Cruel, bloody Paradise von abgemeldet (Ihr heiliges Spiel um meine verdammte Seele) ================================================================================ Kapitel 40: Umbras Obscuritas Lapis ----------------------------------- Leerox führte ihn immer tiefer in die Wälder hinein. Je weiter sie sich nach Süden bewegten, je dunkler wurden die Wälder um sie herum. Es war Rion so, als würde alles finsterer mit jedem Schritt den er tat. Und das lag ohne jeden Zweifel nicht an den leuchtenden Steinen, die sie längst schon hinter sich gelassen haben. Wohl aber an diesem Schatz von dem Leerox gesprochen hatte. Erst am Fuße des Berges blieben sie stehen. Das Gestein hatte eine gräuliche Färbung. Leerox deutete ihm den Weg und Rion warf vorsichtig einen Blick in Richtung der Höhle. „Dachte ich mir…“, meinte Rion beiläufig und beugte sich zurück zu Leerox. Dieser wurde das komische Gefühl nicht los, dass Rion sich über die Wachposten am Eingang freute. Rion grinste ihn breit an: „Du bleibst hier“. Er nickte folgsam: „Okay…aber was hast du vor, wenn wir dann in der Höhle sind? Wie wollen wir uns den Stein zurückholen?“. Rion zuckte mit den Schultern: „Das weiß ich doch jetzt noch nicht“. Leerox blickte ihn geschockt an. Rion grinste breit und wuschelte ihm durch die wild abstehenden Haare: „Mach dir nicht in die Hose, Kleiner…“. „Aber…Rion… der Stein ist echt mies“, warnte er ihn. „Er wird mich schon nicht beißen“, lachte er darüber. „Rion!“, hielt Leerox ihn mit ernstem Gesicht zurück, „Was immer du auch tust, fass den Stein nicht an. Komme was wolle“. „Du bist mir ja ein Vogel…“, entgegnete Rion und schüttelte amüsiert den Kopf, „Wie soll ich das denn machen? Also zaubern kann ich nicht…“. „Ich weiß nicht“, musste er bedrückt zugeben. „Ach was soll´s. Mach dir keine Sorgen Kleiner, mir fällt schon was ein“, meinte Rion gelassen. „Ich heiße Leerox…“, moserte er, während Rion bereits durch das Gebüsch schlich. Als er auf Höhe der Wachposten war, warf er einen genaueren Blick darauf. Sie trugen einfache Lederrüstungen und in der Hand Lanzen aus Holz mit selbst gefertigten Eisenspitzen. „Das sieht ziemlich einfach aus“, freute Rion sich und huschte in gebückter Haltung zu einem der hohen Bäume die es nun wirklich in nicht gerade geringer Anzahl um ihn gab. Geschickt und elegant wie eine Katze schwang er sich auf einen der stabilen Äste und nahm eine raubtierhafte Haltung ein. Von dieser Position aus ließ er ein paar Münzen auf den harten Boden unter sich fallen. Die alarmierten Wachen fuhren herum und suchten die Gegend mit gezückter Waffe ab. Dabei teilten sie sich auf. Endlich nährte einer der Beiden sich Rion. Er bemerkte die Münze und bückte sich herunter um sie aufzulesen, diesen Moment nutzte Rion und sprang vom Baum herunter, riss ihn um und versetzte ihm einen Schlag gegen den Kopf. Die Wache blieb regungslos am Boden liegen. „Sorry, das gehört mir…“, murmelte Rion und steckte die Münzen zurück in seine Tasche. Als der Andere zurückkam, erwartete Rion ihn bereits und versetzte ihm ebenfalls den Gnadenstoß. „Hey Leerox, hier ist alles sauber“, winkte er ihn zu sich. Leerox nickte und stolperte aus dem Gebüsch heraus. Vorsichtig nährten sie sich dem Höhleneingang. Leerox zögerte: „Hast du jetzt einen Plan?“. „Nö“, war Rions ehrliche Antwort. Leerox Augen weiteten sich und er machte keinerlei Anstalten weiter zu gehen. „Jetzt komm“, bat Rion ihn. „Warum sollte ich jetzt da rein gehen, wenn wir nicht mal einen Plan haben wie wir den Stein zurückbekommen? Wir wissen ja nicht mal wie viele von denen es da drin gibt“, gab er zu bedenken. Rion verzog das Gesicht: „Tja, wenn wir nicht rein gehen, werden wir es nie wissen“. „Sag mir warum ich das tun sollte“, verschränkte Leerox die Arme. Rion sah ihm mit scharfem Blick an: „Weil die etwas haben, das du willst…“. Leerox musste ihm zustimmen. Nach kurzem Ringen mit sich selbst folgte er ihm ins Innere des Berges. Schleichend und lautlos tasteten sie sich in eine in den Berg gehauene Halle vor. Rion deutete Leerox an stehen zu bleiben. Ein Blick in die durch ein Loch in der Decke erhellte Halle zeigte ihm ein nicht erwartet negatives Bild. Es wimmelte nur so voller Kuttenträgern. Sie knieten allesamt mit dem Kopf in Richtung eines Mannes mit rotem Gewand. Neben ihm auf einem runden Tisch aus Gestein lag etwas, das ein finsteres Glimmen ausstrahlte. „Das ist der umbras obscuritas lapis“, flüsterte Leerox ehrfürchtig. Rion nickte: „Dachte ich mir“. „Was jetzt?“, fragte Leerox resignierend, „Es sind zu Viele“. „Ja, ein Kampf ist keine gute Lösung. Das würde böse in die Hose gehen“, musste er ihm zustimmen. Rion ließ den Blick wandern. Eine Weile verweilte er an den Säulen, die eine Drachenstatue stützten. Ein Lächeln huschte über Rions Gesicht. „Du hast eine Idee, richtig?“, erkannte Leerox folgerichtig. Rion zwinkerte ihm zu: „Bingo“. Erleichtert lächelte Leerox ihm zu: „Aber sieh dich vor, das ist der verbotene Zirkel der Blutmönche“. „Das ist mir ziemlich Wayne was das für Freaks sind, wir holen uns den Stein und dann ziehen wir wieder ab“. „Das klingt bei dir immer so leicht…“, bemerkte Leerox seufzend. „Pass auf“, Rion hob den Zeigefinger und drängte ihn ein Stück weit von der Halle weg, „Ich lenke sie ab und hole mir den Stein“. „Und ich?“, wollte er wissen. „Du wirst von hier aus agieren“, antwortete Rion ihm, „Mit deiner Magie“. „Was? Ich? Mit Magie?“, erschrak er, „Das kann ich nicht, Rion“. „Ich bin mir sicher, dass du das kannst“, meinte Rion und legte ihm die Hand auf die Schulter, „Ich verlasse mich auf dich“. „Nein, bitte nicht“, bat Leerox ihn. Rion wandte sich zum Gehen: „Es wird klappen, glaub einfach dran“. Damit ließ er den innerlich zerrissenen Leerox zurück. Mit einem Gefühl zwischen Angst und Wut verfolgte dieser das Geschehen. Rion drückte sich mit dem Rücken an der Wand entlang. Im Schutz der Schatten huschte er in den Rücken des rot gekleideten Mannes, welcher irgendwelche unverständlichen Worte nuschelte. Die von den Anderen wiederholten Sätze gingen im Raunen unter. Den Raum erfüllte eine unheimliche Atmosphäre. Rion schien es, als strahle der Stein ein violettes Licht aus, ähnlich wie das von Aura. Die seltsamen Männer schienen den Stein anzubeten. Die Zeit drängte, das war nicht schwer zu erkennen. So schnell er konnte, kletterte die rechte Säule empor und schwang sich auf die obige Plattform auf welcher sich die schwarze Statue eines vier geflügelten Drachen darstellte. Um seinen Hals hing eine alte, rostige Eisenkette. Sogleich zuckten Geistesblitze durch Rions cleveres Köpfchen. Der ältere Herr in der roten Kutte unter ihm riss die Hände empor und präsentierte den Übrigen den etwa Faust großen Stein. Ohne noch eine Sekunde länger zu warten, griff Rion nach der Kette und nutzte sie wie eine Liane. Mit großem Schwung sprang er auf ihn zu und schützte die Hände mit dem Stoff seines Shirts. Der seltsame Mönch war zu überrascht um darauf reagieren zu können. Rion rollte sich am Boden ab und hielt den Stein in der Hand. „Jetzt Leerox!“, rief er diesem zu. Hastig nickte die kleine Elfe und formte mit den Händen ein Dreieck in der Luft. Es umgab ihm ein seichter Wind, der emporstieg und sogleich verebbte. Leerox riss die Augen auf und starrte auf seine Hände: „Es…es funktioniert nicht…“. Die Kuttenträger kamen murmelnd auf Rion zu und drängten ihn in die Ecke der Halle. Rion sah sich suchend um und biss sich leicht auf die Unterlippe, während er den Stein einsteckte. Da fiel sein Blick erneut auf die Kette, welche noch immer leicht schwankte. Er zückte Aura und preschte mit einem Schlag durch das Gedränge hindurch. Mit einem Sprung erreichte er die breite Eisenkette und zog sich daran wieder nach oben zur Statue. Die aufgebrachte Menge unter ihm begann an der Kette zu reißen und sie hin und her zu schwenken. Gerade noch so erreichte er die rettende Plattform und sprang von dort an den Rand des Loches in der Bergdecke. Das Gestein war rutschig und uneben. Rion hatte Mühe dort oben hin zu gelangen. Mit größter Anstrengung und pochendem Herzen schaffte er es allerdings die Beine noch vor dem ersten, heranstürzenden Mönch in Sicherheit zu bringen. „Hartnäckige Kerle…“, erkannte er und rannte den schmalen Bergpfad empor. Der Weg führte ihn wie eine Wendeltreppe steil bergauf bis zu einer breiten Schlucht. Weiter im Osten entdeckte er eine schmale Holzbrücke, die ihn zum Gegenüberliegenden Höhleneingang führte. Da er nicht viel Zeit zum Zögern hatte, lief Rion hastig über die wacklige Brücke. Immer stärker begann sie zu schwanken. Rion stoppte und rang nach Balance. „Nicht so übermütig, sonst bist du Matsch“, rief er sich in Erinnerung und tastete sich Schritt für Schritt vor. Was hinter ihm war interessierte ihn nicht, zumindest so lange er auf den Brettern die den Absturz ins Nichts bedeuten stand. Endlich konnte er die morschen Dinger gegen harten Steinboden tauschen. So hastete er weiter in die sich vor ihm befindliche Höhle hinein. Erst als er sich im bauchigen, Inneren befand, stoppte er. Völlig außer Atem strich er wüst hängende Haarsträhnen aus seinem Blickfeld und versuchte sich zu orientieren. Den Blick zurück sparte er sich von vornherein. Ein Vorsprung im Gestein führte ihn weiter empor in eine nach oben hin völlig geöffneten Höhenraum. Der Weg, der ihn dorthin geführt hatte war ohne jeden Zweifel von Menschenhand geschaffen wurden. Aber warum? Kaum griffen seine Finger nach oben, da berührten sie etwas hartes, kaltes. Erschrocken zuckten sie kurz zurück, dann drückte er sich hoch. Als seine Augen die oberste der Höhlen überblicken konnten, starrten ihn zwei leere Augenhöhlen an. Rion schien mehr als überrascht zu sein. Es war ein großer, länglicher Schädel. Ohne Zweifel der eines Tieres. Rion entstieg der Felsöffnung und kniete sich hinunter. Der Schädel war völlig klar und weiß. Doch es kam ihm kein Tier in den Sinn welches solch einen Kopf hätte gehabt haben können. Seine suchenden Augen entdeckten jedoch noch mehr Seltsames. Schwungvoll richtete er sich auf. Ein paar schritte seitlich von ihm lag ein ganzes Skelett. Es war ziemlich groß, hatte einen sehr langen Körper mit schlangenähnlichem Hals, einem langen, kräftigen Schwanz und kräftigen Hinterläufen sowie einem stabilen Beckenbereich und unglaublichen Schenkelknochen. Zudem bemerkte er feine Knochen, die dem Rücken entwuchsen. Es hatte also einst Flügel gehabt. Und zwar nicht kleine Flügel. Viel mehr war ihre Spannweite weitaus größer als er selbst. Rion fasste einen Gedanken, schob ihn jedoch bei Seite. Es konnte nicht sein. Jedoch…andererseits… „Drachen…?“, verlieh er seinem wirren Gedanken schlussendlich doch einen Namen. Ehrfürchtig berührte er den eisigen Knochen des einst imposanten und ohne jeden Zweifel mächtigen, erhabenen Wesens. Rion schüttelte den Kopf und lehnte sich mit dem Rücken dagegen: „Aber… es gibt keine Drachen. Das sind doch alles nur…Märchen“. Erst jetzt entdeckte er weitere Schädel und Skelette. Stirn runzelt hob er seinen Schuh. Überall lagen die Splitter von Knochen oder einzelne Gebeine herum. Einige Knochen so dünn und winzig wie der Finger eines Kindes. Andere so groß wie ein ausgewachsener Mensch. Rion wich zurück: „Das ist ein Friedhof“. Das einzig erhaltene Skelett war auf einzelnen Halmen gebettet. Erst jetzt verstand er den Zusammenhang. Die winzigen Knochen drum herum mussten Babys gewesen sein. Winzige, kleine Drachenbabys. Zu gern hätte Rion sie mit eigenen Augen gesehen. Lebend versteht sich. Als er sich umsah herrschte eine bedrückende Atmosphäre vor. Viel Schlimmer als jene in der Halle voller Mönche. Bei genaurem Hinsehen fielen ihm die Speerspitzen auf, welche überall verteilt lagen. Sie waren rostig und abgenutzt. Hinter dem Skelett der Drachenmutter lag ein verbogenes, mit bräunlichem Rost überzogenes Schwert. Es war zu alt und nicht mehr zu gebrauchen. „Ich schätze das war kein bloßer Kampf…es war ein Massaker“, folgerte Rion daraus und legte das Schwert zurück. Es war ein furchtbarer Gedanke zudem er noch grässlichere Bilder im Kopf hatte. Die Drachen wurden mit menschlichen Waffen vernichtet. Das zeigten die Brüche der Knochen und die teilweise zertrümmerten Schädel sehr deutlich. „Was für Dreckskerle…“, ärgerte er sich ob der Ausrottung dieser majestätischen Geschöpfe. Doch mehr Zeit blieb ihm nicht darüber nachzudenken. Die Mönche erreichten die bauchige Höhle unter ihm. Er hörte deutlich ihre Stimmen. Rion nutzte eines der Skelette um erneut durch die offene Decke zu entkommen. „Danke“, flüsterte er der Drachendame zu und ließ sich an der äußeren Felswand hinunterrutschen. Rion rieb sich den schmerzenden Rücken, der durch die unebenen Wände deutlich gelitten hatte und sprang den letzten Felsvorsprung hinunter. Prüfend sah er in die bauchige Höhle. Sie war voller Kuttenträger. Rion schnaufte durch und beeilte sich zur Brücke zu gelangen. Einer der Mönche erblickte ihn und schon war die Meute wieder hinter ihm her. Seufzend betrat Rion die gefährliche Hängebrücke und tastete sich mit schnellem, sicheren Schritt ans andere Ende. Durch die darauf drängenden Kutten schwankte sie bedrohlich und erinnerte ihn an ein Schiff in Seenot. „Wir lagen vor Madagaskar…und hatten die Pest an Bord“, begann er zu pfeifen, während er das Ziel fast erreicht hatte. Ein großer Schritt und er konnte das sinkende Schiff verlassen. „Tut mir echt sorry Jungs“, grinste er ihnen zu, „Aber ihr nervt“. Mit zwei schnellen Bewegungen durchtrennte er die Seile und die Brücke schlug hart gegen den Stein. Diejenigen, die sich noch auf ihr befanden, stürzten in die Tiefe und ihre Körper zerschellten am Boden. Ein kühler Wind wehte Rion entgegen. Erst jetzt, wo die Anspannung aus seinem Körper wich nahm er ihn wahr. Es bereitete ihm eine angenehme Erfrischung. So kehrte er dem Drachennest, wie er die Berghöhle voller Skelette nannte, den Rücken. Mit schnellem schritt stieg er zurück in die Halle zur Statue des Drachen. „Darum Dracheninsel, was?“, dachte er sich beiläufig. Zu seinem Pech lungerten noch immer einige Mönche in der Halle herum. Rion verzog genervt das Gesicht und sprang hinunter. Sogleich nahmen seine Häscher Notiz von ihm. „Händige mir den Stein aus!“, befahl der rote Mönch mit seltsam verzehrter Stimme ihm und streckte die Hand aus. „Kannst du knicken, Alter“, entgegnete Rion und zog Aura heraus. Ihre Klinge wurde erfüllt mit diesem Leuchten, welches noch nie etwas Gutes verhieß. Doch nicht nur Auras Licht glomm auf. Auch das des Steins. Der Alte senkte den Kopf, stammelte etwas und formte wirre Zeichen in die Luft. „Ach nö…“, murmelte Rion angeödet, „Ich steh nicht so auf Hokus Pokus“. Eine Welle reiner Kraft drückte ihn gegen die Hallenwand. Rion versuchte sich davon abzuwenden, doch er konnte sich kaum rühren. So sehr er sich auch anstrengte. Es gelang ihm nicht von der Wand weg zu kommen. Der Mönch schritt auf ihn zu. Mit jedem seiner Schritte drängte er Rion fester in das blanke Gestein. Neben ihm begannen die Wände zu bröckeln. Risse entstanden. Immer mehr, immer tiefere. Die Magie presste hart gegen seinen Brustkorb und machte es ihm fast unmöglich zu atmen. Rion rang nach Luft, die immer knapper wurde. Sein Sichtfeld verschwamm merklich. Aus einem instinktiven Reflex heraus riss er Aura hoch. Dabei durchtrennte er die Kraftwelle und fiel auf den Boden. Nach Sauerstoff ringend versuchte er sich aufzurichten. Er musste blinzeln und seinen Gleichgewichtssinn zurück erlangen. Auf Aura gestützt schärfte sich sein Blick langsam aber sicher. Ihr Licht nahm ohne Zweifel an Intensität zu. Doch nicht nur Auras. Rion bemerkte ein unangenehmes Gefühl am Bein. Der Stein in seiner Tasche leuchtete stärker als zuvor. Er wechselte von violett auf rot. „Au, dass ist nicht gut“, murmelte Rion und zog ihn aus der Tasche heraus. Er glühte warm, fast heiß. „Mistding!“, fluchte er und schüttelte die schmerzende Hand. Doch im nächsten Moment bereits war davon nichts mehr zu spüren. Er hielt die Handfläche offen und der Stein ruhte darin. „Gib ihn her!“, forderte die Rotkutte erbost. Rion schenkte ihm ein müdes Lächeln: „Meins. Hol´s dir doch, wenn du´s willst“. Als Rions Blick darauf fiel, hüllte sich alles in ein dunkles Licht, welches vom Stein ausging. „Du suchst nach Stärke…nicht wahr?“, schien er mit ihm zu sprechen. Er blickte überrascht darauf. „Ich werde dir die Macht geben, die du suchst…Rion“, fuhr er fort. Kaum war er fertig, da ging eine erschreckend mächtige Welle von ihm aus, die in Rions Körper überging. Als er wieder klar Denken konnte, lagen alle Mönche leblos am Boden. Rion nahm das Bild nur nach und nach wahr. Zu überrumpelt war er davon. „Ich besitze eine undenkbare Macht… das könnte Deine sein“, fistelte der Stein ihm zu. „Unendliche Macht, huh?“, ließ er sich durch den Kopf gehen. „Eben dies“, entgegnete der Stein ihm, „Damit kannst du die ganze Welt beherrschen. Über alle Völker Acris´s. Alle Wesen auf ihr. Selbst über Leben und Tod wärst du Herr“. Der rätselhafte Stein spiegelte sich in seinen Augen wieder. „Du könntest das mächtigste Wesen der Welten werden. Größer als der Herr der Himmel oder der Herr der Hölle. Öffne dich mir! Zeig mir deine Seele! Geh den Pfad der dunklen Seite der Seelen. Lass die Schatten in dein Herz einziehen. Öffne dich der einzig wahren Macht! Du kannst ihr“. „Ich?“, lächelte er andächtig und drehte das Handgelenk, bis der Stein zu Boden fiel, „Nö!“. „Was tust du da, du Narr?“, schien er erbost zu werden. Rion warf ein Stück Stoff über den Stein: „Warum sollte ich danach gesucht haben? Das ist mir eindeutig zu viel Stress. Ich hab weder Bock noch Zeit für so´nen Scheiß wie Weltherrschaft“. „Was ist es sonst wonach dir strebt?“, drang es nur noch gedämpft zu Rion hindurch. Dieser lächelte kühl: „Das wonach ich suche könntest du mir nie geben…“. Der Stein glomm unter dem Stoff noch einmal auf. „Jetzt gib Ruhe, ich hab selber genug Probleme für zwei Leben“, gebot er ihm und steckte ihn endgültig weg, „Das letzte was ich jetzt brauche ist noch so´n nervtötender, besserwisserischer Leuchtkäfer mit Eigenleben“. „Rion!“, rief Leerox erleichtert und rannte zu ihm, „Ich war so in Sorge“. „Ich hab das Teil, das du wolltest. Gehen wir zurück“, bat Rion ihn. Leerox nickte erleichtert. „Wo bist du gewesen?“, wollte Rion von ihm wissen. „Ich hielt mich hier versteckt“, antwortete Leerox nicht ohne Stolz. „Feigling“, hatte Rion bereits auf der Zunge, doch er schüttelte nur den Kopf. Im Vorbeigehen warf er einem der Mönche einen genaueren Blick zu. Erst jetzt bemerkte er, dass es eine leere Kutte war, die dort lag. „Es sind nur Schattenläufer“, erinnerte Leerox ihn, „Sie haben keine wirkliche Existenz“. „Aber…sie sind doch Lebewesen…“, bemerkte Rion. „Nicht ganz. Sie sind nur…wie soll ich sagen“, überlegte er laut, „Sie sind eben Kreaturen des Nebels. Sie existieren nur zu 50%. Es ist keine vollständige Existenz. Sie haben die Zusammensetzung von Nebel und Rauch. Eine Art Gestaltwandlung. Sie werden aus dunklem Licht geboren. Also leben sie nicht richtig. Sie denken nicht, sie atmen nicht wie andere Wesen es tun, sie essen und trinken nicht. Eigentlich tun sie nicht viel. Entstanden sind sie vor hunderten Jahren aus negativer Energie mächtigerer Wesen“. „Aus so einem Stein zum Beispiel?“, wollte Rion wissen. „Nein“, lachte Leerox amüsiert, „Daraus würde niemand etwas so schwaches wie Schattenkriecher oder Schattenläufer machen“. „Aber dieser Mann in roter Kutte, der war doch menschlich?“, erkundigte Rion sich vorsichtshalber. „Er ist auch nicht menschlich“, musste Leerox zugeben, „Eher eine Kreatur der Finsternis. Das Gegenstück zu einem Necromancer“. „Was ist das nun wieder?“, wunderte Rion sich und blieb stehen. „Nun…es sind furchtbare, grausame Buchdämonen. Sie haben eine Form wie etwa Bannsiegel sie besitzen. Von einem Necromancer sagt man er habe den berühmten Drachenritter von Catas besiegt“, berichtete er ihm. „Einen Drachen-…Ritter?“, sein Blick war wie versteinert, „Du meinst Menschen, die auf Drachen reiten?“. „Ich sehe schon, ich muss dir noch ne Menge erklären“, seufzte Leerox. Zusammen schlenderten sie nach draußen. Dort nahm Leerox erst einmal einen tiefen Atemzug der guten Waldluft: „Nun…erst einmal zurück zum Necromancer. Ein solches Wesen ist geboren aus der negativen Energie welche auftritt, wenn eine starke Seele eine negative Wandlung durchläuft und deren Charakter sich ins schlechte wandelt. Man spricht davon, das die Seele Schatten trägt. Davon ernährt sich ein Necromancer und daraus ist er auch gemacht. So wie der Umbras sich von Seelen und vom Blut seiner Träger ernährt“. „Du meinst so wie Komet es tut. Sich von der Seele des Trägers zu Ernähren meine ich“, warf Rion ein. Leerox sah ihn überrascht an: „Ja, das ist richtig. Sie sind aus dem selben gemacht. Aber sie sind nicht gleich. Komet ist sehr viel mächtiger und einflussreicher als Umbras“. „Aber es ist doch nur ein Schwert“, erinnerte Rion ihn ungläubig. Leerox deutete auf Aura: „Nicht mehr oder weniger als deines“. Rion seufzte leise: „Sieht wohl so aus, huh? Aber wenn dieser Necromancer diesen Drachritter besiegt hat… ich meine warum ist er ihm dann überhaupt erschienen? Du hast gesagt er tritt nur dann auf, wenn ein Mensch sich ins Negative wandelt. War dieser Ritter so schlecht?“. „Nein“, schüttelte Leerox den Kopf und wirkte bedrückt. Rion hob die Augenbraue: „Aber? Was dann?“. „Sein Herz wandelte sich mit zunehmender Macht. Er war nicht wirklich schlecht aber eben…naja… auch nicht gut. Er wurde kalt und egoistisch. Die Macht die er erlange schadetet ihm, seinem Charakter, seiner Seele. Es vernichtete ihn. Er hat sich selber zerstört. Und wir reden hier vom größten Helden seiner Zeit. Von einem Dämonenjäger in glänzender Rüstung, der auf einem weißen Drachen ritt“, versuchte er ihm zu verdeutlichen. „Man, was für ein Märchen…“, höhnte Rion. „Es ist aber keines“, versicherte Leerox ihm, „Es ist eine Tatsache. Überall stehen Statuen von ihm, seine Geschichte steht in einem Buch geschrieben“. „In einem Buch?“, wurde Rion hellhörig. Leerox nickte eifrig: „Ja, wirklich! In einem bedeutenden Buch. Es heißt „von Rittern und Helden“ und liegt in einer Bibliothek auf einem Kontinent im Westen. Dieser Ritter, Basiel war sein Name, ist genauso real wie die versunkenen Städte Catas und Atlantis oder das Reich aus Kristall. Diese Insel mag Märchenland heißen, doch unsere Sagen und Legenden sind Tatsachen vergangener Zeiten, Rion. In jedem Märchen steckt doch etwas Wahrheit. Manchmal trügt der Schein…“. „Ja, das weiß ich ja… aber sag, warum taucht dieser Necromancer bei einem auf und beim anderen nicht? Viele Menschen entwickeln sich negativ“, gab Rion zu bedenken. „Das stimmt“, lächelte Leerox, „Aber es gibt nur wenige dessen Geschichte es wert wäre geschrieben zu werden. Ein Necromancer taucht nur in den Büchern auf, welcher die Geschichte eines Helden erzählen. Allerdings nur bei negativer Wandlung Derer“. „Die Geschichte jedes Menschen sollte es wert sein geschrieben zu werden“, widersprach er ihm, „Wer kann sich schon damit brüsten über solche dinge zu entscheiden?“. „Die Bücher selber“, antwortete Leerox und blickte ihn starr an. Rion schluckte hart, erwiderte jedoch den Blick: „Die Bücher…?“. „Natürlich. Nicht der Held kommt zum Buch, das Buch sucht sich seinen Helden. Sowie die Ritter vom Drachen erwählt werden und nicht umgekehrt“, verdeutlichte Leerox ihm ruhig und wendete den Blick wieder ab, „Aber dir könnte so etwas nie passieren Rion, du bist toll“. Er musste grinsen. Mit einem unguten Gefühl in der Magengegend wandte er sich dem Rückweg zu und ließ den Blick gen Himmel schweifen: „Wollen wir es hoffen, Kleiner…“. „Leerox!“, erinnerte er ihn. Rions Grinsen wurde immer breiter. „Was denn?“, empörte dieser sich. „Ach…nix“, behauptete Rion und machte sich auf den weg, „Komm jetzt Kleiner“. „Rion!!!“, rief er ihm nach. Er fuhr lachend herum: „Nein, tut mir leid. Das ist schon mein Name“. „Du bist unmöglich…“, murrte Leerox zähneknirschend, „Nimm mich ernst!“ „Das tue ich“, versicherte er ihm. „Oh, das ist perfekt. Besser hätte ich diese Sache nicht planen können. Dieser dumme, kleine Junge läuft mir direkt in die Falle. Warte noch ein Weilchen Komet… dein Träger ist auf dem Weg. Und er bringt dir eine köstliche Seele mit. Besser als alles was du zuvor hast kosten dürfen. Labe dich an ihm meine Schöne und lass nicht davon zurück als eine leere Hülle. Du bist nichts weiter als meine Marionette kleiner Rion. Das wird er sein, der schönste Akt der Hölle. Endlich ist meine Zeit gekommen, die Zeit der Mächte der Finsternis. Freu dich Rion, denn bist ein Teil davon…“, mit diesen gehauchten Worten verblasste das grausame, verzehrte Lächeln nach und nach im Nebel der Welten… bis zum nächsten Akt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)