Das Elementarartefakt von Ireilas ================================================================================ 3. Ein Leben in reicher Gefangenschaft -------------------------------------- Wochen weit weg, gab die hohe See die Insel Cesthas, das Festlang von der Wassergöttin Lesya frei. Immer wenn Ebbe war - so wie jetzt - spielten die Kinder des Dorfes Capoena im seichten Gewässer. Egal ob mit Spielzeug oder einfach mit sich gegenseitig, es machte ihnen Spaß. Und nicht nur sie waren sehr Froh, in einer friedlichen Gegend zu leben. Wenn man weiter ins Dorf hinein ging, konnte man am gepflasterten Marktplatz so allerlei Sachen kaufen. Außer Nahrung, wie Früchte, Brot, Fleisch und Getränke, gab es an einigen Ständen Krimskrams aus längst vergangenen Zeiten, dementsprechend sahen sie auch aus. Zum Beispiel ein aus der Tiefe geholter Videorekorder, dem einige Knöpfe fehlten, oder eine längst ausgebrannte Glühbirne, die ohne Strom sowieso nicht mehr leuchten würde. Weiter links vom Marktplatz war ein großer Park, dahinter ging es steil Bergauf wo auf einer wiesenbedeckten Klippengegend ein sehr großes Anwesen stand - das bescheidene Haus der Bürgermeister Familie. Nicht weit vom Marktplatz, rechts, standen wichtige öffentliche Gebäude: Verwaltungshäuser, Bänke, Tierheime, Lagerhäuser, Solarfabriken, Bäder, und eine recht große Schule. Dieses Gebäude war nicht nur für eine Altersgruppe da, sondern für alle: Klassen mit Schülern, von sechs bis neun, im zweiten Stock die Schüler von zehn bis vierzehn und im letzten Stockwerk die fünfzehn bis achtzehn Jährigen. Immer wenn Pause war, spielten die Kinder und Teenager auf den Gängen - nur ein Mädchen nicht. Immer wenn es Mittag wurde, aßen und spielten die jungen Menschen in den Höfen - nur ein Mädchen nicht. Egal ob Lehrausgang, besondere Anlässe oder wenn sie auch nur aufs Klo musste - niemals durfte sie irgendwo alleine hin. Somit isolierten sich alle anderen Schüler von ihr, denn seitdem es ein Mitschüler gewagt hatte, sie eine widerliche Bürgermeistertussi zu nennen und der daraufhin von einem Bodyguard in den Mülleimer gesteckt wurde, hatten alle Angst vor ihr, auch wenn es von ihr aus nicht freiwillig war. Doch immer zum Schulschlussleuten, wenn die Bodyguards vor dem Gebäude auf die Kutsche warteten, wurde es ihr erlaubt, dass sie noch ein bisschen am Dachpark der Schule stehen durfte und die Aussicht genießen. So stand sie wieder einmal da, auf dem Dach, fern von der wirklichen, harten Welt und doch viel zu nah mit ihren eigenen Problemen. Die Sonne, warm und doch nicht heiß, schien auf ihre zarte, weißliche Haut. Viel zu wenig war sie an der Luft. Gerade mal der Weg zur Kutsche und von der Kutsche ins Haus - und vielleicht ein paar Mal im Garten. Ein sanfter Windstoss ließen ihr die langen, fast dunkelblauen Haare ins Gesicht wehen, hätte sie ihren Hut nicht festgehalten, wäre er bereits bis an den Marktplatz geflogen. Da hörte sie von hinten schritte auf sich zu kommen. Waren das ihre Leibwachen, obwohl die Kutsche noch nicht zu sehen war? Sie sollte sich umdrehen und den zwei Kerlen die Meinung sagen, schließlich ist das ihre Privatsphäre! Mit einem schnellen Schritt drehte sie sich also um: „Jetzt hört mal…!“ Doch was bekam sie für einen Schreck, als die zwei Kerle ihre Mitschüler waren. Ihr hatte es die Sprache verschlagen, als die Beiden fies lächelnd auf sie zukamen. Was machen die bloß hier? „W-was… wollt i-ihr?“ Einer der Zwei verschränkte die Arme. „Sie mal an, hat es der Tussi etwa die Sprache verschlagen, jetzt wo ihre Deppen von Bodyguards nicht da sind?“ „Nein, ich glaube, sie hat Angst vor uns!“, der Andere lachte. Und tatsächlich, ängstlich klammerte sie sich an das Geländer hinter ihr, bevor ein weiterer Windstoss ihren Hut davontrug… „Nanu?“ einer der Bodyguards hob ihren Hut vom dreckigen Boden auf, während die Kutsche vor der Schule stehen blieb. Und noch bevor die Beiden das Mädchen vom Dach holen konnten, stand sie vor ihnen - mit einem kleinen Veilchen im Gesicht. „Was zum.. !? Miss Zarill, was ist mit Euch geschehen? Wer war das?!“ Doch die Tochter des Bürgermeisters schaute nur auf den Boden, hob abweisend die Hand. „Niemand. Alles in Ordnung.“ Es wurde Abend. Und da es immer zur selben Zeit im Haus des Bürgermeisters Essen gab, eilten die Köche von einem Raum zum Anderen, in den Speisesaal und zurück. Noch bevor der Tisch fertig gedeckt war, saß Zarill bereits an ihrem Platz. Sie seufzte schon den ganzen Tag vor sich hin- seit dem Schulschluss. Sie wusste ja, dass sie keine Freunde hatte, aber gleich Feinde? Was hatte sie denn so schlimmes getan? Sie konnte sich tausende Fragen stellen, auf die sie keine Antworten hatte. Da kam der Butler herbei, dieser fragte sich, wieso Zarill ihre schwarze Sonnenbrille verlangte. Er war schwarzweiß gekleidet, wie ein Pinguin sah er aus, hatte selbst zwei Gläser auf der Nase und einen schwarzen Schnauzbart. „Um Himmels willen, Miss Zarill! Was ist mit eurem Auge geschehen, verlangt Ihr deshalb nach Euerer Brille?“ Mit einem „Psst!“ setzte sich das Mädchen die Sonnenbrille auf. „Bitte verrate es nicht meinen Eltern, Jasper. Du weist doch, wie sauer die werden wenn sie auch nur einen Kratzer an mir sehen.“ Der Butler nickte. „Aber Sie sollen mich doch nicht immer bei meinem Namen nennen. Wenn DAS Ihre Eltern sehen, werde ich auch gleich gefeuert…“ Zarill grinste leicht: „Dann machen wir einen Handel! Ich nenne dich während des Essens nicht bei deinem Namen und du verrätst meinen Eltern nichts.“ Zuerst zögernd, doch dann wieder nickend, stimmte Jasper zu. Nach dem Essen wollte Zarill nur noch ins Bett. Es machte sie Krank, dass sie immer per Sie angeredet wurde, nirgends alleine hingehen konnte, mit ihren Eltern einen Termin ausmachen musste, damit sie mit ihnen auch nur spielen konnte - und dass sie wie ein Prinzesschen aus Porzellan behandelt wurde. Ach, einen freien Tag wollte sie, nur einen, der ihr nicht sagte wie eingeengt sie war. Noch bevor sie zum Umziehen kam, klopfte jemand vier Mal gegen die Tür – Jaspers Zeichen! Niemand sonnst klopfte in diesen regelmäßigen Abständen gegen die Türe. Er war wie ein zweiter Vater für sie. Ein Vater, der sich wirklich sorgen um sie machte und sie nicht wie Porzellan behandelte. „Herein!“ rief die wieder fröhlich. „Miss Zarill? Ich wollte mit dir über das Veilchen reden…“, sagte er ruhig, während er sich neben ihr auf das Bett setzte. „Das habe ich mir bereits gedacht… Ich habe dir noch von meinen Mitschülern erzählt, Jasper. Tja, scheinbar sind Zwei davon doch mehr als nur Bekannte…“ „Feinde?“ „Ja. Und jetzt fürchte ich mich vor den morgigen Schultag…“ „Aber Miss Zarill.“, Jasper legte seine Hand auf ihre Schulter, „Du hast wohl vergessen, dass du ab Morgen neunzehn Jahre auf dieser Welt bist.“ Schnell schaute sie auf, „Mein Geburtstag?“, und fasste sich auf die Stirn. „Oje… war ich etwa so im Stress, dass ich meinen eigenen Geburtstag vergessen habe…?“ Leise lachte er. „Das kommt schon mal vor. Nun ja - eigentlich sollte ich dir nicht von dem Geheimnis erzählen, aber… da du sowieso schon beinahe am zerbrechen bist… Also, dein Vater hat für morgen ein großes Fest geplant…“ „Wie groß?“ „Die Nachbar Insel plus das Dorf.“ „NEIN!“ „Leider doch...“, Jasper seufzte gleichzeitig mit Zarill, „und ich darf den Barkeeper spielen.“ Dann war einige Minuten lang stille im Zimmer. Beide überlegten, ob das nun eine gute, oder eine schlechte Nachricht war. Schlussendlich schaute Zarill doch froh auf. „…Morgen werde ich so Richtig abfeiern.“ „Wie bitte...?“, fragte der verdutzte Butler nach. „Ich werde mich unter die Menge mischen…“, Zarill sprang auf ihrem Bett auf, „…und so Richtig ABROCKEN!!“ Da lachten beide gleichzeitig, da es anscheinend doch eher eine gute Nachricht war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)