Die erste Liebe oder wie es hätte sein können... von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 3: Ein Menuett des Verliebens ------------------------------------- Jahre später... ‚Ein Kleid! Mademoiselle wünscht ein Kleid anzuziehen’, wirbelte die Nanny umher und scheuchte die Dienstmädchen auf, die sich gerade dazu bereit gemacht hatten ihren wohl verdienten Feierabend zu genießen. Die Küche war nach dem Abendbrot längst gereinigt worden. Gäste gab es an diesem Tag keine, außer Oscar und ihrer Mutter, war nur André anwesend gewesen, der sich aber verspätet hatte. So wirkten die Dienstboten ganz verwirrt, als nun der Ruf nach einem Kleid erschallte. Ein Mädchen blickte das andere mit ausdruckstarken Augen an, mit der unausgesprochenen Frage auf den Lippen- Für wen? Dann brach die Älteste die Stille „Könnte es sein, für Lady Oscar?“ bevor sie fertig ausführen konnte, unterbrach sie auch schon die Nanny „Für wen denn sonst? Die Lady wünscht heute auf einen Ball zugehen!“ ‚Das Mädchen, nein, langsam muss ich mich daran gewöhnen,’ berichtigte die Nanny sich, ‚dass Oscar eine junge Dame ist. Und endlich wird sie vernünftig. Ein Kleid zu tragen ist ein guter Schritt.’ Ihre Augen glänzten voll Sehnsucht auf den kommenden Moment, ihre Oscar würde das erste Mal ein Kleid zur Schau stellen. Wie lange hatte sie gebeten und gebettelt, dass so etwas passieren würde, aber zum Freuen gab es noch genug Zeit. Zuerst müsste das Kleid überhaupt angezogen werden und sie richtete ihre Worte wieder an die Mädchen „Steht nicht so herum, beeilt euch!“ damit hatte sie die drei endgültig von ihren Gedankenspielen über Oscar in einem Ballkleid befreit. Andre wäre mit seiner Großmutter fast im Flur zusammen gestoßen.Sie fauchte ihn nur an „Steh doch nicht immer im Weg herum!“ „Aber Großmutter wo wollt Ihr denn so schnell hin? Außerdem, was ist mit diesem Kleid?“, André war verblüfft. „Dieses Kleid ist für Lady Oscar!“, erwiderte seine Großmutter bestimmt. Andre blieb mit halb offenem Mund stehen. Er brachte gerade noch mit einem Hauch an Gelächter in seiner Stimme heraus „Oscar in einem Kleid?“ „Ja. Das braucht euch nicht alle so zu wundern, sie wird heute als Dame in der feinen Gesellschaft verkehren, tanzen und die Nacht genießen. Jetzt halte mich nicht länger auf, hörst du!“, schallt ihn seine Großmutter. André hatte es sich, während die Anprobe oben Gestalt annahm, im Salon gemütlich gemacht. Oscar und ein Kleid, er konnte es einfach nicht glauben. Er musste schmunzeln. Sie würde mit einem Mann oder sogar mit mehreren tanzen. Nein, das würde niemals gut gehen. Wahrscheinlich war es ihr auch jetzt schon zu viel. Sie würde gleich hinunter kommen und diesen unsegnungswürdigen Versuch abbrechen. In ihrer Uniform da stehen und sagen: André hast du die Kutsche schon vorfahren lassen? Ja, das war seine Oscar wie er sie kannte und.... nein, diese Nacht wollte er nicht mit Gedanken an Oscar verbringen, aber sie drängten sich ihm immer wieder auf. Ihr Bildnis fand immer ein Schlupfloch in seinen Kopf, sogar seine Träume blieben nicht von ihr verschont. Alles, einfach alles, brachte er mit ihr in Beziehung. Ein laues Sommerlüftchen besaß für ihn nur Schönheit, wenn es durch ihr goldenes Haar strich und ihre Strähnen in einem neuen Muster wieder auf ihre Schultern fallen ließ. In allem lag nur Faszination, wenn er es mit ihr teilen konnte, erst sie zauberte die Pigmente auf das Gemälde seiner Welt. Leider verbrachten sie nicht mehr so viel Zeit, wie früher miteinander. Oscar wurde zunehmend eigenartiger ihm gegenüber. Sie sah ihn manchmal musternd an, ganz ohne Grund. Wenn er mit seinem Blicken auf ihr ruhte, was er zwar zu vermeiden versuchte, wirkte sie nervös, wie wenn sie etwas zu verbergen hätte. Seine Kameradin seit Kindestagen, wandte sich oft von ihm ab, wollte ihre Ruhe. Besonders als Graf von Fersen vor einem Monat aus Amerika zurück gekommen war, nahmen ihre Eigenarten einen ungeahnten Höhepunkt an. André seufzte laut, um sich eine kurze Pause zu gönnen. ‚Warum hat Oscar mich und den Grafen so eindrücklich beobachtet? Aber wahrscheinlich mache ich mir wieder zu viele Gedanken, sie dachte sicher an die Königin, immer besorgt um Marie Antoinette.’ Plötzlich vernahm er eine Tür, die im Oberen Stock aufgemacht wurde „André!“, hallte eine Stimme „Sieh nur Lady Oscar!“, er sprang sofort auf und schnellte zur Treppe. Es verschlug ihm die Stimme, was er da herabschreiten sah. Sie beraubte ihm all seiner Sinne, wie oft hatte er sich Oscar in einem Kleid vorgestellt, aber selbst in den kühnsten Träumen eines liebestrunkenen Jungen hätte es nicht schöner sein können. Oscar war ein Engel, eine Göttin die den Olymp hinabstieg. Dieses Bild brannte sich in seine Erinnerung ein und würde ihm noch viele schlaflose Nächte bereiten. Wenn er nicht schon eine Ewigkeit in sie verliebt gewesen wäre, dann wäre das jetzt der magische Moment gewesen, der die gesamte Identität eines Menschen in eine neue Richtung gelenkt hätte. Oscar betrat den Ballsaal. Sie blieb bei einer Marmorsäule stehen, die Säule war kalt und hatte etwas von dem Gefühl, wenn man mit bloßen Fingern über den Schaft eines Degens im Winter und nach einem langen Ritt streicht. Es erschauderte ihr bei dem Gedanken. Sie fröstelte sowieso schon. Normalerweise, wenn sie einen Ball besuchte, war sie in mehrere Schichten Stoff gehüllt, der von ihrem Körper kein Detail preisgab, bis auf ihren Hals und Kopf. Aber jetzt… Ihr Kleid hatte einen tiefen Ausschnitt am Rücken und auch ihr Oberkörper kam ihr zu spärlich bekleidet vor. Das Ballkleid zwickte überall und das Mieder raubte ihr schon die Luft, auch wenn sie ganz still stand. Ihr wurde schwindelig. All jene Damen die anwesend waren, trugen so eine Mode Tag für Tag, ohne nur darüber nachzudenken. Es war für adelige Frauen die normalste Sache der Welt. So musste sich Oscar in Erinnerung rufen, dass sie diesmal als Gräfin bei Hofe war und nicht als Kommandant der königlichen Garde. Es würden von nun an, an diesem Abend, andere Spielregeln gelten als sonst. Sie würde sich heute immer wieder in Gedanken rufen müssen, wie man sich als Frau bei Hofe benahm.Warum hatte sie sich das nur angetan, waren auch schon ihre nächsten Empfindungen. Sie wusste es auch nicht. Scheinbar wollte sie einmal nur spüren, wie es ist, dass alle sie, Oscar Francois de Jarjayes, als Frau wahrnahmen. Sie musste schmunzeln, wahrscheinlich würde sie sowieso niemand erkennen. Ihr Aufzug hatte den Vorteil, dass sie ihrer eigenen Person entkommen konnte, eine andere Oscar sein konnte. Alle nahmen sie als Frau wahr, das bemerkte sie alleine daran, wie alle Gäste sie beäugten, mit der ungestellten Frage auf den Lippen, wer diese unbekannte, wunderschöne Dame wohl war. Und dann gab es auch noch Graf von Fersen, er war ihr irgendwie ans Herz gewachsen, vor allen in letzter Zeit, als er wieder aus Amerika zurückgekehrt war. Sie war dankbar, dass er das Anwesen in den letzten Wochen oft besucht hatte. So bekam sie einmal Abwechslung von André. Ja, ihr fiel auf, dass sie André entkommen wollte. Irgendwie war die Stimmung zwischen ihnen gereizt und aufgeladen. Es war, wie vor einem sich anbahnenden Sommergewitter. Es lag eine spürbare Spannung in der Luft, wie Elektrizität die man fühlen konnte. Sie floh vor einem nervenaufreibenden Abend, wie dem gestrigen. Leider gab es viel zu viele solche Nächte in den letzten Monaten. Es trug sich meistens so zu, dass sie in ihrem Zimmer Klavier spielte und dabei die ganze Zeit über Marie Antoinette und die zunehmenden Probleme des Landes nachdachte. Irgendwann klopfte es an ihrer schweren großen Holztür und sie wusste immer mit hundertprozentiger Sicherheit, dass es André war. Sie hatte sich immer über seine Besuche schon im Voraus gefreut. Nur war in ihrer Vorstellung alles viel angenehmer, als in der Wirklichkeit. André richtete meist einige flüchtige Worte über die Politische Lage an sie, dann fragte er, ob sie noch einen Wunsch hätte und sogleich kam nur mehr betretene Stille. Er stand nur da, lauschte ihrer Musikalität und schien zu entspannen. Sie wiederum machte das einfach zunehmend nervöser. Sie stellte sich so viele Fragen. Sie musste immer darüber nachdenken, was er gerade denken mochte. Es war alles so anders, anders als früher. André schien sich immer mehr von ihr zurück zu ziehen, sie aber trotzdem zu beobachten. Deshalb begegnete sie ihm auf die gleiche Weise. ‚Aber was sollen diese Gedanken wieder! Kann ich mich nicht einmal auf einem Ball amüsieren und alles vergessen?’, ermahnte sich Oscar. Warum sollte sie nicht tanzen. Ja, sie würde zumindest einmal mit dem Grafen von Fersen tanzen. Er war so ein edler, herzensguter Mensch und ausgesprochen gutaussehend. Da stockte ihr auch schon der Atem. Sie hatte wirklich Graf Hans Axel von Fersen erblickt und auch er hatte sie bemerkt. Sie stach für ihn sofort aus der Menge heraus. Er näherte sich ihr sogleich und sprach mit einem wohlerzogenen Ton in seiner Stimme „Dürfte ich euch um einen Tanz bitten?“ Oscar konnte nur verlegen nicken. Der Graf führte sie gekonnt über das Parkett, so dass sie sich leicht dem Takt hingeben konnte. Sie fühlte sich, als würde sie fliegen. Als wäre sie eine Feder, ein Blatt im Wind, das zielgenau durch die Luftströmungen seinen ihm vorbestimmten Weg fand und in diesem Moment war sie einfach nur glücklich. Die Musik wirkte berauschend und lud zum Träumen ein...doch von Fersen holte zu einer Bemerkung aus und riss sie aus ihrer Phantasie. „Ihr erinnert mich an jemanden,...Euer lockiges blondes Haar, Eure zarte feingliedrige Gestalt...aber beim besten Willen, wer könntet Ihr nur sein?“ bei diesen Worten drückte sie der Graf dichter an sich. Sie war noch nie einem Mann so nahe gewesen, als Frau. Als Soldatin war sie zwar schon zu ganz anderen Berührungen von männlichen Händen gelangt, aber das war etwas ganz anderes. Sie schmunzelte. Oscar konnte seine Wärme spüren. Sie merkte wie sich sein Oberkörper schnell hob und senkte im Takt der Musik. Bei manchen Schritten spürte sie sogar wie eine seiner Haarsträhnen leicht ihr Gesicht berührten. Sie nahm von Fersens Parfum wahr. Er roch sehr süß, sehr adelig und doch extravagant. Es hüllte sie beide in eine Wolke ein, um sie von den anderen Ballgästen abzugrenzen, wie ein unsichtbares Schild das sie zusammen schweißte. Oscar musste in Gedanken seinen Geruch mit dem von André vergleichen. Graf von Fersen roch nicht wie André, das wurde ihr bewusst. André roch immer nach frischem Heu, in dem Wiesenblumen des vergangenen Sommer sich eingegraben hatten. Wenn sie ihn roch, fühlte sie die Wärme der Sonne auf ihrer Haut. Sie roch ihre Kindheit, stundenlanges in der Wiese liegen und die Bilder der Wolken verfolgend... aber Fersen... er war anders. War das gut oder nicht? Wollte sie mit den Gefühlen ihrer Kindheit abschließen? Wenn sie das tat, könnte sie wohl Frau sein...Frau sein, an Hans Axels Seite! Sie blinzelte verliebt in Hans Axels Augen. Er hatte saphirblaue Augen wie tiefes Wasser. Bei diesem Anblick erschrak Oscar plötzlich. In ihrer Erinnerung hatte er doch smaragdgrüne Augen, die Lebendigkeit in ihre Gedanken zauberten und sie zum Träumen beflügelten. Damals, als er ihr das Leben rettete, sie hatte doch in seine Augen geblickt? Und doch… sie konnte sich an diese blauen Augen vor ihrem Antlitz kaum erinnern. Sie konnte sich auch so schlecht die damalige Begebenheit in Gedanken rufen. Augenblicklich merkte Oscar, wie ihr der Graf leicht über den Rücken strich, ganz behutsam so, dass sie jeden seiner Finger auf ihren unteren Schulterblättern fühlen konnte. Es erschauderte sie, zuerst dachte sie, dass es wohl ein Versehen war. Als von Fersen aber mit seinem Vorhaben fortzuschreiten begann und mit seinen Fingerkuppen auf ihrem Rücken Linien und dann wieder Kreise zog und nicht von ihrer nackten Haut ablassen konnte, spürte sie zunehmend, wie sich ein unabwendbares Gefühl in ihrem Körper ausbreitete. Er dachte wohl, wenn die Königin mit einem andren ihr Gemach teilte, warum sollte er nicht das gleiche tun? Oscar fühlte sich zunehmend unangenehmer. Ihr nackter Rücken war seinen weißen Spitzenhandschuhen schutzlos ausgeliefert. Nie hätte sich das ein Mann bei ihr erlaubt, wenn sie in Uniform gewesen wäre. Die Uniform hätte sie beschützt vor so einer Situation. Ihr war wirklich nicht mehr wohl in ihrer Haut, obwohl sie dachte, dass so eine Intimität immer ihr Wunsch gewesen war. Dass sie dieser Mann in den sie sich in einer Stunde der Schwäche und Benommenheit verliebt hatte... ‚Aber nein, es war nicht Hans Axel gewesen...’, erinnerte sie sich ‚Es war doch...’, ihr stockte der Atem. Graf Hans Axel von Fersen war es nicht bestimmt sie so zu berühren... war er etwa der Mann...? Der Mann, den sie seit ihrer Kindheit kannte? Der Mann, der wusste, wo ihr Schatz seit Jugendzeiten vergraben lag? Der, der zwischen den Zeilen ihrer Sätze lesen konnte? Der Mann, der wusste, was sie dachte ohne zu sprechen? Der, der jedes ihrer Klavierstücke auswendig kannte? Der Mann, mit dem sie in den Sonnenuntergang nach Aras geritten war? der Mann... und Oscar fiel es wie Schuppen von den Augen, der Mann, der es schon damals war. Der es immer war... der Mann... ‚den ich liebe!’ Sie stolperte bei dem Gedanken und der Graf fing sie sofort auf „Jetzt weiß ich es! Ihr seid doch...“, und Oscar nahm reiß aus bevor er weiter sprechen konnte. Oscar hatte sich am Rand des Springbrunnens wieder gefunden. ‚Was war gerade passiert?’, versuchte sie in ihrem Gedächtnis wiederzufinden. Der Graf von Fersen war von ihr angetan gewesen. Er hatte sie in seinen starken Armen gehalten, hatte sie in seinen tiefen sinnlichen Augen in Besitz genommen und sie... sie war so blind gewesen. Tief in ihrem Herzen hatte sie schon so etwas wie Verliebtheit gefühlt, aber sie hatte diese Gefühle die ganze Zeit, die ganzen Jahre dem falschen Mann zugeschrieben. Da drinnen im Ballsaal, wenn der Graf wirklich ihr Traum gewesen wäre, hätte er sich erfüllt gehabt und doch in jenem Moment hatte sie sich nichts sehnlicher gewünscht als, dass es André gewesen wäre. Sie hatte es nie zuvor richtig bemerkt, aber sie liebte ihn. Sie Oscar Francois de Jarjayes liebte André! Sie liebte André Grandier, mit ihrem ganzen Herzen! ‚André, du warst es die ganzen Jahre, wie blind konnte ich sein? Ich war besessen von einer Vorstellung...’Oscar konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten, das alles war ihr zu viel, sie wollte nur noch weg. „Oscar!“, schallte Andrés Stimme in ihrem Rücken „Endlich hab ich dich gefunden, was machst du hier draußen?“, als er sich ihr weiter näherte, konnte er sehen, dass ihre Augen ganz rot und nass waren und über ihre Wangen hatte sich die Feuchtigkeit auch schon ausgebreitet, bevor Andre noch etwas bemerken konnte, sagte Oscar weinerlich „Bitte bring mich nach Hause, André! Bring mich nur schnell weg von hier!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)