Bis(s) in den Tod von BabyG2005 ================================================================================ Kapitel 17: Wer bin ich? ------------------------ Man ist, was man ist. Niemand kann jemanden die Identität rauben. Jeder Mensch ist ein Individuum und ist einzigartig. Shana wusste nicht viel vom Leben, doch sie konnte immer sagen, wer sie war: Shana Minabe. Nie hätte sie es für möglich gehalten, dass sie selbst das nicht mehr wissen konnte. Shana erwachte in einem kalten, aber zumindest mit künstlichem Licht beleuchteten Raum. Nachdem sie sich einige Sekunden der Orientierung gegönnt hatte, bemerkte sie, dass sie in Ethans Zimmer im Bett lag. Erleichtert seufzte sie auf. Sie war so glücklich, dass sie am liebsten geweint hätte. Keine dunkle und stinkende Folterkammer mehr. Keine Werwölfe oder eine verrückte Eve. Doch bevor sie diesem Gefühlsausbruch der Freude nachgeben konnte, fühlte sie, wie sich etwas neben ihr bewegte. Shana sah zur Seite und blickte in die braunen Augen von Ethan. Sie war in Sicherheit. Sie war diesem Horror tatsächlich entkommen. Beruhigt durch diese Erkenntnis umarmte sie Ethan und schmiegte sich an ihn. „Was denkst du, tust du da?“, fragte er barsch und auch eine Spur irritiert. „Danke.“, überging sie seine Frage. „Danke, dass du mich gerettet hast.“ Als Antwort seufzte er genervt. „Du stinkst!“ „Halt die Klappe.“ Statt auszurasten, ihr mit dem Tod zu drohen oder sich einfach nur mit ihr zu streiten, schwieg er. Das war ungewöhnlich, aber Shana würde sich nicht beschweren. Ethan berührte sie nicht, schob sie aber auch nicht von sich, wofür sie dankbar war. Sein Körper fühlte sich zwar wie immer kühl an, aber es war tröstlich und sehr angenehm. Es war merkwürdig, da sie so gut wie nie das Bedürfnis verspürte, jemanden zu umarmen. Doch jetzt brauchte sie das. Einfach zur Bestätigung, dass ihre Rettung nicht nur eine Ausgeburt ihrer Fantasie war. Ethan war ihr Anker, der sie im Hier und Jetzt hielt. So konnte sie verhindern in den Wahnsinn abzudriften. Sie löste sich erst wieder von ihm, als es leise an der Tür klopfte und die anderen Vampire den Raum betraten. Während Ethan aufstand, umarmte Chris sie freudig und setzte sich zu Shana aufs Bett. „Ich bin so froh, dass du wieder da bist. Geht es dir gut? Ich wäre ja selbst zu deiner Rettung gekommen, aber Jay meinte, dass ich hier auf dich warten sollte.“ „Mir geht es gut, bis auf ein paar Blessuren.“ Ihr Körper schmerzte immer noch merklich. „Mach dir darum mal keine Sorgen. Ich habe ein paar Kräuter, die dich schnell wieder gesund machen. Bald ist nichts mehr auf deiner Haut zu sehen.“ „Danke.“ „Tu so was ja nie wieder! Wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht.“ „Ich werde mir Mühe geben.“ Auch Rowen und Jay bekundeten ihre Freude darüber, dass Shana wieder bei ihnen war. Hawk nickte ihr nur zu, was wahrscheinlich seine Art von Freude war. Sie nahm es ihm nicht übel, dass er sie nicht herzelte. Hunter jedoch brannte etwas ganz anderes auf der Seele. Ihn interessierte es nicht sonderlich, dass Shana wieder da war. Er sah sie ja noch nicht mal an! Dafür funkelte er Ethan wütend an, der an der Wand gelehnt stand. „Raus mit der Sprache, Eth! Woher kanntest du diese Eve?“ Statt einer Antwort, erhielt Hunter nur Schweigen. „Zwing mich nicht, die Frage zu wiederholen!“ Ethan sah ihn herablassend an, was bei Hunter eine Sicherung durchknallen ließ. Ehe Ethan sich versah, hatte Hunter ihm seine Faust ins Gesicht geschlagen. Die Wucht des Schlages ließ seinen Kopf gegen die Wand knallen und Shana war sich sicher, dass etwas Beton von der Wand bröckelte. Ethan knurrte, seine Augenfarbe wechselte von braun zu gold und er verpasste Hunter einen gut platzierten Magenschwinger. Bevor dieser Streit in einer guten, alten Prügelei ausarten konnte, hielt Jay Hunter zurück und Rowen Ethan. „Lass mich los!“, knurrte Hunter Jay bedrohlich an. „Beruhigt euch bitte.“, versuchte Rowen zu schlichten. „Ich soll mich beruhigen? Ich will verdammt noch mal wissen, woher er sie kannte! Du weißt mehr über Wächter, als du zugeben willst. Das kotzt mich an! Du bringst uns alle in Gefahr, wenn du Informationen zurück hälst!“ „Jeder von uns hat Geheimnisse.“, konterte Ethan schlicht. „Aber unsere Geheimnis bringen niemanden um.“ Shana merkte, wie Chris ihre Hand drückte. Warum fühlte der kleine Vampir sich so unbehaglich? „Niemand ist verletzt worden. Also reg dich ab, Hunter.“ „Ach? Und dass die Göre entführt wurde, ist nicht relevant?“ „Nein.“ „Du mieser, kleiner Dreckskerl!“ Hunter versuchte erneut, sich von Jay loszumachen. Shana wusste nicht, was sie davon halten sollte. Normalerweise interessierte Hunter sich nicht für sie. Er trainierte sie, schnauzte sie an, wenn sie mal wieder etwas falsch machte und sonst ließ er sie links liegen. Warum setzte er sich nun so für sie ein? Manche Dinge konnte man einfach nicht nachvollziehen. Doch das war im Moment unwichtig. Shana musste irgendwas tun. Sie wollte nicht noch mehr Gewalt erleben. Davon hatte sie erstmal die Schnauze voll. „Bitte.“, flüsterte sie in der wehleidigsten Stimme, die sie zustande brachte. „Ich fühle mich noch nicht… so gut. Gönnt mir doch… ein wenig Ruhe… bitte.“ Die ganze Szenerie erstarrte und alle sahen Shana an. Sie blickte rasch zu Boden und hoffte, dass sie hilflos und wehleidig genug aussah und keiner bemerkte, dass sie nur schauspielerte. Sie wusste nicht warum, aber sie wollte Ethan beschützen. Die anderen entspannten sich. „Natürlich.“, sagte Rowen sanft. „Kommt! Lasst uns gehen. Shana hat schon genug durchgemacht.“ „Danke, Rowen-san.“ Sie hustete, um noch mehr Drama in ihr Spiel zu bringen. Die anderen gingen, nur Ethan blieb an Ort und Stelle. Rowen sah sich nach ihm um, doch als er bemerkte, dass Ethan nicht gehen wollte, beließ er es dabei und schloss die Tür. Ein Blick in Ethans Augen und Shana wusste, dass er ihre Farce durchschaut hatte. Natürlich. Ethan war nicht so dumm gewesen. Da sein Blick schon wieder so aussah, als ob er ihr am liebsten den Hals umdrehen würde, stand sie hastig auf. „Du… du hast recht.“, stammelte sie. „Ich stinke. Ich gehe mich waschen.“ Fast panisch klaubte sie ein paar saubere Sachen zusammen und verließ fluchtartig das Zimmer. Sie hatte Glück und begegnete niemanden, während sie fast schon ins Badezimmer rannte. Verdammt! Warum musste sie Ethan auch beschützen? Er war alt genug und konnte auf sich selber aufpassen. Nur weil sie sich einmischen musste, war er jetzt sauer auf sie. Nicht, dass das nicht das erste Mal vorkam. Immerhin war hier von Ethan die Rede. Doch Shana wollte nicht, dass er sauer auf sie war. Er hatte ihr das Leben gerettet. Und das schon zum zweiten Mal. Sie wollte sich doch endlich mit ihm vertragen. Da sie das Gespräch mit Ethan nicht zu lange aufschieben wollte, duschte sie schnell. Sie war froh, dass im Badezimmer keine Spiegel hangen. Sie selbst hätte wahrscheinlich laut geschrieen, hätte sie alle Wunden sehen können. Die sichtbaren Wunden an Armen, Beinen und Bauch reichten ihr schon. Es tat gut, saubere und frische Kleidung zu tragen. Ihre nassen Haare rubbelte sie etwas trocken und band sie dann zu einem Pferdeschwanz zusammen. Als sie wieder sein Zimmer betrat, beugte Ethan sich gerade über das Bett und zog ein neues Bettlaken auf. Diese Szene war so unrealistisch, dass Shana einen Moment wie erstarrt stehen blieb. Das war so normal. Sie hatte Ethan nie so betrachtet. Es war eher das Gegenteil von normal gewesen. Ethan bemerkte sie. „Was?“, blaffte er. Shana zuckte zusammen. „Nichts.“ Erst jetzt bemerkte sie ein Tablett auf dem Nachttisch. Eine Schale Suppe, eine Schale Reis und eine Tasse heißen Tee. Essen! Shana nahm das Tablett, setzte sich auf den einzigen Stuhl im Raum und verschlang die Mahlzeit. Natürlich war es nicht so köstlich wie das Essen von Kato – der Gedanke bereitete ihr Unbehagen – aber Essen war Essen und sie würde sich niemals darüber beschweren. Während sie die Speise verschlang, bezog Ethan weiter das Bett. Als er fertig war, hatte auch sie aufgegessen und setzte sich mit der Tasse aufs Bett. Vorsichtig lehnte sie sich an die Wand und genoss den Tee. Ethan setzte sich neben sie, was komisch war, weil er sonst immer Abstand zu ihr wahrte. Gemeinsam saßen sie eine Weile still da, doch das konnte ja nicht ewig so weitergehen. „Ethan?“, fragte sie vorsichtig. „Was?“ „Das mit Eve-“ „Ich rede nicht darüber.“, fiel er ihr ins Wort. „Ich weiß.“ Schweigen. „Ich habe zwar keine Ahnung, was genau zwischen euch beiden vorgefallen ist, aber es hat mit Emily zu tun oder?“ Aus den Augenwinkeln sah sie, wie er sich anspannte. „Es geht mich ja auch nichts an.“, fuhr sie hastig fort. „Na ja. Vielleicht schon, aber es ist deine Entscheidung. Eve sagte, dass jemand nicht will, dass ich als Emily erwache. Ich denke, damit warst du gemeint. Also… ich will nur sagen, dass ich froh bin, dass du das nicht willst.“ Sie spürte, wie er sie anstarrte, doch Shana riss sich zusammen und sah in ihre Tasse. „Wenn es stimmt und ich verschwinde, wenn Emily erwacht, dann will ich es nicht.“ Shana seufzte. „Ich werde den anderen nicht sagen, was Eve mir alles erzählt hat. Es war ohnehin zusammenhanglos. Und ich werde auch dich nicht nach deinen Geheimnissen fragen. Ich möchte nur, dass du mich nicht anlügst, okay?“ Sie sah ihn an. Seine Augen funkelten golden. „Wenn du mir nicht die Wahrheit sagen kannst, dann sag lieber gar nichts.“ Er runzelte leicht die Stirn, was komisch aussah, da sich seine Haut nicht in Falten zog. Diese Reaktion war verständlich. Shana wusste ja selbst nicht ganz, warum sie ihm dieses Versprechen abverlangte. Immerhin sollte es ihr egal sein ob er log oder nicht. Und er hatte sie bestimmt schon oft angelogen. Schließlich bedeuteten sie einander nichts. Trotzdem war es ihr nicht egal. Langsam baute sie eine Beziehung zu ihm auf und sie wollte nicht, dass er das durch Lügen zerstörte. Sie hatte nur sehr wenige Freunde und diesen musste sie vertrauen können. Sie wollte Ethan vertrauen und tat es wahrscheinlich schon längst. Zögernd hielt sie ihm ihre Hand hin. Es dauerte einen Moment, doch dann legte er seine Hand sanft in ihre und sie besiegelten das Versprechen. „Danke.“, flüsterte Shana und lächelte. „Das bedeutet mir sehr viel.“ Es vergingen zwei Monate. Zwei Monate, die nervenaufreibend und stressig waren. Die Schule hatte schneller wieder angefangen, als Shana lieb war. Zum Glück bewirkten die Kräuter von Chris wahre Wunder und es war nichts mehr von dem Aufenthalt bei den Werwölfen zu sehen. Doch Chris konnte nur die äußeren Verletzungen heilen. Ihre Angst, dass sie erneut entführt werden konnte, blieb. Daher trug sie den Dolch der Wächterin immer bei sich, wie auch Pfefferspray. Sie schlief nur noch sehr wenig, da sie ständig schweißgebadet aus ihren Alpträumen aufwachte. Sie wollte sich von diesem Trauma nicht unterkriegen lassen, aber ihr Unterbewusstsein war da anderer Meinung. Shana sorgte sich auch um Mika. Ihre Krankheit hatte sich wohl noch verschlimmert und sie wurde in eine Spezialklinik überwiesen. Shana konnte sie zwar nicht besuchen, da Mika ansteckend und unter Quarantäne gestellt war, aber sie telefonierten regelmäßig. Mika sagte, dass sie sich furchtbar langweilte, weil sie mehr oder weniger von der Welt abgeschottet war, aber es war ja nur zu ihrem Besten. Die Ärzte konnten nicht so genau sagen, was ihr nun eigentlich fehlte, aber sie gaben nicht auf. Mika vermisste Shana und Sho, aber sie hatte strengstes Besuchsverbot. Selbst ihren Eltern war es untersagt, ihre Tochter zu sehen. Sie alle konnten nur hoffen, dass es ihr bald wieder besser ging. Seit der Entführung, wurde Shanas Training noch intensiviert. Sie trainierte nicht nur mit Hunter, sondern auch mit Ethan und Rin. Alle drei waren abartige Sklaventreiber und schindeten sie, wo sie nur konnten. Doch das harte Training zahlte sich aus. Shana konnte schon recht gut mit dem Schwert umgehen und auch das Bogenschießen lag ihr. Da Letzteres Rin unterrichtete, verbesserte sich auch Shanas Beziehung zu ihr. Sie wurden richtig gute Freunde, was komisch war, da Shana eigentlich nicht der Typ war, der schnell Freunde fand. Doch es war auch alles ziemlich anstrengend, da sie tagsüber zur Schule ging und abends beziehungsweise nachts bei den Vampiren war. Entweder trainierte sie oder Rowen ging mit ihr die Wächterlegenden durch. Doch irgendwie hielt sie durch. Sie hatten den Feind kennen gelernt und wollten ihn unter allen Umständen vernichten. Leider kam dadurch auch Yue zu kurz. Sie telefonierten ab und zu und hatten sich nach dem geplatzten Date noch zwei Mal getroffen, aber irgendwie war die Luft raus. Yue war zwar nett und freundlich, aber Shana konnte bei ihm nicht sie selbst sein. Sie hing meistens ihren Gedanken nach und war abwesend. Doch das hinderte Yue nicht daran, Shana ihren ersten Kuss zu geben. Berauschend war es leider nicht. Es fühlte sich nicht richtig an. Sie hatte weder Herzklopfen, noch Schmetterlinge im Bauch. Sie fand sogar, dass die Küsse von Yue feucht waren. Ganz anders als die von Ethan. Als ihr dieser Gedanke durch den Kopf ging, schüttelte sie sich heftig. Wieso nur kam sie auf die Idee, dass Ethan anders küsste als Yue? Sie hatte Ethan doch noch nie geküsst. Die einzige Erklärung für diesen Gedanken war, dass sie sich besser mit dem mürrischen Vampir verstand. Es war zwar immer noch fies zu ihr, aber es hielt sich in einem vertretbaren Rahmen. Doch während sich ihre Beziehung zu Ethan verbesserte, verschlechterte sich seine zu den anderen. Sie nahmen ihm die Sache mit Eve immer noch übel. Hunter redete so gut wie gar nicht mehr mit ihm und auch Rowen schien etwas distanzierter. Doch Ethan tat, was er immer tat. Er ignorierte es einfach. Es war bereits Dezember. Um genau zu sein kurz vor Weihnachten. In letzter Zeit hatte es ziemlich viel geschneit, was den Weg zur Schule nicht gerade lustiger machte. Durch das Fehlen von Mika, war Shana in der Schule noch abwesender und lustloser. Mika nervte zwar, aber manchmal war es ganz angenehm, wenn sie Shana ein wenig ablenken konnte. Ab und zu schnappte Shana ein Gespräch auf, aber es drehte sich nur um Dates an Weihnachten, also hörte sie schnell wieder weg. Denn das erinnerte sie daran, dass sie selbst ein Date mit Yue hatte. Nur konnte sie sich nicht richtig dafür erwärmen. Die anfängliche Verliebtheit war verschwunden und daher sah sie Yue eher als Freund, als einen Geliebten. Und das musste sie ihm irgendwie klarmachen, da sie ihn nicht weiter hinhalten wollte. Denn er hatte mehr Interesse an ihr, als sie an ihm. Doch sie fand es gemein, ihm eine Abfuhr an Weihnachten zu erteilen. Vielleicht sollte sie sich vorher mit ihm treffen und die Sache beenden. Das war irgendwie verrückt. Sie würde nie einen Mann wie Yue finden, mit dem sie den Rest ihres Lebens verbringen konnte. Und dann war da jemand und sie wollte ihn nicht. Wie blöd war sie eigentlich? Hatte sie noch alle Tassen im Schrank? Aber sie konnte ihm einfach keine Gefühle vorheucheln, die nicht da waren. Es war Samstag. Samstag war immer ein guter Tag gewesen, da sie keinen Nachmittagsunterricht hatte. Und der abendliche Besuch bei den Vampiren würde auch ausfallen, weil sie einfach mal eine Pause brauchte. Hunter und Ethan hatten sich ziemlich über ihre Faulheit aufgeregt, aber Shana brauchte einfach Ruhe und blieb stur. Sie war eben nur ein Mensch. Da konnten die Herren sagen, was sie wollten. Als sie von der Schule nach Hause kam, zog sie sich bequeme Kleidung an und schlief erstmal eine Runde. Schlaf, den sie dringend brauchte. Es war ungefähr 18:00 Uhr, als sie nach unten zum Essen ging. Nur leider stand kein Essen auf dem Tisch. Sie suchte ihre Mutter und fand sie zurechtgemacht und wartend im Wohnzimmer. „Mutter? Gibt es heute kein Abendessen?“ „Nein.“ Weil? „Warum nicht?“ „Dein Vater und ich essen außer Haus. Und Ken ist bei Freunden und übernachtet dort.“ Das hieß, sie war alleine zu Hause. Früher hätte sie sich darüber gefreut. Aber früher war sie auch ein normales Mädchen gewesen und hatte nicht an die Existenz von Vampiren und Werwölfen geglaubt. Wie sich das Leben doch ändern konnte. Ihr Vater betrat das Wohnzimmer. Ihre Eltern ermahnten sie noch, nichts anzustellen und weg waren sie. Shana wurde mulmig. Rasch machte sie überall im Haus das Licht an. Seit Neustem fühlte sie sich bei Dunkelheit nicht mehr ganz wohl. Nachdem sie sich eine Fertigmahlzeit warm gemacht hatte, verputzte sie diese vor dem Fernseher. Danach rief sie bei Mika an und sie quatschten eine Zeit lang. Gerade, als sie sich entschied, Chris anzurufen, damit sie sie doch abholen konnte, fiel der Strom aus. Wahrscheinlich waren durch den anhaltenden Schneefall die Leitungen überlastet gewesen. Zum Glück hatte sie ihr Handy schon in der Hand gehabt. Anhand des Lichts das vom Handy ausging, suchte Shana in den Wohnzimmerschränken nach einer Taschenlampe. Als sie endlich eine gefunden hatte, machte sie sich auf den Weg in den Keller. Denn leider war dort der Stromkasten. Du hast keine Angst. Du bist stark! Wie ein Mantra redete sie sich das immer wieder ein, während sie die Treppen nach unten ging. Shana hasste den Keller. Er war dreckig und staubig. Als sie endlich den Boden des Kellers erreicht hatte, war ihr Gesicht schon voller Spinnenweben. Bäh! Der Keller war nur ein kleiner quadratischer Raum. Links und rechts standen Kisten an der Wand. Gegenüber der Treppe waren der Stromkasten und ein kleines Weinregal. Sie ging zum Stromkasten und versuchte den Strom wieder in Gang zu bringen, doch diese Mühe war vergeblich. Die Leitungen waren tot. Shana erstarrte. Hatte sie da gerade etwas gehört? Langsam richtete sie den Strahl der Taschenlampe auf das Weinregal und blickte in die dunklen Augen einer Ratte. Sie hasste Ratten! Shana schrie auf und taumelte rückwärts. Dabei fiel sie mehr oder weniger gegen die Kartons und riss sie zu Boden, so dass sie halb unter ihnen begraben wurde, da sie die ganze Zeit die Ratte im Auge behielt. Diese ließ sich durch den Krach nicht stören und putzte sich. Verdammt! Am liebsten hätte sie fluchtartig den Keller verlassen, aber dieses Chaos konnte sie unmöglich hier liegen lassen. Ihre Eltern würden sie umbringen. So was konnte auch nur ihr passieren. Die Kartons hatten sich geöffnet und eine Vielzahl an Papieren lag auf dem Boden verstreut. Shana stellte die Taschenlampe so, dass sie ausreichend Licht hatte und fing an, die losen Zettel zusammen zu suchen. Eigentlich wollte sie schnell fertig werden und wieder nach oben gehen, weil hier immer noch eine Ratte war, aber es interessierte sie, was ihre Eltern hier lagerten. Sehr interessant war es dann aber doch nicht gewesen. Das Meiste waren Rechnungen, Belege oder Versicherungsunterlagen. Shana war schon fast fertig, als ihr ein amtliches Dokument in die Hände fiel. Adoptionsbescheinigung, stand da. Hatte sie sich verlesen? Sie nahm die Taschenlampe und sah genauer hin. Nein, sie hatte sich nicht verlesen. Da stand, dass die Adoption amtlich war. Welche Adoption? Und als sie den Namen des adoptierten Kindes las, wünschte Shana sich, dass sie nicht auf ihre Pause bestanden hätte und gleich nach Sonnenuntergang zu den Vampiren gegangen wäre. Da stand in großen Buchstaben: SHANA Ihre Hände fingen an, unkontrolliert zu zittern und brachten das Papier zum rascheln. Das war doch ein Scherz! Das konnte einfach nicht stimmen. Doch als sie die Dokumente weiter durch las, merkte sie, dass es sich nicht um ein Versehen oder einen dummen Witz handelte. Shana war von der Familie Minabe adoptiert worden, als sie ein Jahr alt war. In der Zeile, wo die leiblichen Eltern hätten stehen sollen, stand anonym. Das war doch eine Lüge gewesen! Sie konnte nicht adoptiert worden sein. Wie krank war das? Schnell waren die Unordnung und die Ratte vergessen. Sie ging nach oben und wartete auf ihre ,Eltern’. Fast drei Stunden stand sie im Wohnzimmer. Um die Batterien der Taschenlampe zu schonen, hatte sie Kerzen angezündet. Dann endlich betraten ihre so genannten Eltern das Wohnzimmer. „Was hast du wieder angestellt, du kleiner Nichtsnutz?“, fragte ihre Mutter, die nicht ihre Mutter war und deutete auf die Kerzen. Shana schwieg. „Antworte deiner Mutter gefälligst!“ Ihre Eltern, nein, Sakura und Taro Minabe, sahen sie böse an. Shana holte tief Luft. „Warum habt ihr mich all die Jahre angelogen?“ „Was redest du da für einen Unsinn?“ „Ich weiß von eurem Geheimnis.“ „Welches Geheimnis?“ Taro wurde wütend, aber auch leicht nervös, was Shana freute. Sie hielt ihm die Adoptionspapiere unter die Nase. „Das Geheimnis!“ Er überflog kurz die Papiere und blickte Shana finster an. Den ersten Schlag sah sie nicht kommen und die Faust von Taro traf sie mitten ins Gesicht. Shana platzte fast der Schädel und sie fühlte, wie etwas Warmes über ihren Mund lief. Sie schmeckte Blut. „Du Miststück!“, brüllte Taro und versetzte ihr einen weiteren Schlag ins Gesicht. Shana hätte ausweichen können – das hatte man ihr schließlich beigebracht – aber sie tat es nicht. „Warum?“, flüsterte sie stattdessen. „Warum habt ihr mich belogen?“ Sakura lachte auf. „Denkst du, wir wollten dich?“ „Sei still, Sakura!“ „Nein, Taro. Ich bin es Leid. Ich habe Shana nie gewollt, doch du musstest sie ja hier anschleppen! Ich musste schweigen. All die Jahre durfte ich nichts sagen und musste diese Missgeburt als mein Kind ausgeben! Aber damit ist jetzt Schluss. Sie hat die Wahrheit selbst herausgefunden. Also sollte sie auch die ganze Geschichte wissen. Sie soll wissen, was für eine Bürde sie war. Das ist nur fair.“ Dass Sakura von Fairness sprach, war für Shana befremdlich. Doch sie glaubte zu wissen, dass Sakura nicht fair Shana gegenüber war, sondern eher sich selbst. Wenn sie wirklich so lange schweigen musste, war es bestimmt ein Segen, sich endlich mal alles von de Seele zu reden. Shana war das eigentlich egal, aus welchen Beweggründen sie es tat, es war ihr nur wichtig, dass sie es tat und Shana die Wahrheit erfuhr. Taro sagte nichts dazu. Das nahm Sakura als Zustimmung und sprach weiter. „Du willst die Wahrheit wirklich wissen? Du bist die Tochter von Taros ehemaligem Chef! Taro hatte neu in der Firma angefangen. Er war fleißiger und fähiger, als die meisten Mitarbeiter in der Firma. Doch man sagte ihm, dass diese Eigenschafen nicht viel bringen würden, um aufzusteigen. Dafür müsste er Opfer bringen. Wir hatten gerade erst geheiratet und Taro musste Geld aufbringen, um unser Haus zahlen zu können. Leider bemerkte sein Chef seine Bemühungen und schlug ihm einen Handel vor. Wenn Taro dich adoptieren würde, würde Taro nicht nur sofort in eine bessere Position aufsteigen, sondern sein Arbeitsplatz wäre auf Lebzeiten gesichert. Es gab nur eine einzige Bedingung. Niemand durfte von diesem Handel erfahren. Und Taro willigte ein.“ Sakura spuckte verächtlich aus und sah Taro wütend an. „Ein niedriges Gehalt wäre mir lieber gewesen, als diese Missgeburt.“ Shana war erstarrt. Sie war nichts weiter als ein Handel gewesen? Nichts weiter als ein Gegenstand, den man gegen etwas anderes eintauschte? „Warum wollten meine leiblichen Eltern mich nicht?“, wisperte Shana. Sie hatte das Gefühl, gleich zusammen zu brechen. „Weil du die Ausgeburt der Hölle warst.“, zischte Sakura. „Am Anfang warst du noch normal gewesen. Das einzig Ungewöhnliche waren deine Augen. Sie waren von einem so strahlenden blau, dass das schon unnatürlich war. Doch als du zehn Monate alt warst und anfingst zu laufen, zeigtest du deine wahre Natur. Zu diesem Zeitpunkt zeigte sich auch deine ungewöhnliche Stärke. Du nahmst die Hand deiner Mutter und hast ihr drei Finger gebrochen. Doch das war noch nicht alles. Du wolltest Tod und Schmerzen. Als das Kindermädchen dich badete, hast du sie an den Haaren gepackt und versucht, sie in dem Badewasser zu ertränken. Du hattest Messer in die Finger bekommen und deiner Mutter in die Beine gestochen und deinem Vater die Arme aufgeschlitzt. Auch wenn man die Messer versteckte und sie aus deiner Reichweite brachte, hast du sie trotzdem noch gefunden. Jedes Mal, wenn du so etwas getan hast, haben deine Augen wie beim Teufel rot geglüht. Daher wurdest du einem Exorzismus unterzogen. Du hast dabei nur gelacht und warst immer noch vom Teufel besessen. Deine Eltern wollten dich loswerden, daher setzten sie dich aus. Doch am nächsten Tag lagst du wieder in deinem Kinderbett. In ein Heim konnten sie dich nicht geben. Das hätte ein schlechtes Licht auf deine Familie geworfen. Außerdem hätte man schnell herausgefunden, was für Fähigkeiten du hattest und man hätte dich ihnen wieder zurückgegeben. Daher kamst du zu uns. Er hat dich weggeworfen, wie ein Stück Abfall.“ Sakura grinste hämisch. „Leider verstarben deine Eltern kurz nach diesem Handel. Das war auch der Grund, warum wir dich nicht weggaben. Uns hätte es auch so ergehen können.“ „Und nun…“, Taro knackte mit den Fingern. „… sollten wir uns für die 16 Jahre, die du uns beschert hast, bedanken.“ Shana spürte die Schläge nicht. Selbst, als sie am Boden lag und Taro ihre Rippen mit Fußtritten zertrümmerte, merkte sie nichts. Ihr Körper gehorchte ihr nicht mehr. Sie konnte sich einfach nicht mehr bewegen. Erst, als die Minabes erschöpft waren und sie vor die Tür warfen, drang die Kälte und Nässe des Schnees durch ihre Glieder und sie fing an zu zittern. Shana kannte nur noch einen Gedanken. Sie musste weg! Also stand sie mühselig auf und rannte los. Da ihre Hauspantoffeln auf dem Schnee nicht griffen, zog sie sie aus und rannte auf Socken durch die Straßen. Tränen verschleierten ihren Blick. Ihr Körper schmerzte wie die Hölle und es fiel ihr schwer zu atmen, aber Shana verbot sich, einfach stehen zu bleiben. Zum Glück war die Kälte so beißend, dass sie bald nichts mehr spürte. Irgendwann jedoch rutschte sie aus und landete mit dem Gesicht voran im Schnee. Eine blutige Spur zeichnete sich auf dem weiß ab, als ihre Nase erneut anfing zu bluten. Shana hielt das einfach nicht mehr aus. Die Schmerzen, die wieder einsetzten, brachten sie fast an den Rand der Bewusstlosigkeit. So konnte sie es nicht enden lassen. Fast panisch tastete sie nach ihrem Handy. Es klingelte nur einmal. „Was?!“, kam es barsch aus dem Hörer. „Ethan.“, flüsterte Shana und schlurzte. „Hilf mir.“ Dann entglitt ihr das Handy und sie rollte sich zu einer Kugel zusammen und weinte hemmungslos. So fand Ethan sie eine halbe Stunde später. Ihre Haut war schon blau und Shana zitterte unkontrolliert. Sie merkte, wie Ethan ihr seinen Mantel umlegte und sie vorsichtig auf seine Arme hob. Ethan hatte sie gefunden. Er fand sie immer. In der Gruft scharrten sich alle um Shana und stellten Fragen. Doch Shana konnte einfach nichts sagen. Immer, wenn sie den Mund aufmachte, schlugen ihre Zähne so heftig aufeinander, dass sie sich in die Wangen biss. „Wasch sie!“, sagte Ethan über die Fragen der anderen hinweg und übergab Shana an Chris. Chris nickte und brachte Shana ins Bad. Während heißes Wasser in die Wanne lief, zog Chris sie vorsichtig aus. Als die Badewanne dann voll war, ließ Chris sie ins Wasser gleiten. Ihr ganzer Körper wurde von schmerzenden Nadelstichen gepiesackt und Shana schrie auf. Sie schlug um sich und wollte raus, aber Chris ließ sie nicht. Als ihr Körper sich endlich an das Wasser gewöhnt hatte und langsam wieder etwas Farbe bekam, wurde Shana still. „Was ist mit dir passiert?“, fragte Chris sanft und reinigte ihr Gesicht behutsam mit einem Waschlappen. Shana öffnete ihren Mund, aber nichts kam heraus. „Es ist okay. Du musst keine Angst haben. Hier bist du in Sicherheit. Bei uns kann dir nichts passieren.“ Shana spürte die Ehrlichkeit dieser Worte und begann stockend zu erzählen, was ihr passiert war. Als sie geendet hatte, brach sie wieder in Tränen aus. Ungeachtet von dem Wasser beugte Chris sich vor und zog Shana in eine tröstende Umarmung. „Alles wird gut. Du musst nie wieder zu diesen Menschen zurück. Wir sind deine Familie.“ Als Shanas Haut ganz rot und schrumpelig war, half Chris ihr aus der Wanne und trocknete sie ab. Dann legte sie ihr einen Stützverband um die Rippen und kümmerte sich um die anderen Verletzungen. Das waren wieder diese geheimen Kräuter, die Wunder bewirkten. Danach zog Chris ihr ein paar bequeme Sachen von Jay an, da Shana keine sauberen Sachen da hatte und brachte sie in das Zimmer von Ethan. Vorsichtig deckte sie Shana zu, als sie sie ins Bett gelegt hatte. „Brauchst du irgendwas? Essen oder Trinken?“ Shana schüttelte den Kopf. „Schlaf ein wenig. Das wird dir gut tun.“ „Danke, Chris.“ Das waren die letzten Worte, die Shana über die Lippen brachte. Von da an wurde sie zum Pflegefall. Shana verbrachte eine Woche in einem lethargischen Zustand. Sie aß und trank nur wenig. Und wenn, dann musste man ihr es anreichen, da sie selbstständig nicht mehr dazu fähig war. Chris hatte den anderen erzählt, was vorgefallen war und das nahm der Clan zum Anlass, Shana zu besuchen und versuchen sie aufzuheitern. Rowen erzählte ihr Geschichten aus seiner Vergangenheit und über die Wächterinnen. Er hatte jetzt fast alle Tagebücher übersetzt und war es nicht müde, Shana immer wieder daraus vorzulesen. Chris und Jay brachten ihr immer zu Essen und Trinken und erzählten ihr, was so Neues passiert war. Zum Beispiel, dass Hunter und Rin sich mal wieder gestritten hatten oder dass Rowen mal wieder unter seinen Büchern begraben wurde, als er ein Buch aus dem Regal zog. Hunter kam auch und bluffte sie an, dass sie sich nicht so anstellten sollte. Er beklagte sich dass sie sich so hatte übel zurichten lassen und dass sie wohl nichts beim Training gelernt hatte. Wobei man sagen musste, dass Shana schon viel besser aussah. Ihre Rippen schmerzten noch ein wenig, aber sonst fühlte sie sich körperlich gesehen gut. Selbst Rin kam einmal vorbei und erzählte ihr von den Vampiren und Werwölfen, die sie zur Strecke gebracht hatte und regte sich über Hunter auf. Die anderen redeten mit ihr und versuchten sie zu trösten und aufzuheitern. Shana wusste das zu schätzen, aber ihre Worte waren nur ein leises Summen in ihrem Kopf. Sie sah nichts und sie hörte auch nichts. Sie hatte sich komplett von der Außenwelt abgeschottet. Daher war ihr der Besuch von Hawk sehr willkommen. Er versuchte nichts dergleichen. Entweder saß er auf der Bettkante und hielt ihre Hand oder er legte sich neben sie und umarmte Shana. Diese Gesten brachten ihr zwar ein wenig Trost, konnten sie aber trotzdem nicht in die Realität zurückholen. Der Einzige, der nicht kam, war Ethan. Seit er sie hierher gebracht hatte, hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Er schlief noch nicht mal mehr in seinem Zimmer. Sie konnte sich nicht mal sicher sein, ob er überhaupt in der Gruft war. Doch sie konnte ihn verstehen. Shana war gebrochen und ein Niemand. Sie hatte keine Eltern mehr und ihr ganzes Leben war eine einzige Lüge gewesen. Sie verdiente es nicht, in dieser Welt zu leben. Wer war sie auch schon? Ein Monster! Eine Ausgeburt der Hölle! Sie hatte nichts mehr, womit sie sich identifizieren konnte. Ihr war nichts mehr geblieben, außer diesem Körper. Und selbst der diente nur dazu, irgendwann von Emily übernommen zu werden. Diese Erkenntnis hätte sie eigentlich zum weinen bringen sollen, doch ihre Tränen waren versiegt. Warum konnte nicht ein Vampir ihr sein Blut anbieten? Dann wäre Emily da und Shana wäre ein für alle mal verschwunden. Doch sie schaffte es nicht, den Mund aufzumachen. Dazu war sie nicht in der Lage. Während Shana in einer abwesenden Starre vor sich hinvegetierte, hatten Chris und Jay ihre Sachen aus ihrem ehemaligen zu Hause geholt. Klamotten, Bücher, Fotos und andere persönliche Sachen. Doch nichts davon war noch von Wert für sie. Das war alles nutzloser Plunder. Sie wusste die Mühe der Vampire zu schätzen, doch sie wollte, dass sie damit aufhörten. Es war vergeudete Liebesmüh sie wieder in die Realität zu holen. Sie wollte nicht, dass sie das Zimmer von Ethan mit ihren Sachen schmückten. Sie wollte nicht, dass man sie ernährte. Sie wollte nicht, dass Chris mit ihr zur Toilette ging oder sie wusch. Doch Shana konnte nicht sprechen. Sie wusste einfach nicht mehr, wie das ging. Chris hatte sie geduscht und ihr frische Sachen angezogen. Shana roch wie eine Blumenwiese. So frisch und rein. Am liebsten hätte sie sich im Dreck gewälzt, bis sie zum Himmel stank. Doch dazu wäre sie niemals fähig gewesen. Ihr Körper funktionierte nur noch automatisch. Sie hatte keine Gewalt mehr über ihre Handlungen. Chris brachte sie ins Zimmer zurück. Gerade, als der kleine Vampir sie ins Bett legen wollte, wurde sie von Jay gerufen und Chris entschuldigte sich kurz. Shana stand einfach mitten im Raum und starrte Löcher in die Luft. Sie war wirklich zu nichts mehr zu gebrauchen. Eine schöne Wächterin war sie. Die Tür öffnete sich wieder und Shana dachte, es wäre Chris, doch ein männlicher Vampir mit dunklem, wirrem Haar und goldenen Augen trat in ihr Blickfeld. „Was denkst du eigentlich, was du hier tust?“ Shana antwortete nicht auf die Frage. „Antworte gefälligst!“ Sie starrte ihn nur mit leerem Blick an. „Verflucht! Rowen hatte mir ja schon erzählt, dass es dir beschissen geht, aber du bist ein Wrack!“ Ethan war außer sich vor Zorn und funkelte sie wütend an. Shana reagierte nicht darauf. „Rede gefälligst mit mir! Ist dir klar, dass du die Wächterin bist? Ist dir das bewusst? Der Clan braucht dich! Er braucht eine Wächterin, die redet und selbstständig zur Toilette geht. Der Nichtsnutz, der du jetzt bist, ist nutzlos für uns.“ Dann werft mich doch weg, wie Abfall!, schrie Shana in ihren Gedanken. „Du blöde Kuh! Am besten sollte man dich umbringen und sich eine neue Wächterin suchen.“ Endlich sprach jemand mal aus, was wirklich getan werden sollte. Auf Ethan war eben verlass. Keine tröstenden Worte, keine sanften Berührungen. Der Tod war das Einzige, was Shana wollte. Dadurch, dass Ethan ihren Wunsch aussprach, hatte Shana genug Kraft um ihre Arme auszubreiten und die Augen zu schließen. Diese Geste musste Ethan einfach verstehen. Doch anstatt sie umzubringen, presste er ihren Körper an die kalte Betonwand. Verwirrt öffnete Shana die Augen und sah ihn an. „Zur Hölle mit dir!“, knurrte Ethan und presste seine Lippen auf ihre. Doch Shana erwiderte den Kuss nicht. Sie war viel zu geschockt und immer noch in ihrer eigenen Welt gefangen. Doch Ethan ließ sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen. Er küsste sie so lange, bis ihre Lippen rot und ganz geschwollen waren. Er sah sie wieder wütend an. „Zeig gefälligst mal eine Regung! So macht das keinen Spaß. Da kann ich genauso gut einen Stein küssen. Wo ist dein hitziges Temperament geblieben? Wo ist dein Kampfgeist?“ Er beugte sich vor, um sie wieder zu küssen. Jetzt reichte es aber! Dieses selbstgefällige Arschloch! Endlich spürte Shana ihren Körper wieder. Ihre Muskeln hatten wegen ihrer Bettlägerigkeit zwar etwas gelitten, aber die Wut, die sich heiß in ihrem Körper ausbreitete, gab ihr genug Kraft, um Ethan von sich zu stoßen. „Was bildest du dir eigentlich ein?“, fauchte sie ihn an. Ihre Stimme klang ein wenig kratzig und schwach, weil sie sie so lange nicht mehr benutzt hatte, aber es reichte aus, um ihren Standpunkt klarzumachen. „Sieh mal einer an. Du kannst ja doch sprechen.“ Ethan grinste, was Shana nur noch wütender machte. „Idiot!“, keifte sie und boxte gegen seinen Arm. „Perversling! Lustmolch!“ Immer weiter boxte und schlug sie Ethan und warf ihm wüste Beschimpfungen an den Kopf. Er wehrte sich nicht und ließ es über sich ergehen, bis Shana keine Kraft mehr hatte und schwer atmend von ihm abließ. Ihre Schläge waren nur noch halbherzig und statt zu keifen, weinte sie. Der Damm war gebrochen. Ethan legte die Arme um sie und drückte Shana wieder an die Wand. Er schwieg, während sie sich an seiner Brust ausweinte. Als sie nur noch leise schniefte, hob er ihren Kopf an und wischte ihr das Gesicht mit dem Ärmel trocken. „Besser?“ Shana nickte. Eine Zeit lang sahen sie sich einfach nur in die Augen. Seine waren nicht golden, sondern schimmerten in diesem sanften braun, das sie so selten zu Gesicht bekam. Dann beugte Ethan sich zu ihr herunter und küsste sie erneut. Shana entzog sich dem. „Warum tust du das?“ „Gefällt es dir nicht?“ „Darum geht es nicht. Du hasst mich und findest mich hässlich, schon vergessen?“ Ethan grinste wieder. „Heute sehe ich einfach mal darüber hinweg.“ „Ethan!“, mahnte sie. „Du bist verletzt. Die Menschen, die vorgaben deine Eltern zu sein, haben dich dein ganzes Leben lang belogen. Ich verstehe, dass dich das mitnimmt. Hey! Fang nicht wieder an zu heulen.“ Doch Shana konnte nicht anders. Statt wütend zu sein, küsste Ethan die salzige Flüssigkeit aus ihren Augenwinkeln. „Ist ja gut. Bleib bitte trocken, bis ich zu Ende geredet habe, ja?“ Shana nickte schwach und riss sich zusammen. Sie wollte hören, was er zu sagen hatte. Seine Stimme war so sanft und er benahm sich nicht so abweisend wie sonst. Das allein war es schon wert, nicht mehr zu weinen. „Wo war ich? Ach ja. Niemand verlangt von dir, dass du diese Sache einfach so abtust, als wäre nichts. Doch du kannst dich nicht einfach in deinem Schneckenhaus verkriechen. Du bist die Wächterin und trägst Verantwortung. Was würde passieren, wenn die Werwölfe uns jetzt zum alles entscheidenden Kampf herausfordern und du in deiner eigenen Welt gefangen bist? Du kannst nicht einfach tun, was du willst!“ „Ich kann nicht mehr. Ich bin zu nichts mehr zu gebrauchen. Ihr wärt ohne mich besser dran.“ Ethan knurrte. „Du kannst sehr wohl noch. Von deiner Entführung durch die Werwölfe hast du dich auch nicht unterkriegen lassen. Du hast gekämpft. Also tu es jetzt auch!“ „Nein. Die Entführung war nichts im Gegensatz zu dem hier. Ich weiß nicht mehr, wer ich bin. Ich bin nutzlos. Alles, woran ich je geglaubt habe, ist wie eine Seifenblase zerplatzt. Ich bin ein Niemand.“ „Du bist dieselbe blöde Kuh, wie in der Nacht, als ich dich das erste Mal traf. Du bist noch genauso frech und unverschämt und lässt dich nicht unterkriegen.“ „Nichts dergleichen bin ich. Ich bin eine Illusion. Ich bin nicht wirklich.“ „Nein, das ist nicht wahr.“ „Ethan-“ Doch er erstickte ihre Proteste, indem er seinen Mund hart auf ihren presste. Warum nur musste er sie immerzu küssen? Bevor Shana sich wehren konnte, löste er sich schon wieder von ihr. „Vertraust du mir?“, fragte er plötzlich und lenkte völlig vom Thema ab. „Was?“ Shana war nun völlig verwirrt. „Vertraust du mir?“, wiederholte er. „Ja.“, sagte sie ohne zu zögern. Es war merkwürdig, weil sie immer dachte, dass Ethan der Letzte wäre, dem sie vertraute. Doch es war nicht so. Wenn sie länger darüber nachdachte, vertraute sie ihm schon immer. Er war zwar gemein und abweisend, aber er hatte ihr nie mutwillig wehgetan. Er griff hinter sich und holte einen Dolch aus seinem Hosenbund. Schnell und präzise stach er ihr in den Zeigefinger. „Aua!“, protestierte sie. Komisch. Sie konnte wieder körperlichen Schmerz fühlen. Das hätte sie nie für möglich gehalten. „Leg deinen Schlüssel ab.“ „Was?“ „Warum, zur Hölle noch mal, musst du immer, aber auch wirklich immer, alles hinterfragen?“ Shana knurrte ihn an, griff aber trotzdem unter ihren Pullover und legte den Schlüssel ab. Das funktionierte nur, wenn ihr Blut in Kontakt mit dem Schlüssel kam. „Und jetzt?“ „Leg ihn weg.“ Diesmal hinterfragte sie ihn nicht und ließ den Schlüssel auf den Boden fallen. Fragend sah sie ihn an. „Du vertraust mir also?“ „Das habe ich doch gesagt.“ „Vertraust du auch darauf, dass ich dir helfe jemand zu sein?“, griff er das Thema wieder auf. „Lass mich dir helfen, all deine Qualen zu vergessen.“ „Das kannst du nicht.“ Ein diabolisches Grinsen huschte über sein Gesicht. „Ach nein? Vertrau doch einfach darauf, dass ich es kann.“ „Arroganter Mistkerl!“ „Vertrau mir.“, sagte er sanft und fuhr ihr durchs Haar. „Okay.“ Er zog ihren Kopf an sich und küsste sie leidenschaftlich. Shana erwiderte nicht sofort. Sie wusste nicht so recht, was Küsse bringen sollten. Doch Ethan hatte gesagt, dass sie ihm vertrauen sollte. Und was hatte sie schon zu verlieren? Und um ehrlich zu sein, sie mochte das Gefühl, das sie spürte, als er sie so küsste. Also erwiderte sie seinen Kuss mit gleicher Intensität. Mehr Zustimmung brauchte Ethan nicht. Shana wachte auf und fühlte sich zum ersten Mal gut. Keine Schmerzen, keine Seelenqualen. Einfach nur sie und eine wohlige Wärme in ihrem Inneren. Obwohl die Wärme durch einen kalten Luftzug, der ihre rechte Seite streifte, ein wenig gestört wurde. Sie suchte und fand dann auch schließlich die Bettdecke und zog an ihr, doch sie bewegte sich nicht. Shana zog etwas energischer, doch es tat sich immer noch nichts. Zumindest nichts bei der Bettdecke. Etwas bewegte sich an ihrer linken Seite. Shana erstarrte. Was war das? Sie tastete nach der Nachttischlampe, als sie nach dem Öffnen ihrer Augen bemerkte, dass es stockdunkel war und knipste sie an. Sie brauchte einen Moment, bis sie sich an das Licht gewöhnt hatte. Dann sah sie an sich herunter und konnte nur mit äußerster Willenskraft einen Schrei unterdrücken. Warum nur hatte sie das Licht angemacht? Sie war nackt! Splitterfasernackt! Und damit nicht genug. Ethan lag neben ihr. Ebenfalls so nackt, wie Gott ihn schuf. Er hatte einen Arm um ihren Bauch gelegt und seinen Kopf an ihrer Schulter vergraben. Ein Bein hatte sich um ihres geschlungen und sein Geschlecht presste sich an ihre Hüfte. Und verdammt noch mal, er war nicht gerade klein ausgestattet. Shanas Körper lief auf Hochtouren, als ihr einfiel, warum sie nackt mit Ethan im Bett lag. Sie hatte mit ihm geschlafen. Und das nicht nur einmal. Sie zählte kurz nach und wurde blass. Viermal und eines war besser als das andere gewesen. War sie jetzt komplett wahnsinnig geworden? Hallo? Verstand? Wo zum Henker bist du gewesen? Sie sah verstohlen auf seinen nackten Körper und erinnerte sich, wie Ethan sich auf beziehungsweise in ihr angefühlt hatte. Diese Gedanken brachten ihr Blut zum kochen. Auf einmal war ihr ziemlich heiß gewesen. Ethan schien die Veränderung ihrer Körpertemperatur bemerkt zu haben, denn er regte sich und veränderte seine Position. Nun lag sein Kopf auf ihrer Brust, genau da, wo ihr Herz so furchtbar schnell schlug. „Gerate jetzt nicht in Panik.“, nuschelte er verschlafen. Sie sollte nicht in Panik geraten? Wie, bitte schön, sollte sie das anstellen? „Wir haben miteinander geschlafen.“ „Ja und?“ „Ja und? Wie kannst du das so einfach abtun?“ „Es war nur Sex.“ „Ja. Mit dir und mir.“ „Also deinen Schreien nach zu urteilen, hat es dir gefallen.“ „Ethan!“, quietschte sie. „Was denn?“ „Du hast es schamlos ausgenutzt, dass ich schwach und verletzlich war.“ „Scheint wohl so.“ Er gab es auch noch zu? Shana wusste nicht, ob sie in Ohnmacht fallen oder ausrasten sollte. Ethan seufzte und drehte ihr sein Gesicht zu. Er sah zerzaust, verschlafen und unglaublich sexy aus. Mist! „Hör zu! Ich habe nur getan, was nötig war, um dich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück zu holen. Es war nur Sex. Nichts weiter. Also mach keine Szene daraus. Wir empfinden nichts füreinander, schon vergessen?“ Das war zwar ein harter Schlag, aber er hatte Recht. Sie liebten sich nicht. Und dadurch, dass sie miteinander geschlafen hatten, konnte Shana vergessen, was ihr passiert war. Sie war wieder klar im Kopf und war wieder sie selbst gewesen. „O… okay.“, stammelte sie. „Dann wäre das ja geklärt. Schlaf noch ein bisschen. Du hast sehr viel Kraft mit Schreien und Heulen verbracht.“ „Ich habe geheult?“ Daran konnte sie sich nicht erinnern. „Ja-ha.“, sagte er gedehnt. „Nach dem ersten Mal. Ich fand das schon sehr fies von dir, weil ich dachte, ich habe dir wehgetan. Aber nein, du hast nur im Selbstmitleid gebadet.“ Stimmt. Jetzt wo er es sagte. Die Nacht war durchzogen von Sex, Heulkrämpfen, Sex, Gesprächen und wieder Sex. „Schlaf jetzt!“, befahl Ethan. „Könntest du vielleicht von mir runter? Mir ist kalt und ich will mir was anziehen.“ Statt ihrer Bitte nachzukommen, grinste Ethan frech und legte sich auf sie drauf. Neckend biss er ihr ins Schlüsselbein, ohne ihre Haut zu verletzen. „Ich kann dich auch auf andere Weise wärmen.“ „Ethan!“ Shana lief feuerrot an und war sich seiner Erektion zwischen ihren Beinen sehr wohl bewusst. „Was? An deinem Körper gibt es nichts, was ich nicht schon gesehen hätte.“ „Perversling!“ Sie wollte nach ihm schlagen, doch er fing ihre Faust locker ab und lachte. Sie hatte Ethan noch nie lachen hören. Zumindest nicht aus Fröhlichkeit. Er beugte sich zu ihr herunter und küsste sie. „Du hast vergessen, dass ich ein attraktiver Perversling bin.“, nuschelte er an ihren Lippen. Als Shana das nächste Mal erwachte, war sie allein. Gott sei dank. Sie konnte einfach nicht fassen, dass sie es schon wieder getan hatte. Ihr Verstand machte anscheinend Urlaub auf einer Südseeinsel. Sie stand auf und zog sich an. Ihr Magen knurrte laut. Essen war definitiv eine gute Idee gewesen. Da sie endlich wieder zurechnungsfähig war, kam auch ihr Appetit wieder. Also machte sie sich auf den Weg in die Küche. Inzwischen kannte sie sich in der Gruft so gut aus, dass sie sich auch in dieser vollkommenen Dunkelheit bewegen konnte. Doch vor der Küchentür blieb sie stehen, weil laute Stimmen sie davon abhielten. Die Tür war nur angelehnt, daher konnte sie jedes Wort hören. Für sie hörte es sich wie ein Streit an. „Was hast du dir eigentlich dabei gedacht?“ Das war Chris. „Das geht dich nichts an.“ Eindeutig Ethan. Diese Stimme würde sie überall wieder erkennen. „Antworte mir gefälligst, Ethan!“ „Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig.“ „Du hast mit Shana geschlafen!“, klagte sie ihn an. „Bitte was hast du getan?“ Das war Rowen, der ziemlich entsetzt klang. Verflucht! Woher wusste Chris das nun wieder? „Das ist eine Sache zwischen ihr und mir. Das geht dich nichts an, Chris. Also halt dich da raus.“ „Weiß sie es?“ „Weiß sie was?“ „Kennt sie deine Vergangenheit?“ Eine Pause entstand. „Nein.“ „Du kannst nicht einfach mit ihr schlafen und ihr dein früheres Leben vorenthalten.“ „Das würde die Sache nur komplizierter machen.“ „Du hast sie nur benutzt!“ „Ich habe ihr geholfen, wieder sie selbst zu sein. Das ist etwas, was ihr nicht geschafft habt.“ „Wir hätten es schon irgendwann geschafft. Warum bist du abgehauen?“ „Hatte was Wichtiges zu tun.“ „Du widerst mich an!“, schrie Chris ihn an und irgendwas ging zu Bruch. „Könnte mir freundlicherweise jemand erklären, was hier eigentlich los ist? Und könntest du bitte aufhören mit Geschirr zu werfen, Chris?“ „Ja, Ethan. Erkläre Rowen, was hier los ist!“ „Halt die Klappe!“ „Das tue ich erst, wenn du mit Shana reinen Tisch gemacht hast. Wirst du es ihr erzählen?“ „Nein.“ „Das ist nicht dein Ernst!“ „Wenn ich es ihr erzähle, wird es sie wieder in ein schwarzes Loch werfen. Willst du das? Wenn das passiert, wird sie niemand mehr in die Realität zurückholen können.“ „Sie ist stark. Sie wird es überleben. Shana muss die Wahrheit erfahren.“ „Gar nichts muss sie.“ „Wenn du es nicht tust, werde ich es tun.“ „Wage es ja nicht!“, drohte Ethan. „Du machst mir keine Angst. Shana muss es wissen.“ „Du hast mir dein Wort gegeben. Ist es nichts mehr wert?“ „Angesichts dieser Entwicklung, nehme ich mein Versprechen zurück.“ „Ich töte dich, Chris. Ich habe dir dieses Leben gegeben und kann es dir genauso leicht auch wieder wegnehmen.“ „Versuch es doch!“ „Was ist hier los? Wovon redet ihr? Klärt mich endlich auf!“ Rowen geriet langsam in Rage, da er die ganze Zeit ignoriert wurde. Wieder entstand ein kurzes Schweigen. „Ethan und Emily… das ist-“ Mitten im Satz stoppte Chris plötzlich. Schritte waren aus der Küche zu hören, die immer näher kamen. Chris öffnete die Tür. „Wie lange stehst du schon hier?“ Shana konnte den kleinen Vampir nur anstarren. Sonst war Chris ein sonniges Gemüt, doch jetzt sah man ihr ihren Zorn an. Shana sah an ihr vorbei und blickte zu Ethan. „Ethan?“, fragte sie vorsichtig und verwirrt. Irgendwas war hier im Gange. Der angesprochene Vampir sagte nichts und wandte sich ab. Shana wurde übel. Sie drehte sich um und rannte aus der Gruft. Dass Chris ihr noch hinterher schrie, nahm Shana gar nicht richtig wahr. Sie wollte einfach nur weg. Da die Sonne noch zu sehen war, konnte Shana sich sicher sein, dass kein Vampir ihr folgen würde. Sie rannte zu dem kleinen Park, der an den Friedhof grenzte. In der Mitte dieser Grünanlage war ein See. Shana ging auf den Steg, der etwas in den See hineinreichte. Sie war vorsichtig, da dass Holz von dem Wasser und dem Schnee glatt war. Sie schlang ihre Arme um ihren Körper und sah, wie die Sonne langsam unterging. Sie zitterte, aber das ignorierte sie. Ethan hatte sie benutzt und angelogen. Er hatte nicht mit ihr geschlafen, um sie zu retten. Er wollte irgendwas anderes damit bezwecken. Soviel war ihr jetzt auch klar. Nur was war es? Spaß an der Freude? Oder wollte er sie einfach nur demütigen? Chris wusste irgendwas. Irgendwas, was mit Ethan und Emily zu tun hatte. Also hatte es auch zwangsläufig etwas mit ihr zu tun. Nur was? Kaum, dass die Sonne hinter dem Horizont verschwunden war, hörte sie das leise Knacken von Schuhen, die den Schnee zertraten. „Geh weg!“ Sie musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, wer das war. „Hier.“ Ethan hielt Shana ihren Mantel hin. Widerwillig nahm sie ihn und zog ihn an. Aufmüpfigkeit hätte sie jetzt auch nicht weiter gebracht. Es war kalt und sie wollte nicht schon wieder erfrieren. „Danke. Und jetzt hau ab!“ „Du hättest das Gespräch nicht hören sollen. Hat man dir nicht beigebracht, dass man nicht lauschen soll?“ „Anscheinend nicht.“ „Dumm für mich.“ „Was willst du noch von mir? Du hast bekommen, was du wolltest. Du hast mich ausgenutzt. Willst du noch auf mir rumtrampeln? Ich liege schon am Boden, also hast du, was du wolltest.“ „Du verstehst das nicht.“ „Nein!“, fauchte sie. „Tue ich nicht. Aber ist das nicht auch egal?!“ „Nein.“ Ethan seufzte und strich sich das Haar zurück. „Chris hat Recht. Ich habe einen Fehler gemacht.“ „Oho. Der große Ethan gibt zu, einen Fehler gemacht zu haben?“ „Spar dir das.“ „Geh einfach. Ich ertrage dich nicht mehr.“ „Also gut.“ Ethan verschränkte die Arme vor der Brust und stellte sich vor Shana. „Gehen heißt laufen, nicht vor mir stehen bleiben. Du bist doch sonst nicht so schwer von Begriff.“ Am liebsten hätte sie ihn ins Wasser geschubst, so sauer war sie. „Es ist an der Zeit, dir zu erzählen, wer Emily war. Du musst wissen, wer ich war und in welcher Beziehung ich zu ihr stand.“ „Das will ich nicht hören!“ „Ich habe dir versprochen, dass ich dich nicht anlügen werde. Und wenn ich die Wahrheit nicht sagen kann, sollte ich nichts sagen. Erinnerst du dich?“ Shana nickte widerstrebend. „Doch diese Sache hier kann ich nicht totschweigen. Ich würde gerne, aber wenn ich es dir nicht sage, tut es Chris und das darf nicht passieren. Wenn sie es tut, wirst du mich richtig hassen. Deswegen ist es besser, wenn ich es dir erzähle. Ich soll dich nicht anlügen, deswegen werde ich dir die Wahrheit sagen. Es ist mir egal ob du es hören willst oder nicht! Also halt einfach die Klappe und hör zu!“ Shana öffnete den Mund, schloss ihn jedoch wieder. Insgeheim brannte sie darauf, dass Rätsel um Ethan endlich zu lösen. Ethan wertete ihr Schweigen als Zustimmung und begann, seine Geschichte zu erzählen. And that’s all? Ähm... Wer mich umbringen will, kann dies gerne tun. Ich stehe zu jeglicher Art von Folter bereit. Ich weiß nicht, was ich hier noch groß sagen soll... vielleicht, dass ich mich tierisch auf Kommentare freue? Ja, ich denke das tue ich *smile* Das nächste Kapitel kommt dann Ende November. Und wie immer vielen lieben Dank für die ganzen Kommentare. Wünsche euch noch eine schöne Woche. Bis denn dann BabyG Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)