Cruel, bloody Paradise von abgemeldet (Ihr heiliges Spiel um meine verdammte Seele) ================================================================================ Kapitel 63: Das geheime Tor --------------------------- Am Morgen wurde er sanft von den wärmenden Strahlen der Sonne geweckt, welche auf sein Gesicht fielen. Langsam öffnete er die Augen und blickte still durch den Raum. Nach und nach fiel ihm alles wieder ein. Er wusste noch wo er war und vor allem warum. Er seufzte leise und richtete sich auf. Mit dem Handrücken rieb er über die verschlafenen Augen. Dann setzte er sich auf und sah zu Rafahl herüber. Er schlief noch ganz fest und hatte sich auf die Seite gerollt. Rion gähnte und streckte jeden Muskel seines Körpers, bevor er sein Hemd über die Schulter warf und in das kleine Badezimmer mit der Waschwanne verschwand. Pfeifend griff er den Eimer und machte sich auf um Wasser zum Waschen zu holen. Er wusste nicht genau warum, doch er war ziemlich gut gelaunt. Vielleicht brauchte es gar keinen Grund. Er war eigentlich ein positiver Mensch. Und jetzt schien sich alles zum Guten zu wenden, immerhin waren sie alle wieder zusammen. So sprang er die Stufen herunter und stürzte mit breitem Grinsen hinaus zur Wasserpumpe. „Morgen“, begrüßte er Fennie, die bereits Wäsche wusch. Sie erwiderte seinen Gruß und schien sich darüber zu freuen: „Du kannst jetzt auch ein eigenes Zimmer bekommen, mein Junge. Die Männer sind bereits in der Früh aufgebrochen“. Er sah sie überrascht an: „Alle? Wohin denn?“. „Ja, alle“, nickte sie und hing die nassen Kleidungsstücke auf die Leine, „Sie haben sich auf den Weg in die Städte im Westen gemacht. Die Männer sind ausgeruht, versorgt und bereit nach Hause zurück zu kehren“. „Nach Hause…“, in ihm breitete sich ein leichtes Gefühl von Leere aus, „Die Glücklichen“. „Der Doktor ist auch weg“, fügte sie hinzu, „Er meinte er würde hier nicht mehr gebraucht. Du bist ja da“. Rion verzog den Mundwinkel: „Typisch. Er hätte sich wenigstens richtig verabschieden können“. Sie zuckte mit den Schultern: „Was soll ich dir dazu sagen? So sind sie, die Menschen. Aber hättest du was gesagt, dann hätte ich dir dein Badewasser gemacht“. „Ach Quatsch, ich bin schon groß“, entgegnete er grinsend und begann den Eimer zu füllen. Fennie verschwand im Haus: „Ach ja, ihr Kinder werdet viel zu schnell erwachsen…“. Zur selben Zeit waren die beiden Mädchen damit beschäftigt ihre Betten zu machen. Maideya strich über ihre Bettdecke und nahm ihr Kopfkissen, um es am Fenster aufzuschütteln. Cassandra assistierte ihr und riss die Fensterläden weit auf. „Ich möchte der guten Fennie arbeit abnehmen“, erklärte sie Cassandra, die noch immer neben ihr stand. Maideya legte das Kissen auf das Fenstersims. Cassandra blickte sie wortlos an und beobachtete nur, wie sie das Kissen bearbeitete, ausklopfte und flink in den Händen drehte. Das blonde Mädchen warf einen Blick hinaus und hielt sofort inne. Cassandra atmete die frische Luft tief ein und schritt zum Bett zurück: „Weißt du was wir jetzt tun werden? Was habt ihr jetzt vor?“. Sie wartete minutenlang auf eine Antwort, bevor sie sich ihr wieder zuwendete. Maideya stand am Fenster. Auf den Lippen ein leichtes Lächeln. Sie hatte das Kissen im Arm und drückte es fest an ihren Körper. Der Kopf lehnte sanft am Fensterrahmen. Sie sah aus als wäre sie ganz weit weg. „Maideya?“, Cassandra runzelte die Stirn und kam zu ihr zurück, „Träumst du?“. Ihre vorsichtige Berührung am Arm ließ Maideya zusammenzucken. Cassandra erschrak sich darüber so sehr, dass sie selbst zurückwich: „Was hast du?“. Maideya wandte sich wieder dem Bett zu: „Nichts. Ich habe nur nachgedacht“. Cassandra warf einen Blick hinaus. Was in aller Welt konnte sie nur so eingenommen haben? Unten hob Rion den Eimer aus dem Wasserbecken und trug ihn ins Haus. Seine Armmuskeln mussten sich ganz schön anspannen, bei dem vollen Eimer. Dann war er verschwunden. „Dieser Junge, er bedeutet dir sehr viel…“, bemerkte sie. Maideya platzierte ihr Kissen endgültig auf ihrem Bett: „Ja, das stimmt“. „Woher konntest du wissen, das er dich da rausholen würde?“, diese Frage überraschte Maideya. „Wir reden hier schließlich von Rion. Man kann sich immer auf ihn verlassen“, entgegnete sie ihr. Cassandra hob die Brauen: „Verlass dich lieber nicht zu sehr auf Andere“. „Warum nicht? Wir sind Freunde. Ich würde ihm immer vertrauen. Rion ist etwas ganz besonderes. Er ist einfach Rion. Ganz ehrlich? Ich würde ihm bis in die Hölle folgen. Ich hätte keine Angst, dass mir etwas passieren würde, wenn er bei mir ist“, schwärmte sie lächelnd. Sie schüttelte ungläubig den Kopf: „Er ist doch nur ein Mensch“. „Ja, das ist wahr“, nickte sie und machte sich auf den Raum zu verlassen, „Was sollte er denn sonst sein?“. „Wohin gehst du?“, blockte sie ab. Sie öffnete die Tür: „In die Küche, ich helfe Fennie beim Frühstück machen“. „Ich helfe dir“, entschied sie und folgte Maideya. Nach seinem Bad zog es auch Rion hinunter in die Stube des Gasthofes. Geroh saß bereits dort und starrte ins Nichts. „Hey, Alter“, begrüßte Rion ihn und klopfte ihm unsanft auf die Schulter. „Rion, da bist du ja wieder“, schien er erfreut. Rion drehte sich den Stuhl mit der Lehne zum Tisch und setzte sich darauf. Er beugte sich über die Stuhllehne: „Ja, das war gar nicht so´n riesen Akt wie ich dachte. Lief alles relativ zügig ab“. „Ich hab schon von deinen Heldentaten gehört – von Maideya“, sagte er anerkennend. Rion rollte mit den Augen: „Ach komm, Weiber labern manchmal einfach ein bisschen viel…“. „Jeder weiß doch, dass das so ist. Warum läst du dich nicht von uns als Held feiern? Du hast uns alle gerettet Rion“, konnte Geroh seine Reaktion nicht verstehen. Er pustete gegen eine der nassen Haarsträhnen: „Vielleicht ist es einfach öde immer das selbe zu sein…“. Geroh guckte nun ziemlich dumm aus der Wäsche. Rion kratzte mit dem Fingernagel leicht über die abgenutzte Tischplatte: „Ich habe einfach genug von diesem Helden Spielchen. Lass uns die Sache hier schnell hinter uns bringen“. „Deine Sorgen möchte ich haben…“, meinte Geroh unverständlich. Rion blickte ihn ganz plötzlich direkt an: „Nein, das glaube ich nicht“. Geroh zuckte innerlich zusammen, so erschrocken war er von dem, was er alles in Rions Augen sah und las. „Glaub mir, niemand möchte mit mir tauschen“, fügte Rion hinzu. Geroh schluckte: „Ich meine ja auch nur, dass es doch toll sein muss so wie du zu sein. Von allen bewundert zu werden und als Held angesehen zu sein“. „Ja, das ist großartig“, der Sarkasmus sprang ihm beinahe entgegen, „Ich wollte ja auch nie etwas anderes als das hier“. „Rion…“, versuchte er ihn zu beschwichtigen. Er erhob sich und ließ sich nicht darauf ein: „Sorry, dass ich nicht erkenne wie wundervoll es ist hier in eurer Welt zu versauern und täglich neue Freaks zu treffen, die mich abkratzen sehen wollen. Natürlich ist es die Erfüllung all meiner Träume nichts als ein billiges Abziehbild irgendeines dämlichen Helden zu sein“. Geroh knurrte vor sich hin und schüttelte den Kopf. „Warum streite ihr schon wieder?“, mischte Maideya sich ein, die gerade aus der Küche kam, „Könnt ihr euch nicht einmal vertragen?“. „Der hat angefangen“, deutete Rion auf Geroh. „Dann hör du auf“, bat sie ihn und stellte einen Stapel Teller und Besteck auf den Tisch, „Wir wollen jetzt essen“. „Ja, ja…“, Rion atmete tief durch, „Okay“. Er nahm die Teller und deckte den Tisch ein. Dann drehte er den Stuhl richtig herum und setzte sich. Ein Blick aus dem Augenwinkel zeigte ihm, dass Geroh beleidigt auf die Tischplatte vor sich starrte. Rion verdrehte die Augen und hielt ihm die Hand hin: „Ach komm schon Alter, Frieden?“. In Geroh schien es zu arbeiten: „Ja, gut. Frieden“. „Danke Jungs“, kommentierte Maideya den Waffenstillstand der Beiden. Dann saßen sie alle beim Essen am Tisch zusammen. Maideya, Cassandra, Fennie, Geroh und Rion. Es gab eine dünne Gemüsesuppe. Viel mehr hatte die gute Fennie nicht zu geben. Doch es reichte aus. Nachdem die Männer aus dem Lager ihre Vorräte doch arg strapaziert hatten. „Wo ist dein Mann? Hat er keinen Bock auf uns?“, durchbrach Rion die Stille am Esstisch. „Warum? Was hast du wieder gemacht, Rion?“, warf Maideya besorgt ein. Fennie lächelte: „Nein, keine Angst junge Dame. Er hat nichts gemacht. Dein Rion ist ein guter, anständiger Junge“. Rion musste sich ein lautes Lachen verkneifen. Maideya senkte etwas peinlich berührt den Blick. „Er ist mit den Männern mitgegangen, weil er neue Lebensmittel kaufen muss. Langsam wird hier nämlich alles knapp“, beantwortete sie seine Frage. „Wir werden auch nicht mehr lange bleiben“, versprach Rion, „Ich denke heute Abend werden wir verschwinden“. „Das ist aber schade. Es kam so viel Leben in unser Haus seit ihr hier seid“, musste sie zugeben. Nach dem Essen füllte Maideya die Reste in eine Schüssel: „Das ist für den armen Rafahl. Damit er uns nicht verhungert“. „Wir kommen mit“, beschloss Rion, „ich möchte wissen wie es ihm geht und wann wir aufbrechen können“. Maideya zeigte sich einverstanden. Höflich klopfte sie an die Tür: „Rafahl? Bist du schon wach?“. „Ja…“, klang es kläglich vom Bett her. „Ich habe etwas zur Stärkung mitgebracht“, sagte sie sanft und setzte sich zu ihm ans Bett. Er tastete nach seiner Brille, setzte sie auf und zog sich hoch. Sie stabilisierte seinen Rücken mit dem Kopfkissen. Geduldig nahm sie den Löffel und begann ihn zu füttern. „Maideya…ganz im Ernst“, Rion sah sie fassungslos an, „Er ist nicht mehr sterbenskrank. Das kann er alleine“. „Sei doch nicht immer so gemein“, entgegnete sie ihm, „Rafahl ist noch schwach“. „Na das ist ja mal was ganz Neues“, grinste er und setzte sich auf das Sims. „Rion…“, mahnte sie. Er streckte ihr zwinkernd die Zunge heraus: „Du kannst dich so herrlich aufregen…“. „Sieh du lieber zu, was wir jetzt machen“, drängte sie. „Zu Befehl, Madam“, nickte er, „Vorausgesetzt unser sterbenskranker Patient ist bis dahin wieder gesund“. „Rion!“, ärgerte sie sich ob seiner Sticheleien. „Ich höre, General“, gab er mit unverschämtem Grinsen an sie zurück und kramte Xia hervor. Er legte das Buch vor sich: „Los geht’s du Wundertüte. Wohin schickst du uns dieses Mal?“. Es dauerte nicht lange, bis Xia begann: „Alles hat zwei Seiten. Suche die Kehrseite der Medaille. Die Antwort ist gut versteckt inmitten eines geweihten Ortes. Den gesuchten Schlüssel birgt eine heilige Frucht - viel besungen“. „Ist sie nicht süss?“, kommentierte Rion, „Wie immer wenn wir Xia fragen sind wir nachher genauso schlau wie vorher“. „Es würde helfen, wenn du zuhören würdest“, gab sie fast beleidigt zurück. „Klugscheißer…“, murmelte Rion und klappte sie zu, „Und jetzt?“. Betretenes Schweigen. Cassandra blickte staunend auf Xia hinab, dann auf Rion. Sie sagte jedoch nichts. Minutenlang saßen sie so da und grübelten. „Was für eine Medaille?“, fragte Maideya laut, „Ich habe nirgends eine Medaille gesehen“. Rion musste passen. „Vielleicht ist es gar nicht so gemeint?“, kam es vom Krankenbett aus. Rion hob den Blick: „Sondern?“. „Anders…“, antwortete Rafahl ihm. Rion hob eine Augenbraue: „Sag bloß…“. „Es könnte doch nur Sinnbildlich gemeint sein“, überlegte Rafahl. „Es könnte wie immer alles sein“, machte Rion das Problem deutlich. „Aber es bringt auch nichts jetzt hier aufeinander zu hocken und uns anzumachen“, erkannte Maideya, „Wir haben noch etwas Zeit. Rafahl kann sowieso noch nicht los“. Rion musste ihr zustimmen. „Ich bin draußen, wenn mich jemand sucht“, Maideya erhob sich und nahm das Geschirr mit, „Ich möchte die Sonne genießen. Wer weiß wohin wir kommen werden“. So verließ sie mit Cassandra das Zimmer. Auch Rion stand auf und ging hinunter in die Stube. Fennie wischte gerade über die Tische. „Fennie?“, begann er, „Hast du irgendeinen guten Tipp für mich? Wir versuchen ein Rätsel zu lösen, aber wir kommen einfach nicht darauf“. „Ich kann es versuchen“, erklärte sie sich einverstanden. „Ich soll die Kehrseite der Medaille finden“, stellte er das Rätsel. Sie seufzte: „Herrje. Das könnte doch alles sein. Jedes Ding auf der Welt hat zwei Seiten. Auch jeder Mensch hat eine gute und eine schlechte Seite. Das ist zu abstrakt“. Er nickte. „Vielleicht findest du etwas in einem der alten Bücher meines Mannes?“, überlegte sie, „Er müsste es ja nicht erfahren. Aber bringt nichts durcheinander“. Rion versprach es ihr und sie zeigte ihm ein kleines, unscheinbares Holzregal. Dort standen auf drei schmalen Etagen einige Bücher. Zögerlich rang er sich dazu durch die Titel der Reihe nach abzuarbeiten. Es kostete ihn Zeit und Überwindung, ein Buch nach dem anderen durchzuwälzen. Während er sich durch die Seiten blätterte, fiel sein Blick auf etwas ganz anderes. An der Wand hing eine riesige Weltkarte. Rion bestimmte schnell seinen Standort. Unter dem Kontinent entdeckte er in erschreckend unsauberer Handschrift eine Notiz. „Tor zwischen Himmel und Hölle“, las er mit Mühe daraus, „Verdammt, was hat der Kerl für eine Sauklaue?“. „Hast du etwas gefunden?“, fragte Fennie vom Flur aus. „Dein Mann hat eine grausige Handschrift“, antwortete Rion ihr. Sie lachte. Rion musste schmunzeln: „Was weißt du über ein Tor zwischen Himmel und Hölle?“. Sie trat in den Raum hinein und wischte die Hände an ihrer Schürze ab: „Du meinst die alte Karte?“. „Ja, genau“, nickte er ihr zu. Sie stellte sich zu ihm und warf einen Blick darauf: „Niemand weiß, ob es wahr ist. Es heißt, dass es am Rande der Klippen einen Ort gibt, an dem sich zwei Weltenebenen überlappen und so ein Tor bilden. An dieser Stelle soll man angeblich zu einen fernen Ort kommen, der genau über oder unter diesem Kontinenten liegt. In einer völlig anderen Ebene. Eine Art parallele Insel oder so etwas. Es ist sehr schwer vorstellbar. Ich persönlich hallte es für Unsinn. Niemand kann diese Insel verlassen“. Sie ging wieder ihrer Arbeit nach. Rion starrte wie gebannt auf die Karte und suchte die eingezeichneten Klippen ab. Nach einiger Zeit fand er tatsächlich eine schwer sichtbare Markierung. Es war zumindest einen Versuch wert. Das musste er nur noch den Anderen verklickern und dann ging es wieder los. Er war sich selbstverständlich im Klaren darüber, dass er seinem Ziel durch Stillstand nicht näher kommen konnte. Also musste er sehen, dass Rafahl schnell wieder auf die Beine kommt und sie aufbrechen können – wohin auch immer es dieses Mal gehen würde. Denn viel schlimmer als das, was er bereits hinter sich hatte, konnte das was vor ihm lag auch nicht mehr werden. Zumindest hoffte er das und die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)