Das Elementarartefakt von Ireilas ================================================================================ Der Priester ------------ 2. Unterkapitel von Airkou Ein Tag verging im Luftgebirge. Am Morgen war die kleine Crew aufgebrochen, zu Mittag mussten sie einem (versehendlichen) Steinhagel trotzen, nachmittags wurde Airkou erreicht und nun, bei Sonnenuntergang waren endlich alle im Tempel einquartiert. Jeder hatte sein eigenes Zimmer, da das Gebäude riesig war, jedoch durften sie den Turm nicht betreten, denn dort wurden die jungen Priester ausgebildet. Nach dem Abendessen legte sich die hälfte der kleinen Mannschaft schlafen, immerhin war das doch ein recht anstrengender Tag. Amylie schlief bereits tief und fest, als Quarz im Nebenzimmer ruhe suchte. Zarills Raum blieb lehr, denn sie wollte sich vor dem Schlafengehen versichern, dass es ihrem Kapitän auch wirklich gut ging. Leise öffnete sie die Tür und trat in sein Zimmer ein. Im kleinen Gästeraum gab es ein offenes Fenster, durch das die schwache Abendsonne schien. Weiter daneben, in der Mitte, stand ein weiches Bett, in dem Cekiu lag. Zarill nahm sich den Stuhl von der Seite und setzte sich zum Bett. Seufzend blickte sie in sein Gesicht, er schien immer noch zu schlafen. „Hallo, Cekiu.“, begann sie, „Siehst du? Wir sind endlich in Airkou. Aber alles hier ist ganz anders, als wir dachten. Es ist kein Dorf, sondern eine wirklich schöne Stadt… ich wünschte du könntest sie sehen… Airkou erinnert mich ein bisschen an meine Villa, weis auch nicht wieso…“, sie seufzte, „Leider wurde uns gesagt, dass wir von falschen Informationen ausgingen. Langsam befürchte ich wirklich, unsere Reise hierher war völlig umsonnst… es tut mir leid…“ „Ach, so würde ich das nicht sagen…“ Schnell blickte Zarill auf: An der Türschwelle stand der junge Priester von heute Nachmittag, wieder mit einem lächeln im Gesicht. Noch immer etwas überrascht schaute sie ihn an: „Du bist das! Jetzt habe ich mich aber erschreckt…“ „Keine Sorge, ich will euch nichts tun, euer Misstrauen ist hier völlig falsch!“, lachte der Priester, dabei setzte er sich zu Cekiu, auf das Bett, „Mein Name ist Vector. Es tut mir leid, dass deine Mannschaft einen schlechten Eindruck von unserer Stadt hat, normaler weise sind wir wirklich nette Leute.“ „Habt ihr… Krieg?“, fragte Zarill, zögernd. „Nein. Aber wir wurden vor kurzem erst Überfallen, weshalb wir etwas übervorsichtig wurden. Nochmals keine Sorge, es war nicht die alte Mannschaft von Silberfuchs, sondern tatsächlich Piraten aus dem Erdkontinent.“ Leise seufzte Vector, lehnte sein Zepter gegen die Wand, neben Zarill, „Ihr habt eine Menge durchgemacht - und anscheinend noch eine Menge vor euch. Es wundert mich nicht, dass ihr kein vertrauen in Andere habt…“ „Okay, jetzt reicht es!“, sprang Zarill auf, „Woher weist du das Alles!? Ist SO viel über Silberfuchs bekannt? Oder spionierst du uns aus? Sag schon!“ „Beruhige dich Zarill!“ „DA! Schon wieder, woher kennst du meinen Namen!?“ Plötzlich lächelte Vector, dann lachte er. Das Mädchen verstand die Welt nicht mehr. Was war so witzig? Langsam dachte sie, der Priester sei verrückt. Vector deutete zum Fenster und machte anschließend eine Handbewegung - auf einmal hob sich das Häkchen und das Fenster schloss sich von selbst. Leichter Wind ließ noch die Vorhänge wehen, dann war alles still im Raum. „Ich bin ein Luft-Magier.“, erklärte Vector, „So wie du mehr heilst, als deine Wasser-Magie einsetzt, kann ich ‚hellsehen’, wie ihr es gerne nennt.“ Jetzt begann Zarill zu begreifen: „Ach so! Und… sind hier alle Priester Luft-Magier?“ „Was? Oh, das ist unmöglich. Ich bin der einzige in ganz Arikou - es gibt mehr als nur 20 Priester.“, wieder schmunzelte er. „Kannst du in die Zukunft sehen?“ „Auch nicht.“, der junge Priester stand auf und erklärte weiter: „Ich kann das sehen, was ihr fühlt. Ich sehe deine Hoffnung, Freude, aber auch deine Ängste und Zweifel. Ich kann sehen, dass du einen großen Verlust erlitten – aber gleichzeitig neue Bekanntschaften gemacht hast. Ihr seid auf einer sehr, sehr wichtigen Reise, die bei Silberfuchs begonnen hat. Er ist wohl überhaupt das Wichtigste für euch.“ Zarill blieb stumm. Etwas traurig schaute sie von Vector weg, dann rüber zu Cekiu. Nach einer Weile seufzte sie wieder. „Zarill.“ „Ja?“, schnell blickte sie auf. „Du liebst Silberfuchs.“ „WA-was? Nein! Nein, das Stimmt nicht!“, nervös stand auch sie auf und versuchte die Situation zu erklären: „Nur weil ich mich um ihn Sorge heißt das nicht, dass ich… Nein! Ich bin ihm das nun mal schuldig, nach all dem, was er für uns getan hat!“ Lachend lehnte sich Vector gegen die Wand, „Ja, natürlich. Aber nur damit du es weist: Auf dem Weg zum Tempel blieb ich kurz stehen, erinnerst du dich? In dem Moment konnte ich einfach deine Empfindungen fühlen. Ich will doch nicht, dass du es deinen Kameraden beichtest, aber… dass du es dir selber eingestehst.“ „W-wieso?“ „Weil du die Einzige bist, die Silberfuchs aus dem Koma holen kann, Wasser-Magierin.“ „Aber das habe ich doch schon versucht! Es geht nicht, meine Magie ist dazu nicht stark genug!“ „Deine vielleicht nicht, aber meine.“, Vector räusperte sich und begann zu erklären, während er im Zimmer auf und ab ging: „Auch wenn wir seit vielen Jahren keine elementarischen Probleme mehr heilen – ich hab es selber nie gelernt – weis ich, dass genau dies der Fall bei euren Kapitän ist. Silberfuchs muss vor langer Zeit etwas Schreckliches passiert sein. Etwas, dass bei ihm bereits in der Kindheit einen Knicks verursacht haben muss, später war wohl noch etwas, das die Sache wieder aufgewühlt hat. Leider hat er sich durch das zweite Ereignis derartig verschlossen, dass ich nicht in sein Herz blicken kann – ich weis nicht, was seinen Knicks verursacht hat. Und damit wären wir schon beim elementarischen Problem: Ein Magier muss mit sich selbst zufrieden sein, sonnst kann es passieren, dass jede angewendete Magie einen Rückstoß mitbringt. Ich sehe an dir, dass Silberfuchs immer müde wurde, nachdem er seine Fähigkeit einsetzte…“, traurig blickte Vector zu Zarill, „Seine letzte Tat war eine so schwere Magie, dass er sich selber ins Koma versetzt haben muss.“ Nickend starrte Zarill auf den Boden. „Und… was kann ich für ihn tun?“ „Du stehst ihm am Nächsten. Das ist sehr Wichtig, sonnst kann es passieren, dass etwas schief geht.“ „Was? Was meinst du mit ‚dass etwas schief geht’?“ „Um Silberfuchs zu heilen, muss ich dich in ein künstliches Koma versetzen, Zarill. Das hört sich medizinisch an, hat aber einen elementarischen Sinn. Dein Verstand wird mit dem von euren Kapitän verschmelzt, damit du herausfinden kannst, was ihm so einen Knicks verpasst hat, du heilst ihn also von Innen. Deshalb ist deine Zuneigung so Wichtig, sonnst kann es passieren, dass ein Verstand den Anderen nicht zulässt – dann wärst du im echten Koma, so wie er.“ Das Mädchen schluckte. Gab es denn keine andere Möglichkeit? Anscheinend nicht, sonnst hätte der Priester sie sicher erwähnt. Nachdem Vector sein Zepter nahm und zur Tür ging, meinte er noch: „Keine Angst, deine Kameraden werden dein Geheimnis nicht erfahren. Wir sagen ihnen einfach, dass nur deshalb DU ihn heilen kannst, weil du nun mal die einzige Wasser-Magierin bist.“ Leicht lächelnd nickte Zarill. Als der Priester die Tür hinter sich schloss, starrte sie noch lange in Cekius Gesicht. Ihr war klar, Vector wusste es bereits: Zarill wäre die letzte, die zu dieser Heilmethode ‚Nein’ sagen würde – wäre da nicht ihre Angst. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)