Cruel, bloody Paradise von abgemeldet (Ihr heiliges Spiel um meine verdammte Seele) ================================================================================ Kapitel 61: Cassandra --------------------- Endlich erreichten sie den Gasthof. Sie mussten einen langen Umweg dafür in kauf nehmen um von dort auf einem schmalen Weg am Vulkanhang vorbeizukommen. Geroh und er hatten Rafahl unter großen Mühen hergeschleppt. Er wurde immer schwerer. Das letzte Stück schleppten sie ihn zu zweit. Je ein Arm über der Schulter. Beide waren müde und erschöpft. Die Beine und Arme wurden schwer. Als sie das Gebäude betraten, empfing sie die alte Dame mit besorgtem Gesicht: „Herrgott Jungs, was ist denn mit euch passiert?“. „Das sind meine Freunde, können sie eine Weile hier unterkommen?“, bat Rion. „Sicher“, nickte sie, „Kommt, ich richte ein Zimmer her“. Sie kramte einige Dinge aus einem alten Wandschrank und stieg die Treppe zu den Zimmern hinauf. Geroh trug Rafahl hinter her. Rion schnaufte erleichtert durch. Zwei seiner Freunde waren zumindest schon mal in Sicherheit und um Maideya würde er sich als nächstes kümmern. „Was schleppst du uns hier ins Haus?“, knurrte der Alte vorwurfsvoll. „Das sind Freunde von mir“, antwortete Rion knapp. Er hatte den Alten gar nicht kommen gesehen. „An welcher Krankheit leidet dein Freund?“, wurde er deutlicher. Rion blickte nach oben: „Keine Sorge, er hat nichts ansteckendes. Rafahl ist nur sehr erschöpft. Die beiden hatten eine harte Zeit“. „Woher kommen sie?“, der Alte musterte ihn durchdringend. „Aus der Miene“, wollte Rion ihm erklären, doch er wurde unterbrochen. „Erzähl mir doch nichts. Ich kann mich selbst auf den Arm nehmen“. Rion verschränkte die Arme: „Es ist aber wahr. Wir haben die Sklaven dort befreit indem wir eine kleine Revolte gestartet haben. Die Überlebenden haben sich auf den Heimweg gemacht“. „Das kann nicht dein ernst sein!“, empörte er sich. Rion sah ihn überrascht an: „Wieso? Was ist denn jetzt daran schlecht?“. „Was bist du für ein dummes, unumsichtiges Kind?“, fuhr er Rion an, „Soll ich jetzt Tag und Nacht mit dem Knüppel hinter der Tür warten, damit nicht jedes Gesindel sich hier einschleicht und unser Hab und Gut stiehlt? Hast du auch nur einen Augenblick lang überlegt? Kennst du nicht das Ausmaß deiner Dummheit für uns, die wie in Frieden zu leben versuchen?“. „Nein… daran hab ich nicht gedacht“, musste Rion zugeben. „Du bist doch ganz sicher auch nur so ein Stadtbengel“, ärgerte er sich, „Nichts als Unsinn im Kopf. Nichts wisst ihr Kinder vom Leben. Für euch gibt es doch gar keine Werte mehr, keine Regeln. Ihr macht doch nur noch das, was ihr wollt. An so etwas wie dir geht die Welt den Bach herunter!“. Damit verschwand er fluchend. Rion blieb zurück und starrte durch den stillen, verlassenen Raum. Was er im Moment auch tat schien falsch zu sein. Seine spontanen Entscheidungen wirkten sich plötzlich zunehmend nachteilig für sein Umfeld aus. Dabei wollte er eigentlich nur helfen. Er war nicht gerade jemand, der Ungerechtigkeit so hinnahm. Niemand, der andere gern im Regen stehen ließ. Vielleicht hatte er es wirklich übertrieben. Er ließ sich auf den Stuhl in seiner Nähe sinken, stützte den Kopf mit den Händen. Hatte er es zu gut gemeint? Wollte er zu viel? Wollte er selbst zu perfekt sein? Rion seufzte und beobachtete sich selbst in der spiegelnden Glasvase vor sich: „Gib´s auf Kumpel. Du bist ein mieser, kleiner Dieb - kein Messias…“. Allerdings wollte er das auch gar nicht sein. Für niemanden. Oder? „Rion? Ich gehe schlafen, okay?“, rief Geroh nach unten und riss ihn damit aus den Gedanken. „Ja, alles klar!“, antwortete Rion ihm, „Schlaf gut“. „Gehst du nachher noch los?“, wollte er wissen. Rion bejahte nur knapp. Gerohs Schritte verhalten. Rion verweilte noch immer an seinem Platz und starrte auf den unscheinbaren Gegenstand vor ihm. Die bunten Blumen versprühten einen angenehmen Duft. Ganz leicht und unaufdringlich. Er konnte sich nicht helfen, doch irgendwie erinnerte es ihn an Maideya. Er schob den Stuhl zurück und erhob sich von seinem Platz. Gern hätte er noch eine Weile dort verweilt. Ganz still für sich. Allein mit seinen wirren Gedanken. Doch es passte nicht zu ihm. Es war untypisch für ihn an sich zu zweifeln. Weder daran, noch an seinen Plänen. Er wusste dass er nur dann verlieren würde, wenn er aufgäbe. Und es stand schon mal weit aus schlimmer für ihn. So riss er sich selbst aus der zugegeben kurzen Lethargie. Er konnte nichts von alledem mehr ändern. Bevor er ging, schlich er, so leise es bei der knarrenden Treppe möglich war, hinauf. Er blickte in das Zimmer, indem er selbst vor kurzem eine Nacht verbrachte. Rafahl lag auf dem Bett. Sein Körper hob und senkte sich beim Atmen. Auf der Stirn ein nasses Tuch, neben dem Bett die Wasserschüssel. Rion ging zu ihm herüber. Das Gesicht des jungen Mannes war noch immer blass, so auch die rissigen Lippen. Die Haut warm, beinahe heiß. „Ich bin bald zurück“, versprach Rion ihm, „Schlaf dich aus, dann geht es dir bestimmt wieder besser“. Rion legte sein Gepäck unter Rafahls Kopfkissen. Es schien ihm ein gutes Versteck zu sein. „Pass eine Weile für mich darauf auf“, flüsterte er ihm beim Aufstehen zu und wandte sich zum Gehen. „Ich werde mich um deine Freunde kümmern“, versicherte die alte Dame und erschreckte Rion damit fast zu Tode. „Danke, das ist wirklich sehr lieb“, konnte er gerade so noch entgegnen. Sie lächelte: „Ärgere dich nicht über den alten Griesgram von unten“. „Nein, schon okay“, meinte Rion, „Ich bin bald zurück“. „Pass du nur gut auf dich auf, mein Junge“, bat sie, „Die alte Fennie hat hier alles im Griff“. Er musste schmunzeln: „Das weiß ich doch. Bis später…“. „Gutes gelingen!“, rief sie ihm nach. Mit einem Grinsen auf den Lippen verließ er den Gasthof und legte den Weg bis zum Krater des Vulkans zurück. Durch den Einsturz beim letzten Besuch ließ dieser sich nun an seinem Osthang bequem überqueren. Das sparte viel Zeit und Kopfzerbrechen. Nachdem er auch das Straflager und dessen Hang hinter sich gelassen hatte, schimmerte es ihm am Horizont rötlich entgegen. Hin und wieder ließen die schweren, rußigen Wolken mit ihren grauen Ausläufern die Umrisse seines Ziels völlig verschwinden. Je näher er dem Turm kam, desto dicker wurde die Luft. Sie fühlte sich schwer an und hatte einen deutlichen Anteil von Schwefelgeruch. Die Temperatur stieg merklich an. Es fühlte sie fast so an, wie im Vulkan. Der Grund dessen wäre ihm um ein Haar zum Verhängnis geworden. Staub und Russ brannten in den Augen. Die Hitze war kaum zu ertragen und die Luft hätte er locker mit Aura in Scheiben schneiden können. Gerade noch rechtzeitig zog er den Fuß zurück. Direkt vor ihm erstreckte sich ein breiter Lavafluss. „Natürlich, super Plan hier so´n blöden Teich hinzusetzen. Ich will nicht wissen für wie viele arme Trottel hier Sense war...“, murmelte er und wich ein Stück zurück. Angestrengt suchte er eine Furt um den Fluss passieren zu können. Seine Stiefel waren zwar feuerresistent, aber das hieß nicht, dass er damit über das Feuer gehen konnte. Er verbrannte sich lediglich nicht die Füße und sengte seine Stiefel nicht an. Praktisch waren sie allemal. Endlich fand er eine scheinbar geeignete Stelle zum Überqueren. Es gab eine Stelle an welcher die obere Hälfte von seltsamen, schwarzen Steinen an die Oberfläche ragten. Sie sahen zwar nicht allzu Vertrauens erweckend aus, aber ein Versuch war es wert. Vorsichtig stellte er einen Fuß auf einen der nahe gelegenen Steine. Er gab zumindest nicht nach. Rion war fast ein wenig enttäuscht. Kein Trick, keine Falle. Gar nichts. Die Steine waren rutschig, uneben und man konnte die Hand nicht vor Augen sehen. Nach einigen holprigen Schritten erreichte er mit einem Sprung das andere Ufer. Er war klatschnass, wischte sich die Haare aus dem Gesicht und versuchte sich zu orientieren. Langsam wich die rote Färbung vor seinen Augen auf die er sich zuvor so sehr konzentrierte. Sein weg führte ihn geradewegs auf den Turm zu. Die Luft wurde erträglicher und kühlte deutlich ab als er endlich in die Nähe seines Ziels kam. Es erinnerte ihn unweigerlich an eine Mischung aus dem Turm beim Schach und einem Leuchtturm. Er thronte auf einem hohen Sockel. Ein Wachposten schützte das ernüchternd wirkende Holztor. Der Turm hatte etwa drei Meter Durchmesser und ragte in die schwarzen Wolken hinein. Man konnte seine Spitze nicht sehen. Jedenfalls wirkte der Eingang lächerlich im Vergleich zum aus Ton gebrannten, rötlich schimmernden Rest. Auch die spärliche Bewachung war mehr als rätselhaft. Ihm sollte es recht sein. Nichts war leichter als eine Wache auszuschalten. Zudem schien es sich nur um einen Feuerläufer zu handeln. Auch wenn es für ihn hier keinen Unterschied zu jeder anderen menschlichen Kreatur gab. Er schob den Gedanken beiseite und schlich sich im Rücken des Wächters an. Es war keine große Sache. Geräuschlos zückte er Aura und knockte ihm durch einen gezielten Schlag mit deren Griff aus. „Sorry…“, meinte Rion knapp. Er zerrte ihn ein Stück weit weg, und zog dessen schwarz, rote Uniform an um wenig Aufsehen zu erregen. So weit so gut. Hinter der Tür führten unzählige Stufen spiralförmig den oberen Turm hinauf. Nachdem er fast schon einen Drehwurm hatte, folgten einige Räume. Diese waren mit Leitern oder Stufen verbunden. Rion hatte aufgrund seiner Verkleidung keine Probleme die Räumlichkeiten zu passieren. Die anwesenden Männer ließen sich von ihm nicht stören. Nach einem Vorraum und einer Vorratskammer endete sein Weg. Es ging nicht weiter nach oben. Seit drei Etagen hatte er bereits niemanden mehr gesehen. Über ihm befand sich ein schmaler Schlitz. Rion stapelte drei der herumstehenden Kisten und stieg hinauf. Von seiner Position aus sah er direkt auf die Rußwolken. Er entdeckte jedoch noch etwas weit aus interessanteres. Gerade zog eine der dicken Wolken vorbei, da gab sie die Sicht auf einen schmalen Tunnelgang frei. „Na guck mal einer an…“, staunte Rion und hob eine Augenbraue. Er sprang von der Kiste herunter und ging im Eiltempo zwei Stockwerke tiefer. Hinter der Treppe befand sich eine farblich zur Wand passende Tür. Er wäre fast ein weiteres Mal daran vorbeigegangen. Rion schlüpfte hindurch und stand kurz darauf einem weiteren Wachposten gegenüber. Rion mühte sich möglichst unauffällig zu bleiben. „Gut dass du kommst!“, empfing dieser den völlig überraschten Rion, „Du musst mich mal ablösen. Ich hab meine Karte verlegt. Ich bin gleich zurück“. Rion konnte gar nichts sagen, der Kerl war überhastet verschwunden. „Nur Verrückte hier…“, blickte er ihm nach. Rion überlegte was zu tun war, da fiel sein Blick auf einen länglichen, weißen Gegenstand, der in einem Schlitz in der Wand steckte. „Eine Schlüsselkarte“, erkannte er und zog sie kraftvoll heraus. Augenblicklich öffnete sich die Wand vor ihm. Rion blickte auf die Karte und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Was für ne Pfeife“, erkannte er, steckte die Karte ein und ging durch die Tür, bevor diese sich wieder schloss. Er rannte beinahe durch den langen Tunnel und gelangte in einen weiteren Raum mit einer Treppe. Darunter schien es nichts zu geben. Über ihm dehnte der Komplex sich weiter aus. Es gab einen langen Flur und viele Türen. Hastig stapfte er den Gang entlang. Er kam auf eine helle Ornamenttür zu. Ihm unbekannte Zeichen zierten das Holz. Rion versuchte sie zu öffnen. Mitten in der Tür prangte ein großes Schlüsselloch. Er konnte jedoch nichts dadurch erkennen und er konnte es absolut nicht öffnen. Da er wusste, dass der gesamte Komplex bis dato menschenleer war, versuchte er es auf die harte Tour. Er nahm so weit wie nötig Anlauf und trat die eigentlich stabile Tür ein. Schade um das schöne Stück Kunst in diesem öden Turm. Das Holz splitterte unter seinem Schuh und brach unter einem Krachen aus einander. Mit großer Wucht schwangen die Flügel auf. Rion staunte nicht schlecht. Als er aufsah, starrten unzählige Augenpaare ihn an. Das Licht in diesem Raum war gedämpft. Überall hingen Schleier und Tüll. Darunter Antike Liegen voller Kissen und Seidentücher. Rion konnte es kaum glauben. Er dachte zu träumen. Der große, hohe Raum war voller wirklich wunderschöner Frauen aller Länder. Große, kleine, helle, dunkle. Rothaarige, blonde, dunkelhaarige Mädchen aller Farbabstufungen. Dazu nur leicht bekleidet. „Hi“, grüßte er in die Runde. Er hatte kaum Zeit sich alles genau anzusehen, da riss ihn etwas um. Er taumelte zurück, prallte mit dem Hinterkopf gegen die Wand. Ein Schmerz zuckte durch seinen Kopf. Doch die Anspannung wich sofort wieder aus seinem Körper, als er an sich hinunter blickte. „Rion!“, ihre Stimme war ein Mix aus Freude und Überraschung. Sie drückte sich fest an seinen Körper. Konnte ihr Glück nicht fassen. Rion, er war endlich bei ihr. Er hatte sie gefunden. „Ich wusste, dass du lebst, ich wusste einfach, dass du kommen würdest. Ich habe immer gebetet und an dich geglaubt“, fuhr sie fort. „Jetzt bin ich ja da“, beruhigte er sie und legte die Arme um sie. Dieses Mal war es Maideya, die zu träumen glaubte. Ihr Herz schlug bis zum Hals. Sie hätte weinen können, so erleichtert war sie. Es war ein unbeschreibliches Gefühl. Kein Wort kam auch nur annährend in die Nähe dessen, wie es ihr damit ging. Ihr Ohr drückte sich an sein Herz, lauschte seinem ruhiger werdenden Schlag. Es beruhigte sie zusehends. „Ich weiß gar nicht was ich ohne dich gemacht hätte“, gab sie zu und schloss die Augen. Er strich sanft über ihr golden schimmerndes Haar. Sie spürte völlige, innere Ruhe. „Wir müssen hier raus“, erinnerte er sie. Sie nickte. Gern hätte sie eine Ewigkeit mit ihm dort verweilt. Sie konnte ihm so nah sein. Seine Wärme spüren. Doch nun musste sie sich langsam von ihm lösen. In ihr sträubte sich etwas ganz stark dagegen. Nichst hätte sie in diesem Moment weniger gewollt. Und doch tat sie es. Die Mädchen blickten ihn skeptisch an. Rion konnte gut verstehen, dass sie Männern gegenüber vorsichtig waren. Er wusste jedoch, dass er es sich nie hätte verzeihen können, wenn er nur Maideya retten und die übrigen ihrem Schicksal überlassen würde. Er musste kein Hellseher sein um zu wissen, dass er sich in einer Art Harem befand und er konnte sich nicht vorstellen, dass diese Mädchen gern hier waren. Nicht mal als Mann glaubte er das. So viel verstand er nun doch von Frauen. „Maidy, es gibt nur den direkten Weg hier raus. Wir nehmen die anderen Mädchen mit“, eröffnete er ihr. Sie lächelte: „Du gibst das Kommando“. Rion nickte: „Bingo. Aber wohin mit den Mädchen? Ich meine wo sollen sie bleiben?“. „So gut wie alle stammen von dieser Insel. Sie kommen aus den westlichen Dörfern und Städten der Feuerläufer. Ich habe oft mit ihnen gesprochen. Ich habe ihnen auch von dir erzählt. Ich wusste einfach, dass du kommen wirst“, entgegnete sie. „Sie sollen sich alle mit irgendetwas bewaffnen und mir folgen. Normalerweise dürfte dies als Plan ausreichen. Die Mädels soll´n einfach einen auf wild gewordene Amazone machen“, erläuterte er seinen Ausbruchsplan. Sie lauschte seinen Anweisungen und setzte sie gleich in die Tat um. Kurz darauf stand eine Gruppe mit fragwürdigen Dingen bewaffneter Frauen ihm gegenüber. Sie hatten Glaser, Schüsseln, Kelche, Teller, große Holzstücke aus der Tür und sonstige Gegenstände, die sich finden ließen. Rion zeigte sich anerkennend: „Auf geht’s! Zeigt den Kerlen was ihr von diesem Machogehabe haltet!“. Sie rissen ihre Waffen in die Höhe, schrieen Angst einflößend auf und folgten Rion den Weg den er gegangen war zurück. Durch den langen Flur, die Schleuse, welche Rion mithilfe der Schlüsselkarte öffnete und den hohen Turm hinunter. Es war nicht überraschend, dass Rions Plan problemlos aufging. Eine Hand voller kümmerlicher Wachsoldaten waren nicht so dämlich sich einer Wilden Horde bewaffneter, wütender Frauen in den Weg zu stellen. Rion war zufrieden. Zur Feier des Tages kämpften mal andere an der ersten Front. Kaum hatten sie den Turm verlassen, da strömten die Damen alle auseinander in alle Himmelsrichtungen. Jede von ihnen wollte so schnell wie möglich zurück nach Hause. Sie hatten ihren Freunden und Familien eine Menge zu erzählen. Einige wandten sich um und winkten zum Abschied oder dankten Maideya und ihrem Retter. „Wo sind die Jungs?“, fragte Maideya plötzlich und blickte zu ihm herüber. „In Sicherheit“, war seine beruhigende Antwort. Sie atmete erleichtert auf: „Gott sei dank. Nachdem wir an Land gespült wurden und umherirrten, kamen diese unheimlichen Typen und nahmen uns gefangen. Nach einer langen Reise über das Meer brachten sie uns auf diese Insel und trennten uns. Seit diesem Tag habe nichts mehr von ihnen gehört. Ich hatte wirklich Angst um euch…“. „Bald sind wir wieder alle zusammen. Sie sind bei Fennie und ruhen sich aus. Sie hat einen alten Gasthof. Bei ihr können wir sehen wie es weiter geht“, erklärte er das weitere Vorgehen. Maideya zeigte sich erfreut. Erst jetzt nahm Rion Notiz von einem ohne Übertreibung wunderschönen, jungen Mädchen. Ihre Haut war hell, durchscheinend. Ein sanftes Licht schien von ihr auszugehen. Ihr langes, schwarzes Haar lockte sich über ihrer Schulter. Sie trug ein knappes, rotes Kleid. Die Lippen stachen ihm gleichen Rot extrem von der Haut ab. Unweigerlich musste Rion an das Märchen von Schneewittchen denken. Ihre Lippen, ihr Haar, ihre Haut. Wenn es sie geben würde, sie sähe genau so aus. „Oh, ihr kennt euch ja noch gar nicht…“, bemerkte Maideya, „Das ist Rion. Rion das ist…“. „Cassandra“, stellte sie sich vor. Ihre Stimme klang ebenso schön wie sie selbst war. „Woher kommst du?“, wollte Rion wissen. „Frag sie nicht so etwas“, bat Maideya ihn, „Es ist schwer genug für sie. Cassandra hat all ihre Erinnerung verloren als sie auf die Insel kam. Sie kann sich an nichts mehr erinnern. Einzig ihr Name viel ihr anscheinend gerade wieder ein“. Rion blickte zu ihr herüber: „Das ist hart. Komm doch erstmal mit zur alten Fennie. Vielleicht brauchst du einfach ein wenig Ruhe und die Erinnerung kommt von ganz allein zurück“. Cassandra sah zwar in seine Richtung, doch ihre Augen trafen ihn nicht. Sie streiften ihn und gingen an ihm vorbei. Es kam ihm vor, als würde sie ihm ausweichen. Verhindern in seine Augen zu sehen. Und doch hafteten sie auf eigenartige Weise an ihm. Rion fühlte sich seltsam damit. Er wusste nicht recht warum. Nie hatte jemand ihn so angesehen – oder viel mehr nicht angesehen. „Wir sollten erstmal zurückgehen. Dann können wir uns ausruhen“, beließ er es dabei, „Ich denke wir können alle etwas Ruhe gebrauchen“. Auf ihrem Weg konnten sie durch einen Umweg dem Lavafluss entgehen. Durch die teilweise eingestürzte Seite des Vulkanhanges war der Rückweg mit wenigen Schwierigkeiten verbunden. Einzig der lange Marsch zehrte an den Kräften und machte sehr müde. Rion schritt voraus, da er als Einziger den Weg kannte. Cassandra und Maideya folgten. Rion blickte oft aus dem Augenwinkel zurück. Er spürte Cassandras Blick förmlich in seinem Rücken. Es hatte etwas Prüfendes an sich. Fast, als würde sie jeden seiner Schritte genaustes studieren oder eben ihn überprüfen. Vielleicht traute sie ihm einfach nicht. Wie auch. Wer wusste schon, was ihr alles passiert sein mochte. Anscheinend nicht mal sie selbst. Endlich war der Umriss des Gasthofes in der Ferne zu sehen. „Wir sind so gut wie da“, konnte Rion die frohe Botschaft verkünden. Erleichterung machte sich breit. Auch bei ihm selbst. Er hatte eine harte Zeit gehabt. Voller Hoffnung und Zweifel. Es wurde Zeit, dass es ruhiger werden konnte. Er hatte genug von Action und Abenteuern. Alles was er jetzt wollte war ein Bett und ein paar Stunden Schlaf am Stück. Wenn möglich ohne zweifelhafte Träume – und vor allem ohne Monster, Kämpfe und sonstigen Unsinn. „Auch Helden müssen mal pennen gehen“, erkannte er mit einem Augenzwinkern. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)