All that I want von Aziraphale ================================================================================ Kapitel 3: Tense ---------------- Es war nun schon das zehnte Mal, dass Shikamaru sich betont unauffällig auf das Haupttor Konohas zu bewegte- innerhalb der letzten fünf Minuten. Er wusste selbst nicht mehr, wem er hier etwas vormachen wollte oder konnte- sicher nicht den Menschen auf der Straße, die ihm schon fragende Blicke zuwarfen. Er kümmerte sich nicht darum und schlenderte abermals mit der gleichen gelangweilten Mine, mit der er -laut einem hartnäckigen Gerücht -schon morgens aus dem Bett stieg, in die entgegengesetzte Richtung davon. Wie schon bei den letzten Malen, würde er nach genau 100 Schritten umkehren und die gleiche Strecke zurückgehen. Mit jedem Mal würden die Leute komischer gucken, aber es war ihm egal. Was kümmerten ihn schon die Leute? Seine Gedanken waren eh ganz woanders und er hätte sich um nichts weniger Sorgen machen können, als darüber, ob man schon überlegte ihn an einen Baum zu binden, damit er keine Furche in den sandigen Boden laufen und so die Lieferanten, die mit ihren schwerbeladenen Holzkarren vorbei fuhren, um frisches Obst und Gemüse bei den Händlern abzuliefern zu Fall bringen konnte. Er wartete. Shikamaru Nara war neben seiner Intelligenz vor allem für seine Geduld bekannt- nicht zu verwechseln mit der Faulheit, die sich des öfteren mit einschlich. Ihn brachte nichts so schnell aus der Ruhe- selbst in mitten eines Kampfes bewahrte er stets den Überblick und griff nicht eher an, als bis der perfekte Moment gekommen war- weswegen er für gewöhnlich auch mit weniger Verletzungen als seine Teamkameraden davon kam und was ihm bei den älteren Jo-Nin schnell Respekt eingebracht hatte. Man könnte auch sagen, Shikamaru sei die Ruhe selbst. Heute war eine Ausnahme. Das letzte Mal, dass er so nervös gewesen war, war der Tag der Geburt seines Patenkindes vor ein paar Jahren gewesen. Gegen Ende ihrer Schwangerschaft, hatte er, so weit es möglich war, Tag und Nacht bei Kurenai verbracht und als plötzlich die Wehen einsetzten, hatte er sie ins Krankenhaus gebracht, aber dann war alles vorbei gewesen- er hatte den Medic-Nin mehr im Weg gestanden, als irgendwie zu helfen. Er erinnerte sich nur noch an Ino, die ihn auf den Flur geschoben und auf einem der Stühle quasi abgesetzt hatte, mit einem Kommentar in die Richtung, Männer seien eben doch zu nichts zu gebrauchen. Er erinnerte sich nur noch vage. Ino. Ino, wie sie ihn reinholte. Ino, wie sie ihm das Kind lächelnd in die Arme drückte. Ino, wie sie Kurenai mit einem Handtuch die Stirn abtupfte und sanfte Worte zumurmelte. Ino, wie sie ihn ermahnte, sich bloß keine Zigarette anzuzünden- als ob ihm auch nur der Gedanke gekommen wäre! Ino, wie sie ihm ein paar Minuten später einen Kaffee in die Hand drückte und ihn mit der Information, das Kind müsse jetzt gestillt werden, wieder aus dem Zimmer schob. Er kniff die Augen zusammen, als sich unter diese glücklichen Erinnerungen plötzlich Bilder mischten, die sich vor ein paar Tagen in sein Gedächtnis gebrannt hatten. Bis jetzt hatte er es irgendwie geschafft, sie zu unterdrücken- ein Glück, denn sonst wäre der Rest seiner Mission höchstwahrscheinlich gründlich schief gelaufen! Er zündete sich eine Zigarette an und machte sich abermals auf den Weg Richtung Tor. Heute würde auch sie von ihrer... „Mission“... zurück kommen. Er pustete etwas Rauch in die Luft. Wenn er nur daran dachte, wie viele Welten zwischen seinen Missionen und ihren lagen, schien sich jeder Muskel in seinem Körper anzuspannen. Überhaupt schien er schon seit Tagen angespannt zu sein. Ihm war das selbst gar nicht aufgefallen, aber als Chouji ihm bei einem ihrer gemeinsamen Mittagessen zuraunte, dass er die Bedienung nicht so böse hätte anschauen müssen und ihn fragte, warum er seit ihrer letzten Mission so gereizt sei und ob er bei all der Arbeit auch genug essen würde, merkte er, dass etwas nicht normal war... dass er mehr rauchte und weniger schlief als sonst, hatte er bis dahin einfach auf seinen Stress geschoben, den man als Anführer einer Jo-Nin- Einheit nun einmal hatte. Es war, als hätte sein sonst so brillanter Verstand von vorneherein ausgeschlossen, dass sein momentaner Gefühlszustand auch nur irgendetwas mit seinem unvorhergesehenen Treffen mit Ino zu tun haben könnte- wahrscheinlich eine Art Selbstschutz. Mit einer ruckartigen Bewegung beförderte er die Zigarette auf den Boden und trat sie aus. Natürlich hatte er darüber nachgedacht- wann dachte er schon einmal nicht nach? Es machte ihn rastlos und lies ihn den heutigen Tag mit einer ihm bisher unbekannten Anspannung erwarten. Er beobachtete das letzte bisschen Rauch, welcher von dem zertretenen Glimmstängel aufstieg, suchte in seiner Westentasche schon nach dem nächsten und wollte sich abermals umkehren, als... „Shikamaru?“ Vor Schreck wäre er beinahe zusammengezuckt- innerlich hatte er sich irgendwie schon darauf eingestellt, den ganzen Tag hin und her zu laufen- als er die ihm wohlbekannte weibliche Stimme hinter ihm hörte. „Hast du etwa auf mich gewartet?“ Er hatte gar nicht gemerkt, dass er den Atem angehalten hatte, bis er sich umdrehte und die Luft mit einem Seufzer aus seinen Lungen wich. Merkwürdigerweise hatte er erwartet das Mädchen in eben dem Kleid dort stehen zu sehen, das es an diesem Abend angehabt hatte, auch wenn er wusste, dass das völlig absurd war. Dort stand Ino so, wie er sie kannte und immer gekannt hatte, in ihrer normalen Kleidung, wenn man denn das tiefe violett als „normal“ für einen Ninja bezeichnen wollte- aber allemal besser als Narutos quietschiges orange, ohne Make-up – vor allem diesen furchtbaren Lippenstift, die blonden Haare zu einem schlichten Zopf zurückgebunden und ein leichtes Lächeln auf den Lippen. Außerdem trug sie wieder ihre Ohrringe. Einen kurzen Moment fragte er sich, ob das alles vielleicht nur ein Traum gewesen war. Sie schien so wie immer zu sein, aber diesen Gedanken verwarf er so schnell wie er gekommen war, als er den Fleck an ihren Hals sah. Normalerweise nichts ungewöhnliches, Ninja hatten oft blaue Flecken, da fragte niemand nach, doch Shikamaru wusste genau was das war. Er musste wohl das Gesicht verzogen haben, denn Inos Hand fuhr plötzlich an besagte Stelle und ihr Lächeln verschwand. Ihr Blick verhärtete sich und sie zischte: „Sieh mich nicht so an!“ Er brachte schnell seine Gesichtsmuskeln wieder unter Kontrolle, doch bevor er eine Entschuldigung murmeln konnte, hatte sie ihre Hand wie demonstrativ wieder weggezogen und sie zu einer Faust geballt. „Ich hatte gehofft, mich erst etwas ausruhen zu können, na ja...“ Sie packte ihn mit einer schnellen Bewegung am Handgelenk und schickte sich an ihn hinter sich her zu ziehen, doch Shikamaru, der nicht verstand, was nun passierte bewegte sich nicht von der Stelle. „Was...?“ Sie seufzte und verdrehte die Augen. „Ich hab doch gedacht wir würden reden, so bald wir wieder hier wären, schon vergessen?“ Als er daraufhin etwas unverständliches murmelte ließ sie ihn los und zog eine Augenbraue hoch. „Also Shikamaru, egal was alle sagen, manchmal zweifele ich an deiner Intelligenz.“ Entschlossen nicht auf diese Aussage einzugehen, brummte er nur sie solle vorgehen und zündete sich die Zigarette an, die er schon die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte. So ging sie energischen Schrittes durch das Dorf und ihr Teamkamerad schlenderte, mit Zigarette im Mundwinkel hinter ihr her- alles in allem kein ungewöhnliches Bild. Ehemalige Teams blieben nicht immer befreundet, sei es durch Machtkämpfe, Neid oder einfach dadurch dass sich einige Ninja- meist die weiblichen- vom Dienst zurückzogen, häuslich wurden und man sich dadurch- oder durch lange Missionen selten bis gar nicht mehr sah. Verbunden blieb man sich aber immer und traf sich auch noch nach Jahren um in alten Zeiten zu schwelgen- gemeinsam verbrachte Jugendjahre schweißen halt zusammen. Schon durch ihre Eltern hatte sich abgezeichnet, dass es bei dem vorherigen Team 10- oder „Team Asuma“, wie man sich jetzt nannte- komplett anders sein würde. So wie das ShikaInoChou-Seniorteam traf sich das ShikaInoChou-Juniorteam regelmäßig einmal im Monat um gemeinsam etwas zu unternehmen- meist essen. Dann war es immer Ino, die energischen Schrittes vor den beiden jungen Männern hergehen und lautstark über etwas reden würde, während die beiden anderen gelegentlich mit den Augen rollend, aber sonst zufrieden lächelnd folgen würden. Shikamaru und Chouji waren generell selten ohne den anderen anzutreffen, aber ohne das blonde Mädchen war es immer, als würde etwas fehlen. Niemand sprach es aus, aber man beneidete sie um diese Freundschaft und freute sich gleichzeitig für sie. Viele Jugendfreunde waren keine Freunde mehr oder befanden sich nicht mehr unter den Lebenden und die, die man noch hatte waren kostbar und so folgten ihnen die wohlwollenden Blicke der Dorfbewohner, denen Ino mit einem breiten Lächeln einen guten Tag wünschte, bevor sie Shikamaru auf einen der kleinen bewaldeten Hügel ein Stück außerhalb des Zentrums führte, auf dem sie als Kinder des öfteren trainiert hatten. Dort angekommen drehte sie sich zu ihm um, schloss die Augen und holte tief Luft. Er sah wie ihre Schultern sich entspannten und als sie ihn schließlich ansah, schien sie eine Ruhe auszustrahlen, wie sie es sonst selten tat. Daran merkte er, dass sie wirklich vorhatte ernsthaft mit ihm zu sprechen, ohne schnippische Bemerkungen und ohne Ausflüchte. Als sie sich dann in Gras setzte, nahm er stumm neben ihr platz und drückte seine mittlerweile recht zusammengeschrumpfte Zigarette auf dem metallenen Schutz seines Handschuhs aus. Er sah sie direkt an, wartete dass sie etwas sagte, doch sie blickte nur mit einem ebenso fragenden Blick zurück. Eine Weile saßen sie so, da. Schließlich löste Ino ihre Augen von den seinen, sah sich kurz um, als wolle sie sicher gehen, dass auch wirklich niemand in der Nähe war und sagte dann schließlich: „Frag.“ Wind kam auf, brachte die Blätter der Bäume zum rascheln, brachte die Gräser dazu sich sanft zu wiegen und wirbelte in Inos Haar herum. Alles in allem ein wunderschöner Anblick. Allerdings legte er so auch abermals „den blauen Fleck“ frei. Shikamaru schluckte. Ino, die damit beschäftigt war ihre blonde Mähne zu zähmen, bemerkte dies zum Glück nicht, sondern fügte „Ich werde dir alles beantworten- es sei denn es fällt unter die Geheimhaltung... und bedenke: Ich muss das nicht tun und ich mache es auch nur, weil wir Freunde sind.“ hinzu. Ihr Tonfall war neutral, fast gleichgültig; nichts war mehr von der Wut zu spüren, die ihn getroffen hatte, als sie das letzte Mal miteinander gesprochen hatten. Selbstbeherrschung. Shikamaru Nara, der beste Taktiker Konohas, hatte zum ersten mal keinen Plan was er tun sollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)