Liebe wie Gurkensushi von Memphis (YUAL mit BxB-Oneshots!) ================================================================================ Kapitel 28: Ruthless -------------------- Illias hat sich immer gefragt, was man unter dem Beziehungsstatus „kompliziert“ verstehen sollte. Zugegeben, er hatte keine Ahnung von Beziehungen. Er kannte nur die von anderen. Von seinem besten Freund Paul und Mareike, die auf viele Kosenamen, Umarmungen, auf dem Schoß sitzen und Küssen basierte. Oder die Beziehung von Hannah und Flo, die aus zustimmenden Nicken, versteckten Lächeln und vermeintlich unbeobachten Händchenhaltend bestand. Nicht zu vergessen, Mike und Sandra, die sich wohl frei nach dem Motto „Was sich liebt, das neckt sich“ ihre Zuneigung zeigten. Necken, taten sie sich jedenfalls. Manchmal war Illias sich nicht sicher, ob sie sich nicht einfach nur angifteten und stritten, aber meistens küssten sie sich nach ein paar seltsam unnetten Kommentaren und wirkten zufrieden. Das war wahrscheinlich auch die Beziehung, die in Illias Vorstellung am nächsten an „kompliziert“ herankam. Aber nur, weil er einfach nicht verstand, wie Beziehungen alle so unterschiedlich sein können. Tinas Beziehungsstatus, etwas was Illias immer aus recht niederen Beweggründen äußerst spannend fand, stand aktuell auf „kompliziert“. Mareike hatte Illias schon prophezeit, dass Tina entweder demnächst Single oder verlobt war. Das passierte nämlich meistens, wenn Facebook dieses kleine „Kompliziert“ zeigte. Illias starrte das Wort auf seinem Bildschirm an, als würde er darauf warten, dass es ihm endlich sein Schicksal verriet. Was es eigentlich auch hieß. Es würde verraten, ob er der Beziehungszerstörer war, der er befürchtete zu sein. Aber auch nach Stunden passierte nichts, auch nicht nach Tagen. Drei Wochen später hatte Illias schon längst vergessen, dass er all seine Hoffnung an dieses Wort gehängt hatte. Nicht, dass er nun mehr wusste oder sein Problem sich gelöst hatte, aber er war siebzehn, niemand konnte erwarten, dass er sich länger auf etwas konzentrierte als zwei Wochen! „Tina hat ihren Beziehungsstatus in …“ Illias erstarrte, als die neue Meldung auf seiner Startseite erschien. Wollte er die nächsten Worte lesen? Verdammt, er hatte sie schon gelesen. Diese Meldungen waren zu kurz, um sie nicht aus versehen ganz zu lesen. Er lässt sich nach hinten in seinen Schreibtischstuhl fallen, ihm entfährt dabei ein langes Seufzen. Die Hände über den Kopf zusammen geschlagen, versuchte er sich zu beruhigen. Fuck. Fuck. Fucking awesome! „Tina hat ihren Beziehungsstatus in Single geändert.“ Illias wusste gar nicht, was er zu erst machen sollte. Vielleicht Mareike anrufen? Mareike wusste als einzige in seinem Freundeskreis Bescheid. Was nicht nur daran lag, dass er sie schon solange kannte wie Paul, sondern auch im Gegensatz zu ihm, so etwas wie ein Feingefühl besaß und er mit Paul nicht über … Beziehungskram reden wollte. Aber er könnte stattdessen auch … Nein. Mareike anrufen wäre sinnvoll. Seine Finger flogen über das Display seines Smartphones und keine drei Sekunden, hörte er das Freizeichen. Und als hätte Mareike, die wohl Tinas Meldung auch gerade gesehen hatte, nur darauf gewartet, dass er anrief, hörte er nur ein halbes Freizeichen, bis sie anhob. „Oh Gott, sie ist Single!“, rief Illias aufgeregt in den Hörer. „Oh Gott, ich weiß!“, schrie Mareike zurück. „Oh Gott!“, musste Illias nochmal seine Ekstase zum Ausdruck bringen. „Ja! Verdammt, Illias, das ist deine Chance. Was machst du jetzt?“, fragte Mareike mit überschlagender Stimme. Anscheinend fand sie das so aufregend, wie er. „Ich … ich … Scheiße, Mareike, ich hab Pats Beziehung zerstört.“ Erst jetzt viel Illias auf, was diese Meldung eigentlich bedeutet – neben eine große Chance für ihn. „Nun, das kann man so oder so sehen“, antwortete Mareike etwas vage. „Ach ja, wie kann man es denn so sehen?“, gab Illias zurück. Die Freude war verfolgen. Auch wenn es stimmte, dass er jetzt freie Bann hatte, sprach das leider nicht so ganz für ihn, weil er nicht so unbeteiligt an der Trennung war, wie er es gerne gehabt hätte. „Naja, also man könnte natürlich sagen, in dem du mit Patrick auf Tinas Geburtstagsparty rumgeknutscht hast, hast du etwas … nach geholfen. Aber auf der anderen Seite, war die Beziehung der Beiden doch schon immer eher … untoll. Ja, untoll, oder nicht?“ „Ja, sehr untoll.“ Illias drückte die Lippen zusammen. Er musste zu geben, den Kuss bereute er nicht – auch wenn er froh war, dass außer Patrick, ihm und Mareike niemand wusste, dass er derjenige welche gewesen ist, der mit Pat auf der Party geknutscht hatte. Das Patrick das gemacht hatte, wusste mittlerweile jeder. Tina hat es allen erzählt. Gekränkt, enttäuscht und traurig. Illias hatte dasselbe an ihrer Stelle getan und empfand auch Mitleid für sie. Gerne hätte er sie, als die Böse dargestellt. Die Hexe, die Pat unter ihrer Fuchtel hatte. Die Furie, die ihm mit Eifersucht zur Weißglut gebracht hatte. Aber das stimmte nicht. Patrick und Tina waren einfach ein … untolles Paar gewesen. Wollten völlig anderes von der Beziehung. Pat hat Illias oft davon erzählt, wie anstrengend er es fand, ihren Erwartungen gerecht zu werden und ihrer Aufmerksamkeit. Illias fand nicht einmal, dass Tina große Erwartungen an Pat gestellt hatte. Er wusste, dass Mareike von Paul mehr erwartete und das Flo Hannah mehr bot. Aber er kannte Pat schon zulange, um ihm das übel zu nehmen. Ihm tat es nur leid, dass sich Tina in diese Beziehungen … in ihre Liebe zu Pat verrannt hatte. Oder wollte er nur gerade sein schlechtes Gewissen erleichtern, in dem er sich einzureden versuchte, dass es so für alle besser war? „Ich bin trotzdem ein Arschloch, oder?“, fragte Illias, überraschend selbstkritisch für sein Alter. „Ja, okay, vielleicht ein bisschen. Aber Pat auch. Und schau, ihr habt sogar was gemeinsam! Ihr passt super zusammen!“ Es klang so freundlich, man könnte fast denken, Mareike hätte tatsächlich was nettes gesagt. „Ich weiß gerade nicht, ob du mich beleidigt oder ermuntert hast. Oder beides.“ Illias hatte seine Augenbrauen irritiert zusammen gezogen. So sehr er Mareike mochte, manchmal war sie schon ziemlich schräg und … fies. „Ach, im besten Fall beides. Aber hey, Großer. Weißt du, die Auswahl hier an Typen, die es mit anderen Typen machen würden, ist halt ziemlich gering. Ich weiß nicht, ob du so wählerisch sein solltest, wenn du dein … Popöchen endlich mal gepudert haben möchtest. Außerdem kennst du Pat doch echt schon lange und jetzt hast du die Gelegenheit, auf die du gewartet hast.“ Illias konnte wetten, dass Mareike bei diesen Worten nicht einmal rot geworden war. Sie wirkte so verdammt arglos, wenn sie auf Pauls Schoß saß, sich einen Kuss auf die Wange drücken ließ und süß lächelte. Aber Hölle, in Mareike steckte ein Teufel. „Aber … deshalb eine Beziehung zerstören?“ Der Plan klang damals nicht so fies, so hinterlistig und daneben, wie er sich jetzt anfühlte. Gut, Pat und Tina waren ein schreckliches Paar gewesen und vor ein paar Wochen war sich Illias auch noch ziemlich sicher gewesen, dass er hingebungsvoll und ehrlich und aufrichtig in Pat verliebt war und er genau der Mann war, mit dem er das erste Mal Sex haben wollte. Aber wollte er das noch, nachdem Pat auch ein Mann war, der so … unpfleglich mit seinen Beziehungen umging? Weil den Kuss hatte Pat initiiert und sehr hingebungsvoll fort geführt. Illias hatte eben nicht Nein gesagt. Vielleicht ... „Angst vor deiner eigenen Courage?“, fragte Mareike verständnisvoll. „Ja, ziemlich.“ Illias hätte von sich nicht gedacht, dass er einmal willentlich eine Beziehung kaputt machen würde, um das zu erreichen, was er wollte. Er war im Prinzip über Leichen gegangen, Beziehungsleichen. „Gut, mein Hübscher. Paul hat gerade geklingelt und ich geh mit ihm jetzt ins Kino. Und du, du rufst jetzt Pat an und lässt deine Rosette von ihm deflorieren. Und dann sieht die ganze Sache nochmal ganz anders aus. Bye, bye.“ Mareike machte noch ein Küsschen-Geräusch in den Telefonhörer und legte dann auf. Der Teufel! Illias starrte das Display seines Smartphones entsetzt an, als würde er so seine Mimik an Mareike noch nachträglich übertragen können. Er wusste nicht, ob ihr Vorschlag nicht moralisch zu verwerflich war, um ihm tatsächlich nach zu gehen. Eigentlich, eigentlich war der Vorschlag grauenhaft. Aber die Aussicht endlich einmal Sex zu haben, war irgendwie … nett. Verdammt. Irgendwann in seinem Leben hatte Illias auf jeden Fall gedacht, ein besseres Mensch zu werden. Irgendwo im Hormonrausch war er definitiv falsch abgebogen. Pat übrigens auch. Illias Smartphone vibiriert und kündigte mit einem skurrilen Partyfoto von Pat seinen Anruf an. Sollte Illias wirklich abnehmen? Würde er dann allen Respekt vor sich verlieren? Aber es war Pat und Pat war bi und stand auf ihn. Pat war Single. Illias nahm das Gespräch an. „Illy, mein Großer, ich bin endlich frei!“, rief Pat überhaupt nicht betrübt ins Telefon. Und Illias konnte sich nicht anders helfen, als es in diesem Moment als völlig abstoßend zu empfinden. „Ja, hab es gesehen. Tina hat es auf Facebook gepostet“, antwortete Illias etwas kühler, als er beabsichtigt hatte. „Ah, hast du sie noch gefriended? Naja, aber hey, Lust heute was zu unternehmen. Ich hab richtig Bock, mich zu laufen zu lassen und alles aufzureißen, was mir zwischen die Finger kommt. Gott, Monogamie ist echt nicht mein Ding!“ Pat seufzte, als wäre er froh, von dieser Bürde befreit zu sein. Und das wiederum nahm Illias ihm nicht übel. Er kannte Pat lang genug, um zu wissen, dass er tatsächlich für Beziehungen völlig ungeeignet war. Das mit Tina war vielleicht ein Versuch gewesen, sich besser in ihren Freundeskreis aus Pärchen einzupassen. Manchmal gaben sie einem das Gefühl, dass man es selbst auch probieren müsste, um sich als Mensch vollständig zu fühlen. Vielleicht gab Pat deshalb immer wieder mal der Idee einer Beziehung nach. „Wie wäre es, wenn du einfach zu mir kommst und ...“ Illias hatte seine Courage wohl wieder entdeckt, ließ das letzte trotzdem unausgesprochen. Auch wenn es nicht okay war, was er da auf der Party gemacht hatte, war er der Meinung, dass auch ohne seine Hilfe Pats und Tinas Beziehung ziemlich bald wieder ein Ende gefunden hatte. Und in einem hatte Mareike recht: Die Auswahl an Typen, mit denen er es tun konnte, war wirklich verschwindend gering, um nicht zu sagen, sie beschränkten sich auf Pat. Aber dem Gedanken, mehr von Pat zu wollen, als endlich Erfahrungen in Sex zu sammeln, den verwarf Illias allmählich. „Was das ein Angebot, Großer?“ Illias konnte Pats anzügliches Grinsen förmlich durch die Leitung spüren. Und Illias wusste, wie gut er damit aussah. „Darauf kannst du wetten.“ Gott, verdammt, er war siebzehn, er wollte Sex und um seine fragwürdiges, moralisches Empfinden konnte er sich auch sein restliches Leben noch kümmern. „Wünscht du dir manchmal, dein erstes Mal wäre anders verlaufen?“ Roger hatte sich gerade eine Zigarette angezündet und sah Illias interessiert an, während er damit begonnen hatte, sich anzuziehen. Er und Roger hatten seit fünf Monaten Sex und waren irgendwo an dem Punkt, an dem man wohl ein wenig persönlicher wurde. „Mein erstes Mal? Das war ziemlich gut“, antwortete Illias ein wenig abgelenkt. Er musste in einer halben Stunde bei einem Kunden sein, der ihm genau beschreiben wollte, wie kackenhäßlich sein Corporate Design werden sollte. Illias hatte eigentlich so gar keine Lust darauf, aber irgendwie musste man seine Brötchen verdienen. Wenigstens traf er sich mit dem Kunden in einem Cafe und konnte Kaffee und Kuchen dort von der Steuer abschreiben. „Das erste Mal ist niemals gut“, widersprach Roger, klang dabei aber etwas amüsiert. Illias war ein bisschen seltsamer Kerl und manchmal war sich Roger nicht sicher, was er wirklich von ihm halten sollte. Aber wenigstens war er unterhaltsam und immer für eine Überraschung gut. „Doch, klar. Meines war es.“ Illias blickte ihm durch seine Spiegelung an, während er dabei inne hielt, sich die Krawatte zu binden. „Weil du verliebt warst?“, fragte Roger nun wirklich belustigt. Die Vorstellung von einem jungen, verliebten Illias war so entzückend, wie unwahrscheinlich. Vielleicht gerade deshalb ein reizvoller Gedanke. „Glaub mir, wenn ich in den Typ verliebt gewesen wäre, hätte mich das emotional völlig verkrüppelt. Aber das ändert nichts daran, dass der Sex gut war.“ Mit einem selbstgefälligen Blick richtete Illias seinen Kragen. „Mehr, als jetzt schon?“ Wenn Roger ehrlich war, kannte er niemand so moralisch ambivalenten und emotional distanzierten wie Illias. Er wusste nicht, ob er schon immer so war, oder ob sich das mit der Zeit entwickelt hatte, aber Roger für seinen Teil hatte genau für solche Typen etwas übrig. Einfach war eben nicht sein Ding. Seine Schwester warf ihm immer einen Helferkomplex vor. Illias hob nur eine Augenbraue zur Antwort, die Roger durch die Spiegelung sehen konnte. Erst als der letzte Knopf seines Sackos geschlossen war, drehte Illias sich zu seinem Lover um. „Wenigstens seh ich fantastisch aus.“ Er fuhr sich kurz über den Kragen seines Sackos und lächelte Roger selbstsicher an. Mit einem Wink forderte Roger Illias auf, noch zu ihm zum Bett zu kommen. Illias sah kurz auf seine Breitling. Eigentlich war er schon zu spät dran. Aber Rogers Lächeln war tatsächlich sehr einladend, also gab er der Aufforderung nach. Für so ein Lächeln hatte er schon immer etwas übrig gehabt. Er stellte sich an den Bettrand und gab ihm einen kurzen Abschiedskuss auf den Mund. Etwas, was sich für Illias noch immer ziemlich befremdlich anfühlte. „Ich liebe dich, Illias, und wünsch dir noch einen zauberhaften Tag!“ Roger legte es bewusst darauf an, wie eine dieser perfekten Hausfrauen zu klingen. Illias seufzte entnervt, er konnte mit sowas nicht umgehen. „Fick dich“, brummte er, strich sein Sacko wieder glatt, dass durch das Vorbeugen für den Kuss nicht mehr perfekt saß. „Und ich komm heute wieder um Acht, alles klar?“ „Das Essen wird bereit stehen, Honey“, war Rogers süßliche Antwort, nahm danach aber einen Zug von seiner Zigarette, was den Eindruck der braven Hausfrau etwas ruinierte – naja, neben der beharrten Brust und dem Umstand, dass Illias ihm sowieso nicht glaubte. Mit einem ausgestreckten Mittelfinger verließ Illias die Wohnung, begleitet von Rogers Lachen. Immerhin hatte Illias versprochen heute Nacht wieder zu ihm zu kommen, dass hieß, er würde nicht bei einem seiner Affären schlafen, was Roger für sich als einen kleinen Sieg verbuchte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)