Es kann nur einen geben von Hotepneith (Zwei Hundebrüder und ein mörderisches Turnier) ================================================================================ Kapitel 12: Schwarze Sonne -------------------------- Die Sache mit der Kappa-Kammer kam nicht nur euch ziemlich merkwürdig vor. Aber die Dinge aus der Vergangenheit werden nur langsam geklärt, wenn man sich nicht richtig aussprechen will oder kann. 12. Schwarze Sonne Inuyasha fasste Tessaiga fester. Er konnte in der kaum beleuchteten Höhle nicht abschätzen, wie viele dieser weißen, Erinnerungen fressenden Würmer von der Decke gefallen waren, aber es waren eindeutig viele. Und der Mittelpunkt des Interesses waren augenfällig Sesshoumaru und er. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie sein Halbbruder ebenfalls zum Schwert griff und drehte sich instinktiv etwas, so dass sie nun Rücken an Rücken standen, sich gegenseitig deckend. „Was für nettes Gewürm…“ meinte er sarkastisch. „Gewürm.“ Das klang schon wieder so, als ob er etwas Falsches gesagt hätte. Obwohl der Hundeyoukai ihn während dieser Reise an seiner Seite zuließ, schien er ihn immer noch nicht für voll zu nehmen. Na ja, gab sich Inuyasha zu, warum hätte er auch eine Meinung, die er sich vor Jahrhunderten gebildet hatte, ändern sollen? Vielleicht nur, weil er während des Kessel-Turniers gesehen hatte, dass man auch als Hanyou was drauf haben konnte? Er nicht so schwach war, wie der Herr große Bruder immer gemeint hatte? Ach, verdammt: „Kaze no kizu!“ Mit gehöriger Wut im Bauch schlug er auf der Linie der Windnarbe gegen die Würmer zu. Eine Schneise entstand, die fast unverzüglich von neuen Tieren geschlossen wurde. Wie viele waren das nur? Nun, es war gleich. Er wollte zu dem Schmied und das war alles, was zählte. Aufgeben kam nicht in Frage. Sesshoumaru hatte ebenfalls einen Angriff auf die Würmer gejagt. In der Dunkelheit war es kaum zu sehen gewesen, aber er glaubte, dort hinter den Tieren, einen goldenen Kessel bemerkt zu haben. So lud er seine Klinge erneut mit Youki auf. Es war lästig, so viele dieser Wesen zwischen sich und seinem Ziel zu sehen, aber zunächst einmal musste er sicher gehen. So schlug er erneut zu. Immerhin schien sich Inuyasha um sich selbst zu kümmern. Am Ende der durch seinen Angriff geschlagenen Schneise erkannte der Hundeyoukai nun deutlich, dass der Kessel, den sie suchten, dort war oder genauer, das Abbild des eigentlichen Kessels, das ihnen hier aus dieser Gedankenwelt des Schmiedes wieder heraushelfen sollte. „Inuyasha.“ Der drehte etwas den Kopf, erstaunt darüber, angesprochen zu werden: „Was ist?“ Er schlug erneut mit der Windnarbe zu. Keine Antwort. Leicht ärgerlich darüber sah er sich noch einmal um, erkannte dann, dass sein Halbbruder ebenfalls eine Lichtung in die Angreifer geschlagen hatte, nun mit raschen Sprüngen diese entlanglief. Er folgte sofort. Hatte der Hundeyoukai eine Idee gehabt, wie sie an diesem widerlichen Viehzeug vorbeikommen konnten? Als dieser einen weiten Satz machte, bemerkte auch der Hanyou den Kessel. Klar. Man musste sich nicht mit diesen Würmern streiten, wenn man auch so das Ziel erreichen konnte. Obwohl, eigentlich widerstrebte es ihm schon, so einfach aus einem Kampf zu verschwinden. Aber es war ja irgendwie kein richtiger Kampf. So beeilte er sich, hinter seinem Halbbruder in den Kessel zu springen. Warum der hier nicht Tenseiga einsetzte? Aber er hatte ja gesagt, dass das hier nur das Abbild des Kessels sei. Klar. Das hier war ein Baum der Erinnerungen, nichts hier konnte wirklich sein. Wenn man von diesen ganzen seltsamen Wesen absah, die aus den Gedanken des Schmiedes entstanden waren. Diesmal war der Sprung nicht sonderlich lang und die Halbbrüder fanden sich in einem dichten Wald wieder. Die Luft war stickig, seltsame Dämpfe schwebten zwischen den hohen Bäumen und durch das scheinbar undurchdringliche Unterholz, verhinderten, dass sie wittern konnten. Am wolkenverhangenen Himmel stand eine schwarze Sonnenscheibe. Wo auch immer sie waren, es war kaum die wirkliche Welt. Oder besser, die Welt, aus der sie stammten. Sesshoumaru ging ohne zu zögern los. „He, wohin willst du?“ erkundigte sich der Hanyou. Was für ein Idiot, dachte der Hundeyoukai unwillkürlich, ehe er erfasste, dass Inuyasha ja nichts von seinem kurzen Gespräch mit dem Schatten mitbekommen hatte: „Der Schatten, den ich tötete, sagte Richtung Neumond.“ „Und was soll das sein?“ „Norden.“ Er hatte wohl wirklich nicht gerade bei den Lehrern aufgepasst, als er Landkarten erklärt bekam, die Zeichen darauf, die für die lesenden Youkai die Richtungen angaben. „Aha“, machte der Hanyou, da er nicht wusste, was er darauf erwidern sollte. Immerhin hatte er etwas begründet bekommen. Schon dafür durfte er ja vermutlich dankbar sein. Wieso hatte Sesshoumaru auch so einen Schatten mit richtigen Informationen erwischt? Der Schatten, den er getötet hatte, war zwar äußerst redselig gewesen, aber etwas Nützliches hatte der nicht gerade von sich gegeben. Freilich, was sollte es. Um diesen Schmied zu erwischen, den sadistischen Kessel, und so ein für alle Mal das Turnier zu beenden, musste er sich eben mit der Begleitung des Hundeyoukai abfinden. Danach...nun, danach gab es sicher wieder jeden Grund, sich aus dem Weg zu gehen. Oder zu einem Duell. So sprang er hinter seinen Halbbruder, der mit seiner Energiepeitsche gerade einen Pfad in den Wald vor ihnen schlug. Eine solche Begleitung hatte eindeutig auch Vorteile, dachte der Jüngere. Sie waren stundenlang durch den Dschungel gewandert, als sie eine Lichtung an einem Fluss erreichten. Sesshoumaru blieb stehen und Inuyasha nutzte die Gelegenheit, sich etwas kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen. Die heiße, stickige Luft machte ihm zu schaffen. „Dieser Schatten hat nicht zufällig erwähnt, wie weit wir nach Norden gehen müssen?“ Keine Antwort. Erst nach einer ganzen Weile meinte der Hundeyoukai: „Wie bist du aus der Kappa-Kammer wieder herausgekommen?“ „Hä? Woher weißt du…“ Er musste den Schluss des Kampfes mit dem Schatten mitgehört haben, erkannte Inuyasha. Aber seit wann interessierte sich der Herr Halbbruder denn dafür, wie er wann wo überlebt hatte? Gewöhnlich versuchte der doch eher selbst, ihn umzubringen! Dann dämmerte ihm eine Erklärung: „Musstest du auch diese Prüfung bestehen?“ „Wie kamst du hinaus?“ Irgendwie war dieses plötzliche Interesse angenehm. „Naja…ich stand bis zur Brust im Wasser und es war völlig dunkel, also habe ich Klauenangriffe gemacht, wo immer ich etwas gehört habe. Ich habe auch einige erwischt, einige allerdings auch mich. Ich habe ganz schön geblutet. Irgendwann ist mir dann eingefallen, dass ich das Blut auch verwenden kann und Hijinkessou erfunden, die Blutklingen. Aber den Angriff kennst du nicht. Ich habe ihn nie gegen dich eingesetzt.“ Klingen aus Blut? Das war auch eine Technik, die nur einem Bastard einfallen konnte. Wie schwer musste er sich verletzen lassen, um sie einsetzen zu können? Natürlich hatten ihn damals wohl die Kappa schwer verletzt, so dass es wohl eher eine Notlösung gewesen war. Inuyasha bemerkte, dass er auf einmal interessiert betrachtet wurde und fuhr mit gewisser Verwunderung fort: „Ich weiß nicht, wie lange es gedauert hat, aber irgendwann lehnte ich mit dem Rücken an der Tür und mich griff nichts mehr an. Es war still geworden und so machte Mawashi die Tür auf und holte mich raus, brachte mich zum Heiler.“ Mawashi, der Lehrer für Kampfkünste, den auch er selbst, Sesshoumaru, gehabt hatte. Aber was hatte der Hanyou da von einer Prüfung gesagt? Der brachte sicher etwas durcheinander. Natürlich hatte Mawashi auch ihm zwei oder drei Kappa auf dem Kampfplatz gegenübergestellt, damit er seine Fähigkeiten trainieren konnte. Hatte Inuyasha daraufhin geglaubt, auch mit zwanzig fertigwerden zu können? Nun, er war es wohl sogar geworden. Sesshoumaru drehte sich etwas. In der stickigen Luft konnte selbst er fast nichts wittern. Kein Windhauch kam durch die dichte Atmosphäre, schon gar nicht hier im Wald. Aber er nahm keinen Augenblick an, dass hier nichts oder niemand außer ihnen existierte. Er betrachtete sorgfältig ihre Umgebung. Jetzt erst entdeckte er im Gras der Lichtung Insekten, Käfer, Ameisen, allerdings gut um ein Drittel größer, als sie in ihrer eigenen Welt waren. Also konnte es sehr wohl hier auch größere Wesen anderer Arten geben. Er würde aufpassen müssen. Sie würden aufpassen müssen. Inuyasha war mehr als überrascht gewesen über die Frage nach den Kappa. Wollte Sesshoumaru aus irgendeinem Grund seine Kampffähigkeiten überprüfen? Aber wozu die Frage? Das hätte er doch in der Arena oder auch sonst wo schon feststellen können. Oder nahm der Hundeyoukai an, dass es hier ähnliche Wesen gab? Es hätte ihn ja schon interessiert, wie Sesshoumaru mit den Kappa fertiggeworden war. Aber da er überlebt hatte, war er es wohl. Immerhin hatte Mawashi ja gesagt, dass er die Tür erst aufmachen würde, wenn keine Kampfgeräusche mehr zu hören wären. Seine Ohren zuckten, als sie ein Brummen hörten, lauter und tiefer, als er es je vernommen hatte. Er fuhr herum. Zwei Insekten waren auf die Lichtung geschwirrt, wie er sie noch nie gesehen hatte. Nun, gesehen schon, das waren Libellen, aber sie waren gewiss so lang wie die Spannweite seiner Arme. Wahre Riesenlibellen. „Sind die groß!“ entfuhr es ihm staunend. Sesshoumaru schwieg. Aber für einen Augenblick stand ihm das Bild des kleinen Hanyou vor Augen, den Myouga damals zu ihm gebracht hatte, mit der Bitte, sich um ihn zu kümmern. Die Libellen gingen in Sturzflug über, fassten Insekten aus dem Gras und flogen mit ihrer Beute zurück zum Fluss. Der Hundeyoukai blickte sich kurz um, ehe er weiterging, wieder in den Urwald, sorgfältig witternd. Der dichte Dschungel verhinderte zwar, dass er alle Gerüche wahrnehmen konnte, aber er war so gewohnt, sich auf seine Nase zu verlassen, dass er es unwillkürlich auch hier tat. Die Sichtweite im Unterholz war sowieso nur genau soweit, wie er einen Pfad mit seiner Youki-Peitsche schlagen konnte. Inuyasha schloss sich ihm an. Nach einer gewissen Zeit reichte es dem Hanyou allerdings. Stundenlang wanderten sie nun schon durch den Urwald. Es herrschte drückende Schwüle, man konnte praktisch nichts riechen und sah immer nur grün. Zu allem Überfluss musste er dauernd den Hinterkopf seines Halbbruders betrachten, der vor ihm einen Pfad bahnte. Das dauerte alles so lange. „Sesshoumaru, lass mich mal vor. Ich mach den Weg jetzt mit Tessaiga frei.“ „Nein.“ „Du hast mir gar nichts zu befehlen.“ Er wollte an dem Hundeyoukai vorbei springen, wurde aber von dessen Arm aufgehalten: „Also...“ setzte er zum Protest an. „Dummkopf. Merkst du nichts?“ „Was?“ Aber er wollte sich nicht blamieren, zumindest nicht mehr, als er es wohl schon hatte. So witterte er sorgfältig, aber in der dampfigen Luft konnte er nur die Gerüche von Blüten erkennen. Auch seine Ohren offenbarten ihm nur das Rascheln der Blätter. Sesshoumaru ließ erneut seine Youki-Peitsche schwirren, schlug wiederum einen Weg von sicher zwanzig Metern frei. Er ging weiter. Inuyasha folgte ihm irritiert. Was sollte da sein? Und warum sollte er Tessaiga nicht verwenden? Wenn er fragen würde, bekäme er vermutlich keine Antwort. Und hätte sich blamiert. Noch einmal strengte er alle seine Sinne an. Und da merkte er es. Als sein Halbbruder erneut stehen blieb, er ebenso, raschelte es seitlich hinter ihnen noch einen Moment, ehe das Geräusch verstummte. Etwas oder jemand begleitete sie. Unwillkürlich warf er einen Blick über die Schulter. Wollte Sesshoumaru darum nicht, dass er zeigte, wie stark er mit Tessaiga war? Um einen möglichen Angreifer überraschen zu können? Er gab sich zu, dass er mit Strategie nicht gerade viel am Hut hatte. Ein offener Kampf war ihm immer lieber, als irgendwelche Versteckspiele. Aber Sesshoumaru war schlau, das wusste er, und so nahm er an, dass er durchaus Recht haben könnte. Es war zwar irgendwie eigenartig zuzugeben, dass dieser Misthund mal in irgendetwas Recht haben sollte, aber er hatte während des Turniers und auch unter dem Gedankenbaum durchaus gesehen, dass sein älterer Halbbruder nachdachte. Und das war wirklich nicht so seine Stärke, das gab er gern zu. Kagome schimpfte ihn deswegen ja auch oft genug. Sesshoumaru hatte beruhigt bemerkt, dass der Hanyou nicht auf seinem Vorschlag beharrte, den Weg mit Tessaiga frei zu schlagen. Hatte er nun auch bemerkt, dass sie verfolgt wurden? Oder hatte er es zuvor schon gespürt und hatte darum schneller vorankommen wollen? Das war sinnlos. Sie kannten keinen Pfad hier im Urwald, mussten sich buchstäblich durchschlagen, während der, wer auch immer sie da begleitete, offenbar keinerlei Probleme mit dem dichten Unterholz hatte. So war es günstiger, nicht zu zeigen, welche Fähigkeiten man besaß. Zu wittern war leider nichts, aber er vermutete nach dem Rascheln zu urteilen, dass es sich um ein zweifüßiges Wesen handelte. Aber es schien sie nur zu beobachten. Wusste es nicht, was sie waren und war einfach neugierig? Das war zwar nervend, aber er wollte kein Wagnis eingehen. Sich auf unbekanntem Terrain mit einem unbekannten Gegner anzulegen, dessen Fähigkeiten man nicht einschätzen konnte, war stets riskant. Und sein Ziel war der Schmied und sein Kessel. Ein Kampf gegen etwas anderes war überflüssig. Erneut machte er den Weg frei. Inuyasha hatte versucht, ihre Begleitung zu erkennen, aber das dichte Blattwerk machte es unmöglich. Auch er hatte gehört, dass es sich wohl um jemanden mit zwei Beinen handeln musste. Einen Menschen schloss er aus. Das hier war keine Welt, in der es Menschen geben würde. Vielleicht eine Art Vogel? Nun, eigentlich war es ja gleich, solange dieser Unbekannte sie nicht angriff. Vielleicht hatte er einfach noch nie einen Hanyou oder einen Youkai gesehen, das wäre ja möglich. Vielleicht würde er bald herauskommen und mit ihnen reden? Wer wusste das schon. Er blickte zum Himmel auf. Die schwarze Sonne war hinter dichten Wolken verschwunden und es begann zu nieseln. Die Feuchtigkeit stieg weiter an und machte es wirklich äußerst unangenehm. Immer mehr Insekten, keines kleiner als seine Hand schwirrten um sie und er bemerkte, dass Sesshoumaru sein Youki ansteigen ließ, um sie von sich fernzuhalten. Er selbst nutzte seine Klauen, um zu aufdringliche Fliegen zu zerreißen. „Wie lange denn noch“, murrte er. Sesshoumaru sparte sich eine Antwort. Er wusste es auch nicht. Sie mussten eben immer weiter nach Norden gehen, bis sie den Schmied erreicht hatten, einerlei, was für Hindernisse auf sie warteten. Hier durch den regenfeuchten Dschungel zu wandern war überaus lästig, das gab er gern zu, aber es war eben nicht zu ändern. Immerhin hatte sich der Geruch des Waldes verändert. Wenn er sich nicht zu sehr täuschte, müsste es bald lichter werden, der dichte Urwald sich ein wenig lockern, denn er glaubte, von vorn einen Hauch von Wind empfangen zu haben, der von einem trockeneren Wald berichtete. Aber er war sich durchaus nicht sicher. Und er verspürte keine Lust, sich vor Inuyasha zu blamieren. Der Nieselregen ging in einen heftigen Guss über, der es unmöglich machte, weiterzugehen. Die Halbbrüder blieben unter einem dichten Baum stehen. Sie waren zwar schon durchnässt, aber auf diese Art hatten sie einen dicken Stamm im Rücken, der ihnen Deckung bot. Dennoch witterten beide sorgfältig. Aber ihr unsichtbarer Begleiter schien verschwunden zu sein. Es war nichts zu sehen, nicht zu riechen, nichts mehr zu hören, wobei der heftige Regen auch nicht gerade hilfreich war. Beide legten instinktiv die Hände an die Schwertgriffe, als sie etwas vernahmen, das alarmierend war. Knacken, wenn Bäume brachen, Erderschütterungen. Ein riesiges Wesen kam offenkundig direkt auf sie zu. Sie blickten in diese Richtung. Der Regen fiel wie ein dichter Vorhang. Wenn sich das Wesen ihnen weiter näherte, würde es irgendwann durch den silbrigen Wasserschleier kommen. Das Knacken wurde lauter, die Erschütterungen heftiger. Inuyasha umklammerte den Griff von Tessaiga, als er rechts von ihnen zwischen, über den Baumwipfeln den Schemen eines Schädels erkennen konnte, dann eine gigantische Gestalt. Ein oranges Auge, so groß wie sein ganzer Kopf leuchtete durch den Regen. Zwischen den Bäumen und durch den Guss konnte er nur die Silhouette erkennen, aber das genügte ihm auch. Das musste wirklich das größte Tier sein, das er je gesehen hatte. Wenn es denn ein Tier war. Aber er konnte kein Youki spüren. Sesshoumaru nahm die Hand langsam vom Schwert, als der Riese weiterlief, an ihnen vorbei. Hatte er sie nicht bemerkt oder waren sie für ihn uninteressant? Gleich. Ein unnützer Kampf war ausgeblieben. Er sah seitwärts, wo sich auch Inuyasha gerade entspannte. „Hast du schon einmal so ein Riesenvieh gesehen?“ fragte der. „Nein.“ Der Hundeyoukai wandte den Kopf. Er hatte sich schon gedacht, dass es hier größere Tiere geben musste, als sie es gewohnt waren, da bereits die Insekten solche Größe erreichten. „Immerhin kein Youkai. Ob es hier überhaupt welche gibt?“ Sesshoumaru schwieg. Was sollten solche überflüssigen Bemerkungen? Inuyasha musste sich doch denken können, dass er das auch nicht wusste. Der Hanyou hatte eigentlich auch keine Antwort erwartet. Aber er war durch den Umgang mit Menschen gewohnt, sich zu unterhalten und es fiel ihm ein wenig schwer, dauernd mit dem schweigsamen Hundeyoukai zu gehen. Zumal hinter ihm. Hoffentlich würde bald der Dschungel zu Ende sein oder zumindest dieser Regen aufhören. Nach zwanzig Minuten endete der Guss abrupt. Die Luft war nun zwar wassergesättigt und schwer zu atmen, aber es war ein wenig kühler geworden. Und sie konnten wieder genug sehen, um weitergehen zu können. So sehr Inuyasha auch lauschte, er konnte nichts von ihrem Begleiter wahrnehmen. „Er ist weg“, stellte er fest. Statt einer Antwort ließ Sesshoumaru erneut seine Youkipeitsche durch den Wald sausen, schlug mit einer fast nachlässig anmutenden Handbewegung einen Pfad in das Unterholz. So gingen die Halbbrüder weiter. Langsam stieg die Landschaft an. Noch immer war um sie der dichte Dschungel, aber die Luft wurde trockener, angenehmer zum Atmen und auch zum Gehen. Inuyasha blieb stehen: „Warte.“ Der ältere Halbbruder blieb tatsächlich stehen, wandte aber nicht den Kopf. Das hatte nicht nach einer Warnung geklungen. „Was ist?“ „Da sind Früchte und ich hab Hunger.“ Der Hanyou roch an ihnen: „Sie scheinen essbar zu sein.“ Er pflückte sie rasch, da er nicht annahm, Sesshoumaru würde lange auf ihn warten wollen. Aber er brauchte etwas für seinen Magen. Er hatte sich in den letzten Monaten nur zu sehr daran gewöhnt, dass Kagome für regelmäßige Mahlzeiten sorgte. In den langen Jahren, als er allein gewandert war, hatte er bei weitem nicht so viel benötigt. Der Hundeyoukai sah nachdenklich in das Unterholz. Man merkte eben immer wieder, dass das ein Hanyou war, kein wahrer Youkai. Menschliche Schwächen waren nur zu deutlich bemerkbar. Er hob den Kopf, lauschte angespannt. Da war doch etwas gewesen? Es war ein leises Geräusch gewesen, selbst für ihn kaum zu vernehmen. Es war wahrscheinlich kein so ein riesiges Lebewesen, wie das, das zuvor an ihnen vorbeigelaufen war, aber das bedeutete natürlich nicht, dass es harmlos sein musste. Inuyasha warf einen Blick seitwärts, um zu sehen, ob sein Halbbruder schon die Geduld verlor. Er verspürte keine Lust, hier allein herumlaufen zu müssen. Als er merkte, wie angespannt dieser war, richtete er sich auf. Was war los? Da hörte auch er ein leises Knacken aus dem Unterholz. Etwas war auf einen Ast getreten. Er fuhr herum. Ein gedämpfter Laut kam von der anderen Seite, gleich noch einer von einer dritten. Was auch immer da war - es schienen mehrere zu sein und sie versuchten, sie einzukreisen. Und dann bemerkte er im Unterholz eines der Wesen und griff unwillkürlich zum Schwert. So etwas hatte er noch nie gesehen. Am ehesten konnte man es mit einem Schmetterling vergleichen, nur, dass es zwei Beine hatte und aufrecht ging. Es mochte gut zwei Meter groß sein. An dem, was bei einem Schmetterling die Vorderflügel gewesen wären, befanden sich Hände mit langen, messerscharfen Krallen. Am ovalen Kopf waren zwei Augen zu erkennen, zwei Fühler, und seltsame Büschel die am Hals und Wangen entlang nach oben wuchsen. Falls er noch daran gezweifelt hätte, dass das Wesen ein Raubtier war, so brauchte er nur einen Blick auf das nadelspitze Gebiss zu werfen. Auch Sesshoumaru hatte das Wesen entdeckt. Und er wusste, was das war. „Flügelkiemer.“ „Sie kreisen uns ein“, sagte Inuyasha überrascht, dass sein Halbbruder den Namen der Art kannte: „Na, dann wollen wir ihnen mal das Essen verderben.“ ******************************************** Flügelkiemer? Was es mit ihnen auf sich hat, erfahrt ihr im nächsten Kapitel: Düstere Erinnerungen. Wer so nett ist, einen Kommentar zu hinterlassen, bekommt von mir, wie gewohnt, eine ENS, wenn ich sehe, dass das neue Kapitel freigeschaltet wurde. bye hotep Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)