Das stimmt nicht! von Sitamun (Ich schon ...) ================================================================================ Kapitel 1: Du, Roxas -------------------- Dein Leben – mein Leben - wie weit sind sie miteinander verbunden? Wie eng miteinander verknüpft? Nur du und ich; du hast mir noch nie Antworten auf das gegeben, was stumm im Raum stand und keinen Ausgang fand. Wir existieren nicht, wir haben kein Herz und doch glaube ich, es zu fühlen. In mir, wegen dir ... Mein Freund, mein einziger Freund, allein weil du da warst, folgte ich ihnen, ihm, doch du hintergingst sie, ihn, mich und verschwandest auf der Suche nach Fragen, die du dir und mir, du und ich, schon so oft gestellt hattest. Ich wollte nicht, dass du gingst, wollte dich aufhalten, wollte dich bei mir haben – ich sagte es nicht und dir schien alles egal; dein Ziel eine Antwort, die ich dir nicht geben konnte. Hätte ich ein Herz, dann hätte es dir an jenem Tag hinterher geweint, an jenem Tag, als du dich auf die Suche begabst. Ich warnte dich, dich nicht gegen die Organisation, dem Grund, der uns zusammenhielt, aufzulehnen; stillschweigend zu akzeptieren, dass es keine Antwort gab. Eine Antwort, die genauso wenig existierte wie du. Du, der du ein Niemand bist, weder Freud noch Leid, weder Wut noch Schmerz zu empfinden vermagst. Ich bin wie du, war wie du und doch ... dieses nichtexistente Herz in mir, dieser Niemand, der ich war, trauerte deinem Verlust hinterher. Ich empfinde Trauer, Tränen laufen über Wangen, deren Gesicht die Welt nie mehr erblicken wird. Es existiert genauso wenig wie alle Niemande. Es ist wohl unser Schicksal. Ich glaubte, Leid zu empfinden, mein Freund, sei uns nicht gestattet. Es sei verboten, Gefühle zu haben, weil wir, eine einfache leere Hülle, nicht dazu bestimmt seien, unser altes Leben weiterzuleben. Doch wir beide, du und ich, wir brauchten unsere zweite Hälfte nicht. Ich lernte dich ohne sie kennen, wurde ohne sie zu deinem besten Freund und nur sie trennte uns. Deine zweite Hälfte, die, die dich existieren lässt, nahm dich mir fort und ich verlor alle Hoffnung, die Antworten auf die stummen Fragen zu bekommen. Immer zu rief ich nach dir, mein Freund, nach dir, Roxas! Doch du hast mich nie gehört, nie mir auch nur einen der Sorte Blicke geschenkt, die ich allein von dir haben wollte – es war schon ein Wunder, wenn du mich überhaupt als deinen besten Freund ansahst. Denn das tatest du nicht. Dein letzter Blick war gefühllos, herzlos – so wie es sich für Niemande gehört, das tat weh. Ich trauere erneut. Ebenfalls um dich, Roxas. Auch, wenn du dich wieder an mich erinnert hast. Auch, wenn du mich wieder sehen wolltest. Ja, unbedingt ... Es war kein Gewinn, kein Gewinnen einer freudigen Erinnerung; du hast mich besiegt, um dein Leben zu schützen, das ich dir nehmen wollte. Ich wollte dich wieder bei mir haben, an meiner Seite – ich brauchte den Grund, musste ihn wieder erfahren, warum ich bei der Organisation blieb. Ich bekam ihn nicht den Grund, also verriet ich sie, die Organisation XIII, handelte gegen ihren Willen. Du warst verschwunden, ich war frei, nicht mehr an sie gebunden, dennoch versuchte ich nichts anderes, als dich wieder zu kriegen. Es schien vergeblich, ihr wart wieder eins geworden, wieder vereint und untrennbar. Wer von euch war also nun mein Freund? Du, Roxas, oder doch er? Ich half ihm, gegen all die Dämmerlinge zu kämpfen, die auftauchten, sich ihm in den Weg stellten. Er beschützte mich, als ich erschöpft am Boden lag – doch das weißt du alles, oder? Du warst ja dabei, in ihm. War er es, der mich beschützte? Seine Augen, die dieses Leid zeigten, mich nicht gehen lassen wollten, meinen endgültigen Tod verhindern wollten? Oder warst es doch du, doch deine Augen? Ich werde es nie wissen. Ich sah nur in sein Gesicht, sah nur seinen Schmerz, seinen Widerwillen – all seine Gefühle, die du und ich schon lange nicht mehr empfinden können, noch nie empfanden. Nur schwache Erinnerungen an ein Leben vor unserem, als wir existierten. Er war traurig, sehr sogar, und ich glaubte, es auch zu fühlen, seine Traurigkeit – tatest du das auch? Zu gerne wüsste ich es, doch jetzt ... Niemande sind nicht, von Anfang an weniger als ein Schatten ihres alten Selbst. Sie haben kein Recht auf Leben und doch taten wir es, leben. Ein Leben ohne Herz, nach dem wir alle so sehr streben, das uns „eins“ macht, uns leben, existieren lässt. Doch jetzt ... jetzt bin ich noch weniger als das, kein Niemand mehr; ich gab mich auf, um dich zu beschützen, der du zu ihm zurückgefunden hast. Gedanken im Nichts, die niemanden mehr erreichen, weil ich selbst weniger bin als ich es als Niemand war. Jemals Antworten zu erhalten ist genauso sinn- und hoffnungslos wie zu glauben, ich könnte dich jemals wieder sehen. Nur dein Bild vor Augen, die ich nicht mehr habe, nichts sehen, nur deine Stimme in Ohren, die nicht mehr sind, nichts hören, nur Schatten von Erinnerungen, nur Licht in meinem Selbst, das es, mich, vor der Dunkelheit bewahrt. Ich fürchte mich nicht vor ihr, nein, nur vor mir selbst, nur davor, dich in diesem endlos schwarzen Nichts gänzlich zu vergessen. Mein Freund, Roxas, denkst du noch an mich? An all die Fragen, die du hörtest, obwohl ich sie nie aussprach? An all die Antworten, die du mir nie geben kannst? Empfindest du deswegen Kummer? Weint er für dich, wenn du am liebsten weinen würdest? Tust du das wegen mir? Laufen Tränen aus seinen Augen, weil du betrauerst, mir nie wieder ins Gesicht sehen zu können? Denkst du überhaupt noch an mich? An mich, mein Freund? Oder bin ich mittlerweile ein Fremder für dich? Sage mir, wie lang ist’s her, dass du, Roxas, mir in die Augen sahst? Jahre? Ewigkeiten? Ich wünschte, es wäre gestern gewesen, doch es war nicht erst gestern. Gestern war ein Tag im Nichts wie jeder andere auch. Gestern war ein Tag voller Sehnsucht und Schmerz wie jeder andere auch. Gestern war ein Tag, an dem ich dich nicht minder vermisst habe wie an jedem anderen auch. Ich zerfloss vor Trauer wie in diesem Moment auch. Roxas, mein Freund, wolltest du das? Wolltest du das wirklich? Warum hast du mich verlassen? Mich, deinen Freund? Warum bliebst du nicht bei mir? Warum hast du mir das angetan? Dieses Schicksal? Diese Pein? Diese Sehnsucht nach dir an meiner Seite? In meinen Armen? Ich habe dich nie nah in mir gespürt, nie gewusst, ob deine Worte nur leer waren oder vor Freundschaft, die nie sein durfte, konnte, blutete? Was warst du für mich? Sei ehrlich ... ein Freund? Oder eine Lüge? Was war dir wichtiger? Lüge nicht ... ich? Oder die Organisation? Was frage ich eigentlich? Du hörst es eh nicht – würde es dich überhaupt interessieren? All dies zu empfinden, was ich zu fühlen glaube? All die Fragen zu kennen, die ich mir immer und immer wieder stelle? Meine Sehnsucht wird von Tag zu Tag größer, ich vermisse dich von Augenblick zu Augenblick mehr; meine Tränen, die ich wegen dir weinen möchte, stauen sich, doch ich kann sie nicht weinen. Dieser Schmerz ist unvergesslich, er beherrscht mich, jede Sekunde, jeden Moment, in dem du mich nicht erhörst. Roxas! Hör mich an! Erlöse mich! Erinnere dich an meine Freundschaft, gedenke ihrer und befreie mich! Lass mich an deiner Schulter all die Tränen weinen, die du nicht trocknen kannst. Und dann lass mich vergessen, verschwinden für immer! Erlöse mich für immer von diesem Schicksal, mich an die Erinnerung an dich klammern zu müssen, um einem Leben in kompletter Finsternis zu entgehen! Hilf mir, mich nicht mehr an dich erinnern zu können und verhindere, dass ich dich vergesse! Mein Freund – kannst du das? Willst du das denn? Ist es dein Wunsch, dass ich hier verrotte und vergehe wegen dieser Qual, die ich selbst nicht zu beenden vermag? Sag mir, Roxas, was hält dich auf? Warum tust du so, als wäre ich nichts? Als hättest du mich vergessen? Denn das hast du nicht, oder? Du weißt genau, wer ich bin, weißt genau, warum ich nach dir rufe und Erlösung verlange. Sag mir, dass du es so ist - sag mir, ich sei dein Freund! Bitte, mein Freund, erhöre mich! Mach all dem ein Ende! Erhöre mich endlich! Sei gnädig so wie er es ist! Beschütze mich vor der Finsternis wie ich ihn vor all den Dämmerlingen! Du bist mir nichts schuldig, nein, aber macht man das unter Freunden nicht so? Kapitel 2: Axel, es tut mir so Leid ... --------------------------------------- Jedes Mal, wenn die Nacht versiegt ... Jedes Mal, wenn der Tag aufgibt ... Jedes Mal höre ich seine Worte und jedes Mal höre ich sie deutlicher. Nein, es sind nicht meine Ohren, die sein Flehen wahrnehmen; allein mein Herz leidet. Und ich weiß nicht, wie ich mein Leiden vermindern kann. Ich will nicht mehr, kann nicht mehr. Es tut so weh, so unglaublich weh. Ich verstehe jene Worte, ihre Bedeutung wird für mich immer verständlicher. Ich will das nicht. Ich will sie nicht verstehen. Diese Gefühle, die sie in mir wecken, schmerzen mich noch mehr. So tief in mir, in meinem Herzen, das ich selbst jetzt, nachdem ich wieder mit dem vereint bin, der mich erschuf, nicht habe. Natürlich gab er mir das Gefühl zu leben, zu sein, doch jetzt ist er nicht mehr hier und in jedem Augenblick, in dem er nicht hier ist, nicht bei mir ist, entsteht in mir ein anderes Gefühl, eines, das ich vorher nicht kannte. Und jetzt, da ich es kenne, wünsche ich mir, ich hätte es nie kennen gelernt. Ich kann nicht sagen, was es ist; in meinen, seinen, Erinnerungen kommt dieses Gefühl in dieser Form nicht vor, nicht so stark, nicht so schmerzhaft. Ich könnte weinen, so grauenhaft viel weinen ... aber ich kann’s nicht. Diese Worte und ihre Bedeutung ... ich fühle mich so schuldig. Ich hätte das nicht tun dürfen. Was? Es könnte so vieles sein. Zu vieles. Mein Gewissen quillt geradezu über mit den ganzen Vorwürfen. Alles. Wenig. Viel. Gar nichts. Gott, was? Doch es bleibt still. Nur jene Worte. Nur ihr Echo. Und es wird immer lauter. Immer und immer lauter. Als schreie er direkt in mein Ohr. Nein, mein Herz. Es blutet doch schon so stark. Und ich kann diese Wunde nicht verheilen. Sie wird nicht verheilen. Einfach so. Das Blut wird nicht gerinnen. Ich bin mir nicht sicher, doch ich glaube den Grund zu kennen. Stelle ich, nein, stellt er, sich vor einen Spiegel, sieht sich an, blickt sich selbst in diese blauen Augen, die den meinen so ähnlich sind, dann sehe ich meine Traurigkeit in ihnen. Dieser junge Mann, den ich im Spiegel sehe, strahlt nicht mehr vor Glück, vor Selbstsicherheit, wie er es sonst immer tat; er ist traurig, weil ich es bin. Er könnte weinen, weil ich es will. Doch er hält meine Tränen zurück. Er leidet. Wegen mir. Und ich kann es nicht ändern. Ich weiß nicht, warum. Dieses Blau sieht aus wie ein Meer aus Tränen, die nicht in die Freiheit gelangen. Dieses Meer ist verschlossen in ihm, in mir. Der Schlüssel ging schon lange verloren. In einer Welt, die niemals war. Er kann nicht mehr gefunden werden. Es tut weh, so sehr ... Erlösung, Freiheit, ist zum Greifen nah, doch ich kann meine Hand nicht heben, meinen Arm nicht strecken, nur den Worten lauschen und mein Herz weiter bluten lassen. Mich von diesen Gefühlen weiter beherrschen lassen, die ich nicht fühle. Ich hätte nicht gedacht, dass ... Schon wieder ... seine Worte ... ich höre sie ... nein, ich fühle sie ... so laut ... noch lauter ... Wenn ich jetzt darüber nachdenke, in einem Moment, der so oder so nicht mehr von Bedeutung ist, der einfach nur verstreicht wie jeder andere, obwohl ich weiß, dass er es eben nicht tut, dann fällt mir auf, dass ich all die Antworten kannte. All die Fragen, auf die sie passten. Er hat sie gestellt. Und in jenen Worten wirft er es mir vor. Ich glaube nicht, dass er mich verstand. Oder versteht. Er lebt noch, wenn überhaupt. Ich weiß doch, dass er da ist. Auch, wenn ich ihn nicht sehe. Er hofft auf Antworten, die einzig und allein ich kenne. Doch wie soll ich sie ihm geben? Ich kann das nicht mehr. Wir sind nicht mehr zusammen; getrennt durch meine eigene Hand. Damals dachte ich, ich könnte ihn wieder sehen, wir seien irgendwann wieder vereint, ich hatte so gehofft ... Ich wollte ihm die Antworten doch noch geben; er hatte sie doch so verdient. Immerhin ... ist er doch mein bester Freund. Ja, ist! Er ist noch! Auch wenn wir Niemande nicht das Recht dazu haben, zu sein. Irgendwo ist er. Vermutlich auch dort, wo der Schlüssel ist. Trägt ihn dicht an ihm. An die Stelle gedrückt, wo sein Herz sein sollte. Sicherlich ... Dieser Schlüssel hält ihn am Leben, ja? Bewahrt ihn davor, wo auch immer er sein mag, komplett ins Nichts zu versinken. Dieses Nichts .. In dieser Welt, die niemals war. Ist er es, der sein Rufen weiterleitet? In mein Herz? In das Herz, dass ich mal hatte? Dieser Mann im Spiegel starrt an sich hinunter, auf seine rechte Hand. Da ist er, der Schlüssel. Sein Metall so kalt und trügerisch schützend. Mit Sicherheit ein zweischneidiges Schwert. Durch ihn höre ich scheinbar, wie er meinen Namen schreit, in mein Herz, so quälerisch laut und voller Sehnsucht. Ich weiß nicht, warum er zu schreien scheint, ob ihn allein der Drang, mich zu sehen, mich zu haben, mich zu fühlen, diese Kraft verleiht. Hat er in dieser Welt überhaupt noch Kraft? Oder ist es die des Schlüssels? Die, die mich wieder mit meinem alten Selbst vereinte? Warum? Gott, verdammter, sag mir, warum nimmt dieses Fragen kein Ende? Warum höre ich meinen Namen immer deutlicher? Roxas! Es tut weh, so sehr ... Ich will nicht mehr! Er soll endlich schweigen! Dieses Meer ist bereits überfüllt! Ich kann nicht mehr! Ich habe keine Kraft mehr, keine Kraft mehr dafür, ihm zuzuhören! Immer deutlicher zu fühlen, wie sehr ich doch Schuld daran bin! An diesem Schlamassel! An dieser Folter! Ich hätte nie einfach so gehen dürfen ... ich hätte seinen Worten lauschen sollen, als er sie noch sagen konnte, mit seinem Mund, mit seiner Stimme, die mich so sehr berührte! Mein bester Freund, dessen Nähe ich nie so offensichtlich haben wollte und von der ich jetzt nicht genug kriegen kann! Hasst er mich jetzt deswegen? Trotz seines Schreiens? Seiner Qual? Gott, verdamm mich! Ich kann nicht mehr ... Axel, es tut mir so Leid ... So schrecklich Leid ... Verzeih mir ... Lass uns zusammen in dem Meer meiner blauen Augen, in dem Meer meiner ungeweinten Tränen untergehen ... Lass uns wieder Freunde sein ... Kapitel 3: Auf ewig vereint --------------------------- „Roxas“ Sora blickt auf den Spiegel vor ihm, sieht sein ihn mit ernsten Augen anblickendes Spiegelbild. Nein, viel eher traurig als ernst, beinahe schon verzweifelt … aber nicht Sora ist es, dessen Herz blutet. Seine herzlose Seite ist derjenige, dem zu weinen zumute ist, trotzdem bleiben seine Augen trocken und Sora weint für ihn. Ständig. Immer öfter. Sora weiß warum. Er hört seine Gedanken, sein Jammern und Flehen, dass er ihm verzeihen möge. Doch er ist tot. Schon lange. Er hatte sein Leben geopfert, um ihn, den Träger des Schlüsselschwertes, der ihn doch so an seinen verlorenen besten Freund erinnerte, zu retten. Roxas weiß das. Er hatte mit Soras Augen gesehen, wie er sich auflöste, im Nichts auf ewig verschwand. Er selbst hatte sich nicht gewagt, seinen Freund anzusehen, zu groß war der Schmerz, und trotzdem musste er dem Tod des einzigen Freundes, den er während seiner Zeit als umherirrender Niemand hatte, beiwohnen. Schrecklich. Verschwindet nicht … Immer wieder … Keine Gnade … Soras Spiegelbild verändert sich, nicht viel, immer noch derselbe Schmerz in denselben blauen Augen, teilweise verdeckt von blonden Strähnen, die ihm nicht in die Stirn hängen würden, hätte diese Verzweiflung ihn nicht dazu verdammt, weitere Stunden im Bett zu liegen und das Meer in ihm auszuweinen. Sora hebt die Hand zu seinem Gesicht, wischt die Tränen weg, sein Spiegelbild folgt seiner Bewegung nicht, sieht schuldbewusst zur Seite. „Es … tut mir Leid, Sora“ Nein … ich muss mich entschuldigen … „Ich weiß“ Wann wird er wohl endlich … „Ich höre ihn, jeden Tag, und obwohl ich … verdammt, trotzdem kann ich nichts machen!“ Die Verzweiflung in den Augen, die nicht Soras sind, mischt sich mit Wut. Auf sich selbst. Dass er nicht helfen konnte. Dass er sich nie wie der Freund benahm, der er sein wollte. Der er war. „Ich weiß … ich höre ihn auch und ich höre dich …“ Sein Blick hebt sich wieder. „Was meinst du damit?“ „Du schreibst mit jeder Faser meines Körpers nach ihm. Jede deiner Tränen, die über meine Wangen fließt, verlangt ihn zurück ins Leben. Kein Gedanke von dir enthält nicht seinen Namen. Du …“ Axel … „ … vermisst ihn …“ Roxas Augen weiten sich ein wenig, er legt seine Hand auf seine Brust, dorthin, wo sein Herz wäre. „Sora …“ Es tut mir so verdammt Leid, Roxas … Der Angesprochene blickt auf, in dieses Gesicht, dem seinen so ähnlich, ein verständnisvolles Lächeln auf den Lippen. „Das ist dein Schmerz … du …“ Axel … „Natürlich. Ich habe Ewigkeiten nach ihm gesucht, damit mein Schmerz endlich geringer wird. Es war unerträglich nicht zu wissen, wo Riku war … Axel ist ihm sehr ähnlich …“ „Doch Riku ist bei dir und …“ Sora lächelt mitfühlend; er kann es einfach nicht. Diesen einen Namen aussprechen … „Das macht keinen Unterschied, nicht mehr lang …“ Bitte verzeih mir … irgendwann … „Was–“ Doch Sora hat sich bereits von seinem Spiegelbild abgewendet, zieht sich um, ordnet seine Haare, die Strähnen in seiner Stirn verschwinden und als sein Blick wieder auf den Spiegel fällt, sieht er nur noch sich. In diesen Augen … … ein Hoffnungsschimmer … Draußen, am Strand, nachts, umfließt das kalte Meer seine Füße, präsentiert seine nasse Haut dem Wind. Gänsehaut. Schützt ihn wieder vor dem Wind. Das Meer ist endlos. Er kann den Horizont nicht erkennen und wenn er die Augen schließt, dass sieht er das grenzenlose Meer seiner Tränen … Roxas … Nebel zieht aus, lässt es verschwinden. „Roxas …“ So voller Schmerz, so voller Leid und so voller Schuld … „Sora – was hast du vor?“ Er öffnet seine Augen wieder, in seiner rechten Hand das Schlüsselschwert, sieht auf es hinunter. Mit diesem Schwert hat er so lange nicht mehr gekämpft, sich nicht mit Leib und Seele an es geklammert um zu überleben. Durch es, geführt von ihm, hatte er viele Welten vor Herzlosen und Niemanden beschützt. Und jetzt, nach so langer Zeit, wird es zum letzten Mal zuschlagen. „Wirst du mir jemals verzeihen können?“ Roxas? Sora schüttelt lächelnd den Kopf, schließt kurz die Augen … er sieht nur noch weiß, kein Nebel, kein Meer … „Nein, das brauchst du gar nicht …“ „Sora! Das musst du nicht! Du bist mir nichts schuldig-“ „Nein, aber macht man das unter Freunden nicht so?“ Genauso wie, nicht anders als er … „Axel …“ Ein letztes Wort und er verschwindet auf ewig im Nichts. Wirklich … Wie er … Sora blickt auf das Schlüsselschwert in seiner Hand. Das war’s. Nie wieder. Nur noch er. Ohne ihn. Immer. Er lächelt. Nein, ohne ihn, ohne Roxas, fehlt ihm einfach etwas. Er könnte gar nicht, selbst wenn er wollte. Aber dafür sind sie jetzt vereint. Das Schlüsselschwert verschwindet. Roxas und Axel. „Auf dass sie ewig zusammen sein mögen.“ Kapitel 4: Auf ewig verdammt ---------------------------- Ich weiß, ich habe nicht das Recht dazu. Ich werde es nie haben, denn ich werde nie etwas anderes sein als ich bin und trotzdem … trotzdem nahm ich mir das Recht, über dich zu entscheiden, zu richten und zu glauben, meine Meinung über dich sei die Richtige. Ich, die ich ein Niemand bin wie du, entstanden durch denselben Körper wie du, der zurückblieb, als ihn die Herzen unserer Jemande verließen, glaube zu wissen, was dich erwartet. Wie deine Zukunft aussieht. Und … … wie seine Zukunft aussieht. Sie sind … Sie ist bei ihm; sitzen am Strand, sehen in den Sonnenuntergang, der den Himmel blutrot färbt, und wenn ich durch ihre Augen in die seinen sehe, dann entdecke ich einen Schatten in seinen hellen, blauen Augen. Dieser Schatten bist du, das weiß ich. Dieser Schatten - du - ist traurig, er ist dunkel, schwarz wie die Finsternis, unübersichtlich und auf einmal sind seine hellen Augen genauso dunkel wie der Schatten. Wie du. Ich glaube, das weiß er. Ich glaube, ihm entgeht ihr besorgter Blick nicht. Er sieht so aus, als würde er jeden Augenblick weinen. Weinen wegen eines unglaublichen Schmerzes, der nicht einmal der seine ist. Tief in ihm sehe ich dich. Klein. Zusammengekauert. In der Finsternis, aus der wir entspringen und die uns am Leben hält. Du ertrinkst nicht in diesem Meer deiner Tränen, die unaufhörlich über deine Wangen fließen und nie ein Ende finden werden. So tief verborgen in ihm, deinem Jemand, ist dir das Sterben verwehrt, obwohl ich weiß, dass Sterben genau das ist, was du erstrebst. Du bist verdammt dazu, zuzuhören, wie er nach dir ruft, verzweifelt um Erlösung von diesem Nichts schreit, das nie von dir ablassen wird. Und von ihm auch nicht. Es ist so … Sie wendet sich von ihm ab, geht. Es ist Nacht. Doch er bleibt dort. Seine Augen sind geschlossen, verhindert die Sicht in diese finsteren Augen. Trotzdem … kann ich dich noch sehen … und ich glaube zu fühlen, wie du … immer mehr … vor dich hin stirbst … innerlich … „Sora, bitte …“ Er sieht mich an, und ich weiß, er würde, wenn er könnte. Er würde dich und ihn zusammenführen, wenn er die Macht dazu hätte. Er würde sich und dich von diesem unglaublichen Schmerz erlösen. Er kann nicht. Sie sind nicht … „Naminé, ich täte nichts lieber! Es ist Roxas Schmerz, aber – gottverdammt – ja, ich fühle ihn auch! Ich höre das Flehen seines besten Freundes und – und … ich würde alles tun, um ein Niemand zu werden! Keine Gefühle mehr zu haben. Verdammt – weißt du eigentlich, was das für eine Last ist?!“ Soras Stimme wird lauter und nun, obwohl ich weiß, dass er noch so viel mehr zu sagen hat, schweigt er, sieht mich nicht mehr an, verdeckt mit seinen Händen seine Augen. Doch ich sehe seine Tränen, die zu Boden fallen. „Roxas und Axel – sie sind beste Freunde … wie ich u-und ... ich – ich … und seinen besten Freund zu verlieren ist wie selbst zu sterben. Ihnen zuzuhören und die Erinnerung an … ihn … Gott – ich kann nicht mehr … “ Leise. Ein Schluchzen. Weitere Tränen. Unüberhörbar. Sora … Und du siehst nicht einmal auf, als würde er dir nichts bedeuten, als wäre er ein völlig Fremder. Das Meer in ihm ist zu groß, du hast in ihm zu viele Tränen geweint. Und nun läuft es über den Rand. Aus ihm hinaus. Oh Roxas – was hast du getan? Ich dachte, du wärst nicht wie die anderen Niemande, nicht wie die, die du in der Organisation zurückgelassen hast. Du wolltest sein Herz nicht brechen, nicht seinen starken Willen. Sieh auf die Scherben vor deinen Füßen. Deine Schuld. Du bist … Nein, du, sein dunkles Gegenstück, kannst nichts dafür. Verzeih. Ich zog voreilige Schlüsse. Er opferte sich, um dich und ihn zu retten. Du bist nur frustriert. Du bist einfach nur … verzweifelt. Roxas, du … Sora weint sich in den Schlaf, unruhig, von Albträumen geplagt, grauenhaft … Und jetzt bin ich neben dir, in diesem schwarzen Meer, das immer noch zu voll ist, als das es jemals erträglich werden würde für Sora. Ich gehe in die Knie, lege meine Hand unter dein Kinn, zwinge dich, mich anzusehen. Das Recht, das ich nie hatte, nicht habe und niemals haben werde, weil ich nicht bin – ich werde nun Gebrauch davon machen. Du öffnest deine Augen und endlich sehe ich jenes helle Blau in deinen Augen, das sie in seinen Augen seit Monaten sehen will. Welch Ironie … hier im Finstern … so strahlend … „Roxas, du und er … du und Axel – ihr … ich weiß, wie deine Zukunft aussieht. Und wie seine Zukunft aussieht …“ Sie sind nicht miteinander verbunden. „Ihr werdet nie mehr zusammen sein können. Sein Tod ist unabänderlich und du … du stirbst mit Sora … nicht einmal nach dem Tod werdet ihr vereint sein. Jemande und Niemande sind im Tod nicht vereint. Du und er … ihr seid dazu verdammt, mit dieser Folter zu leben … auf ewig verdammt …“ Du siehst weg und auf einmal ist alles schwarz. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)