Goldschimmer von abgemeldet ================================================================================ Prolog ------ Die hell leuchtende Sonne brannte erbarmungslos auf die kleine Hafenstadt Port Royals nieder. In der Stadtmitte herrschte trotz erhöhter Temperaturen reges Treiben und die Händler verkauften die prächtigsten Waren aus fernen Ländern. Frisches Brot und Gebäck behangen die Straßen mit einem angenehmen Duft und farbenprächtiges Gemüse veranlasste die Bürger dazu, länger an einem Stand zu verweilen wie beabsichtigt. Angeregt unterhielten man sich und tauschte untereinander die neusten Geschichten und Neuigkeiten aus. Unter vorgehaltener Hand wurde erzählt „ein Pirat wurde heute wieder gehängt, habt Ihr es mitbekommen?“ oder Spekulationen wurden angestellt ‚Port Royal ist ein Treffpunkt für Piraten! Hört auf mich, wir sind hier nicht mehr lange sicher!“ Bestätigendes Nicken ging durch die Runde und jede Mutter nahm ihr Kind fester bei der Hand, aus Angst, wenn sie sich einmal wegdrehte, es sich vielleicht bereits in der Gefangenschaft eines Piraten befand. Mitten in dem Menschengewimmel bewegte sich elegant und unauffällig ein Mädchen. Ihre langen, dunkelbraunen, gelockten Haare fielen ihr bei jedem Schritt ins Gesicht und verdeckten ihre ebenso braunen Augen. Ihre Aufmerksamkeit galt den Marktfrauen und den Käufern bei ihren Worten und Ansichten über Piraten. Jenn musste dabei schmunzeln. Nicht jeder Pirat war blutrünstig und gierig. Ihrer Ansicht nach wurden sie oft nur missverstanden. Doch sie konnte auch die Angst verstehen, die bei der Bevölkerung ihren Wandel machte. Zu viele Morde waren in der letzten Zeit geschehen, zu viele Piraten wurden dabei in Verbindung gebracht und, für ihren Geschmack, wurden zuviel Menschen in der letzten Zeit gehängt. Jenn seufzte. Wann würden die Menschen endlich aufhören jemanden nach ihrem Aussehen oder ihrem Ruf zu beurteilen? ‚Ich vermute nie’, befürchtete sie in Gedanken und beschleunigte ihre Schritte. Nach einer kurzen Weile blieb sie vor einem Schaufenster stehen, in welchem sich eine große Anzahl an Büchern befand. Jenn lächelte. Sie war an ihrem Ziel angekommen. Sie spürte bereits die Vorfreude, die in ihr Aufstieg und öffnete mit Schwung die Ladentüre. Eine kleine Klingel, welche am oberen Ende der Türe befestigt war, kündigte sie beim Ladenbesitzer an. Ein etwas dicklicher Herr kam hinter den Bücherregalen hervor und ging freudenstrahlend auf sie zu. Sie erwiderte das Lächeln. „Ah, Miss Tails. Schön Euch zu sehen. Was kann ich dieses Mal für Euch tun?“ Mister Mathews kannte sie und ihre Familie schon seit vielen Jahren. Sie kam mindestens einmal in der Woche in seinen Laden, brachte ein ausgeliehenes Buch zurück und lieh sich im gleichen Zuge ein Neues aus. Mister Mathew schätze Jenn sehr und sie war daher die einzigste Kundin, die sich die Bücher ausleihen durfte, anstatt sie kaufen zu müssen. „Guten Tag Mister Mathews. Ich möchte Ihnen gerne dieses Buch wieder zurückgeben. Ich habe es ausgelesen und es hat mich nicht enttäuscht. Es war genauso spannend wie Ihr es beschrieben habt.“ Sie streckte ihm das Buch entgegen und lächelte ihn an. Herr Mathew lachte laut auf und nahm ihr das Buch ab um es wieder ins Regal zu stellen. „Miss Tails, wenn Ihr so weiter macht, dann gibt es bald in ganz Port Royal kein Buch mehr, welches ich Euch ausleihen könnte.“ „Oh Mister Mathews, sagt so etwas doch nicht! Es gibt für mich nichts Schöneres, als in einem ihrer Bücher lesen zu können um den Alltag zu vergessen.“ Ein Seufzer entdrang ihrem Mund. „Oh Miss Tails! Sagt bloß Ihr habt irgendwelchen Kummer?“ Bei der Sorge in seiner Stimme musste Jenn wieder schmunzeln. Der Buchhändler hatte Jenn schon immer gern gesehen und wenn sie sich nicht täuschte, glaubte sie manchmal ein leichter Anflug von Verliebtheit in seiner Stimme rauszuhören. Aber vielleicht täuschte sie sich auch? „Nein, Nein Mister Mathews. Macht Euch keine Sorgen. Aber manchmal ist es nun mal nicht einfach die Tochter des Gouverneurs zu sein. Da hat man eben viele Verpflichtungen.“ Innerlich seufzte sie erneut. Wie oft hatte sie sich schon gewünscht, die Tochter eines einfachen Schmieds oder Schuhmachers zu sein und nicht die eines Gouverneurs, welcher die gleichen Anforderungen an seine Tochter stellte, die das Volk an ihn hatte. Mister Mathews bemerkte die leichte Trauer in ihrer Stimme und empfand es für das Beste, nicht weiteres darauf einzugehen. Schnell lies er sich etwas einfallen, um sie wieder auf andere Gedanken zu bringen. „Lasst mich raten, Miss Tails, es darf wieder ein Buch über Piraten sein?“ Sie lächelte ihn leicht beschämt an und Mister Mathews wusste bereits ihre Antwort. Er verließ den kleinen Vorraum und verschwand hinter einer riesigen Bücherwand. Sie vernahm nur noch seine dumpfe Stimme, während er die alte, klapprige Treppe zum Regal hinaufstieg. „Eure Eltern haben wohl immer noch nichts bemerkt nehme ich an?“ Sie schaute sich gerade die Bücher in den Regalen durch, als sie ihm nach hinten rief. „Nein, Ihr wisst doch wie meine Eltern sind.“ Mit ihren Fingern strich sie verträumt über die staubigen Bücherrücken und atmete tief ein. Sie liebte den modrigen Geruch von alten Büchern. „Das Buch muss dem Bildungsstandard meiner Eltern entsprechen. Und wenn dies nicht der Fall ist ... Na ja ...“ Bei dem Gedanken an Ihre Eltern verdrehte Jenn leicht die Augen und lies von den Büchern ab. Ihre Eltern hatten noch nie ihre Leidenschaft für Piraterie geteilt. Sie fanden Piraten barbarisch und abstoßend. Genau wie die restlichen Leute in Port Royal. Nur dass ihr Vater der Gouverneur war und es daher Piraten noch mehr verachtete. Für ihn waren sie nicht nur barbarisch und unter seiner Würde, für ihn waren sie auch Lebemänner die nie ihrem Leben etwas von Regeln gehört hatten. Von Mitgefühl ganz zu schweigen. Doch gerade diese Eigenschaft faszinierte Jenn so sehr. Piraten waren frei und ungebunden. Wie gern wäre Jenn einmal in Ihrem Leben auf einem Piratenschiff mitgesegelt. Weit weg von Tanzbällen und Verabredungen und den ganzen steifen Bekanntschaften. Doch das würde wohl ewig ein Traum bleiben. „So, bitte schön, Miss Tails.“ Mister Mathews kam mit einem neuen Buch in der Hand auf Jenn zu und reichte es ihr. „Dieses Buch ist etwas ganz Besonders. Und wisst Ihr was? Ich schenke es Euch.“ Ihre Augen wurden groß als sie es in die Hand nahm. Es war schwer, aus dickstem Leder gebunden und die Seiten waren am Außenrand mit edlem Gold verziert. Bei jeder Bewegung schimmerte der fast schon seidige Seitenrücken. Fasziniert bewunderte sie seinen Verlauf. „Oh Mister Mathews, das kann ich nicht annehmen. Das ist doch viel zu wertvoll.“ Entsetzt starrte sie den Buchhändler an. „Doch das könnt Ihr. Ihr seid einer meiner besten Kunden. Wenn ich Euch nichts schenken kann, dann niemandem.“ Jenn starrte wieder auf das Geschenk in ihrer Hand. ‚Dann hatte ich doch recht!’ Sie konnte sich nicht erinnern, dass der Buchhändler schon jemals ein Buch verschenkt hatte. Sie stand wohl doch höher in seiner Gunst als sie dachte. „Was macht es denn so wertvoll?“ Interessiert blickte sie ihn wieder an doch dieser schenkte ihr ein letztes Zwinkern, verschwand wieder hinter den Regalen und ging wieder seiner gewohnten Arbeit nach. Freudestrahlend und das Buch fest an die Brust gepresst verließ Jenn den Laden. ‚Ich kann es kaum erwarten es zu lesen.’ Lächelnd betrachtete sie das Buch in Ihrer Hand und schlug den Weg in eine dunkle Gasse ein. Ihr Vater predigte ihr immer wieder, solche Wege zu meiden. „Zuviel Gesindel treibt sich in den Gassen herum Jenn! Merke dir das gut.’ waren stets seine Worte, wenn sie das Haus verließ. Doch Jenn war das an diesem Morgen egal. Sie wollte nur noch den schnellsten Weg nach Hause einschlagen, und endlich in Ruhe ihr neues Buch lesen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)