Bicontrolled von Stiffy ================================================================================ Kapitel 7: ...try anew and then maybe... ---------------------------------------- Seit jener Nacht, in der ich das erste und einzige Mal mit Marius geschlafen habe, sind nun mehr als vier Monate vergangen. Seitdem haben wir uns kein einziges Mal mehr geküsst... seitdem haben wir uns kein einziges Mal mehr zu lange in die Auge gesehen... und uns kein einziges Mal mehr zärtlich berührt. Seitdem sind wir Freunde, rein platonisch und kein bisschen mehr. So zumindest sollte es sein, wenn in den vier Monaten alles so gelaufen wäre, wie ich es mir vorgestellt habe. Doch das ist es nicht. Auch wenn wir uns kein einziges Mal geküsst, zu lange angesehen oder berührt haben, ist der Umgang zwischen uns ein ganz anderer als der zwischen normalen Freunden. Nein, wir führen keine normale, platonische Freundschaft... die haben wir nie geführt... Denn er liebt mich... Und auch ich habe begonnen, mich in ihn zu verlieben. Wie es dazu gekommen ist? Ich weiß es nicht, ich kann es nicht sagen. Es ist passiert, einfach so... und wahrscheinlich hat es tatsächlich schon bei der Kanutour begonnen, dieses merkwürdige Gefühl. Es hat nur ziemlich lange gedauert, bis ich es mir endlich selbst eingestanden habe, bis ich mir endlich selbst erlaubte, auch jemand anderen als Fabian auf diese Weise zu mögen. Jetzt glaube ich, dass das mein größtes Problem war: die Moral. Nie hatte ich daran geglaubt, dass man für zwei Personen so empfinden kann, also darf es gerade mir selbst nicht passieren. Aber es ist passiert, ziemlich stark sogar. Wieso ich es dann in dieser Nacht vor mehr als vier Monaten bereute, mit ihm geschlafen zu haben? Genau weiß ich es nicht, denn als es passiert war, verdrängte ich jeden Gedanken daran. Ich versuchte, gar nicht mehr darüber nachzudenken, und versuchte, es schnellstmöglich zu vergessen... und so vergaß ich zumindest den Grund, weshalb es mir dabei so schlecht ging. Ich vermute mittlerweile, dass ich keine falschen Hoffnungen in ihm wecken wollte... dass ich mir einfach selbst diese schönen Gefühle nicht erlaubte und mir so verbot, ihm etwas zu geben, was ich ihm nicht geben durfte... Dabei hätte die Nacht so schön werden können. Wann ich realisiert habe, doch verliebt zu sein? Vor einigen Wochen erst, denke ich, vor nicht mal ganz zwei Monaten... irgendwann, bei einem Videoabend, als wir uns einen bescheuerten, langweiligen Schnulzenfilm ansahen, als er dabei einschlief und ich gar nicht merkte, wie ich den Film ignorierte und mich dafür minutenlang in seiner Betrachtung verlor. Ja, ich weiß, das klingt wahnsinnig kitschig, aber ich glaube es war genau der Moment, in dem meine Gefühle so stark in mir hämmerten, dass ich sie einfach nicht länger ignorieren konnte. Ich schlief schlecht in jener Nacht, machte mir über alles und nichts Gedanken, und lauschte auf den Atem des Mannes, der in genügend Abstand zu mir im Bett lag. Susanne lachte, als ich mit meiner Erkenntnis ein paar Tage später zu ihr kam. Sie wäre davon begeistert, wie lange ich mich doch selbst belügen konnte, sagte sie... während ich das gar nicht witzig fand. Und ihr nächster Tipp war, gleich zu Marius zu gehen und ihm die Wahrheit zu sagen. Doch das habe ich nicht getan, bis heute nicht. Wieso nicht? Ich weiß es nicht... vielleicht aus Angst... vielleicht aus Scharm. Angst nicht davor, dass er mich zurückweisen würde – denn ich bin mir sicher, dass das nicht passieren würde – sondern Angst vor der Erkenntnis, vor dem letzten Schritt, davor, mich entgültig von Fabian zu lösen... Es klingt blöd, aber ich kann nichts dagegen tun. Und Scharm? Irgendwie ist es mir einfach nur peinlich, ihm nun zu gestehen, dass ich mich ebenfalls in ihn verliebt habe... Aber eigentlich ist da noch etwas anderes, was mir mehr Kopfzerbrechen bereitet... etwas, weshalb ich das Gefühl habe, dass ich ihn einfach nicht verdient habe... Es ist die Frage, was wäre, wenn ich noch mit Fabian zusammen wäre... Ob ich mich dann auch in ihn verliebt hätte? Diese Frage geht mir immer wieder durch den Kopf... und wahrscheinlich ist es vollkommen falsch, sie sich zu stellen... und trotzdem... Wäre es trotzdem passiert? Hätte ich dennoch diese Gefühle für ihn entwickeln können? Ist er jetzt nicht eher mein Rettungsanker, weil ich Fabian nicht mehr haben kann? Und ist es nicht falsch, dass ich mich genau das frage? Ja, und genau das ist der Grund, weshalb ich es ihm nicht sagen kann. Ich bin mir einfach nicht sicher genug, auch wenn ich genau spüre, wie wichtig er mir ist und dass ich ihn nicht verlieren will. ~ * ~ Doch nicht nur die Freundschaft – wenn man sie jetzt einfach mal so nennt – zu Marius hat sich weiterentwickelt, sondern auch mein Verhältnis zu seinen Freunden. Besonders mit Alexander verstehe ich mich immer besser und beginne mit ihm eine Freundschaft zu führen, wie ist sie mir vielleicht auch für Marius und mich gewünscht hätte. Schon ein paar Mal habe ich sogar etwas mit ihm alleine unternommen und beim letzten Mal – vor zwei Tagen – habe ich ihm dann gestanden, wie es mir mit Marius ergeht. Ich konnte es einfach nicht länger für mich behalten. „Was soll ich denn jetzt tun?“, habe ich gefragt, auch wenn ich nicht wirklich eine Antwort erwartete. Er ist schon viel länger ein Freund von Marius... wie kam ich überhaupt auf die Idee, ihm diese Sache zu erzählen? „Er würde sich ganz sicher wahnsinnig freuen...“ „Ja, schon... aber...“ „Du liebst ihn doch.“ „Ja... Ich... naja... Liebe ist so ein großes Wort...“, druckste ich nervös geworden herum. „Also nicht?“ „Doch... aber Fabian...“ „Der Kerl muss echt der Hammer sein, dass du nicht über ihn hinweg kommst...“ Ein seufzendes Kopfschütteln, bei dem ich nur nickte... und an den umgedrehten Bilderrahmen dachte, den ich noch immer nicht wegräumen konnte. „Aber wünscht du dir denn nicht mehr? Ich meine, Marius zu küssen oder mit ihm zu schlafen...?“ Wieso wurde ich bloß rot bei einer solchen Frage? „Doch... aber ich will ihm nicht wehtun...“ „Wieso hast du bloß so große Angst davor, dass es passieren könnte?“ „Ich weiß es nicht...“ Letztendlich kam bei dem Gespräch nur heraus, dass es wohl doch besser sei, es Marius vorerst noch nicht zu gestehen... auch wenn deutlich zu merken war, dass Alexander meine Ansichten nicht ganz unterstütze. Aber das nehme ich ihm nicht übel... er liebt Julian über alles, er kann sich einfach nicht in mich hinein versetzen. Wäre ich an seiner Stelle... ich hätte auch nicht verstehen können, wie ich neben Fabian noch für jemand anderen so fühlen könnte... Aber ich bin nicht an seiner Stelle, sondern an meiner... und für mich gibt es nicht mehr nur noch eine Person... „Was würdest du tun, wenn Fabian zurückkommen würde?“, ist die wohl schwierigste Frage, die Susanne mir stellte, seit ich mir meiner geteilten Gefühle klar bin, doch bis heute habe ich keine Antwort darauf gefunden. Oder sagen wir... ich habe keine gefunden, die mir gefällt. Denn es kann doch nicht sein, dass ich nach allem, was Fabian getan hat, noch immer ihn wählen würde? Das könnte ich Marius doch niemals antun, oder? Nein, die Antwort kann einfach nicht sicher sein... ~ * ~ >„Hey, hast du Lust, mit uns einkaufen zu gehen?“ „Huch, wie kommst du denn zu der Frage?“ >„Alex und Julian haben mich überredet, mitzukommen... Winterschlussverkauf und so.“ Ich werfe einen Blick aus dem Fenster. „Es regnet...“ >„Na und? Wenn du keinen Regenschirm hast, teile ich gerne meinen mit dir.“ Einen Moment ist es still in der Leitung... ob er denkt, jetzt etwas Falsches gesagt zu haben? Und ich? Wieso gehe ich nicht einfach mit einem blöden Spruch darauf ein, sondern halte stattdessen die Luft an, damit er meinen nervösen Atem nicht hören kann? „Ich weiß nicht...“, spreche ich weiter, versuche dabei einen neckischen Unterton einzuschlagen. >„Ach komm schon, lass mich nicht mit den beiden allein... Ich versteh ohnehin nicht, wie man nach mehr als drei Jahren immer noch so turteln kann.“ Da hat er recht, gerade für ein männliches Paar... Aber wenn er wüsste, wie sehr ich die beiden darum beneide. „Na gut, überredet... Wo treffen wir uns?“ >„Ich hol dich ab... ach, und sag mal...“ Kurz ist es still, als überlege er irgendwas. „Ja?“ >„Was hältst du davon, wenn wir danach noch Fondue bei dir machen oder so?“ „Jetzt willst du dich auch noch selbst einladen?“, lache ich. >„Klar! Ne im Ernst, das hatten wir doch den ganzen Winter durch vor und bei dir ist einfach am meisten Platz...“ „Stimmt, wieso haben wir’s eigentlich nicht gemacht?“ >„Ich habe keine blassen Schimmer...“ Ich sehe sein ausgiebiges Schulternzucken richtig vor mir. „Ach, sag mal, lad doch vielleicht auch noch Susanne und ihren Freund ein...“ „Der ist im Moment auf Geschäftsreise...“ >„Na dann soll sie eine Freundin mitbringen oder so...“ „Stopp, wirst du etwa plötzlich hetero?“ >„Quatsch, so verzweifelt bin ich nun auch nicht! Aber weißt du, ich habe mich Sylvester mit ihr unterhalten... und irgendwie klang sie, als würde sie sich ausgeschlossen fühlen...“ „Das ist nicht dein Ernst?!“ Der Schreck fährt mir bei seinen Worten ganz tief in den Bauch. Okay, ich verbringe im Moment wirklich viel Zeit mit Marius und seinen Freunden... aber eigentlich hatte ich nicht das Gefühl, dass ich sie vernachlässigen würde... >„Ich weiß nicht... ein bisschen vielleicht...“ „Okay! Ich ruf sie gleich an! Fragst du Alexander und Julian wegen dem Fondue?“ >„Schon erledigt!“ „Wie bitte?“ >„Na, weißt du... irgendwie wusste ich, dass ich dich überreden kann...“ „Also wirklich, das-!“ >„Ich weiß, du liebst mich dafür!“ Ein Lachen, das für ihn an diese Stelle gehört, für mich aber überhaupt nicht... Doch zum Glück spricht er gleich weiter, so dass ich nicht darauf reagieren muss. „Also dann, bis in drei Stunden, okay?“ „Okay!“ Susanne scheint sich tatsächlich riesig über meine Einladung zu freuen und so habe ich erst recht ein schlechtes Gewissen. Ich muss mich unbedingt noch mal bei Marius bedanken! Dies allerdings vergesse ich schon, als er vor mir steht. Seit meinem Gespräch mit Alexander vor zwei Tagen habe ihn nicht mehr gesehen... und irgendwie muss ich nun an die Worte denken. „Er würde sich ganz sicher wahnsinnig freuen...“ Ja... schlimmerweise bin ich selbst nur zu überzeugt davon. „Was hast du?“, lächelt Marius mich an und deutet auf meinen Hals... erst jetzt merke ich, dass ich mich vor nachdenken wie verrückt der Stelle dort gekratzt habe, die schon den ganzen Tag juckt. „Nichts...“, erwidere ich und nehme die Hand weg... doch das scheint ihm nicht genug zu sein, denn er tritt an mich heran und streckt die Hände aus. Erschrocken will ich im gleichen Moment, als er meine Haut berührt, auch schon wieder zurückweichen. „Kalt!“, spreche ich meinen Schreck aber nur aus und bleibe wie angewurzelt stehen. Wann hat er mich eigentlich das letzte Mal berührt? „Ach ja?“ Grinsend legt er nun beide Handflächen ganz gegen meine Haut, was mir eine eisige Gänsehaut über den Körper jagt. Sofort greife ich nach den menschlichen Eiswürfeln und entferne sie von meinem Hals... doch loslassen tue ich sie nicht, erst recht nicht, als er mit einem Mal die Hände dreht und seine Finger um meine schlingt. „Schön warm“, lächelt er. Ich schlucke... und sehe in seine Augen, die meinen Blick ebenso verwirrt erwidern. „Ich weiß, du liebst mich dafür!“ Wenn du wüsstest, wie recht du mit dieser Aussage hast... wenn du wüsstest, wie sehr ich es liebe, dass du mich immer wieder zum Lachen bringen kannst, wie ich es genieße, bei dir zu sein... oder jetzt deine eisigen Hände zu wärmen. „Marius, ich-“ Die Türklingel lässt mich zusammenschrecken und prompt in meinem unüberlegten Geständnis innen halten. Ich will mich von seinem Griff befreien und zur Tür sprinten, doch seine Hände lassen mich nicht los. „Was?“, werde ich fragend und ganz ernst angesehen. „Was wolltest du sagen?“ Ich schlucke erneut fest, suche in meinem Kopf nach den Worten, die ich gerade aussprechen wollte... ganz einfache Worte... und dennoch sind sie verschwunden. „Nichts...“ Meine Stimme zittert, als ich versuche, mich zu befreien. Es klingelt erneut. „Es war nichts Wichtiges...“ Marius lässt mich los und tritt einen Schritt zurück. Dann nickt er, als wolle er sagen, dass ich nun zur Tür gehen kann. Irgendwie weißt du, dass sie wichtig waren, nicht wahr? Noch einen Moment lang sehe ich ihn an, bevor ich mich dazu entschließe, dass es nun zu spät ist. Ich drehe mich um und gehe zur Tür um Alexander und Julian zu öffnen, die mit Marius abgemacht haben, dass sie uns abholen. Wen ich gerade am liebsten dafür verfluchen will, weiß ich nicht... Der Einkaufsbummel wird ein ziemlich langwidriges Unterfangen... ich wusste gar nicht, dass Julian so verrückt nach Geschäften ist... und auch Marius scheint dem nicht viel nachzustehen... Wieder mal eine Sache, bei der Alexander und ich anders empfinden als die beiden. „Ich muss ständig aufpassen, dass er uns nicht die Wohnung mit allem möglichen Kram vollstellt“, lacht dieser, während wir den nächsten Laden betreten. „Das glaub ich dir gerne!“ Mittlerweile eine kleine Führung durch ihre gesamte Wohnung bekommen, weiß ich genau, wovon er spricht... zum Beispiel von ihrem gemeinsamen Arbeitszimmer, das vor Krimskrams nur so wimmelt... Da ist das Wohnzimmer doch in einem ganz anderen Stil gehalten und ich kann die Aussage von meinem ersten Besuch, dass sie einen ganz unterschiedlichen Geschmack in solchen Dingen haben, viel besser verstehen... Ich wäre dann wohl auch eher der schlichtere Typ, ähnlich eigentlich wie Fabian, weshalb sich nicht all zu viel Zeug angesammelt hat in den zwei Jahren... „Was ist?“ „Hm?“ Verwirrt sehe ich ihn an. „Du hattest für einen Moment so einen wütenden Blick drauf...“ „Ach... ich hab nur an Fabian gedacht...“, seufze ich, werde daraufhin fragend und ein wenig resignierend angesehen. „Er war wie ich kein großer Einkaufliebhaber...“ „Das ist schade...“ „Wieso?“ „Weil es, so anstrengend es manchmal auch ist, trotzdem sehr viel Spaß macht... gerade wenn die andere Person so verrückt ist wie Julian... oder wie Marius...“ „Ja...“ Ich seufze. „Vielleicht hast du recht...“ Einen Moment lang muss ich daran denken, wie wir damals unsere Wohnung eingerichtet haben. Das meiste trugen wir zusammen aus den Sachen, die wir noch aus unseren ehemaligen Wohnungen hatten... und den Rest, der so nach und nach dazu kam... ja, diesen Rest habe ich großteils zusammen mit Susanne gekauft. Es hat mich damals sehr gefreut, dass Fabian und ich einen sehr ähnlichen Geschmack hatten... Wäre es besser gewesen, wenn es anders gewesen wäre... wenn wir uns auch mal über solche Kleinigkeiten gestritten hätten? „Hör auf, an ihn zu denken!“, werde ich ermahnt und dann deutet Alexander in eine Richtung, aus der die anderen Beide wieder zu uns zurückkommen. „Meistens sieht man es dir an...“ Er grinst... und zu schnell sind Julian und Marius bei uns angekommen, als dass ich hätte fragen können, ob er das ernst meint. Stattdessen versuche ich nun, Marius’ Lächeln zu erwidern. Gegen halb Acht kommen wir, durchnässter als wir es wohl alle erwartet haben, bei mir Zuhause an. „Mein Gott!“, stöhnt Marius, der sich sogleich den Pullover samt Shirt vom Körper streift. „Von Sturm haben die in den Nachrichten aber nichts gesagt!“ „Echt grauenhaft!“, stimmt Julian zu. „Da hilft der beste Schirm nichts! Selbst meine Winterjacke ist klatschnass!“ „Ich sag doch immer, dass du dir mal eine Wasserfeste holen sollst...“ Alexander schüttelt den Kopf und sieht mich grinsend an. „Aber nein, der Herr denkt, Schnee sei genauso trocken, wie er aussieht... und regnen tut es bei uns im hohen Norden ja sowieso nie...“ „Ach sei still!“, kommt es mürrisch zurück. „Du bist ja auch noch trocken!“ „Also wenn du das trocken nennst...“ Es wird auf die nasse Hose gezeigt. Ich, ein wenig überfordert und erfroren, sehe nur zwischen den beiden hin und her, frage mich, was nun das Beste wäre. „Wollt ihr was von mir haben? Ich weiß nicht, ob es euch passt... aber man könnte es probieren... Oder wollt ihr nach Hause gehen?“ „Quatsch! Als könnten uns so ein paar Tropfen Regen das Fondue verderben!“, meldet sich nun Marius zu Wort und ich kann grade noch rechtzeitig reagieren um das Bündel nasser Wäsche aufzufangen, das er mir zuwirft. „Ich hol mir was, ich weiß ja, wo es ist!“ Verdutzt nickend schaue ich ihm hinterher... und bleibe ein wenig länger daran hängen, weil es wohl ewig her ist, dass ich ihn nur in Shorts gesehen habe. „Marius hat recht!“, holt Julian mich aus meinen Gedanken zurück. „Ich häng die Sachen über die Badewanne, okay?“ Auch hier nicke ich nur, sehe nun ihm nach... und dann zu Alexander, der nur in Pullover und Shorts vor mir steht. „Manchmal frage ich mich, wer von den beiden wohl adoptiert wurde...“, lacht er mich an. „Stimmt... die können echt nur Brüder sein!“ Ich schüttle grinsend den Kopf. „Komm mit, ich geb’ dir ne frische Hose...“ Nicht nur ich scheine es ausgesprochen komisch zu finden, die Drei in meinen Klamotten um meinen Tisch herum sitzen zu sehen, sondern auch Susanne, die mehr als verwundert dreinschaut, als sie das Wohnzimmer betritt. „Diesen hässlichen Pulli gibt es zwei Mal auf der Welt?“, deutet sie auf Julian und ich kann ein Lachen nicht unterdrücken. Ich war schon, als er ihn sich aussuchte, gespannt darauf, ob sie ihn erkennen würde. „Klar... aber das ist meiner...“, erkläre ich und kann mich nur zu gut daran erinnern, wie schockiert sie damals war, als ich diesen Pullover von meiner Großmutter zum Geburtstag bekommen habe. Ich glaube, das einzige Mal, das ich ihn getragen habe, war, als mich diese verdammte Grippe erwischt hatte und kein anderer Pullover mehr sauber war... „Schrecklich!“ Sie grinst und lässt sich neben Alexander auf den freien Platz fallen. Ihre Freundin Janine setzt sich neben Marius... wo eigentlich bis gerade mein Platz war, aber da wir noch keine Gläser benutzt haben, kann man das nicht erkennen... Seufzend weiche ich Marius’ Blick aus und gehe in die Küche, erkläre mich dabei für verrückt, dass ich mich über eine solche Kleinigkeit ärgere. Das letzte Mal Fondue habe ich vor etwas mehr als einem Jahr gegessen, alleine mit Fabian... und auch wenn ich es damals wahnsinnig genossen habe, muss ich jetzt zugeben, dass gerade so etwas viel mehr Spaß macht, wenn man zu mehreren isst. Zwar hat man dann nur einen Spieß und muss dementsprechend länger warten, aber dafür scheint die Wartezeit auch viel schneller zu vergehen... „Das mit dem Fondue war eine spitzen Idee!“, lächle ich, als ich Marius zur Tür bringe. Alle anderen sind schon vorher gegangen und er hat mir noch beim Aufräumen geholfen. Während dieser ganzen Zeit, die wir so alleine verbrachten, habe ich darüber nachgedacht, ihn zu fragen, ob er nicht hier bleiben wolle... doch letztendlich habe ich es nicht getan. Es ist besser, wenn ich ihn gehen lasse, denke ich... Und so steht er nun mit seinen noch immer feuchten Klamotten in der Hand vor mir, grinst mich an. „Find ich auch. Wir müssen das unbedingt bald mal wiederholen...“ Ich nicke und wünsche mir, die Zeit anhalten zu können... so wie ich es mir in letzter Zeit eigentlich immer wünsche, wenn wir zusammen allein sind. Marius öffnet die Tür und tritt hinaus ins Treppenhaus. „Mist, es regnet immer noch...“ „Rufst du mich die Woche mal an?“, frage ich unvermittelt und weiß, dass ich eigentlich etwas anderes fragen wollte. So was wie ‚Willst du dann nicht lieber hier bleiben?’ zum Beispiel... „Klar.“ Er spannt den Schirm auf, dreht sich noch mal zu mir um und schenkt mir ein Lächeln... das Lächeln, welches er immer kurz vor dem Abschied auf den Lippen trägt... das Lächeln, das ich am meisten hasse. Und diesmal halte ich dieses Lächeln nicht aus. Ich reiße meine Hände nach vorne und greife blindlings nach seiner Jacke... presse ihn im nächsten Moment gegen mich, presse meine Lippen auf die seinen. Es ist ein fester Kuss, wenn auch nur ein ganz kurzer... Gott, ich will so viel mehr als das! „Komm... gut nach Hause...“, stottere ich, als ich es schaffe, ihn wieder loszulassen. Schnell bücke ich mich und hebe den Schirm auf, der bei meiner peinlichen Aktion zu Boden ging, drücke ihn Marius zurück in die Hand. „Bis dann!“ Ich knalle ihm die Tür regelrecht vor der Nase zu. Nicht eine Sekunde länger hätte ich diesen verwirrten Gesichtsausdruck ertragen, nicht eine Sekunde länger das wilde Rasen meines Herzens... Gott, verdammt, wie soll das bloß weiter gehen? Gerade mal drei Schritte schaffe ich, in den Raum zu gehen, als mich das Klingeln der Tür zum zweiten Mal an diesem Tag hochschrecken lässt. Ich fahre herum, starre auf das dunkle Holz. Oh Gott, nein, bitte nicht, ich will dir jetzt nicht erklären müssen, wieso ich das getan habe... ich will nicht, denn sonst falle ich noch wirklich über dich her... und genau das will ich nicht tun, obwohl ich es mir doch so sehnlichst wünsche... das darf ich nicht tun! Mit einem guten Spruch auf den Lippen, um ihn gleich wieder loszuwerden, reiße ich die Tür auf... und bekomme dann doch keinen einzigen Ton heraus. „Was war das gerade?“, kommt es sogleich wütend... viel zu wütend... viel zu sehr nach einer Rechtfertigung verlangend, die ich nicht geben sollte. „Ich...“ Erschrocken und verwirrt stolpere ich einen Schritt rückwärts. Gleichzeitig fällt sein nasser Schirm zu Boden und ich werde am Arm gegriffen, zurück nach vorne gerissen. Lippen pressen sich auf meine, energisch, fest, erdrückend... und dennoch kralle ich mich an der nassen Jacke fest. Schritte lenken mich ins Innere der Wohnung und die Wohnungstür fällt ins Schloss, kurz darauf die zum Schlafzimmer... Das ist nicht wahr... das kann nicht wahr sein... Was geht hier vor...? Was...? „Fabian?!“, bringe ich gerade noch hervor, als ich auch schon aufs Bett gedrückt werde und sich seine Lippen wieder auf meine drücken. END – PART 7 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)