Die erste Liebe oder wie es hätte sein können... von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 6: Ein unerwarteter abendlicher Gast -------------------------------------------- Es war ein kalter nasser Abend, für diese Jahreszeit vielleicht etwas zu kalt. Doch insgesamt hatten sie diesen Herbst großes Glück mit dem Wetter gehabt. Nur heute regnete es in Strömen, wo alles doch mit einem Sommergewitter angefangen hatte, blieb das Unwetter aber bestehen und wanderte nicht weiter. Oscar sah von einem Fenster im Salon, wie sich langsam Unebenheiten im Boden zu Pfützen mit Regenwasser füllten und sich zunehmend ausweiteten. Es schien gar nicht mehr aufzuhören. Wie üblich war sie in Gedanken, aber hatten ihre Grüblereien in den letzten Wochen sich zu neuen Themen bekannt. Besser gesagt zu einem Neuen Thema- André Grandier. Die Begegnung, die sie mit ihm im Pferdestall hatte lag über eine Woche zurück. Die ganze letzte Woche blieb keine Zeit für ihn. In Paris gab es neue Probleme. Ein Maskierter trieb sein Unwesen, schlich sich in die Häuser der Adeligen ein und verteilte anschließend das Diebesgut in den Pariser Armenvierteln. ‚So wichtig meine Arbeit auch ist, ich wünschte ich hätte mehr Zeit für André. Ich bin noch nicht einmal dazu gekommen ihm meine wahren Gefühle zu gestehen!’ Wie sollte sie es am Besten anstellen, dachte Oscar. Ihr war es wichtig, die richtigen Worte zu finden. Es musste der richtige Moment sein. Sie wollte nicht jemandem zwischen Tür und Angel sagen, dass sie ihn liebte. Vielleicht aber war der richtige Moment gerade heute. Oscar musste schmunzeln. Sie könnte doch einfach in ihr Zimmer gehen und vorher ihr Kindermädchen bitten, dass André ihr vor dem zu Bett gehen noch einen Tee bringen möge. Auch konnte sie in den alten Sachen ihrer Schwestern nach weiblicher Unterwäsche suchen. Nein, diese Idee musste sie gleich wieder verwerfen. Lieber würde sie sich ganz nackt in ihr Bett kuscheln. Einander langsam auszuziehen hatte ihnen schon genug Zeit geraubt. Oscar war sich sicher, dass das ihrem Geliebten gefallen würde um den Raum in eine sinnlichere Stimmung zu bringen würde sie noch heimlich einige Kerzenständer aus dem Hause zusammensuchen. Warum nicht, worauf sollte sie warten? Der Regen würde gegen die Fenster prasseln und sie und André wären einander ganz nahe. Sie blicke noch einmal kurz, bevor sie ihren Plan in die Tat umsetzen würde, auf dem nassen Hof der von einem kleinen See in Besitz genommen würde. Doch was war das? Eine Gestalt am dunklen Horizont? Ein Reiter war zu erkennen. Er versuchte verzweifelt den Willen der Natur zu brechen und sich einen Weg durch das Unwetter zu bahnen. Wer konnte das wohl sein? Welche Person würde einen Boten bei diesem Wetter schicken? überlegte Oskar, oder war es etwa kein Kurier der durch die Pappelallee ritt? Plötzlich hatte Oscar den vermeintlich Fremden erkannt. Es war Graf Hans Axel von Fersen. Doch warum kam er zu dieser unseligen Stunde hier aufs Anwesen? Graf von Fersen kam völlig durchnässt bei der Tür herein und richtete außer Atem seine ersten Worte sogleich an Oscar „Oh, mein Gott Oscar, es tut gut euch zu sehen. Ich war gerade auf dem Weg nach Paris. Ich hatte eine befreundete Adelsfamilie am Land besucht und nun hatte mich einige Kilometer vor euerm Anwesen eine Graue Front mit Wassertropfen so groß wie Pistolenkugeln erwischt.“ Von Fersen streifte sich seinen Umhang und Hut ab den er dem Zimmermädchen in die Hand drückte die soeben das Tor geschlossen hatte. „ Euer Gewand ist wohl auch nicht verschont geblieben wie ich sehe.“ sagte sie „Ich werde sofort um frische Sachen für euch schicken lassen. Ich schätze ihr und André habt die gleiche Größe.“ ‚Ich kann mir nicht helfen’, dachte Oscar ‚der Graf in der nassen Kleidung erinnert mich sofort wieder an André. Wie er so vor mir gestanden hat in seinem nassen Hemd, die kräftigen Brustmuskeln und die leicht gebräunte Haut, die ich durch den weißen Stoff schimmern sah...’ “Last nur Oscar! So schlimm ist es auch wieder nicht. Es genügt mir schon, wenn ich mit euch beim Kamin sitzen kann, um mich zu erwärmen und ein Gläschen Wein könnte auch nicht schaden“, wandte sich der Graf ihr zu. ‚Großartig jetzt hat er mich wieder aus meinen Gedanken gerissen’ dachte sie. „ Ich werde sofort Wein bringen lassen“, antwortete sie von Fersen. „ Ach, bitte bring uns einem Bordeaux in den Salon Clodette“, richtete sie ihre nächsten Worte an das Dienstmädchen. Oscar und der Graf hatten sich in die wohlig warmen, kuscheligen Sessel beim Kamin niedersinken lassen. Von Fersen schien sich auch schon ein wenig erwärmt zu haben. „Oscar,“ markierte der Graf „ wenn ich schon einmal die Gunst eurer Anwesenheit genießen darf , würde ich euch gerne von einer Begebenheit erzählen und eueren Standpunkt dazu hören.“ „Nur zu!“ bat sie. „Ich bin vor einigen Wochen auf einem Ball in Versailles gewesen, dort ist mir eine außergewöhnliche eindrucksvolle Frau begegnet. Angeblich eine ausländische Gräfin. Leider habe ich sie an diesem Abend aus den Augen verloren und niemand weiß auch nur im geringsten Bescheid über diese Dame. So kam mir der Gedanke vielleicht wüsstet ihr...“ Oscar wurde es zunehmend mulmig. ‚Hat er mich etwa erkannt? Und wenn ja, warum ist er hier? Will er sich für sein Verhalten entschuldigen, da er wusste, dass ich es war? Ich seine enge Freundin Oscar und nicht eine unbekannte Dame aus der adeligen Gesellschaft. Wird er mich fragen warum ich so schnell reiß aus nahm? Verdammt Oscar, denk nach! Was ist die geeignetste Antwort für diese Geschichte?’ dachte sie. “Eine interessante Geschichte Graf von Fersen,“ entgegnete sie „aber glaubt mir, obwohl ich die ganze letzte Woche am Hofe zu gegen war, trifft eure Beschreibung auf keine der mir bekannten Damen zu. Ich muss euch leider enttäuschen.“ Oscar nahm triumphierend ihr Glas Bordeaux in ihre rechte Hand, um sich sogleich einen Schluck von dem herbwürzigen Aroma auf ihrer Zunge zergehen zu lassen. Als sie gerade dachte, dass sie von Fersen überzeugt hatte, griff er nach ihrer Hand. Sie war sehr erschrocken und das Glas zerschellte am Boden. Sie sprang im Schock sofort hoch. Doch er ahmte ihr Verhalten nach und hielt sie weiter fest. Beide standen sich nun gegenüber, knapp ein halber Meter war noch Platz zwischen ihren beiden Körpern. Sie versuchte seinem Blick zu entfliehen, in Gedanken konnte sie sich schon zusammen reimen, was er sogleich zu ihr sagen würde. Aber keiner der beiden hatte bemerkt, dass unterdessen diese Szene der Vertrautheit nicht mehr unbeobachtet geblieben war. Soeben hatte André die Vorhalle betreten und blieb in Türrahmen stehen. Über die Situation, in die er hinein gestolpert war und die sich im Salon abzuspielen schien, war er keineswegs erfreut. Er war, nichts ahnend, in eine Intime Begebenheit zwischen seiner Oscar und dem Graf von Fersen geraten. ‚Warum hält er ihre Hand fest?’ Fragte sich André und im nächsten Moment nahm er mit Schrecken wahr wie er mit seiner freien Hand dazu ansetzte ihr Haar zu berühren. André traf es wie ein Pfeil ins Herz. Er konnte sich nicht mehr bewegen, seinen Blick nicht mehr abwenden. Im nächsten Moment bekam er nur noch mit, dass Oscar sich los riss und an ihm vorbei lief, die große Einganstür öffnete um weiter ihre lauten Schritte zu hören als sie durch die Wasserpfützen schnellte. Gott sei Dank war der Regenguss vorbei und sie würde nur mehr nasse Füße davon tragen, bei ihrem Versuch einer unliebsamen Situation zu entkommen. ‚War dass nicht gerade André gewesen an dem sie so vorbei gestürmt bin?’ Sie war sich nicht sicher und wenn doch, was würde er jetzt über sie denken? Über sie und Graf von Fersen? Oscar konnte sich ausmalen wie verletzt er sein würde, wie das für ihn ausgesehen haben muss. ‚André denkt vielleicht ich spiele nur mit ihm. Jetzt da ich auf den Geschmack der Männer gekommen bin....’ Platsch, verdammt jetzt war sie wirklich nass. Die große Lache, die sie übersehen hatte war ein schönes Zeugnis des soeben stattgefundenen Naturschauspiels. Das dreckige Wasser rann ihr in ihre Hausschuhe, mit denen sie ohne nur im Geringsten an die Nässe zu denken das Haus verlassen hatte. An der Stalltür blieb sie keuchend stehen und die nasse, kühle Luft zirkulierte durch ihre Lungen. Sie spürte die Feuchtigkeit des Holzes unter ihren Händen das durch den Regen sehr viel Wasser in seinen Poren speicherte. ‚Ich hatte gehofft, dass so ein Moment nie kommen würde’ dachte Oscar. Von Fersen war immer ein loyaler Freund gewesen, aber dass er sie jetzt, als Frau ansah und ihr leidenschaftliche Gefühle entgegenbrachte war ihr zu viel. Nur wusste sie allzu gut, dass sie an der ganzen Situation die Schuld hatte. Sie war für ihn in das bezaubernde Ballkleid geschlüpft. Sie wollte doch von ihm als Frau wahrgenommen werden. Wenn sie nicht so blind gewesen wäre, dann hätten all diese Verwirrungen nie stattfinden müssen. Sie könnte seit Jahren mit André glücklich sein. Das wollte sie doch so gerne. Plötzlich breitete sich ein flaues Gefühl in ihrem Magen aus. Was war, wenn sie alles soeben zerstört hatte. Sie musste zurück ins Haus und sich der Situation stellen. ‚Ich muss einfach von Fersen erklären, dass es ein Missverständnis war. Aber wie sollte sie die Begebenheit auf dem Ball berichtigen? Ich kann doch Axel nicht einfach sagen, -tut mir Leid, aber als ich mit dir getanzt habe, damals im Fluss der Melodie, habe ich plötzlich begriffen, als ich in deine Augen sah und deine Berührungen spürte, dass ich einen anderen Mann liebe.-‚ Nein, das konnte sie nicht! Nun hatte der Graf Oscar erreicht. Er war zwar im ersten Moment des Schrecks stocksteif stehen geblieben, konnte aber nicht umhin ihr zufolgen. „Oscar, warum seid ihr vor mir davon gelaufen? Ich dachte ihr würdet mir Gefühle entgegenbringen? Der Ball, an jenem Abend. Das Kleid ihr wart so bezaubernd, alles schien so eindeutig für mich. Wie schon lange geplant.“ Bemerkte er mit sanfter fragender Stimme. „Graf von Fersen, Hans Axel…“ Antwortete Oscar mit einem Tonfall des bedauern. „Ja ich wollte auf dem Ball mit euch tanzen und ich komme nicht umhin euch zu sagen, dass ihr mir viel bedeutet, aber als guter, enger Freund. Mehr habe ich nicht zu geben. Ich bitte euch, fragt nicht nach. Nehmt meine Worte in Freundschaft an.“ „Oscar, warum...Ich...“ platzte der Graf in ihre Ausführungen, aber sie ließ ihn nicht zu Worte kommen, da sie endlich bereit war jemanden die Wahrheit zu sagen, die seit Tagen an ihrem Herzen zerrte. „Es tut mir leid, dass ich mit meinen Gefühlen so heraus platzen muss, aber ihr verdient die Wahrheit, wenn ihr danach fragt. Ich habe Gefühle für einen anderen Mann. Ich wollte mich ablenken, deswegen war ich wohl auf diesem besagten festlichen Ereignis. Ich wollte ihm und meinen Gedanken entkommen. Einmal, nur einen Abend, eine andere Oscar sein. Für mich wissen ob ich dieser Bestimmung entfliehen könnte. Doch ich glaube, nein, ich bin mir sicher, dass ich diesen Gefühlen nie mehr entkommen kann. Ach, Axel gerade ihr müsst verstehen was ich empfinde. So wie ihr Marie Antoinette liebt...“ „Du musst nicht weiter sprechen geliebte Oscar. Ich verstehe dich gut. Ich hätte auch der Liebe zur Königin nie entkommen können, auch wenn ich dachte du wärst vielleicht ein Rettungsanker. Aber man kommt gegen die Vorbestimmung nicht an“, sprudelte es aus Axel heraus. „Das Schicksal scheint es mit unserer Freundschaft nicht gut gemeint zuhaben. Wir bürden dem anderen nur Geheimnisse auf...“bemerkte Oscar traurig. „Das sehe ich anders Oscar, all jene Dinge bringen uns nur noch näher zusammen. Wir teilen miteinander verborgenes. Gegebenheiten und Gefühle, die geheim bleiben müssen in meinem Fall und sollten in deinem.“ Gab ihr der Graf zu verstehen. „Axel, ich bin froh, dass du die Situation so sehen kannst. Ich hatte Angst mit dir über jene Probleme zu sprechen. Weißt du ich hatte immer Angst. Angst davor, dass sich zwischen mir und einem Mann etwas entwickeln hatte können. Sei es emotionale oder leidenschaftliche Bande. In meiner Position ist das mit vielen Schwierigkeiten verbunden! Daher bin ich umso mehr Froh, dass zwischen uns beiden nun alles geklärt ist.“ sagte sie glücklich. „ Da die Welt jetzt wieder in Ordnung ist werde ich nun euer Anwesen verlassen. Ich bitte euch noch einmal um Verzeihung. Ich bin auch nur ein Mann und eure Schönheit, in diesem bezaubernden Kleid machte mich schwach.“ musste von Fersen zu geben. „Ach Axel, vergessen wir das einfach. Danke, dass du mir gehör geschenkt hast!“ Das sagte sie mit ernster Miene um dem gesagten mehr Ausdruck zu verleihen. „Tut mir noch einen gefallen Oscar.“ bat sie der Graf „Geht schnell zu André und erklärt ihm alles. Er hat vorher fürchterlich niedergeschlagen ausgesehen und ich habe die Situation verkannt und zu ihm gesagt. „Ich weiß auch nicht was Oscar heute wieder hat. Sie sucht immer meine Nähe, dann nimmt sie aber plötzlich reiß aus.“ Das Gesagte machte ihr Angst. „Ich werde sofort nach ihm sehen. Und um Andrés Willen sollten wir einander einige Zeit nicht sehen. Er muss sich erst meiner völlig sicher sein!“ „Ja, das verstehe ich.“ Und Axel holte sein Pferd. Im nächsten Augenblick war er auch schon aufgesprungen und rief ihr im Losreiten zu „Werdet glücklich Oscar Francois de Jarjayes, das wünsche ich euch von ganzen Herzen!“ Oscar lief ihm noch einige Meter des Weges hinterher. „Das verspreche ich euch und wenn wir einander das nächste Mal sehen, wird alles wieder so sein wie damals. Wir drei werden gute Freunde sein, gemeinsam fechten und über die sommerlichen Felder reiten.“ Sie konnte nur noch aus der Ferne vernehmen“ Ja, so wird es sein Oscar!“ Dann drehte sie dem davon reitenden Fersen ihren Rücken zu, um in Richtung Haus zu gehen. Sie kam bei der großen schweren Eingangstür herein und zog sogleich ihre Schuhe aus, die zwischenzeitlich völlig mit kaltem Regenwasser voll gesogen waren. Im Kaminzimmer war noch immer Licht, draußen setzte nämlich langsam die Dämmerung ein, dass ihr die Vorhalle schon richtig duster vorkam. Oscar sah sich den Boden an. Sie konnte schon von der Weite aus die Glassplitter funkeln sehen. So machte sie sich sofort daran, alle einzusammeln und überlegte, was gerade zwischen ihr und von Fersen passiert war. Sie war gerührt und glücklich einen guten Freund nicht verloren zu haben. Die Begebenheit mit dem Grafen war ihr seit dem Ball so peinlich gewesen und jetzt viel ihr wirklich ein großer Stein vom Herzen, aber nicht nur deswegen. Sie hatte von Fersen von ihrer Liebe zu André erzählt. Er war der erste Mensch der es wissen durfte, der Schleier ihrer Liebe würde sich zunehmend lüften. Ihr stiegen Tränen der Freude in ihre Augen. Als sie so gebückt kniend ihre Arbeit verrichtete hörte sie Schritte, die sich auf sie zu bewegten und sie wusste, dass es André war. „Oscar, brauchst du Hilfe?“, fragte er sie. Das waren beinahe die schwersten Worte in seinem Leben gewesen, denn in seinem inneren zersplitterte, so wie vorher das kristallene Weinglas, sein Herz. Es fiel ihm äußerst schwer nicht krampfhaft zu atmen und seine Tränen zurückzuhalten. Aber André wusste, dass es auch weiterhin seine Aufgabe war sich um Oscars Belange zu kümmern. Was auch immer zwischen ihnen war. Er war direkt dankbar, als sie seine Hilfe ablehnte. So konnte er für sich alleine sein und seiner großen Liebe nachtrauern...... Unterdessen suchte Oscar auch die kleinsten Scherben aus dem Boden zu picken. ‚André wie lieb du doch bist’ dachte Oscar. ‚Du strahlst so eine bedachte Ruhe aus. Wenn ich mit dieser verdammten Arbeit Fertig bin, werde ich heute nur mehr für dich da sein.’ Sie wollte ihm einfach die Arbeit abnehmen. Die letzten Scherben würde sie nur noch entsorgen und sich trockene, warme Kleidung anziehen. Dann würde sie nur André gehören, den ganzen Abend und über die Nacht hinaus. Sie könnte ihm all ihre Liebe gestehen und auch erzählen, dass selbst Fersen es schon wusste. Oscar zauberte sich ein Lächeln aufs Gesicht, als sie an den erstaunten Blick, den André machen würde, dachte. Nachdem André sich von Oscar abgewandt hatte, ging er in den großen Salon. Die großen Fenster zeichneten sich nur noch als Silhouetten ab. Er stellte sich ganz dicht an das kalte leblose Glas, die Dunkelheit war längst schon über die nassen Wiesen und Wälder gekommen. Der Nebel und die Konzentration der Wasserpartikel in der Luft, wichen langsam einer Nacht in der man vereinzelt Sterne erkennen konnte, aber nur wenn man sich Zeit nahm und die sie verdeckenden Wolken vorbei ziehen ließ. ‚Warum sind überhaupt noch Sterne zu erblicken, wenn doch für mich das Firmament nie wieder leuchten wird können’ dachte André. ‚Mit dir Oscar geht jeder Glanz von meiner Welt verloren. Das Erlebte mit dir war so unwirklich, unwirklicher, als ein Traum, oder meine Fantasie. Und doch wäre und ist es der einzige Wunsch den ich jemals in meinem Leben hatte und haben werde. Nur du könntest mich wunschlos glücklich machen.’ André berührte den Fensterrahmen mit seiner linken Hand, während er durchs Fenster blickte Es hatte für ihn eine beruhigende Wirkung über das lackierte Holz zu streichen, die Feinheit der Maserung zu erspüren. Er betrachtete den Hof und war überwältigt von der Allmacht der Natur, die in ihren tosenden Kampf der Luftströme auch Äste brechen hatte lassen. Das würde morgen einiges an Arbeit geben, seufzte er kurz auf. Aber so sehr er seine Aufmerksamkeit auf andere Dinge richten wollte, sie floss immer wieder zurück, zurück zu Oscar. Was empfand sie nur für von Fersen? Was war zwischen ihnen vorhin passiert oder auf dem Ball? Warum hatte sie nur geweint? Und auch heute hatte sie wieder Tränen in den Augen. Sie war nie ehrlich zu ihm gewesen, sie hatte an jenem Abend nie klargestellt warum sie so traurig gewesen war. ‚Was bin ich nur für dich Oscar?’ musste André sich selbst fragen. ‚Bin ich nur dein stiller Liebhaber, weiterhin dein Spielgefährte. Ist es vielleicht so, dass ich nur der gute Freund bin mit dem du die ersten aufkeimenden Gedanken der Lust erprobst, oder mehr? Besteht noch Hoffnung für mich. Für uns?’ Oscar hatte nie gesagt, dass sie ihn lieben würde, erinnerte er sich. ‚Oder sie liebt wirklich von Fersen.’ Nein, André schlug mit der zusammengeballten Faust gegen die unkenntliche Kalkwand aus Finsternis, dass Geräusche des Schmerzes seinen Mund verließen. ‚Nein ich möchte nicht mehr daran denken müssen’ und Tränen machten sich in seinen dunklen obsidianfarbenen Augen, die die Nacht verhüllte, breit. ‚Wir müssen miteinander sprechen’ sagte er zu sich unter Tränen. ‚Wir werden um eine Aussprache nicht herum kommen, aber nicht heute. Heute ist schon zu viel passiert. Pferde sind auch gute Zuhörer’ dachte er und so verließ er das Haus. Leise ohne jemanden zu begegnen, schlich er sich durch die Hintertür und machte sich auf in den Stall. Selbst dort würde ihn alles an sie erinnern, aber noch weiter konnte er nicht davon laufen. Unterdessen hatte sich Oscar neu eingekleidet, und sogar Parfum aufgetragen. Vorsichtig schloss sie ihre Zimmertür. Sie würde kein Licht machen, sie fürchtete ihr Vater könnte sie sehen. Der General hielt sich gerade mit ihrer Mutter in der Bibliothek auf und erzählte der armen wahrscheinlich von heroischen Schlachten und penibel ausgeklügelten Schachzügen der Befehlshaber. Oscar musste immer wieder ihre Mutter bewundern wie sie ihm ruhig und aufmerksam lauschte ohne, dass es sie scheinbar zu interessieren schien. Sie huschte leise über die breiten Treppen hinunter, auf dem Weg zu Andrés Gemach. Dort angelangt überlegte sie kurz ob sie klopfen sollte, sie entschied sich aber einfach so einzutreten. Von draußen schon konnte sie kein Licht erkennen und jetzt wo sie an der Türschwelle verweilte sah sie kaum ihre eigene Hand vor Augen. Oscar machte noch zwei Schritte nach vorne und schloss dann die Tür im Anschluss flüsterte sie leise „André, ich bin es. Ich hoffe ich habe dich nicht geweckt, aber es ist sonst nicht deine Art so früh schlafen zu gehen, André?“ Vorsichtig tastete sie sich weiter bis sie die Umrisse von seinem Bett erkennen konnte. Oscar holte nochmals aus „André, schläfst du schon? Ich bin nur hier um mit dir zu reden.“ Und sie setzte sich an den Bettrand und suchte seinen warmen Körper mit ihrer Hand. Doch André war nicht zu finden. Er hielt sich nicht in seinem Zimmer auf. ‚André verdammt, wo bist du nur? Ich bin doch nur hier um zu sagen, was ich schon so lange hätte sagen sollen’ und Oscar ließ sich auf sein Bett fallen „André ich liebe dich, und wie ich dich liebe!“ sie vergrub ihre Finger in seiner Decke und hielt sie fest an ihren Körper gedrückt. Sie roch noch leicht nach ihm. Es war schon Tage her seit dem sie ihn nahe bei sich gespürt hatte. Dieser Geruch erinnerte sie wieder detailgetreu an seine Berührungen und ein Schauer lief sogleich über ihren Körper. Sie wollte ihn so gerne bei sich spüren. Sanft mit ihren Fingern über seine nackte Haut streichen seine sinnlichen Lippen berühren, sein Haar in ihrem Gesicht kitzeln spüren. Sie wollte seine kräftigen Hände auf ihrem Körper fühlen. Sie legte die Decke beiseite, so dass sie mit ihrem Kopf seitlich darauf zu liegen kam. Oscar fing langsam an sich mit ihrer Hand sanft über den Hals zu streichen und über ihr Seidenhemd, sodass sie ihre weiblichen Rundungen ertastete. Sie lag hier in seinem Bett und er schien ihr so Nahe zu sein, sie konnte ihn ja sogar riechen. Oscar strich sich unterdessen mit dem Zeigefinger ihrer anderen Hand zärtlich über ihre Lippen. Mit der anderen Hand war sie zu ihrer Hose weitergewandert. Es kostete ihr nur Sekunden sie zu öffnen und sie setzte sogleich ihre Erkundungen fort. Immer tiefer glitt ihre zarte Hand in noch unerforschte Regionen. Ihr wurde immer wärmer, ein angenehmes Gefühl begann sich in ihrem Körper auszubreiten. In Gedanken spürte sie André über sich. Sie fühlte seine männliche Statur, er hielt sie fest und küsste sie leidenschaftlich. Bei dieser Phantasie begann ihr Körper mehr und mehr zu glühen auch ihr Atem wurde zunehmend schwerer und sie fühlte ihr Herz schneller und schneller schlagen. Sie konnte nicht umhin dabei ständig seinen Namen zuflüstern. Plötzlich schienen sich alle Empfindungen in einem Punkt ihres Körpers zu sammeln nur um sich dann völlig in ihr auszubreiten. Oscar musste sich sehr zusammenreißen nicht laut aufzuschreien. In letzter Sekunde konnte sie noch die Decke mit ihren Zähnen fassen und biss sich fest im Stoff, um den Laut der ihr emporgestiegen war zu unterdrücken. Langsam lies sie die Decke wieder los und sie seufzte erleichtert auf. Sie bewegte sich nicht mehr und genoss nur noch den Moment, mit der Untermahlung ihres laut schlagenden Herzens. Oscar blieb noch einige Minuten in völliger Entspannung in seinem Bett liegen, bevor sie beschloss wieder ihr eigenes aufzusuchen. Sie hatte zwar nicht das erreicht wofür sie gekommen war, aber sie musste gedanklich anmerken, dass es sich trotzdem wirklich gelohnt hatte. ‚Wozu bringst du mich nur André. So etwas wäre mir früher nie eingefallen’ musste sie feststellen, als sie sich in ihr Bett legte und zufrieden einschlief. Leider hatte André nicht so einen seligen Schlaf wie seine Oscar. Er wachte ständig auf und zunehmend fror es ihm. Er hatte sich entschlossen doch wieder ins Haus zu gehen. Es war nicht mehr Sommer und man konnte die Kälte die sich durch die Holzritzen ihren Weg bahnte wirklich deutlich spüren, noch dazu nach dem heutigen Regen. ‚Eine Erkältung würde meiner miesen Stimmung gerade noch fehlen’ dachte er schlaftrunken und missmutig. Er schloss leise die schmale Eingangstür hinter sich. Wieder breiteten sich Flure der Dunkelheit vor ihm aus, jedoch hätte er den Weg nach all den Jahren auch blind finden können. Er betätigte die Schnalle und betrat seine Kammer. Irgendetwas war anders. André merkte es sofort. Er wusste aber nicht was es war. Alles war doch am rechten Ort. Er streifte sich seine Kleidung ab und legte sich in sein Bett. Alles schien wie immer zu sein, nur war die Decke etwas verknittert. Das sah seiner Großmutter gar nicht ähnlich. Sie hätte es nie zugelassen, dass so ein Bett aussehen würde, dass sie gemacht hatte. Aber dieser Geruch, in seinem Bett roch es nach Rosenwasser mit einer Prise Lavendel. Es roch nach Oscar!? Er war sich ganz sicher. Vorerst setzte er sich nochmals auf um sicher zu gehen, dass er nicht träumte. Was roch hier so verdammt nach seiner Angebeteten und im nächsten Moment war er sicher, dass es die Decke war. André überlegte und war plötzlich wieder sehr munter. ‚Oscar muss hier gewesen sein! Wenn ich aber nicht hier war, warum war sie in meinem Bett? Und warum ist sie jetzt nicht mehr hier?’ Verdammt noch mal er musste sich wieder daran erinnern, was am gestrigen Tag passiert war. Warum sollte sie auch in seinem Zimmer bleiben, wenn sie einen anderen Mann liebte. Aber warum war sie hier gewesen. Und warum roch es so nach Parfum. Er hätte es untertags gemerkt, wenn sie so stark gerochen hätte. ‚Mag es etwa sein, dass ich mich geirrt habe und du doch zu mir wolltest Oscar?’ dachte André. Ja, es musste so sein, seine Gedanken hatten sich nun von dieser Vorstellung einfangen lassen. ‚Vielleicht sollte er jetzt gleich zu ihr gehen?’ Diese Idee musste er aber verneinen, da es wohl schon sehr spät war. So kuschelte er sich in seine Decke und hielt sie fest an seinen Körper gedrückt. Dieser Geruch erinnerte ihn so sehr an sie. Es war schon Tage her seit dem er ihr nahe gewesen war, ihren warmen Körper an seinem gefühlt hatte. Dieses Parfum raubte ihm die Sinne, er war verrückt nach ihr. Die Erinnerung an ihre zarten Berührungen ließen ihn völlig erschaudern. Oscar ich hätte dich so gerne bei mir! Bei der Vorstellung, die sich zunehmend in seinem Kopf breit machte, dass seine Geliebte vor kurzen noch hier gewesen war, wanderte Andrés Hand langsam über seine leicht angespannten Bauchmuskeln, über seinen Nabel hinweg hinunter, immer tiefer bis sie schließlich Halt fand… Nun konnte auch André endlich gut einschlafen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)