Blutsgeschwister von Wachtel ================================================================================ Kapitel 141: Ein Stück vom Paradies ----------------------------------- Mai - Juni 1979 Die Rumtreiber Suite lag unverändert da. Niemand hatte sie betreten seit Hannah ihre Identität aus der Karte des Rumtreibers gelöscht hatte. Die Möbel standen exakt an der selben Stelle. Die Feder und das Tintenfass was sie beim letzten Mal auf den Tisch gestellt hatte standen noch da. Niemand war hier gewesen, dass wusste sie. Erfreut bemerkte sie jedoch, dass es eine kleine Veränderung gab. Die Fotografien an den Wänden hatten sich verändert. Zwar stand Sirius in jedem der Fotos soweit weg von ihr wie es die jeweilige Landschaft möglich machte. Doch Remus, Lily, James und Peter mieden sie nicht auf den Fotos. Zufrieden sah sie, dass Remus seinen Arm auf ihrer Schulter hatte auf einem der Fotos in der Winkelgasse. Die Freunde saßen in Florean Fortescues Eissalon und lächelten zu ihr hinaus. Neidisch bemerkte Hannah die große Portion Erdbeereis mit Sahne, die ihr Foto-Ich verspeiste. Nach Zaubertränke hatte sie keinen Hunger gehabt und entschieden, dass Mittagessen ausfallen zu lassen. Das war eine dumme Idee gewesen. Hastig hatte sie danach ihre Zauberkunst Hausaufgaben im Gemeinschaftsraum hin gekritzelt. Und mal wieder hatte sie die Zeit vergessen. Yuko war vor ihr hier gewesen. Sie saß bereits in dem roten knautschigen Ohrensessel vor dem Kamin. Ihr Haar war völlig durcheinander und sie hatte die Knie an den Körper gezogen. Sie sah aus wie Hannah sich fühlte. Als hätte sie keine Ahnung was sie eigentlich hier tat. Hannah hatte das Treffen zwar vorgeschlagen, doch es war mehr eine alte Gewohnheit gewesen. Das Bedürfnis ihrer Freundin zu helfen. Ihrer besten Freundin. Sie war sich nicht ganz sicher gewesen, ob Yuko überhaupt auftauchen würde. Aber da saß sie. Es war schrecklich viel Zeit vergangen. Hannah setzte sich wortlos neben sie auf die Tischkante. „Du warst nicht beim Mittagessen.“, sagte Yuko steif ohne Begrüßung. „Ich hatte keinen Hunger.“ Ein flüchtiges Lächeln huschte über Yuko´s Gesicht und verschwand sofort wieder. „Du hast immer Hunger, Feder!“ Hannah verschränkte die Arme vor der Brust. „Das stimmt gar nicht.“, sagte sie patzig. Das Gespräch verstummte wieder. Jeder von ihnen war sich unsicher was er sagen konnte. Es war eben nicht wie früher. Hannah haste die künstliche Stille. Es war wie ein unbeholfener Tanz als hätte jede von ihnen Angst der anderen auf den Fuß zu treten. Oder als würde Eis unter ihnen zerbrechen und sie in kalte Fluten stürzen. „Geht´s dir besser?“, fragte Hannah. „Ich bin immer noch schwanger, wenn du das meinst.“ Hannah schwieg kurz. Nervös nestelte sie an ihrer Tasche herum. „Liebst du ihn?“ Yuko sah sie mit ihren braunen Augen nachdenklich an. „Liebst du Chang?“, fragte Hannah erneut, als sei sie sich nicht sicher, dass Yuko ihre Frage verstanden hatte. „Liebst du Fletcher?“ Hannah schwieg. Nicht sicher was sie sagen sollte. Nicht sicher was ihre Antwort für Folgen haben würde. „Ich weiß nicht.“, sagte sie leise. „Ich glaube schon.“ „Du glaubst?“ Yukos Augenbraue schnellte kritisch nach oben. Hannah schmunzelte gedankenverloren. „Er ist...“, sie biss sich mit den Zähnen auf die Unterlippe. „Er versteht mich wie niemand anderes.“ Sie ließ die Tasche los. „Weißt du, wenn er da ist fühl ich mich ein kleines bisschen mehr heil. Als hätte ich eine Familie. Er ist wie ich. Und er bringt mich zum Lachen...wenn er versucht auf mich aufzupassen werde ich nicht wütend. Ich habe nie das Gefühl, dass er mich nicht ernst nimmt oder das Verlangen ihn anzuschreien. Ich weiß nicht, ob das Liebe ist.“ Sie bemühte sich nicht weiter auf ihrer Lippe herum zu kauen. „Das weiß ich auch nicht.“, sagte Yuko langsam. „Aber, Hannah....reicht ein kleines bisschen?“ Hannah hob die Schultern. „Jetzt gerade?“ Yuko schüttelte rasch den Kopf. „Nein, nicht nur jetzt. Ich meine....immer.“ „Ich weiß es nicht.“, sagte Hannah ehrlich und die Erkenntnis erschütterte sie. Doch sie wollte nicht darüber nachdenken. „Und du?“, fragte sie beharrlich. „Du hast mir nicht geantwortet.“ Yuko hob die Schultern an und zog die Beine näher an den Oberkörper. „Ich bin dir einmal einen Schritt voraus.“, sagte sie betrübt. „Ich weiß es nämlich.“ „Und was weißt du?“ „Nein.“, sagte sie schlicht. „Ich liebe ihn nicht.“ Hannah seufzte entsetzt auf. Yuko hingegen versuchte zu lächeln, doch Tränen glitzerten in ihren düsteren braunen Augen. „Es ist nicht so schlimm.“, fügte sie mit zittriger Stimme hinzu. Hannahs Augen weiteten sich. „Wie kannst du das sagen?“ „Ich würde sagen, auch ich habe mich im letzten Jahr verändert, Feder. Es gibt schlimmeres.“ „Was den?“ „Oh, Hannah!“ „Ja, was den?“ Hannah vermied es die Hände in die Hüften zu stemmen und sie an zuschreien. Doch sie konnte nicht unterlassen sie grimmig an zu funkeln. „Meine Familie zu verlieren.“, antwortete Yuko leise. „Und du weißt es...und ich weiß es auch. Ich hätte sie verloren wäre ich bei Peter geblieben.“ „Aber du hättest die Kontrolle über dein Leben gewonnen.“ Yuko betrachtete niedergeschlagen die Fotos an den Wänden. „Das ist es nicht wert. Der Preis wäre zu hoch.“ „Yuko...“ „Ich hätte den Preis zahlen müssen. Bitte urteile nicht über mich.“ In ihrer Stimme lag ein flehen. „Du hast über mich geurteilt.“, sagte Hannah und konnte den erbarmungslosen Unterton nicht ganz aus ihrer Stimme verbannen. Sie starrte hinaus, hinunter zum See. Einige Meerjungfrauen hatten sich an die Oberfläche getraut und spielten mit dem Wasser. Die Gipfel der Bäume des verbotenen Waldes waren in der Ferne zu erkennen. Und Hannah starrte hinüber zu Eulerei, wo Eulen landeten und in die Freiheit davon flogen. Natürlich waren sie nicht frei, doch Hannah sehnte sich in diesem Moment so danach zu fliegen wie schon lange Zeit nicht mehr. Die Narbe in ihrer Hand juckte. „Ich wollte dir helfen...“, sagte Yuko langsam. Sie sah kritisch auf Hannahs Hand und noch bevor sie, sie weg ziehen konnte, schnellte Yuko vor und griff nach ihrer Hand. Ruckartig drehte sie sie um und betrachtete die Narbe. Ihre Augen verengten sich bedrohlich. „Oh, Hannah...“ Die Narbe war tiefrot und entzündet. Die röte breitete sich bereits über ihrer ganzen Hand aus. Dünne Eiterbläschen hatten sich innerhalb der Narbe gebildet. Hannah versuchte die Hand wegzuziehen, doch Yuko machte keine Anstalten nachzugeben. „Das ist wegen dieses verdammten Schwurs.“, fluchte Yuko. „Lily hat euch gewarnt. Das war wirklich die dämlichste Idee, die du je hattest.“ „Es ist nichts weiter.“, sagte Hannah hastig und schaffte es endlich ihre Hand aus ihrem Griff zu befreien. Zittrig krempelte sie ihren Ärmel herunter. „Es ist schon das ganze letzte Jahr so.“ „Du solltest zu Madam Pomfrey.“, schlug Yuko vor. „Die kann mir eben so wenig helfen wie dir.“ „Bei Merlin, Hannah....“ Die stand auf und begann auf und ab zu laufen. „Blutsschwüre sind gesetzeswidrig. Yuko, die würden mich nach Askaban bringen.“ „Dann tue irgendetwas, dass hilft.“ Hannah warf die Locken energisch in den Nacken. „Das einzige was hilft ist...Sirius!“ Yuko schlug sich mit der Hand gegen den Kopf und starrte Hannah ungläubig an. „Das kann doch nicht wahr sein.“ Fassungslos starrte sie auf Hannahs Hand. „Doch.“, antwortete Hannah kleinlaut. Nicht das eine Antwort nötig gewesen wäre. „Und wie du dir sicher denken kannst, ist das keine Option.“ „Warum nicht?“ Hannah klappte der Kiefer herunter. Das konnte sie wirklich nicht ernst meinen. So eiskalt und berechnend konnte sie nicht sein. Das war völlig unmöglich. „Wegen ein paar Schmerzen und einer Narbe? Das ist nicht dein ernst?“ Yuko schüttelte rasch den Kopf. „Du verstehst mich völlig falsch.“ „Darin sind wir ja in letzter Zeit besonders gut.“ Yuko schmunzelte zur Antwort. „Setzt dich endlich hin, Feder. Du machst mich völlig wahnsinnig.“ Hannah ließ sich auf der Couchlehne nieder und überschlug die Beine. „Tschuldige.“, Statt auf und ab zu laufen, begann sie nun zügig und permanent mit dem Bein zu wippen. Yuko stöhnte reserviert auf, ignorierte die Geste dann aber. „Ich sage nicht, du sollst zu ihm zurück gehen wegen dem Schwur.“, begann sie unsicher. „Aber...Feder...ich kenne dich und ihn kenne ich auch. Es mag sein, dass dieser...Fletcher..ein netter Mensch ist. Aber...ein kleines bisschen ist dir nicht genug, Hannah.“ Yuko starrte sie an und als sie nichts sagte fuhr sie fort. „Sirius und du...das war nicht nur ein bisschen. Es war echt, verrückt, wild und einzigartig. Es war Liebe und du weißt das. Im Gegensatz zu mir hast du die Kontrolle. Du hast sie schon solange. Du bist längst kein kleines Mädchen mehr, dass verprügelt wird. Du hast die Kontrolle über dein Leben. Ich weiß nicht, ob dir das Angst macht oder ob du es gar nicht weißt, aber du bist verdammt stark. Und du kannst dich entscheiden...für das große Ganze. Nicht für ein kleines bisschen. Nicht für ein Stück vom Paradies.“ Hannah schwieg und nach einer Weile machte sie den Mund auf, um etwas zu sagen. Doch ihr fiel einfach nichts ein, was einen Sinn machen würde. Yuko lächelte sie traurig an. „Ist schon in Ordnung.“ „Was ist mit dir?“, fragte Hannah in die Stille. „Du kannst nichts tun, Feder.“ Zaghaft legte sie eine Hand auf ihren Bauch und zwang sich zu einem Grinsen. „Vielleicht kann ich es lieben. Und vielleicht reicht das.“ Auch Hannah zwang sich zu einem Lächeln. Vorsichtig griff sie nach Yuko´s Hand und drückte sie fest. Beide verschränkten ihre Finger ineinander und Yuko erwiderte den Druck, bevor Hannah die Frage stellte, vor der sie sich am meisten gefürchtet hatte. „Was ist mit uns?“ Yuko hatte Mühe die Tränen zu verdrängen. Sie blinzelte immer wieder, doch es gelang ihr nicht. Ein paar vereinzelte Tränen bahnten sich den Weg ihre Wangen hinunter. „In meiner Erinnerung wirst du immer meine Freundin sein.“ Beide wussten sie was es bedeutete. Das Atrium war wie an jedem Abend ziemlich leer. Die Mitarbeiter aus allen Verwaltungsabteilungen hatten schließlich halbwegs menschliche Arbeitszeiten. Sirius konnte nicht um hin, diejenigen zu beneiden, die gerade noch zu den Kaminen liefen und sich gegenseitig einen ruhigen Feierabend wünschten. Der goldene Brunnen in der Mitte des Atriums warf schimmernde Lichtflecken auf die Wände und den Boden. Ein paar Hauselfen hatten sich bereits heraus getraut und begonnen den Brunnen der magischen Geschwister zu polieren. Sirius warf diesem irrwitzigen Bild einen hämischen Blick zu. Dann jedoch folgte er Gideon hinüber zu den Aufzügen. Sie hatten den ganzen Abend trainiert. Moody war der festen Überzeugung, dass die Benutzung aller verschiedener magischer Transportmittel ein wichtiger Bestandteil ihrer Ausbildung sei. Ursprünglich hatte Sirius sich auf die Besenstunde gefreut. Schließlich war er ein ausgesprochen fähiger Quidditchspieler gewesen und zu dem ein wirklich passabler Flieger. Doch für Ende Mai war es ausgesprochen regnerisch und kühl. Außerdem waren die Besen des Zauberreiministeriums wirklich der letzte Müll. Selbst in die Schulbesen von Hogwarts wurde anscheinend mehr investiert. Sirius hatte ein sonderlich bockiges Modell abbekommen. Sicher hatte Moody es absichtlich mit einem Fluch belegt, damit es ihn abwarf. Beweisen konnte er dies allerdings nicht. Gideon hatte außerdem strikte Anweisung erhalten keine bekannten oder wichtigen Routen mit ihm abzufliegen, um erst einmal seine Tauglichkeit zu prüfen. Weswegen sie den ganzen Nachmittag in matschigen Feldern und viel zu dicht bewachsenen Wäldern verbracht hatten. Sirius war nass bis auf die Unterhose. Seine Robe sah aus als hätte er in Schlamm gebadet. Rücksichtslos verteilte er den Schlamm im frisch geputzten Ministerium. Den naserümpfenden Hauselfen schenkte er keinerlei Beachtung als er Gideon zu den Aufzügen folgte. Mit einem lauten Scheppern schlossen sich die goldenen Gitter vor ihrer Nase. Den ganzen Tag über machte er sich bereits Gedanken darüber, ob er sein Vorhaben tatsächlich in die Tat umsetzen sollte. Remus unausgesprochene Warnung kam ihm in den Kopf, doch er verdrängte sie unmittelbar wieder. Er musste endlich etwas tun, um dieses Schweigen zwischen ihnen nach der Europameisterschaft zu durchsprechen und er hatte keine Nerven auf die Hochzeit zu warten oder darauf das Hannah endlich in der Aurorenzentrale anfing. Sie hatte ihm eine Motorradtour versprochen und nur weil dieses Versprechen eine scheinbare Ewigkeit her war, war es nicht weniger bindend. Aber was war, wenn sie nicht mitkommen würde? „Ey, Alter! Wir müssen raus.“ Gideon stieß ihm mit dem Ellenbogen gegen den Oberarm. Ein dumpfes Geräusch erklang und der Lift blieb stehen. Quietschend öffneten sich die schönen verschnörkelten goldenen Gitter. Sirius folgte Gideon vorbei an der Abteilung gegen den Missbrauch der Magie und dem Büro gegen den Missbrauch von Muggelartefakten. „Abend Arthur!“, sagte Gideon plötzlich. Arthur Weasley war auf sie zu gekommen und las im gehen seinen Tagespropheten, während der eine zerbeulte Aktentasche unter den Arm geklemmt hatte. Er tauchte über seinem Tagespropheten auf. „Oh, Hallo.“, begrüßte er seinen Schwager. „Nachtschicht?“, fragte er stirnrunzelnd. Gideon schüttelte den Kopf. „Machen jetzt Feierabend.“, antwortete er und klopfte Sirius kameradschaftlich auf die Schultern. Sirius war leicht genervt und warf immer wieder einen prüfenden Blick auf seine Armbanduhr. Er hoffte das Gideon nicht auf einen Plausch stehen bleiben wollte. Zu seiner Erleichterung verabschiedete sich Gideon rasch von seinem Schwager. Sie durchquerten die unübersichtlichen Bürozellen und erreichten schließlich die Aurorenzentrale. Zügig gingen sie an Moodys Büro, dem Rekrutenbereich und den Vorhörräumen vorbei und betraten den Umkleideraum. Dort machten sich James und Frank gerade für die Abendschicht parat. Beide waren in ein intensives Gespräch versunken und blickten kaum auf als sie den Raum betraten. Sirius war es ziemlich egal. Eigentlich war er dankbar darüber. Moony hatte Krone bestimmt über sein Vorhaben informiert und auf eine Moralpredigt konnte er tatsächlich sehr gut verzichten. Er öffnete seinen Schrank und machte sich daran aus der nassen und schlammigen Kleidung herauszukommen. „Aber glaubst du wirklich es ist eine gute Idee?“, hörte er James verblüffend ernst fragen. „Alice möchte es gerne.“, erwiderte Frank. „In dieser Zeit?“ Frank nickte. „Habt ihr etwa noch nie darüber geredet?“ Gideon hastete an Sirius vorbei. Sirius bemerkte irritiert das James knallrot angelaufen war. „Nicht so direkt.“ „Mensch, James! Du heiratest nächsten Monat.“ Frank grinste ihn genüsslich an. „Das eine heißt ja nicht gleich das andere.“ James schien absolut entrüstet. Sirius warf seinen Kollegen einen fragenden Blick zu. „Wovon, bei Merlins Unterhosen, redet ihr eigentlich?“, fragte er matt. Gideon begann zu lachen. „Kinder!“, antwortete er, ohne den Anfang der Unterhaltung zu kennen. „Oh!“, machte Sirius verdutzt und rieb sich den Nacken. „Wenn ihr es ausprobieren möchtet, ich leih euch Ebby gerne für eine Woche.“ Er grinste Frank an. „Aber eines sag ich dir, es bedeutet kein Schlaf, kein Essen und eigentlich auch keine Zeit für irgendetwas anderes.“ „Tue nicht so. Du hängst doch dran, Tatze.“, murmelte James. Immer noch war er purpur rot. „Daran mich selbst zu quälen?“, fragte Sirius achselzuckend. „Aber sicher doch.“ „Da ist wohl einer mit der falschen Tatze aus der Hundehütte gekrochen.“, entgegnete James, so leise das Frank und Gideon ihn nicht hören konnten. Sirius boxte ihn feixend gegen die Schulter. „Alice hat doch gerade erst mit der Ausbildung begonnen?“, erwiderte er an Frank gewandt. Frank holte seinen Dienstumhang aus seinem Schrank und streifte ihn über. „Sie glaubt, es könnte bald zu spät sein.“, sagte er resignierend. „Du meinst weil wir alle Tod sind?“ Gideon griff nach seinem Handtuch und war drauf und dran hinüber zu den Duschen zu laufen. Frank zuckte mit den Schultern. „Das sind ja beste Voraussetzungen, mein Freund.“ Sirius schenkte ihrer Unterhaltung zunehmend weniger Beachtung und machte sich auch auf den Weg zu den Duschen. Als er kurze Zeit später wieder zurück kam und in seine sauberen Jeans schlüpfte, lungerten James und Frank noch immer in der Umkleide herum. Merlin sei Dank, hatten sie das Thema gewechselten. Endlich diskutierten sie über etwas vernünftiges. Quidditch. Natürlich ging es um das letzte Spiel der Wimbourne Wasps gegen die Cudley Canons. „Bagman hat nicht gekollert. Der Wind war wirklich heftig, wenn du mich fragst war dieser dämliche Schiedsrichter eine fiese Kröte.“, hörte er Frank sagen, während er sein T-Shirt überzog. James war absolut nicht belustigt. Quidditch war schließlich auch eine ernste Angelegenheit. „Nicht gekollert? Dein ernst? Smith hatte den Besen komplett in der Flugbahn. Bagman ist ein echtes Schlitzohr!“ „Du solltest deine Brille putzen, Potter!“ Sirius warf einen prüfenden Blick in den Spiegel. Nervös fuhr er sich durch seine kinnlangen schwarzen seidigen Haare. James bemerkte es sofort und ließ sich unmittelbar von der Quidditchdiskussion ablenken. „Was hast du vor, Tatze?“ Seine Augenbrauen schnellten skeptisch nach oben. „Ein Date?“ Sirius zuckte möglichst lässig mit den Schultern. Vor James konnte man – also er – einfach nichts geheim halten. Wenn seine Spürnase auf der Arbeit nur halb so gut wäre wie wenn er Sirius beobachtete, dann hätte Moody ihm sicher schon einen Merlin Orden erster Klasse verliehen. Sirius warf einen prüfenden Blick auf seine Armbanduhr. „Warum arbeitet ihr eigentlich nicht, wenn der Boss euch erwischt wird das eine blutige Angelegenheit.“, versuchte er rasch James Frage auszuweichen. „Tatze?“ „Was den? Dienstbeginn war vor einer geschlagenen halben Stunde! Lass das Evans nicht sehen.“ „Taaaatzeeee.“ Er hasste es, wenn James quengelte. „Ich hab was vor. Okay?“ „Mit wem?“ „Geht dich gar nichts an.“ Frank lachte auf. „So was wichtiges also.“ „Sag schon, Tatze!“ „Nein. Du musst nicht immer alles wissen.“ „Aber ich sollte immer alles wissen. Zu deiner eigenen Sicherheit!“ „Mensch, Krone!“ Sirius griff nach seiner Lederjacke und streifte sie schwungvoll über die Schulter. James blickte ihn immer noch mit einer sehr fragwürdigen Miene an. „Ich hab Konzertkarten, okay?“ James schien nicht wirklich zufrieden gestellt. „Wenn nimmst du mit?“ Sirius grinste ihm zu. „Wenn du ein braver Krone bist erfährst du es morgen.“ Er machte sich auf den Weg zur Tür und ließ seinen perplexen besten Freund zurück. Hannah ließ sich erschöpft auf ihr Bett im Mädchenschlafsaal fallen. Sie streckte alle Viere von sich und atmete erleichtert aus. Endlich hatte sie die UTZ-Woche überstanden. Sie wusste wirklich nicht genau wie es gelaufen war. In Zauberkunst hatte sie ein wirklich gutes Gefühl. Im praktischen Bereich waren ihr alle Zaubersprüche gut gelungen und auch in der Theorie war ihr auf jede Frage eine gute Antwort eingefallen. Auch Zaubertränke lief gut. Sie war mit dem Brauen ihres Serums gut in der Zeit gewesen und auch Konsistenz, Farbe und Geruch waren ungefähr wie im Lehrbuch. Darauf war sie ziemlich stolz. Verwandlung hingegen war eine andere Geschichte. James Nachhilfe fehlte ihr wirklich sehr. Bei der ein oder anderen Frage hatte sie einfach eine Antwort erfunden. Wirklich aus dem Konzept gebracht hatte sie die Tatsache das Naomi McLaggen beim Schummeln mit selbst korrigierender Tinte erwischt worden war. Ausgerechnet Naomi! Die sonst immer so eine Streberin war. Yuko hatte ihren Bogen deutlich vor ihr abgegeben und war während der Prüfung ständig auf die Toilette verschwunden. Sie sah ziemlich unglücklich aus. Und auch das hatte Hannah definitiv abgelenkt. Das Zaubern hingegen hatte ganz gut geklappt. Es war keines ihrer üblichen ungeschickten Missgeschicke geschehen. Keiner der zu verwandelnden Gegenstände hatte Fell oder reagierte bissig auf den Prüfer. Darüber war sie wirklich erleichtert. Dann war da noch diese fürchterliche Prüfung in Verteidigung gegen die Dunklen Künste gewesen. Vier Anläufe hatte sie für den Patronus Zauber benötigt. Ihr Prüfer hatte absolut genervt und ungeduldig gewirkt. Letztendlich war es ihr jedoch gelungen und selbst Dumbledore hatte ihr beim Verlassen der großen Halle fröhlich zugezwinkert. Eigentlich hätte sie sich doch jetzt euphorisch fühlen müssen? Schließlich war es die allerletzte Prüfung und bald könnte sie Hogwarts für immer verlassen. Doch keine Spur von Euphorie. Natürlich war sie erleichtert und ihre Stimmung war deutlich besser als am Vortag. Hannah grinste verstohlen. Wahrscheinlich hatte sie Fabian wirklich ziemlich wahnsinnig gemacht. Sie war auch ein reines Nervenbündel gewesen. Ein Klirren in ihrer unmittelbaren Nähe riss sie aus ihren Gedanken. Zunächst konnte sie das Geräusch nicht zuordnen. Es wiederholte sich jedoch und bei der dritten Wiederholung bemerkte Hannah, dass es ein Klopfen am Fenster war. Rasch stand sie vom Bett auf und eilte zum Fenster. Noch bevor sie es öffnen konnte fiel ihr der Kiefer herunter. Es war Sirius! Auf diesem riesigen fliegenden Motorrad, dass er ihr an Weihnachten gezeigt hatte. Was bei Merlin, tat er denn nur hier? Sie nestelte mit zittrigen Fingern den Verschluss auf dem Fenster auf und zog fassungslos das Fenster auf. „Hey!“, sagte Sirius und grinste sie verschwörerisch an. „Hey...“, stammelte sie und grinste dümmlich zurück. Die lauten Motorengeräusche des Motorrades übertönten ihre Stimmen fast gänzlich. „Du schuldest mir noch eine Tour!“ Sirius sah unfassbar gut aus. Er trug eine dunkle Lederjacke und zerrissene Jeans. Das Motorrad glänzte im Mondlicht und Sirius abenteuerliches Grinsen ließ sie fast versuchen aufzusteigen und mit ihm davon zu fliegen. Das Kribbeln in ihrem Magen tat beinah weh. Abenteuerlust glänzte in seinen Augen und sie hatte Mühe dem Grinsen zu widerstehen. „Tatze...ich weiß nicht.“, stammelte sie, als sie ihre Gedanken wieder halbwegs sortiert hatte. „Was ist jetzt anders, als an Ostern, Feder?“ „Da hatte keiner von uns die Grenze überschritten.“ Sirius Augen weiteten sich, er wusste was, dass bedeutet. Sie hatte diesen verfluchten Penner ran gelassen. Sein Magen verkrampfte sich. Lily hatte Recht gehabt. Es aus Hannahs Mund zu hören machte es jedoch viel realistischer. Hannah beobachtete ihn nervös und er gab sich Mühe seine Gedanken vor ihr zu verstecken. Irgendwo in der Ferne krähte ein Rabe. Sirius schnalzte mit der Zunge und setzte erneut sein perfektes Grinsen auf. „Und jetzt? Dein Versprechen steht trotzdem noch.“ Hannah starrte ihn irritiert an. Es konnte ihm unmöglich gleichgültig sein. Er streckte seine Hand aus. Hannah betrachtete sie zögernd. „Warte! Ich hol meine Jacke.“ Sirius atmete erleichtert auf. Er war sich nicht sicher gewesen, ob sie mitkommen würde. Der Gedanke, dass sie ihn einfach hätte ignorieren können war ihm die ganze letzte Woche im Kopf gewesen. Fröhlich blickte er ihr nach und atmete noch einmal auf als sie mit einer zerfledderten Jeansjacke zurückkehrte. Er reichte ihr grinsend die Hand und zog sie hinter sich auf das Motorrad. Rasch gab er Gas, um ihr keine Zeit zu lassen in den Beiwagen zu klettern. Sie schlang ihre Arme zögernd um seine Körpermitte. Sirius war die Tatsache, dass sie sich zwingend an ihm festhalten musste zwar bewusst, trotzdem war es wahnsinnig schön, dass sie ihn berührte. Er grinste zufrieden in sich hinein. Es war ein atemberaubendes Gefühl mit ihr durch die Lüfte zu fliegen. Der Sommerwind peitschte ihnen um die Ohren. Und die Berge und Täler der Highlands sahen unter ihnen aus wie eine Spielzeugwelt. Es war angenehm warm. Der Halbmond glitzerte hinter einer dichten Wolke hervor. Es war eine klare Nacht und viele funkelnde Sterne waren am Himmel zu sehen. Sirius konnte es nicht lassen ein paar riskante Sturzmanöver zu fliegen. Ein paar Mal lenkte er das Motorrad fast in eine der höheren Baumkronen. Er lachte und vernahm auch Hannahs helles Kichern hinter sich. Sirius wusste das sie keine Angst hatte. Sie selbst konnte fliegen wie niemand anderes. Er riss das Motorrad wieder nach oben und steuerte auf eine der wenigen Wolkendecken zu, während sie über ein kleines Dorf flogen. Hannah streckte sich und beugte sich über seine Schulter. Ihre Lippen waren ganz dicht an seinem Ohr. Er erschauderte augenblicklich und lehnte sich nach hinten. „Wohin fliegen wir, Tatze?“, fragte sie und musste Brüllen, damit er sie durch die peitschende Luft hindurch verstand. „Lass dich überraschen!“ „Tatze!“ „Wir sind gleich da, Feder!“, sagte er und deutete auf die Lichter in der Ferne. Er beschleunigte und steuerte auf die Mitte der Stadt zu. Das Motorrad flog nun tiefer. Und binnen weniger Augenblicke überquerten sie einen Fluss und landeten auf einem Berg. Hannah entdeckte eine Statur und ein altes Schloss. Sie hatte keine Zeit die rötliche Backstein Fassade und die Bauweise zu bewundern, denn Sirius hatte bei der Landung nicht angehalten. Er fuhr einen Schlenker und bretterte einen Berg hinunter. Der Pfad war ziemlich schmale und die Straße holprig. Hannah war sich nicht so sonderlich sicher, ob es legal war hier lang zu fahren. Sirius hingegen hatte keine Hemmung. Er nahm jedes Schlagloch mit und Hannah hüpfte jedes Mal ein bisschen. Sie umklammerte ihn fester. In der Luft hatte sie sich viel sicherer gefühlt. Sirius bog auf eine Hauptstraße ab. Es war nicht sehr belebt. Die Straßenlaternen flackerten und an jeder Ampel spielte Sirius angeberisch mit dem Gas. Qualm kam aus dem Auspuff und die Maschine vibrierte auf dem Asphalt. Sie fuhren eine Weile an den Geschäften vorbei, bevor Sirius eine enge links Kurve fuhr und das Motorrad letzendlich auf dem Bordstein zwischen zwei Läden parkte. Er setzte die Füße auf den Boden und stieg ab. Hannah tat es ihm gleich. Sirius grinste sie verwegen an. Ihr lockiges Haar stand verwuschelt in alle Himmelsrichtungen ab und ihr Gesicht war von der Fahrt leicht gerötet. Sicher wusste sie nicht wie bezaubernd sie in diesem Moment aussah. „Verflucht, Tatze. Hast du dich jemals mit den Muggelverkehrsregeln auseinander gesetzt?“, sagte sie und der Zauber des Augenblickes war vorüber. „Nein, wieso auch?“ Hannah stemmte wütend die Hände in die Hüften. Er wusste sofort, dass mit ihr nun nicht zu Spaßen war. „Straßenschilder gibt es nicht zum Spaß!“ „Was sind Straßenschilder?“ Hannah deutete auf das nächstgelegene Vorfahrtsschild an der Kreuzung. Sirius blickte recht verdattert drein. „Muggel haben Regeln? Du weißt doch, dass ich nicht so gut mit Regeln umgehen kann?“ Er sah sich um und tatsächlich entdeckte er mehrere dieser Schilder. Und zu seinem entsetzten sahen sie auch noch alle unterschiedlich aus. Hannah wollte gerade den Mund öffnen und sicherlich mit einer Moralpredigt beginnen. Da griff Sirius nach ihrem Handgelenk und zog sie zügig weiter. Seine Berührung brachte sie erneut völlig aus dem Konzept. Zu dem hatte sie Mühe seinen schnellen Schritten zu folgen. Letztendlich blieben sie vor einer Anschlagssäule mitten auf dem Bordstein stehen. Sie war über und völlig mit Werbung plakatiert worden. Sirius schien etwas zu suchen und entdeckte schließlich ein vergilbtes Plakat von einer Vampirin, die auf einem prächtigen Pferd saß. Blut lief zwischen ihren Zähnen hervor. Ihr Gesicht hatte eine unnatürliche Blässe. Sirius streichelte das Pferd mit seinem Zauberstab. Sie Vampirin bewegte sich und ließ ein grusliges Kichern verlauten. Dann schob sich die Littfasssäule zur Hälfte auf. Hannah steckte den Kopf hinein. Es war kein Boden zu sehen. Und es schien hinunter in eine endlose Tiefe zu gehen. Sirius grinste zufrieden. Er umklammerte ihre Hand und deutete mit dem Kinn in die Tiefe. „Wollen wir?“ „Uns das Genick brechen?“ „Stell dich nicht so an!“ Er lachte und noch bevor sie Wiedersprechen konnte zog er sie hinunter. Zunächst hatte Hannah den Eindruck sie würde in eine endlose Tiefe stürzen, doch dann landeten sie auf einer Art Rutsche und schlitterten hinunter. Binnen Sekunden hatte sie wieder festen Boden unter den Füßen. Geräusche von freudigen Menschenmaßen erklangen Rund um sie herum. Sie befanden sich definitiv in den Katakomben der Stadt. Soweit wie sie – Hand in Hand – nach unten geschlittert waren. Jedoch machte es überhaupt nicht den Eindruck als wären sie irgendwo unterirdisch gelandet. Es war eine Halle. Die Fenster waren verzaubert. Es musste der selbe Zauber sein der auf der Decke der großen Halle lag. Man konnte aus ihnen hinaus in den Sternen übersäten Nachthimmel blicken. Die Lichter der Stadt lagen weit unter ihnen und funkelten in den Himmel. Es waren unheimlich viele junge Hexen und Zauberer in der Halle und Hannah brauchte ziemlich lange bis sie begriff, dass sie sich in einer Konzerthalle befand. Neonlichter flackerten durch die Halle. Bunte bewegte Bilder von Rockbands tapezierten die Wände. Die Leute auf den Plakaten sangen wild durch einander und verstärkten das Stimmengewirr der Menschen. „Sirius, wo bei Merlin sind wir?“ Er zog sie weiter zu einer Theke in der hinteren Ecke, wo die Schlange deutlich kürzer war. „Das ist die Smaragdstadt!“ Hannah gluckste. Sie war sich nicht sicher, ob Sirius die Anspielung auf OZ verstand. „Habe ich bestimmt hin und wieder Mal erwähnt.“ Hannah schüttelte den Kopf, während Sirius ihnen zwei Butterbier besorgte. Zufrieden grinsend drückte er ihr eine Flasche in die Hand. Hannah nahm sie grinsend an. „Nein, hast du definitiv nicht.“ Er zuckte lässig mit den Schultern. „Jedenfalls habe ich Karten für die Tempelritter. Die sagen dir aber was, oder?“ Hannah nickte. Fabian drehte sie immer Laut auf, wenn sie im magischen Rundfunk spielten. Sein altes kaputtes Radio hatte jedoch wirklich keinen guten Sound. „Schon..“, sie nippte gedankenverloren an ihrem Butterbier „Dir ist aber klar, dass ich morgen früh pünktlich im Unterricht sein muss.“ Er lachte süffisant. „Wann bist du denn so ein Spießer geworden?“ Hannah versetzte ihm einen Schlag auf den Oberarm. „Ich verbitte mir dieses fürchterliche Wort!“ Sirius rieb sich gespielt beleidigend den Oberarm. „Ein brutaler Spießer also?“ Hannah grinste ihn an. Es war als würde sie nur noch ihn sehen. „Provoziere mich nicht!“ „Was dann?“ „Das wirst du schon sehen! Halt mal.“ Sie drückte ihm ihre Flasche, zog die Jeansjacke aus und band sie sich um die Hüfte. „Ganz schön warm hier drin.“, bemerkte sie und schnappte sich ihre Flasche. „Der Spruch ist ziemlich alt. Du kannst mir auch einfach sagen, dass du auf mich stehst.“ Sie wurde knallrot. Sirius genoss es. „Warum ist mir nie aufgefallen wie unheimlich arrogant du eigentlich bist?“ „Weil du drauf stehst!“ Hannah schnaubte und prustete das halbe Butterbier wieder aus. „Das hättest du wohl gerne.“ Sie warf ihm einen abwertenden Blick zu, wandte sich um und steuerte auf den Eingang zur Konzerthalle zu. „Nur zu gerne.“, flüsterte er so leise, dass sie ihn unmöglich hören konnte. In der Konzerthalle war es ziemlich voll. Viele Hexen und Zauberer hatten sich bereits dicht aneinander gedrängt. Die Vorband hatte zu spielen begonnen. Es war ziemlich rockig. Hannah boxte sich bis vorne zur Bühne durch. Sirius hatte keine Mühe ihr zu folgen. Er beobachtete sie und konnte sich sein dümmliches Grinsen wirklich nicht verkneifen. Ihre zerzausten Locken fielen in ihr Gesicht und sie wippte rhythmisch auf der Stelle zu der Musik mit. Sie lehnte sich zu ihm nach hinten. „Die sind wirklich gut.“ Er neigte sich nach vorne und hielt kurz vor ihrem Ohr inne. „Warte bis du die Hauptband siehst.“ Hannah grinste ihn unsicher an. Und er hatte Recht. Die Hauptband – die Tempelritter – waren bombastisch. Der Gitarrist spielte unfassbar gut und der Sänger, ein ziemlich gutaussehnder Kerl mit langen schwarzen Haaren, hatte eine fantastische Stimme. Sie war tief und die Emotionen die er durch seine Lieder vermitteln wollte kamen auf jedenfall an. Auch das Publikum reagierte euphorisch auf die Band. Sirius kam aus dem Dauergrinsen nicht mehr raus. Es war schön Zeit mit ihr zu verbringen. Solange hatten sie es nicht geschafft unbefangen miteinander umzugehen. Er konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal so viel Zeit mit ihr verbracht hatte ohne zu streiten. Irgendwann vergaß er sogar sich ständig umzusehen, um nach potentiellen Todessern Ausschau zu halten. Moody hatte ihn schon völlig paranoid gemacht. Selbst in seiner wenigen Freizeit konnte er es nicht sein lassen. Wahrscheinlich hatte Moody auch Recht mit seiner Vorsicht, dachte Sirius. Doch gerade jetzt war ihm jede Vorsicht gleichgültig. Die Musik wurde rockiger und deutlich lauter. Die Leute um sie herum begannen zum Rhythmus auf und ab zu springen. Sirius suchte Blickkontakt zu Hannah. Sie fing seinen Blick sofort auf und grinste ihn unverhohlen an. Zögernd griff er nach ihrer Hand. Erleichtert bemerkte er, dass sie sie nicht wegzog. Stattdessen begann sie ebenfalls auf und ab zu springen wie die Menge um sie herum. Sirius holte tief Luft und machte es ihr nach. Es war ein atemberaubendes Gefühl mit der Musik mitzugehen und in dieser Menge von Leuten mitzufeiern. Er hatte sich seit langem nicht mehr so normal und so lebendig gefühlt. Hannahs zerzauste Locken fielen ihr wirr ins Gesicht. Unter der blonden Haarmähne waren ihre Wangen vom Springen gerötet, doch auch sie hörte nicht auf zu strahlen. Die Zeit verflog wie im Traum. Schon stimmte die Band – unter tosendem Beifall – ihren letzten Song an. Es war ein ruhiges Lied. Unsicher bemerkte er, dass die Paare neben ihnen einander in den Arm genommen hatten. Manche Leute im Saal hoben leuchtende Zauberstäbe in die Höhe. Ihr Licht erfüllte den Saal in einer gedämpften romantischen Atmosphäre. Sirius schluckte. Er spielte mit dem Gedanken seine Hände um Hannahs Taille zu schieben und sie an sich zu ziehen. Doch noch bevor er sein Vorhaben in die Tat umsetzen konnte, drehte sie sich auf der eigenen Achse herum und blickte ihn an. Er war nicht sicher, ob sie seine Unsicherheit bemerkt hatte. Wenn sie es getan hatte, dann ließ sie sich jedenfalls nichts davon anmerken. Belustigt wedelte sie mit ihrer leeren Butterbierflasche vor seiner Nase herum. „Ich weiß nicht, was mit dir ist, aber ich brauche dringend Nachschub.“ Sie musste Schreien damit er sie verstand. Sirius schnaubte kaum merklich. Sie hatte wirklich kein gutes Timing. Er rang sich ein Grinsen ab und bugsierte sie rasch durch die Menge. Sie durchquerten die Flügeltüren zur Halle und erreichten den Vorsaal, in dem sie vor dem Konzert angekommen waren. Hannahs Wangen glühten und dünne Linien umspielten ihre Mundwinkel. Rasch eilte sie zur Bar und zog Sirius an der Hand mit sich mit. „Das war der Wahnsinn.“, stöhnte Hannah und versuchte dabei so lässig wie möglich zu klingen. Im gleichen Atemzug wusste sie, dass es ihr nicht gelang. „Ich bin froh, dass es dir gefällt.“, erwiderte Sirius lächelnd. Er beugte sich vor und strich ihr eine einzelne Locke hinters Ohr. Schmunzelnd blieben sie stehen, bevor sie bemerkten, dass sich die Schlange vor ihnen an der Bar aufgelöst hatte. „Zwei Butterbier?“, bestellte Sirius bei dem jungen Kellner. „Komm.“, sagte er. Er führte sie hinüber zu einer Sitzgruppe von zusammen gewürfelten Sesseln und ließ sich auf einem alten fransen Sofa nieder. Er reichte Hannah eine Butterbierflasche und sie nahm sie dankend an und klemmte sie zwischen die Beine. „Es war ehrlich eine tolle Idee...autsch..“, fluchte sie plötzlich und biss die Zähne zusammen. Der Kellner hatte die Flasche etwas ungeschickt geöffnet, Hannah war mit den Fingern abwesend über den Flaschenhals gestrichen und hatte sich am Finger geschnitten. Sofort klaffte dunkelrotes Blut aus der Wunde. Hannah steckte den Finger in den Mund und saugte daran. „Verflucht!“, murmelte sie. „Gib schon her!“, Sirius zog ihre Hand auf sein Bein „Wird schon nicht so schlimm sein. Ich muss ohnehin Heilzauber üben.“ „Tatze...“, sie betrachtete ihn skeptisch und versuchte ihre Hand aus seinem bestimmten Griff zu lösen „...ich will nicht dein Versuchskaninchen sein.“ „Vertraust du mir nicht, Feder?“ Seine Augen glänzten belustigt. „Ich würde sagen, vertrauen ist nicht gerade unsere Stärke. Momentan.“ Sie wandte sich ab und schaute aus den verzauberten Fenstern, hinunter auf die funkelnde Stadt. „Oh.“ Sirius hatte seinen Zauberstab gezogen und ihn auf die Wunde gelegt, doch noch bevor er den Schnitt zusammenfügen konnte hatte er ihre Fluchnarbe bemerkt. Sie war ebenso entzündet wie seine. „Es ist nicht so schlimm.“ Hannah versuchte sich erneut aus seiner Berührung zu befreien. Sirius starrte sie tonlos an, bevor er seine eigene Hand ausstreckte und sie ihr zeigte. Auch sie wirkte nicht überrascht. Vorsichtig fuhr sie mit ihren zierlichen Fingern über seine Narbe. „Es tut weh, nicht wahr?“ Er hob den Kopf und versuchte tapfer zu klingen. „Nicht wenn du da bist.“ Hannah nickte abwesend. „Mir geht’s genauso...“, flüsterte sie und blickte schuldbewusst zu Boden. Sie dachte an ihn. Sirius konnte sich ein spöttisches Schnauben nicht verkneifen. Warum war er in ihrem Kopf nur so präsent? Dies war ihr Abend. Er gehörte nicht hier hin. „Hör mal, Hannah...“, begann er, mitten im Satz überlegte er es sich anders, als wollte er sie nicht verschrecken. „Was?“ Er schüttelte den Kopf. „Wir sollten einfach mehr Zeit miteinander verbringen, Feder?“ Sie schmunzelte ihn an und nahm einen tiefen Schluck aus ihrer Butterbierflasche. „Tun wir doch bald.“, antwortete sie. „Auf der Arbeit.“ „Du weißt, dass ich das nicht meine...“ Er fluchte innerlich. Manchmal dachte er, es machte ihr Spaß ihn so dermaßen zur Weißglut zutreiben. „Ich weiß, dass du das nicht meinst.“ Sie machte Anstalten sich den blutenden Finger wieder in den Mund zu schieben. Er hielt ihre Hand jedoch fest. Sanft tippte er mit dem Zauberstab auf ihre Wunde und murmelte leise die Beschwörungsformel. Die Wunde schloss sich glatt und es blieb nicht einmal ein kleiner Kratzer zurück. „Danke.“, sagte sie und lehnte sich zurück. Schweigend starrten sie einander an. Nichts was sie ihm sagen konnte war gut genug. Nichts machte die Situation besser. Den ganzen Abend hatte sie kaum einen Gedanken für Dung übrig gehabt. Das war fürchterlich von ihr. „Hattet ihr auch die Zaubertrankstunde mit den Erinnerungen?“, fragte sie plötzlich, um die unerträgliche Stille zu durchbrechen. Sirius nickte missmutig. Es war der einfache Weg das Thema zu wechseln. Es war der einfache Weg wegzulaufen. Frustriert stellte er fest, dass sie wieder einmal den einfachen weg nahm. Und doch war jeder Moment mit ihr alleine so kostbar, dass er ihn nicht mit Streit verschwenden konnte. „Türlich. Es ist Slughorns Lieblingsshow. Er zieht sie jedes Jahr ab.“ Hannah blickte ihn belustigt an. „Es war ziemlich lustig Krone und Cheryl nackt in der Badewanne zu sehen.“ Er lachte amüsiert und strich sich, dass seidige schwarze Haar aus den Augen. Hannah kicherte. „Na gut, sie waren kaum drei Jahre alt.“ „Dachte ich mir schon.“ „Wer war dein Partner?“ Sie verzog kurz das Gesicht und biss sich auf die Unterlippe. Sirius Augenbraue schnellte skeptisch hoch. „Sag schon!“ „Regulus war es.“ „Oh bei Merlin, Hannah.“ Er schlug sich mit der Hand gegen den Kopf. „Was hat der kleine Bastard gesehen?“ „Nichts.“, antwortete sie wahrheitsgemäß. „Nichts wichtiges.“ „Wie konntest du ihn bloß in deinen Kopf lassen?“ Er war entsetzter als Fabian es gewesen war. Kein Wunder. Schließlich war er immer noch sein Bruder. „Es war nicht so als hätte ich eine Wahl gehabt.“, entgegnete sie wütend. „Doch die hattest du. Du hättest zur Dumbledore gehen können.“ „Und mir diese Chance entgehen lassen?“ Er war rot und Hannah wusste, dass er kurz davor war zu schreien. „Du hast Ebby in Gefahr gebracht, Feder. Sie ist zu klein, um sich gegen diese Fanatiker zu wehren. Ihr hätte...“ „Er hat nichts gesehen.“, unterbrach sie ihn unwirsch. Sie konnte den Drang sich zu ihm hinüberzubeugen nicht länger unterdrücken. „Sirius...“, flüsterte sie vorsichtig und hoffte inständig, dass sie gelassener Klang als sie sich fühlte. Sie wollte nicht wieder mit ihm Streiten. Ihr Herz klopfte wie wild und übertönte die lauten Geräusche aus der Halle. Unsicher drückte sie ihre Hand gegen seine Brust und blickte tief in seine wilden grauen Augen. „Er hat wirklich nichts gesehen.“, sagte sie nachdrücklich. Er legte seine Hand auf ihre und sah sie mit einem eigenartigen Ausdruck in den Augen an. Hannah atmete erleichtert aus. Er schob ihre Hand nicht weg. „Das konntest du aber nicht wissen, Feder.“, sagte er matt. „Es..“, sie kaute auf ihrer Unterlippe herum. „..tut mir leid.“ Er hob kaum merklich die Schultern an. „Du weißt, dass ich Ebby und dich und den Orden niemals wissentlich in Gefahr bringen würde.“ Und endlich nickte er. „Was hast du gesehen?“, fragte er grimmig. „Nicht viel.“, log sie rasch. Sie gab sich Mühe sehr darauf zu achten beiläufig zu klingen, um sich nicht zu verraten. Sirius hatte stets gewusst, wann sie log. Sie war sich nicht sicher ob dies immer noch so war. „Was ist nicht viel?“, fragte Sirius ungeduldig. „Kindheitserinerungen...“, sagte sie leise. Sirius reagierte nicht. „Ich habe nicht gewusst, dass ihr Freunde wart.“, fügte sie vorsichtig hinzu. Seine Hände gruben sich in ihre Finger und sie erschauderte bei der Berührung. „Das ist sehr lange her.“, antwortete er matt. Tatsächlich schien es in einem anderen Leben gewesen zu sein. Die Erinnerung daran war so unendlich lange her. „Er ist ein Todesser.“, verbittert verzog Sirius das Gesicht. Hannah beobachtete ihn nachdenklich. Wie gerne hätte sie ihm die Wahrheit gesagt. Doch dieses dünne Band was zwischen ihr und Regulus entstanden war wollte sie nicht zerstören. Sie dachte an seine tröstende Berührung auf ihrer Schulter. Daran das er am Grab ihres Vaters gestanden hatte. „Weißt du..“, sie nahm einen tiefen Schluck aus ihrer Flasche „...einen kurzen Moment dachte ich er ist gar nicht so übel.“ Sirius sah sie perplex an und ließ augenblicklich ihre Hand los. „Nimm dich vor ihm in acht. Bitte, Feder!“ „Tatze.“, versuchte sie es zaghaft. Doch er beugte sich zu ihr hinüber und umfasste ihre Handgelenke. Mit einer ruckartigen Bewegung zog er sie näher an sich. „Ich wette, der dunkle Lord hat ihm ein paar Kniffe beigebracht. Mit Sicherheit ist er ein hervorragender Legilimentiker. Du darfst ihm nicht trauen!“ Der Nachdruck den er in seine Stimme legte machte ihr Angst. Für einen Moment zweifelte sie an ihrer Entscheidung. Dann fand sie wieder zu ihrer ursprünglichen Entschlossenheit zurück. „Mach ich nicht.“, sagte sie zaghaft. Noch immer war sie ihm so nah. Unfassbar nah. Unvertretbar nah. Er bedachte sie immer noch mit diesem undurchdringlichen Blick, doch er war sanfter geworden. Hannah versuchte zu lächeln und auch Sirius schenkte ihr ein verschmitztes Grinsen. Sie hatte fast vergessen wie sehr sie dieses abenteuerliche Grinsen liebte. Im Nachhinein hätte sie nicht sagen können, wer sich wem zuerst entgegen lehnte. Doch kurz bevor seine Lippen die ihren berührten stoppte sie ihn. Mit aller Willenskraft die sie aufbringen konnte drückte sie ihre Hand gegen seine Brust und drückte ihn soweit von sich weg, dass sie ihn ansehen konnte. „Das sollten wir nicht machen.“, sagte sie schlicht. Er funkelte sie irritiert an. Zu überrascht, um auf der Stelle etwas zu sagen. Hannah hörte seinen unregelmäßigen Atem und es kostete sie alle Selbstbeherrschung, dass hier durchzuziehen. „Ich will dich nicht nur als Kollegin sehen.“, sagte er schließlich. „Wir sind doch Freunde, Tatze!“ „Freunde?“ Sie nickte und bemühte sich ihn nicht merken zu lassen wie unsicher sie sich war. „Ja.“, sagte sie hartnäckig und stand auf. „Bring mich Nachhause, Tatze. Okay?“ Er stand auf und lächelte sie belustigt an. „Du glaubst doch nicht, dass ich so einfach aufgebe, Butterfly, oder?“ Es war eine scheinbare Ewigkeit her, dass er sie so genannt hatte. Hannah biss sich auf die Lippe und versetzte ihm einen Schlag gegen den Oberarm. „Bringst du mich jetzt Nachhause?“ Er rieb sich den Arm und grinste sie verwegen an. „Aber klar doch, Feder!“, sagte er. Sie folgte ihm hinaus. „Für unseren nächsten Ausflug solltest du übrigens dringend einen Führerschein machen.“ „Es gibt einen nächsten Ausflug?“ „Vielleicht.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)