Die Nymphe und das Wurzelwerk von abgemeldet ("Ruf der Schatten - Story 3") ================================================================================ Düster und geheimnisvoll lag der Wald vor ihm, offenbarte ihm seine tiefsten Ängste und wenn er den Blick in die Baumkronen hob, so erkannte er nur dürre, kantige und spitze Äste, deren Blattwerk schon vor langer Zeit entflohen waren und die nun gierig nach ihm zu greifen schienen. Wie sehr er doch diesen Weg hasste, aber als Förster war es nun einmal seine Aufgabe, den Bestand des Waldes zu gewährleisten, doch selbst nach über dreißig Jahren im ansonsten schönen Wald konnte er sich nicht an diese Ecke gewöhnen. Etwas schien hier anders zu sein, beängstigend anders. Es war so, als wenn eine böse Aura über diesem Stück des Waldes lag. Man nannten den dunklen und kranken Teil das Waldes nicht umsonst „Weg der toten Seelen“, ein Name, der vielleicht übertrieben klang, doch geschichtlich schon seit langem festgelegt war. Schon früher, im späten Mittelalter, nannte man diesen Weg so und es war, als wenn die Bäume seit den nun schon hunderten von Jahren nichts an ihrem Ruf verloren hatten. Es gab eine Legende unter den Einwohnern hier im Wald, nahe des berühmten Schwarzwaldes, die besagt, dass wenn ein Mensch hier im Walde stirbt, seine Seele in einem Baum gefangen wird, was sich darin äußerte, dass der Baum starb. Natürlich hielt er das für Volksglauben, aber es gab noch keine wissenschaftliche Erklärung, warum sich dieser Teil des Waldes langsam, kaum merklich, immer weiter ausbreitete, immer wenn es wieder Berichte gab, es seien Menschen verschwunden. Hans gab sich aber nicht viel um Wissenschaften. Dafür war er einfach mit seinen über sechzig Jahren zu alt und es interessierte ihn auch nicht. Er lebte nur für den Wald und es machte ihm Spaß durch den Wald zu wandern, die Tier- und Pflanzenwelt zu beobachten. Abgesehen natürlich von diesem Abschnitt, denn es gab hier kaum lebenden Pflanzen, vielleicht ein paar Gräser, geschweige denn Tiere. Nicht ein einziges war im begegnet in den langen Jahren und es war sogar so, jedenfalls hatte er diesen Eindruck, als ob selbst die Vögel diesen Weg nicht überflogen, ja sogar einen Umweg in Kauf nahmen. Vielleicht ein Zufall oder steckte da doch mehr dahinter? Fleißig hatte er in der Bibliothek nach Büchern gesucht, die sich mit dem Wald befassten oder mit dem Volksglauben, doch es gab keine logische Verbindung zwischen diesem Waldstück und dem merkwürdigen Verhalten der Tiere. Einmal hatte er ein junges Reh beobachtet, welches die Grenze überschritten hatte, doch sofort von der Mutter zurückgerufen wurde. Alles war wirklich sehr merkwürdig und beinahe gespenstisch. Besonders die Bäume waren in seinen Augen mehr als fragwürdig. Sie waren so tot, wie es nur ging. Altes und lebloses Holz, so porös, dass es bei einer Berührung fast zu Staub zerfiel und die unheimlichsten Formen, die er jemals zu Gesicht bekam. Die dürren Äste erinnerten an klauenbewehrte Hände, wie die von Dämonen und Monstern, die man in den späten Filmen sah, die nach jedem Lebenden trachteten. Bei diesem Gedanken lief im ein Schauer über den Rücken und er musste sich geistig erst einmal gründlich wach rütteln. Als sein Blick sich wieder einmal nutzloserweise auf den Bäumen festigte, viel im auf – komischerweise zum ersten Male – dass die Stämme stark zerfurcht waren, was nicht ungewöhnlich war, doch bildeten die Furchen fast eine Art Gesicht, dass verzehrt vor Schmerz um Hilfe schrie. Der selbst leicht zerfurchte Mann tat diesen Gedanken als Hirngespinst ab und erreichte endlich das Ende des Weges, was er mit einem lauten und glücklichen Seufzer begrüßte. Hier war der Wald ein krasses Gegenteil, denn alle Pflanzen waren saftig und grün, standen in voller Blüte und strahlten eine Gesundheit aus, die einem jeden Förster das Herz erfreute. Auch vernahm er jetzt den Gesang der Vögel, welcher erst ab der Grenze zu vernehmen war, fast als wären selbst die Laute im toten Teil verstorben. Frische Waldluft streichelte seinen Gaumen und er fühlte sich wesentlich erleichtert und setzte seinen Weg nun mit einem Lächeln auf den Lippen fest, welches immer wieder leicht nachließ, wenn er an den Weg zurück dachte. Einige Meter weiter hatte der Förster die Angst wieder vergessen, die ihm der Weg der toten Seelen bereitet hatte und er fing an im Chor der Vögel mit einem Pfeifen mit teilzuhaben. Plötzlich und ganz unvermittelt hörte er noch etwas anderes im geflügelten Chor uns stellte sein Pfeifen wieder ein. Es war ein Gesang, den er noch nie gehört hatte, schön und faszinierend zugleich, obwohl er nicht ein einziges Wort verstand. Die Stimme war so schön und rein, dass es ihm fast im Herzen stach und er konnte einfach nicht anders, als ihr zu folgen, hinein in den dichten Wald, in dem er sich doch so gut auskannte. Nach kurzer Zeit erreichte er einen weiteren Weg, der gut versteckt im Dickicht lag und der ihm, trotz seiner guten Ortskenntnis, nicht bekannt vorkam. Als er sich umsah, erkannte er zwar in der Ferne noch den anderen Weg, wunderte sich aber insgeheim, warum er den wesentlich schmaleren Weg niemals gefunden hatte. Das war schon ziemlich merkwürdig, doch eigentlich nicht so schlimm, schien es doch kein wichtiger Pfad zu sein, sondern vielleicht nur eine Abkürzung, welche die Bauern vor langen Zeiten benutzten um auf einen anderen Weg zu gelangen. Die Stimme sang beharrlich weiter und vorsichtig, fast wie auf der Jagd, bewegte er sich langsam durch das dichte Unterholz. Sein Orientierungssinn sagte ihm, dass in dieser Richtung ein kleiner Waldsee lag, eigentlich fast mehr ein Teich, der um diese Jahreszeit gerne von Vögeln als Badesee genutzt wurde, ein weiteres noch unerforschtes Tierverhalten. Nach vielleicht zehn Minuten des geschickten und schnellen Schleichens erreichte er einen dicken Busch hinter dem der See lag. Er duckte sich dahinter und öffnete mit seinen Händen ein kleines Loch, durch das er den See sehr gut überblicken konnte. Sein Blick fiel mitten auf die knapp drei Meter hohe Gesteinsformation und den kleinen Wasserfall, der einen ziemlich großen Bach in den See stürzen lies. Nichts war als ungewöhnlich einzustufen und erst jetzt merkte er, dass er den Gesang nicht mehr hörte. Sei gewarnt, Sterblicher!, ertönte eine Stimme in seinen Gedanken und er sah sich um, konnte aber natürlich nichts erkennen, was ihm eine Stimme verdeutlicht hätte, Berühre nicht, was nicht berührt werden darf! Mit diesen Worten schlossen sich die Stimme und die Angst in seinen Adern, die beim Klang der Stimme hervorgetreten war, wieder und er sah durch das Loch. Er spürte wie sein Puls wieder ruhiger wurde, jetzt nachdem die Worte, die doch einen sehr bedrohlichen Unterton hatten, verklungen waren. Hans‘ Augen weiteten sich, als er eine Gestalt unter dem Wasserfall erkennen konnte. Dank seines scharfen Blickes, den er sich mühevoll und langsam antrainiert hatte, sah er sie selbst auf die gut fünfzig Meter so deutlich, als stände sie direkt vor ihm. Es war eine Frau, wie er auf den zweiten Blick feststellte, doch etwas schien nicht richtig zu sein an ihr. Immer, wenn sie sich bewegte, hatte er das Gefühl, als verschwimme sie mit der Umgebung, als hinterließe sie Farbschwankungen in der Luft, die sofort wieder verschwanden, wenn die Bewegung zu Ende geführt war. Mit der anderen Hand stellte er sein Gewehr leise beiseite und rieb sich sie Augen, doch es war keine Täuschung, es war Wirklichkeit. Die sehr schlanke Gestalt trat hinter dem Wasserfall hervor und er merkte, dass sie gänzlich nackt war, nur ihr langes, hellrosa gefärbtes Haar bedeckte einen Teil ihrer sehr strahlenden Haut, so schön wie sie nur in Märchen sein konnte. Die Figur, rein und makellos, zog ihn sofort in seinen Bann und er konnte beim besten Willen seine Augen nicht mehr abwenden und musterte sie übergenau. Selbst ihr holde Weiblichkeit war ihm nicht verborgen und die peinliche Scham, die er eigentlich empfunden hätte, schien sich heute gar nicht zu melden. Statt dessen bildete sich eine Art erotisierte Gefühlswelt breit zu machen und er beobachtete sie genau, wie sie sanfte und weiche Schritte vollführte, dabei einfach über das Wasser ging, oder besser tanzte. Nur ihre Zehen berührten die Wasseroberfläche und hinterließen seichte Kreisel, die sich bald schon wieder verloren. Jetzt bemerkte er auch, dass die Frau Flügel hatte, wie die einer Fee – schmetterlingsgleich und in den verschiedensten Farbtönen, hauptsächlich aber in den Farben rosa, rot und weiß in denen sich die Sonnenstrahlen verloren und einen Tanz der Lichter auf seine Netzhaut projizierten. Es war einfach zu schön, um es nicht zu sehen und er merkte, dass auch die Tiere sich langsam auf und an dem See versammelten, sie beobachteten oder ihrer eigenen Dinge verharrten. Schwäne, Schmetterlinge, Hirsche und Singvögel. Alle kamen und wollten anscheinend, genau wie er auch, ihrem Gesang lauschen. Mit langsamen und begehrenswerten, sowie kindlichen Bewegungen lies sie sich an einem Stein, nahe des Wasserfalles nieder und saß in weiblicher Zurückhaltung dort und streichelte ein Rotkehlchen, welches sich auf ihre Hand gesetzt hatte und emsig versuchte, sie mit ihrem Gesang zu verzaubern. Jetzt fiel Hans auch ihr Gesicht auf und es spiegelte nicht nur die reinste Schönheit der Welt dar, es war auch so schön. Sanfte und faszinierende Züge, gleichzeitig in einer feenhaften Schärfe schlugen ihn in ihren Bann der Unendlichkeit. Ihre Augen waren gütig, scheu und doch fordernd, gefüllt mit wunderschönen Pupillen aus reinstem Gold, die liebevoll das kleine Vögelchen beobachteten und ihre Lippen begannen, wieder diese unheimlich faszinierenden Worte zu formen, die ihn hierher lockten. Wieder konnte er diese reine und wunderschöne Stimme hören und genießen und ein Gefühl der Wärme machte sich in ihm breit, doch gleichzeitig auch ein Gefühl der Angst und des Vorsichtigen. Warum, wusste er nicht, aber er hatte die Vermutung, dass es sich um die Worte handelte, so schön gesprochen, doch so schwer zu verstehen. Es war eine Sprache, die er noch nie gehört hatte. So mysteriös, so fremd, als wäre sie nicht von dieser Welt, klang sie fast wie eine Prophezeiung. Bei dem lächerlichen Gedanken lächelte er in sich hinein und beruhigte sich mit dem Gedanken, dass er wohl schon in einem Alter war, wo man sich lauter merkwürdiger Sachen fragte. Lange hockte er hinter dem Busch und lauschte ihrem Gesang, dem Klang ihrer wunderschönen und verführerischen Stimme und in ihm wuchs immer mehr der Drang, er müsse sie haben. Sie sollte nur ihm gehören, sonst keinem. Er begehrte sie immer mehr. Mehr und mehr und noch viel mehr. Die Geduld lies ihn im Stich und er stand auf und kam aus seinem Gebüsch hervor, verschrak dabei alle Tiere, die sich lauthals beschwerend in alle Himmelsrichtungen teilten. Nur sie, die schlanke, feenhafte Gestalt, blieb sitzen und starrte ihn mit einer Mischung aus Angst, Neugierde und Drohung an, bewegte sich keinen Millimeter. Das lag natürlich auch daran, dass er am Ufer stand und sie mitten beim Wasserfall auf einem Stein hockte, sich ihrer Sicherheit mehr als nur bewusst. Sie bemerkte, dass er nicht mehr Herr seiner Sinne war, sie konnte es förmlich in seinem Blick sehen, fand es aber nicht besorgend sondern eher amüsierend, denn sie lachte leise, kaum hörbar, aber doch von einer Intensität, dass es einem jeden bewusst wurde: Sie war nicht so harmlos, wie sie sich gab. Hans war diese Tatsache egal. Langsam und mit kräftigen Schritten wollte er zu ihr ins Wasser dringen, zu ihr kommen und sie berühren, mit allen seinen Sinnen wollte er sie haben. Doch er konnte nicht, wie er erschrocken feststellte und als er an sich hinuntersah, sah er auch warum. Sein rechtes Bein war umklammert von einer dicken, und zerfurchten Baumwurzel, die ihn darin zu hindern versuchte. Es gelang ihr sehr gut, denn so sehr er sich auch anstrengte, er konnte ihren harten und brutalen Griff nicht lösen, nein, er verstärkte ihn sogar bis zu einem Grad in dem es schmerzte. Ich habe dich gewarnt, Sterblicher!, ertönte wieder die unheimliche Stimme in seinem Kopf. „Ich habe sie doch gar nicht berührt.“, schrie er in den Himmel hinaus und bemerkte, dass sie inzwischen aufgestanden war und sich das Schauspiel verzückt ansah, sogar ein leises und böses Lächeln offenbarte, welches Hans eiskalt in seinem Rückgrat traf. Nicht alles, was wir berühren, berühren wir mit unserem Körper, Sterblicher. Dein Geist hat sie berührt, sie beschmutzt und somit auch den Wald geschändet. Den heiligen Geist der Quellen und des Waldes hast du mit deinen widerlichen Gedanken beschmutzt, Sterblicher. Dafür wirst du nun deine gerechte Strafe empfangen., erklärte die Stimme voller Zorn und Hans schrie vor Schrecken und Angst auf, als weitere Wurzeln aus der Erde kamen, ihn umarmten und ihn ebenfalls brutal griffen. Plötzlich sah der alte Mann, wie die Umgebung grau zu werden schien, alles in seinem Sichtfeld verlor schlichtweg seine Farbe, selbst die Schönheit auf dem Felsen war ein Mix der verschiedensten Grautöne geworden, doch blendete ihre Schönheit noch immer. Immer mehr und mehr Wurzeln griffen nach ihm und er wurde schier zu Boden gedrückt, seine Kräfte waren in Sekundenbruchteilen erschöpft und das einzige, wozu er noch fähig war, war zu weinen vor Angst, dass er jetzt sterben würde. Aber die Wurzeln hielten in ihrem Tun inne, was ihn zwar nicht wesentlich beruhigte, ihm aber jedoch eine große Verwunderung bescherte. Die feengleiche Schönheit war näher gekommen und stand nun neben dem dichten Wurzelwerk, welches sich wie ein dicker Ballen um Hand gewickelt hatte und nur noch seinen Kopf sichtbar lies, der überschüttet von Tränen ein wahres Beispiel für Mitleid war. Sie bückte sich neben ihm und gewann auf einen Schlag wieder an Farbe, nur der restliche Wald war noch grau in grau, und er konnte aus nächster Nähe alles erkennen, was ihn die Regeln hatte Mißachten lassen. Ihr schöner Körper, ihre makellosen Brüste und das Gesicht, welches selbst Venus in ihre Schranken verwiesen hätte. Sie sprach zu ihm und jetzt verstand er sogar, was sie sagte, doch sollten ihm ihre Worte nicht gefallen. „Habe keine Angst.“, flüsterte sie mit engelsgleicher Stimme, „Du wirst nicht sterben, niemals. Auf ewig sollst du Teil dessen werden, was du solange geliebt hast. Du sollst dem Wald das geben, was er braucht, um seine Schönheit zu erhalten. Deine Lebenskraft wird dafür sorgen, dass das natürliche Gleichgewicht in diesem wunderschönen Wald auf ewig weiterleben wird.“ Dann sprang sie mit einem Satz zurück auf den Felsen, die Luft dabei flimmernd lassen, wie alle ihr Bewegungen waren und mit einem weiteren Schlag seinen Augenlider war sie verschwunden, als wäre sie nie dagewesen. Brutal wurde er wieder in die Wirklichkeit gerissen, denn die Wurzeln umschlangen jetzt auch seinen Kopf, versperrten ihm das Tageslicht und bald empfing ihn tiefste Nacht. Das einzige, was daran richtig unangenehm war, war der Druck der Wurzeln, die ihren Druck verstärkten und er spürte deutlich, wie sie sich bewegten und ihn unter die Erde zogen. Sanfter Dreck rieselte zwischen einigen Spalten durch und das letzte, was der Wald von ihm hörte, war ein entsetzter Schrei, der brutal von der Erde erstickt wurde. An der Stelle, wo er unter die Erde gezogen wurde, erkannte man keine Spuren mehr. Nur der gleiche Laubboden war zu erkennen, so wie er schon lange den gesamten Waldboden bedeckte. Das einzige, was auf ihn hinwies, war das Gewehr, welches, immer noch an den Baum gelehnt, wohl nie wieder einen Nutzen finden würde und langsam vor sich hinrosten wird. Bald wird ihn die Zeit vergessen haben, nicht aber der Wald. Hans wusste nicht, wo er war, denn es war ihm nicht möglich die Augen zu öffnen, aber er hatte so ein schlimmes Gefühl, dass ihm auf Anhieb schlecht wurde. jedenfalls dachte er das, denn als er sich bewegen wollte, ging es nicht. Er war frei, das fühlte er, doch es war ihm nicht möglich, auch nur die kleinste Bewegung auszuführen. Ein seltsames Gefühl von Angst überkam ihn. Mit einem leichten Kratzen wurde er geweckt und dann erkannte er endlich, wo er war, denn er bekam plötzlich ein scharfes und deutliches Bild, aber es gefiel ihm nicht. Er befand sich im Waldesteil, den er schon so lange gefürchtet hatte und blickte direkt auf ein paar der Bäume, die immer noch nach ihm zu greifen schienen, aber ihr Tun eingesehen hatten und sich entfernten. So verwirrend konnte er es erklären, denn seine Logik versagte. Das war schon merkwürdig, dachte er, denn er sah die Bäume aus einer anderen Höhe, als seiner eigenen. Er stand also nicht aufrecht, doch liegen tat er auch nicht, denn er blickte ja nicht in den Himmel hinauf, sondern eher hinab auf den Boden. Sein Blick wanderte herum und als er sich umsah erkannte er rechts und links von sich und sogar über sich Äste, die mit häßlichen Klauen in den Himmel und zu den anderen Bäumen griffen, versuchten, einen Kontakt zu erstellen. Was soll das, dachte er verzweifelt, und als er stark nach unten sah, entdeckte er das junge Gesicht eines Wanderers, der an einem Baum kratzte und sich wunderte, dass nur ein bißchen Staub abfiel. „Come now, Allen. It’s getting late.“, rief eine junge und attraktive Frau, wahrscheinlich seine Freundin, und er entfernte sich von dem Baum, ging zu ihr und gab ihr einen kurzen Kuss auf die Lippen. „You’re right.“, sagte er in einem lässigen, amerikanischen Englisch und sie entfernten sich wieder, gingen in die Richtung, wo der See lag. Wo lauter komischer Sachen passiert sind und die ihm jetzt wieder einfielen. Der stille See, die Friedlichkeit der Tiere und die wunderschöne Frau, deren Anblick ihn gefesselt hatte. Jetzt machte es Klick bei ihm und er sah sich noch einmal deutlich um. Nach rechts. Nach links. Nach oben. Nach unten. Äste. Stamm. Baumkrone. Furchen. Wurzeln. Boden mit Laub, der um ihn herum lag. Bäume neben ihm. Bäume hinter ihm und ihm gegenüber das gleiche Bild. Da begriff er, was geschehen war und mit einem lauten Schluchzen, nicht hörbar für alle, außer ihm selber, war er verdammt für die Ewigkeit. Verdammt dazu, auf alle Zeit im schrecklichsten Teil des Waldes zu verweilen. Das zu sein, wovor er sich sein Leben lang gefürchtet hatte. Ein Baum der toten Seelen. THE END Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)