Borderline von Selma ================================================================================ Kapitel 15: ------------ Sie hatten Sam in ein großes Bett gepackt und die Decke fast bis zum Kinn hochgezogen. Seinen Kopf zierte nun ein Verband, und ein Tropf stand neben der Schlafstatt. Seine Augen waren immer noch geschlossen und der Atem ging langsam, aber gleichmäßig. Sams Gesichtsfarbe war fahl. „… und das war alles? Keine Vorzeichen, oder etwas anderes, was auf seinen jetzigen Zustand hingedeutet hätte?“ Bob stand etwas abseits von dem Bett und schüttelte den Kopf. „Er meinte zwar, er habe sich gestoßen und ein wenig Kopfweh, doch ansonsten sah er eigentlich ganz fit aus. Sein Zustand verschlechterte sich von einer Minute zur anderen. Der Doc meinte zwar, er wäre zwar schon einmal da gewesen, aber da wäre es wohl um eine beginnende Erkältung gegangen.“ Neben Bob stand ein, noch älterer, Mann, mit fast vollständiger Glatze. Die wenigen Haare, die er noch auf dem Kopf trug waren Schneeweiß, das Gesicht war faltig, und die Augen müde, was aber weniger mit der Uhrzeit, als mit dem fortgeschrittenen Alter zu tun hatte. „Das ist schlecht. Seine Eltern sind im Moment nicht zu erreichen.“ Der alte Mann fasste sich nachdenklich an das Kinn. „So eine Beule, auch wenn sie sich an dieser Stelle befindet, sollte eigentlich keine so tiefe Bewusstlosigkeit auslösen. Wie sieht es der Doc?“ Bob seufzte. „Er ist sich noch nicht sicher. Er möchte erst einmal die Laborergebnisse abwarten, bevor er eine Diagnose stellt, Herr Direktor.“ – „Das ist nicht gut. Wie steht es um eine Verlegung in das Krankenhaus?“ – „Der Doc möchte erst selbst seine eigenen Untersuchungen abschließen, bevor eine Verlegung in seinen Augen in Betracht käme. Solange keine Lebensgefahr besteht, meinte er, dass er ihn hier auch ausreichend versorgen kann.“ – „Hoffen wir, das der Doc Recht behält. Einen Rummel um unser Institut können wir uns nicht erlauben. Teilen Sie den anderen, die von diesem Vorfall wissen, mit, dass Stillschweigen gewahrt werden muss. Solange, bis wir wissen, was mit dem Jungen passiert ist. ## „Einen Arzt. Schnell ruf einen Arzt.“ Ein junger Mann stürzte in das Büro, wo normalerweise 4 Leute arbeiteten. Im Moment war aber nur eine Kollegin anwesend. Wegen der, im Moment etwas flauen, Auftragslage, waren die restlichen Beiden in Urlaub. „Peter, bleib stehen. Was ist los?“ Der Angesprochene sah sich gehetzt um und schien unentschlossen ob er jetzt lieber ein Telefon suchte, oder seiner Kollegin erzählte warum er grade so aufgebracht war. Dann entschied er sich in seiner Not für letzteres, da das einzige Telefon das er auf Anhieb erblickte in der Hand seiner Kollegin ruhte. „Conni ist los, beziehungsweise nicht mehr los. Argh…“ er griff sich in die Haare: „Sie liegt in ihrem Büro, und ich bekomme sie nicht wach.“ – „Was?“ Die Frau sprang so schnell auf, dass ihr Stuhl hinterrücks auf den Teppichboden umkippte. Sie warf Peter das Handy zu. „Ruf den Notarzt, ich kümmere mich um Conny.“ Noch bevor der Mann das Handy gefangen hatte, war die Frau schon aus dem Büro hinaus. Sie rannte über den kurzen Flur hin zu dem kleinen Büro am Ende. Die Glastür, auf welcher Conny Gressnich Abteilungsleiterin Konzepte stand, war offen. Hinter der Tür bot sich der Frau ein erschreckendes Bild. Ihre Chefin hing erschlafft in ihrem Sessel. Ihr Kopf war vorne über gesunken, und ruhte nun teilweise auf dem Schreibtisch und dem Mousepad. Peter hatte sie wohl schon bewegt, denn auf der Wange, die nun oben lag, waren noch die Abdrücke von Tasten zu sehen. Die kurzen blonden Haare hingen ihr ungeordnet ins Gesicht. „Hey Conny, wach auf.“ Die Frau berührte ihre Chefin sacht an der Schulter und schüttelte sie leicht. Doch diese reagierte nicht. “Heidi. Der Arzt kommt gleich. Solange sich ihr Zustand nicht weiter verändert, sollen wir sie so lassen und nicht bewegen.“ Peter war wieder ins Büro gekommen und stand nun in der Tür. Er hielt immer noch mit einer Hand das Telefon umklammert, allerdings so fest, das seine Knöchel weiß hervor standen. In seinen Augen lag ein Ausdruck von Angst und Ungewissheit den er nicht mehr verbergen konnte. Heidis Blick wanderte kurz zwischen ihm und der Chefin hin und her. Kurz beschlich sie ein Gefühl, welches sie allerdings schnell wieder zur Seite drängte. Stattdessen versuchte sie sich wieder auf Conny zu konzentrieren. Der Stuhl war ein Stück weit vom Schreibtisch weggerutscht, so das einer von Connys Armen zwischen Stuhl und Schreibtisch herabbaumelte. Heidi konnte einfach nicht anders und schob den Stuhl wieder näher an den Schreibtisch heran, so dass sie den Arm auf den Tisch legen konnte. Peter sah dem Ganzen erst schweigend zu, doch dann sprach er langsam: „Heidi, die sagten, wir sollen Sie nicht bewegen.“ – „Das ist mir schon klar, aber so können wir sie doch nicht liegen lassen. Wo bleibt eigentlich dieser Notarzt?“ In dem Moment wurden vom Flur her Stimmen und Schritte laut. „Da kommen sie schon.“ Peter hatte den Kopf gewandt um in den Flur sehen zu können und trat nun zur Seite, damit die zwei Sanitäter mit der Trage und allerlei Gerätschaften in das Büro treten konnten, gefolgt von dem Notarzt, der Peter kurz musterte, bevor er sich der Patientin näherte. Er verlor keine Zeit an Höflichkeitsformeln sondern begann sofort mit der Untersuchung. „Wurde die Patientin schon in diesem Zustand aufgefunden, oder war sie noch bei Bewusstsein?“ – „Nicht ganz. Ihre Augen waren geöffnet, und sie lag mit dem Kopf auf der Tastatur, aber bei Bewusstsein war sie nicht.“ Der Notarzt nahm den Puls, leuchtete Conny in die Augen und machte einige Reiztests, danach weiß er die Sanitäter an, die Bewusstlose auf die Trage zu legen und festzuschnallen. „Können Sie uns sagen, was sie hat?“ Der Notarzt schüttelte den Kopf. „Ich muss erst einige andere Untersuchungen vornehmen, doch dazu benötige ich Instrumente die wir nur im Krankenhaus besitzen.“ Er gab den Sanis einen Wink, die daraufhin die Trage mit Conny aus dem Zimmer schoben. Nachdem der Arzt, als letzter, verschwunden war, blieben nur noch Heidi und Peter allein zurück. Die Beiden blickten erst sich an und dann im Büro herum. „Was ist Conny nur zugestoßen?“ fragte Heidi leise. „Ich weiß es nicht.“ Peter trat neben sie, und sah zum Schreibtisch. „Ich weiß nur, dass sie gestern länger machen wollte. Wegen so eines neuen Auftrages, den sie an Land gezogen hatte. Es ging wohl um so ein Computer-Online-Spiel aus Korea, was jetzt auch hier in Europa groß rauskommen soll. Wenn ich sie richtig verstanden habe, hat sie den Auftrag auf eigenen Wunsch zugeteilt bekommen. Ich habe gestern Abend noch mit Conny gesprochen, sie erwähnte am Rande, das sie dieses Spiel wohl auch selbst privat spielt, und deshalb mit der Materie vertraut ist. Ein zusätzlicher Bonus, wenn wir dafür wirklich eine Werbestrategie entwickeln sollen.“ Heidi zog hörbar die Luft durch die Nase, weshalb Peter auch nicht weiter sprach, sondern sie fragend anblickte. „Riechst du das nicht auch?“ Prüfend sog er auch Luft durch die Nase, da war etwas, ganz fein. „Stimmt, es riecht irgendwie…“ er eilte an den Teil des Schreibtisches, der am weitesten von ihnen entfernt war. „Oh nein. Heidi sieh dir das an. Der Hauptrechner ist tot. Nur der Slave läuft noch.“ Die Frau war näher getreten und wischte nun mit einem Finger über die Kante des Schreibtisches, welcher direkt über dem Gerät endete. Der dunkle Tisch war feucht. Ihr Blick wanderte weiter zum PC, dort waren ebenfalls Spuren von Flüssigkeit. Als sie den Blick hob, sah sie nun, was ihnen vormals, bei der ganzen Aufregung um ihre Chefin entgangen war. Die Kaffeetasse, welche immer etwas abseits stand, war umgestürzt und der Inhalt hatte sich ganz offensichtlich seinen Weg gesucht, mit fatalem Ausgang. Es musste schon eine ganze Weile her sein, denn die Lüftung hatte fast den gesamten Geruch nach Verbranntem abgesogen. Deshalb war ihnen auch zuvor nichts aufgefallen. Als der Hauptpc ausgefallen war, hatte der Slave übernommen, der sich irgendwo im Schreibtisch verbarg und dadurch geschützt war. Die Chefin war vor einiger Zeit zu der Überzeugung gekommen, dass sie so ein Gerät brauchte, nachdem bei einem anderen Vorfall, wo der Hauptrechner schon einmal in die Binsen gegangen war, die Arbeit von zwei Wochen der Vergangenheit angehörte. Der Slave machte ungefähr den gleichen Krach, deshalb war es zuerst auch gar nicht aufgefallen. „Vielleicht sollten wir das dem Arzt mitteilen?“ ## „Statusbericht.“ – „Eins unserer beiden Ziele konnte lokalisiert werden Sir. Unser Team wurde bereits losgeschickt.“ – „Ausgezeichnet, und was ist mit dem anderen?“ – „Sir, daran arbeiten wir noch. Es ist wieder verschwunden bevor wir es ebenfalls näher eingrenzen konnten. Einzig und allein ist bekannt, das es sich im Osten von Deutschland aufhalten muss.“ – „Weitermachen.“ ## „Kaffee?“ – „Bitte erwähne dieses Wort NIE wieder in meiner Gegenwart.“ Ein würgendes Geräusch wurde hörbar. „Noch einmal und mir wird schlecht.“ – „Dann leg dich doch auf dem Nebenraum etwas auf das Sofa und versuch zu schlafen.“ – „Wie kannst du bei der derzeitigen Situation nur ans Schlafen denken? Die ganze Firma steht Kopf und seitdem die Koreaner versucht haben uns zu erreichen, spielen nun auch deren Server verrückt und sie müssen sich natürlich zuerst um ihre Spieler kümmern. Wir stehen wieder am Anfang.“ Mit einem Seufzen rutschte der junge Mann etwas tiefer in seinen Stuhl. „Ja, ja, ich weiß,“ seufzte der andere resignierend. „Wenn die uns doch nur mehr Zugeständnisse machen würden. Wegen jedem Firlefanz, oder Zusatzprogramm brauchen wir deren Genehmigung und nun?“ Er warf frustriert die Hände in die Luft. „Selbst wenn wir es eindämmen könnten, dürften wir es nicht, solange wir nicht von drüben das OK dazu erhalten.“ ## Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)