Alte Bekannte von abgemeldet (Wenn Verbanntes wiederkehrt) ================================================================================ Kapitel 15: Paradies -------------------- Kapitel 15: Paradies Sam erhob ihre Augen zum Himmel. Zwischen Wolken und blauer Atmosphäre war nichts. Nur kalte Luft. Ihre menschlichen Augen die der Sterblichkeit früher oder später zum Opfer fallen würden, sahen nichts weiter als einen kalten Wintermorgen. Es war Dezember. Montag. Zwei Wochen vor Weihnacht. Doch da war noch etwas. Nichts das sie sehen konnte, aber etwas das sie fühlte. Tief in ihrer Brust zwang sie ein Gefühl zum Atmen. Eine Hand zur Faust ballend, trat sie selbstbewusst weiter die Treppen hinab. Ihre Mutter und ihre Großmutter müssten eigentlich hier irgendwo sein. Durch einen vom Licht erhellten Gang schritt sie zur Küche. Dort wo man ihre Mutter normalerweise um diese Zeit des Tages fand. Die Tür zur Küche war geschlossen. Seltsam. Sie streckte die Hand aus und ergriff die Klinke. Mit geringer Kraftanwendung wurde die Klinke nach unten gezwungen um aus der Verriegelung zu springen. Knarrend schwang sie auf. Was würde sie erblicken, fragte sie sich. Doch es blieb ihr keine Zeit darüber nachzudenken. Sie musste sehen wie ihre Mutter auf dem Küchentisch lag. Vor ihr stand ein kalt gewordener Kaffee. Sie trank ihren Kaffee gerne heiß. Sam begann am ganzen Leib zu zittern und sank auf die Knie. Sie ließ mit unkontrolliertem Griff die Klinke los und krümmte sich über dem Boden zusammen. Mit ihren Händen stützte sie sich auf. Doch sie zuckte zusammen als sie in Blut fasste. Es war überall. Der Rücken ihrer Mutter war zerfetzt, Rippen und Knochenbruch waren überall verstreut. Fleischfetzen und Blut, überall. Es sah aus als wäre ihre Brust explodiert und geborsten doch ihr Gesicht war voller Friedfertigkeit und Güte. Sie hatte ihren Tod nicht kommen sehen. Sam würgte in ihrer Wut die Übelkeit und die Trauer hinab und gab sich dem Hass hin. Die Finger, die mit dem Blut ihrer Mutter benetzt waren, spannte sie zur Faust zusammen, bis ihre Fingernägel sich tief in ihr eigenes Fleisch trieben. Es war ihr egal, wessen Blut aus ihrer Faust floss. Und doch, weinte sie sich ihre Tränensäcke sehr, bis sie kaum mehr klar sehen konnte. Sie biss ihre Zähne aufeinander während sie aufstand, bis sie knirschten. Sie schrie, bis ihre Kehle brannte als ob sie Feuer und Gift spie. Sie schwor sich, das Scheusal um jeden Preis zu vernichten, das sie vergewaltigt und ihre Mutter auf den Gewissen hatte. Es war ihr egal, ob sie dabei draufging. Tobsüchtig durchquerte sie die Küche um zur Garage zu kommen. Sie griff nach ihrer Lederjacke und den schweren dazupassenden Handschuhen. Voller Wut schwang sie sich auf ihren Motorroller um raste durch ein beinahe menschenleeres Amithy Park. … Zwischen tosenden grünen Wolken einer sterbenden Dimension erhebt sich ein gewöhnliches Stück Fels der Geisterwelt. Warum auch immer sie hier treiben, keiner der in Ektoplasma gehüllten Seelen war lang genug hier gewesen um darauf eine genaue Antwort zu wissen. Ob die Geisterwelt älter oder jünger als die Welt der Menschen, oder wie man sie gerne nennt: Sterblichen – Zwischen den ungekrümmten Horizonten der Geisterwelt regt sich nichts. Weit und breit kein Geist, dessen Anwesenheit das Ritual stören könnte. Der verbrannte Körper aus Fleisch und Blut wellt an den Beinen, scheint sich von der unsterblichen Seele zu lösen. Verblasst wohl aufgrund der Tatsache, dass er nicht mehr von Nöten ist. Welcher Tote in seinem Grab würde ihn brachen wenn er es nicht nötig hat sich aufs Neue zu erheben? Doch diesem wird es befohlen seine erkaltenden Gelenke wieder zu regen. Und der, der glaubt dies befehlen zu können, hat die Macht dazu. Doch noch hielt ihn etwas davon ab. Moral? Wohl kaum. Er umklammert mit schmerzverzerrtem Gesicht seinen rechten Unterarm. Beißt sich verzweifelt auf die Unterlippe und reibt die sandige Erde der Geisterwelt über seinen Arm. Verdammt! Seine Gedanken überschlugen sich, warum in aller Welt das passiert war. Er war doch unabhängig von Dannys Existenz zurück in die Vergangenheit gekommen und eine Zukunft zu erschaffen, die jedem gut bekam. Dazu musste er nur Danny und Vlad loswerden! So hatte er es sich doch mit dem Zeitstab Clockworks angesehen, wieder und wieder und wieder. Und alles hatte sich so erfüllt wie es sein sollte! Am Ende hatte er als fleischlicher Gott über die Erde regiert, von Menschen und Geistern gleichermaßen! Alles was er dazu tun musste, war ihm in die Hände gefallen! Er war sich der Sache so sicher gewesen, dass er Clockworks Werkstätte in seiner Freude über das Schicksal der Welt und mit der Gewissheit, dass dies niemand zunichte machen könne, zerstört. Alles was er brauchte um Unannehmlichkeiten zu korrigieren, war das letzte Medaillon der Zeit, das die Geisterwelt gegen einen Fetzen Haut, Blut, und Pein zurückgefordert hatte. Er wollte schreien. Nicht nur diesen Tribut hatte es gefordert, auch die Zeitlinie musste sich verändert haben. Er spürte den unsäglichen Schmerz den er Danny zugefügt hatte. Es war ein gutes und ein schlechtes Zeichen. Das Gute, dass Danny am Leben war. Und das Schlechte, dass Danny nicht tot war. Vlad versteckte sich hinter einer der herum schwirrenden Felsen der Geisterwelt. Doch er griff nicht bei dem ein, dass dieses Scheusal da tat. Vor ihm lag dieser Freund von Danny, er wusste seinen Namen nicht. Dan bildete aus seinen Fingern wieder diese weißen Ranken, mit denen er ihn auch aus den Rettungsauto gefischt hatte. Etwas sagte Vlad, dass dieser Junge der vor Dan lag, sich nicht mehr wehren würde. Die weißen Ranken durchdrangen den Körper. Es sah aus als würde er von einer weißen Boa umschlungen. Aus ihr drang dampfendes Zischen und Schreien. Von Dans Taille gingen zwei weiße Reifen aus. Und er verwandelte sich in Danny. Vlad traute seinen Augen nicht. Er beugt sich über sein Opfer und scheint mit ihm zu reden. So genau sah und hörte Vlad es nicht, und er wusste auch nicht genau was da vor sich ging. War dieser Junge nicht so gut wie tot? Was bezweckte Dan dann damit? Er besaß einen eigenen Körper, er brauchte diesen nicht um Gestalt anzunehmen. Dann fiel ihm etwas ein, doch für ihn schien es so grausam, dass er nicht einmal wagte, genauer darüber nachzudenken. Die weißen Ranken drangen vollständig in den Körper ein, und verschwanden. Dan verwandelte sich in seine ursprüngliche Form zurück, setzte sich einige Meter von Tucker entfernt auf die Kante des Felsens und ließ seine Füße in den Abgrund hängen. Zwischen Häuserwänden und Bäumen hindurch bahnte sie sich ihren Weg. Sie musste so schnell es ihr möglich war zu bekanntesten und besten Geisterjägerin in ganz Amerika: Maddie Fenton. Sie warf einen kurzen Blick über die Schulter, nur um einem Angriff der Klauen zu entgehen die nach ihr tasteten. Mit dem Verlagern ihres Gleichgewichtes zog sie eine scharfe Kurve, Waffe in der Rechten, Thermos in der Linken. Noch bevor der Geist abgestürzt war, wurde er schon durch die Saugkraft ein die metallene Box aufgesogen, die einige Wölbungen aufwies. „Was ist denn heute hier los???“ kreischte sie verzweifelt und versuchte ihren Weg fortzusetzen ohne auf mächtigere Geister als diesen Bettlaken zu stoßen. Sie stabilisierte ihren Gleiter wieder und bog um eine weitere Hausecke. Wenige Meter vor der Spitze ihres Gleiters raste ein silberner Motorroller. Sam? „Sam!“ Vor ihr befand sich eine schwarze Lache auf der Straße. Doch das täuschte. Sie löste sich und knurrte Sam verzerrend entgegen. Der Geist Shadow, der sich normalerweise nie weit von Johnny Dreizehn entfernt hielt, formte aus seinem Körper einen grinsenden Tunnel, und streckte Sam seine Zunge entgegen. Die Bremse blockierte, und Sam wurde nach oben geschleudert. Beleidigt und um seine Beute gebracht linste Shadow nach oben. Valerie ließ ihre Waffe fallen und eilte sich, schnell unter Sam zu sein, was ihr gelang. Sie erschrak als Val sie am Bauch umfasste und so verhinderte, dass der Gleiter aus dem Gleichgewicht gebracht wurde. „Wuoo!“ Valerie ordnete Sam an, sich am Gleiter so ruhig wie möglich zu verhalten, und griff zu den Waffen. … Seine Finger zuckten. Hinter geschlossenen Augenlidern baute sich langsam ein Bild auf, das nicht wirklich aus solchen bestand. Farben und Formen, die Mathematiker erst errechnen sollten. Zwischen bizarrer Kälte und gleißendem Licht tauchten Szenen aus der Vergangenheit hinter seinen Augen auf. Weihnachten mit dem Gezanke seiner Eltern, Sandkastenerlebnisse, Grundschulerfahrungen, Tucker und Sam, der verhängnisvolle Tag des Geisterportals, all die Kämpfe – sein Leben war es, das er da sah. Alles war so langsam. Er konnte nur angestrengt denken. Alles schien so schwerelos. ‚Ich – Bin ich tot ?’ Er öffnete seine Augen langsam und sah sich von hell strahlendem Licht umgeben. Sehr gedämpfte Laute drangen in seine Ohren. Konnte er das Paradies hören? Das Zwitschern von Vögeln mit langen schmückenden Federn, in allen bunten Farben seines Malkastens, den Wind in den Blumen und Bäumen, wie sie nur im Dschungel gediehen, gesegnet von erfreuender Schönheit. Menschen, die lachten, glücklich, ohne jede Form von Gier, Neid oder anderen schlechten Eigenschaften. Und dieser Geruch. Danny lächelte ins Licht. Die Intensität der Geräusche erhöhte sich sanft. Er spürte etwas wie Finger in seinem Gesicht. „Keine Reaktion der Pupillen!“ Alles war so weiß. Sein Körper fühlte sich wie von tanzenden Engeln getragen, das Schlagen ihrer Flügel hörte sich an wie das kreisende Schleifen von Metall auf Stein. Seltsam waren die Engel. Wohl doch keine Gestalten wie man sie in Filmen sah. Sie trugen ihn sehr bewegt und rüttelten leicht an seiner Lage. Er wollte sich nicht bewegen. Er wollte sich nur auf seiner Wolke fallen lassen. Einer der Engel streifte mit einer seiner Schwinge seinen Arm. „Blutverlust an beiden Armen! Vermutlich innere Verletzungen!“ Diese Federn fühlten sich gar nicht wie die eines Vogels an. Eher wie die einer Fledermaus, aus weicher behaarter Haut. Das Bild das ihm seine Augen lieferten, klarte sich etwas. Sah er da die aufschwingenden Himmelstore? Sie waren anders, als er sich vorgestellt hatte. So anders. So grell war das Licht. So kalt waren die Hände der Engel die ihn aus jetzt unnützer Kleidung schälten. Dort war er frei von jeglichen Zwängen der Sterblichkeit. „Kammerflimmern! Defibrillator vorbereiten! Schnell!“ Jetzt ergriffen sie ihn bei den Armen um ihm beim Aufstehen zu helfen. Er sollte selbst mit eigenen Füßen ins Jenseits treten. Wie freundlich von ihnen. Er konnte seine Füße kaum spüren. Doch wozu brauchte er sie jetzt noch? Sie traten durch eine Wolke ins Nichts, als er die Hand ausstreckte um die seines Vaters zu berühren. Wenige Zentimeter trennten ihn von dem Fall zurück in eine endlose Tiefe oder um die himmlischen Höhen jenseits der Qualen in der Welt der Geister die er kannte. Als er kurz davor war die Fingerspitzen von Jack mit den seinen zu berühren blieb die Zeit stehen. Das Rascheln der Engelsflügel war still. Kein Vogel sang mehr, kein Wind in den Blättern. Stattdessen stechender Schmerz in der Brust. Links, hinter den Rippen. „Immer noch keine Reaktion!“ Er senkte seinen Blick und sah auf die feingliedrige Kette die sich zurück durch seine Brust zog. Etwas, dass aussah wie ein Anker, griff sich in seine Haut. „Noch mal!“ Hosted by Animexx e.V. 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