Die Legende von Sorecal von abgemeldet (Anaria) ================================================================================ Prolog: ~Prolog~ ---------------- Zwei Kinder geboren an einem Fest der Götter. Geboren in dem einen Land, doch auch vom Blut des anderen Landes. Beide sind sie von königlichem Geblüt. Beide beherrschen sie ein mächtiges Element. Beide tragen sie Licht in sich, doch wo Licht ist, ist auch die Finsternis nicht fern. Des einen Kindes Bestimmung ist es sich dem Licht zuzuwenden und dem uneinen Land Frieden zu bringen. Des anderen Kindes Bestimmung ist es sich der Finsternis zuzuwenden und das Land ins endgültige Chaos zu stürzen. Allein die Götter wissen, wer von ihnen welchen Weg wählen wird, doch nur wenn der eine Auserwählte stirbt, kann der andere Auserwählte seine Bestimmung erfüllen. Allein die Götter wissen, wer von ihnen über den anderen siegen wird. Während auf der einen Seite des Kontinents der größte Magier des Landes aus seiner Vision erwachte und sich fragte, weshalb sie nach so vielen Jahren wiedergekommen war, beteten auf der anderen Seite des Kontinents die Menschen für ihren todkranken König. „Eure Hoheit, Ihre Majestät der König wünscht Euch zu sprechen. Ich fürchte es ist so weit. Wir können nichts mehr tun.“ Der Arzt machte das Schutzzeichen der Götter und begann leise Gebete zu murmeln. Der Kronprinz erwiderte nichts, sondern machte sich sofort auf den Weg zum Schlafgemach seines Vaters. „Celden... .“ Der alte König streckte die Hand zittrig nach seinem einzigen Sohn aus. „Celden, du bist schon fast vierzig Jahre alt. Du wirst nichts Unbedachtes mehr tun, nicht wahr, mein Sohn?“ „Ich werde nur das tun, was für unser Land das Beste ist. Das ist die Pflicht eines jeden Königs. Vielleicht habt Ihr das nie gewusst“, erwiderte der Prinz ohne die Hand seines Vaters zu nehmen. Er blickte den kranken König nur mit funkelnden Augen an. „Nein!“ Die Augen des alten Mannes weiteten sich vor Entsetzen und wurden starr. „Nein, Celden! Das, was du beabsichtigst wird dir nur das Leben kosten und vielen Unschuldigen ebenfalls. Celden, höre wenigstens auf den letzten Willen deines- .“ Die Hand sank herab. Das Herz des Königs hatte aufgehört zu schlagen. „Wenn ich es nicht tue wird unser Volk untergehen“, waren die letzten Worte, die Prinz Celden noch zu seinem toten Vater sagte, bevor er das Gemach verließ. „Lang lebe König Celden von Calenias!“, riefen die vor der Tür versammelten Bediensteten und knieten sich hin. König Celden stand vor dem Fenster seines Privatgemaches, das auf den Schlosshof zeigte und blickte über sein Königreich. Heute war seine Krönungszeremonie gewesen. „Endlich“, flüsterte er entschlossen, „endlich kann ich das Leid Calenias’ beenden.“ Danach schaute er in den Himmel. „Und endlich kann ich deinen Tod rächen.“ „Eure Majestät“, sagte plötzlich eine Stimme aus dem Nichts. Der König drehte sich zornig um. „Wie oft habe ich Euch bereits gesagt, dass Ihr nicht einfach unangekündigt hier hereinschleichen sollt? Was wollt Ihr?“ „Ihr werdet für Euer Vorhaben meine volle Unterstützung haben, mein König“, erwiderte der Mann mit den eisblauen Augen lächelnd. „Das wollte ich Euch nur mitteilen.“ „Das will ich auch hoffen. Ruft meine Minister sofort in den Konferenzsaal. Ich erkläre Sorendian den Krieg!“ „Jawohl, Eure Majestät.“ „Wartet einen Augenblick, Isartas.“ Der Mann drehte sich wieder zum König um und hob seine Augenbrauen. „Majestät?“ „Ihr seid Soreander. Weshalb unterstützt Ihr einen Krieg gegen Euer Heimatland?“ Der gleichaltrige Magier lächelte wieder sein undurchschaubares Lächeln. „Ich habe keine Heimat“, antwortete er. „Ich diene nur dem, dem ich dienen will.“ ~Das Ende der Kindheit~ ----------------------- 1. Das Ende der Kindheit Ein junges Mädchen stand vor dem kleinen Schloss ihres Vaters, das sich auf einem Hügel befand. Dort hatte sie die ganze Stadt Faranko gut im Blick, deren Herrscher ihr Vater war. Das seidige, lange, schwarze Haar des Mädchens fiel ihr wellig über den Rücken. Ihre dunkelgrünen Augen waren erwartungsvoll auf das Stadttor gebannt. Sie trug nur ein schlichtes Kleid in der Farbe ihrer Augen, aber es betonte ihre schlanke Gestalt und das Weiß ihrer Haut. „Anaria, Liebes! Dein Handarbeitsunterricht beginnt jetzt. Außerdem wirst du dich erkälten. Es ist bereits Frühling, aber die Luft ist noch recht kühl“, sagte die Dame, die zu dem Mädchen getreten war. „Mutter“, erwiderte Anaria genervt, „Gräfin Dorisan ist schon da? Es ist noch zu früh. Ich werde gleich, wenn es Zeit ist, in den Gesellschaftssaal gehen.“ Lady Sarifinia war eine schöne Frau, mit hochgesteckten Locken und dunklen, gütig blickenden Augen. Nur einpaar Silberfäden im Braun ihres Haares verrieten ein wenig ihr Alter, denn ihr schmales Gesicht war faltenlos. Anaria liebte ihre liebevolle Mutter über alles, die sogar selbst nach ihrer ungezogenen Tochter sah, anstatt eine Zofe zu schicken, aber heute wollte sie nicht gestört werden. „Lasst mich bitte in Ruhe, Mutter.“ „Was ist das für ein Ton?“, mahnte die Lady, doch sie lächelte dabei. „Sag mir auf wen du bereits den ganzen Tag wartest und ich werde gehen, doch lass die werte Gräfin bitte nicht mehr so lange warten. Das ist sehr unhöflich. Du bist gestern sechzehn Jahre alt geworden und somit im heiratsfähigen Alter, also benimm dich auch dementsprechend. Dir ist es bis jetzt noch nicht einmal gelungen schlichte Muster zu sticken!“ „Ich habe nicht vor sobald zu heiraten, Mutter“, erwiderte Anaria heftig, „und ich warte auf niemanden. Ich genieße nur die Aussicht.“ „Die du seit sechzehn Jahren jeden Tag bewundern kannst“, meinte Lady Sarifinia schmunzelnd. „Wenn es dein Vater und dein Bruder sind, nach denen du Ausschau hältst... ; du weißt doch, dass sie für zwei Wochen in die Hauptstadt gereist sind. Sie sind erst vor fünf Tagen abgereist und die Distanz zwischen Faranko und Ecoli beträgt mindestens vier Reittage hin und zurück. Es ist unmöglich, dass sie nur einen Tag dort geblieben sind. Besuche beim König sind immer verbunden mit politischen Besprechungen und Bällen. Komm jetzt rein!“ „Ich habe aber gesehen, dass Vater und Leas heute nach Faranko zurückkehren werden!“, rief Anaria so energisch, dass ihre Mutter sogar leicht erschrak. „Ich meine, ich spüre es, dass sie bald eintreffen werden“, korrigierte sie sich schnell, als sie den musternden Blick der Lady sah, „aber ich gehe jetzt zum Unterricht, wie Ihr es wünscht, Mutter.“ Anaria folgte ihrer Mutter mit gesenktem Kopf, die mit ihrer Predigt fortfuhr: „Immerhin ist dein Vater der Vetter des Königs und sein engster Vertrauter. König Victoris von Sorendian legt großen Wert auf die richtige Etikette. Anstatt immer bei den Pferden zu sein solltest du endlich Sticken lernen.“ Anaria musste sich sehr beherrschen um nicht gleich zu schreien. Sie war genauso gut in allen Fächern wie ihr neunzehnjähriger Bruder Leas und konnte sogar besser reiten als er. Warum war sie also weniger wert? Er wird eines Tages die Nachfolge des Lords von Faranko antreten und sie? Ihre einzige Bestimmung wird es sein eine stille Ehefrau zu werden, die viele Söhne gebar. Warum wurde sie bloß als Mädchen geboren? Das Leben war ungerecht! Im Schlossflur drehte sich Lady Sarifinia zu ihrer verzweifelten Tochter um und lächelte tröstend. „Ich weiß, dir liegt diese Arbeit nicht und du möchtest dasselbe machen wie dein Bruder, doch manchmal muss man sich mit seinem Schicksal als Frau abfinden, mein Kind.“ „Eine Sklavin der Männer zu sein?“, erwiderte Anaria zynisch. „Akzeptiere dich so wie du bist“, erklärte die Lady ruhig und nahm Anaria liebevoll in den Arm. „Das mag manchmal sehr schwer sein, doch du musst immer versuchen das Beste aus deinem Leben zu machen, ganz gleich wer dir aus dem Spiegel entgegenblickt.“ Anaria wunderte sich, weshalb ihre Mutter auf einmal so ernst und traurig klang, doch dann zuckte sie plötzlich kurz und riss sich aus der Umarmung los. „Mutter, bereitet alles vor. Vater und Leas sind zurück!“ „Woher willst du das so plötzlich wissen? Anaria!“, rief Lady Sarifinia, doch das junge Mädchen war bereits verschwunden. Die Lady lachte kopfschüttelnd über dieses unbändige, stürmische Kind, das ihr Mann und sie viel zu sehr verwöhnt hatten. Leas sah seinen Vater vorsichtig von der Seite an, während er neben ihm durch Faranko ritt. Lord Alonius von Faranko wirkte erschöpft und besorgt. Das Haar des Lords war einst so dunkelblond wie das seines Sohnes gewesen, doch nach dieser kurzen Reise überwiegte das Grau noch mehr als sonst. Auch die Falten hatten sich vermehrt, dachte Leas. Er fragte sich, ob die Ursache für die Besorgnis seines Vaters die Neuigkeiten aus Ecoli waren, oder der Umstand, dass ihn bald jemand, den er über alles liebte, verlassen musste. „Was gedenkt Ihr nun zu tun, Vater?“ Endlich hatte er sich getraut diese Frage zu stellen, die ihm schon auf der gesamten Rückreise auf der Zunge gelegen hatte. „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Uns bleibt nichts anderes übrig als abzuwarten“, antwortete Lord Alonius. „Wenn der König nicht auf mich hören will, müssen wir es selbst regeln, was praktisch unmöglich ist, denn Calenias’ Truppen haben sich seit Jahren auf diesen Augenblick vorbereitet.“ „Darf König Celden den Friedensvertrag einfach brechen?“ „Das war kein Friedensvertrag“, berichtigte der Lord seinen Sohn und schaute ihn mahnend an. Dieser wurde rot, denn er wusste, dass der zukünftige Lord von Faranko die Geschichte seines Landes kennen sollte. „Dieser Vertrag, den der alte König Calenias’ mit unserem König vor siebzehn Jahren gemacht hatte, war nur ein Waffenstillstandsvertrag. Die Person, die als Pfandstück nach Calenias geschickt wurde, war zwar schon längst verstorben, doch König Calem von Calenias war alt und wollte keinen Krieg mehr entfachen. Sein Sohn Celden ist allerdings im besten Alter und vor allem nicht so friedfertig wie sein Vater.“ Leas schluckte, ihm wurde bei dem Gedanken schlecht, dass Calenias wirklich Faranko als erstes angreifen könnte. Die Schäden wären unbeschreiblich, für Faranko und dem ganzem Land. Außerdem fragte er sich wer das Pfandstück gewesen war, aber er traute sich nicht seinen Vater darauf anzusprechen. „Vater! Leas!“, rief eine fröhliche Mädchenstimme. „Wieso seid ihr so früh heimgekehrt?“ Schlagartig hellten sich die Mienen der beiden Männer auf. Der Klang dieser Stimme weckte in Leas immer ein unvorstellbares Glücksgefühl und ließ ihn all seine Sorgen vergessen. Wie sie stolz und aufrecht auf ihrer Stute zu ihnen ritt, das Haar ungebunden im Wind fliegend, war sie einfach wunderschön. So wie immer. „Anaria“, sagte der Lord erfreut, „wir wollten euch Damen eigentlich mit unserer frühen Heimkehr überraschen! Bist du in der kurzen Zeit noch schöner geworden?“ „Vater, in sechs Tagen verändert man sich doch nicht so schnell!“ Das Mädchen lachte. „Ich... ich habe Euch zufällig von Weitem gesehen und bin hierher geritten.“ „Nachträglich alles Liebe zum Geburtstag“, sagte Leas liebevoll lächelnd. „Auch von mir alles Liebe, mein Kind.“ Das Gesicht des Lords verfinsterte sich seltsamerweise wieder. „Wir sind zwar zu spät, aber deinen sechzehnten Geburtstag werden wir gebührend feiern. Garantiert.“ „Erinnert mich bitte nicht daran, dass ich jetzt sechzehn Jahre alt bin!“ Anaria stöhnte. „Sonst muss ich immer an Mutters Worte denken: „Du bist nun im heiratsfähigem Alter“. Schrecklich!“ „Heiraten“, murmelte Leas. „Das ist doch noch zu früh... .“ „Für dich als Mann vielleicht, aber du solltest trotzdem langsam ein hübsches Mädchen in deinem Alter suchen, da ich nicht will, dass meine zukünftige Schwägerin so endet wie ich und einen alten Opa ehelichen muss. Jetzt siehst du ja noch ganz passabel aus. Zwar nicht gut, aber passabel!“ „Danke für das Kompliment. Bei deinem Charme kriegst du gar keinen!“, rief Leas und wuschelte ihr liebevoll über den Kopf. Lord Alonius lachte mit seinen Kindern. Er war als ein gefürchteter General bekannt und viele munkelten, dass er seinem Vetter König Vitoris in vielen Dingen weit überlegen war, doch inmitten seiner geliebten Frau und seiner Kinder war er nicht wiederzuerkennen. Als sie beim Schloss angekommen waren und die Stallburschen die Pferde an sich nahmen, blickte der Lord Anaria ernst an. Sie erschauderte, denn ihr Vater hatte sie noch nie so angesehen. „Komm bitte heute Abend in mein Arbeitszimmer. Leas habe ich das bereits aufgetragen.“ „Jawohl, Vater. Wie Ihr wünscht“, sagte Anaria leicht verschreckt. Lord Alonius lächelte sie daraufhin beruhigend an und ging in das Schloss um seine Frau zu begrüßen. „Leas“, wandte sich Anaria an ihren Bruder, „ist etwas schlimmes vorgefallen?“ Leas wusste nicht so recht, was er ihr sagen sollte. Die eine Sache sollte sie wohl lieber von den Eltern erfahren. „Geht es Königin Tara oder König Vitoris nicht gut?“ „Nein“, beruhigte Leas sie, „der Königsfamilie geht es blendend.“ „Warum ist Vater so bedrückt? Sag es mir, Leas, du kannst mir nichts verheimlichen!“ „Der neue König Calenias’ hat Sorendian den Krieg erklärt.“ „Wie bitte?!“ Anaria wusste, was das bedeutete. Faranko war schließlich eins der zwei Gebiete, die sich an der Grenze zu Calenias befanden und im Gegensatz zu Prax auch noch in der Nähe der Hauptstadt Ecoli. „Wieso hat uns Seine Majestät keine Truppen mitgegeben?“, fragte sie entsetzt. Farankos Truppen allein reichten im Falle eines Angriffs bei weitem nicht aus. „König Vitoris meinte, dass Calenias zuerst in Prax einmarschieren wird, wenn es sich überhaupt traut uns anzugreifen. Er ist außerdem davon überzeugt, dass König Celden es nicht wagen wird Vater herauszufordern.“ „Aber er muss doch trotzdem alles berücksichtigen und sicher gehen!“ Anaria war entsetzt. Wie konnte König Vitoris König Celden so unterschätzen? „Das hat Vater ihm auch versucht klar zu machen, doch Seine Majestät vertraut mehr auf die Ratschläge seiner Minister, weshalb wir so eilig wieder abgereist sind. Vater ist natürlich fürchterlich aufgebracht und wollte Faranko keine Sekunde länger alleine lassen.“ „Wie kommen die Minister auf solche Äußerungen? Du hast mir doch erzählt, dass der Ministerpräsident Graf Belius ein weiser Mann sei.“ „Er ist leider vor kurzem verstorben. Der neue Ministerpräsident ist Graf Mul, ein machthungriger, geiziger Mann ohne Ehrgefühl. Er behauptet, dass König Celden zu jung ist um kluge, taktische Kriegsführung betreiben zu können. Er könne uns nicht gefährlich werden. Ich verstehe nicht, weshalb Seine Majestät ihm so blind vertraut, doch er tut es und wir stecken nun in Schwierigkeiten.“ „Hat Vater dir gesagt, was er zu tun gedenkt?“ „Vater meinte, er wisse es noch nicht, doch ich denke er hat natürlich schon einen Plan und wollte es seinem unfähigem Sohn nur nicht erzählen.“ „Leas von Faranko!“, rief Anaria vorwurfsvoll. „Badest du schon wieder in Selbstzweifeln? Bruder, du bist Vaters einziger Erbe und er ist stolz darauf dich als Erben zu haben! Na ja, vielleicht solltest du mehr lernen und mehr trainieren und mehr auf dein Aussehen achten, aber sonst.... .“ Leas schaute Anaria grinsend an. „Ach was, war das alles? Jetzt fühl ich mich doch gleich besser.“ „Vielleicht solltest du auch netter zu deiner reizenden Schwester werden. Dann wärst du perfekt!“ Jetzt musste Leas lachen. „Welche reizende Schwester meinst du? Ich sehe nur ein Mädchen, dem ich netter Weise Kampfunterricht gebe, obwohl es ihm nicht erlaubt ist. Ich nehme die Gefahr auf mich erwischt und bestraft zu werden. Ist das nicht nett genug?“ Anaria musste bei dem Gedanken grinsen, dass niemand erwarten würde, dass sie, die zierliche Adelstochter, fast so gut mit Schwert und Bogen umgehen konnte wie Leas. Sie hatte ihn solange angebettelt bis er ihr heimlich Kampfunterricht gab. Er war zwar der Meinung, dass Frauen beschützt werden sollten anstatt selbst zur Waffe zu greifen, doch er konnte es nicht ertragen sie so traurig zu sehen, wenn er Kampfunterricht bekam. Außerdem tat er das auch um ihr wenigstens irgendetwas zurückgeben zu können, denn sie half ihm durch Neckereien oder Aufmunterungen immer seine Selbstzweifel zu bekämpfen. „Siehst du? Du bist einfach toll!“, rief Anaria und umarmte ihn. Er hielt sie so lange im Arm wie möglich. Neben der Tür, die zum Arbeitszimmer ihres Vaters führte, hing eine Landkarte, welche die Überschrift „Kontinent Sorecal“ trug. Anaria stand davor und studierte die Karte eingehend, denn sie traute sich nicht anzuklopfen, da ihre Eltern während des Abendmahls so ernst und still gewesen waren. Auf ihrem Kontinent Sorecal gab es nur zwei Länder. Im Osten lag Sorendian, umgeben vom Vitameer. Im Westen, umgeben von der großen Wüste, lag Calenias. Zur Zeit König Vitors, dem Vater König Vitoris’, herrschte unerbittlicher Krieg zwischen den beiden Ländern. Denn weder Vitor noch König Calis von Calenias wollten aufgeben. Als beide Könige vor siebzehn Jahren im Kampf starben und ihre Söhne an die Macht kamen, schlossen die neuen Könige, König Vitoris, der damals noch sehr jung war, und der bereits etwas ältere König Calem einen Waffenstillstandsvertrag. Bis heute herrschte deshalb Frieden auf Sorecal. Anaria verstand nicht, was der neue König Calenias’ mit erneutem Leid und Tod erreichen wollte. Neues Land erobern? Die Karte endete seltsamerweise kurz vor Calenias. Es waren nur noch der Elfenwald und das Drachengebirge zu sehen. Anaria erinnerte sich an ihren Landeskundeunterricht, als ihr Lehrer Ansgaras ihr das Wenige über Calenias erzählte, das bekannt war. Er meinte, nur der König und seine engsten Vertrauten wussten mehr über das Nachbarland. Sorendian war in sieben Regionen aufgeteilt. Jedes dieser Gebiete unterstand einem Lord, Mitglieder der Königsfamilie. Diese verweilten in der Hauptstadt, die den Namen der Region trug. In ihrem Gebiet hatten sie das Recht wie Könige über das Volk zu herrschen. Einzig allein König Vitoris waren sie unterstellt. Er lebte in der Hauptstadt des Landes. Calenias war jedoch völlig anders aufgebaut. Der Mittelpunkt dieses Landes war seine Hauptstadt Clay. Dort residiert der König. Clay war mehr eine Insel, die sich auf dem Vitasee befand, welcher sich auf die vier Sektoren des Landes ausstreckte: Ady, Woy, Say und Bey. Der König Calenias’ herrschte alleine über diese Sektoren. Anaria hatte ihren Lehrer gefragt, wo denn der Ursprung des Vitasees war, denn Calenias lag schließlich an der großen Wüste und keine der Flüsse Sorendians flossen in den Westen, doch darauf konnte er ihr keine Antwort geben. Warum die höchsten Mitglieder der Königsfamilie das Wissen über Calenias geheim hielten, war auch ihm ein großes Rätsel. „Was machst du da, Anaria? Die Karte kennst du doch schon in und auswendig. Sogar besser als ich.“ Anaria schreckte aus ihren Gedanken auf und drehte sich um. Es war Leas, der nun selbst die Karte betrachtete. „Hat sich etwas verändert, während ich weg war?“ „Nein, ich habe mich nur mal wieder gewundert.“ „Gewundert?“ „Ach, nichts“, erwiderte Anaria schnell. Leas hielt nicht soviel von Calenias und würde ihr raten, ihre Gedanken nicht an dieses Land zu verschwenden, das angeblich nicht so weit entwickelt war wie Sorendian. „Glaubst du an dieses Gerücht, das besagt, dass die Elfen ihren Wald verflucht haben als Konsequenz aus dem Krieg?“ „Diese Geschichte, die besagt, dass der Wald für Menschen unpassierbar ist? Alle, die es versucht haben, sind angeblich nie wieder zurückgekehrt. Ich halte das für Unfug“, meinte Leas bestimmt. „Es gibt keine Elfen. Genauso wenig wie diese Drachenmenschen, die sich angeblich im Drachengebirge befinden sollen. Alles nur Legenden um kleine Kinder zu erschrecken und große Kinder zu unterhalten.“ „Aber Legenden entstehen stets aus einer Wahrheit und früher gab es Elfen! Priester Ansgaras hat mir gesagt, dass früher viele Elfen unter den Menschen weilten.“ „Der alte Lehrer hat dir zu viele Flausen in den Kopf gesetzt!“ Leas wurde ärgerlich. „Das sind Dinge, die nichts in den Gedanken einer Frau zu suchen haben. Jetzt sollten wir endlich reingehen. Vater wird sehr ungehalten sein, wenn wir uns noch mehr Zeit lassen.“ Er schob Anaria energisch vor die Tür, doch sie zögerte einen Moment. „Keine Angst, ich bin bei dir“, versicherte ihr Leas, „ich werde immer bei dir sein.“ „Danke, Bruder.“ Anaria beruhigte sich etwas und klopfte an. Wenn ihr großer Bruder bei ihr war, konnte sie sich sicher fühlen. Sie wusste nicht wie sehr sie Leas mit dieser Anrede jedes Mal verletzte. Zu diesem Zeitpunkt wusste sie noch nichts. „Herein.“ „Vater, Mutter“, begrüßte Anaria den Lord und die Lady ängstlich. Leas nickte nur und stellte sich an die Wand. „Setz dich, Anaria“, sagte Lord Alonius und zeigte auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Lady Sarifinia saß etwas abseits neben ihm, ebenfalls auf der anderen Seite. „Anaria“, begann der Lord, „hast du schon einmal Dinge bewirkt, die über das normale menschliche Verständnis hinausgehen?“ „Wie meint Ihr das, Vater?“ Anarias Herz klopfte noch schneller als ohnehin schon. „Oder hast du schon einmal Bilder gesehen, die später wirklich eingetroffen sind?“, fragte Lady Sarifinia. „Hab keine Angst. Du hast doch vorausgesehen, dass Vater und Leas so frühzeitig nach Hause zurückkehren werden, nicht wahr?“ Anaria zögerte und wich den Blicken ihrer Eltern aus. „Vertraust du uns nicht?“, fragte Lord Alonius. „Bin... bin ich nicht normal?“, flüsterte Anaria ängstlich. Sie atmete erst erleichtert auf, als ihre Eltern anfingen herzlich zu lachen. „Nein, Kind, nein!“, rief Lady Sarifinia.„Das ist eine besondere Gabe der Götter, die dir geschenkt wurde. Du beherrscht Feuermagie. Als du klein warst, hat doch einmal ein Vorhang wie aus dem nichts Feuer gefangen, erinnerst du dich? Immer wenn du sehr zornig wurdest, brannte irgendwann etwas." „Außerdem besitzt du die Gabe des Blickes“, ergänzte Lord Alonius. „Diese Gabe besitzen nur die Auserwählten der Auserwählten. Sie ermöglicht es dir in die Zukunft oder die Vergangenheit zu blicken, aber auch Dinge der Gegenwart sehen zu können.“ „Ich soll magische Fähigkeiten besitzen? Magie wird doch vererbt... .“ Anaria blickte ihre Eltern fassungslos an. „Mit sechzehn Jahren werden die magischen Kräfte ausgeprägter und unkontrollierbarer, weshalb du nun das Recht hast zu erfahren, woher deine Magie stammt“, erklärte der Lord traurig. „Du hast diese Kräfte von deiner Mutter geerbt.“ Anaria sah nun Lady Sarifinia verwundert an. „Nein“, sagte die Lady und Tränen standen in ihren Augen. „Ich bin nicht deine leibliche Mutter.“ „Wir sind nicht deine leiblichen Eltern“, gestand der Lord. „Leas ist unser einziges Kind.“ Anaria sprang auf und lachte als sei es ein Scherz gewesen, was sie gerade gehört hatte. „Wenn Ihr nicht meine Eltern seid, wer ist es dann? Das kann nicht wahr sein.“ Lady Sarifinia stand auf, ging zu ihrer fassungslosen Ziehtochter und hängte ihr ein Medaillon um den Hals. Es hatte die Form eines Herzens. Auf der Oberfläche befand sich ein Symbol: Ein achtzackiger Stern, der einen grünen Edelstein in der Mitte hatte. Hinten waren die Worte „Für meine Zelina“ eingraviert. „Diese Kette gehörte deiner leiblichen Mutter“, erzählte die Lady. „Prinzessin Zelina war die geliebte jüngste Schwester unseres Königs. Du wirst ihr mit jedem Tag ähnlicher.“ „Sie war noch sehr jung als ihr Vater starb, weshalb sie von König Vitoris erzogen wurde, aber es war ein schwieriges Unterfangen, denn sie war genauso stur wie ihr Bruder und vertrat ihre eigenen Überzeugungen. Trotz aller Strafmaßnahmen konnte er sie nicht bändigen“, fuhr der Lord fort und lächelte liebevoll bei dem Gedanken an seine Base Zelina. „Sie war eine hervorragende Feuermagierin, welche die seltene Gabe des Blickes besaß und die Abschlussprüfung der Magierakademie von Ecoli nach nur zwei Jahren Ausbildung bestand. Dieser Stern auf dem Medaillon ist das Symbol der Magierakademie.“ „Wer hat die Widmung eingraviert?“, fragte Anaria leise. Es war, als ob sie neben sich stehen würde und nur zusah wie ihr Körper das Medaillon öffnete und ein Bild einer wunderschönen Frau mit langen schwarzen Locken erblickte, die einen kleinen Säugling im Arm hielt. „Wir nehmen an, dass es dein Vater war, der ihr dieses Medaillon geschenkt hatte.“ „Wer ist mein Vater?“ „Wir wissen es nicht. Niemand außer deiner Mutter weiß es“, antwortete Lady Sarifinia, als ihr Gemahl dazu schwieg. „Zelina ist eines Tages... verschwunden und als sie wiederkam, war sie mit dir schwanger.“ „König Vitoris war natürlich sehr zornig über diese Schande für die Königsfamilie. Er versteckte seine Schwester vor der Öffentlichkeit und wollte dich nach deiner Geburt aussetzen oder gar töten. Um dein Leben zu retten musste Zelina vor ihrem eigenen Bruder flüchten. Sie suchte Schutz hier in Faranko, weil sie in mir nicht nur einen Vetter sah, sondern einen älteren Bruder, denn Vitoris war immer eher wie ein Vater für sie gewesen. Sie hat mir vertraut.“ Anaria hatte noch nie diese unendlich tiefe Trauer und Bitterkeit in der Stimme ihres Vaters, nun, er war „nur“ ihr Ziehvater, gehört. Er musste seine Base wirklich über alles geliebt haben. „Was ist mit ihr geschehen?“ Lady Sarifinia nahm die Hand ihres Mannes und drückte sie. „Sie ist wenige Monate nach deiner Geburt gestorben. Sie ist nur zwanzig Jahre alt geworden. König Vitoris war sehr bestürzt über ihren Tod. Er beschloss dich als seine Nichte anzuerkennen und mit nach Ecoli zu bringen.“ „Obwohl ich so eine Schande bin?“, fragte Anaria und schloss die Augen. Sie wünschte sich immer noch, dass diese ganze Geschichte ein Scherz war, doch sie wusste schon, dass dem nicht so war. Ihre Ähnlichkeit mit der Frau auf dem Portrait war eindeutig und sie hatte sich früher schon manchmal gefragt, weshalb ihre Eltern und ihr Bruder solch helle Haare und braune Augen hatten und sie dieses pechschwarze Haar und grüne Augen. „Du warst die Tochter seiner über alles geliebten kleinen Schwester und die einzige Erinnerung an sie. Außerdem-“, die Lady zögerte kurz ehe sie fortfuhr, „außerdem hatte Seine Majestät Schuldgefühle, weil er sich vorwarf am Tod Zelinas Schuld zu sein. Hätte er sie nicht zur Flucht getrieben, hätte sie nicht als hochschwangere Frau den weiten Weg nach Faranko gehen müssen.“ Anaria blickte das Bild der Frau, die ihre Mutter sein sollte, noch einmal an. Zelina sah weder krank, noch irgendwie schwach aus, sondern strahlte eher wie eine glückliche Mutter, doch warum sollten sie ihre Zieheltern belügen? „König Vitoris wollte dich mit an den Hof nehmen, doch Zelinas letzte Bitte war es, dass du bei uns aufwachsen solltest. Sie hatte ihren Tod vorausgesehen und wollte nicht, dass du mit den Intrigen und Sünden des Hofes aufwachsen musst“, begann wieder Lord Alonius erzählen. „Ich überzeugte ihn davon, dass du als uneheliches Waisenkind nicht glücklich am Hofe leben könntest und dass es das beste sei, wenn du als unser Ziehkind aufwächst. Mit sechzehn Jahren solltest du dann nach Ecoli an den königlichen Hof gehen und die Magierakademie besuchen. Das entsprach auch Zelinas Wünschen. Nun ist es so weit. Du bist sechzehn Jahre alt geworden. Es ist Zeit dich nach Ecoli zu schicken. König Vitoris wird dich vor allen Augen als seine leibliche Tochter anerkennen. Als eine Prinzessin Sorendians wird dir niemand etwas tun können, obwohl sich selbstverständlich alle fragen werden, wer denn deine Mutter sein könnte.“ „Ich... ich möchte in Faranko bleiben“, widersprach Anaria zögerlich. „Wenn ich allerdings eine Last für Euch bin, werde ich selbstverständlich gehen, Vat-.“ „Anaria“, sagte Lady Sarifinia liebevoll lächelnd, „ du warst, bist und wirst immer unsere geliebte Tochter bleiben. Ich hoffe, dass dir bewusst ist wie sehr wir dich lieben und dich auch nicht fortschicken wollen, doch leider wurde das vor vielen Jahren so beschlossen. Trage uns nicht nach, dass wir dich all die Jahre belogen haben.“ „Ihr wisst doch, dass ich Euch niemals hassen könnte. Ich habe keine anderen Eltern gekannt und ich liebe Euch über alles. Ihr ward immer so gut zu mir. Ich möchte Euch und Leas nicht verlassen. Lasst mich in Faranko bleiben, bitte.“ Sie unterdrückte ihre Tränen, denn weinen tun nur schwache Mädchen. „Deine Mutter und Leas werden dich begleiten.“ „Wie bitte, Vater?“, meldete sich Leas verblüfft zu Wort. „Du wirst deine Mutter und deine Schwester sicher nach Ecoli bringen“, sagte Lord Alonius bestimmt. „Ich möchte, dass meine Familie in Sicherheit ist, wenn Calenias Faranko angreift. Wir werden Anarias Geburtstag morgen gebührend feiern und dann werdet ihr übermorgen abreisen.“ „Vater“, rief Leas aufgebracht, „Ihr wollt alleine hier bleiben? Das bedeutet Euren sicheren Tod! Ich werde an Eurer Seite bleiben-.“ „Schweig!“, unterbrach Lord Alonius seinen Sohn zornig. „ Du enttäuschst mich, wenn du mir das anbietest. Habe ich dich nicht gelehrt meine Nachfolge anzutreten, wenn ich eines Tages nicht mehr sein werde? Wie willst du deine Pflicht erfüllen, wenn du aufgrund von kindischer Naivität mit mir stirbst?“ Leas senkte sofort seinen Kopf. „Verzeiht mir, Vater. Ich werde natürlich meiner Pflicht nachgehen und an Eurer Stelle meine Mutter und Anaria beschützen.“, murmelte er, doch Anaria merkte an seinem Ton, dass es gegen seinen wahren Willen war. Das bestätigte sich, als Leas sich daraufhin durch die dunkelblonden Locken fuhr. Das war seine typische Geste, wenn er seinen Zorn unterdrücken musste. „Beschütze Anaria so weit es in deiner Kraft liegt, mein Sohn“, sagte die Lady und versuchte mit ihrem beruhigenden Lächeln ihn Milde zu stimmen, „denn du wirst von nun an der Einzige an ihrer Seite sein. Ich werde mit eurem Vater hier in Faranko bleiben.“ „Sarifinia!“, rief der Lord erschrocken. „Versucht erst gar nicht mich umzustimmen, Mylord“, sagte Lady Sarifinia ruhig. „Was wäre ich denn für eine Gemahlin und Landesherrin, wenn ich meinen Mann und mein Land in Stich ließe? Die Kinder sind die Zukunft und schon alt genug auf sich selbst zu achten. Weshalb sollte ich also mit ihnen fliehen? Ich würde sie doch nur behindern. Deshalb werde ich hier bleiben und die Verletzen verarzten, wie es meine Pflicht ist.“ „Mutter“, begann Leas verzweifelt, doch wieder einmal wurde er von seinem Vater zum Schweigen aufgefordert, der ihn scharf anblickte und den Kopf schüttelte. „Es war für uns alle ein anstrengender Tag“, begann die Lady und stand auf. „Lasst uns früh zu Bett gehen, um für die nächsten schweren Tage ausgeruht zu sein. Ich werde veranlassen, dass man eure Sachen packt.“ „Ihr habt gehört, was eure Mutter gesagt hat“, stimmte der Lord zu und bewunderte insgeheim den Mut seiner Frau. Man hatte ihn verachtet, als er eine gewöhnliche Frau aus dem Volk geehelicht hatte, doch ihre Intelligenz und ihre Anmut überzeugten alle Adligen, auch wenn sie es sich nicht eingestehen mochten. Eine große Armee von Soldaten. Anaria sah den Banner Calenias’ Sie sah wie diese Soldaten in Faranko einmarschierten und sie sah wie ihre Heimatstadt in Flammen aufging. Die Bürger kämpften um ihr Leben und versuchten zu fliehen, doch sie wurden von Calenias’ Truppen gefangen genommen oder getötet. Ein Mann trat aus den Flammen, es war Lord Alonius von Faranko. Ihm gegenüber sah sie einen anderen Mann. Er war groß und kräftig, hatte braunes Haar und einen dichten Bart. Sie konnte noch eine längliche Narbe an seiner rechten Wange sehen und wie beide Männer ihre Schwerter gegeneinander schlugen. Gerade als das Schwert des Gegners auf ihren Vater niedersauste schrie Anaria und wachte auf. Sie lag in ihrem Bett. War es eine Vision oder nur ein Traum gewesen? Sie wünschte es wäre letzteres, doch sie wusste, dass es nicht so war. Die Tränen, die sie die ganze Zeit unterdrückt hatte, flossen nun in Strömen. „Anaria! Was ist passiert?“ Leas, der im Gemach nebenan schlief, hatte ihren Schrei gehört und war sofort zu ihr geeilt. Er setzte sich auf ihr Bett und nahm sie in die Arme. „Es ist alles gut“, sagte er ihr beruhigend ins Ohr und wiederholte es einpaar Mal. „Es war nur ein Albtraum.“ „Nein“, schluchzte Anaria. „Ich habe es gesehen! Faranko wird in die Hände Calenias’ fallen und Vater wird gegen einen Mann kämpfen. Das war sicherlich kein einfacher Albtraum. Es war so deutlich und real gewesen!“ „Bist du dir sicher?“, fragte Leas nur, weil er die erschreckende Wahrheit nicht sehen wollte. „Bitte, glaub mir!, rief Anaria verzweifelt. „Wir müssen etwas tun, es wird bald eintreten!“ „Wir glauben dir.“ In der Tür standen Lord Alonius und Lady Sarifinia. „Wann werden die Truppen bei uns einfallen?“ „Im Traum habe ich die Mitternachtsglocken gehört.“ „Mitternacht ist in ungefähr drei Stunden. Holt meine Hauptmänner sofort hierher und sorgt dafür, dass die Bevölkerung versucht aus Faranko zu fliehen. LOS!“ Lord Alonius schrie so laut, dass spätestens jetzt die gesamte Dienerschaft auf den Beinen war. „Zieht euch an und kommt zu den Ställen. Ich werde den Stallburschen Bescheid geben.“ Lady Sarifinia lächelte ihre Kinder traurig an und versuchte ihre Tränen zu verstecken. „Es tut mir Leid, mein Kind“, sagte Lord Alonius bevor er ging um sich ebenfalls umzuziehen. „Ich hätte gerne noch deinen Geburtstag gefeiert.“ Anaria ging langsam zu den Ställen. Sie hatte das Gefühl in ihrem Reisekleid zu ersticken. Es erschien ihr alles wie ein nie enden wollender Albtraum. Ihre Zieheltern und Leas warteten bereits auf sie. „Lasst mich hierbleiben!“ Anaria schlang ihre Arme verzweifelt um Lady Sarifinia. „Ich möchte weder Euch noch Faranko verlassen.“ „Veränderungen gehören zum erwachsen werden dazu, Anaria.“ Lady Sarifinia drückte sie zärtlich von sich. „Nur durch Veränderungen kann man reifen.“ Lord Alonius legte seine Hand liebevoll auf ihren Kopf. „Du bist eine wundervolle starke junge Frau geworden. Hab keine Angst. Unsere Gedanken werden immer bei dir sein und Zelina beschützt dich schon die ganze Zeit.“ Nun nahm er sie in den Arm und küsste sie auf die Stirn, was er noch nie getan hatte. Weshalb hatte sie das Gefühl, dass es das erste und gleichzeitig das letzte Mal war? „Enttäusche mich nicht, mein Sohn“, sagte der Lord streng zu Leas. „Pass gut auf deine Schwester auf.“ „Jawohl, Vater.“ Lady Sarifinia gab ihren Kindern ebenfalls noch einen Kuss auf die Stirn, dann ritten Leas und Anaria los um Ecoli so schnell wie möglich zu erreichen. Sie betete zu den Göttern, dass sie ihre Kinder an ihrer Stele beschützen mögen, denn sie wusste, dass es ein Abschied für lange Zeit, vielleicht sogar für immer war. „Glaubt Ihr, dass sie irgendwann die Wahrheit erfahren wird?“, fragte Lord Alonius plötzlich. „Sie besitzt die Gabe des Blickes, Mylord. Sie wird es früher oder später herausfinden.“ „Ich hoffe, dass sie dann reif genug dafür ist, um unsere Beweggründe zu verstehen und uns nichts nachzutragen.“ Lady Sarifinia ergriff seine Hand. „Es war zu ihrem besten. Ihr müsst kein schlechtes Gewissen haben." Er blickte seiner Gemahlin liebevoll in die Augen. „Seid Ihr Euch wirklich sicher, dass Ihr bei mir bleiben wollt, meine Herrin?“ Die Lady erwiderte sein Lächeln genauso liebevoll. „Diese Frage habt Ihr mir schon einmal gestellt, erinnert Ihr Euch? Ihr habt mich gefragt, ob ich mir denn wirklich sicher sei Euch zu heiraten und bei Euch zu bleiben , obwohl ich dann den Intrigen und den Sticheleien, welche die Welt des Adels mit sich bringt, ausgesetzt wäre. Was habe ich Euch damals geantwortet?“ „Ihr würdet alles ertragen, wenn Ihr nur an meiner Seite sein dürft.“ „Dies, mein Herr und Gebieter, ist auch heute meine Antwort auf Eure Frage.“ ~Der Anfang der Prüfung~ ------------------------ Zaryas kinnlange rote Haare flogen ihr ständig ins Gesicht, als sie durch die belebten Straßen Ecolis lief. Sie musste sich so beeilen, da sie mit ihrem Freund aus Kindertagen verabredet war und der hasste Verspätungen. Die junge Frau in der strahlenden dunkelroten Rüstung mit goldenen Verzierungen erregte die Aufmerksamkeit der Bevölkerung, was ihr ziemlich unangenehm war, doch sie ließ sich nichts anmerken. Sie hatte schließlich früher selbst den „Swords“, den stärksten und geschicktesten Kriegern des Landes, nachgeschaut. Swords waren seltene Anblicke und eine weibliche Kriegerin sowieso. Heute war die Zeremonie gewesen, die sie nach nur drei Jahren zur Sword gemacht hatte. Zaryas wusste, dass sie zudem noch ziemlich jung war. Deshalb war es auch nicht sehr verwunderlich, dass sich alle Menschen nach ihr umdrehten und angeregt miteinander tuschelten. Es erstaunte sie mehr, dass sie ihre Rüstung kaum spürte. Sie war federleicht und sie konnte damit genauso schnell laufen wie ohne Rüstung. Magische Gegenstände waren wirklich etwas besonderes. Endlich erreichte sie die Grenze der Stadt und den Wald, der sich in der Nähe des Waisenhauses befand, in dem sie und ihr Freund Cay aufgewachsen waren. Da die Straßen Ecolis lauter Gefahren mit sich brachten, hatten sie immer im Wald gespielt. Mitten im Wald war eine große Wiese, welche die beiden „Feenwiese“ getauft hatten. Dort trafen sie sich auch noch, als sie das Waisenhaus verließen, um in ihren Akademien ihre Ausbildung zu vollziehen. Cay lag an einem Baum gelehnt und schien zu schlafen. Da er es liebte sie zu ärgern, beschloss sie diesmal ihn zu erschrecken. Leise schlich sie sich an ihn heran und das konnte sie gut, denn das war Teil ihrer Ausbildung gewesen. Als sie ganz nah an seinem Gesicht war, schlug er seine himmelblauen Augen auf. „Wolltest du mich etwa wach küssen?“, fragte er grinsend. „Du hast gar nicht geschlafen!“ Empört schlug Zaryas ihn auf die Schulter. Sie merkte wie sie errötete.Wie hatte er sie überhaupt bemerken können? Cays Grinsen wurde breiter. „Aha, also wolltest du mich im Schlaf heimlich küssen. Tja, Pech gehabt“, neckte er Zaryas weiter. „So ein Unsinn! Ich wollte dich nur erschrecken.“ Sein Grinsen verwandelte sich in ein Lächeln. Er liebte es die temperamentvolle Zaryas aus der Fassung zu bringen und obwohl sie das wusste, regte sie sich trotzdem immer auf. Ihr Gesicht war vor Zorn fast so rot wie ihre Locken und ihre hellgrünen Augen blitzten angriffslustig. Nun machte er allerdings ein vorwurfsvolles Gesicht. „Zaryas Kelan, wenn du so spät kommst, muss ich mich ja irgendwie dafür rächen. Sag jetzt nicht, dass die Abschlusszeremonie so lange gedauert hat!“ „Doch, Cay Astrasi“, verteidigte sich Zaryas und wurde immer lauter. „Ich kam nämlich als letzte dran, weil ich die Beste gewesen bin und eine Auszeichnung erhalten habe. Hör auf zu meckern und freu dich für mich: Ich bin jetzt endlich eine Sword, ist das nicht unglaublich?“ „Ich hatte ja gehofft, dass du die Prüfung nicht bestehst und dir dann endlich bewusst wird, dass du eine Frau bist. Wahrscheinlich wirst du nie weiblicher werden.“ „Wie bitte?“ „Sei doch nicht gleich eingeschnappt, Zaryas.“ Er konnte sein Lachen nicht mehr unterdrücken. „Es ist so herrlich dich auf den Arm zu nehmen.“ „Ich freue mich, dass du deinen Abschluss an der Magierakademie geschafft hast und du ärgerst mich nur.“ Sie war allerdings froh darüber, dass er lachte, denn das kam sehr selten vor. „Es ist übrigens sehr seltsam dich in dieser schwarzen Kleidung zu sehen. Diese Brosche, die deinen Umhang zusammenhält ist doch das Zeichen der Magierakademie?“ Magier in der Ausbildung trugen nämlich nur weiß, weshalb es wirklich gewöhnungsbedürftig war Cay in schwarz zu sehen. Die Magierkleidung war schlicht, aber dennoch stattlich und bestand aus einer Oberkleidung mit hohem Kragen und einer schlichten Hose. Alles war schwarz, sogar die Stiefel und der Umhang. „Ja, das stimmt. Der Stern ist unser Zeichen. Es ist auch sehr seltsam dich in dieser Rüstung zu sehen. Allerdings konnte ich es mir schon immer vorstellen. Ich hätte doch nie geglaubt, dass die Tochter des legendären Paares Kelan, einer der größten Swords aller Zeiten, die Prüfung nicht besteht.“ „Ich habe nicht nur bestanden, weil Tartus und Saral Kelan meine Eltern waren.“ Zaryas wurde auf einmal sehr ernst. Sie hoffte jedenfalls, dass es so war. In der Akademie hatten ihre Mitschüler sie immer damit provoziert, dass sie nur aufgrund ihrer Abstammung die schwere Abschlussprüfung nach nur drei Jahren Ausbildung machen durfte. Normalerweise brauchte man mindestens fünf Jahre und sie war auch noch eine Frau. Zaryas litt sehr unter diesen Vorwürfen. Manche hatten sogar Gerüchte in die Welt gesetzt, sie habe ihre Ausbilder verführt. „Das weiß ich doch , Zaryas. Die Meister der Swordakademie sind schließlich nicht dumm. Du bist eine Sword mit Auszeichnung und das hast du nur deinem außergewöhnlichen Können zu verdanken. Die Rüstung steht dir ziemlich gut. Das Zeichen der Swords, die Sonne, passt auch zu deinem Haar. Ist die Rüstung nicht schwer?“ „Nein, ich spüre sie kaum, aber hör auf dich anzubiedern. Da kriegt man ja eine Gänsehaut! Du brauchst es gar nicht erst zu versuchen, deine Bemerkungen wieder gut zu machen.“ Zaryas merkte allerdings, dass sie bei seinen Komplimenten leicht rot geworden ist, was sie zu überspielen versuchte. „Diese Rüstung wurde schließlich von der einzigen Zauberschmiede Sorendians angefertigt und richtet sich nach dem Herzen des Trägers. Wenn ein Sword böse Absichten verfolgt, schützt sie ihn nicht mehr und sein Zauberschwert wird zu einem gewöhnlichen Schwert.“ „Das ist sehr vorausschauend.“ Cay wurde plötzlich sehr ernst. „Magier kann man nicht davon abhalten ihre Kräfte zu missbrauchen. Die Akademie dient nur dazu diese gefährliche Gabe kontrollieren zu lernen.“ Zaryas lächelte traurig. Man merkte Cay die Verbitterung an und es hatte wohl mit seiner Vergangenheit zu tun, doch er hatte ihr nie etwas davon erzählt. Ihre Eltern sind im Kampf gegen Rebellen gestorben, weshalb sie mit neun Jahren in das von Priesterinnen geführtes Waisenhaus von Ecoli gekommen war, wo Cay ein Jahr später hinzukam. Sie hatte ihn nur einmal nach seinen Eltern gefragt, doch er hatte nur behauptet, er könne sich nicht mehr an sie erinnern. Den Familiennamen „Astrasi“ hatte er von seinem Mentor aus der Magierakademie erhalten, der ihn adoptiert hatte. Sie hatte nie wieder nachgehakt, denn sie vertraute darauf, dass er es ihr irgendwann erzählen würde. „Hey“ rief sie enthusiastisch, um seine Laune wieder zu heben, „du bist bestimmt der jüngste Magier aller Zeiten, oder? Niemand konnte bis jetzt seine Kräfte nach nur zwei Jahren so perfekt kontrollieren wie du. Ich habe gehört, die Begabtesten bräuchten mindestens sechs Jahre und du kannst auch noch in die Zukunft sehen. Das ist so toll!“ „Nein, es gab schon Magier vor mir, die nur zwei Jahre gebraucht haben. Zum Beispiel die verstorbene Schwester des Königs. Sie besaß auch die Gabe des Blickes und so toll ist das auch wieder nicht. Schließlich kann ich nicht selbst bestimmen, was ich sehen kann. Das ist nichts besonderes.“ „Weißt du noch, wie wir als Kinder immer auf dieser Wiese lagen und uns unsere Zukunft ausmalten?“ Zaryas hatte beschlossen das Thema wieder zu ändern, da es ihren Freund immer noch nicht aufheiterte. „Natürlich erinnere ich mich. Die Priesterinnen haben uns vergeblich gesucht und als wir spätabends ins Heim zurückkehrten gab es dann Strafen, wie die ganze Nacht auf Knien beten.“ Cay lachte über ihre harte, aber auch glückliche Kindheit und Zaryas stimmte mit ein. Sie war froh, dass er nicht mehr über eine ihr unbekannte Sache grübelte. „Du wolltest immer ein großer Held werden, um es den Kindern zu zeigen, die uns Waisenkinder immer ausgelacht haben!“ „Nun ja, du hast ihnen damals doch schon ihre Lektion erteilt, indem du sie windelweich geprügelt hast. Die Eltern haben sich bei den Priesterinnen beschwert und sie haben dich hart bestraft.“ „Ja, ich bekam eine Woche lang kein Abendessen, weil ich meine Taten damit begründet habe, dass ich keine Priesterin werden will, sondern eine Sword wie meine Eltern.!“ „Nur dank mir bist du nicht verhungert.“ „Wenn mein Held sich nur nicht hätte erwischen lassen. Letztendlich haben wir beide gehungert!“ Sie redeten noch lange über ihre Kindheit, bis es schon dunkel wurde. Zaryas legte sich auf das Gras und betrachtete den klaren Sternenhimmel. Sie hätte stundenlang mit Cay weiter reden können. „Ich habe es endlich geschafft, Cay! Ich bin eine Sword.“ „Du wiederholst dich.“ Ihr Freund lächelte. „Ja, du hast es geschafft und ich habe es auch noch zu etwas Anständigem gebracht. Es wird Zeit, dass wir uns neue Ziele setzen. Hast du dir schon etwas überlegt?“ „Ich dachte an Familie gründen oder so etwas ähnliches.“ Sie wurde rot und schielte zu Cay hoch, doch der schien ihre Verlegenheit nicht zu bemerken. „Keine Ahnung“, sagte sie schnell, „vielleicht statt der Familie sich einen großen Namen machen. Und was ist mit dir?“ „Ich habe keine Wünsche.“ Zaryas wusste, dass er log, denn jeder Mensch hatte verborgene Wünsche und sie merkte es immer, wenn er ihr etwas verheimlichte. Er verheimlichte ihr nämlich sehr viel. Es herrschte eine Zeit lang Stille, da jeder seinen eigenen Gedanken nachging. „Wurdest du vom Magierorden eigentlich in eine andere Stadt versetzt?“, fragte Zaryas nach einer Weile ängstlich. Sie wollte nicht von ihm getrennt leben. Da ihre Akademien sich in derselben Gegend befunden haben, haben sie sich immer sehen können, doch nun würde jeder seinen eigenen Weg gehen. „Nein, meine Ausbildung ist noch nicht ganz beendet. Nach Abschluss an der Akademie muss jeder junge Magier einem älteren Magier noch zur Hand gehen und viel praktisches von ihm lernen, bis er vom König anerkannt wird. Die besten und erfahrensten Magier sind nun einmal in Ecoli.“ „Wer ist es denn?“ Warum musste man ihm alles immer aus der Nase ziehen, fragte sich Zaryas genervt. „Magier Furus Usmaer.“ „Der Magier, der in der Burg von Ecoli lebt? Der mächtigste Magier Sorendians? Von dem man sagt er sei bereits über 100 Jahre alt?“ Zaryas richtete sich begeistert auf. „Hilfe, beruhige dich wieder! Ich wundere mich auch, denn er nimmt schon seit Jahren keine Schüler mehr an. Man hat mir gesagt, er habe nach mir verlangt. Ich glaube übrigens nicht, dass er über 100 Jahre alt ist. Du benimmst dich ja schon wie diese Tratschweiber.“ Die Kriegerin ließ sich von der Beleidigung nicht beirren. „Du wirst in der Burg von Ecoli leben. Du wirst vielleicht die Königsfamilie sehen!“ „Und? Ich bevorzuge immer noch das Zimmer in der Akademie bei meinem alten Mentor, aber leider muss ich mit meinem Meister zusammen wohnen.“ „Cay, wir werden das gleiche Zuhause haben!“ Er zog daraufhin überrascht seine Augenbrauen hoch. „Ich gehöre zu den wenigen Swords, die zur Leibgarde der Königsfamilie ausgewählt wurden“, verkündete sie stolz. „Bin ich dich etwa immer noch nicht los?“ „Wa-!“ „Das war ein Scherz!“ Der junge Mann stand auf. „Es ist spät und morgen muss ich bei meinem Meister bestehen. Dann sehen wir uns ja bestimmt irgendwo in der Burg. Schlaf gut.“ „Cay, warte!“, rief Zaryas noch, doch er war bereits verschwunden. Dadurch, dass er den Wind beherrschte, konnte er sich schnell fortbewegen. Sie seufzte und richtete sich auf. Eigentlich wollte sie ihm noch ein Geschenk zur bestandenen Prüfung überreichen, was sie sich nicht wirklich getraut hatte. Traurig holte sie das Lederarmband aus ihrer Tasche heraus. Es war kunstvoll mit Mustern bestickt und war sehr teuer gewesen. Hoffentlich konnte sie es ihm irgendwann einmal überreichen. „Wir sollten eine Rast einlegen, Anaria. Du bist sicherlich erschöpft von dem ungewöhnlich langen und schnellen Ritt.“ „Nein“, widersprach sie keuchend, „wir müssen Ecoli sofort erreichen und König Vitoris sagen, dass er Truppen schicken soll. Ich bin nicht erschöpft.“ Leas lächelte traurig. Die Truppen kämen eh nicht rechtzeitig, doch er brachte es nicht übers Herz ihr das zu sagen. „Du bist vielleicht nicht erschöpft, aber Stellana und Schwarzblitz. Die Pferde brauchen eine Pause. Wenn sie umfallen, werden wir noch mehr Zeit verlieren, als wenn wir uns kurz ausruhen würden. Glaub mir.“ Widerwillig stimmte sie zu. „Es widerstrebt mir, dass wir auf dem Boden übernachten müssen, doch es bleibt uns nichts anderes üblich.“ Leas breitete die Decken aus. „Wir haben Glück, dass es nicht regnet.“ „Der Sternenhimmel ist wunderschön. Ich wollte schon immer einmal draußen übernachten.“ Anaria legte sich sofort hin. Ihr Ziehbruder lachte nur darüber. „Mal sehen, ob du es morgen immer noch erstrebenswert findest. Geht es dir ein wenig besser? Es ist ziemlich viel aufeinmal passiert.“ „Ja“, stimmte das junge Mädchen zu. „Glaubst du, dass Faranko gerettet werden kann? Ich habe solche Angst um unsere Eltern.“ Schlagartig wurde ihr wieder bewusst, dass es nicht „ihre“ Eltern waren. Bei diesem Gedanken beschlich sie ein unangenehmes Gefühl, obwohl die beiden gesagt hatten, dass sie wirklich eine Tochter für sie gewesen war. „Dank deiner Vision sind wir darauf vorbereitet gewesen. Vater wird es schon schaffen.“ Es klang mehr wie ein Hoffen, als eine sichere Beruhigung, weshalb Leas daraufhin schwieg. „Hast... hast du gewusst, dass ich nicht deine Schwester bin?“, fragte Anaria plötzlich. „Ja“ , gab Leas zu. „Es tut mir Leid, dass ich dir so etwas wichtiges verschwiegen habe. Ich durfte nichts verraten.“ Obwohl ich es gerne getan hätte, doch diesem Gedanken sprach er nicht laut aus. „Du bist ein großartiger, älterer Bruder. Danke, dass du mir dieses Gefühl vermittelt hast. Ich liebe dich, mein Bruder.“ Er hatte sich immer ausgemalt wie es sein würde, wenn Anaria endlich ihre wahre Herkunft erfährt, doch seine Träume entsprachen nicht der Realität. Hoffentlich ändern sich ihre Gefühle noch, da sie nun weiß, dass wir keine leiblichen Geschwister sind, dachte er. Vor zwei Jahren hatte er bemerkt, dass er mehr für sie empfand, als Geschwisterliebe, doch sie wird es wohl nie bemerken. „Ich liebe dich auch sehr,“ antwortete er endlich, doch Anaria war bereits eingeschlafen. General Kaz war siegessicher. Diesem Überraschungsangriff wird Faranko nicht gewachsen sein. Er freute sich bereits darauf König Celden von seinem Sieg zu berichten. Zwar hatte ihn Seine Majestät vor Lord Alonius von Faranko gewarnt, doch der General glaubte kaum, dass ihm ein Mann, der aus dem Schlaf gerissen wird, gefährlich werden könnte. Die Truppen warteten nur noch auf sein Zeichen. General Kaz hob die Hand, die Trompeten ertönten und Calenias' Soldaten stürmten in Faranko ein. Eine schöne kleine Stadt, dachte der General leicht amüsiert. Wirklich schade darum. Das wird ein kurzer Kampf. Plötzlich kam sein Hauptmann zurückgeritten. „General!“, rief er atemlos. „Was ist vorgefallen?“ „Faranko scheint uns erwartet zu haben. Wir haben bereits viele unserer Männer verloren!“ „Das ist unmöglich!!! Wieviele Soldaten sind es?“ „Ungefähr zweihundert, General, aber sie sind so stark, als wären sie so viele Männer wie wir und sie hatten den Überraschungsmoment auf ihrer Seite.“ „Lasst euch nicht von nur zweihundert Mann beirren. Legt die Stadt in Brand und versucht den General so früh wie möglich in die Enge zu treiben! Bringt mir Lord Alonius von Faranko!“ Woher konnte dieser Mann wissen, dass wir ihn angreifen werden, fragte sich General Kaz wütend. Er beschleunigte das Tempo seines Pferdes. „Guten Morgen, Prinzessin Vitoria. Hatte Ihre königliche Hoheit eine gute Nacht?“ Die Dienerinnen rissen mit angsterfülltem Gesicht die Gardinen auf. „Lasst mich alle in Ruhe!“ Die Prinzessin wälzte sich im Bett herum und murmelte Verwünschungen aller Art. „Es ist Zeit aufzustehen, Hoheit.“ Ihre Zofe Conelle schlug unbeirrt die Decke auf. „Ihr solltet solche Ausdrücke nicht in den Mund nehmen, Prinzessin.“ „Lasst mich in Ruhe! Ich bin noch müde! Wie könnt ihr es wagen mich um diese Uhrzeit aufzuwecken? Verschwindet!“ Die Dienerinnen zuckten beim schrillen Ton der Stimme ihrer Herrin zusammen, doch sie bereiteten weiterhin das Bad und die Kleider für die Prinzessin vor. „VERSCHWINDET!!!“ Conelle seufzte schwer. Weshalb war es bloß fast jeden Morgen so anstrengend die königliche Hoheit zu wecken? Für ihre zarten siebzehn Jahre war die Prinzessin bereits eine gefürchtete Person bei der Dienerschaft im Schloss Ecoli. Ihrem Zorn und ihren Launen konnten nur wenige Menschen standhalten und dazu zählte die etwas ältere Conelle, eine der zahlreichen Töchter des Herzogs von Perison. Deshalb überließen ihr die anderen Zofen diese leidige Aufgabe. „Wie Ihr wünscht, Prinzessin. Seine Majestät, König Vitoris, wird aber sehr ungehalten sein, wenn Ihr Euren Unterricht vernachlässigt.“ „Lasst mich alle in RUHE!!!“ Conelle zog überrascht die Augenbrauen hoch und befahl den Dienerinnen sich zurückzuziehen. Der Prinzessin ging es wohl wirklich schlecht, wenn selbst der Gedanke an ihren Vater sie nicht aufstehen ließ. Aus diesem Grund machte auch sie einen Knicks und wollte gehen. „Wartet, Conelle.“ „Prinzessin?“ „Wenn mein Vater sich nach mir erkundigt, richtet ihm aus, dass ich krank sei.“ „Jawohl, Hoheit. Soll ich einen Arzt schicken?“ „Nein.“ Als Conelle weg war, warf die Prinzessin wütend ihr Kopfkissen an die Wand und schlüpfte wieder unter ihre Decke. Welcher Arzt konnte ihr schon helfen? Eine Medizin gegen Liebeskummer wurde noch nicht erfunden. Warum? Warum beachtete er sie einfach nicht? Sie hatte keine Lust auf diesen Unterricht, auf den ihr Vater bestand. Vitoria interessierte sich einfach nicht für Politik und Kunst, doch als zukünftige Königin von Sorendian war dies wohl vonnöten. Dabei reichte es doch schon, dass sie schön war und ihr zukünftiger Mann die königlichen Aufgaben übernehmen wird. Die Prinzessin stand auf, um sich in ihrem großen, goldenen Spiegel zu betrachten. Sie hatte goldenes, langes und lockiges Haar, klare blaue Augen, hohe Wangenknochen und eine schöne gerade Nase. Ihre Haut war zart und weiß und ihre schlanke Figur war an den richtigen Stellen etwas fülliger. Besonders neben der rundlichen Conelle kam sie richtig zur Geltung. Selbst in ihrem Nachtgewand sah sie gut aus. Wenn sie erst einmal ihren Schmuck anlegte und ihre prächtigen Kleider trug, war sie nicht nur die mächtigste, sondern auch die schönste junge Frau bei Hofe und bei allen begehrt. Warum nahm ihr entfernter Vetter Leas von Faranko sie überhaupt nicht wahr? Als er seit langem wieder hier war, blieb er immer höflich distanziert und machte ihr auch keine Komplimente wie die anderen jungen Männer und dann reiste er auch noch nach einem Tag wieder ab. So weit ich weiß ist er noch nicht verlobt, dachte Vitoria, Vater sollte mich schnell an ihn verheiraten. „Du bist also mein neuer Schüler? Du sollst großes Talent und noch dazu die seltene Gabe des Blickes besitzen.“ Der berühmte Magier Furus Usmaer schaute ihn mit klaren grauen Augen durchdringend an, als wüsste er bereits alles über ihn. Der alte ehrwürdige Mann besaß einen eigenen Turm im Königsschloss, der voll mit Büchern war. Cay hatte eine verschrumpelte Gestalt mit langem Bart erwartet, doch dem war nicht so. Furus Usmaer überragte ihn sogar um ein paar Zentimeter, trug dieselbe schwarze Magierkleidung wie er und war sehr gründlich rasiert. Sein weißes Haar war nicht, wie bei älteren Männern üblich, streng zurückgekämmt, sondern fiel ihm sogar ein wenig in das markante Gesicht. Er sah wirklich nicht aus, als wäre er bereits fast hundert Jahre alt, sondern eher um die sechzig. „Meister“, sagte Cay ehrfurchtsvoll, nachdem er sich von dem Anblick des Mannes wieder gefangen hatte, und verbeugte sich tief. „Ich fühle mich geehrt, dass Ihr mich zu Eurem Schüler auserwählt habt.“ „Nicht so förmlich, junger Mann.“ Der Magier lachte. „Ich habe gehört, dass du zuerst abgelehnt hast. Du wirst bei mir erst einmal Ehrlichkeit lernen.“ Cay war nun sichtlich irritiert. Das war der mächtigste Magier Sorendians? Er hatte ihn sich wirklich völlig anders vorgestellt. Plötzlich veränderte sich der Ausdruck des alten Mannes und er wurde ernst. „Deine Aura erinnert mich an zwei meiner ehemaligen Schüler. Sie hatten dieselbe Kraft wie du und denselben Ausdruck in ihren Augen und doch hätten sie nicht unterschiedlicher sein können. Bevor ich dich endgültig als meinen Schüler anerkenne, muss du mir eine Frage beantworten. Die Gabe des Blickes bezeichnen manche auch als Fluch. Wie denkst du darüber? Ist „der Blick“ eine Gabe, also ein Geschenk der Götter oder ein Fluch, eine Strafe der Götter?“ „Ich bin noch dabei es herauszufinden, Herr“, antwortete Cay ehrlich und ohne zu zögern. „Noch auf der Suche?“, wiederholte Usmaer und sein Blick wurde milder. „Ehrlichkeit ist eine wichtige Tugend. Du hast die Prüfung bestanden.“ „Ich bin beeindruckt, Mylord. Mein König hat mich vor Euch gewarnt, doch dass Ihr es schafft mit nur zweihundert Männern mehr als die Hälfte meiner Männer zu besiegen, hätte ich nicht für möglich gehalten. Jetzt ist es wohl an der Zeit, dass wir beide es austragen.“ General Kaz schaute seinen Gegner mit einem überlegenen Grinsen an. „Ihr könnt natürlich auch gleich aufgeben.“ Lord Alonius von Faranko schwieg nur und stieg von seinem Pferd ab. Der General Calenias’ folgte seinem Beispiel. „Bevor ich Euch töte, werter Lord, wo ist das Mädchen, das Ihr bei Euch versteckt habt?“ „Ich sage es Euch, wenn ich Euch getötet habe.“ Die Schwerter zweier ebenbürtiger Gegner trafen aufeinander. König Celden hatte einen seiner besten Generäle geschickt. Woher wussten die Calenier, dass Anaria sich in Faranko aufgehalten hatte und was wollten sie von ihr? Der Lord war leicht unkonzentriert, weshalb ein Schwerthieb ihn fast getroffen hätte. „Ihr seid sehr arrogant, Mylord, wenn Ihr gegen mich so unaufmerksam seid.“ Mit diesen Worten streifte General Kaz seinen Gegner am Bauch, doch der Lord ließ sich nichts anmerken. Der General wich gekonnt einem Gegenschlag aus. „Ich bin Euch nur überlegen!“, rief Lord Alonius triumphierend, wich ebenfalls einem Schwerthieb aus und stach dem General eine tiefe Wunde in die linke Schulter. „Denkt Ihr etwas, das könnte mich unschädlich machen?“ Die Klingen der beiden Männer trafen so schnell aneinander, dass man die Schritte gar nicht mehr mitverfolgen konnte. Anaria schlief schlecht. In ihrem Traum sah sie viele Bilder, die sie nicht einordnen konnte, schemenhafte Gesichter und Orte, an denen sie nie gewesen war. Sie hörte Schreie, Schwerterklingen und weinende Kinder. Plötzlich stand sie direkt vor dem Kampf, den sie vorausgesehen hatte: Lord Alonius gegen einen General Calenias’. „Vater!“, rief sie, doch niemand schien sie zu bemerken. Anaria blickte sich verzweifelt um. Ihre Heimatstadt Faranko brannte lichterloh. Sie sah Lady Sarifinia, die sich um die Verletzten kümmerte und trotzdem ständig besorgt zu dem Kampf ihres Mannes herüberschaute. Beide Männer waren bereits schwer verletzt, doch keiner von ihnen wollte aufgeben. Mit einem letzten Schlag traf der Lord seinen Gegner tödlich in den Bauch. Anaria atmete erleichtert auf, doch dann sah sie, wie der sterbende General seine letzte Kraft zusammennahm, um den Lord ebenfalls tödlich zu verletzen. „Nein!!!“, Anarias Schrei vermischte sich mit dem der Lady, die sofort zu ihrem Gemahl rannte und versuchte ihn zu verarzten, doch es war zu spät. Die Wunde war zu tief. Calenische Soldaten zogen sie von dem Leichnam weg und fesselten sie. Die wenigen Soldaten aus Faranko, die überlebt hatten, wurden ebenfalls gefangen genommen. „...aria, ANARIA!“ Leas versuchte das schreiende Mädchen aus ihrem Traum zu wecken, indem er es schüttelte, doch Anaria hörte nicht auf zu schreien. „Vater! Vater ist tot, er wurde ermordet!“ „Nein, das stimmt nicht! Du hast es nur geträumt! NEIN!“ Leas wollte nicht glauben, was er gerade erfahren hatte. „Ich war dabei. Ich habe es gesehen“, flüsterte Anaria aufeinmal und ihr Blick wurde starr. Schluchzend klammerte sie sich an einen fassungslosen Leas. „Faranko..... zerstört. Vater... voller Blut... tot!“ Er verstand unter dem Schluchzen nur diese Worte, doch es genügte ihm. Faranko war gefallen. Sein Vater war tot. „Reiß dich zusammen, Anaria!“, rief er und drückte sie, doch auch ihm kamen die Tränen. „Was ist mit Mutter?“ „Mutter... wurde gefangen genommen.“ „Ich werde Faranko wieder zurückerorbern. Deshalb hat Vater uns fliehen lassen. Wir dürfen nicht aufgeben und Mutter lebt vielleicht noch. Wir müssen sie aus den Händen Calenias’ befreien. Sei stark, Anaria!“ „Ich bin nicht stark“, erwiderte sie nur, „ich bin nicht stark.“ Diese Worte wiederholte sie noch einige Male, dann brach sie zusammen. „Dieser Kaz war so ein lächerlicher Mann. Es ist kein Verlust, dass er gestorben ist. Wie konnte er nur so unaufmerksam sein! Ich hätte früher kommen sollen. Jetzt haben wir zu viele Männer verloren.“ Lady Sarifinia starrte furchtlos die junge Frau an, die nun auf sie zukam. Vor den Caleniern wollte sie nicht weinen. Die Frau war höchstens in demselben Alter wie ihr Sohn und trug eine calenische Rüstung. Ihr glattes schwarzes Haar war so kurz wie das eines Mannes und ihre dunkelbraunen Augen blitzten amüsiert. „Ihr seid also Sarifinia?“, bemerkte die Frau in einem unhöflichem Ton. „Sagt mir, wo „das Mädchen“ steckt!“ „Wer seid Ihr, dass Ihr mir Befehle erteilt? Was wollt ihr von dem Mädchen?“ „Ihr befindet Euch nicht gerade in der Situation, um die stolze Adlige zu spielen, Mylady“, bemerkte die Frau höhnisch. „Sie ist sicherlich auf dem Weg nach Ecoli? Tja, da haben wir wohl Pech gehabt. Leider habe ich den Befehl erhalten Euch nicht zu töten und Euch nach Clay zu bringen. Ich wünsche Euch eine angenehme Reise.“ Sie wandte sich den Soldaten zu. „Zwei von euch bringen die Dame sicher nach Clay und zwar sofort. Vergreift euch nicht an ihr, sonst droht euch vom König die Todesstrafe.“ „Jawohl, General Liseani!“ „Warum führt Ihr mich nach Calenias?“, fragte Lady Sarifinia erstaunt. Sie hatte mit Vergewaltigung und Tod gerechnet und diese junge Frau war ein General Calenias’? Was war das nur für ein seltsames Land. „Seine Majestät, der König, wünscht dies. Mehr kann ich Euch nicht sagen, da ich es selbst nicht weiß. Dasselbe gilt für dieses Mädchen. Wir fragen nicht nach den Plänen unseres Königs.“ Lady Sarifinia schwieg und fügte sich ihrem Schicksal. Vielleicht konnte sie ihrem Land von Nutzen sein, wenn sie in Calenias war. Dieses rätselhafte Nachbarland, von dem niemand etwas wusste. „Cay! Ich habe eine Aufgabe für dich.“ „Ja, Meister?“ Cay fragte sich schon die ganzen letzten drei Tage, die er unter der Obhut des Magiers verbracht hatte, was dieser den ganzen Tag an seinem Schreibtisch las und notierte. Nur ab und zu gab er ihm Anweisungen und behandelte ihn wie einen Diener. Viel gelernt hatte er bisher noch nicht. „Du beherrscht doch das Element Wind. Der König braucht einen schnellen Boten. Eine Nachricht, die er seinem Vetter, dem Lord von Faranko, geschickt hatte, ist nicht angekommen. Die Taube ist wieder zurückgeflogen. Du sollst dich nach der Lage erkundigen.“ „Meister...“, Cay zögerte kurz, doch dann fuhr er fort. „ich bin hier, damit Ihr mich etwas lehrt und nicht um Botengänge auszuführen.“ Der alte Magier hatte bis jetzt nicht von seinem Buch hochgeblickt, doch nun sah er seinem Schüler streng in die Augen. „Stellst du meine Erfahrung in Frage?“ „Nein, Meister, so habe ich es nicht gemeint... .“ „Vertrau mir. Glaubst du etwa, ich würde dich irgendwohin schicken, wenn es dir keine Fortschritte einbrächte?“ Widerwillig verbeugte Cay sich und machte sich auf den Weg zum Grenzposten. Anaria wurde von lauten Stimmen geweckt. Als sie sich aufrichtete, erschrak sie über den Anblick eines blutenden Leas, der beschützend vor ihr stand. Eine Gruppe von Männern hatte die beiden umzingelt und bedrohte sie mit Messern und Knüppeln. Es war wohl eine Bande Räuber, die sich sicherlich über zwei schutzlose, adlige und junge Menschen, freuten. „Gib auf, Junge! Du hast keine Chance gegen uns“, sagte einer der Männer mit einem breiten zahnlosen Grinsen. „Leas, was sollen wir machen?“ Sie stand auf und ergriff den Bogen, den Leas mitgenommen hatte. Er selbst hielt sein Schwert eher zittrig in der Hand. „Anaria? Du bist wach? Los, lauf weg!“ Leas versuchte sich so gut wie möglich zu wehren und er hatte eine gute Ausbildung genossen, doch es gelang den Männern in der Überzahl schnell ihn schwer zu verwunden. Er fiel auf die Knie und versuchte sich aufrecht zu halten, aber ihm wurde schwarz vor Augen. Du darfst nicht sterben, dachte er verzweifelt, du hast Vater und Mutter versprochen Anaria zu beschützen. Ob sie es geschafft hatte zu fliehen? Er wagte es sich kaum vorzustellen, was die Männer mit ihr täten, wenn dem nicht so wäre. Als er seine Augen mit aller Kraft wieder aufmachte, sah er wie ein Räuber vor ihm sein Schwert aufhob und zum Schlag ausholte. Leas schloss die Augen nicht, sondern blickte dem Tod entgegen. Er konnte sein Versprechen nicht halten. Dafür wollte er wenigstens würdig sterben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)