gerade erlegten Frischling fallen zu lassen und sich augenblicklich auf ihren Rücken zu schwingen. Nur einen Atemzug später raste die Feuerkatze zielstrebig im Tiefflug über das dichte Laubdach des Waldes hinweg, einen Flammenschweif hinter sich herziehend. Sango beugte sich tief über den massigen Nacken, vergrub ihre Finge in der dichten Mähne. Ihre andere Hand umfasste den Griff Hiraikotsus. Was auch immer Kirara mit ihren feinen Sinnen gespürt hatte- Sango würde bereit sein. ~~ Shahi atmete tief aus, als die Miko nach dem Pfeil griff, konzentrierte sich, nahm die letzten Reste ihrer Selbstkontrolle und Fassung zusammen. Doch als die Fingerspitzen der Menschenfrau den Schaft berührten und die ersten heftigen Reaktionen die Welt in Agonie versinken ließen, wusste Shahi, dass es nicht ausreichen würde. OoO Kagome sah erschrocken, wie der Pfeil unter ihrem Griff hell aufleuchtete. Feine Linien aus läuternder Energie breiteten sich wie die Verästelungen alles verbrennender Blitze über das schon versengte Fleisch aus und brachten das Blut zum Kochen. Mit einem schrillen Kreischen bäumte sich der Youkai auf, grub die Klauen in die Wurzeln des Baumes. Das Eisenharte Holz zersplitterte wie eine Papierlaterne unter der Kraft des Dämons, der sich in Qualen unter den Händen der Miko wand und sich den Pfeil so noch tiefer ins Fleisch trieb. Kagome wurde von der heftigen, unkontrollierten Bewegung mitgerissen, verlor fast den Griff um den Pfeil. Der Pferdeyoukai packte die Schulter des Panthers mit dem Maul, versuchte, ihn niederzuhalten. Ein ungezielter Prankenhieb riss tiefe, heftig blutende Furchen in sein Gesicht, doch der Youkai zuckte nicht einmal zurück, hielt weiter eisern fest. Kagome biss verzweifelt die Kiefer aufeinander, versuchte, mit den unwillkürlichen Zuckungen mitzugehen, sich irgendwie zu konzentrieren, den Pfeil aufzulösen, wie sie es bei Inuyasha gemacht hatte… Wie bei Inuyasha? Sie umklammerte den Pfeil mit aller Kraft, die sie noch aufbringen konnte, stemmte die Knie gegen das zitternde Bein des Youkai und zog! Ihr wütender Schrei ging in dem tierischen Aufbrüllen des Panthers unter. Noch einmal leuchtete der Pfeil grell auf, tauchte die nachtdunkle Lichtung in schimmerndes Licht- und zerbarst in einer heftigen Explosion! Etwas wie ein dumpfer Schlag prallte gegen ihren Körper und schleuderte sie wie eine Puppe rücklings davon. Ihr letzter Gedanke, bevor ihr Hinterkopf äußerst unsanft mit dem Erdboden Kontakt aufnahm, war eine innerliche Ohrfeige. Das hatte man davon, wenn man helfen wollte… „Au! Verdammt…“ Kagome blinzelte, um die bunten Punkte vor ihren Augen zu vertreiben. Sie lag lang ausgestreckt im Gras und blickte geradewegs in einen samtig –schwarzen Himmel, auf dem zahllose Sterne wie Diamanten funkelten. Wunderschön. So friedlich… Kami, mach, dass es jetzt gut ist, bitte… Sie nahm sich vor, sonst einfach wieder bewusstlos zu werden. Eine weitere tödliche Bedrohung innerhalb der nächsten zwei Sekunden war einfach eine zuviel. Dann hätte sie ihr Glück definitiv überstrapaziert und würde vermutlich einfach sterben. Sie hielt beides für möglich- das es nicht geklappt hatte und das Pferd sie töten würde, oooder es HATTE geklappt- und sie würden sie töten, damit der Pantheryoukai sie schlicht fressen konnte. Nach dieser Aktion war er bestimmt ziemlich müde und hungrig… Sie schloss erschöpft die Augen. Langsam wurde es Zeit, dass sich ein gewisser Hanyou zu Wort meldete- Ach, nein, den hatte ein genervter Mönch in seiner grenzenlosen Weisheit ja gebannt… Seit wann verfügte sie überhaupt über solchen Galgenhumor? Du musst echt fertig sein, Kagome, wenn du schon zynisch wirst… Ein rasselndes, bösartiges Grollen ließ sie augenblicklich hochschnellen. Oh, Nein… Die Explosion war heftig gewesen. Der Baum, unter dem der Panther gelegen hatte, lag halb auf der Seite, zahllose Äste einfach weggerissen. Der Pferde- Dämon war zurückgeschleudert worden, lag einige Meter von den Trümmern entfernt reglos am Boden, den besinnungslosen Kitsune immer noch an seinem Bein hängend. Die Energie- Entladung des Pfeils hatte ihm scheinbar im Gegensatz zu ihr böse zugesetzt. Sie musste jedem Dämon übel zugesetzt haben… Shippou! Wieder dieser Laut, noch wilder und tiefer als zuvor. Kagome spürte, wie sich ihr die Nackenhaare sträubten. Im Schatten der Bäume hockte etwas, was nur noch entfernte Ähnlichkeit mit einem intelligenten Wesen hatte. Der Panther kauerte auf allen Vieren, die Kleidung nun wirklich nur noch in blutigen Fetzen herunterhängend. Um ihn herum schien sich die Luft zu verdunkeln, wogende Schwärze breitete sich wie Nebel über die Lichtung. Jegliche Farbe war aus seinen Augen gewichen- sie leuchteten in einem wabernden, unstetem Weiß, wie schwelende Glut. War sein Körper vorher noch annähernd menschlich gewesen, so war er jetzt grotesk verzerrt, schien vor lauter Anspannung gekrümmt und gleichzeitig gewachsen zu sein. Wie ein Tier kurz vor dem Sprung… Und mehr war er wohl auch nicht mehr. In seinem Oberschenkel gähnte ein schwarzrot schimmernder Krater aus verbranntem Fleisch und geronnenem Blut. Ihre Blicke begegneten sich, und er entblößte die Fangzähne zu einem heiseren, gierigen Fauchen. Okay. Dritte Möglichkeit. Einfach den Verstand verlieren und den umbringen, der diesen Höllenschmerz von eben verursacht hatte. Ganz eindeutig. Kagome beschloss, ebenfalls instinktiv zu reagieren. Sie sprang auf und rannte! Sie rannte wie noch nie zuvor in ihrem Leben und schrie, was ihre Lunge hergab. Nicht, das sie ernsthaft damit rechnete, dass es etwas nützen würde… Aber sich wie ein Lamm auf der Schlachtbank zu ergeben, das kam einfach nicht in Frage. Und vielleicht… Kami, Inuyasha… Sie fühlte, wie der Panther hinter ihr los sprang, unfassbar schnell und lautlos, sie spürte seine Aura näher kommen, nur ganz schwach, sogar rasant schwindend- doch für sie würde es noch reichen! Dann geschahen mehrere Dinge gleichzeitig. Mit einem wütenden Brüllen versuchte sich der Pferde- Dämon wieder aufzurappeln. Dann krachte es im Gebüsch und etwas Rotes schoss mit einem gellenden Kampfschrei auf die Lichtung, warf sich zwischen Kagome und ihren Jäger. Mit einem Zischen sauste die gewaltige Klinge eines Schwertes herab- genau auf den geifernden Panther- Dämon zu, zu schnell und nah, als das er hätte ausweichen können… Nur Sekundenbruchteile danach schlug Hiraikotsu mit einem erderschütternden Aufprall direkt vor den Hufen des heranstürmenden Pferde- Dämons ein, der sich mit einem gewaltigen Sprung zu Seite warf und nur einen Atemzug später von einer wütenden Kirara attackiert wurde. Kagome bekam einen heftigen Stoß in den Rücken, als ein Körper gegen sie prallte, wurde erneut zur Seite geschleudert und zu Boden geworfen. Sie schrie auf, als sie auf ihren bereits lädierten Knien landete. Ihr Schrei kam gleichzeitig mit dem entsetzten Aufkeuchen Inuyashas- und einem unendlich zufriedenen, lang gezogenen Grollen voller Blutgier. Inuyasha lag flach ausgestreckt auf dem Rücken, schiere Fassungslosigkeit im Gesicht. Der Dämon war über ihm, eine Klaue in seinem Schwertarm gegraben, den anderen Arm mit einem Hinterbein förmlich an den Boden genagelt. Die halb gebleckten Fangzähne schwebten dicht über ihm, heißer Atem blies ihm stoßweise ins Gesicht. Inuyasha bäumte sich mit einem wütenden Knurren gegen das Gewicht seines Gegners auf, versuchte, Tessaiga zu heben, doch ein brutaler Ruck riss seinen Arm nach oben, renkte ihm fasst die Schulter aus und ließ die Knochen seines Handgelenks knirschen. Gleichzeitig bohrte sich das andere Hinterbein mit den Klauen voran in seinen Magen, trieb ihm die Luft aus den Lungen und ließ grelle Flecken vor seinen Augen tanzen. Tessaiga glitt ihm aus den Fingern, rutschte klappernd über das taufeuchte Gras und blieb dicht über seinem Kopf liegen- unerreichbar. oOo Das Blut rauschte in ihren Ohren, in ihrem Geist, spülte jeden klaren, nüchternen Gedanken ins Nichts. In ihrem Verstand herrschte völlige Leere Die Witterung von frischem Blut, Schrecken und aufkommender Furcht drang ihr süß und verlockend in die Nüstern, nährte das Wüten, die Gier in ihr. Ihre Nerven und Muskeln vibrierten im Takt des hämmernden Pulsschlages. Keine Wut, keinen Hass, keinen Schmerz- nur pure Lust, freudige Erregung, den rauschhaften Zustand der völligen Extase, der ihren Körper mit einer Macht durchströmte, das sie glaubte, gleich zerbersten zu müssen.. Sie genoss es hemmungslos. Ihr Atem ging hart und keuchend, als sich die Rippen ihres Opfers unter ihrem Gewicht bogen, es angestrengt nach Luft schnappte. Ihre Sinne spürten weitere Präsenzen um sie herum, der Geruch von Entsetzen, Zorn und Kampf lag in der Luft und jagten ihr wohlige Schauer über den Rücken. Mehr… Viel mehr… Langentbehrter Genuss des Blutrausches… Befreiung aller Instinkte und Triebe. Töten. Ein freudiges Wimmern entwich ihr, als sie die Pranke hob, den Blick auf die Beute richtete, um zu sehen, wie sich ihre Krallen durch das weiche Fleisch der Kehle fraßen, sie zerfetzten, sich in sie hineingruben... Dann berührte sie etwas. Ein Hauch, eher eine Ahnung von etwas bekanntem, vertrautem, das durch die weiße Wand in ihrem Geist drang, sanft, aber unerbittlich an ihrer Seele zog und ihr Bewusstsein weckte. Eine Erinnerung kämpfte sich durch den trägen, blutigen Nebel in ihrem Inneren. Goldene Augen! Sie kannte diese Augen! oOo Ein Beben durchlief den angespannten Körper des Pantheryoukai. Die erhobene Pranke mit den sichelförmigen Krallen sank zögerlich nach unten. Sein leerer Blick wanderte langsam von Inuyashas Gesicht nach oben, über seine Haare, seine Ohren hinweg- und blieb an der matt schimmernden Klinge Tessaigas hängen. Einen Moment lang starrte der Youkai auf das Schwert, während das irrsinnige Weiß aus seinen Augen durch von rasendem Schmerz getrübtes Grün verdrängt wurde. Wieder glitt sein Blick zurück zu Inuyashas Augen, er blinzelte mehrmals, als würde er aus einem bösen Traum erwachen. Ein leises, schmerzerfülltes Jaulen drang aus seiner Kehle, als er endgültig zu sich kam. Langsam, geradezu vorsichtig löste der Panther seinen Griff und wich zurück, während sein Körper vor ihrer aller Augen zu schrumpfen schien. Dann begann er leicht zu schwanken. Miroku stürzte gerade noch rechtzeitig auf die Lichtung, um zu sehen, wie der Youkai leblos zusammenbrach. ~~ Einige Atemzüge lang herrschte gefrorene Stille in der Höhle. Dann ließ sich Kongen am ganzen Leib schlotternd auf seinen Futon zurückfallen. Bei allen Göttern- DAS war knapp gewesen! Er holte zitternd Luft, als er sich die letzte Szene vor Augen rief. Beinahe… Schaudernd blickte er auf die schimmernde Wasserfläche vor ihm. Er konnte gerade noch sehen, wie sich der Hanyou erhob und sich die Menschen um ihn und die bewusstlose Pantheryoukai versammelten. Die Miko kniete neben ihr nieder, dann erschien der blutige Kopf des Pferde- Dämons im Bild. Einen Moment lang schienen alle aufgeregt miteinander zu sprechen, besonders der Hanyou gestikulierte lebhaft mit beiden Händen, ballte sie zu Fäusten- und schien frustriert aufzugeben, als sich die Miko drohend vor ihm aufbaute. Der Mönch und die Taijiya schickten sich an Shahi aufzuheben, während die Miko - Kongen kniff die Augen zusammen - etwas kleines Braunes vom Bein des Pferde- Dämons pflückte? Der Youkai runzelte irritiert die Stirn. Er war wohl eindeutig nicht mehr in der Lage, sich ausreichend zu konzentrieren. Durch die heftigen Aggressionen und das freigesetzte Youki war das Bild eh die meiste Zeit sehr unruhig gewesen… das Wasser hatte gezittert, als würde sich der Kampf direkt in seiner Höhle abspielen. Und nun… Mit einem unendlich erleichterten Seufzen strich er über den Rand der Schale. Das Bild leuchtete kurz auf und verlosch. Sie lebten noch. Alle miteinander. Gerade noch so eben… Das war einfach zuviel Aufregung für einen alten Dämon! Das lief alles völlig anders, als er es sich erhofft hatte! Eigentlich war es überhaupt nicht seine Art, aber hier halfen die althergebrachten Methoden der Beruhigung nicht mehr. „Kozo! Sake! Und zwar den ganzen Krug!“ Kongen hob die feine und Reichverzierte Porzellanschale auf, goss das Wasser ab und stellte sie vorsichtig in die Felsnische über seinem Lager. So zittrig wie er jetzt war und so betrunken, wie er gleich sein würde, durfte so ein kostbares Kleinod nicht einfach so frei im Raum herumstehen. „KOZO!!!“ Der Tanuki schob vorsichtig seinen Kopf aus einem Tunnel. „Kongen- Sama? Ist… ist euer Plan aufgegangen?“ Kongen ließ sich aufseufzend mit unterschlagenen Beinen auf seiner Matte nieder. „Ist er. Sake! Und zwar den Guten! Der braune Krug!“ Der Diener wurde bleich unter seinem Fell. „Der? Aber, Kongen- Sama, den habt ihr doch für meinen Vetter beiseite gestellt…“ Ein Blick reichte, um den Tanuki aufkeuchend davoneilen zu lassen. Kongen schauderte, als er an die dunkle, bösartige Aura dachte, die er sogar durch den Wasserspiegel hindurch hatte spüren können. Ahnten die Menschen überhaupt, was sie da in Gang gesetzt hatten? Was sie im Begriff waren, aufzuwecken? Solange hatte diese Seite in ihr geschlafen, zu Ruhe gebracht durch seinen alten Freund, und wohl noch niemals zuvor war diese Raserei gegen Menschen gerichtet worden… und ein übereifriger Dämonenjäger drohte alles mit einer einzigen Dummheit zunichte zumachen. Er schüttelte sich. Wenigstens war sie wieder zu Verstand gekommen, bevor sie dem Jungen oder der Miko etwas angetan hatte. Und bevor ihre Raserei ihren Körper endgültig überfordern konnte… Doch war das Tor zur Hölle nun ein Stück weit offen- ob Edo es durchschreiten würde lag verborgen in der Zukunft. Der Gegenstand in dem Tuch- was würde er nun bewirken? War es ein Fehler gewesen, ihr ihn wiederzugeben? Dieser dämliche, unsäglich dumme Mensch… Narr! Er brauchte Sake! „KOZO!!“ Der Tanuki wankte unter dem Gewicht des Tonkruges. „Kongen- Sama, was soll ich denn jetzt meinem Vetter sagen? Er wird glauben, ich sei an allem schuld…“ Kongen riss seinem Diener den Krug aus der Hand, öffnete den Verschluss und setzte sich das Gefäß ohne weitere Umstände an den Mund. Kozo beobachtete mit immer größer werdenden Augen, wie sein ehrwürdiger, weiser Herr in langen, gierigen Zügen beinahe den halben Krug in sich hineintrank, bevor er ihn mit einem tiefen Atemzug wieder auf den Boden stellte und erleichtert die Schultern fallen ließ. Kozo war entsetzt. „Herr, ihr werdet das nicht vertragen. Ihr habt keine Übung darin, soviel auf einmal zu trinken…“ „Meinst du, ich sollte mich an deinen Beutezügen in meinem Weinkeller häufiger beteiligen?“ murmelte Kongen. Der Alkohol wirkte in der Tat schnell. Ihm wurde bereits schwindelig. Wer hatte je behauptet, Alkohol würde Youkai nichts ausmachen? Er trank gerne Sake. Zwei, vielleicht drei Schalen über einen ganzen Abend verteilt, zusammen mit einem guten Essen, einer anregenden Unterhaltung, nur um den feinen Geschmack zu genießen… Pah! Es gab wohl kaum einen besseren Zeitpunkt mit dem richtigen Saufen anzufangen, als diesen. Hatte er mit zu hohem Einsatz gespielt? War es ein Fehler gewesen, Kozos Verwandtschaft auf den jüngeren Sohn und dessen Truppe anzusetzen- um sie zu ihr zu locken? Diese Verrückten zu beherbergen, sie zum Wald zu schicken… Und mitten in der Schusslinie diese Kräuter zu verbrennen, um genügend Youki freizusetzen, damit dieser Mönch endlich seinen elenden Bannzettel ablöste! Kein Wunder, das der Tanuki aus der Haut gefahren war. Es hatte Kozo einiges gekostet, seinen Vetter zu diesen Aktionen zu überreden- unter anderem ein Fass von Kongens bestem Sake, weitere Kräuter aus seinen Vorräten und einige nachdrückliche Drohungen, die sein Vetter herzlich erwidert hatte. Letztlich hatten wohl doch Wein und Kräuter den Ausschlag gegeben, aber Kongen hatte gar nicht gewusst, das Tanukis über einen derartigen Reichtum an Flüchen und Schimpfwörtern verfügten. Doch trotz all seiner Mühen: Beinahe wäre das Mädchen gestorben- und Inuyasha! Was hätte sein alter Freund gesagt, wenn er schon so früh mit seinem Sohn im Jenseits vereint worden wäre? Kongen war sich sicher, das er seinem Unmut nachdrücklich Luft gemacht hätte- tot oder nicht. ER hatte sich noch nie von derlei Kleinigkeiten beeindrucken lassen! Wieder erschauderte Kongen. Er hätte damit rechnen müssen, dass die Hilfe der Miko nicht gerade auf Begeisterung stoßen würde. Wäre dieser Wind- Geist, dieser Pferde- Dämon nicht gewesen…Shahi hätte dem Mädchen mit Freuden beim Sterben zugesehen. Und was der Hanyou dann getan hätte- alles wäre vorbei gewesen, bevor es überhaupt richtig hätte beginnen können. Aber hatte er eine Alternative gehabt? Nein, entschied er. Es war die einzige Möglichkeit gewesen, sie zu retten, sie zusammenzubringen und es war gerade noch rechtzeitig geschehen- auch, wenn Shahi ihn umbringen würde, sollte sie jemals herausfinden, dass er dahinter steckte. Hoffentlich würde es auch in Zukunft das Schlimmste verhindern. Für die wilde Raubkatze aus der Wüste. Und vielleicht für ziemlich viele Lebewesen auf diesem und noch einem anderen Teil der Welt. Und für Edo. Er hing an diesem Baum! Moment…Seit wann gab es diese Wurzel doppelt? Irrte er sich, oder begann er tatsächlich bereits zu schielen? Du hast wirklich keine Übung, alter Mann… Kozo schenkte ihm fürsorglich eine weitere Schale Sake ein und reichte sie ihm, vergaß allerdings nicht, auch für sich ein Schälchen abzuzweigen. Dann ließ er sich neugierig auf sein breites Gesäß plumpsen. Nachdem die Zeit der Anspannung vorbei war und sein Meister scheinbar die Freuden des Daseins zu entdecken schien, überdachte der Tanuki noch einmal das Geschehene. Er verstand in der Regel nicht viel von dem, was sein Meister plante, aber eines irritierte ihn. Es war ihm durchaus nicht entgangen, dass das Gelingen des Planes auf der Schneide eines Schwertes gestanden hatte und der jüngere Sohn des alten Hundes beinahe durch diese wahnsinnige Katze ums Leben gekommen wäre. Und es war ihm ein Rätsel, warum sein Herr nicht zur nächstliegenden Lösung gegriffen hatte, anstatt vor Spannung und Sorge fast einem Herzstillstand zu erleiden. Der Tanuki gab nicht sehr viel auf Würde und Ansehen, aber DAS wäre für einen tausende von Jahren alten Baumgeist doch ein wirklich schmähliches Ende gewesen. Nach Kozos Wissen gab es nur noch eine lebende Person, vor der das Biest einigermaßen Respekt verspürte. Kein Wunder! Sie waren Einer schlimmer als der Andere! „Verzeiht, wenn ich so dreist frage, Kongen- Sama… Aber wieso habt ihr nicht den Inu no Taisho benachrichtigt und um Hilfe gebeten? Für ihn wäre es doch ein leichtes gewesen, diesen Pfeil zu vernichten. Schließlich kennen sich der Fürst und...“ Kozo verstummte, als er den Gesichtsausdruck seines Meisters sah. Kongen war kreideweiß geworden und starrte seinen Diener mit entsetztem Blick an. „Sesshoumaru?!?“ Er stürzte den Sake mit einem hastigen Schluck herunter und griff in beinahe derselben Bewegung wieder nach dem Krug. „Auf keinen Fall!“ In dem verblüfften Gesicht seines Dieners konnte Kongen die Frage nach dem „WIESO?“ so deutlich erkennen, als hätte der sie laut ausgesprochen. „Weil sie dann schneller tot gewesen wäre, als es sich diese arroganten Priester je hätten erträumen können!“ erklärte er düster und setzte das Gefäß an. Der Baumgeist trank den Krug leer, ohne auch nur einmal abzusetzen. Er schaffte es gerade noch, das schwere Behältnis dem völlig fassungslosen Tanuki wieder in die Hände zu drücken und einmal kräftig aufzustoßen, bevor er sich mit einem glückseligen Lächeln in eine wohltuende und ebenso wohlverdiente Ohnmacht fallen ließ. ~~ Die lange, mit einer Reihe nadelspitzer Zähne bewerte Schnauze grub sich wütend in den flach gedrückten Nadelteppich. Fort. Die Witterung der Beute hing zum Greifen dick in der Luft, entströmte dem Erdreich in dichten Schwaden. Und doch… Frustriertes, enttäuschtes Brummen. Gerade eben noch hatte sich das Opfer nicht rühren können, und nun plötzlich… auch der Mensch war fort, war ihm gefolgt. Das Wesen ließ seine Kiefer klirrend aufeinander schlagen, weißer Speichel spritzte über den Fleck Laub und Nadeln, an dem noch dieser verlockende Duft hing. Entkommen. Einen Augenblick lang starrte es in die Richtung, wo ihre Beute verschwunden sein musste. Noch könnte es sie verfolgen, die Hatz zu Ende bringen und seinen Hunger, seine Gier stillen, die von Minute zu Minute heißer in ihm brannten. Es brauchte nur die Fährte weiter zu verfolgen. Weit konnte das Wild noch nicht sein… Seine Muskeln begannen, vor Vorfreude zu zucken. Nur noch ein kurzer Spurt, dann… Doch ein Windhauch machte alle seine Sehnsüchte zunichte. Sie kehrten zurück! Wie unter einem Hieb zuckte die Bestie zusammen, als sie Witterung aufnahm und unter den verschiedenen Gerüchen eine nur zu vertraute Duftspur erkannte. Mit einem jappenden Laut fuhr es herum und verschwand wieder im Unterholz. Die Jagd war verloren. Es war nicht schnell genug gewesen… sein Meister würde nicht erfreut sein. Und es hatte nicht einmal genug Zeit, seinen Zorn an seiner Umgebung abreagieren zu können. Es konnte nur versuchen, zu flüchten, bevor seine eigene Witterung erkannt wurde. Und seinen Hunger zu unterdrücken, der sich immer heißer durch seine Adern brannte. Während es in vollem Lauf durch den Wald jagte, versuchte es die intensive Vorstellung des Geschmacks der toten Beute zwischen ihren Zähnen zu verdrängen. Es wusste, es hatte sich zu sehr der Vorfreude hingegeben. Es lenkte ab, machte schwach, nährte die Gier und vernebelte seine Sinne. Vielleicht hatte es deswegen versagt… Doch diese Beute war so einmalig, so viel versprechend gewesen. Herrliches Fleisch, zart, aber doch voller Kraft. Ebenso das Blut, heiß und noch voller Leben, wenn es ihm das Herz herausriss… Mensch und Dämon zugleich, pulsierende Lebendigkeit mit dunkler Kraft vermischt… Es hatte noch nie einen Hanyou gefressen. Die Enttäuschung schwand, als es die Stimme des Meisters verspürte, schmeichelnd, tröstend, verheißend. Die ihm eine andere Beute versprach, auf andere Weise ebenso verlockend wie das Fleisch des Halbdämons. Eine neue Jagd, ein neues, verlockendes Opfer voller dunkler Macht und reinem Blut. Ungeheure dämonische Energie, mehr, als es je zuvor auf einmal hatte kosten dürfen…Sein Magen zog sich verlangend zusammen. Ungehemmt diese finstere Kraft in sich hineinschlingen zu können, diese Vorstellung bereitet ihm beinahe sinnliches Vergnügen. Die Bestie fühlte, wie neue Kraft sie durchströmte und der Hunger sich mit Entschlossenheit vermengte. Diese Jagd würde nicht misslingen! Diese nicht. Ein mächtiger Baumstamm zersplitterte in unzählige feine Späne, als die Kreatur sich herumwarf, den gefallenen Riesen einfach zerbrach, als wäre er aus dünnem Balsa- Holz. Unermüdlich hetzte sie weiter durch die Wälder, beinahe schnurgerade der Richtung folgend, die ihr der Meister gezeigt hatte: Nach Westen. ~~ Stille lag über dem in unwirklicher Dämmerung liegenden Zimmer. Seit einigen Ewigkeiten saßen sich zwei Personen beinahe reglos gegenüber. Die roten Augen des Mannes waren unverwandt auf die Oberfläche eines Spiegels gerichtet, der auf den Knien eines zart erscheinenden, geisterhaft bleichen Mädchens lag, beobachtete mit unbewegter Miene. Schließlich gab er dem Mädchen mit einer Handbewegung den Befehl, sich zurück zu ziehen. Während die weiße Youkai lautlos verschwand, wandte er seinen Blick zu den durchscheinenden Shoji- Wänden. Schwaden giftigen Miasmas zogen wie dicker Nebel vor den Paperwänden entlang, tauchten den Raum in purpurnes Zwielicht. Er hörte, wie die hölzernen Wände des Schlosses unter dem Druck seiner Energie und seines Giftes stöhnten und knarrten. Er konzentrierte sich auf diese Bewegungen, die Geräusche um sich herum, bis er den auflodernden Zorn in sich unter Kontrolle hatte und sein Atem wieder einigermaßen normal ging. Schließlich sagte er nur ein Wort, in dem soviel Wut und Hass mitschwang, das die Luft um ihn herum zu erstarren schien. „Inuyasha…“ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ So. Ähm… Das ist doch jetzt kein Cliffhanger, oder? Oder etwas doch…? Zumindest hoffe ich, das ich deutlich genug gemacht habe, wer Inuyasha und Co verfolgt, bzw. angelockt und durch die Gegend geschickt hat… und wer das eventuell noch bereuen wird.^^° Ich hoffe, das Ganze wird nicht zu rätselhaft, aber ich möchte noch nicht zu schnell mit den Lösungen herausrücken. Das Kätzchen hat durchaus was dagegen, dass andere Leute etwas von ihren Beweggründen erfahren. Völlig wird es nicht Drumherumkommen, aber es noch etwas hinauszögern, den Gefallen werde ich ihm tun- mir zuliebe^^° Und mit dem nächsten Kapitel wird es hoffentlich nicht so lange dauern… Ihr dürft mich dann auch gerne treten, solltet ihr das dringende Bedürfnis dazu verspüren^^! Liebe Grüße, Carcajou Kapitel 7: Nacht ---------------- ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Sooo, nach mal wieder ewig langer Zeit… Entschuldigung! *Sich am Boden windet* Aber ich hab einfach den Kopf nicht frei gekriegt…><* Es war und ist einfach zu viel los. Ich hoffe, das ändert sich bald, so das ich meinen Grips wider so einigermaßen zusammenkriege… Ich werde mich bemühen, wieder einen monatlichen Rhythmus hinzubekommen, mag es aber nicht versprechen. Danke an all diejenigen, die sich das folgende Kapitel trotzdem noch antun… Vorneweg allerdings noch ein Hinweis auf meine Warnung im vorherigen Kapitel und im „Klappentext“- diese gilt durchaus für den Anfang dieses Kapitels… Außerdem ist es zwar recht lang, aber soo viel passiert dann doch noch nicht- allerdings hoffe ich, einigen Lesern hier eine kleine Freude bereiten zu können^^ Zusammenfassung der vorherigen Kapitel(weil, solange her): Shahi und Samûn geraten in Edo mit Taijiya und Geistlichen aneinander, wobei erstere schwer verletzt und letzterer sehr geschwächt wird. Ein Bannpfeil in ihrem Oberschenkel treibt Shahi soweit, sich das Bein abschlagen zu wollen, was von Kagome gerade noch rechtzeitig verhindert werden kann. Sie befreit Shahi von dem Pfeil- die dabei verursachten Schmerzen lassen die Dämonin allerdings die Kontrolle verlieren und Kagome blindwütig attackieren- auch Inuyasha, der Kagome beschützen will, ist chancenlos und wird von ihr überwältigt. Doch bevor sie ihn töten kann, lässt etwas an ihm sie wieder zu sich kommen. Es zeigt sich, das Kongen, ein alter Bekannter Shahis und des Inu no Taisho Inuyasha und seine Freunde zu Shahi gelockt hat. Die Gründe dafür behält er vorerst noch für sich. Und noch jemand durchstreift die Ebenen von Musashi, jemand mit unstillbarem Hunger auf Youki- und er ist nun auf dem Weg nach Westen… Oni: Teufel/Dämon Saimyosho: Hölleninsekten, Werkzeuge von Naraku Keiler: männliches Wildschwein, Bezeichnung wegen des Äußeren der Dämonen Rotte: Gruppe, Rudel, Bezeichnung wird ebenfalls u.a. bei Schweinen verwendet Ki: (Mentale)Kraft, Lebensenergie 7.Kapitel: Nacht Die schmale Mondsichel stand hoch über dem dichten Wald der westlichen Berge. Milder, feuchtwarmer Wind strich durch die Zweige, lies sie leise rascheln und knarren. Ansonsten herrschte Stille. Eine gerade zu betäubende, drückende Stille. Kein Nachtvogel rief, kein Tier regte sich. Das Mondlicht, das in feinen Bahnen durch die Bäume drang und ein helles Muster auf den Waldboden legte, war kalt. Gleichgültig gegenüber dem, was sich dort unten unter den Dach der Blätter abspielte, fiel es durch jede Ritze, durch jede Spalte zwischen Laub und Zweigen. Erbarmungslos leuchtete es den Jägern den Weg zu ihrer Beute. Der Junge rannte, brach durch dichtestes Gebüsch, sprang über umgestürzte Baumstämme, achtete nicht auf die schmerzhaften Schnitte durch Gras und Zweige und die blutigen Schürfwunden von zahlreichen Stürzen. Sein Atem ging keuchend, unterbrochen von Schluchzern und verzweifeltem Wimmern. Sie waren hinter ihm, er konnte die Ausdünstungen ihrer Körper riechen, ihren fauligen Atem, Blut, Schweiß, eine fast greifbare Wolke ging ihnen voran, verfolgte ihn und trieb ihn in jähen Entsetzten voran. Er hörte über das Pochen seines Herzens und sein eigenes Keuchen hinweg, wie schwere Körper prasselnd durch das Unterholz drangen, tiefe Grunzlaute und schrilles Quieken. Ihm liefen die Tränen übers Gesicht, als sich jäh Bilder in seiner Erinnerung formten, Kaum ein paar Minuten alt, aber doch so verschwommen, als wäre es vor Jahrzehnten geschehen. Mutter… Vater… Ich muss Hilfe holen, ich muss… Der Waldpfad lag klar und im fahlen Mondlicht aufleuchtend vor ihm. Zum nächsten Dorf ging es dort entlang, es war größer als das, aus dem er geflohen war, es lebten Samurai dort, sie würden bestimmt… Links vor ihm wuchs auf einmal ein gewaltiger Schemen aus dem Schatten, gelbe Hauer schimmerten aus einer wuchtigen, Schweineartigen Schnauze hervor. Das bleiche Licht ließ seine aschgraue, fleckige Haut und die stacheligen Borsten wie verwestes Fleisch erscheinen. Beinahe lässig trat das Ungeheuer auf den Pfad hinaus, bleckte die Zähne zu einem zufriedenen Grinsen. „Hab’ dich, Kleiner…“ Der Junge bremste ab, erstarrt vor Furcht stierte er zu dem übermannshohen Oni hinauf, der eine aus einem kleinen Baum zugeschlagene Keule mit einer Leichtigkeit über der Schulter trug, als handele es sich um einen jungen Bambustrieb. Hinter dem Rücken des Jungen ließen schwere Schritte den Boden erzittern. Seine Nackenhaare richteten sich auf, als er die riesigen Körper der übrigen Oni sah, wie sie sich langsam auf ihn zuschoben, scheinbar träge und schwankend unter ihrem eigenen Gewicht. Sie musterten das Kind mit einem gierigen Funkeln in den Augen. Der Junge spürte, wie die letzte Kraft aus seinen Gliedern wich, wie Wasser aus einem umgestürzten Bambusrohr. Erschöpfte Resignation drang wie betäubendes Gift durch seine Muskeln, verdrängte die hämmernde Panik. Er fühlte seinen rasenden Puls, seine körperliche Schwäche- und eine losgelöste Ruhe, als er sein Schicksal erkannte. Mutter… Vater… es tut mir leid…ich habe es nicht geschafft… Verzeiht mir… „Mach schon. Wir haben keine Lust, hier mit dem Essen zu spielen.“ Ein unwilliges Brummen ertönte als Antwort. „Nur keine Hetze, ja…? Mach’ ja schon…“ Der Junge blieb still stehen, als der Oni die Keule von der Schulter hob und sie ohne auszuholen in einer fließenden Bewegung auf den Kopf des Menschen niedersausen lies. Dann bückte er sich und packte die schlaffe Leiche am Genick. „Das is’ aber meiner, damit das klar is’, ja? Du hattest schon zwei, ich habs genau gesehen.“ Der Andere grunzte zornig und bleckte die Zähne, sagte aber nichts. Der erfolgreiche Jäger war nicht nur einen Kopf größer als er, sondern auch jünger und in den Schultern beinahe doppelt so breit. Missmutig sah er dem anderen hinterher, wie er mit seiner Beute den Weg zum Dorf zurückging, die restliche Rotte dicht auf seinen Fersen. Aber was sollte es, sich um eine so kleine Beute zu streiten? Er war nicht so alt geworden, weil er sich wegen jeder Kleinigkeit blindwütig herumprügelte… Vor der dahintrottenden Rotte wich der Wald und öffnete sich zu einer kleinen Lichtung, auf der die Überreste der Siedlung nackt und bloß unter dem weißen Mondlicht lagen. Den Hütten fehlten ganze Wände oder das komplette Dach, die Oni hatten sie in ihrer Gier nach frischem Fleisch einfach herausgerissen und zur Seite geworfen. Ein heftiger, zerstörerischer Angriff, dem keiner der Menschen entkommen war- bis auf dieses Junge, das ihnen zu guter letzt sogar noch ein wenig Spaß beschert hatte. Mit vollem Bauch ein wenig zu jagen, nur der Behaglichkeit wegen- sollte dieser dumme Trottel doch seine Beute alleine fressen. ER war satt. Satt und zufrieden. Er strich sich behaglich über den Bauch während er sich von der Gruppe absonderte und zu der Hütte hinüberstapfte, die er für sich beansprucht hatte und wo ihn sein Weibchen erwartete. Endlich, nach all den Tagen voller Hunger und Furcht wieder einmal das befriedigende Gefühl eines vollen Magens zu verspüren… Sein Weibchen warf bei seinem Eintreten die abgenagten Knochen von dem Podest herunter und deutete auf ein noch relativ unbeschädigtes Futon. „Habt ihr es gefangen?“ Er nickte, ließ sich schwer auf das Polster fallen. Eigentlich jammerschade, dass sie nicht häufiger Menschendörfer überfielen. Die Schwächlinge wussten es sich gemütlich zu machen! Nur ärgerlich, das die Dächer so niedrig waren- selbst er stieß dauernd mit dem Schädel irgendwo an, und dabei war er noch lange nicht der Größte aus der Gruppe. „Haben wir. Gut, das einer geflohen ist und sie jagen konnten, so ist die Rotte ruhiger. Diese Hohlköpfe sind nicht zufrieden, wenn sie nicht zumindest ein bisschen spielen können. In denen gärt es immer noch gewaltig!“ Draußen ertönte dumpfes Grollen, protestierendes Kreischen, als zwei Männchen sich um ein Stück Fleisch stritten. Er schüttelte den Kopf. “N’ bisschen ruhiger, hoffe ich wenigstens.“ Wenigstens hatte der Rottenführer ihn mitgeschickt, damit sich diese Dummköpfe nicht blindlings im ganzen Wald verteilten. Wirklich sicher durften sie sich immer noch nicht fühlen. Er ruckte unwillig mit den Schultern, versuchte, die völlig verkrampften Muskelstränge zu lockern. Die letzte Zeit war auch an ihm nicht unbedingt spurlos vorübergegangen. Seine Gefährtin verzog die Schnauze zu einem Lächeln, als sie sein schmerzverzerrtes Gesicht sah. „Darf ich…?“ Ein zustimmendes Grunzen reichte ihr als Antwort. Sie glitt hinter in, grub ihre Finger in das verhärtete Gewebe und begann es sanft, aber mit Nachdruck zu kneten. Nach einer Weile fühlte sie mit Genugtuung, wie die Spannung aus dem Körper ihres Gefährten wich und er die Schultern fallen ließ. Er blinzelte in das kleine Feuer, spürte die Wärme auf seiner Schnauze. Gedankenverloren griff er nach ein paar noch von Fleisch zusammengehaltenen Rippen und nagte daran, einfach den Geschmack bewusst genießend. Die Wärme des Feuers, der weiche Futon, die süße Schwere eines vollen Magens, all das ließ den letzten Rest der Anspannung der vergangenen Wochen von ihm abfallen und er spürte, wie sich seine Muskeln langsam unter den kundigen Händen seines Weibchens entspannten. Die Rippenknochen rutschten unbeachtet ins Feuer, als er sich wohlig aufseufzend nach hinten, gegen ihren Körper sinken ließ und sich völlig ihrer Massage hin gab. Ruhe… genügend Nahrung…Entspannung… wie hatten sie diese Dinge in der letzten Zeiten vermisst. Die Wochen auf der Flucht, außerhalb ihres Territoriums, ohne Nahrung, ständigen Angriffen anderer, ebenso verzweifelter Youkai ausgesetzt... Er fragte sich immer noch, wie das überhaupt hatte geschehen können. Er hätte niemals geglaubt, dass etwas Youkai jemals in derart Kopflose Panik versetzten könnte. Die gesamte Ebene war ins blanke Chaos gestürzt. Sie waren wie Hasen während eines Kesseltreibens umhergeirrt, voller bisher unbekannter Furcht vor diesem fremden Wesen, das Youkai lautlos und heimlich wie aus dem Nichts heraus tötete und nur ihre völlig zerfleischten Überreste zurückließ. Jegliche Reviergrenzen waren aufgelöst worden, Dämonen griffen einander voller Furcht und Zorn an, um sich den Weg freizukämpfen, besinnungslos und blind flüchtend, nur von ihrem Überlebensinstinkt getrieben. In ihrem ehemaligen Revier war es besonders schlimm gewesen, beinahe jede Nacht waren Youkai und Oni getötet worden, häufig gellten die qualvollen Schmerzensschreie der Sterbenden weit durch das Land und hatten jegliches Lebewesen vor Angst erzittern lassen. Und auch ihre Rotte war nicht von dem unbekannten Schrecken verschont geblieben. Sie waren die unangefochtenen Anführer der herrschenden Hierarchie in ihrem Revier gewesen, niemand hatte sich an die kraftstrotzenden Oni herangewagt, deren Hunger selbst vor anderen Youkai nicht halt gemacht hatte- was nicht rechtzeitig fliehen oder sich nicht gegen die Jagdtruppen der mächtigen Keiler verteidigen konnte, fiel ihnen unweigerlich zum Opfer. Und dann.. hatten sie die Furcht kennen gelernt. Er schnaubte, als er an die erste Reaktion des Rottenführers auf die getöteten Youkai dachte: >Das betrifft uns nicht- an uns wagt sich keiner heran! < Niemand, auch nicht er selbst, hatte etwas dagegen gesagt: bis die ersten Keiler kreischend ins Gebüsch gezerrt wurden und Späher wenig später nur noch die zerfetzten und ausgeweideten Kadaver vorfanden. Dann erfolgten die Attacken Nacht für Nacht. Die Jäger waren zu Gejagten geworden. Ihre Rotte war schließlich beinahe bis auf die Hälfte dezimiert worden, nicht nur durch die fremde Bedrohung, nicht nur durch die Attacken anderer Youkai, sondern auch, weil sich die Männchen in ihrer hilflosen Wut gegenseitig an die Kehle gegangen waren. Und schließlich waren auch sie geflohen, hatten ihr angestammtes Territorium verlassen, das zu einer Hölle aus Wut, Panik und Verzweiflung geworden war. Sie waren den vorangegangenen Youkai gefolgt, hatten versucht, wieder Beute zu machen, um ihre hungrigen Mägen und ihre Wut zu sättigen, doch in dem wilden Chaos der entwurzelten Dämonen war es ihnen kaum gelungen, auch nur einen niedrigen kleinen Youkai zu erlegen. Bis schließlich eines der schwächeren Rottenmitglieder unglücklich stürzte und der Geruch des Blutes die Übrigen endgültig um den Verstand brachte… In dem Augenblick war ihm und dem Rottenführer klar geworden, wie dicht vor der Auslöschung sie sich befanden. Es war eine Sache, sich innerhalb der Gruppe aus Wut zu töten, das war im Endeffekt eine Angelegenheit der jeweiligen Stärke, aber aus Nahrungsmangel…? Ihre Macht war die Rotte, wenn sie anfingen, sich gegenseitig als Beute zu sehen, würde das ihren Untergang bedeuten! Sie brauchten dringend Nahrung, Ruhe, um sich wieder zu formieren und den Zusammenhalt in der Rotte wieder aufzubauen. Doch der unbekannte Jäger hatte die Landstriche von jeglicher dämonischer und tierischer Beute leergefegt und die Menschen hatten, aufgeschreckt durch die Gerüchte über Dämonenkämpfe und die heftigen Unruhen, Schutz gesucht. Kleinere Dörfer hatten sich zusammengeschlossen und bewaffnet, und in jeder größeren Siedlung lauerten Mönche, Jäger und andere Exorzisten, die sehr wohl in der Lage waren, einen gewöhnlichen Dämon zu erlegen oder zu vertreiben. Darum hatte der Rottenführer schließlich diesen geradezu verzweifelten Schritt gewagt. Sie hatten die Grenze zu den westlichen Ländern überschritten. Ihr Anführer hatte sie mehrere Tage an der Grenze gehalten und sie nach dämonischen Auren oder bedrohlichen Witterungen suchen lassen, denn sie hatten sehr wohl die Gerüchte über den mächtigen Beschützer dieses Landes gehört. Das Land auf dieser Seite der Grenze war verlockend, friedlich, voller reicher Beute, aber dennoch… das Gefühl dumpfer Furcht hatte sie nicht losgelassen, seitdem sie ihren Fuß auf diesen Boden gesetzt hatten. Es raunte ihnen Warnungen zu, düstere Drohungen, eine Ahnung von einer Gewalt, nicht weniger gnadenlos wie die, vor der sie geflohen waren. Doch was war schon diese innere Stimme gegenüber der von Hunger, Zorn und Furcht? Sie brauchten Nahrung, wenn sie überleben wollten. Nachdem sie nach Tagen immer noch nichts Verdächtiges hatten bemerken können, verflog diese Furcht allmählich und machte endgültig den Einflüsterungen des Hungers Platz. Sagten die Gerüchte nicht auch, dass sich der Herr der westlichen Länder nur selten zeigte und oft Monate verschwunden war? Sich sogar häufig in den Ebenen von Musashi herumtrieb? Vielleicht war er bereits von dieser unbekannten Bestie getötet worden? Oder war auf der Jagd nach ihr? Wenn er in der Nähe gewesen wäre, hätte er sie bereits bemerkt- und gehandelt. Also war er entweder nicht in seinem Land- oder aber er war zu schwach, um sich mit ihnen anlegen zu wollen! Waren sie nicht auch die Herrscher über ein großes Gebiet gewesen? Und hatten sich nicht alle anderen Youkai vor ihnen gefürchtet? Sicher, sie waren geschwächt, aber nun hatten sie wieder ein Ziel, würden wieder zusammenhalten, als eine Gruppe agieren- und dann konnte ihnen Niemand widerstehen! Diese Bestie hatte sich schließlich immer nur an einzelne Mitglieder herangewagt- hätte die versammelte Rotte sie stellen können, wäre sie in der Luft zerrissen worden. Gemeinsam würden sie jeden besiegen können, der ihnen entgegentrat- und diese Daiyoukai griffen niemals aus dem Hinterhalt an. Doch niemand zeigte sich ihnen. Schließlich hatten sie sich nicht mehr zurückhalten können. Und als hätte ihr geschlossenes Vorrücken ins Landesinnere einen Damm gebrochen rochen sie, wie unzählige Dämonen ihrem Beispiel folgten. Hinter den Oni ergoss sich eine wahre Welle von Flüchtlingen über die Grenze, verzweifelt auf der Suche nach Sicherheit und Nahrung. Doch die Rotte hielt sich nicht damit auf, einige von ihnen abzupassen. Ihr Führer hatte bessere Beute gewittert. Ein Menschendorf. Ungeschützt, ungewarnt, sich blind auf den angeblichen Schutz des Daiyoukais verlassend, waren sie eine leichte Beute gewesen. Dies war die erste richtige Nahrung seit zwei Wochen. Nicht einmal die Hälfte der Menschen hatte die erste Minute des Angriffs überlebt. Von draußen erklangen die Geräusche ausgelassener Fröhlichkeit, lautes Gegröle, das Knacken berstender Knochen, laute Schlürfgeräusche, hohles Prasseln, wenn wieder eine Hütte unter dem Gewicht eines vor Blut trunkenen Keiler zusammenbrach. Die reiche Beute, die Erleichterung und der helle Mond ließ die Rotte den Rest ihrer anfänglichen Vorsicht vergessen. Hemmungslos gaben sie sich dem Rausch des Überflusses und des Sieges hin. Schrilles, begeistertes Kreischen gellte aus vielen Kehlen, als sich zwei Männchen gegenseitig an die Kehle sprangen, um die Gunst eines läufigen Weibchen zu erlangen, das sich bewusst provozierend durch die Rotte bewegte und den Aufruhr genoss, der sich um sie herum ausbreitete. Dumpfe Schläge von Keulen und Fäusten gingen in dem heulenden Brüllen der Kämpfer beinahe unter, als sie mit aller Macht aufeinander einschlugen. In der Hütte blickte das Männchen nicht auf, tastete abwesend herum und fischte sich einen vom Feuer weitgehend verschonten Knochen aus der Glut. „Idioten…“ murrte er gelangweilt. Die Rippe zersplitterte unter seinen mächtigen Zähnen. Mit einem schlürfenden Geräusch sog er genüsslich das warme Mark heraus. Es wäre wirklich überflüssig, wenn sich diese Kerle nun durch Übermut gegenseitig umbrächten. Sollte sich doch der Anführer um diese Spinner kümmern. Auf ihn würden sie jetzt eh nicht hören… Allerdings war der vor ihrem kleinen Ausflug mit einem der Weibchen hinter den Hütten verschwunden… und es würde wohl etwas mehr als eine Schlägerei unter seinen Kriegern nötig sein, um ihn jetzt zu unterbrechen. Der alte Keiler zuckte unwillig mit der Schnauze. Musste ER selbst jetzt etwa…? Er grunzte zufrieden und erleichtert, als der wilde Lärm draußen auf einmal verebbte. Es schien, als kämen sie doch langsam wieder zur Vernunft. oOo Stille senkte sich über das zerstörte Dorf. Die eben noch laut schreienden Männchen verstummten, als sie den Fremden in ihrer Mitte anstarrten, von dem sie nicht einmal bemerkt hatten, wie er überhaupt in ihre Reihen gekommen war. Er war auf einmal einfach da, inmitten der ihn um zwei Köpfe überragenden Oni, völlig selbstverständlich und ungerührt von den muskelbepackten Monstern um ihn herum. Das Mondlicht fing sich in den langen weißen Haaren und ließ sie aufleuchten, während das Gesicht im Schatten lag. Der auffrischende Nachtwind spielte mit seiner Kleidung, ließ den linken Ärmel seltsam frei in den vereinzelten Böen wehen. Dunkel schimmerten ein schwerer Brustpanzer und zwei Langschwerter auf dem weißen Haori. Er wirkte trotz der Rüstung und der Waffen geradezu zart inmitten der grobschlächtigen Oni. Etwas an ihm ließ ihren Rausch verfliegen, sie schlagartig und vollständig ernüchtern, als wäre die warme Frühlingsnacht urplötzlich vom klirrenden Frost des Winters vertrieben worden. Sie wichen unwillkürlich zurück, als er einfach weiterging, mitten durch die Menge der blutbeschmierten Keiler hindurch, als würden sie für ihn nicht existieren. Sie spürten, wie sich die Borsten auf ihren Körpern sträubten, sich ihre Kehlen zusammenschnürten. Klauen und Lefzen zuckten hilflos, als die Rotte verzweifelt versuchte, ihre Fassung und Zuversicht wieder zu erlangen, die fröhliche Unbekümmertheit von eben wieder zu spüren und diesen dumpfen, unerträglichen Druck auf ihren Gemütern zu vertreiben. Wer war das? Ein jäher, eisiger Windstoß fegte über sie hinweg, als er langsam den Kopf drehte, den Blick über die vernichtete Siedlung schweifen ließ. Kalt schimmernde, gelbe Raubtieraugen, bar jeglicher Emotion musterten sie gleichgültig, gelangweilt. Das feine, blasse Gesicht zeigte keinerlei Regung, keinen Zorn, keine Furcht, nur eisige Leere. Die gesamte Rotte spürte, wie sie plötzlich Todesangst durchströmte, kaltes Entsetzen, wie sie es noch niemals zuvor empfunden hatten. Die erlebten Schrecken der unbekannten Bestie verblassten in der Aura absoluter Gnadenlosigkeit und frostiger Kälte, die sie bis ins Innerste erschütterte, ihr Denken und Handeln lähmte. Sollte dies etwa… Sie sollten nicht die Zeit haben zu erraten, wer ihnen den Tod bringen würde. Ohne in seinem gemächlichen Schritt innezuhalten, hob er die rechte Hand mit einer anmutigen, fließenden Bewegung, zwei Finger leicht ausgestreckt. Unter den langen, krallenartigen Nägeln leuchtete es grün auf. Dann schlug er zu. Das Letzte, was die Oni wahrnahmen, war das Zischen einer unbändigen Energie und ein Band aus grünem Licht, das wie eine Peitsche durch ihre Körper schnitt, ihre Leben auslöschte, beiläufig, wie das Ersticken kleiner Funken neben einer Feuerstelle. Es fegte durch die Reste der Hütten, zerfetzte sie und alles, was sich in ihnen befand so gründlich, als hätte es nie existiert. Splitter und Fleischfetzen prasselten auf zertrampelte und geschändete Erde herab, versanken in dem blutgetränkten Schlamm. Eine gespenstische Lautlosigkeit lag über allem, als der weiße Youkai seinen Weg durch das Dorf unaufhaltsam fortsetzte, nur das Aufklatschen der Körperteile auf der feuchten Erde und das berstende Splittern von Holz war zu hören. Die konzentrierte Energie fauchte in weiten Schwüngen über die Trümmer hinweg, erfasste ein letztes panisch flüchtendes Paar, durchtrennte den Hals des Weibchens und den mächtigen Torso des Anführers, als bestünden sie nur aus gestaltlosem Dunst. Noch bevor der Aufprall auf den Boden den letzten Atemhauch aus dem bereits toten Körper pressen konnte, verlor sich die helle Gestalt des Youkai in dem flirrenden Spiel aus Strahlen weißen Mondlichts und den Schatten des Waldes, so geräuschlos und unwirklich verschwindend, wie er erschienen war. ~~ Drückende Stille lag über dem Dorf, das nun einem Totenfeld glich. Dampf stieg aus dem aufgewühlten Boden auf, die zu einer unkenntlichen Masse verschmolzenen Überreste von Menschen und Dämonen schimmerten schwarz vor Blut. Lange Zeit herrschte gefrorenes Schweigen über der Lichtung, als würde die Natur angesichts der geschehen Grausamkeiten den Atem anhalten. Die verdunstende Feuchtigkeit verdichtete sich zu feinem Nebel, der sich wie eine Decke über die verwüstete Lichtung legte, ein weiß leuchtendes Leichentuch, in dem sogar die kläglichen Reste der Hütten versanken. Die erfrischende Kühle der anrückenden Morgenstunden senkte sich bereits auf das Land, als sich im Unterholz des Waldrandes schemenhafte, huschende Schatten unter dem Nebel abzeichneten. Das Rudel abgemagerter Wölfe hatte die Oni schon seit Monaten auf allen ihren Beutezügen heimlich begleitet, immer außer Reichweite von Klauen und Keulen, hatte sich an den Überresten der Beute gütlich getan, hatte die kleinen Tiere erlegt, die von den schwerfälligen Dämonen aufgescheucht worden waren. Sie waren der Rotte gefolgt, als diese aus ihrem Revier floh, voller hartnäckiger Gewissheit, dass diese ungeschlachten Ungeheuer Beute, Nahrung bedeuteten, eine unverrückbare Konstante im Leben der vom Hunger ausgezehrten Tiere. Nun hoben sie witternd ihre Schnauzen in die dunstige Luft, vergewisserten sich, das hier keine Spur von Leben mehr vorhanden war, umkreisten die Lichtung wie Schattenwesen in immer engeren Kreisen- bis sich das Leittier endlich mit einem gierigen Jappen in das undurchdringliche Weiß stürzte. Das Rudel folgte augenblicklich, warf sich auf das erkaltete Fleisch, das ihr Überleben, ihre Rettung bedeutete, schlang es in sich hinein, ungeachtete dessen, wessen Überreste hinter ihren blitzenden Fängen den Weg allen Fleisches gingen. Jäger und Beute waren eins geworden. ~°~ Reglos stand der weiße Youkai auf der Spitze der zerklüfteten Klippe, blickte über das dunkle, wogende Meer der Wipfel hinweg, das sich unter ihm bis zum Horizont erstreckte. Der stärker werdende Wind strich darüber hinweg, lies Woge um Woge entstehen, trieb sie in einem langsamen Rhythmus vor sich her. Das Knarren und Rauschen der aneinander reibenden Bäume erfüllte die Luft wie das stetige Rauschen einer milden Brandung. Er drehte den Kopf, sog die kühlen, schmeichelnden Böen tief ein, las den Wind, trank seine Botschaften in sich hinein. Die heranströmende Luft trug den Atem des Sturms mit sich. Sesshoumaru verspürte das eigenartige Gefühl, das der rapide anfallende Luftdruck verursachte, die erste Ahnung der sich immer weiter aufbauenden Energien, die in Kürze über das Land hereinbrechen würden. Wasser und Sturm würden über Wälder und Berge hinwegfegen, den widerwärtigen Geruch und das schmutzige Blut fort waschen, das besudelte Land wieder reinigen. Der Gestank der vernichteten Oni lag noch immer wie ein ekelhafter Film auf seinem sensiblen Geruchsinn. Abschaum… Nichts war ihm entgangen. Weder die fremde Präsenz, die wie ein gieriges Raubtier in den Ebenen von Musashi jagte, noch der heftige Zusammenprall von Youki und menschlichem Ki, der in seiner Intensität die gesamte Sphäre erschüttert hatte. Etwas lag in der Luft, eine ungeheure, wachsende Spannung, die seine Sinne reizte und begann, immer nachhaltiger seine Aufmerksamkeit einzufordern- etwas Unbekanntes, Fremdartiges, dass er nun endgültig nicht mehr länger ignorieren konnte. Eine weitere Windböe fegte heran, peitschte über die schwankenden Zweige hinweg und zerrte an seiner Kleidung, seinen Haaren. Verpestet von dem Gestank des sich windenden Ungeziefers an den Grenzen seines Landes… Lästig. Die Luft um ihn herum verfinsterte sich. Dunkles Licht- konzentriertes Youki loderte wie eine Flamme empor, verfinsterte den nächtlichen Himmel mit brodelnden Wolkenmassen. Die Luft stöhnte unter der gewaltigen Energie, die sich in konzentrischen Wellen um den weißen Dämon herum ausbreitete, ihn umhüllte und den Fels unter seinen Füßen zum Beben brachte. Heftige Entladungen blauen Feuers umspielten die Gestalt Sesshoumarus, als er seiner Macht freien Lauf ließ. Mit einem dumpfen Grollen explodierte die angestaute Energie in einer Druckwelle aus schiere Kälte, rollte über die Klippe, den darunter liegenden Wald hinweg, durchfuhr die Eindringlinge wie ein eisiger Hieb und fegte den verzweifelten Mut der vorrückenden Youkai davon wie trockenes Laub. Dann lag die Klippe wieder ruhig und still unter dem Nachthimmel. Sesshoumaru hob den Kopf, ließ den tobenden Wind durch sich hindurchfließen, roch und spürte die unzähligen Witterungen und Auren der niederen Dämonen, die sich in panischer Flucht wieder nach Osten zurückzogen. Er blieb noch einen Augenblick auf der nun verwüsteten Anhöhe, inmitten der Reste von zerborstenen Felsen und zerrissenen Bäumen. Die erste Sturmbö heulte über den Felsen, peitschte über das Blättermeer hinweg und ließ das stetige Rauschen zu einem donnernden Brecher anschwellen. Für einen Augenblick war ihm, als läge ein fernes Brüllen in dem tosenden Wind, vermischt mit der Stimme des Sturmes zu einem Klang voller Triumph und Gier. Er wandte sich ab. Es war ihm gleich. Was auch immer dort im Osten wütete- mit dem Wechsel in den Westen würde sein Schicksal besiegelt sein. ~°~ Stille lag über der kleinen Lichtung. Der sinkende Mond verschwand zusehends hinter einer Wand aus feinem, sich zunehmend verdichtendem Dunst. Ein Lichthof umgab die schmale Sichel, schien ihn dadurch zu vergrößern und gleichzeitig den Blicken entrücken zu wollen. Nur noch matt spiegelte sich das silberne Licht in der kleinen Quelle, die sich unter der mächtigen Zeder entlang ihren Weg suchte. Ihr breiter Stamm hielt den roten Schein des Lagerfeuers von dem leise plätschernden Wasserlauf ab. Das Gewässer hatte diese Nacht bereits genug Rot in sich auf genommen und davon gespült. „Jetzt entspann dich doch endlich, Inuyasha!“ Der Hanyou reagierte lediglich mit einem unwilligen Knurren. „Was erwartest du? Das sie plötzlich aufspringt und uns anfällt? Oder das es sich ihr Beschützer plötzlich anders überlegt?“ Immer noch keine Reaktion, lediglich ein kurzes Zucken der weißen Ohren. Miroku stocherte mit einem genervten Aufseufzen in der spärlichen Glut herum, schob weitere Holzstücke in das Feuer. Ausgehen lassen wollte er das Feuer nicht. Es vermittelte ihm das trügerische Gefühl von Sicherheit. Völlig traute er dem Frieden nicht, Bewusstlosigkeit und demonstrierte Friedfertigkeit hin oder her. Allein die stille, subtil drohende und wachsame Gegenwart des Pferdedämons sorgten dafür, dass er es nicht wagte, die Hand vom Griff seines Stabes zu nehmen. Miroku hatte das Gefühl, diese Situation nur zu gut zu kennen. Finstere Blicke, die wie Dolche hin und her geworfen wurden, eine vibrierende Spannung in der Luft, als müsste sich die unterdrückte Aggressivität gleich in einem lauten Knall entladen, der mühsam gezügelte Drang, dem Gegenüber an die Kehle zu springen… Nur war Buddha-sei-Dank diesmal nicht er das Ziel dieser Blicke. Das stumme Blickduell, das zwischen dem Pferde-Youkai und Inuyasha stattfand, zerrte zunehmend an Mirokus Nerven. Für eine Sekunde schoss ihm die Vorstellung durch den Kopf, wie es wäre BEIDE durch Bannzettel ruhig zu stellen, aber dieser Gedanke verschwand genauso schnell, wie er gekommen war. Die Götter waren bereits einmal sehr gnädig zu ihm gewesen. Miroku bezweifelte, das ihm noch einmal ein solches Glück beschieden sein würde… Soviel zum Thema „Ausruhen“, dachte er sarkastisch. Ein knackender Ast im Gebüsch würde reichen, um sie alle bis in die Sterne springen zu lassen. Nun, wohl nicht alle… Er warf einen neidvollen Blick zu den friedlich schlummernden Gestalten auf der anderen Seite des Feuers. Kagome und Shippou hatten sich wie üblich in diesem merkwürdigen Schlafsack verkrochen, Sango hatte sich so tief in ihre Decken gewickelt, das nur ihr Haarschopf unter dem schweren Stoff hervorlugte. Auf dem dunklen Untergrund leuchteten die weit geöffneten Augen Kiraras wie glühende Kohlen. Die Nekomata hatte sich in ihrer kleinen Gestalt entspannt auf Sangos Bauch zusammengerollt, ließ aber keinen Augenblick in ihrer Wachsamkeit nach. Sango und vor allem Kagome und Shippou schliefen den Schlaf der absoluten Erschöpfung. Erst der Schock des Angriffs, dann der verbissene Kampf um das Leben des verletzten Dämons… Kagome hatte sich nicht mit langen Erklärungen aufgehalten, sondern sich völlig auf die Versorgung dieses Youkais konzentriert, während ihr Sango ohne zu fragen einfach geholfen hatte. Sie hatten die Dämonin bis hierher, zu ihrem Lagerplatz getragen- Kagome hatte das Wasser und das übrige Verbandsmaterial gebraucht. Außerdem hätte es wohl niemand ansprechend gefunden, neben dieser riesigen Blutlache zu nächtigen- von der Wirkung des Geruchs auf herumstreunende Youkai und Raubtiere mal ganz zu schweigen. Sie hatten augenblicklich wahrhaftig genügend Aufregung!! Kagome- sama… Miroku schüttelte den Kopf. Ihre Gutherzigkeit würde sie vielleicht noch eines Tages den Kopf kosten. Das Mädchen aus der anderen Zeit war alles andere als zimperlich oder furchtsam angesichts der zahlreichen Gefahren, die ihnen hier tagtäglich begegneten. Und doch war sie hier eindeutig am Ende ihrer Kräfte angelangt. Und das lag bei weitem nicht nur an der langen und anstrengenden Suche in den Wochen davor… Das grimmige, feindselige Schweigen Inuyashas, Shippous offensichtliche Furcht, die Schürfwunden auf Kagomes Knien und das heftige Zittern, das zuletzt eingesetzt hatte…. Es interessierte den Houshi brennend, was dort vor seiner Ankunft geschehen war. Aber auch, was noch vor ihrem Zusammentreffen passiert sein mochte! Was hatte diesen Dämon so zugerichtet? Kagome hatte etwas von einem Bannpfeil gesagt, bevor sie ihn weggescheucht hatte. Das war durchaus bedenklich. Mikos oder Priester schossen nicht zum Vergnügen auf derart mächtige Youkai, und mächtig waren diese beiden, das stand für ihn außer Frage. Zwar konnte er keine dämonische Aura wahrnehmen, aber das bewies nur, dass zumindest der Pferdedämon in der Lage war, gleich zwei Auren vollständig zu unterdrücken. Alleine die Tatsache, dass diese Youkai derartige Verletzungen, einen Bannpfeil überlebt hatte… Der Mönch betrachtete die schlaffe Gestalt forschend aus den Augenwinkeln. Die Youkai lag reglos unter der gewaltigen Zeder, den Kopf auf dem leergeräumten Rucksack Kagomes gestützt. Die weißen Verbände um Hals, Schulter, Armen und dem Bein hoben sich strahlend von dem wieder pechschwarzen Fell ab, das mit den Schatten der Nacht zu verschmelzen schien. Kagome hatte sie mehrmals wechseln müssen, bevor die Blutungen endlich versiegt waren. Kagome und Sango hatten die völlig verschmutzte und zerrissene Kleidung herunter geschnitten, das verkrustete Blut abgewaschen und dabei neben den schweren Wunden an Bein und Halsbeuge zahlreiche weitere Verletzungen am gesamten Körper entdeckt. Spuren von Shuriken und Schwertern, glücklicherweise war keine so gravierend und schwerwiegend gewesen wie die Wunden an Bein und Halsbeuge, aber dennoch tief genug, um den Zustand der Dämonin nachhaltig zu verschlechtern. Der Houshi blinzelte, sah nachdenklich ins Feuer. Er hatte den Blick kaum von der bewusstlosen Youkai lassen können. Und das lag ausnahmsweise eindeutig nicht an dem Geschlecht des Youkai, dass er trotz der annähernd tierischen Form als Erster eindeutig als weiblich erkannt hatte, sondern an… ja, an was? An der Tatsache, das er noch nie zuvor so nahe an einem so mächtigen Dämon gestanden hatte, ihn so ungeniert mustern konnte? Er musste sich eingestehen, dass es ihn fasziniert hatte. Ein schlanker, menschlich und tierisch zugleich anmutender Körper, muskulös und geschmeidig, auf eine irritierende Art feminin. Starke, aber feingliedrige Hände, die weißen Krallen eingezogen, die Finger täuschend harmlos erscheinend. Die Beine endeten in einer Art lang gezogener Pfoten mit scharfen Krallen anstatt von Füßen. Der Kopf war völlig tierisch, mit breiter Stirn und Nasenpartie, kraftvoller Kiefer- und Nackenmuskulatur und dennoch feinen Gesichtszügen- er hatte ein solches Tier noch nie gesehen. Das war keine der Katzenrassen oder Tierdämonen, denen er bis jetzt begegnet war. Kagome hatte etwas von einem schwarzen Panther oder Leopard gesagt- Miroku hatte von gewaltigen Raubkatzen in den Dschungeln Chinas gehört, lange nicht so gewaltig wie die Tiger, doch gefährlich genug, um für Furcht und Schrecken unter den Menschen zu sorgen… Selbst in diesem erbärmlichen Zustand strahlte er etwas aus, was Miroku zur Vorsicht ermahnte, etwas fremdes, uraltes, lauerndes… er hatte den Blick einfach nicht abwenden können. Einen gefährlichen, vermutlich sehr starken Youkai so hilflos zu sehen… Die Faszination, die diese Situation auf ihn ausübte, was nicht zu leugnen. Doch wäre er niemals auch nur eine Sekunde in Versuchung geraten, ihr näher zu kommen. Ihr Begleiter hatte ihnen auf wortlose Weise sehr eindringlich zu verstehen gegeben, dass er nur Kagome und Sango in ihrer unmittelbaren Nähe duldete. Miroku und Inuyasha hatten sich nach einem Schritt zu viel einem weit aufgerissenen, geifernden Maul mit beeindruckenden Fangzähnen gegenüber gesehen und das sehr eindeutige Gefühl einer Todesdrohung empfangen. Dann hatte Kagome sie weggescheucht. Und sie hatte dabei sehr eindringlich gewirkt… selbst Inuyasha war nach einigen Augenblicken widerspruchslos zurückgewichen. Es hatte etwas in ihrer Stimme gelegen, das jeden Protest im Keim erstickte. Der Pferdedämon war nie weiter als einige Meter von der Seite der Youkai gewichen, immer zwischen der Bewusstlosen und den beiden Männern, und auch jetzt lauerte er neben ihr wie ein drohender Rachegott, die starren, schwarzen Augen nicht eine Sekunde von dem Menschen und dem Hanyou lassend. Kagome hatte ihnen felsenfest versichert, das er ihnen nichts tun würde, solange sie ihn oder die Verletzte nicht bedrohen würden. Ihrem tiefen Schlaf nach zu urteilen, musste sie diesem Dämon vertrauen, Erschöpfung hin oder her. Miroku konnte diese Gewissheit nicht so ganz nachvollziehen. Zwar schien es bisher so, als ob Kagome Recht behalten würde und der Mönch vertraute ihr auch, aber … Es half nichts. Miroku fühlte sich unter den Augen des Pferdeyoukai wie eine Maus unter dem Schatten eines Raubvogels. Und der konnte jeden Augenblick zuschlagen. Allerdings… Der Houshi schielte vorsichtig zur gegenüberliegenden Seite des Feuers. Verglichen mit der angespannten Haltung Inuyashas war er trotz allem geradezu ein Ausbund an Ausgeglichenheit! Der Hanyou war derart angespannt, das Miroku damit rechnete, jede Sekunde Sehnen und Muskeln mit dem Klang einer zerspringenden Shamisen- Saite reißen zu hören. Er hatte sich seitlich zum Feuer gesetzt, Tessaiga fest in den Händen haltend, die Beine lediglich leicht unterschlagen, um jederzeit aufspringen zu können, alle Sinne auf die beiden Dämonen gerichtet. Inuyasha saß bereit seit Stunden in diese Position, seitdem Augenblick, in dem Kagome mit erschöpfter Erleichterung von dem schwer verwundeten Youkai abgelassen hatte. Und auch vorher… Er hatte seitdem sie die Lichtung verlassen hatten kein Wort mehr gesprochen, die Handlungen Kagomes mit grimmigem Schweigen beobachtet, ohne auch nur einmal die Hand von Tessaigas Griff zu nehmen. Miroku erinnerte sich mit Schaudern an den Anblick, der sich ihm auf der Lichtung geboten hatte. Kagomes furchterfüllte Augen, die blutüberströmte Gestalt des Youkai, aber auch nur zu deutlich an den fassungslos- entsetzten Ausdruck in Inuyashas Gesicht, als sich der Hanyou nach der Attacke wieder aufgerappelt hatte. Dieser Gesichtsausdruck hatte sich dem Houshi unwiderruflich eingeprägt. Bleich, weit aufgerissene Augen… Etwas schien Inuyasha bin ins Innerste erschüttert zu haben… war es der Angriff? Aber… seit wann schaffte es ein Dämon, Inuyasha derart zu schockieren? Miroku wusste immer noch nicht, was dort auf der Lichtung eigentlich genau geschehen war. Und es sah nicht so aus, als würde er demnächst eine Antwort erhalten. oOo Inuyasha spürte eine seltsame Mischung aus Furcht und Wut, Erleichterung und Zorn. Seine Gedanken und Gefühle überschlugen sich beinahe, drehten sich, wechselten sich in einem irrwitzigen Takt, der es ihm unmöglich brachte, seinen inneren Aufruhr unter Kontrolle zu bringen. Das immer noch nachhallende Echo der Furcht, die er in dem Augenblick unter den Krallen dieses Dämons empfunden hatte, Wut über seine eigene Schwäche, die Kagome das Leben hätte kosten können. Erleichterung darüber, dass es ihr gut ging, Zorn über ihre Dummheit, sich in diese Gefahr begeben zu haben. Das hättest du nicht tun sollen, Kagome… immer wieder geisterte dieser Satz durch seinen Kopf. Wie kam man bloß auf den Gedanken, einen wildfremden und aggressiven Dämon retten zu wollen? Dieses dämliche Mitleid und ach so menschliche Mitgefühl… Mitgefühl… in seiner Brust zog sich etwas zu einem festen Knoten zusammen, was er nicht bestimmen konnte. Und vielleicht auch gar nicht wollte… „Hätte ich ihn einfach liegen lassen sollen?“ war ihre einzige Antwort gewesen, als er sie angeschrienen hatte, was zur Hölle sie sich dabei gedacht hatte! Er hatte nachgegeben, als Kagome ihn mit vor Wut funkelnden Augen auf die Beinwunde aufmerksam gemacht hatte. Der Panther-Youkai hatte sich das verwundete Bein abschlagen wollen… Inuyasha überlief unwillkürlich ein kalter Schauer. Er konnte nicht einmal genau sagen, weswegen… er selbst hätte Kouga beinahe einen Arm abgetrennt, um ihn vor der Vergiftung durch eine gefälschten Juwelensplitter zu retten. Er hatte darin ja schließlich allmählich Übung… er schluckte den bitteren Geschmack herunter, der sich bei diesem Gedanken seinen Hals empor geschlichen hatte. Er hatte noch Nächte nach jenem Kampf Sesshoumarus Schrei in den Ohren gehabt! Der Schmerzensschrei seines Bruders… Der abgewetzte Stoff an Tessaigas Griff knirschte, als er ihn unbewusst fester umklammerte, versuchte, das drückende Gefühl auf seinem Brustkorb zu ignorieren. Wieder einmal… Dann atmete er tief ein. Was brachte es, darüber nachzudenken? Sesshoumaru hatte ihm keine Wahl gelassen- und sie hatten nun ganz andere Sorgen! Einen Augenblick lang vermutete er, dass seine Verwirrung einfach an seiner Müdigkeit lag, doch diesen Gedanken schob er energisch beiseite. Er wurde NICHT müde! Niemals! „Inuyasha?“ Miroku blickte aufmerksam zu ihm herüber. „Was.“ Inuyasha wandte nicht einmal den Kopf. „Willst du mir nicht langsam sagen, was auf der Lichtung passiert ist?“ Inuyashas Miene blieb unbewegt. Was sollte er Miroku sagen? Das er Todesangst ausgestanden hatte? Das er diese Angst zuerst nicht seinetwegen, sondern wegen Kagome empfunden hatte? Die zerreißende Furcht, zu spät zu kommen? Und dann das Bewusstsein, versagt zu haben, überwältigt worden zu sein, sie nicht beschützen zu können… Er hatte gedacht, noch nie im Leben so schnell gewesen zu sein- und doch hatte er sich von einer Sekunde auf die andere völlig wehrlos am Boden wieder gefunden. Hilflos… und über sich diese weißen Augen, blick- und seelenlos, nur beherrscht von der Freude am Töten. Es waren diese Geschwindigkeit, diese leeren Augen gewesen, die ihn so erschüttert hatten. Er war schon mehr als einmal in Bedrängnis geraten, aber noch nie war er so schnell, so brutal und rückhaltlos attackiert worden. Der Panther hatte Mordlust ausgestrahlt wie verzehrende Hitze. Kein Ausspielen der Überlegenheit, kein überhebliches Gerede, keine Demütigungen, wie er sie durch Sesshoumaru erfahren hatte, keine Freude an seiner Niederlage… nur der absolute Wille zu töten. Gleichgültig, wer sein Opfer sein würde. „Willst du nicht darüber reden?“ Miroku ließ nicht locker. Nein, Inuyasha wollte nicht. Er wusste nicht einmal warum. Miroku war klug, bedächtig mit dem, was er sagte. Sehr oft lag er richtig. Warum also nicht? Warum sträubte sich etwas in ihm, über dieses Erlebnis zu reden? „Keh…“ Es nagte an ihm, machte ihn rasend vor Unruhe und Zweifel. Es irritierte, verunsicherte ihn. Warum? Weil er so mühelos überwältigt worden war? Weil er das Gefühl gehabt hatte, ein Abbild seiner selbst in diesem vom Wahnsinn geprägten Blick zu sehen? Wieder sah er dieses Gesicht vor seinem inneren Auge, spürte die Krallen in seinem Fleisch. Nur eine kleine Bewegung hätte gereicht- und es wäre vorbei gewesen! Nicht sein Halbbruder, nicht Naraku, auch nicht Kikyou hätten sein Leben beendet- sondern ein Dämon, den er noch nie zuvor gesehen hatte. Inuyashas Blick verfinsterte sich. Nach all den Kämpfen und Verletzungen, die er erlitten hatte, ÜBERLEBT hatte, trotz der scheinbar übermächtigen Gegner, die schließlich durch seine Hand gefallen waren, hatte er völlig wehrlos unter dieser Youkai gelegen. Und für einen Augenblick war er tatsächlich sicher gewesen, sterben zu müssen. Dieser Dämon hätte nur zuschlagen müssen- und er war mehr als bereit dazu gewesen. Er hatte es gewollt, mit jeder Faser seiner Existenz- und doch… …hatte er es nicht getan. Inuyasha starrte auf den bewusstlosen Körper. Das Feuer warf schimmernde Reflexe auf das noch feuchte Fell. In dem Moment, als er wieder zu sich gekommen war… In den Augen des Youkai hatte etwas gelegen, das Inuyasha nicht einordnen, nicht verstehen konnte. Der Dämon war zurückgewichen, einfach so. Warum? Inuyasha verstand überhaupt gar nichts mehr. Was war es gewesen, das den Youkai wieder zur Besinnung gebracht hatte? Warum konnte dieser Youkai ihn derart verwirren und aufwühlen, Erinnerungen und Gefühle wecken, die er schon längst abgelegt geglaubt hatte?? Wer war das? Und vor allem: Warum hatte er ihn verschont? ~°~ Schwärze. Die absolute Abwesenheit von Licht, schwer und undurchdringlich wie die tiefste Finsternis einer Höhle. Und doch… empfand Shahi das Gefühl von Sicherheit. Die Dunkelheit umfing sie wie ein schützender Mantel, verbarg sie vor fremden Blicken. Sie eröffnete Wege, lud förmlich dazu ein, die für ihre Beute unsichtbaren Tunnel zu durchstreifen, lautlos und ungesehen in deren Rücken zu gelangen, sie zu beobachten, wie sie ahnungslos im Schatten Schutz vor der Sonne suchten oder sich vom erhellenden Kreis eines Feuers entfernten und sich so dem lauernden Jäger der Dunkelheit darboten. Shahi glitt durch die Schatten, genoss das fiebrige Pulsieren des Blutes in ihrem Adern. Das schiere, rauschhafte Vergnügen der Jagd, die Gewissheit, dass ihr keine Beute entgehen konnte… Sie sah den Rücken vor sich, der sich schutzlos ihren Klauen darbot, spreizte voller Vorfreude die Krallen, um sie mit einem Schlag durch den Körper des Opfers zu jagen… Kurz verschwamm das Bild vor ihren Augen, dunkle Schlieren wogten, verschlangen sich ineinander, um sich wieder zu teilen und ihr wieder neue Pfade zu erschließen. Shahi tauchte ein in das vertraute Labyrinth, folgte den verlockenden Düften und Auren weiterer potentieller Beute. Shahi witterte die unzähligen Wesen, die auf der Ebene vor dem Kampfplatz lauerten, roch ihre Furcht und Nervosität, aber auch die ungeduldige Erregung, die die Kampfeslustigeren unter den Kriegern befallen hatten. Dämonen jeglicher Rassen die sich unter einem Anführer geeint hatten, um eine weitere in Shahis Augen vergnügliche, aber im Endeffekt belangslose Schlacht zu schlagen. Nicht, das es sie stören würde… Gier regte sich in ihr, Vorfreude auf die Extase des Kampfes, der selbstvergessenen Raserei. Sie wartete, bis die hinter den Bergen versinkende Sonne ihre Lust entfesseln konnte, wanderte mit den vorrückenden Schatten, rückte in ihnen immer näher an die Dämonen heran, die nichts von dem gnadenlosen Feind ahnten, der sich nun in ihrer Mitte erhob. Ihre Klauen spannten sich an, umfassten den Dolch in ihrer Hand fester, als sie sich dem ersten Dämon zuwandte, der aufgeschreckt von der Bewegung in seinem Rücken, herumfuhr und reflexartig mit der Pranke ausholte, schiere Panik im Gesicht. Sie lächelte angesichts dieser armseligen Geste. Widerstand. Wie amüsant. Wie nutzlos! Klinge und Krallen zielten auf die ungeschützte Bauchdecke. Sie würde ihn im Vorbeispringen töten. Er war ihrer längeren Aufmerksamkeit nicht wert. Und da warteten noch so viele andere… Doch sie konnte ihre Bewegungen nicht zu Ende führen. Erneut stieg die Dunkelheit an ihr empor und verschlang sie, sog sie zurück in die Schattenpfade. Eine Präsenz schien wie ein Leuchtfeuer in der Finsternis, rief nach ihr, sang förmlich vor verhaltener Energie, unwiderstehlich, verlockend… Shahi flog förmlich voran, immer dieser Witterung folgend, die so anders, so völlig unterschiedlich zu dem war, was sie in all den Jahrhunderten hatte spüren dürfen… schiere Kraft und vollkommene Ruhe vereint zu einem Lockruf, dem sie nicht widerstehen konnte, ihre Neugierde weckte und der ihre Erregung ins unermessliche steigen ließ… Vor ihr teilten sich die Schatten, flossen auseinander und enthüllten die Quelle dieser Aura: Ein geradezu zartes, blasses und noch jugendliches, beinahe kindliches Gesicht, goldene Augen, deren ausdrucksloser, kalter Blick sich unbarmherzig in ihre bohrte, die krallenbewehrte Hand bereits am Griff des Schwertes wartete er auf sie…ohne Furcht, ohne Zorn, ohne Erregung… nur die Ausstrahlung von Macht und kompromisslosen Kampfeswillen umgab ihn wie eisiges blaues Feuer, bereit, jeden zu verbrennen, der es wagen würde, sich ihm zu nähern. Keine Furcht. Kein Zorn. Nur eisige Ruhe. Entschlossenheit. Die Schatten glitten weiter zurück, wichen vor ihr zurück, gaben sie preis vor diesem jungen Dämon, der den Tod aus der Dunkelheit gespürt hatte, ihn nicht fürchtete und nun unerschrocken den unausweichlichen Angriff erwartete. Keine Beute, sondern…etwas anderes, etwas neues. Es irritierte, verstörte sie. Jeglicher Tötungsdrang verflog unter diesem steinernen Blick, wich einem anderen, fremden Gefühl, das ihr Herz zum rasen brachte, auf völlig unbekannte Weise. Shahi war unfähig, es einzuordnen oder zu bestimmen. Was war das? Sie wollte auf diesen Dämon zugehen, es herausfinden, ihn vielleicht sogar einfach fragen, doch schienen ihre Glieder wie erstarrt zu sein. Unfähig zu der geringsten Bewegung konnte sie nur zusehen, wie er sie noch immer emotionslos musterte und seinen forschenden Blick erwidern. Fasziniert. Staunend. Auf unerklärliche Weise glücklich. Voller freudiger Erwartung. Als hätte er etwas, dass sie schon lange gesucht hatte. Dann verschwamm seine Gestalt vor ihren Augen. Die Schatten krochen wieder auf sie zu, umschlangen sie und zogen sie zurück in ihre vertrauten Pfade, ließen sie diesen Anblick, dieses Gefühl vergessen. Für einen Augenblick wollte sich etwas in ihr sträuben, sich gegen das Vergessen wehren, dieses neue Gefühl bewahren und erforschen, doch es erstickte schnell unter den auf sie einstürmenden, berauschenden Gerüchen und Präsenzen. So viele Wege, so unendlich viele Möglichkeiten der Jagd und des Tötens… Ihr Herz begann, wieder in seinem gewöhnlichen Takt zu schlagen, als sie endgültig dem Jagdfieber erlag. Vibrierend vor Erwartung ließ sie sich tiefer sinken. Doch diesmal eröffneten sich ihr die Pfade nicht. Shahi blinzelte, öffnete schwerfällig die Augen. Noch immer schien sie die vertraute Schwärze zu umgeben. Doch es wölbte sich lediglich ein tiefschwarzer Himmel über ihr, ein undurchdringlicher Baldachin, der jegliches Licht verdeckte.. Nichts durchbrach die absolute Dunkelheit. Und doch… Vor ihr wuchs ein hölzerner Mast in die Höhe. Die Segel hingen schwer und lasch von der Takelage herab. Die geflochtenen Matten leuchteten warm im hellen Licht eines heißen Frühlingstages, ließ sie geblendet das Gesicht abwenden. Mast? Ihr Blick ging zur Seite, registrierte das nur noch zu gut bekannte blankpolierte und in der Sonne glänzende Deck des kleinen Seglers. Ihr Körper fühlte die typischen Bewegungen eines sich in leichter Fahrt befinden Schiffes. Das Schiff, das sie nach Edo bringen würde. Sie verspürte keinerlei Verwunderung. Schwerfällig wälzte sie sich herum. Muskeln und Knochen waren von einer wohligen, warmen Müdigkeit durchdrungen, die sie zufrieden aufseufzen ließ. Genüsslich streckte und dehnte sie sich, bevor sie sich endgültig erhob und den blutgetränkten Dolch wieder in den Gürtel schon. Sie bemerkte beiläufig, das auch ihr Fell, ihre Kleidung von Blut verklebt waren. Die schon eingetrockneten Krusten brachen knirschend, als sie sich bewegte, und das leise Geräusch hallte wie ein Gongschlag über das leere und stille Deck des Schiffes. Sie würde sich waschen müssen… sie mochte den Geruch kalten und trockenen Blutes nicht. Ein Blick über die Bordwand ließ sie jedoch von einem erfrischenden Bad Abstand nehmen. Die flachen Wogen einer friedlichen, ruhigen See luden förmlich zu einem erholsamen Sprung ein, doch das Wasser war dunkel, eine undurchsichtige schwarze Brühe, auf der in grellem Rot funkelnde Lichtpunkte tanzten. Nein, dieses Wasser würde ihr nicht unbedingt helfen, sich von dem lästigen Schmutz zu befreien. Shahi wandte sich gleichgültig ab, um sich wieder bequem niederzulassen und sich an das angenehm erwärmte Holz der Bordwand zu lehnen. Sie würde sich eben später säubern. Zuerst wollte sie noch ein Schauspiel genießen… Der Taijiya saß immer noch im Kniesitz an derselben Stelle, an der sie ihn zuletzt gesehen hatte. Vor seinen Knien lag auf einem weißen Seidentuch die blanke Klinge eines Wakizashi, dessen einstmals sorgfältig verzierter Griff beinahe bis zur völligen Zerstörung verkohlt war. Die helle Haut seines freien Oberkörpers schimmerte vom Spiel seiner Muskeln, als er sich vorbeugte und die leere Schale wieder neben das Teegeschirr stellte. Der Blick des Menschen war starr, undeutbar, als er den Kopf hob, ihre Augen suchte. Shahi rührte sich nicht, sah unbewegt zu, wie er zögernd nach dem verwüsteten Griff des Schwertes tastete und es schließlich vorsichtig aufhob, ohne den Augenkontakt zu lösen. Worauf wartete er? Es gab nur eine Möglichkeit für ihn, seine Ehre wieder herzustellen. Sie würde ihm diesen Gefallen nicht tun. Langsam umklammerte nun auch seine andere Hand das verbrannte Holz, richtete die Klinge aus, bis die aufblitzende Spitze auf seinen verletzlichen Bauch zeigte. Die dunklen Augen des Taijiya waren noch immer unbeirrt auf sie gerichtet, bohrten sich mit zunehmender Festigkeit in ihre, schienen in ihre Seele vordringen zu wollen, als ob sie dort nach etwas suchen würden. Ihre Pupillen zogen sich zusammen, als der Mensch noch immer keine Anstalten machte, den letzten Schnitt auszuführen. Ihre Geduld begann langsam zu schwinden. Was wollte er denn noch? Eine weitere, letzte Frage? Shahi lächelte, entblöße ihre Fangzähne zu einem spöttischen Grinsen. „Habt Ihr noch etwas auf dem Herzen, Jäger?“ Die hölzernen Spanten ächzten, als ein Windstoß in die Segel fuhr und das Schiff jäh nach vorne drückte. Der Himmel schien sich noch mehr zu verfinstern, als sich die vorher ebenmäßige Weite zusammenzuballen begann, schwere Wolken formte, die sich immer schneller absenkten, gerade zu ins Meer herabstürzten, drohende Mauer rund um das kleine Schiff zu bilden schienen. Die vorher sanften Wellen begannen, deutlich hörbar gegen den Rumpf zu klatschen und ließen das Schiff schwer rollen. Die leuchtenden und nun geblähten Segel stachen grell vor dem tiefschwarzen, brodelnden Himmel ab. Noch immer saß der Jäger bewegungslos vor ihr, während der nun stürmisch blasende Wind in ihre Kleidung fuhr, an ihrem zerrissenen Kaftan zerrte. Der Blutgeruch ihrer Kleidung begann, ihr unangenehm in die Nase zu stechen, außerdem verspürte sie ein leichtes Pochen an ihrem linken Oberschenkel und in ihrer Halsbeuge. „Ich habe in der Tat noch eine letzte Frage an Euch, Youkai.“ Die Stimme des Jägers klang seltsam verzerrt, aber völlig furchtlos. „Würdet Ihr mir die Großzügigkeit einer Antwort gewähren?“ Klang da tatsächlich so etwas wie Hohn in seinen Worten mit? Eine boshafte Antwort lag ihr auf der Zunge, doch sie sprach es nicht aus. Er hatte seine Ehre bereits verloren. Es wäre ein Zeichen von Würdelosigkeit, würde sie diesen Menschen jetzt noch verspotten. Ihrer eigenen Würdelosigkeit… Der Taijiya sah sie immer noch unverwandt an. Shahi öffnete den Mund, kam aber nicht dazu, die Worte zu formulieren. Das Pochen in ihrem Oberschenkel verschärfte sich schlagartig zu einem unerträglichen Brennen, das sie unwillkürlich gequält aufkeuchen ließ. Erschrocken sah sie, wie der Stoff über der schmerzenden Stelle zu rauchen begann. „Was…?“ Der Jäger rührte sich nicht, schien unbeeindruckt von dem nun tobenden Unwetter um sie herum. „Ihr sagtet, jedes Lebewesen auf dieser Welt hätte seinen eigenen Grund, warum es tötet. Doch stellt sich mir dann die Frage…“ Seine weiteren Worte wurden von einer heulenden Sturmbö übertönt, die dunkle Gischt auf das wild schwankende Deck niederregnen ließ. Shahi schloss die Augen, wandte sich ab, versuchte sich vor dem reizenden Salzwasser zu schützen und irgendwie festzuhalten, während das Deck förmlich von dem schwarzen Wasser überspült wurde. Als sie den Kopf wieder hob, war der Jäger verschwunden. An seiner Stelle saß ein in einen weißen Haori gekleideter Mann, dessen lange, schneeweiße Haare am Hinterkopf zu einem weich fließenden Zopf zusammengefasst waren und sich bis auf das Deck ergossen. Ein schwerer Umhang aus weißem Fell hing über seinen Rücken, Oberkörper und Oberarme wurden von einer wuchtigen, dornenbesetzten Rüstung geschützt. Massive Armschienen umschlossen die Unterarme. Zwei Katanas staken in seinem Obi, ein dritter, fremdartig geformter Schwertgriff ragte über seine Schulter hinaus. Kein Lufthauch ging, das Schiff lag unbeweglich auf der spiegelglatten Wasserfläche. Die tosenden Elemente waren wie gefroren. Selbst das Unwetter schien vor der majestätischen Ausstrahlung dieses Mannes zurückgewichen zu sein. Nichts regte sich mehr. Die schlaff herabhängenden Segel spiegelten sich auf dem schwarzen Wasser, ohne, dass nur ein leichtes Kräuseln das Bild erzittern ließ. Nur die kochenden Wolken schienen sich weiter zusammenzuziehen, wogten heran, bis sie einen gewaltigen, brodelnden Wirbel bildeten, der sich über dem kleinen Schiff träge zu drehen begann, an- und abschwellend wie der tiefe Atem eines ruhenden Leviathan. Eine Aura reiner Macht und Stärke umgaben ihn wie eine greifbare Hülle, ließen alles um ihn herum klein und nichtig erscheinen, ein unbeständiger, vergänglicher Nebelhauch im Angesicht dieser ungeheuren Energie. Doch die machtvolle Präsenz war es nicht, die Shahi förmlich die Luft aus der Lunge presste. Eine Mischung aus Freude, schierem Unglaube und wachsendem Schrecken stieg in ihr auf, als ihr bewusst wurde, wer da vor ihr saß. Das konnte nicht… Wie… wie konnte er… Sanfte, goldene Augen sahen sie an, den Blick dunkel vor Enttäuschung und Müdigkeit. Shahi fiel nach vorne, sank auf die Knie vor dem einzigen Lebewesen, das diese Demutsgeste jemals freiwillig von ihr empfangen hatte. „Oyakata- sama…?“ Lange Zeit schwieg er, musterte sie nur mit weichem, traurigem Blick. Als er sprach, sanken seine Worte schwer wie die Klinge eines Dolches in ihr Herz. „…Warum tötest DU?“ Ein Zittern durchlief den Rumpf des Schiffes. Shahi schrak zusammen, als der Sturm und Wasser von einem Atemzug auf den nächsten wieder erwachten, mit verdoppelter Wucht über den kleinen Segler herfielen und es herumwarfen, das Holz zum Splittern brachten. Mit einem klagenden Ächzen bäumte sich das Schiff gegen die brachiale Gewalt der Elemente auf, doch vergeblich. Vor Shahis Augen zerbarst das Deck und gab den Blick frei auf das schwarze, gierige Wasser. Shahi krallte sich verzweifelt in das harte Holz, versuchte, sich irgendwie festzuklammern, doch vergeblich. Ein letzter Blick sagte ihr, dass sie nun allein auf dem sterbenden Schiff war, als der Boden plötzlich unter ihr nachgab und sie haltlos in eine Dunkelheit hinab stürzte, die weder Schutz noch Geborgenheit bedeutete. Sie fühlte, wie sich das eisige Wasser um ihren Körper schloss, in ihre Nase, ihren Mund eindrang. Die Erkenntnis traf sie wie ein Keulenhieb, als sie den Geschmack erkannte. Blut. Sie versank in einem Meer aus Blut. ~~ Samûn beobachtete seine Gefährtin. Er empfand tatsächlich Sorge. Shahis Gesicht zuckte, verkrampfte sich, für den Menschen und den Hanyou nicht erkennbar, doch er kannte seine Kampfgefährtin. Ihr Geist kämpfte, womit, konnte er nur erahnen. War es die Wut, die Kampfeslust, die sie bis in die Bewusstlosigkeit verfolgte? Beinahe hatte er befürchtet, dass es sie überwältigen würde… noch nie zuvor hatte er sie so außer sich erlebt. Er wusste von ihrem dunklen Erbe, von dem, was sie getan hatte, bevor sie ihre eigenen, neuen Wege gegangen war und es hatte ihn weder verwundert, noch ihn in irgendeiner Weise gestört. Es ging ihn nichts an. Auch sie hatte niemals nach seinen Motiven gefragt, warum er sich ihr und ihrer Jagd angeschlossen hatte. Sie respektierten einander. Sie brauchten einander. Sie hatten ein gemeinsames Ziel. Die Gründe dafür waren für den anderen jeweils nebensächlich. Doch konnte er nun besser ermessen, was damals geschehen war… Weswegen Dämonen und niedere Götter auf dem Kontinent erzitterten allein bei der Erinnerung an den Tod aus der Dunkelheit- Schattenjäger. Lautlose Klauen aus dem Nichts. Elementare, entfesselte Wut und reine Mordlust. Selbst er hatte diesmal für einen kurzen Moment Furcht empfunden. Ihre Emotionen hatten ihn derart überrollt, dass es dieser Jägerin und der Katze beinahe gelungen war, ihn zu verwunden. Er hatte tatsächlich einen Augenblick lang die Kontrolle über sich verloren, eine Tatsache, die ihn tiefer getroffen hatte, als er es je für möglich gehalten hatte. Umso besser verstand er die aufgewühlte Seele des Hanyou und der Miko. Sie hatten sich der gebündelten Wut und dem Todeshunger von Jahrhunderten gegenüber gesehen, entfesselt und angefacht durch Schmerz und wilden Zorn. Und sie hatten es überstanden… wenn auch nicht ganz unversehrt an Körper und Geist. Samûn empfand eine gewisse widerwillige Bewunderung für diese beiden Wesen, insbesondere jedoch für die Miko. Sie hatte es geschafft, trotz seiner psychischen Attacken und der Wut Shahis immer wieder zu sich zurück zu finden. Ab dem Moment, als ihn die überraschende Aktion des Kitsune innehalten ließ und ihm die Zeit gab, in ihre Seele zu sehen, waren ihre spirituelle Kraft und innere Stärke so offensichtlich wie beeindruckend gewesen. Er hatte keine Hinterlist, keine Bosheit in ihr wahrnehmen können, sondern tatsächlich lediglich den unbedingten, uneigennützigen Willen zu helfen. Und er hatte sie helfen lassen, die Chance ergriffen. Die Alternative zuzulassen, dazu war er nicht bereit gewesen. Er würde sie vielleicht auch weiterhin ergreifen müssen. Samûn spürte, wie der Taifun heranraste, voll gesogen mit der ungezügelten Gewalt des Meeres. Der Sturm würde mit voller Wucht auf die Küste prallen- und das betroffene Land mit seiner Kraft erschüttern. Der Dschinn erlaubte seinen Sinnen, sich für einen Augenblick in den Vorboten des Wirbelsturmes zu verlieren, die in ihnen enthaltene Kraft zu trinken, in sich aufzusaugen. Endlich wieder einmal mit dem tosenden Wind verschmelzen zu können, sich für einen Moment wieder frei zu fühlen… Er musste dort hinaus, er musste einfach! Andernfalls… würde ihn entweder seine weiter andauernde Schwäche vielleicht das Leben kosten, oder die Sehnsucht würde ihn zerreißen. Doch konnte er es wirklich tun? Ein leises Stöhnen an seiner Seite ließ ihn besorgt den Kopf zu ihr senken. Noch immer kämpfte ihr Körper gegen die Auswirkungen des Bannpfeils und die Zahlreichen Verwundungen an. Selbst seine Lippen schmerzten noch heftig, dabei hatte er nur einen Bruchteil der Kraft des Pfeils erdulden müssen. Auch wenn der Sturm ihm vielleicht schiere Extase und neue Energie bescheren würde, weder Shahi noch die erschöpften Menschen waren in der Lage, das Unwetter unbeschadet zu überstehen. So absurd es auch klang, und so sehr Shahi ihn danach auch hassen würde, sie brauchten diese Menschen. Er war einfach zu schwach, um sie angemessen beschützen zu können, weder vor dem Sturm, noch vor ihren Jägern, die ihnen mit Sicherheit auf der Spur waren. Er musste sie diesen Menschen anvertrauen- den Händen dieser Miko. Wieder einmal. Erstaunlicherweise verspürte er nur geringes Misstrauen. Die Miko hatte ihre Aufrichtigkeit eindeutig bewiesen, ebenso die übrigen Menschen, die anfangs zwar sichtlich mit der Situation überfordert schienen, sich aber widerspruchslos den Wünschen der Miko beugten. Auch duldeten sie einen Kitsune und eine Nekomata in ihrer Mitte… Miko, Houshi und Taiyija zusammen mit zwei Youkai und einem Hanyou… sie waren ungewöhnlich. Seit Jahrhunderten war es keinem Menschen mehr gelungen, den Dschinn zu verblüffen, doch diese Gruppe... Die Menschen würden sich an den Waffenstillstand halten, den er und die Miko auf seine Art ausgemacht hatten. Doch was den Hanyou betraf… Noch immer lag dessen funkelnder Blick auf ihm und Shahi. Der Hund hatte nicht einen Augenblick in seiner Wachsamkeit nachgelassen. Seine Haltung war eindeutig beschützend, nichts, was Samûn ihm verübeln konnte. Er konnte spüren und sehen, wie es hinter dessen Stirn arbeitete, während er versuchte, das Geschehene zu verarbeiten. Der Junge war stark, ungewöhnlich stark für einen Halbdämon, und es offensichtlich nicht gewohnt, so leicht besiegt zu werden. Nun, ansonsten hätte er wohl kaum so alt werden können- Samûn wusste um die Ablehnung, die Halbblütern entgegen gebracht wurde. So war es nicht unbedingt verwunderlich, das er mit solchem Misstrauen auf ihre Gegenwart reagierte, zudem nach dieser Niederlage. Seine Haltung und seine Aura verkündeten unmissverständlich, dass er bei der geringsten aggressiven Geste ihrerseits angreifen würde. Ohne einen Grund jedoch… Es lag keine Rachsucht in seinem Blick, seine Aura verströmte lediglich Sorge, Anspannung und Ratlosigkeit. Samûn erkannte, warum seine Sinne ihn sagten, dass selbst dieser Halbdämon keinen Anlass zu Sorge gab. Er würde nicht zulassen, dass ihr etwas geschah. Nicht, bevor er wusste, warum sie von ihm abgelassen hatte. Dieser halbe Welpe hatte den Nebel des Blutrausches verfliegen lassen… Samûn wusste um die Fähigkeiten ihrer Beute. Vielleicht würde es nicht das letzte Mal sein, das sie die Miko benötigen würden- und den Hanyou! ~°~ Das etwas faustgroße Insekt hatte sich tief in die Rindenspalte gedrückt. Die grellen Farben seines gepanzerten Leibes verblassten im Schatten des Spaltes, gut geschützt vor Augen, Nasen und anderen sensiblen Sinnen, die seine Gegenwart hätten ausmachen können. Die starren Facettenaugen glitzerten, als ein Lichtstrahl durch das dichte Laub fiel, das sich im auffrischenden Wind bewegte. Noch ruhte das Saimyosho. Doch seine Sinne erfassten seine Umgebung und die Lebewesen in nahem Umkreis mit hartnäckiger Präzision. Im selben Atemzug, indem die Gruppe des Hanyou aufbrach, würde es vollends erwachen. Bereit, um wieder Auge und Ohr der Spinne zu sein. ~°~ Kapitel 8: Sturmböen -------------------- Äh. Gut, hiermit ist es offiziell. Ich werde nie, NIE wieder etwas von regelmäßigen Updates faseln! Ich kann nur untertänigst um Verzeihung bitten, das es solange gedauert hat. Besserung zu geloben, wage ich nicht. Das könnte auf Meineid hinauslaufen *räusper* Zudem ist dieses Kapitel eher ein Zwischenschritt- ich fand ihn nötig: wenn man von A nach C geht, sollte man durch B erfahren, warum und wieso… und es ist mal wieder reichlich ausführlich. Diesbezüglich WERDE ich versuchen, mich zu bessern. Für den weiteren Storyverlauf gilt, dass das nächste Kapitel bereits halb fertig ist, es sich um eine Rückblende handelt, die hoffentlich einiges deutlicher werden lässt. Danach geht es mit der Handlung und ein wenig mehr Action weiter. Und auch gehe jetzt mal überoptimistisch davon aus, dass das nächste Update in diesem Falle nicht so lange auf sich warten lässt… Als Entschuldigung für dieses Kapitel möchte ich anführen, dass es ursprünglich mit der Rückblende zusammen on gehen sollte, um es etwas „handlungsreicher“ zu gestalten. Da es dann NOCH länger gedauert hätte und es wieder so ein Monster geworden wäre, habe ich mich für diese Variante entscheiden. Sagt mir einfach, was euch lieber ist… ich versuche, dann danach zu richten. Zur Erinnerung: Die Schwer verletzte Shahi wurde von Kagome vor der Läuterung durch einen Bannpfeil gerettet, verlor durch die Schmerzen die Kontrolle und tötete im Blutrausch beinahe ihre Retterin und Inuyasha. kam aber im letzten Moment aus unerklärlichen Gründen wieder zu sich. Ihr Begleiter Samûn machte diese Hilfe überhaupt erst möglich, in dem er sie gegen den Willen der Dämonin zuließ, da er Kagomes Aufrichtigkeit und Uneigennützigkeit erkannte und beschloss, der Miko (auch aus Mangel an Alternativen) zu vertrauen. Shahi wie auch Samûn befinden sich nun beide sehr geschwächt in der Gesellschaft der kleinen Gruppe. Die Frage ist, wie weit er den Menschen noch vertrauen muss, denn die Probleme sind noch lange nicht ausgestanden… Taifû: Taifun,Wirbelsturm Kapitel8: Sturmböen Der Morgen brach an. Mit ihm kam der Sturm. Und er kam schnell. Ungewöhnlich schnell. Sich nährend von den freiwerdenden Energien des erhitzten Ozeans, tobend, brodelnd wälzte sich der rasenden Wirbel aus Luft und Wasser immer schneller auf die Küsten Japans zu, sich immer weiter aufbauend, ein Sinnbild der Wut und Kraft seiner Gebieter, aus deren Kampf und Zorn er geboren worden war. oOo Sango blinzelte, streckte sich genüsslich. Einen Moment glaubte sie, das ihr die Decke über das Gesicht gerutscht wäre… um sie herum herrschte tiefe Dunkelheit. Merkwürdig.. ihrer inneren Uhr nach hätte es bereits dämmern müssen…Sie tastete halbblind um sich, um die imaginäre Decke von sich weg zuschieben. Doch nicht über ihrem Gesicht? Der Schlaf hielt sie noch immer eisern umfangen. Sie konnte sich nicht entsinnen, wann sie das letzte Mal so müde gewesen war. Überhaupt, warum aufstehen? Noch ein bisschen, noch einen Moment… nicht die Decke wegschieben, nur fester um sich ziehen… Sie spürte, wie sich Kirara neben ihr in ihre große Gestalt verwandelte, was ihre Sinne augenblicklich erwachen lies. Das Katana ziehen und Aufspringen war eine Bewegung. „Was…?“ Sie verharrte. Kein Youki. Jedenfalls keines, das ihr nicht bereits bekannt war. Sango atmete tief ein, versuchte ihre Verwirrung und ihren rasenden Puls zu beherrschen. Dann klärte sich ihr Geist. Die Decke lag lose um ihre Füße. Der Wind war merklich stärker geworden, strich aus der Richtung der Küste heran, in den einzelnen Böen bogen sich die Äste der Bäume. Es war deutlich Kühler geworden. Bis auf das Ächzen und helle Rauschen der Zweige war kein Laut zu hören. Kein Vogel sang, kein Tier schien sich zu regen… Es herrschte immer noch tiefste Dunkelheit, doch sagte ihr ihre Intuition, das es bis zum Morgengrauen nicht mehr fern sein konnte… ihr Blick wandte sich nach Osten, auf der Suche nach dem ersten hellen Schimmer der anbrechenden Dämmerung. Der Himmel war pechschwarz. Nicht die samtige, weiche Schwärze eines klaren Nachthimmels, sondern die bedrückende Finsternis bedrohlich heranrückender Wolkenberge. Sango schloss die Augen. Salzige, schwere Feuchtigkeit füllte ihre Lunge, als sie unwillkürlich tief einatmete. Sie verspürte ein eigenartiges Drängen. Ihre Sinne waren fein genug, um die veränderte Atmosphäre, dieses eigenartige Prickeln in der Luft zu spüren. Sie kannte diese Anzeichen. Und sie betete, dass sie sich irrte. Die anderen standen bereits. Shippou rieb sich noch verschlafen die Augen, hockte aber bereits in dem Drahtkorb an Kagomes merkwürdigen Fahrgerät, während sich die Miko bereits wieder über die Verwundete beugte. Inuyasha stand ein wenig abseits und schien zu versuchen, den daneben stehenden Pferdeyoukai mit Blicken zu erdolchen. Bevor sie den Mund öffnen konnte, wandte er sich zu ihr um. „ Wir müssen hier weg.“ Das hätte er ihr nicht zu sagen brauchen… „Ein Taifû.“ Entgegnete sie nüchtern. Sie hatte das schon oft genug erlebt. Sie hätte nur noch nicht jetzt, im Frühling damit gerechnet. „Nur, bereits in dieser Jahreszeit…?“ „Es scheint, dass die ungewöhnliche Wärme der letzten Wochen dafür verantwortlich ist.“ Miroku schob mit dem Stab die letzte Glut auseinander, um ein Wiederaufflammen des Feuers zu verhindern -eigentlich überflüssig, wenn man bedachte, welche Wassermassen hier vielleicht bald herunterkommen würden… „Wir sollten zusehen, dass wir aus dem Wald herauskommen. Ich möchte nicht zwischen Bäumen sein, wenn der Sturm losbricht.“ Sango schwang sich Hiraikotsu über die Schulter und rollte hastig ihre Decke zusammen. Das wollte sie auch nicht unbedingt… sie kannte die Verwüstungen, die ein solcher Sturm anrichten konnte, nur zu gut. Wälder und Küsten in weiten Gebieten wie von der Faust eines wütenden Gottes getroffen, zerschlagen, niedergestreckt und davon gespült…. Sie fühlte, wie ihr Herz schneller zu schlagen begann, als sie eindeutig Furcht zu empfinden begann. Das Drängen, von hier weg zu kommen, wurde stärker. Sie würden einen Unterschlupf brauchen. Eine Höhle, ein festes Gebäude, irgendwas… sie waren zu nahe an der Küste, als das sie das Wüten eines Taifuns im Freien so einfach überstehen könnten. Japan war seit je her ein Spielzeug der Elemente… Feuer, Erde, Luft und Wasser wetteiferten oft genug miteinander, das Inselreich bis in seine Grundfeste zu erschüttern. Das Walten der Götter- Furcht einflößend, unbeeinflussbar, allgegenwärtig. Sango würde sich jedem Dämon stellen, doch den Kräften der entfesselten Natur stand ein jeder Mensch ohnmächtig gegenüber. „Wir werden Kaede und das Dorf nicht mehr rechtzeitig erreichen, oder?“ Miroku schüttelte entschieden den Kopf. „Wir sind alle viel zu erschöpft, um einen solchen Gewaltmarsch durchhalten zu können. Kirara und selbst Inuyasha haben nicht mehr genügend Kraft, um uns rechtzeitig dorthin zu bringen. Und von unserem Gast mal gar nicht zu reden…“ Ihr „Gast“… Noch immer lag der Panther- Dämon in tiefer Bewusstlosigkeit. Kagome fuhr vorsichtig die Verbände entlang, die nun sich wieder mit Blut voll gesogen hatten und sich mit ihrem schmutzigen Rotbraun kaum noch von dem dunklen Fell der fremden Youkai abhoben. In der Halsbeuge und an dem verwundeten Bein glänzte der Stoff feucht. Wie konnte das sein? Inuyashas Wunden hätten sich bereits längst geschlossen… und das hier war doch ein reinblütiger Youkai… Sango trat mit einem vorsichtigen Seitenblick auf den Pferdedämon zu ihrer Freundin. „Wie geht es ihr, Kagome-chan?“ Kagome schluckte, als sie über das weiche, schwarze Fell strich. Es fühlte sich unnatürlich warm an. „Ich glaube nicht so gut. Die Wunden bluten immer noch, obwohl eine ganze Nacht vergangen ist. Wie kann das sein?“ Inuyasha knurrte unwillig. Noch immer fixierte er den Pferdedämon, der sich mittlerweile nicht mehr die Mühe machte, die Blicke zu erwidern. Seine Aufmerksamkeit galt völlig der Miko und der Taijiya. Sango schwieg. Sie hatte die Wunden der Youkai gesehen… und sie wusste, was ein mächtiger Bannpfeil bei einem Dämon anrichten konnte. Es war ein Wunder, das dieser Dämon überhaupt noch lebte. Der Bannpfeil hatte seine dunkle Energie geläutert, Stück für Stück, bis beinahe nichts mehr übrig geblieben war… dazu hatte er noch gegen die unzähligen Verletzungen und den Blutverlust ankämpfen müssen, die ihm in diesem Zustand ebenso zusetzten wie einem gewöhnlichen Mensch. Sein Youki war kaum noch vorhanden gewesen, als sie auf die Lichtung gestürmt waren- sie vermutete, das ihn lediglich sein Blutrausch noch auf den Beinen gehalten hatte. „Kagome-chan, es hat sie vielleicht nur noch ein Atemzug von der Unterwelt getrennt.“ Sango sagte es bedächtig, betont. Kagome senkte den Blick, während sie weiter über das schwarze Fell strich. Sie spürte, wie sich eine eiserne Klammer um ihren Brustkorb legte, als ihr die Konsequenzen bewusst wurden. Es würde noch lange dauern, bis sich die Youkai soweit erholt haben würde, dass sie sich selbst vor dem Unwetter würde schützen können. Zeit, die die Panther- dämonin nicht hatte- und ihr Gefährte würde ihr nicht helfen können. Jeder von ihnen, ob sie, Inuyasha, Sango oder Miroku spürte immer deutlicher, dass er beinahe ebenso geschwächt sein musste wie die Panther- Youkai. Die Blockade, die ihre Auren unterdrückte, war kaum noch vorhanden, sie flackerte wie ein ersterbendes Feuer. Im Laufe der Nacht hatten sie alle das Youki immer deutlicher fühlen können. Umso erschreckender war es, wie wenig ihnen noch geblieben war! Seine restliche Energie würde sie nicht lange vor dem Taifun schützen können- und Muskeln und Fänge halfen nicht gegen einen Wirbelsturm. Die Youkai würde sterben. Sie konnten sie nicht hier lassen. Doch was würden die anderen…? „Kagome- Sama?“ Kagome hob den Kopf. Der Houshi stand vor ihr. Und etwas an seinem Blick sagte ihr deutlich, das Miroku zumindest ahnte, was in ihrem Kopf vorging. Für einen scheinbar ewigen Augenblick sahen sie sich schweigend an. Dann räusperte sich Miroku vorsichtig. „Kagome- sama, habt ihr das genau bedacht? Wir werden vielleicht bei Menschen Zuflucht suchen müssen… und wir wissen nicht, was geschehen ist, bevor wir diesen Dämon gefunden haben.“ Wieder Stille. Kagome atmete tief ein. Sie wusste, dass er Recht hatte. Sie kannten diesen Dämon nicht. Sie wussten weder etwas über seine Fähigkeiten noch über seine Absichten- und warum er so verwundet worden war. Was war der Grund für diesen Kampf gewesen? Was war geschehen? Was hatte er getan? Sie hatte die ungeheure Aggressivität, die Mordlust gespürt, die wie Schockwellen von ihm ausgegangen waren, die enorme Kraft und Schnelligkeit, mit der er trotz seiner Verwundungen und seinem Zustand angegriffen hatte… War der Bannpfeil abgeschossen worden, um noch schlimmeres zu verhindern? Oder hatten ihn die Menschen unprovoziert attackiert? Sie hatte es oft genug gesehen- wie Inuyasha verachtet, sogar angegriffen worden war… wie man eine kleine Nekomata für Vorfälle verdammt und verfolgt hatte, für sie sie nicht verantwortlich gewesen war, nur weil sich ein Rattendämon die Gestalt eines Priesters angeeignet hatte… Und was hatte der sanftmütige Jinenji erdulden müssen, weil Dorfbewohner den Halbdämon aufgrund seines monströsen Äußeren gefürchtet und gequält hatten. Nur zu schnell und gerne hatten sie ihm die Schuld für einige ermordete Frauen zugeschoben… Erst Inuyasha hatte den schuldigen Youkai aufgespürt und damit Jinenjis Unschuld beweisen können. Sie würde nie wieder vorschnell urteilen! Zu viele Dinge hatte sie gesehen, zu viele geglückte Täuschungen und Intrigen erlebt… es war nicht sicher, wie dieser Dämon in den Kampf verwickelt worden war. Jetzt hatte sie ihm schon so weit geholfen, ihn jetzt hier zurück zu lassen, würde einem Todesurteil gleichkommen. Dazu war sie nicht bereit. Sie straffte die Schultern. „Sango-chan…?“ Die Taijiya nickte zustimmend, warf aber gleichzeitig einen langen, forschenden Blick auf den Pferdedämon. „Wenn er nichts dagegen hat?“ Der Youkai rührte sich nicht. Nur die feinen Strähnen von Mähne und Schweif bewegten sich, flatterten im immer schärfer werdenden Wind. Einen langen Moment schien er zu überlegen, dann senkte er den Kopf und trat einen Schritt zurück. Der Dämon schien sich ebenfalls keine Illusionen über seinen Zustand und den der Panther- Dämonin zu machen. Er schien bereit, ihr ein weiteres mal zu vertrauen- und die Konsequenzen, sollte sie es enttäuschen, waren Kagome mit einem Schlag nur wieder zu bewusst. Sie schluckte schwer. Was, wenn…? Kagome suchte unwillkürlich die Augen Inuyashas. Nur sie und er hatten die Youkai wirklich erlebt… und überlebt. Inuyashas Gesicht war seltsam verschlossen, als er ihren Blick stumm erwiderte. Kurz meinte Kagome etwas in seinen Augen aufflackern zu sehen, was sie nicht definieren konnte. Zweifel? Frustration? Dann zuckte er mit den Schultern. „Keh. Macht doch, was ihr wollt…“ Er wandte sich ab. Ein erleichtertes und dankbares Lächeln lag auf Kagomes Gesicht, als sie die Youkai mit Sangos Hilfe vorsichtig hochhob. ~°~ Endlich durchbrach das schwache Licht der Dämmerung die bedrückende Dunkelheit. Doch konnte sie das beängstigende Gefühl der Bedrohung nicht vertreiben. Die fast vollkommene Schwärze wich lediglich einem eigenartig trüben, gelb-grauen Zwielicht. Schwere, in geradezu surrealer Geschwindigkeit dahinrasende Wolken hingen tief am Himmel und schluckten das schwache Morgenlicht, wälzten sich übereinander, türmten sich zu immer dunkler werdenden Mauern auf. Die Atmosphäre war schwer und drückend, voll gesogen mit Feuchtigkeit und drohender Ahnung von tödlicher Gewalt. Hin und wieder blitzte ein fahler Lichtstrahl durch die vom Wind gejagten Wolken, bemalte die Landschaft mit vergänglichen Pfützen blassroten Morgenlichts. Die Luft schien vor Erwartung und Spannung zu bersten. Immer heftiger werdende Sturmböen fauchten über die sich in eiligen Trab ins Landesinnere durchkämpfende Truppe hinweg, zerrten an Kleidung und Haaren, schoben sie unkontrolliert vorwärts, sogen ihnen den Atem aus den Lungen. Die Wipfel über ihren Köpfen ächzten bereits qualvoll unter der zunehmenden Kraft des Sturmes. Vereinzelt hörten sie bereits das reißende Krachen brechender Äste. Sie alle spürten die Macht, die sich hinter ihnen näherte, sich auftürmte wie ein Tsunami, düster und drohend, wild und zerstörerisch. Dunkel… Sango duckte sich tief über Kiraras Kopf, als die Bö über sie hinweg heulte. Der Wind riss an ihrem Bumerang, schlug ihn schmerzhaft gegen die Flanke der Feuerkatze. Das schmerzerfüllte Fauchen schnitt Sango ins Herz. „Gomen nasai, meine Freundin… bitte, halte noch ein wenig aus…“ Ein schwaches Grollen ertönte als Antwort, in dem die Kraftlosigkeit der Nekomata nur zu deutlich mitklang. Sango strich ihr tröstend durch die dicke Mähne und bemühte sich gleichzeitig, ihrer Freundin so viel ihrer Last abzunehmen wie möglich. Denn die große Katze kämpfte nicht nur gegen den Sturm und ihre Erschöpfung, sondern auch mit dem zusätzlichen Gewicht, das sie ihr hatten aufladen müssen. Die immer noch besinnungslose Panther- Youkai lag auf ihrem Rücken, den Kopf in das dichte Nachenfell gebettet. Sango bemühte sich, den kraftlosen Körper auf dem Rücken der Feuerkatze fest zu halten, ohne selbst dabei ins Stolpern zu geraten und Kirara noch mehr Last aufzubürden. Sie versuchte, die warme Feuchtigkeit zu ignorieren, die mittlerweile selbst die Decke tränkte, in die sie die Verwundete eingewickelt hatten. Das fremdartige Kleidungsstück hatten sie zurückgelassen- es war steif vom Blut und bis zur Unkenntlichkeit zerrissen und zerschnitten. Eine Windbö trieb die Decke ein wenig zurück und enthüllte das so trügerisch entspannt und friedlich scheinende Gesicht. Auf der anderen Seite Kiraras schritt der Pferdedämon. Sein schmaler Schädel wich niemals mehr als eine halbe Manneslänge von dem schlaff herab baumelnden Arm der Panther- Youkai. Sie hatten es nicht gewagt, die Last diesem Youkai aufzuladen. Auf seinem glatten, hohen Rücken hätte die Dämonin keinerlei Halt gefunden- und niemand von ihnen wäre freiwillig so dicht an ihn herangetreten, als das sie die Bewusstlose hätten stützen können. „Sango?“ Der Mönch rang sichtbar nach Atem, als er sich mit Kagomes klapperndem Fahrrad neben sie schob. Er hatte beinahe schreien müssen, um sich in dem Rauschen und Ächzen der Bäume verständlich machen zu können. Shippou hatte sich im Korb zusammengekauert und krallte sich verängstigt schweigend in das Metallgitter. „Wie geht es ihr?“ „Nicht unbedingt besser. Sie scheint sich immer noch nicht regenerieren zu können.“ Miroku und Sango erinnerten sich kurz daran, was Kagomes Geschosse anzurichten vermochten. Wenn dieser Pfeil nur annähernd so machtvoll gewesen war… Miroku drehte den Kopf. „Und er?“ Sango folgte den Augen des Mönchs, musterte den grauen Körper abschätzend. Die unergründlichen Schwarzen Abgründe erwiderten ihren Blick, düster, lauernd, aber bei weitem nicht mehr mit der zwingenden Gewalt wie zuvor. Sein zuerst noch lautloser, raubtierhafter Gang hatte sichtlich an Eleganz verloren- die deutlich vernehmbaren Huftritte ließen die Taijiya schaudern. Sie wusste, sie hätte sie nicht hören dürfen. Sie warf Miroku einen bedeutsamen Blick zu. Der Mönch nickte resigniert. Das hatte er befürchtet. „Unsere Situation scheint sich nicht zu verbessern… der Sturm zieht sehr schnell herauf. Wir brauchen dringend einen Unterschlupf.“ „Hier..? Das Land um sie herum war völlig flach und mit dichtem Wald bedeckt. Kein Hügel, keine Felsen, keine Schluchten, nichts. Nur sanfte, weiche Erhebungen aus weicher, feuchter Erde. Wie sollten sie hier eine Höhle oder etwas Vergleichbares finden? Bei dem Wetter würde selbst Inuyasha sie nicht einmal dann wittern können, wenn sie genau davor stünden… Sango krallte ihre Hände in Kiraras Nackenmähne. Sie warf einen schnellen Blick zu Miroku hinüber. Das Gesicht des Houshi war ungewöhnlich finster, die Kiefer fest aufeinander gepresst. In seiner Miene sah sie ihre eigene Besorgnis gespiegelt. Nicht schnell genug, zu weit entfernt von einer freundlich gesinnten, menschlichen Behausung, die zumindest ein winziges Stück Schutz bieten konnte, inmitten eines riesigen, ausgedehnten Waldgebietes, das sich unter der Gewalt eines Wirbelsturmes in einen tosenden Mahlstrom verwandeln würde, dem sie hilflos ausgeliefert waren, keinen Schutz, keinen Unterschlupf in Sicht… Jegliches Leben hatte sich zurückgezogen, sich verkrochen in Höhlen, Bauten, Felsspalten und Niederungen, um der zerstörerischen Kraft des Unwetters zu entgehen, oder presste sich in stoischer Erwartung des Unausweichlichen flach auf den Boden. Nichts rührte sich mehr. Bis auf Unglückliche wie sie… Wie lange würde ihnen der Sturm noch Zeit lassen, bevor er sein tödliches Spiel wirklich beginnen würde? Hinter ihnen ertönte ein dumpfes Brausen, anschwellend, sich zu einem hellen Dröhnen steigernd. Sango fuhr herum, sah, wie sich eine von mitgerissenen Ästen und Laub dunkel verfärbte Mauer wie eine Sturmflut auf sie zu wälzte. „ACHTUNG!“ Miroku torkelte, als die Sturmbö mit brachialer Gewalt seinen Rücken traf und ihn nach vorne drückte, ihn unsanft mit Sango zusammenprallen ließ. Wieder schlug die stumpfe Kante Hiraikotsus in Kiraras Flanke, während Miroku über das Fahrrad stürzte , es mit zu Boden riss und den erschrocken aufquietschenden Kitsune abwarf. Das schmerzvolle Aufjaulen der Nekomata wurde von einem ohrenbetäubenden Krachen übertönt. Gleichzeitig hörten sie Kagomes entsetzten Aufschrei. Um sie herum wirbelten Trümmer durch die Luft. Sango fiel fast über Kiraras Rücken, versuchte, die Verwundete vor einem schmerzhaften Sturz zu bewahren, brachte damit die keuchende Nekomata vollends aus den Gleichgewicht. Die Feuerkatze taumelte zur Seite, unfähig, sich gegen den Druck des Sturmes und das Gewicht ihrer Freundin zu behaupten. Sango schrie, als ein fast Armdicker Ast gegen ihre Schulter prallte, sie noch heftiger gegen Kirara presste. Kirara gab ein Ächzen von sich, als ihr Vorderlauf einknickte, sie zur Seite fiel- und gegen einen grauen Körper stieß. Der Pferdedämon grollte dumpf, während er die Feuerkatze zurückdrängte, ihr half, ihr Gleichgewicht wieder zu finden und gleichzeitig den schlaffen Körper auf ihrem Rücken stützte. Der tobende Wind riss an seinem Haar, peitschte es hoch, bis es ihn wie eine strahlenweiße Strömung umgab, sich förmlich mit der tosenden Bö vereinte und ihn einen Augenblick wie ein Traumgebilde erscheinen ließ, Gestaltgewordene Energie des Sturmes. Sango erstarrte, als sie über Kiraras Rücken hinweg in seine Augen blickte: Wirbelnde Schlieren tiefster Dunkelheit, wabernde Strudel schierer Energie, die sie in sich hinein zu saugen schienen, unbezwingbar, unerschöpflich… Sie spürte, wie sich ihre Nackenhaare aufrichteten. Es schien, als ob jegliche Schwäche hinweggeweht worden wäre, als ob der Sturm durch ihn hindurchfließen, ihn mit seiner Kraft erfüllen würde… Dann war dieser Augenblick wieder vorbei. Kirara ächzte, erkämpfte sich mühsam einen festen Stand, so dass Sango erleichtert von der Bewusstlosen ablassen konnte. Sie verdrängte für den Moment, was sie eben gesehen hatte und wandte sich dem benommen am Boden liegenden und mit dem Fahrrad verwickelten Mönch zu. „Houshi- sama?“ „Es geht schon… nehmt nur bitte dieses Ding von mir runter.“ Bevor Sango sich herunter beugen konnte, griff eine Klauenbewehrte Hand nach dem Fahrrad, riss es mühelos und keineswegs zartfühlend von Miroku herunter. Der Mönch verkniff sich einen Schmerzensschrei, als die Pedale sich ruckartig aus der innigen Umarmung mit seinen Beinen lösten. „Ist alles in Ordnung bei euch?“ Inuyasha sah besorgt zu dem Houshi herunter, der sich leise jammernd das Schienbein rieb. Der Hanyou sah mitgenommen aus. Aus einem Riss an seiner Wange tropfte Blut. Dicht an ihn gepresst stand Kagome. Die junge Miko war kreideweiß im Gesicht. Ihre Hände krallten sich in seinen Gi und sie zuckte zusammen, als eine erneute Bö über sie hinweg heulte. Sango half Miroku auf die Beine, ohne ihre Freundin aus den Augen zu lassen. „Ja, bei uns schon… Kagome-chan?“ „Ich ..mir geht es gut.“ Die Knöchel ihrer Finger zeichneten sich weiß unter ihrer Haut ab, so fest klammerte sie sich in Inuyashas Kleidung. „Kagome!“ Shippou rappelte sich mühsam aus einem Haufen Äste und Trümmern auf und torkelte leise schniefend auf Sie zu. Sofort vergaß Kagome ihre Angst, ließ Inuyasha los und hob den völlig verstörten Kitsune in ihre Arme. „Shippou- chan… „ Der Fuchs presste den Kopf in ihre Halsbeuge, wieder ganz das kleine Kind, das er eigentlich noch war. Dämon hin oder her… er war diesem Unwetter nicht ansatzweise gewachsen. Inuyasha hielt noch immer ihre Schulter umfasst, warf einen grimmigen Blick zurück. Kaum zehn Schritt von ihnen entfernt lag ein Baum quer über ihrem Pfad. Er konnte noch immer die Stelle sehen, wo Kagomes Fußspuren endeten- und wo sich der gesplitterte Stumpf eines gewaltigen Astes tief in den harten Boden gebohrt hatte. Das bereits abebbende Brennen der Risswunde in seinem Gesicht erinnerte ihn deutlich daran, wie knapp es gewesen war… Er drehte sich zu Miroku und Sango, die sich mühsam gegen den Wind stemmten. „Wir brauchen einen Unterschlupf.“ Er sagte es beängstigend ruhig. In diesem Augenblick achtete niemand auf den Pferde- Dämon, der seinen Schädel mit weit geöffneten Nüstern dem Sturm entgegengedreht hatte. oOo Es war da. Nur schwach, aber selbst in seinem erbärmlichen Zustand noch deutlich spürbar. Auch Shahi hätte es fühlen können… diese Energie, die mit jeder heulenden Bö immer verlockender in seine Sinne drängte, lockend durch seinen geschwächten Körper strömte, ihn rief und berauschte… Samûn sog die heranströmende Luft in sich hinein, lies sie ihn ausfüllen bis in die letzten Fasern seines Körpers. Da… Der Sturm peitschte über sein Gesicht, fuhr durch seine Mähne, bebend von einer Energie, die Samûn schon lange nicht mehr gespürt hatte, dunkel, alt und machtvoll… Sie vertrieb seine Schwäche, seinen Verlust, verlieh ihm neue Kraft. Sie erfüllte ihn mit einer Sehnsucht, die in ihn eindrang, ihn ausfüllte, beinahe zu zerreißen drohte und ihn seinen gegenwärtigen Zustand vergessen ließ. Ein Gefühl breitete sich in ihm aus, bittersüß, schmerzvoll und verheißend. Freiheit… Unbegrenzte Freiheit… Er konnte nicht mehr warten. oOo Miroku atmete tief ein. Er hatte es befürchtet. Und doch hatte er bis zuletzt gehofft. Der Houshi spürte, wie ihm die Brust eng wurde. Er wusste sehr wohl von einem möglichen Unterschlupf, sogar in nicht allzu weiter Entfernung von ihnen. Und er war sicher- so sicher, wie etwas außer einer tiefen Höhle in einem Wirbelsturm nur sein konnte. Die Frage war nur, was für Folgen das mit sich bringen würde- und ob sich ihre Bedenken wegen dieses Dämons bewahrheiten würden. Und ob sie sich nicht nach einiger Zeit wünschten, es lieber mit dem Sturm aufgenommen zu haben… Doch… Hatten sie noch eine Wahl? Er atmete tief ein, öffnete den Mund- und verharrte. Die nächste Sturmbö brach über sie herein, und in ihr lag die volle Macht des Taifuns. Sie riss die Menschen einfach von den Füßen, ließ Dämonen haltlos taumeln. Um sie herum dröhnte und krachte es, Bäume neigten sich mit klagendem Lauten zu Boden, mit Wurzel herausgerissen, zerknickt, zerfetzt wie dünnes Unterholz. Miroku spürte, wie er hilflos über den Boden rollte. Was für eine entsetzliche Kraft… Er breitete die Arme aus, stoppte so seinen unkontrollierten Sturz. Er hörte Shippous ängstliches Wimmern, Inuyashas wütendes Knurren, Kiraras und Sangos gemeinsamen Aufschrei… er hob mühsam den Kopf, blinzelte angestrengt, als ihn die scharfen Fänge des Sturmes ins Gesicht bissen. Noch immer tobte die Bö mit unverminderter Macht über sie hinweg, drückte sie zu Boden, ohne, dass sich auch nur einer dagegen hätte wehren können, ohnmächtig gegenüber dieser entfesselten Gewalt. Nur einer von ihnen stand noch, ungebeugt, mit hoch erhobenem Haupt. Der schwarze Blick des Pferdedämons bohrte sich über den Rücken Kiraras hinweg in seine Augen, fraß sich förmlich in sein Inneres hinein. Der Mönch keuchte auf, versuchte noch, eine Barriere zu errichten, sein Ich vor dieser unverhofften Attacke zu schützen, doch seine spärliche Gegenwehr wurde einfach weggefegt wie die Blätter in dem rasenden Winden um sie herum. Für eine Sekunde fühlte sich Miroku nackt, völlig hilflos und entblößt unter der wieder erwachten Macht des Dämons, der ihn förmlich zu lesen schien, seine Gedanken und Gefühle durchforschte, ohne, das sich der völlig überrumpelte Mönch auch nur ansatzweise dagegen wehren konnte. ‚Und ich dachte, er wäre beinahe hilflos…’, durchzuckte es Miroku, bevor ihm schwarz vor Augen wurde. oOo Das jähe Aufflammen von Youki ließ sie alle zusammenzucken. Wie eine Welle rollte die dunkle Energie über sie hinweg, verband sich mit der Gewalt des Sturmes und drückte sie mit unwiderstehlicher Kraft nieder, bis sich ihre Gesichter in die feuchte Erde gruben. Inuyashas zorniger Aufschrei verhallte ungehört in dem Inferno, ebenso Kiraras gequältes Winseln, als sie von der dunklen Aura des Pferdedämons förmlich überflutet wurde. Dann erlosch die Energie unvermittelt. Als die Bö verebbte, sprang Inuyasha augenblicklich mit gezückter Waffe auf die Beine. „Was…?“ Er verstummte. Miroku lag benommen neben Kirara auf der Erde, blinzelte verstört. Sango lag einige Schritte entfernt auf dem Rücken, ebenso halb betäubt. Es schien, als hätte sie etwas sogar noch gegen den Druck des Windes von ihrer Freundin weggeschleudert. Die Feuerkatze selbst hatte sich flach auf den Boden gepresst, ihr Atem ging in hektischen, angestrengten Stößen. Auf ihrem Rücken lag noch immer, halb unter der Decke und in Kiraras gesträubter Mähne vergraben die reglose Gestalt der fremden Dämonin. Der Pferde- Youkai war verschwunden, und mit ihm jede Spur seiner dämonischen Aura. Ebenso wie das schwache Youki der Verwundeten. Restlos. Als hätte sie niemals welches besessen. Inuyasha trat vorsichtig näher. Etwas war anders… ganz anders. Nicht nur das völlige Fehlen dämonischer Energie, sondern auch ihr Geruch.. die Umrisse ihres Körpers unter der Decke… Mit einem Ruck riss er die Decke herunter. Lange schwarze Haare flossen über dunkelbraune Haut. Einzelne Strähnen verdeckten nur halb das zu Seite gewandte Gesicht einer jungen Frau. Runde Ohren, eine ebenmäßig dunkel gefärbte Haut ohne jegliche dämonischen Male. An den schmalen Händen schimmerten lediglich stumpfe, menschliche Nägel. Inuyasha starrte fassungslos auf die bewusstlose Gestalt. Vor ihm lag ein Mensch. Zwar von einer Art, die er noch nie zuvor gesehen hatte, doch ganz eindeutig… er beugte sich vor, immer noch schiere Fassungslosigkeit im Gesicht, witterte, spürte…nichts! Gar nichts. Als wäre sie niemals ein Dämon gewesen. Das perfekte Abbild eines Menschen. Aber, warum…? ~°~ Kapitel 9: Erinnerungen und Erkenntnisse ---------------------------------------- Ich wage keine Entschuldigung auszusprechen. Ich versinke stattdessen schamesrot im Boden und hoffe, dass noch jemand Spaß daran hat, diesen Kram zu lesen. Kapitel9: Erinnerungen und Erkenntnisse Meigetsumaru: Herbstmond- Eigenname, den ich mir mit der freundlichen Erlaubnis von Hrafna aus ihrer FF “Drachenseele“ ausgeborgt habe. Asura: auch mit „Furien“ übersetzt, Sanskrit für die gegen die Götter kämpfenden Dämonen Indiens. Turkvölker: Islamische Völker, die etwas im 8 Jahrhundert u.a. aus Persien nach Indien gelangten. ~O~ Blinzeln. Langsames Erwachen aus dem wohltuenden Vergessen des Schlafes. Erstes bewusstes Empfinden: Kopfschmerzen! „Ooooh….“ Kongen stöhnte, als er sich reflexartig an den Kopf griff. Vor ihm schälte sich das verständnisvolle und besorgte Gesicht des Tanukis aus den Schlieren in seinem Blickfeld. „Kongen- sama?“ „Nicht so.. laut!“ Kongen wälzte sich mühsam auf die Seite und kniff gequält die Augen zusammen. Jede Bewegung, jeder noch so leise Ton dröhnten wie eine Taiko- Trommel in seinem Schädel. Höllischer Durst brannte in seiner Kehle, seine Glieder fühlten sich unendlich schwer und so kraftlos und schlaff wie ein toter Aal an. Bei allen Göttern und Dämonen… so erbärmlich hatte er sich noch niemals gefühlt. „Was… was ist mit mir...?“ Kozo, der bereits mit einer Schale Wasser und einem Tuch bewaffnet neben seinem Lager kniete, tunkte den Stoff ins Wasser, wrang ihn gründlich aus und legte ihn sorgfältig auf die Stirn des leidenden Baumgeistes. „Das sind die Nachwirkungen eines übermäßigen Alkoholgenusses, Kongen- Sama. Nichts Ungewöhnliches. Ihr habt gestern zu viel und zu schnell getrunken. Die Menschen nennen das übrigens >einen Kater haben<. Habt Ihr Durst?“ Kongen brachte nur ein mühsames Nicken zustande, bei dem sich sein Kopf anfühlte, als wolle er jeden Moment abfallen. Was hatte dieser Grauenhafte Zustand mit einer männlichen Katze zu tun? Vielleicht, weil sich sein Mund so anfühlte, als hätte er eine solche verschluckt? Mitsamt Pelz?? Oder weil in seinem Schädel eine Armee rolliger Nekomata ihre Krallen zu wetzen schien? Kongen trank eine ganze Kanne Tee aus, die ihm sein Diener in weiser Voraussicht vorbereitet und sich dabei ganz ungeniert aus den Kräutervorräten bedient hatte. Schließlich war DAS ein Gebiet, auf dem der Tanuki sich sehr gut auskannte! „Wie lange…?“ fragte Kongen schwach. „Die ganze Nacht und den heutigen Morgen. Der Mittagsgong wird bald geschlagen. Ihr habt wirklich sehr viel getrunken, Herr.“ Kongen versuchte, die gönnerhafte und zudem auch eindeutig schadenfrohe Miene des Dieners zu ignorieren und sich stattdessen trotz der bohrenden Kopfschmerzen und der andauernden Benommenheit daran zu erinnern, was ihn zu diesem Wahnsinn getrieben hatte. Als es soweit war, fühlte er sich schlagartig und vollständig ernüchtert. Hastig versuchte er, sich aufzurappeln und die aufsteigende Übelkeit zu ignorieren. „Oh nein, ich muss unbedingt… wo ist meine Schale? Kozo, bring mir Wasser, und…“ Kozo war unbarmherzig. Bevor Kongen sich versah, wurde er wieder zurück auf sein Lager gedrückt, bekam eine frische Kanne Tee und eine leere Schale vor die Nase gestellt und wieder einen feuchten Lappen auf die Stirn gelegt. „Glaubt mir einfach, Kongen- sama, wenn ich euch sage, dass ihr besser liegen bleibt. Denn ich glaube nicht, das …“, er schluckte „dieses schwarze Ungeheuer gerade etwas anderes tut. Ihr wisst doch besser als ich, wie sie zugerichtet war. Ich bitte euch, Herr, schont euch. Ihr seit so etwas einfach nicht gewöhnt.“ „Aber du schon, oder sehe ich das falsch?“ knurrte Kongen, während er sich innerlich eingestand, dass sein Diener Recht hatte. Bei seiner augenblicklichen Verfassung hätte er nicht mal den richtigen Wald, geschweige denn die gesuchten Personen gefunden. Und auch, was Shahi betraf… Kongen schloss die Augen, als er an ihr Verletzungen, an ihre beinahe tödliche Schwäche dachte. Was immer sie aus ihrem Rausch geholt hatte, es hätte nicht einen Augenblick später geschehen dürfen. Es war kaum zu fassen, wie dieser Irrsinn eine so starke und eigensinnige Natur überwältigen konnte. Aber war das gerade bei ihr denn verwunderlich? Wer sonst, wenn nicht sie, wenn nicht Meigetsumaru…Es fiel ihm schwer, seine durcheinander wirbelnden Gedanken zu sortieren. „Kongen- sama?“ Die verdutzte Frage seines Dieners machte Kongen klar, das er tatsächlich laut gedacht hatte. „Es ist nichts, Kozo, kümmere dich um was auch immer du gerade tust, aber lass mich in Ruhe!“ knurrte er unwirsch. Es fehlte noch, dass er diesem neugierigen und schwatzhaften Marderhund ausgerechnet diese Geschichte unter die Nase reiben würde. Außerdem hatte er immer noch Kopfschmerzen! Der Tanuki machte ein enttäuschtes Gesicht, wandte sich dann aber mit finsterer Miene ab, was Kongen mit einer gewissen Erleichterung registrierte. „Wie ihr wünscht, Kongen- sama. Dann werde ich jetzt wohl besser nach den Barrieren sehen … es wird euch wohl entgangen sein, aber ein Taifun tobt über uns. Und es scheint auch kein Gewöhnlicher zu sein, wenn Ihr mir diese Bemerkung erlaubt.““ Kongen erstarrte verblüfft. „Ein Sturm? Und wieso kein gewöhnlicher?“ Sein Kopf dröhnte noch zu sehr, als dass er die angespannte Atmosphäre über ihnen deuten konnte. „ Aber gestern …“ „Gestern ist nicht heute, Herr. Sondern genau ein Sake- Krug später!“ entgegnete der Tanuki boshaft. Unmittelbar darauf verschwand er mit einem hastigen Satz in einem der Tunnel, während die Teekanne dicht neben seinem Kopf vorbeischwirrte und mit einem Knall an der Wand zerplatzte. Kongen stöhnte vor Schmerz und umfasste seinen Kopf, in dem das Klirren der Kanne im Gleichklang mit der Marter in seinem Inneren wie ein Echo an- und abschwoll. Bei allen Göttern, das war unerträglich! Wieso taten sich Kozo und seine Kumpane sich das immer wieder an? Geschweige denn die Menschen… Menschen. Was zählten jetzt noch Kozo, der Sturm und die wohlverdiente Strafe für seine eigene Maßlosigkeit? Kongen schloss die Augen, presste die Fäuste gegen die Stirn und ließ sich rücklings auf sein Lager fallen. Es hätte kaum schlimmer kommen können! Die Verwüstungen, die Shahi und ihr Gefährte in der Stadt angerichtet hatten, waren gewaltig. Man hatte noch lange nicht alle Toten gezählt, die meisten hatten sich einfach in Rauch und Asche aufgelöst und die Eta galten für viele der höheren Stände nicht als weiter erwähnenswert- doch schon jetzt befürchtete man hunderte von Toten, und das waren nur die unbeteiligten Bürger, die bei dem Youki- Angriff und der Zerstörung des Bannkreises ums Leben gekommen waren. Die Samurai, Geistlichen und Taijiya waren dort noch gar nicht mit eingerechnet… Und wie viel Tote noch folgen würden, wollte Kongen gar nicht erst herausfinden. Es würde eine regelrechte Hetzjagd geben, soviel war sicher. Schon unmittelbar nach dem Vorfall waren viele Jäger und Geistliche aufgebrochen, um der Spur der Youkai zu folgen und sie zur Strecke zu bringen. Und unzählige Soldaten und Ronin würden folgen. Der Daimyo von Edo hatte eine hohe Belohnung für den Kopf der Youkai ausgesetzt, und die Aussicht auf eine Anerkennung als Vasall, auf ein Lehen oder alleine auf die Wiederherstellung der Kriegerehre ließ viele Männer alle Vorsicht vergessen. Überall in der Stadt rüsteten sich die Krieger. Und wenn die Nachricht erst einmal im Umland ihre Kreise zog… Als ob die Lage zwischen Menschen und Dämonen nicht eh schon angespannt genug gewesen wäre! Kongen wälzte sich herum und zog sich die Decke über den Kopf. Das war ein Alptraum. Das musste einfach ein elender Alptraum sein. Konnte es noch schlimmer kommen? Dieser unsäglich ignorante Dämonenjäger hatte Shahi angreifen lassen, obwohl sie nichts getan hatte. Kongen hatte sogar herausfinden können, das sie miteinander gesprochen, sie ihm sogar GESAGT hatte, dass ihr Interesse nicht den Menschen galt! Sie war einfach nur durch die Stadt gegangen, ohne Aggressivität, ohne Hintergedanken- und war so heftig attackiert und verletzt worden wie wohl noch nie zuvor in ihrem Leben. Und dann auch noch von Menschen… Er stöhnte verzweifelt auf. Ihre Rache würde entsetzlich sein! Sie hatte Menschen noch nie sonderlich gut leiden können, aber sie hatte sie niemals gezielt angegriffen, selbst in ihrer ärgsten Zeit nicht. Wenn sie Menschen getötet hatte, war das eigentlich eher beiläufig geschehen- sie hatte sie nie als erwähnenswerte Gegner oder lohnende Beute angesehen. Doch jetzt… Shahi vergaß nicht. Niemals. Er starrte nach oben, versuchte, seinen rasenden Herzschlag zu beruhigen. Dicke, knorrige Wurzeln wanden sich an der gewölbten Decke entlang, Stütze und Schutz zugleich. Eine Verkörperung der gewaltigen Lebenskraft, die durch den mächtigen Baum pulsierte, unter dessen Obhut er sein Heim gefunden hatte. Normalerweise vermittelten ihm diese Sinnbilder von Stabilität und Kraft ein Gefühl der Geborgenheit und Ruhe, doch diesmal… Kongen sah, wie sich die feinen Wurzeln verzweigten, in die Erde eintauchten, sie durchdrangen und stützten, aber gleichzeitig auch ihre Energien aus ihr bezogen. Alles, was lebte, kehrte eines Tages in die Erde zurück, zerfiel, verrottete, um neuem Leben seine Kraft weiterzugeben… Asche, Staub und Erde. Am Ende war alles eins. In all seinen Lebensjahren war er sich seiner eigenen Verletzlichkeit, ja sogar Sterblichkeit selten so bewusst geworden. „Alles was lebt kann getötet werden, Ji- san…“ Nie würde er ihre Worte vergessen, das spöttische Grinsen auf ihrem Gesicht. Kongen stöhnte gequält auf. Er bildete sich nicht ein, dass sie ihn verschonen würde. War ihr Zorn groß genug, würde sie ihn hinwegfegen wie einen kleinen Zweig. Kongen schloss die Augen, presste die Lippen zusammen. Was nutzen ihm Jahrtausende an Lebenserfahrung angesichts dieser Kraft und maßlosem Hass? Er fühlte sich unendlich schwach und hilflos, wie damals, als… Es ängstigte Kongen, um wie viel stärker sie in den Jahrhunderten ihrer Wanderschaft und Suche geworden war. Diesmal war es nicht nur ihre reine Mordlust gewesen, die ihre Gegner regelrecht gelähmt oder in die Flucht geschlagen hatte, kein blindes Wüten, kein primitiver Tötungstrieb… Hinter ihrem letzten Angriff hatte eiskalte Berechnung gesteckt, kontrollierter, zielgerichteter Zorn. Er schluckte, als er daran dachte, wie schnell sie wieder zu sich gefunden hatte. Von einem Augenblick auf den nächsten war sie wieder völlig Herrin ihrer Sinne gewesen. Und hatte zugeschlagen. Bewusst, kontrolliert und gezielt. Es schauderte ihn, als er an die gewaltige Energie dachte, die sich durch die Schwerter entladen hatte. Oh ja, sie hatte Beherrschung gelernt. Und das ganz hervorragend sogar. Diese Kraft, diese Wut nun kontrolliert und gezielt frei setzten zu können, ihre Energie über die Schwerter zu fokussieren… Die Stadt würde einfach von der Erde verschwinden, ausgelöscht- und mit ihr jedes Leben, das sich in ihr befand. Egal, ob Jahrhunderte vergehen würden, bis es so weit sein würde, aber es würde geschehen. Ob der Taisho jemals daran gedacht hatte, dass seine Mühen derartige Konsequenzen nach sich ziehen würden? Mein alter Freund, ich habe dich noch nie so dringend gebraucht wie jetzt. Nur ein Blick von dir, und… Kongen riss die Augen auf! Der Taisho. Meigetsumaru. Oyakata- sama. Inuyasha! Kongen fuhr hoch, ignorierte die hämmernde Pein, die durch seinen Kopf raste und schwarze Punkte vor seinen Augen tanzen ließ. Er hätte es sogar ignoriert, wenn Kozos gesamte Verwandtschaft gerade seinen Sake-Vorrat geplündert hätte. Er spürte auf einmal etwas, was ihn schlagartig ernüchtern lies. Hoffnung. Nur eine winzige, flüchtige Spur, aber dennoch… Er musste einfach wissen, ob er richtig vermutete! Wenn er Recht behielt, dann war sein Plan, Shahi mit dem Halbwelpen zusammen zu bringen um so viel wichtiger, als er es sich hätte vorstellen können. Nur wenige Augenblicke später kniete er auf seinem Lager, eine flache, aus Silber getriebene Schale und einen kleinen Porzellankrug auf einem winzigen Tisch. Unendlich vorsichtig entkorkte er das Gefäß und ließ den Inhalt in die Schale fließen. Wie von einem eigenen Willen getrieben breitete sich die silbrige, von grauen Adern durchzogene zähe Masse über den glatt polierten Boden aus, kroch sogar den Rand hinauf, bis sie die abschließenden Verzierungen erreichten. Als sich das Extrakt mit der Magie der Schale vereinte, überlief ein Perlmuttartiger Schimmer das nun wieder völlig glatte Metall, verschärfte den Glanz der Schale zu der Brillanz eines Spiegels. Doch es war nicht das eigene Antlitz, das man in diesem Spiegel erblickte… Es war seine Leidenschaft, Erinnerungen und Erfahrungen anderer Wesen zu sammeln und zu konservieren. Doch es waren nicht nur die Bilder und Worte, welche der uralte Kräutersud aus seinem Konsumenten heraus zog, sondern vor allem auch Emotionen, Gefühle- Freude, Furcht, Zorn… je intensiver der Betreffende erlebt hatte, desto stärker wurde der Sud. Und umso eindringlicher würde er bereits Vergangenes sehen und fühlen, als würde es in jenem Moment um ihn herum geschehen. Diese Schale und diesen Trank zu nutzen war wie eine Reise in Ferne und Vergangenheit- oftmals überwältigend, Furcht einflößend und schockierend, aber auch berauschend, exstatisch und wunderschön. Oftmals hatte er nach einer besonders überwältigenden Erinnerung Stunden gebraucht, um wieder zu sich zu kommen. Diesmal jedoch… würde es noch viel schwieriger werden. Er blinzelte, musterte die bizarren Linien, die sich über die Oberfläche der Schale zogen. Die dunklen Adern schienen sich in das Silber der Schale hineingefressen zu haben, wirkten wie schmutzige Sprünge inmitten des leuchtenden Spiegels. Ein Zeichen für die Zwiespältigkeit dieser Erinnerung. Seiner eigenen Erinnerung. Er berührte die Schale vorsichtig, konzentrierte sich, fokussierte seine Gedanken auf jenen Teil der Erinnerung, den er sehen wollte, nein, musste, obwohl alle Instinkte in ihm dagegen schrieen. Die Schwärze trat aus den hässlichen Scharten heraus, verteilte sich in dem klaren Silber wie schwarze Tusche in reinem Wasser. Ein trübes Wabern floss nun über die glatte Oberfläche, durchzogen von schwarzen Wirbeln. 600 Jahre war es her, das Meigetsumaru und sein Sohn von einer fünfzig jährigen Reise über das Festland zurückgekehrt waren und er es vor lauter Vorfreude nicht hatte abwarten können! Wie ein dummer Keimling war er losgestürmt, um seinen alten Freund draußen zu begrüßen, das erste Mal seit Jahrhunderten außerhalb seines Refugiums unter freiem Himmel… Bedauerlicherweise hatte der Katzenclan die Heimkehrer zuerst gefunden. Sie hatten sich aufgeteilt, die Nachhut unter der noch jungen Touran hatte Sesshoumaru überfallen sollen, doch… Er fröstelte. Damals hatte er sich die größten Sorgen gemacht, als er hörte, das sich die Beiden sogar bis nach Indien durchgeschlagen hatten, war dieses Land doch sogar für Dämonen von der Stärke Meigetsumarus eine gefährliche Gegend. Nicht nur, das sich Götter und Asura dort seit Äonen einen unerbittlichen Krieg lieferten und fremde Dämonen mit ausgesprochenem Misstrauen betrachtet wurden – die Gerüchte, die ihm in dieser Zeit zu Ohren gekommen waren, hatte ihn wirklich um die Beiden fürchten lassen. Ein mörderischer Schatten sollte dort umgehen, der aus dem Nichts heraus angriff, jegliche Panzerung spielend leicht durchbrach, die mächtigen Kriegerfürsten mitsamt ihrer Heere in die Flucht schlug und sich jeder Wahrnehmung entzog. Ein unbekannter, fremder Dämon, der mit den Turkvölkern aus dem Westen gekommen sein sollte und nun unter der Hand der Götter jagte… Er schnaubte. Die beiden verrückten Hunde hatten diesen Schatten nicht gefürchtet- sie hatten ihn sogar mitgebracht! Sehr zum Leidwesen der Neko-Youkai. Kongen schluckte unwillkürlich. Noch einmal musterte er die Schlangen, die sich um den Rand der Schale wanden. Schlangen- galten sie in anderen Kulturen nicht als Symbol der List, der Weisheit? Was für eine Ironie… Kongen fühlte sich alles andere als Weise, als er sich herabbeugte, versuchte, sich gegen die in der Schale lauernden Bilder und Emotionen zu wappnen. Dann umklammerte er wild entschlossen die Schlangenleiber an der Schale. oOo Die Dämmerung warf lange Schatten, tauchte den lichten Wald in ein wirres Muster aus Dunkelheit und Licht. Hastige Bewegungen, hektische Rufe, immer wieder unterbrochen von gellenden Schmerzensschreien. Todesangst lag schwer und beinahe sichtbar wie klebriger Dunst in der Luft. Kongens Atem flog, er zitterte am ganzen Leib. Die raue, blutgetränkte Rinde scheuerte an seiner Haut, als er sich noch tiefer in das schützende Wirrwarr der Wurzeln presste. Er hätte niemals herkommen dürfen… Der dicke Stamm über ihm erzitterte unter einem wuchtigen Einschlag, warme Feuchtigkeit sprühte auf den wimmernden Baumgeist herunter. Mit einem hässlichen Laut löste sich ein zerschmetterter Körper von dem rissigen Holz, glitt an ihm herunter und schlug mit einem dumpfen Krach auf dem Boden auf. Kongen wich zurück, als eine schlaffe, krallenbewehrte Hand über die Wurzel rutschte, seinen Kopf streifte und leblos vor seinen Augen herabbaumelte. Unfähig den Blick abzuwenden, starrte er in stumpfen Entsetzen auf die Bluttropfen, die in quälender Langsamkeit über die verstümmelten Finger herab liefen. Die panischen Schreie der flüchtenden Katzendämonen drangen nur schwach in seine Ohren, gedämpft wie durch dicken Nebel. Was er mit grotesker Deutlichkeit hörte, waren die grausigen Geräusche brechender Knochen, das grässliche Schmatzen von in lebendes Fleisch dringenden Klauen und Klingen. Und ein leises, zufriedenes Grollen, fast ein Schnurren, das sich mit jedem Hieb zu steigern schien… Sein ganzes Sein, Seele und Körper krampfte sich bei diesem Geräusch zusammen. Wahnsinn, schierer, den Tod atmender Wahnsinn lag in diesem Laut. Er hörte den wütenden Schrei der Anführerin, ein Schatten huschte über sein Versteck hinweg, er konnte ihr wehendes Gewand erkennen, die hellen, wie blaues Eis schimmernden Haare. Touran selbst… Er hörte, wie sich ihre Stimme vor ungläubiger Wut und Verzweiflung beinahe überschlug, jegliche Ruhe, Zynismus oder Überlegenheit war wie weggewischt, zerfetzt wie ihre Krieger. Der Boden vibrierte unter der Wucht der aufeinander prallenden dämonischen Auren, die sich in einem irren Wirbel ineinander verdrehten, sich gegenseitig überlagerten, unterdrückten, erstickten. Ein weiterer gellender Schrei. Dann wieder ein ersterbendes Röcheln, mehrstimmiges Kreischen schierer Agonie, dazwischen immer noch dieses manische Knurren, das sich plötzlich zu einem Schrei schieren Triumphes und Blutdurstes steigerte… Kongen hörte nicht, wie er selber schrie, versuchte, diesen Irren Lärm da draußen zu übertönen, auszublenden, bevor er vor Angst den Verstand verlor, sich die Hände in einer nutzlosen Geste auf die Ohren presste. Aufhören, das sollte aufhören… Die plötzlich eintretende Stille war irritierend. Die Zeit schien sich bis ins Unendliche zu dehnen, bis Kongen es wagte, die Hände herunter zu nehmen, tief Luft zu holen. Dann hörte er es. Hechelndes, rasselndes Atmen. Tourans Aura war verschwunden. Ebenso die ihrer überlebenden Kämpfer. Nur die langsam verlöschenden Youkii der sterbenden Krieger zeugten noch von der Gegenwart der Neko- youkai. Über allem immer noch diese unendlich dunkle Aura, die fast greifbare Manifestation reiner Mordlust, wie er sie noch niemals zuvor erlebt hatte. Und dann war da noch was… Das feine Schleifen, wie es eine scharfe Klinge auf dem Holz ihrer Scheide verursachte. Ein mit Bedacht gezogenes Schwert. Und eine Aura, ruhig und glatt wie die Oberfläche eines Sees an einem windstillen Tag. Nur schwach gekräuselt von der gewaltigen Strömung, die unter dieser trügerischen Ruhe tobte. Er kannte dieses Youki! Die dunklen Wurzeln und der leblose Arm verschwammen vor seinen Augen, gaben den Blick auf die Überreste der Katzendämonen frei, die wie zerbrochene Puppen willkürlich verstreut auf dem roten Boden lagen. Die helle Gestalt Sesshoumarus wirkte in dieser Umgebung beinahe unwirklich- ebenso wie das kalte, verächtliche Lächeln, das um die Mundwinkel des jungen Prinzen spielte. Er hob sein Schwert, in einer beinahe lässigen, spielerischen Bewegung. „Was ist? Willst du dich weiter verstecken? Oder wagst du es diesmal, einem Gegner offen gegenüber zu treten?“ Ein raues Zischen antwortete ihm. In dem leeren Raum zwischen den Leichen regte sich etwas. Schatten und Dunkelheit gerieten in Bewegung, flossen zusammen, verdichteten sich zu einer sprungbereit zusammengekauerten halb tierischen Kreatur, deren Maul und Pranken vor Blut troffen. Die weiß flackernden Augen fixierten sich auf seine neue Beute. Der schwarze Körper spannte sich an, beugte sich lauernd nach vorne. Die Stimme war nur ein tiefes Grollen, fast bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. „Wie üblich strotzend vor Selbstvertrauen... Welpe…“ Blanke Häme lag in diesen Worten. Sesshoumaru antwortete nicht, trat lediglich einen Schritt näher, das Schwert schräg vor sich haltend Der Pantherdämon duckte sich wie unter einem Peitschenhieb, als der Hundedämon seinem Youki freien Lauf lies, seine Energie mit brachialer Wucht gegen die finstere Aura des Pantherwesens prallten lies. Ein genüssliches Wimmern war die Antwort! Die weißen Augen der Kreatur begannen zu lodern, die Lefzen verzerrten sich zu einem gierigen Grinsen. Das Wimmern wandelte sich zu einem tiefen Knurren. Der zum zerreißen gespannte Körper zitterte vor Erwartung, als sich der fremde Dämon noch tiefer duckte, den nun vor Irrsinn flackernden Blick starr auf Sesshoumaru gerichtet. Speichel troff aus dem halb geöffneten Maul. „Huh!“ Sesshoumarus spöttisches Lächeln vertiefte sich. „Also doch nur ein von seinen primitiven Instinkten gesteuertes Tier? Wie überaus amüsant…“ Das Knurren verstummte. Dunkelheit legte sich über den Wald, als das brodelnde Youki den Himmel verdeckte. Kongen spürte, wie er zu Boden gedrückt wurde, als sich die Atmosphäre unter der gewaltigen Kraft weiter auflud, die Erde unter dem machtvollen Druck zu beben begann. „…dabei hattest du meinen Vater doch vom Gegenteil überzeugen wollen, nicht wahr?“ Der Pantherdämon explodierte in einem Wirbel aus schwarzer Energie und blitzenden Krallen. Zu schnell, als das Kongen mehr erkennen konnte als einen verwischten Schemen, raste der Dämon lautlos auf den halbwüchsigen Inu-Youkai zu. Die Augen Sesshoumarus waren kalt und funkelten wie der seelenlose Stahl seiner Klinge, als er das Schwert hob um seinen Gegner mit einem vernichtenden Hieb zu empfangen, die Klauen der freien Hand gespreizt und triefend vor Gift. Die Luft um den Pantherdämon herum flimmerte wie unter sengender Hitze, die sichelförmigen Krallen voll ausgefahren flog er auf seine Beute zu, Kongen sah, erahnte, wie der Körper sich verdrehte, den Winkel änderte, um mitten im Lauf seine Richtung zu ändern, Sesshoumarus Abwehr zu umgehen und ihm in die Seite zu fallen,… Kongen schrie auf, als etwas wie ein Blitz zwischen die Beiden fuhr, sie jeweils rücklings davon schleuderte. Sesshoumaru schlug in einer Staubwolke auf, überschlug sich beinahe, während ihm das Schwert aus der Hand geprellt wurde und wirbelnd zwischen den Bäumen verschwand. Kongen keuchte vor Entsetzen, als der schwarze Dämon seinen unkontrollierten Flug elegant auffing und auf allen Vieren vor ihm landete, jedoch mit dem Rücken zu ihm, immer noch völlig auf seine Beute fixiert. Erde spritze auf, als er erneut angriff- und abrupt abbremste! Meigetsumaru hatte seinem Sohn den Rücken zugewandt, seine Aufmerksamkeit voll auf den bebenden Pantherdämon vor ihm konzentriert. Seine Hände waren leer, Tessaiga und So’unga staken unberührt in ihren Scheiden. Ruhig musterte er den schwarzen Dämon, der seinen dunklen Blick zuerst noch aus brennenden Augen erwiderte. Über die Rüstung des Hundedämons verliefen parallel stark geschwärzte und noch rauchende Brandspuren, Spuren einer zuschlagenden Pranke. Blut tropfte in einem feinen Rinnsal von einer Hand herunter. Er sprach nicht, bewegte sich nicht, achtete weder auf seinen sich schwach regenden Sohn, noch auf seine blutende Hand. Schweigend starrten er und der fremde Dämon sich an- bis das wilde Leuchten in den weißen Augen erlosch, als erstickte jemand ein gleißendes Feuer. Kongen sah, wie der verzerrte Leib sich entspannte, schmaler und zierlicher wurde und eine beinahe menschliche Gestalt zum Vorschein kam. Ein seltsamer Ausdruck aus bestürztem Schrecken und tiefer Scham lag auf dem immer noch tierischen Gesicht, als das Pantherwesen langsam zurückwich und schließlich mit einem Satz zwischen den Bäumen verschwand. oOo Er dauerte beinahe eine halbe Stunde, bis Kongen in der Lage war, das Gefäß mit zitternden Händen abzustellen. Noch immer pochte ihm sein Herz fühlbar bis in den Hals hinauf. Diesen Tag würde er wohl nie vergessen können, Erinnerungstrank hin oder her… Der Baumgeist starrte nachdenklich auf die nun wieder matte Oberfläche der Schale. Das Extrakt hatte sich von dem Metall gelöst und lag nun als unansehnliche, zähe Pfütze auf dem Boden. Wie hatte er vergessen können, wie viel sich in dieser Zeit geändert hatte? Die Mordlust, die noch immer dicht unter der Oberfläche brodelte, würde wohl niemals verschwinden, das war ein Teil ihres Wesens, ihrer Seele. Doch der Unterschied zwischen dem sinnlos wütenden Monster von damals und der zielstrebigen Jägerin, die vor nur einigen Tagen vor ihm gestanden hatte, war, nun… … Beachtlich. Die vormals so dünne Schicht aus Selbstbeherrschung war gewachsen, stärker, fester geworden. Erst als die Angriffe in Edo zu übermächtig wurden, war die alte Bestie hervorgekommen- und als die größte Gefahr gebannt war sofort verschwunden, wieder klarem Verstand gewichen. Und wer konnte ihr verübeln, rücksichtslos um ihr Leben gekämpft zu haben? Aber dennoch war da ein Unterschied gewesen zwischen dem Vorfall in Edo und ihrem Ausbruch auf der Lichtung. Hatte sie sich in Edo lediglich verteidigt, so wurzelte ihr Verhalten bei der Begegnung mit der kleinen Priesterin auf ganz anderem, tieferem Boden… Schmerz. Wut. Hass. Dort war sie voll und ganz die alte Bestie gewesen. Völlig gefangen in ihrem Blutdurst hatte sie Inuyasha angegriffen … und ihn verschont. Sie hatte ihn verschont und sie war zurückgewichen! Zurück… Ein zaghaft erleichtertes Lächeln stahl sich auf sein Gesicht, als Kongen einen ersten, sanften Hauch von Optimismus verspürte. Vielleicht… bestand da ja doch noch Hoffnung… Er schloss die Augen, spürte, wie sich die ungeheure Last der Furcht von seinen Schultern hob. Ob ihm das später einmal jemand glauben würde? Das vielleicht Edos Schicksal, sogar der Verlauf dieser gesamten Jagd in der Hand eines verachteten Hanyou lag, der seinem Vater wohl ähnlicher war, als sie alle es sich je hätten vorstellen können? Kongen ließ den Kräutersud wieder zurück in seinen Behälter fließen und stand auf, rückte mühsam seine Gelenke zurecht. Er stöhnte leise, als er die schwere Metallschale in ihr Fach zurückstellte. Er fühlte sich seltsam erschöpft nach dieser seelischen Anstrengung, und noch immer pochte sein Kopf unter gemeinen, dumpfen Hammerschlägen. Elender Alkohol. Die durch die Bannkreise der Stadt und die schützenden Barrieren des Baumes abgemilderte Energie des Sturmes kratzte schwach an seiner Wahrnehmung. Aber es war nicht sein Interesse, was da über ihm vorging- Kozo würde ihn schon informieren, wenn er sich darüber Sorgen machen musste. Jetzt galt es erstmal zu sehen, wie jemand anderes mit diesem Unwetter zurecht kam… was half ihm alle Grübelei, wenn er sich nicht einmal darüber informierte, wie es Shahi und dem jüngerem Welpen ging? Er warf einen sehnsüchtigen Blick zu den Scherben der als Wurfgeschoss missbrauchten Teekanne. Dieses Gebräu hatte wirklich hervorragend geholfen! Einen Moment lang spielte er mit den Gedanken, sich eine Neue holen zu lassen, verwarf diese Idee aber gleich wieder. Das hatte auch Zeit bis später. Außerdem hatte er keine Ahnung, wo sich dieser impertinente Marderhund schon wieder herumtrieb. Kongen kämpfte mit einem irritierenden Schwindel, als er sich auf einem Kissen niederließ und nach seiner Porzellanschale und einem Tonkrug griff. Ein wenig wehmütig sah er auf das klare, kühle Wasser, das sich glitzernd aus dem Krug in das Gefäß ergoss. Er hätte es lieber getrunken… sein Durst war geradezu erschreckend. Was so eine größere Menge Sake ausmachen konnte, war ebenso faszinierend wie auch furchteinflößend. Nie wieder. Das nahm er sich fest vor. Diese Lektion hatte er gelernt. Betrunken wie ein gewöhnlicher Mensch oder Tanuki… Wie hatte er sich nur dazu hinreißen lassen können? Sich von seiner eigenen Feigheit und Schwäche zu sinnlosem Trinken verführen zu lassen. Beschämend, ekelhaft… widerwärtig! Im Nachhinein verspürte er geradezu ein Würgen, wenn er nur an Sake dachte. Kongen schwor sich, das es das erste und letzte Mal in seinem Leben gewesen war. Egal, was ihm diese turbulenten Zeiten noch abverlangen würden, niemals wieder würde er sich in die trügerische Ruhe des Alkohols flüchten. Nein! Niemals! Wieder! Er atmete auf. Das Gesicht, das ihm aus der glänzenden Wasserfläche entgegen sah, gefiel ihm nun schon um einiges besser, als wie er sich noch vor einigen Augenblicken gefühlt hatte. Gefestigt, voller neuem Mut und wieder mit sich im Reinen. Was konnte denn jetzt noch groß schief gehen? Er hatte Recht behalten, von Anfang an. Es gab nichts, was er mit seiner Weisheit und seinem Geschick nicht in den Griff bekommen konnte. Kongen gönnte sich ein selbstgefälliges Lächeln und griff dann wohlgemut nach der Schale. Es war ihm ein leichtes, die Gesuchten aufzuspüren. Der Schrei, der kurz darauf durch die Tunnel gellte, ließ den angestrengt nach einem hoch gelagerten Krug eingelegtem Rettich angelnden Tanuki zusammenzucken. Der schmale Hocker, auf dem er balancierte, geriet gefährlich ins Wanken. Kozo wedelte verzweifelt mit den Armen, versuchte vergeblich, sein Gleichgewicht wieder zu finden- um dann mit einem Höllengetöse kopfüber in einen Stapel Fässer zu landen. „KOZO! SAKE!!“ ~O~ Teilweise geschrieben unter Apocalyptica, „Cult“! Hiermit ein dickes „Dankeschön“ an diese Jungs, die mir über eine ekelhaft widerspenstige Stelle hinweggeholfen haben…^^* Dieses Kapitel hat mich beinahe in den Wahnsinn getrieben, auch wenn man ihm das nicht anmerkt (ist eben doch wieder ein „Laberkapitel“). Nicht, weil ich noch nebenbei jede Menge um die Ohren habe, sondern weil ich ungefähr acht Wordseiten Schriftgröße zehn digital einstampfen konnte… ich habe in dem verzweifelten Versuch, die Handlung schneller voran zutreiben die Chronologie über den Haufen geworfen und ein komplett neues Kapitel begonnen- nicht weiter zu erwähnen, das dass ein Fehler war.><* Aber ein einmaliger^^*. Wer will, darf mich also nach Herzenslust verfluchen, wenn das nächste Mal wieder so lange dauert… dann hab ich nämlich keine Ausrede mehr! Der Handlungsverlauf für das nächste Kapitel steht, und ich werde mich bemühen, es ohne umschweife voranzutreiben. Und ja, dann beginnt auch wieder die Action^^ Und bitte nicht böse sein, wenn es nicht allzu schnell voran geht (Handlungstechnisch, meine ich). Das Ding ist beinahe als ein Roman angelegt, was die Länge betrifft… das braucht leider seine Weile, bis alle Karten auf dem Tisch liegen. Liebe Grüße, der (erschöpfte) Marder Kapitel 10: Zuflucht -------------------- Ich sag nix mehr… ich hoffe nur, das dass hier überhaupt noch einer lesen will. *seufz* Der Geist ist willig, das Fleisch (und die Zeit) ist schwach (zu wenig). Fremdwörter: Arkebusen: Lunterschlossgewehre, die in dieser zeit vermehrt in Japan genutzt wurden Fukûtaisho: Vizegeneral, direkter Untergebener des Generals (der hier auch gleichzeitig die Funktion des Burgherrn übernimmt) Danna: Höflichkeitssuffix, hier Hausherr, sonst auch Anrede für einen Lehrmeister, Beschützer,u.a. Tanto: kurzer, einschneidiger Dolch O-ba-san: höfliche Anrede für alte Frau (richtig? Bei Fehler bitte Korrigieren! o_O°) Zusammenfassung: Shahi kehrt nach zweihundert Jahren zusammen mit Samûn nach Japan zurück, um eine ganz bestimmte Beute zu jagen. Sie scheint den Inu no Taisho sehr gut zu kennen, sogar zu verehren, während die Erinnerungen an Sesshoumaru nicht die Besten sind. In Edo gerät sie mit den Menschen aneinander und wird, obwohl sie ohne jegliche feindliche Absicht in der Stadt war, schwer verletzt. Bei ihrem Kampf und dem Ausbruch aus den Bannkreisen der Stadt wird ein Teil Edos niedergebrannt, was vielen Menschen das Leben kostet. Beide sind danach sehr geschwächt, Shahi ist sogar bereit, sich ein Bein abzuschlagen, um der tödlichen Wirkung eines Bannpfeils zu entgehen. Im letzten Moment wird sie von Kagome gefunden, die den Pfeil trotz Shahis Misstrauen und nur durch Samûns Eingreifen entfernen kann- der einsetzende Schmerz löst bei Shahi einen Blutrausch aus, dem beinahe Kagome und auch der zu Hilfe eilende Inuyasha zum Opfer fallen. Doch aus einem für Inuyasha unbekanntem Grund lässt Shahi von ihm ab und bricht schließlich endgültig am Ende ihrer Kräfte zusammen. Samûn, der Kagomes uneigennützige Hilfsbereitschaft erkannt hat und sich der Gefahren, in der sie in einem so hilflosen Zustand schweben sehr wohl bewusst ist, beschließt, der Miko vorerst zu vertrauen und bei der Gruppe zu bleiben, selbst, als ein Sturm über sie hereinbricht und sie zwingt, nach einer sicheren Unterkunft zu suchen. Er scheint durch das Unwetter, das eine ungeheuer verlockende Wirkung auf ihn hat zu neuen Kräften zu gelangen und zwingt Shahi in ihre menschliche, unauffälligere Gestalt zurück. Unmittelbar danach verschwindet er im Wind, seine verletzte und bewusstlose Gefährtin bei Inuyasha zurück lassend. Kongen, ein alter gemeinsamer Bekannter von Shahi und dem Inu no taisho befürchtet indes das Schlimmste, da er Shahi als sehr rachsüchtig und rücksichtslos kennt, wenn ihr Zorn erst einmal geweckt wird- und ungerechtfertigt von Menschen angegriffen zu werden ist eine äußerst eindeutige Provokation. Er befürchtet, das ihr alter Blutrausch wieder erwachen könnte, ebenso fürchtet er ein Zusammentreffen Shahis und Sesshoumarus, da beide sich bis aufs Blut zu hassen scheinen. Allerdings gibt ihm das zusammentreffen Shahis und Inuyashas vorerst neue Hoffnung- die sich allerdings nach einem Blick auf die aktuelle Situation abrupt in Sake auflöst. Niemand von ihnen ahnt, dass Inuyasha während seiner Auseinandersetzung mit Shahi nur knapp dem Angriff einer unbekannten Bestie entgangen ist, die bereits die gesamte Musashi- Ebene in Angst und Schrecken versetzt hat und eine Massenflucht der Youkai auch in die Westlichen Länder verursachte, die jedoch von Sesshoumaru problemlos zurückgeschlagen wurde. Allerdings ist die Bestie nun weiter auf dem Weg nach Westen, geleitet von einem unbekannten Meister- und sie ist hungrig! Und auch Naraku beobachtet die Geschehnisse mit Interesse. … und weiter geht’s. Kapitel 10: Zuflucht? Mit einem schrillen Heulen presste sich die eisige Luft durch die winzigsten Spalten, strich fauchend und stöhnend durch die verwinkelten Korridore und Gänge, rüttelte an den dünnen Bespannungen der Shojitüren und ließ die Flammen der Feuerstellen und Lampen unruhig flackern und mitunter funkensprühend erlöschen. Das Holz der mächtigen Stützbalken ächzte klagend. Der Sturm strich wie ein brüllender Höllendämon über die Burg, die vereinzelten Böen nun zu einer dröhnenden Kakophonie vereint, Regen prasselte mit der Wucht und der Lautstärke einschlagender Arkebusenkugeln gegen die Wände. Der Samurai fühlte deutlich, wie das Holz unter ihm erbebte, sobald eine neue Bö an dem Gebäude zerrte, an den sorgfältig verschachtelten Dächern und Pfosten riss, bis sich Wände und Boden vor Schmerzen zu winden schienen. Shinosuka Masanori verhielt in seinem Schritt, versuchte durch die zerfetzten Reste einer Türbespannung hindurch einen Blick auf den Himmel zu erhaschen. Schwarze Wolken schluckten das Tageslicht, verwandelten die Mittagsstunden in drückende Dämmerung. Ein grünlich- purpurfarbener Schimmer schien in ihnen zu brodeln, es schien, als ob sich die Abgründe der Unterwelt selbst aufgetan hätten, um den Menschen ihren Atem entgegen zu speien… „Als zögen dort die Mächte der Hölle mit allen ihren Dämonen und Geistern vorbei.“ murmelte er. Waren es Götter, Dämonen, war es einfach eine grausame Laune der Natur? Der alte Priester hätte es ihm sagen können- doch der war vor sechs Tagen zusammen mit dem Burgherrn nach Edo, an den Hof des Daimyo gerufen worden. Seit diesem Befehlwar keine Nachricht mehr aus der Stadt gekommen. Es war von einer Unzahl von Youkai die Rede gewesen, die Edo regelrecht umzingelt hielten…was ging dort vor sich? War die Situation dort so schlimm, das der Daimyo seinen Außenposten sogar die wichtige spirituelle Unterstützung und die Erfahrung und Führung eines altgedienten Generals entzog, eine seiner gerade erst neu erschaffenen Nebenburgen schutzlos inmitten eines von Youkai bevölkerten Landstrichs zurückließ? Sicherlich war der Fürst auf die Wehrhaftigkeit seiner Nebenburgen bedacht, doch würde sein Hauptsitz stets Vorrang haben. Aber war es nicht in den letzten Tagen überraschend ruhig gewesen? Diese plötzliche Stille nach einer Zeit der Schrecken und Furcht beunruhigte ihn mehr, als er sich eingestehen wollte. Was ging dort vor, hinter den schweigenden Mauern aus Felsen und Bäumen? Ihn fröstelte. Die Last der Verantwortung, die er während der Abwesenheit seines Herrn trug, erdrückte ihn. Er selbst war rettungslos verloren, was den Umgang mit übernatürlichen Mächten betraf. Er konnte nur nach dem Entscheiden, was er sah, was sein verstand, sein Ehrgefühl als Samurai und sein Herz ihm sagten. Und bisher konnte er auf nichts in seinem Leben zurückblicken, was er bereut hätte, doch noch war er jung. Er hoffte, dass es auch weiterhin so bleiben würde… …und das diese Gäste nicht den Grundstein seines Versagens legen würden. Er wandte sich ab, ging langsam den Korridor zu den Soldaten-Unterkünften entlang. Fast alle Bewohner des Schlosses hatten sich hier versammelt- die niedrigen Gebäude schmiegten sich dicht an die Wehrmauern, waren so vor den schlimmsten Auswirkungen des Unwetters geschützt. In den äußersten Räumen hatten sie auch ihre Gäste untergebracht. Was für eine merkwürdige Truppe. Es gehörte durchaus anerkennenswerter Mut, Kraft und Zähigkeit dazu, sich durch den Sturm und die weitläufigen Waldgebiete um die Festung herum durchzukämpfen. Dazu noch mit Frauen- und einer besinnungslosen, schwer verletzten Barbarin! Jedoch… als er sah, das ein Hanyou und zwei Youkai zu dieser Gruppe gehörten, war er angesichts des an Furcht grenzenden Gefühls, das dieser Sturm auslöste kurz davor gewesen, ihnen die Zuflucht verweigern zu lassen, sie nötigenfalls sogar zu töten. Doch hatten die Anwesenheit einer Taijiya und eines Houshi wiederum ausgleichend gewirkt… Shinosuka rätselte immer noch, wie es zu dieser ungewöhnlichen Konstellation gekommen war. Ob der Mönch und die Jägerin einen Bann… nein, eher nicht. Die Nekomata und der Kitsune hatten zutraulich, anhänglich gewirkt. Die Nekoyoukai hatte sogar stillschweigend die Last einer Verwundeten erduldet, war der Taijiya soweit möglich noch mit jeder Bewegung entgegen gekommen, als sich die vor Schwäche in ihr Nackenfell gekrallt hatte. Das tat niemand, der lediglich unterworfen worden war, erst recht kein tierischer Dämon. Und der Hanyou… der Halbdämon hatte Shinosuka am tiefsten beeindruckt. Sie hatten vor ihm gestanden, im strömenden, peitschenden Regen… Der Hanyou hatte dieses Mädchen mit der merkwürdigen Kleidung auf dem Rücken getragen. Seine Augen waren voller Emotion, voller Misstrauen gewesen, und doch hatte er die Frau nicht abgesetzt, um die Hände notfalls für das Schwert, zur Verteidigung frei zu haben. Und auch der besänftigende Griff des Mädchens auf dem Schwertarm des Hanyou war ihm nicht entgangen… ihre Finger hatten seinen Unterarm umschlossen, nur sanft, aber doch mit einer eindeutigen Geste. Ihr anderer Arm war um seinen Brustkorb geschlungen gewesen- Halt suchend sowie gebend. Shinosuka war feinfühlig genug, um diese Signale zu lesen. Der Hanyou stütze diese Frau- so wie sie ihn stütze. Es war dieses Bild gewesen, was für ihn letztlich den Ausschlag gegeben hatte. Es wäre seiner nicht würdig gewesen, diese Leute zu einem elenden Tod in diesem verfluchten Sturm zu verdammen. Sie würden nicht unehrenhaft handeln, die ihnen gewährte Freundlichkeit nicht mit Füßen treten. Der Houshi und der Halbdämon hatten ihm ihr Wort gegeben, sich angemessen und friedlich zu verhalten, selbst dafür zu sorgen, dass keinem Menschen hier durch ein Mitglied ihrer Gruppe etwas zustoßen würde. Und er hatte ihnen geglaubt. So, wie sie ihm geglaubt hatten, als er ihnen einen sicheren Aufenthalt bis zum Ende des Sturms und einen freien Abzug versprochen hatte… Der Fukûtaisho nickte den sich verbeugenden Wachen kurz zu, bevor er schließlich vor der Shoji stehen blieb, sich ein tiefes Luftholen erlaubte. Hoffentlich würden die Götter ihm gnädig sein. Er hatte noch niemals sein Wort gebrochen. Und auch diesmal würde er seine Ehre nicht verlieren wollen. oOo Miroku und Inuyasha fuhren zusammen, sahen abrupt auf, als die Schiebetür vorsichtig beiseite geschoben wurde und die Gestalt des Fukûtaisho sichtbar wurde. „Verzeiht die Störung, Houshi- sama…“ Inuyasha löste langsam den Griff um Tessaiga, ließ sich wieder zurücksinken. Er versuchte, sein rasendes Herz zu besänftigen. Dieser elende Sturm…Im Gegensatz zu Miroku stand er nicht auf, als der Soldat das schlichte Zimmer betrat. Der Mönch verbeugte sich höflich. „Shinozuka- danna…was kann ich für Euch tun?“ Der Mann ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. „Ist alles zu eurer Zufriedenheit? Benötigt Ihr noch weitere Decken? Ein wenig Tee?“ Miroku stutze, fing sich aber rasch. „Nein, wir wurden bereits ausreichend versorgt, weitaus reichhaltiger, als so unwürdige Gäste es unter diesen Umständen erwarten dürfen. Wir sind euch und eurer Großzügigkeit bereits zu größtem Dank verpflichtet, Shinozuka-danna.“ Inuyasha starrte unbeweglich in die Feuerstelle, versuchte, das umständliche Gerede zu ignorieren. Was sollte dieser Mist? Schweigen, nur kurz, aber dennoch lang genug, das Miroku sich anspannte. „Meine bescheidene Person hätte eine kleine Bitte an den ehrenwerten Houshi und seine Begleiter… ich hoffe sehr, das diese meine Gäste nicht beleidigt…“ Der Mann straffte sich. „Ich möchte Euch höflichst ersuchen, mit euren Begleitern ausschließlich in diesen euch zugewiesenen Räumen zu verbleiben und den Trakt nur mit meiner ausdrücklichen Erlaubnis zu verlassen. Ich…“ „Was soll denn auf einmal dieser Blödsinn?“ Inuyasha war nun doch aufgesprungen, stand nun mit geballten Fäusten neben Miroku. „Reicht dir mein Wort nicht oder was? “ Miroku hob besänftigend die Hand. „Warte, Inuyasha. Vielleicht hat unser Gastgeber ja gute Gründe für diese…Bitte?“ Der Fukûtaisho deutete eine knappe Verneigung an. „Ich versichere euch, eine Beleidigung eurer Personen liegt mir fern. Jedoch sind viele meiner Soldaten und auch die Bediensteten durch dieses Wetter in Sorge… sie befürchten Dämonenwerk in diesem Wind. Und die Anwesenheit eines Hanyou und zweier Youkai sind nicht unbedingt geeignet, sie zu beruhigen, bitte verzeiht ihre Narretei. Trotzdem würde es mich erleichtern, würdet ihr meiner Bitte entsprechen. Ich möchte unliebsame Vorfälle vermeiden. Zu unser beider Vorteil.“ Er sagte es bedeutsam. Miroku und Inuyasha warfen sich einen kurzen Blick zu, dann ließ sich der Hanyou mit einem unwilligen Knurren auf sein Kissen zurückfallen. „Meinetwegen! Bevor die sich hier noch ins Hemd machen…“ Wenigstens hatten sie ihnen ihre Waffen gelassen- eigentlich eindrucksvoller Beweis dafür, wie der zweite Heerführer ihrem Wort vertraute. Miroku nickte Shinosuka zu. „Wenn es euch eure Situation erleichtert, selbstverständlich. Darf ich die Frauen von eurer Bitte in Kenntnis setzen?“ „Selbstverständlich dürft ihr das. Ihr seid jederzeit frei, nach eurer Begleitung zu sehen… ich ersuche euch nur, diesen Flur nicht zu verlassen.“ Shinosuka verneigte sich noch einmal tief, versicherte ihnen seine Dankbarkeit und zog sich zurück. Miroku wartete einige Augenblicke, bis er sich sicher war, das der Mann sie nicht mehr hören konnte. „Ich frage mich, was das jetzt gerade sollte.“ Inuyasha sagte nichts, schnaubte nur verächtlich durch die Nase. Der Houshi seufzte resigniert. Das immer noch beinahe verstockte Schweigen Inuyashas zerrte an seinen Nerven. Müde ließ er sich auf seinen Futon sinken, starrte an die Decke. Winzige Wassertröpfchen hingen an den Balken, funkelten im flackernden Licht des Feuers. Bei jedem Verwinden des Holzes lösten sie sich, fielen wie kleine Funken herab, um gleich wieder durch neue ersetzt zu werden.. Miroku schauderte, wenn er sich vorstellte, jetzt noch im Freien zu sein. Sie hatten es gerade noch rechtzeitig geschafft, bevor der Sturm endgültig losgebrochen war. „Warum hast du uns überhaupt hergeführt? Das war eine echte Schnapsidee!“ Klar. Wenn der Hanyou schon den Mund aufmachte, dann nur wieder zum Meckern. Miroku wandte den Kopf. Inuyasha hockte an der gegenüberliegenden Seite der Feuerstelle, starrte in die Flammen. Tessaiga hielt er im Arm, die Hand auffällig nah am Griff. „Hättest du eine Alternative gewusst? Wärst du jetzt lieber mit Kagome da draußen? ICH jedenfalls nicht!“ Inuyashas Augen leuchteten im warmen Licht der Flammen. „Musste es denn ausgerechnet eine verdammte BURG sein? Hier wimmelt es von Samurai!“ Und er war nun an dieses elende Versprechen gebunden. Etwas sagte ihm, das ihn diese… Dummheit noch teuer zu stehen kommen würde. Miroku atmete tief durch. „Hai. Und es gibt hier auch einige große, stabile Wehrmauern, die verhindern, dass das Wetter uns das Dach über dem Kopf wegreißt!“ Ein dumpfes Krachen drang durch das Brüllen des Windes zu ihnen durch. „Ich hoffe, das war keine deiner stabilen Wehrmauern.“ knurrte Inuyasha, schwieg dann aber wieder. Es war offensichtlich, dass er den Menschen nicht recht traute. Miroku räumte ihm stillschweigend einiges recht ein. Die Situation war denkbar unangenehm. Sie waren auf das Wohlwollen dieser Menschen angewiesen. Nicht nur, dass sie endgültig körperlich am Rande des Zusammenbruchs standen und sich somit im Falle eines Angriffes kaum effektiv würden wehren können… sie waren praktisch blind und taub. Sie hatten es bereits auf dem Weg zu Burg gespürt, und es war rasch immer intensiver geworden, bis es sich wie eine Decke über ihre Sinne gelegt hatte. Youki. Zu Beginn nur schwach, dann aber mit dem immer wilder werdendem Wind zunehmend anschwellend, bis es sie wie reißendes Wasser umspülte und ihre Herzen zum Rasen brachte. Kampf und Tod schwang in dieser Energie mit, zeugten von wildem Hass und ungezügelter Wut und Macht. Doch der zuerst erwartete Angriff blieb aus. Nichts geschah. Es war über ihnen, in den Wolken, im Wind, fegte über sie hinweg, ziellos, ungerichtet… wie ein wanderndes Echo in den Bergen, eigenartig fremd und fern und dennoch mit niederschmetternder Kraft. Wie grollender Donner, der von einem weit entfernten Gewitter zeugte… Sie hatten sich schnell wieder gefasst, als sie erkannten, das sie es nicht mit einem Angriff, sondern eher mit den atmosphärischen Nachwehen eines bereits vergangenen Ereignisses zu tun hatten…. Und empfanden eine verschämte Erleichterung darüber, den Ursprung dieses Unwetters nicht miterlebt zu haben. Miroku jedenfalls vermutete stark, das keiner von ihnen den Verursachern etwas entgegenzusetzen gehabt hätte. Denn die immer noch andauernden Auswirkungen waren beträchtlich. Und sie beschränkten sich nicht nur auf die aufgewühlten Elemente. Der Taifun selbst schien nun im relativen Schutz fester Wände nicht mehr ihr dringendstes Problem zu sein… die dunklen Energien wirkten sich keineswegs nur auf ihr Gemüt aus. Vereint mit Wind und Wasser löschten sie alles andere aus: ob Gerüche, Geräusche, Youki oder Ki, jeder ihrer Sinne war blockiert, überlastet oder derartig verwirrt, das niemand von ihnen mehr von seiner Umgebung erkannte, als was er im Halbdunkeln sehen oder ertasten konnte. Selbst Inuyasha hatte Shinosuka erst bemerkt, als er die Tür beiseite geschoben hatte. Hätte der Vizegeneral feindliche Absichten gehabt: sie hätten ihn weder gehört, noch gerochen, noch sein Ki spüren können- bis ihnen das Tanto in der Brust gesteckt hätte. Sie hatten sich noch nie zuvor so hilflos und nackt gefühlt. Es war zum Verzweifeln. So sehr ihre Körper und Seelen nach Ruhe verlangten, es schien ihnen unmöglich, sich zu entspannen, von einem erholsamen Schlaf einmal ganz zu schweigen! Und der Besuch Shinosukas war nicht eben angetan, sie in Sicherheit zu wiegen. Der Vizegeneral hatte sich eindeutig sehr unwohl gefühlt. Das der Mann sie höchstpersönlich aufgesucht hatte, anstatt einen Untergebenen zu schicken, sprach ebenfalls für sich. Die Angelegenheit war ernst. Entweder war er sich seiner Entscheidung, sie hier aufzunehmen, nun doch unsicher geworden- oder etwas hatte die Sachlage verändert. Nur was? Und wie? Miroku drehte sich zur Seite, wickelte sich dabei tief in die dicke Wolldecke. Doch das Frösteln kam nicht von der Kälte... Das Bild des Pferdedämons erschein vor seinem Auge, die hilflose Gestalt der Pantheryoukai… Miroku war sich völlig sicher, das der Pferdedämon in seine Gedanken eingedrungen war, in ihnen gesehen hatte, wohin Miroku die Gruppe führen wollte. Und er hatte gehandelt. Der Houshi wusste zwar nicht, woher der Dämon die Kraft für diese Verwandlung und sein eigenes Verschwinden bezogen hatte, aber es war- eindrucksvoll gewesen. Und beängstigend. Es schien, als ob sich der beinahe völlig erschöpfte Youkai aus der Energie des Sturmes genährt hätte- oder aus dem Youki, das zu diesem Zeitpunkt bereits in dem Unwetter manifestierte. Wie hatte er es geschafft, die Youkai zu verwandeln? Ein Bann? Eine Illusion? Oder verfügte auch die Panther- Dämonin über eine menschliche Gestalt, und der Pferdeyoukai hatte sie lediglich in diese zurück gezwungen? Zwar drängte sich ihm diese Vermutung auf, doch es war ihm in seinem Zustand und in dieser energiegeschwängerten Atmosphäre einfach unmöglich, den Zustand des verwandelten Dämons genauer zu analysieren. Und was war aus dem Pferdedämon selbst geworden? War er geflohen? Verpufft? Vom Winde verweht? Würde er wieder kommen? Miroku wusste es nicht. Wie auch immer… dank des Pferdeyoukais war für den Moment eine von Mirokus größten Sorgen aus dem Weg geschafft worden. Er verbat sich ein weiteres Nachgrübeln über Dinge, die ihn im Augenblick heillos überforderten. Die aktuelle Situation war wahrhaftig verzwickt genug, als das er sich jetzt auch noch um den verbleib dieses mysteriösen Pferdedämons Sorgen machen könnte… er war ihm in diesem Augenblick auch einfach nur dankbar. Statt einem halbtierischen Dämon hatten sie lediglich eine Frau bei sich gehabt. Der Houshi war sich ziemlich sicher, dass ihnen eine Menge sehr unangenehmer Fragen geblüht hätten, wären sie mit einem weiteren, dazu noch Schwerverletzten Dämon vor den Burgtoren aufgekreuzt. Fragen, auf die sie keine Antwort gehabt hätten. Die jetzige Frage war nur: Hatte der Pferdedämon seine Gefährtin verwandelt, um ihnen die Möglichkeit zu geben Schutz zu finden- oder hatte er verhindern wollen, das sie herausfanden, warum ein Miko- Pfeil im Bein der Youkai gesteckt hatte…? Inuyashas Worte dem Fukûtaisho gegenüber klangen ihm in den Ohren. ‚Ich sorge schon dafür, das keinem deiner Leute hier was passiert!’ Gestern Abend auf der Lichtung hatte Inuyasha hilflos auf dem Rücken gelegen… Und dabei war der Pantheryoukai mehr tot als lebendig gewesen. Was würde geschehen, käme er in dieser Umgebung wieder zu Bewusstsein? Über die Flammen hinweg traf ihn Inuyashas Blick. Einige Atemzüge lang sahen sie sich schweigend an. Dann erhob sich Inuyasha ruckartig. „Ich geh Kagome und Sango Bescheid sagen!“ Die Shoji wurde mit endgültiger Heftigkeit gegen ihren Rahmen geworfen. Miroku konnte nicht einmal das Tappen der nackten Fußsohlen auf den glatten Holzboden hören, als der Hanyou den Flur herunterstapfte. Oh, ihr Kami, oh, Erleuchteter… Er betete in den letzten Tagen häufiger. Als Inuyasha zurückkehrte, hatte die Erschöpfung endlich ihren Tribut gefordert und Miroku in einen bleiernen Schlaf voller wirrer Träume gezwungen. ~~~~~~~~~~~~~~O~~~~~~~~~~~~~ Der Tag wurde zum Abend und neigte sich schnell der Nacht entgegen. Eine erstickende Finsternis legte sich über das Land, lichtloser als eine Neumondnacht, sternenleer, nur angefüllt mit dem Echo einer Schlacht, dem Kampf von Luft und Wasser selbst, verkörpert in mächtigen, schuppenbesetzten Leibern und gewaltigen Rachen… Samûn flog dahin, ein silbergrauer, sich in den Windwirbeln und Wolken auflösender, geisterhafter Schemen, trunken von dem Gefühl der unendlichen Freiheit und der Kraft, die nun endlich wieder durch ihn pulsierte, ihn wieder zu dem werden ließ, was er einmal war, dem wilden, freien Sturm. Um ihn herum heulte, donnerte und toste es, die entfesselte Macht seines Elements, vermengt mit der Energie eines der machtvollsten Wesen dieser Welt. Er hätte Trauer empfinden sollen… Trauer darüber, dass lediglich der gewaltsame Tod eines Elementherrschers es ihm ermöglichte, wieder vorübergehend zu seinem wahren Selbst zu finden, darüber, das sich die ehemals gewaltigsten Stämme dieser Welt noch immer bekämpfen und gegenseitig in den Tod trieben, sich so selbst ihrem Untergang immer näher brachten… doch er bedauerte lediglich, dass die süße Extase, die ihm das frei gesetzte, noch nachhallende Youki des toten Drachen brachte ein nur vorübergehendes Geschenk war. Und er war dankbar… darüber, dass dieser bittere Kampf wenigstens zu einem Zeitpunkt stattgefunden hatte, der für ihn und Shahi nicht günstiger hätte sein können. Keiner der Gegner, weder Wasser-, noch Luftdrache hatten die Konfrontation überlebt… Samûn hatte die Fragmente der Drachenseele gespürt, die nun rastlos mit dem Wind dahinflogen, verdammt, ihr unsterbliches Leben als ewig umherirrende Windgeister zu verbringen. Und auch das Youki des Wasserdrachen schwang in dem Sturm mit, lauerte in den Regenschweren Böen, die Samûns Selbst gelegentlich durchfuhren und ihn erschauern ließen. Die beiden Auren waren noch immer miteinander verschlungen, ihr Zusammenprall hatte den Taifun ausgelöst, die ineinander verkeilten Energien nährten ihn, gaben dem Sturm weiterhin eine ungeheure zerstörerische Macht. Die Macht seines Elements, von der sich Samûn nährte wie ein Verdurstender in der Wüste, die ihn durchströmte wie ein belebender Fluss und jegliche Erschöpfung und Schwäche dahinschwinden ließ wie einen fernen Traum. Doch wie jedes Echo, jeder noch so laute Donner verklang, so würden auch diese Energien bald im Nichts verlaufen, abebben… denn sie waren tot, lediglich der Nachhall eines unnützen und vergeblichen Kampfes. Und er würde wieder in seine körperliche Existenz zurück gezwungen werden, die ihm hiernach bitterer denn je werden würde… Samûn verdrängte diesen Gedanken, gab sich erneut völlig dem rasenden Spiel von Wind und Wasser hin, genoss die vorübergehende Kraft und Freiheit. Er hoffte nur, das die Energie, die er an Shahi weiter gegeben hatte ausreichend war… genug, das sie davon zehren konnte und in der menschlichen Gestalt geschützt blieb, bis er wieder zu sich finden würde. ~~~~~~~~~~~~~~~~O~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Sango hatte das Gefühl, gerade erst eingenickt zu sein, als sie ein vorsichtiges Kratzen von Händen auf Papier aufschrecken lies. Das runzelige Gesicht der Heilerin schob sich langsam durch den Türspalt. „ Ich bitte um Verzeihung… doch es ist Zeit, die Verbände zu wechseln, Taijiya- san.“ Sango richtete sich quälend langsam auf, schlug die Decke von ihrem Bein zurück. Sie runzelte die Stirn, als sie den leicht verfärbten Verband betrachtete. Hatte es wieder durchgeblutet? Sie hatte nicht erwartet, dass der Riss so tief gehen würde…. Die Alte lächelte ihr zu, während sie in den Raum schlüpfte, doch es blieb auf ihren Mund beschränkt. Die Augen blickten weiterhin misstrauisch und abweisend, verfinsterten sich sogar noch, als sich Kirara mit einem leisen, melodischem Piepsen auf Sangos gesundes Bein setzte, um die Bewegungen der Heilerin genau zu beobachten. Das offenkundige Misstrauen der Frau beunruhigte die sensible Katze. Es wunderte Sango nicht, warum der Fukûtaisho sie gebeten hatte, in ihren Räumen zu bleiben. Das Ki der Frau blieb überdeckt- die Taijiya musterte das Gesicht der Heilerin, bemühte sich, deren Mimik und Gestik zu lesen. Es war keine Furcht in diesen Augen- nur Abneigung, Widerwillen, der zu Abscheu wurde, als sich Kirara noch näher an die Heilerin heran schob. Es hätte ihr in ihrem erschöpften, übermüdeten Zustand kaum gleichgültiger sein können. Mit unbewegter Miene sah sie zu, wie die Frau ihren Verband mit routinierten, sicheren Handgriffen wechselte und danach kurz nach Kagome sah. Das Mädchen wachte nicht einmal auf, als sich die Hand der Alten prüfend auf ihre Stirn legte. Nur Shippou zuckte trotz seiner absoluten Erschöpfung hoch, wich automatisch zurück. Sango sah, wie sein Blick sofort zu der reglosen Gestalt am anderen Ende des Raumes huschte… und hörte das erleichterte Aufatmen des Kitsune, als er sie immer noch bewusstlos fand. Die Heilerin wandte sich von Kagome ab, nickte befriedigt, den verstörten Fuchsdämon dabei völlig ignorierend. „Sie schläft, aber sie hat kein Fieber. Das Mädchen hat Glück gehabt, dass ihr außer den paar Kratzern nichts passiert ist.“ Ja, dachte Sango, weil Inuyasha sie beschützt hat. So wie er es immer getan hatte…und immer tun würde. Sie verfolgte aufmerksam, wie die Heilerin sich an dem Körper der verwandelten Youkai zu schaffen machte. Man hatte sie ihn einen schlichten grauen Yukata gesteckt, die Wunden sorgfältig gesäubert und verbunden. Auch die zerfetzte Hakama war entfernt worden, um die Brandwunde am Bein versorgen zu können und den widerlichen Gestank von verbranntem Fleisch und geronnenem Blut nicht in die Räume zu lassen. Die Verletzungen hatten erst vor einigen Stunden aufgehört zu bluten. Die Heilung schien in beinahe menschlicher Geschwindigkeit von statten zu gehen… ein Zeichen für die lebensgefährliche Erschöpfung, unter der die Youkai litt. Sango hatte so schwere Verwundungen einige Male bei Inuyasha erleben müssen… der Hanyou hatte Tage gebraucht, um sich wieder zu erholen. Wie lange würde es bei der Dämonin dauern? Zwar war sie ein vollblütiger Youkai, aber die Schwächung, die sie wohl bereits seit Tagen ertragen musste überstieg alles, was Sango bei Dämonen je gesehen hatte. Es konnte ihnen nur recht sein. So fielen sie nicht auf- und gewannen Zeit. Die Taijiya vermutete, dass es noch mindestens bis zum nächsten Tag dauern würde, bevor die Youkai das Bewusstsein wieder erlangte, Tage, bevor ihre Kräfte wieder vollständig hergestellt und sie wieder bewegungsfähig sein würde… Zeit genug, um die Burg zu verlassen und die Hintergründe dieser Verwundungen herauszufinden. Es war keineswegs nur ihre Freundschaft zu Kagome gewesen, die sie veranlasst hatte, den Dämon mit zunehmen. Zwar hegte sie große Bewunderung für die Sanftmut und die Uneigennützigkeit ihrer Freundin und auch sie selbst hätte es nicht fertig gebracht, die Verletzte einfach so zum Sterben zurückzulassen, doch sie hatte auch nicht vor, einen derart gefährlichen Youkai einfach so davon kommen zu lassen… einen Youkai, der nur kurz zuvor einen schweren Kampf mit zumindest einer Miko und mehreren Samurai ausgestanden hatte und danach voller Mordlust auf Kagome losgegangen war. Sie war immer noch eine Taijiya… und sie war es dem Erbe ihres Clans sowie sich selbst schuldig. Würde sich herausstellen, dass die Dämonin einen unprovozierten Angriff auf die Menschen verübt hatte, würde Sango sie zur Rechenschaft ziehen. Und das nötigenfalls auch, solange die Youkai derartig geschwächt war. Das war kein Wesen, bei dem man sich unangebrachte Milde würde leisten können… sie schauderte, als sie an den Angriff auf der Lichtung dachte. Sie befürchtete das Blut Unzähliger an den Krallen dieses Wesens… nötigenfalls würde sie dafür sorgen, das dass der unbekannten Miko das letzte war, das dieser Dämon gekostet hatte. Sango beobachtete, wie die Heilerin leise vor sich hin murmelnd die schmutzigen Verbände entfernte und die neuen energisch festzog. Der direkte Blick auf die Verletzungen wurde ihr durch den gebeugten Rücken der Alten versperrt, und sie war zu erschöpft, um sich von ihrem Futon aufzuraffen. Im Augenblick ging von der Dämonin weniger Gefahr aus als von einem Moskito… „Wie geht es ihr, O-ba-san?“ Die Heilerin verharrte kurz, warf ihr einen eigentümlichen Blick über die Schulter zu. „Ein wenig besser. Doch die Wunden sind tief- es wird sehr lange dauern, bis diese Frau wieder gesund ist.“ Sie breitete eine Decke über dem Körper aus, ohne die Verletze dabei mehr als unbedingt nötig zu berühren. Sango neigte den Kopf. „Habt vielen Dank für eure Mühe, O-ba-san.“ Die Frau erhob sich und erwiderte die Verneigung knapp. „Ich diene Shinosuka- sama mit größter Freude. Ich werde gegen morgen zurückkommen, um noch einmal nach euren Verletzungen zu sehen.“ Sie verließ den Raum ohne ein weiteres Wort. Na, vielen Dank auch… manchmal konnten die Menschen ihren Stimmungen auch vorzüglich ohne ihr Ki Ausdruck verleihen. Musste das alte Weib ihr noch mal deutlich machen, das sie lediglich auf den Befehl des Vizegenerals hin handelte… und sie ansonsten wohl einfach hätte verrecken lassen. Was für eine widerwärtige Situation. Sango ließ sich erschöpft zurücksinken, vergrub ihr Gesicht dankbar in Kiraras weichem Rückenfell. Neben ihr hörte sie, wie sich Shippou unruhig von einer Seite auf die andere drehte. Die Gegenwart der Youkai ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. Was half es… sie saßen hier fest, bis das Unwetter vorüber war. Und sie konnten es sich nicht leisten, das bisschen an Ruhe, was ihnen gewährt wurde mit Grübeln zu verschwenden. Sango schloss die Augen, ließ sich von Kiraras leisen Schnurren sanft einhüllen und letztlich endlich wieder in einen leichten Dämmerschlaf davontragen. ~~~~~~~~O~~~~~~~~~ Die Heilerin hatte die prüfenden Blicke der Jägerin im Rücken gespürt, während sie den reglosen Leib der verletzten Frau herumdrehte und begann, die Verbände zu lösen. Sie verrichtete ihre Arbeit gründlich, aber mit einem gewissen Widerwillen. Diese Frau war so anders, so… fremd. Dieses Gesicht, diese Haut, ja, der ganze Körper… so ausgeprägt, so aufdringlich… und so kräftig. Durfte ein Weib neben den schon fast unsittlich ausgeprägten Fraulichen Merkmalen auch noch so offenkundig den Körper eines Kriegers haben? Selbst die Taijiya war kleiner, schmaler als dieses… unheimliche… ach, ihr fehlten die Worte! Eine weibliche Jägerin war schön und gut, diese Taijiya-Clans lebten sowieso nach ganz eigenen Regeln, wie man an der höchst unpassenden Begleitung von der hinter ihr sah, aber eine Barbarenkriegerin? Sie runzelte missbilligend die Stirn. Das würde die Unzivilisiertheit dieser niederen Völker bestätigen… Nun, man sah ja, was aus ihr geworden war… mit knappen Handgriffen legte sie die Wunden am Oberkörper frei- und erstarrte unmerklich. Die dunkle Haut war warm, aber nicht heiß. Keine Wunde wies Zeichen von Entzündungen auf, die bei solchen Verletzungen und derartigen Umständen eigentlich unausweichlich gewesen wären, sie waren schon von einer dünnen Heilhaut überzogen… diese Wunden sahen gut aus, viel zu gut. Als ob sie schon Tage alt wären. Nur vor einigen Stunden war ihr das Blut über die Finger gelaufen, als sie versucht hatte, die Wunden zu reinigen! Wie konnte das…? Instinktiv machte sie weiter, als ob nichts geschehen wäre, erneuerte die dicken Polster auf der Wunde in der Halsbeuge, wo offensichtlich jemand versucht hatte, das Weib zu spalten. Was ging hier vor? Auf die Frage der Taijiya hin ließ sie sich nichts anmerken. So lange sie nicht wusste, was hier geschah schien es ihr besser, von nichts zu wissen. Der Houshi konnte heilende Kräfte haben... oder die Taijiya gute geheime Medizin gegen Wundfieber. Aber warum setzten sie sie dann nicht für sich selbst ein? Sie waren nicht annähernd so schwer verletzt wie diese hier, und doch waren ihre Wunden in einem weitaus schlechteren Zustand! Oder noch etwas anderes ging hier vor… Diese rasche Wundheilung war nicht natürlich. Entweder war sie göttlich- oder dämonisch! Entschlossen zog sie den letzten Verband um die Beinwunde fest. Sie würde Shinosuka- sama informieren. Ihr Gefühl trog sie selten- es stand Unglück ins Haus. Und es war mit diesen Fremden gekommen. Dieser unheimliche Sturm war ein Omen, ein Zeichen der Götter für drohendes Unheil… wäre doch nur der alte Priester da, er hätte Shinosuka warnen können… Sie konnte ihre Verachtung der angeblichen Jägerin gegenüber kaum unterdrücken. Se bemühte sich, sich nichts anmerken zu lassen und das Quartier unauffällig zu verlassen. Kaum hatte sie die Shoji hinter sich zugeschoben, ging sie so schnell wie sie es ohne zu rennen vermochte zum Haupttrakt zurück. Den Fukûtaisho zu hintergehen… was hatten diese Leute vor? Waren das Betrüger? Eine Mönchsgewand und eine Taijiya- Rüstung konnte man sich besorgen. Diese Vermutung erschien ihr sinnvoll. Welche ehrenhaften Menschen trieben sich schon mit Dämonen, einer Barbarin oder gar einem verächtlichen Halbdämon herum? Die dunkle Frau verbarg etwas. Diese abnorm schnelle Wundheilung, diese Fremdartigkeit, diese ungewöhnlich schweren Verletzungen, die kaum ein Mensch sonst überlebt hätte, überhaupt diese ganze Gesellschaft… Ein Schauer überlief sie, als sie die Tragweite ihrer Vermutungen erfasste. Nicht auszudenken, was es für die Bewohner des Schlosses bedeuten könnte, wenn diese Leute tatsächlich ein falsches Spiel mit ihnen trieben. Ein Dämonenangriff bei diesem Unwetter, aus dem Inneren der Burg heraus… Sie begann zu rennen. ~~~~~~~O~~~~~~~ Kagome hätte weinen können. Sie war so müde, dass es sie beinahe körperlich schmerzte. Und doch… „Ich werde dich zu Inuyasha und Miroku bringen, Shippou- chan. Ich denke, dann wirst du dich wohler fühlen.“ Und ich auch… Selbst das Denken fiel ihr schwer. Shippou hatte sich ununterbrochen von einer Seite auf die andere gedreht, war immer wieder zusammengezuckt und hatte dabei sowohl Kagome, als auch Sango aus dem Schlaf gerissen. Der Kitsune schämte sich fürchterlich, doch es half nichts… die stille Gegenwart der bewusstlosen Youkai versetzte ihn in Panik. Kein Wunder… Shippou krallte sich an ihrem Rock fest, stolperte unsicher neben ihr her. „Gomen, Kagome, ich…“ „Es ist in Ordnung, Shippou. Hauptsache, wir können schlafen, nicht wahr?“ Sie war ihm nicht böse, Kagome war einfach nur zu keinem weiteren Trost in der Lage. Sango blinzelte ihnen aus Kiraras Pelz halb betäubt entgegen, rührte sich aber nicht. Unmittelbar danach fielen ihre Augen wieder zu. Kirara schnurrte und piepste den gedemütigten und völlig übermüdeten Kitsune aufmunternd an, was der in seiner Scham gefangene Shippou nicht einmal bemerkte. Kagome schob die Shoji beiseite, ließ die Tür einen Spalt offen. Nur keine unnötigen Hindernisse zwischen sich und ihren Futon legen… Im Korridor empfing sie tiefste Dunkelheit. Vereinzelte Windstöße hatten es wohl geschafft, die Lampen zu löschen… oder sie waren sicherheitshalber gelöscht worden, wenn niemand mehr wach war, der auf die Flammen achten konnte. Ein Feuer war wirklich das letzte, was man jetzt noch brauchen konnte. So lange das in ihren Feuerstellen nicht ausgehen würde… wenigstens musste sie lediglich ein paar Schritte gehen, um bis zu Inuyashas und Mirokus Unterkunft zu gelangen. Hoffentlich war Inuyasha immer noch so merkwürdig friedfertig, wenn sie ihm jetzt Shippou vorbeibrachte. Für eine fruchtlose Diskussion war sie jetzt definitiv zu müde. Notfalls würde sie dem freundlichen Shinosuka-san den durchbrochenen Boden ersetzen, über das „wie“ konnte sie jetzt nicht weiter nachdenken. Schlafen… nur noch ein wenig… Sie fühlte, wie sich Shippous Griff von ihrem Rocksaum löste. „Shippou- chan…?“ oOo Sango registrierte nur beiläufig, wie sich der kleine Körper Kiraras auf ihrem Bauch erst krampfartig anspannte, um dann schlagartig zu erschlaffen, seitlich an ihrem Leib herab zu gleiten und reglos liegen zu bleiben. Dann verspürte sie einen scharfen Stich an ihrem Hals. Ihr Geist schaffte es nicht einmal ein gellendes „Gefahr“ zu formulieren, bevor sie in tiefer Bewusstlosigkeit versank. oOo Der Krieger erlaubte sich ein zufriedenes Lächeln, bevor er von der Tür zurückwich und dem Mann mit dem Blasrohr Platz machte. Er verstaute seine Giftnadeln sorgfältig, bevor er wieder näher zu dem Schützen mit der merkwürdigen Waffe heranrückte. Mit gespannter Neugierde sah er zu, wie das lange, penibelst gerade gearbeitete Rohr ausgerichtet wurde, den Pfeil mit ihrer besten Waffe bereits in sich tragend. Die begehrte Beute lag mit dem Kopf zu ihnen, offensichtlich noch immer von ihren Verletzungen niedergestreckt… eine schwierige Position, um einen guten Schuss anzubringen. Er selbst würde wohl auf…ja, genau. Der Pfeil flog lautlos. ~~~~~~~~~~~~~O~~~~~~~~~~~~~~~ Der muskulöse Leib des Schlangendämons wand sich behände über den nassen Boden. Er ignorierte den eisigen, peitschenden Regen und die entfesselten Sturmböen, die über seinen Kopf hinwegrasten und ganze Bäume entwurzelten und mit brachialer Wucht gegen die steilen Berghänge anrannten. Der Sturm interessierte ihn nicht. Seine dicke Schuppenhaut vermochte nicht mal die Klaue eines Oni so leicht zu durchdringen, geschweige denn die Äste der Bäume. Das Wasser hingegen war sein Element, so dass der dichte Regen und die immer stärker ansteigenden Wasserläufe ihm ungeahnte Jagdmöglichkeiten boten. Wind und Wasser verwischten seinen Geruch, verwirrten die potentielle Beute, während die ungewöhnliche dämonische Aura sein Youki vor anderen Dämonen verbarg. Außerdem fühlte er sich dadurch noch in anderer Hinsicht sicherer. Die Gerüchte von der Bestie, die Im Osten wahllos die Stärksten Youkai abschlachtete, waren ihm nicht entgangen. Ebenso wenig die gewaltige Youki- Explosion in der letzten Nacht… keinem der Dämonen, die im Westen lebten, war dieses Youki unbekannt. Der Herr war wieder da… und er hatte es für nötig gehalten, seine ganze Macht zu demonstrieren, eine Macht, die selbst ihn auf dem Grund seines Teiches bis in den letzten Wirbelknochen durchgeschüttelt hatte. Das konnte nichts Gutes bedeuten- und im Zusammenhang mit dieser Bestie, die sich den Gerüchten nach immer weiter nach Westen vorgearbeitet hatte, schon gar nicht. Nie hätte er seinen Teich verlassen, wenn dieses mysteriöse Unwetter nicht aufgezogen wäre. So wurden seine Aura, sein ohnehin stark nach Wasser riechender Eigengeruch beinahe vollständig übertüncht. Er musste nur ein wenig vorsichtig sein… und die Gelegenheit, wieder so reiche Beute zu machen, konnte er sich einfach nicht entgehen lassen! Tiere wie schwächere Youkai waren verschreckt, erschöpft und steif vor Nässe und Kälte, pressten sich in jede Ritze, die ihnen Schutz gewähren konnte… er musste sie nur noch aufsammeln. Den gepanzerten Schädel dicht an der Erde haltend, glitt er voran. Seiner witternden Zunge entging nichts, nicht das kleinste Tier in seiner Erdhöhle, nicht der verlockende Geruch eines Menschenkindes… Er stockte. Mensch? Der Youkai züngelte erneut, schmeckte die Gerüche und Ahnungen, die ihm das rasch vom Berg herabfließende Wasser zutrug. Der Menschliche Duft war stark in seiner lieblichen Note nach warmem und zartem Fleisch, so stark, das er fast alle anderen Witterungen überdeckt hätte. Der Dämon zischte, bewegte den Kopf träge pendelnd von rechts nach links, glitt langsam vorwärts, einen Abhang hinauf. Der Geschmack wurde zunehmend stärker, je näher er einer steilen Felswand kam. Noch versperrte der dichte Wald ihm die Sicht, doch seine Sinne meldeten ihm deutlich die dumpfe, abgestandene Atmosphäre einer tiefen Höhle. Die modrige Witterung einer Kröte kannte er nur zu gut. Eine leichte Beute, aber nicht unbedingt wohlschmeckend… der starke, moschusartige Geruch einer Echse…eine leise Andeutung des alarmierenden Geruchs eines Blitzes… ein Drachen-Dämon? Die Witterung war vermischt mit dem starken Geruch nach Gras und Kräutern. Ein Pflanzenfresser offensichtlich… nicht zu unterschätzen, aber wenig angriffslustig und schwerfällig in seinen Wahrnehmungen. Ein Krötenyoukai und ein Grasfressender Drache. Das war wahrlich keine große Herausforderung! Einen Augenblick lang fragte er sich, was ein Menschenmädchen bei einer Kröte und einem für Tiere völlig harmlosen Drachen suchte…der Krötendämon…fraßen die überhaupt Fleisch? Ein Seelenfresser, das musste es sein! Dann brauchte er sich nicht einmal beeilen… nicht sehr, zumindest. Wenn die Seelen gefressen wurden, überlebten die Körper nicht lange- und wenn die Körper zu stark auskühlten, schmeckten sie nicht mehr. Der Schlangedämon schob sich weiter vorwärts, immer den lieblichen Geruch von Menschenfleisch entgegen. Jetzt musste er sich nur noch ungesehen nah genug heran… ob Seelen- oder Fleischfresser, teilen würde die Kröte nicht wollen. Er erstarrte. Eine weitere Witterung war ihm auf die Zunge gekommen, nur ganz zart und fein, lediglich ein Hauch, aber es reichte, um in ihm alle Sinne Alarm schlagen zu lassen. ER! Der Schlangendämon wirbelte so heftig herum, das dass Wasser aufspritzte und Grassoden hochflogen. Sein Appetit auf Mensch war ihm schlagartig vergangen. So nötig hatte er es dann doch wieder nicht… Ein paar ertrunkene Mäuse würden schließlich auch völlig ausreichen! Wesentlich schneller, als er herauf gekrochen war, sich würdelos überschlagend rutschte der Schlangen- Youkai den Hang herunter, verfluchte die Tatsache, das er im Gegensatz zu anderen Dämonen nicht in der Lage war, eine Gestalt mit Beinen anzunehmen… er wäre jetzt liebend gerne gerannt. Er gab sich nicht der Illusion hin, das er nicht bemerkt worden war- er konnte nur hoffen, das der Inu no Taisho ihn nicht als wichtig genug erachtete, um sich in den Sturm hinaus zu bequemen. Etwas wie Hoffnung keimte in ihm, als er den Fuß des Abhangs erreichte… anscheinend war er dem Herrn wirklich keine nassen Füße wert… niemals zuvor war er über Geringschätzung so froh gewesen! Es knackte hinter ihm. Er bäumte sich Qualvoll auf, als sich eine gewaltige Pranke mit langen Klauen in seinen Rücken grub, Muskeln und Sehnen durchtrennte und ihm die Luft aus den Lungen presste, eine weitere nagelte seinen Schwanz mit ungeheuerer Kraft am Boden fest. Mit einem röchelnden Schrei fuhr der Youkai herum, erwartete das silberweiße Fell des Inu no Taisho zu sehen … Eine lange, mit schuppiger, dunkler Haut überzogene Schnauze umfasste seinen Hals, schüttelte ihn mit unglaublicher Kraft wie eine kleine Ratte, bis sein Genick krachend brach. Sein Körper wurde schlaff. Mit hilflosem Entsetzen sah der Schlangen- Youkai, wie sich die Welt um ihn herum drehte, als er auf den Rücken geworfen wurde. Die Krallen, die in seinem Leib wüteten, fühlte er nicht. Er hörte nur, wie sie sich mit schmatzenden und reißenden Lauten durch seinen Schuppen- Panzer arbeiteten, seine Rippen knirschend auseinander bogen, während die Fänge der Kreatur wild an seiner Haut rissen und zerrten, sie ihm in Fetzen herunterriss. Er witterte den überwältigenden Geruch seines eigenen Blutes, frischen, pulsierenden Blutes, als die Bestie ihr Gebiss mit einem gierigen Grollen in seinen Körper stieß, ihre Fänge schloss und das noch zuckende Herz mit einem Ruck herausriss. Das Gefühl seines aus ihm herausströmenden Youki war das Letzte, was der Schlangendämon wahrnahm, bevor sich kalte Dunkelheit um ihn legte. oOo Die Kreatur schlang das triefende Fleisch mit einem Biss herunter. Mit genießerischem Knurren ließ sie das Youki der Schlange in sich hineinströmen, registrierte zufrieden, wie sie mit neuer, weiterer Kraft erfüllt wurde. Nur wenig, noch lange nicht genug, um ihren immerwährenden Hunger zu stillen. Sie wurde niemals wirklich satt, gleich, wie viele Dämonen sie getötet hatte. Und nur niedere Youkai hatte sie in all der Zeit und all den Wanderungen finden können, zahlreich, aber schwach…Nur einmal, einmal wollte sie dieses befriedigende Gefühl wieder spüren, völlig ausgefüllt und zufrieden zu sein. Und seitdem sie in dieses Land gekommen waren, hatte die Bestie Hoffnung geschöpft! Der Hanyou war eine immens verlockende Beute gewesen, so neu, so frisch und besonders. Niemals zuvor war es ihr vergönnt gewesen, die ungeheurer nahrhafte seelische Energie eines Menschen kosten zu dürfen, doch dieses Mal… vermischt und genießbar gemacht durch die dunkle Energie eines Dämons… es hatte ihren Hunger fast bis ins Unerträgliche ansteigen lassen, ihn ziehen zu lassen zu müssen. Doch dann hatte sie diese eine andere Aura gespürt, so machtvoll und überwältigend, dass es sie vor Gier fast den Verstand gekostet hätte… Wie ihr Herr es ihr versprochen hatte. Und sie war nah… So nah… Und diese Beute würde sie nicht jagen müssen. Der Blutgeruch und das ersterbende Youki waren für Dämonen wie ihn selbst durch den Sturm wahrnehmbar. Diesmal würde die Beute zu ihr kommen! TBC… ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Ja, ich bin gemein, ich weiß. Ich glaub, das waren evtl gleich zwei Cliffhanger…? Immerhin geht die Handlung voran. o,O° Wenn ihr wollt, es darf auf den Marder eingehauen werden, nach Herzenslust. Dafür geht’s es aber im nächsten Kapitel dann mit Sesshoumaru UND den Leutchen in der Burg weiter. Und es wird klar, wer die Angreifer sind und wer da noch seine Finger mit im Spiel hat- wenn das irgendwie zu trösten vermag *Räusper* Eine kleine Anmerkung zu Samûn und den Drachen: hierbei handelt es sich um eine Hommage an Hrafnas FF „Drachenseele“, die ich persönlich sehr gerne mag. Die Vorstellung von mächtigen, uralten Drachenstämmen, die die vier Elemente verkörpern fand ich so schön, dass ich sie hier einfach einbauen musste. Und auch, wenn die Drachen hier nicht in Persona auftreten, hat ihr Kampf eine gewichtige Auswirkung auf diesen Teil der Geschichte, einerseits sorgt er für eine gewisse „Chancengleichheit“, da ja Youkai und Menschen gleichermaßen unter dem Wetter leiden und bei ersteren die sonst überlegenen Sinne ausgeschaltet werden, andererseits verhilft er Samûn wieder zu altem Glanz und Kraft- die er noch bitter brauchen wird. Zum nächsten Uploadtermin sag ich besser gar nichts mehr. Ich hoffe einfach, dass es euch noch weiter Spaß macht diese zähe Geschichte zu verfolgen. Liebe Grüße, der kleinlaute Marder Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)