Heilloser Romantiker von Pansy ================================================================================ Kapitel 28: Kapitel 28 ---------------------- Kapitel 28 Die Luft fühlte sich schwer und lastend an, stand wie eine Mauer, die nicht überschritten werden wollte. Wie in Trance erhob sich Joe, gab den jungen Mann unter sich nach endlosen Stunden oder Minuten wieder preis, und schritt zum Fenster, um dieses zu öffnen. Ein frischer Wind stob ihm sogleich entgegen und legte sich wohltuend auf die warme Haut, die durch den kurz zuvor erlebten Traum, wohl eher Alptraum, erhitzt worden war. ’Nicht mal, wenn ich dazu gezwungen werden würde, würde ich dich derart berühren.’ Es waren nur Worte und doch von solch einem verletzenden Charakter, dass sie Joe selbst im Wachzustand fürchterlich fand. Rick hatte sie nie real von sich gegeben, sie nie in den Mund genommen und doch fühlte Joe diese Worte richtiggehend auf seinem Körper, als ob sie in seine Haut graviert worden wären. Groben, schwarzen Linien gleich, die sich nicht entfernen ließen, selbst wenn man es wie verrückt versuchen würde. Wie in Zeitlupe drehte er sich in Richtung seines Freundes und trug dabei einen bitterlichen Ausdruck in den Augen. ’Komme mir nicht zu nah, sonst spürst du meine Faust’ Noch solch ein irremachender Satz. Steif ging der Blonde auf Rick zu und sah ihn ernst an. Nach wenigen Sekunden schon senkte er den Blick und horchte auf das stetige Klopfen seines Herzens. „Du kanntest den Mann, habe ich Recht?“ Seine Frage war eher rhetorischer Natur und doch schien er eine Antwort zu wollen. Fest kniff er seine Augen zusammen und konzentrierte sich auf das leise Atmen von Rick. Das schwache Hauchen war irgendwie beruhigend, wenn auch nicht tröstlich genug, um über die Enttäuschung hinwegsehen zu können, die ihn tief getroffen hatte, als er die Szene zwischen Rick und diesem Fremden erblickt hatte. Rick indes hätte sich am liebsten unter der Decke verkrochen, noch zu real war für ihn der ungewollte Kuss von dem Schwarzhaarigen, den er aus seinem Gedächtnis verbannt gehabt hatte. Leider waren Erinnerungen nicht gänzlich auslöschbar und kehrten immer dann zurück, wenn man sie am wenigsten gebrauchen konnte. Endlich hatte er zu seinen Gefühlen stehen können und an eine positive Wendung in seinem Leben geglaubt. Wieso passierten immer dann schreckliche Dinge, wenn man nach langer Zeit endlich einmal wieder hätte glücklich werden können? Der fahle Geschmack in seinem Mund war einfach jedwedes Glücksgefühls beraubt; der Empfindungen, die der Dunkelhaarige ersehnt hatte. Ja, er hatte dies bereits einmal durchlebt und war dank Amelia darüber hinweggekommen. Zumindest hatte er die erste Begegnung erfolgreich verdrängen können, so dass er Joe nie davon in Kenntnis gesetzt hatte. „Leider“, erwiderte er bedrückt. Er hoffte sehr, dass Joe nicht weiter nachhaken und das Thema auf sich beruhen lassen würde. Zu schrecklich war die ganze Situation bereits jetzt und er wollte nicht noch mehr Schmerzen erfahren. Sein kleines Herz hat doch schon so viel mitgemacht, ist es denn nicht irgendwann genug? „Und das nennst du Vertrauen?“ Joes Stimme war nicht einmal vorwurfsvoll, hörte sich vielmehr betrübt an, ja traurig. Rick hob den Blick an und betrachtete seinen Freund, der mit geschlossenen Augen vor dem Bett stand und sich nicht regte. Seine Arme lagen verschränkt vor seiner Brust, die sich kaum merklich hob und senkte. Fast leblos wirkte die Gestalt neben ihm, was ihn zusätzlich bekümmerte. „Ich hatte ihn aus meinem Gedächtnis gelöscht“, meinte Rick verdrossen, wollte es nicht wie eine Verteidigung klingen lassen, doch es kam wohl bei Joe so an, denn er krallte auf einmal seine Finger in die Oberarme. /Nicht doch!/, schrie es in Rick, der eine Hand nach seinem Freund ausstreckte, sie aber, bevor er ihn berühren konnte, wieder auf die Bettdecke sinken ließ. „Ich glaubte einmal, dass du keine Geheimnisse vor mir hättest.“ Betreten zupfte der Dunkelhaarige an der Decke und wandte sein Gesicht ab, sein Blick wurde sowieso nicht erwidert. Er wollte Joe küssen, um ihm zu zeigen, dass er ihn doch liebte und ihm nie etwas Böses wollte, tat es aber nicht. Und nun wurde ihm verdeutlicht, dass er den blonden jungen Mann verärgert hat. Hat denn nicht jeder irgendein Geheimnis? Hat man denn nicht einfach mal zu viel Angst, mit jemandem darüber zu reden? „Einmal habe ich dir von ihm erzählt“, meinte Rick nach einer ganzen Weile der Stille. Joe sagte nichts, vergrub sich stattdessen weiterhin hinter geschlossene Lider. „Das ist der Mann, der mich damals im Café verwirrte… Joe, bitte, ignoriere mich nicht länger auf die Art, denn das tut-“ „Weh? Wolltest du das sagen?“ Plötzlich hatte der Größere seine Starre aufgegeben und funkelte Rick nun wütend an. „Weißt du, wie es ist, von anderen als dir selbst zu erfahren, dass du schwul bist? Hast du eine Ahnung, wie es ist, herauszufinden, dass du mich seit Jahren liebst, ohne mir ein Sterbenswörtchen davon jemals gesagt zu haben? Ich scheine dich überaus verletzt zu haben, weil ich das nie gewusst hatte! Immerzu schwärmte und redete ich von Mädchen, traf mich mit ihnen, und du? Du bliebst in deiner Wohnung und hast mir wohl jede meiner Verabredungen insgeheim missgönnt!“ „Joe, nein, ich…“ Zu mehr Worten kam der Kleinere nicht, denn Joe drückte ihn zurück aufs Kissen und stemmte seine Hände zu beiden Seiten seines Kopfes auf den Stoff, kam mit seinem Gesicht gefährlich nahe. Zu sehr fühlte sich Rick an die Situation mit dem Kerl mit der rauen Stimme erinnert und sein Körper erzitterte gegen seinen Willen. Er wollte keine Ablehnung gegenüber Joe zeigen und doch wehrte sich alles in ihm gegen diese unmittelbare Nähe. „Hat er dich schon einmal geküsst?“, fragte der Blonde todernst und durchbohrte Rick mit seinem Blick. Der Dunkelhaarige schluckte, wollte dem Blick des anderen ausweichen, doch brachte es nicht fertig, entweder seine Lider zu schließen oder woanders hinzusehen. Er erkannte Enttäuschung, Wut, Trauer und noch vieles mehr in den grünen Seen, die sich vor ihm auftaten und ihn zu verschlingen drohten. Wie klein er sich doch in diesem Moment vorkam. So hilflos und unnütz. Nicht einmal eine Person auf dieser Welt vermochte er glücklich zu machen. Er wollte ihm keine Floskeln erwidern wie ’Es tut mir leid’ oder ’Entschuldige’, obwohl er sie wirklich so gemeint hätte. Worte schienen viel zu banal zu sein und doch waren sie das einzige Mittel, was ihm zur Verfügung stand. Erneut war er versucht, Joe zu berühren, mit einer Hand über seine Wange zu fahren, ihm seine Zuneigung zu bekunden, aber der direkte Körperkontakt behagte ihm immer noch nicht. „Wie konnte ich nur so dumm sein…“, setzte Joe an und wartete damit nicht länger auf eine Antwort, denn die konnte sich Rick sparen, zu genau kannte er ihn, so dass er wusste, dass ein ’Ja’ folgen würde. Mit gepressten Lippen visierte er seinen Freund noch ein paar Sekunden an, bevor er sich wieder aufrichtete. /Gehe nicht!... Verdammt noch mal, bleibe bei mir…/ Seufzend packte Joe eine Jacke und ging zum Fenster, das immer noch offen stand. Er griff langsam nach der Klinke und drückte die Glasscheibe von hellem Holz umrahmt zu. Nach einem letzten Blick hinaus gen Himmel lief er in Richtung Tür und schlüpfte alsbald durch sie hindurch. Er verließ seine eigene Wohnung, in der Rick allein zurückblieb. Regungslos lag Rick da und versuchte zu verarbeiten, was ihm sein Freund an den Kopf geworfen hatte. Joes Stimme war nicht nur wütend gewesen, sondern hatte noch etwas sehr Entscheidendes in sich getragen: tiefe Enttäuschung. Selbst jetzt noch klangen die Laute nach und hallten von allen Seiten her wider. Die Wände wollten ihm nicht verzeihen und echoten unablässig Silbe für Silbe, beendeten das Leid nicht, das ihm damit zugefügt wurde. Ein Erdbeben hätte doch die Mauern zum Einsturz bringen können oder nicht? Weder konnte der Dunkelhaarige die Augen schließen noch war er mit offenen Lidern vor den schrecklichen Bildern gefeit, die wohl nicht vorhatten, sich in nächster Zeit in Luft aufzulösen. Resigniert entkrampfte er seine Finger und ließ das Laken los, das bereits kleine dunkle Flecken aufwies von dem Schweiß, der über seine Haut rann. Obwohl sich sein Herz eiskalt anfühlte, produzierte sein Körper eine Wärme, die fast schon fiebrigen Stößen glich. Eigentlich war es einfach nur grotesk und doch schaffte es Rick nicht, seinen Adrenalinausstoß zu regulieren. Kleine Perlen bahnten sich ihren Weg empor ans Licht durch die feinen Poren der Epidermis und bildeten schließlich einen feuchten Film, der seiner Aufgabe als Kühlungsfunktion völlig entsagte. Rick glaubte, die gesamte Oberfläche seines Körpers würde brennen und benötige schon einen ganzen Lastzug voller Wasser, um gelöscht zu werden. Trotz dessen vermochte er nicht aufzustehen, um sich eine kalte Dusche zu genehmigen, zu ohnmächtig war er ob der Fähigkeit, über seine Motorik zu herrschen. Kurze, intensive Atemstöße sandte er gen Decke, die sie gewiss nicht absorbierte. Alles um ihn herum verschwamm zunehmend und nur noch das Bild von dem Mann mit den schwarzen Haaren und dem markanten Gesicht blieb über, auf das Rick gerne verzichtet hätte. Die finsteren, kalten Augen stachen aus der vollkommen abschreckenden Szene heraus und wollten den Dunkelhaarigen förmlich durchlöchern. Wie gern wäre Rick ein Sieb gewesen, der die guten Erlebnisse von den schlechten filtern konnte und nur noch die positiven Seiten im Leben für die Zukunft bewahrte. Aber kein Mensch hatte diese Fähigkeit inne, niemand konnte alles Böse einfach auslöschen und auf das Paket ins Nichts ’Auf nimmer Wiedersehen’ schreiben. Es war schier unmöglich, sich aller Grausamkeiten, die einem widerfahren waren, zu entledigen. Die fremden, oder vielleicht mittlerweile vertrauten (?), Lippenpaare wollten den letzten ihn in bedenklicher Sicherheit wiegenden Abstand überwinden und sich erneut auf seine pressen. Selbst wenn dies nur einer Halluzination gleichgekommen wäre, konnte Rick das nicht über sich ergehen lassen. Hastig sprang er aus dem Bett und lief ziellos hin und her. Der weiche Teppich schmiegte sich bei jedem Schritt wohlig an seine Füße, wurde aber nicht wissentlich von dem aufgebrachten Wesen auf ihm wahrgenommen. Alles in Rick drehte sich. Er konnte und wollte nicht zulassen, dass er das abtörnendste und ekelerregendste Erlebnis für ihn überhaupt noch einmal durchleben musste. Nie wieder wollte er solch abstoßende Lippen auf den seinigen spüren! /Nie wieder!/ Dieser widerwärtige Kerl hatte ihm nichts als Qualen bereitet und war selbst jetzt noch dabei, ihm das Leben zur Hölle zu machen. Fast spürte Rick bereits die Flammen, die ihn umzingelten und nicht mehr gehen lassen wollten. Ja er gehörte in die Hölle! Er hatte Joe, seinen geliebten Joe, enttäuscht… Das war eine Sünde, keine kleine, nein, sondern die schwerste aller schweren. Sein geliebter Joe irrte womöglich nun draußen in der Kälte herum und hasste ihn vielleicht. Als Rick an das Wort ’Hass’ dachte, überfiel ihn ein Schauer, der sein Herz stocken ließ. Was war, wenn der Blonde ihn nun wirklich dafür hasste, dass er dieses unabkömmliche Erlebnis verschwiegen hatte? Wild schüttelte er sich. Allein das zu glauben, war schon unverzeihlich. Joe hatte so viel für ihn getan, so viele Stunden für ihn geopfert, er war sein bester Freund. Eine solch tiefe Freundschaft, die sie beide miteinander verband, konnte doch eine Lüge, wenn sie denn eine für den blonden jungen Mann war, aushalten. Oder etwa nicht? Er musste sich schleunigst etwas einfallen lassen, um eine Vergebung seitens Joes erbeten zu können. Unentwegt schoss Rick durch die Wohnung seines Freundes und hielt sich die Finger seiner Rechten an die Stirn. Es musste doch irgendetwas geben, was Joe besänftigen würde. Verdammt, irgendetwas! Dass er nun nur noch darüber nachdachte, wie er alles bei seinem Freund wieder gut machen konnte und dabei das markante Gesicht und die kalten Lippen einer bestimmten Person völlig vergaß, hätte er als Glück bezeichnen können, wenn er es denn gemerkt hätte. Viel zu sehr war er darauf versteift, eine zündende Idee in seinem wirren Hirn zu erhaschen, als dass er realisieren konnte, dass er auf dem besten Wege war, das an dem Nachmittag Erlebte erfolgreich zu verdrängen. Weiterhin hing die ungewollte Berührung wie eine dunkle Wolke über ihm, legte sein Gesicht in Schatten, das war unabdingbar, aber seine Gedanken kreisten nun nur noch um Joe. Joe, seiner großen Liebe, die er irgendwann wieder zärtlich in den Armen halten und küssen wollte. Träge hing Rick auf einem Stuhl und nahm das kleine technische Gerät, das vor ihm auf dem Tisch lag, nicht aus den Augen. Wie viele Nachrichten hatte er Joe bereits zukommen lassen? Fünf? Zehn? Hundert? Es waren jedenfalls sehr, sehr viele gewesen und auf keine einzige hatte der Blonde reagiert. Seit fast zwanzig Stunden war Joe bereits verschwunden und hatte nichts von sich hören lassen. Rick war immer noch in seiner Wohnung und hatte felsenfest daran geglaubt gehabt, dass sein Freund irgendwann in diese zurückkehrte; doch vergebens. Nicht mal einen Fuß hatte er in sie gesetzt. Kein noch so winziges Detail von ihm war hier wieder aufgetaucht. Mürbe stupste Rick sein Handy an, das partout nicht klingeln wollte. Allein die Übertragungsberichte hatten piepsend den Raum mit Leben gefüllt, unter den Lauten war aber nie eine erhoffte Meldung gewesen. Tränen wollten sich in die ausdruckslosen Augen von Rick mischen, wollten das Blau mit einem feinen Glanz überziehen, aber der Dunkelhaarige verzog den Mund und hieb kraftlos mit einer Faust auf den Tisch. „Jetzt weine ich nicht und basta!“, seufzte er entschlossen und resigniert zugleich vor sich hin. Wie er es auch immer bewerkstelligte, seine Augen blieben tatsächlich trocken und entsagten dem Funkeln, das die kleinen Perlen mit sich gebracht hätten. Anstatt sich dem Zeugnis der Trauer, die ihn gebrechlich machte, hinzugeben, biss er sich auf die Unterlippe, um überhaupt mal wieder seinen Körper zu spüren. Wie die ganze Zeit schon wandte er partout den Blick nicht von dem kleinen schwarzen Gerät ab. Wer weiß, vielleicht fängt es ja doch irgendwann an, sich zu bewegen und wenig später einen Ton von sich zu geben? Minute für Minute verstrich, in der der Raum sein Schweigen nicht brach. Nichts als das leise Summen des Kühlschranks war zu vernehmen. Rick hatte sich in die Küche geflüchtet, um wenigstens etwas in seiner Nähe zu haben, das ihn vielleicht einmal im Entferntesten aufbauen könnte. Bis jetzt hatten es weder die Herdplatten noch anderes Küchenequipment getan, aber solange eine Chance bestand, würde er dort nicht weichen. Gerne hätte er etwas gekocht, den wohligen Duft von köchelndem Gemüse und angebratenem Fleisch gerochen, aber für was sollte er Essen zubereiten, wenn keiner da war, der heimlich stiebitzte und dann mit einem kecken Lächeln und einem treuen Blick die Nascherei wieder wettmachte? Wie sehr Rick das ein wenig kantige und zugleich zuckerweiche Gesicht Joes doch fehlte. Bisher kam es nicht zu ihm zurück und das schmerzte gewaltig in seiner Brust. Müde stöhnte er und fuhr sich durchs dunkle Haar, erinnerte sich an Joes Hand, die das sonst so gerne tat. Was würde er dafür geben, ein weiteres Mal die Hand seines Freundes durch seine Haare wuscheln zu spüren… Eigentlich müsste er an diesem Tag mit strahlenden Augen durch die Gegend rennen, die Arme in der Luft herumschwingen und auf der Stelle auf und ab hüpfen. Normalerweise müsste er die Welt vor Glück umarmen und das Leben hoch in den Himmel preisen. Nichts von alle dem lag ihm auf dem Gemüt. Da hatte ihm Joe seine Liebe gestanden und er saß niedergeschlagen auf seinem Stuhl und hasste sich bald selbst. Ihm war weder nach Lachen noch nach kitschigem Im-siebten-Himmel-Schweben. Ich liebe dich. Das hatte er gesagt. Und nun war er weg und Rick wusste nicht, wann er wieder käme. Wenigstens musste er nicht arbeiten, da er von Joe am Vortag krank gemeldet worden war. Es blieben ihm also noch achtundvierzig Stunden, um in der Wohnung seines Freundes vor sich hin zu siechen und auf die Rückkehr des blonden Jünglings zu hoffen. Allmählich war er aber das tatenlose Herumsitzen leid, er wollte irgendwas tun, entweder um sich abzulenken oder seinen Geliebten zurückzuholen. /Wo magst du nur stecken? Bist du etwa zu deinen Eltern geflüchtet?/ Mit einem lauten Seufzer streckte er sich nach seinem Handy und öffnete sogleich seine Kontaktliste. Da stand ’Yera’ samt Telefonnummer und Rick zögerte, auf ’Wählen’ zu drücken. Lange sah er Joes Nachnamen an und überlegte sich, was er der Mutter von ihm, die todsicher ans Telefon gehen würde, sagen könnte. Irgendwann rang er sich dazu durch, die entsprechende Taste zu drücken und hörte alsbald das Tuten. Nicht mal drei Mal ertönte es, bevor sich eine hohe Frauenstimme meldete. „Yera.“ „Hallo Veronica, hier ist Rick.“ Obwohl er sie schon seit einer halben Ewigkeit duzen durfte, kam es ihm gerade ein wenig komisch vor, denn er hatte bestimmt seit einem Jahr nicht mehr mit ihr Kontakt gehabt. Er hatte des Öfteren von ihr eine Einladung über Joe erhalten, doch er war nie mit seinem Freund mit zurück in seinen Heimatort gefahren. Schließlich hatte er nicht gewollt, seinen eigenen Eltern zufällig über den Weg zu laufen. „Hallo, mein Junge. Das ist ja schön, mal wieder deine Stimme hören zu dürfen. Ich hoffe, dir geht es gut, ja?“ Gut??? /Schlecht, miserabel, jämmerlich!/ „Ja, danke der Nachfrage. Und selbst?“ „Unsere Rebecca ist vor drei Wochen ausgezogen und wir sind gerade am Renovieren, aber trotz all der Arbeit, die wir auch unter anderem wegen dem Umzug hatten, können wir uns bester Gesundheit erfreuen und das ist für uns das Wichtigste.“ Ein leichtes Lächeln schlich sich auf die Lippen des Dunkelhaarigen; es tat wahrlich gut, mit einer lieben Person zu reden. Er mochte Joes Mutter schon von Beginn an. Sie war ein guter Mensch und ihre ehrliche Freude über seinen Anruf nahm ihm ein wenig die Schwere vom Körper. „Dann wünsche ich euch weiterhin Wohlaufsein. Der Grund, warum ich anrufe, ist folgender.“ Kurz stockte er, fuhr aber dann sogleich fort, um Veronica keine Chance zu geben, ihn entweder zuzureden, wie sie es ab und an gern tat, oder ihn nach seinen eigenen Eltern zu fragen. „Ich würde gerne wissen, ob Joe bei euch ist.“ In der Leitung war es still. Nur noch leises Rauschen, kaum hörbar, war zu vernehmen. „Nein, er hat sich erst für den ersten Adventssonntag angekündigt“, drang dann doch die Stimme von Joes Mutter an Ricks Ohren, „und der lässt ja noch ein wenig auf sich warten. Tut mir leid, ich musste eben kurz nachdenken, wann er kommt.“ Irgendwie beruhigte der letzte Satz Rick, denn er hatte beinahe vermutet, Joe würde im Hintergrund mit Zeichensprache seiner Mutter deutlich machen, dass sie ihn anlügen solle. Doch der Dunkelhaarige war sich sicher, dass sie das gerade nicht getan hatte. „Rick, mein Junge, wir haben uns so lange nicht mehr gesehen. Ich möchte dich zwar nicht nötigen, aber begleite meinen Sohn doch dieses Mal. Jeff würde sich sicher auch über einen Besuch von dir freuen.“ „Danke für die Einladung, ich überleg’s mir, okay?“ Er konnte ihr keine Zusage erteilen, denn, wenn er dann doch nicht mitkommen würde, würde sie ihm das auf ewig übel nehmen. „Ach, warum hast du eigentlich gefragt, ob Joe hier sei?“ Zum Glück hatte er sich überlegt, was er auf diese Frage antworten würde, wenn sie ihm denn gestellt würde. „Ich stehe gerade vor seiner Wohnung, wollte ihn überraschen, doch auf mein Klingeln reagierte keiner. Er wird sicher bald auftauchen.“ So lässig wie möglich versuchte er zu klingen und hoffte inständig, Mrs. Yera würde ihm diese kleine Notlüge abnehmen. „Ja, da mache dir mal keine Gedanken. Dir würde er allemal Bescheid geben, wenn er vorhat wegzufahren.“ Wenn sie wüsste… „War wirklich nett, mit dir zu reden, doch ich habe hier frische Lebensmittel und die benötigen einen Kühlschrank. Und ja versprochen, ich überleg es mir“, fügte er noch schnell an, da er genau wusste, dass sie ihn sonst noch einmal darauf angesprochen hätte. „Passe auf dich auf und grüß mir Joe, wenn du ihn wieder siehst.“ „Mache ich, tschüs.“ „Auf bald.“ Es klickte und um Rick kehrte die nagende Stille zurück. WO STECKTE JOE? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)