Heilloser Romantiker von Pansy ================================================================================ Kapitel 24: Kapitel 24 ---------------------- Kapitel 24: Ein freundliches und aufrichtiges Lächeln empfing Rick von seinem besten Freund, als er sich endlich nach diesem umdrehte. Der bedeckte Himmel sandte ein paar Regentropfen zu ihnen hinab und einer landete auf Joes Stirn, den Rick behutsam mit seinem rechten Zeigefinger wegwischte, was ihm eigens und wohl auch Joe eine Gänsehaut bescherte. „Bin wach“, erwiderte der Dunkelhaarige und sah Joe dabei in die Augen, von denen er nicht mehr ablassen konnte. Joe bemühte sich sehr um seine Fassung und lächelte aufgrund dessen noch ein wenig breiter. „Rate mal, was ich für dich habe!“ Ricks Augen weiteten sich. Wie konnte Joe nur so lässig wirken, wenn sich sein Herz doch überschlug und er nichts anderes wollte als ihn küssen? „Keine Ahnung.“ „Versuch’s doch wenigstens einmal“, meinte Joe mit einem gespielten Schmollmund. /Du siehst gerade einfach zum Anbeißen aus… aber ich darf nicht… Halte dich im Zaum, Rick!/ Der Dunkelhaarige zitterte beinahe vor Anstrengung, nicht über Joe herzufallen. Der vorherige Abend hatte eine Mauer eingerissen, die er um sich errichtet hatte, um Joe, wenn er bei ihm war, nur als besten Freund zu sehen. So hatte er die Finger von ihm lassen können, so sehr es auch weh getan hatte. Doch nun? Nun hatte ihn der Blonde aus eigenem Antrieb geküsst… „Ein Spielzeugauto, damit ich nicht mehr heim laufen muss.“ Ricks Stimme war leise, denn er hatte eigentlich gar nicht die Macht über sie inne. Zu groß war das Verlangen in ihm, als dass er noch klar denken konnte. Den ganzen Tag schon hatte er an ihn gedacht gehabt und nun stand er vor ihm und durfte nicht berührt werden. Durfte nicht? Wie kam er eigentlich darauf, dass er nicht durfte? Rick hob eine Hand und näherte sie Joes Schulter, wollte sie auf sie legen und ihn dann an sich ziehen. Doch dazu kam es nicht, denn der Blonde ging einen Schritt zurück und wedelte plötzlich mit einer Tüte vor Ricks Gesicht herum. „Falsch, versuch’s noch mal.“ So rein gar keine Lust hatte Rick auf dieses Spielchen, doch er atmete tief ein und versuchte auf diesem Weg, wieder Herr über seine Sprache zu werden. „Eine Lichterkette.“ Verdutzt sah ihn Joe nun an. „Wie kommst du denn auf so was?“ „Naja, bald ist Weihnachten… und ich dachte, du möchtest vielleicht meine Wohnung ein wenig heimeliger gestalten.“ Rick spürte Joes Finger, wie er auf seine Stirn tippte. „Das können wir noch irgendwann nachholen, doch erst einmal ist dies hier dran.“ Erneut schwang er die rötliche Plastiktüte vor Ricks Augen hin und her. Rick griff nach ihr, aber im selben Moment zog Joe sie zurück. „Na na, doch nicht hier. Der Regen würde deinem Geschenk nicht unbedingt gut tun.“ „Joe, das ist kindisch“, entfuhr es Rick nun. Nicht weil er es so meinte, sondern weil er es vor Begierde nicht mehr aushielt. Joe war einfach zu anziehend, wenn er eine dermaßen lockere Art hatte. Und dieses Funkeln in den grünen Augen machte den Dunkelhaarigen ganz wirr. „Wen stört’s?“ „Keinen“, sagte Rick kleinlaut und trabte dann seinem Freund hinterher, der den Weg zu seiner Wohnung angesteuert hatte. „Wir gehen zu dir, weil ich keine Zeit zum Aufräumen hatte.“ Neckisch strahlte Joe Rick an, der nur nickte und keinen blassen Schimmer hatte, was Joe eigentlich gerade gesagt hatte. /Du wirkst niedergeschlagen, mein kleiner Romantiker. Was war heute auf der Arbeit nur los, dass du dermaßen bedrückt wirkst? Oder ist etwas anderes vorgefallen?/ Heimlich beobachtete Joe seinen Freund, während sie gemeinsam durch die Straßen liefen. Rick hatte seinen Blick fest auf den Boden gerichtet und schwieg pausenlos. /Ich weiß, wie schlimm der erste Arbeitstag nach einem erholsamen Urlaub sein kann, darum wollte ich dir doch den Abend versüßen und ich war auch noch so dumm zu glauben, ich sei dazu in der Lage…/ „Wohnungsschlüssel?“, fragte er den Dunkelhaarigen, nachdem sie bereits seit einer Minute vor der verschlossenen Tür standen. Verwirrt sah Rick auf. „Wo sind wir?“ „Bei dir, wo sonst?“ „Oh… ja.“ /Was ist der Grund für deine Lethargie?/ Sie traten ein und Joe begab sich sofort in die Küche, um Wasser für einen Tee aufzusetzen. Nichts lag ihm näher als Rick Gutes zu tun. Gerade als er zwei Tassen aus dem Schrank holen wollte, spürte er eine Hand auf seinem Rücken, was ihn in seiner Bewegung innehalten ließ. Er hielt die Luft an und wagte nicht, sich umzudrehen. „Was ist es nun?“, hauchte Rick beinahe Joe ins Ohr. Leichte Röte zierte seine Wangen, als er Rick nun doch ansah. „Zieh dein Hemd aus.“ Ricks Gesichtszüge entgleisten ein wenig. „Sonst kannst du dein Geschenk nicht anziehen“, fügte Joe hinzu, nicht nur um Rick die Spannung zu nehmen, sondern vor allem, um sich selbst ein wenig zu beruhigen. Langsam öffnete Rick die Knöpfe seines Hemdes, wobei Joe es nicht fertig brachte wegzusehen. Rick fixierte ihn und nahm ihn fest in den Blick. Das Herz des Größeren pochte zunehmend schneller und leichte Hitze machte sich in ihm breit. /Wie oft habe ich schon deinen bloßen Oberkörper gesehen und dabei keine Regung in mir gespürt. Aber heute… schlägt mir mein Herz bis zum Hals…/ Rick wollte das Hemd galant über seine Schultern gleiten lassen, doch zuckte mit einem Mal total zusammen. Mit zusammengekniffenen Augen und fest aufeinander gepressten Lippen verharrte er. „Rick?“ „Schon gut, habe mir wohl einen Nerv eingeklemmt.“ „So wie du ausschaust, scheint damit nicht zu spaßen zu sein.“ „Halb so wild“, keuchte der Kleinere ein wenig gequält und wandte sich von Joe ab. Der Größere legte seine Hände an den weißen Stoff und zog ihn vorsichtig von Rick. „Lege dich aufs Sofa, aber auf den Bauch.“ „Davon wird’s auch nicht besser“, meinte Rick gepresst und vermied nun jedweden Blickkontakt. Der Schmerz in seinem Rücken hatte die ganze Atmosphäre zerstört und er verfluchte ihn im Stillen. Er war sich sicher, dass Joe bald nicht mehr hätte umhin können ihn zu berühren. Und nun das! Laut aufstöhnend legte er sich aufs Sofa und hörte Joe zu, wie er Schränke und Türen auf- und wieder zumachte. /Mein Rücken hat alles zunichte gemacht…/ Die Dunkelheit legte sich allmählich über die Stadt und Rick lag nun im Halbdunkel auf dem hellblauen Sofa, fragte sich, womit er das verdient hatte. /Er hatte seine Augen nicht von mir nehmen können…/ Grummelnd ließ er einen Arm hinunter zum Boden baumeln, auf dem unerwartet ein paar Lichter tanzten. Irritiert sah er auf und erblickte zwei brennende Kerzen, die Joe auf dem Tisch neben ihm platzierte. Die gelb-orangenen Flammen wogen ein paar Mal hin und her, bis sie ihre Ruhe wieder fanden. „Es wird gleich ein wenig feucht werden, also erschrick nicht.“ Joes Stimme drang an Ricks Ohren und der Dunkelhaarige traute ihr kaum. Was hatte er vor? Plötzlich spürte er etwas Warmes auf seinem Rücken und er zuckte zusammen. „Ich habe dich vorgewarnt“, meinte Joe amüsiert. „Nicht den Kopf heben.“ Sachte drückte Joe das Haupt seines Freundes zurück auf den hellblauen Stoff. /Ich kann nur deine Silhouette sehen, wie sie sich als Schatten über mich beugt…/ „Es kann ein wenig weh tun, versuch’ einfach an was schönes zu denken, ja?“ Joe legte seine Hände auf Ricks Rücken und begann sie über die Haut kreisen zu lassen, von den Hüften hinauf bis zu den Schultern. Die warme zähe Flüssigkeit verteilte sich zunehmend über Ricks Körper und der Kleinere schloss die Augen /Deine Finger sind so weich… und sorgsam… / und verlor allmählich die Besinnung. Bevor Joe das Massieren begann, sah er auf die unter ihm liegende Gestalt. Der Kerzenschein auf Ricks Gesicht ließ ihn so unendlich friedlich erscheinen. Wenn jemand ein Engel auf Erden verkörperte, dann er und kein anderer. Sanft drückte er seine Finger auf die Haut des anderen und begann damit, sie fest von unten nach oben gleiten zu lassen. Als er knapp unter den Schulterblättern angelangt war, entwich dem niedlichen Bündel unter ihm ein knurrender Laut. „Stell dir vor, du fährst mit dem Tretboot über einen ruhigen See, der durch seine anmutende Landschaft, die ihn umgibt, Freiheit verkörpert“, flüsterte Joe Rick ins Ohr und fuhr dann mit seinen Händen fort, den Schmerz aus Rick heraus zu massieren. „Unendliche Weite des Himmels zu deiner Höhe,… tiefer Abgrund zu deinen Füßen… nichts als Ferne… von der Natur gegeben…“ Joe sprach immer weiter, wollte Rick auf die Art ablenken, damit das nun schmerzverzerrte Gesicht wieder sanft wurde. „Warmer Sonnenschein auf deiner gebräunten Haut… Lass dich im stimmungsvollen Meer treiben, das in diesem Moment nur dir gehört… dir ganz allein…“ Seine Hände kneteten unablässig die empfindliche Stelle auf Ricks Rücken… /… im stimmungsvollen Meer treiben… es umgibt mich von allen Seiten, birgt mich in seiner Mitte… / Ganz duselig war Rick mittlerweile geworden und vernahm Joes Stimme nur noch vage. Wie in Trance spürte er etwas Weiches seinen Rücken auf und ab fahren und sah einen großen See um sich, auf dem er gerade in einem Boot saß. /… eine kleine Strömung steuert mich auf eine saftig grüne Wiese zu, auf der mit Blüten behangene Bäume stehen… weiße Kirschblüten… die im sachten Wind hin und her wiegen… / Vor seinen Augen formte sich unter einem der Bäume eine Decke, auf der ein Picknickkorb stand. Langsam erschienen immer mehr Accessoires wie Kissen und ein Eiskühler. /… ich laufe auf die Decke zu und mache es mir auf ihr gemütlich, genieße die warmen Strahlen…/ „Und nun erscheint ein Hund neben dir, der auf das leckere Essen sabbert.“ Joe unterdrückte sich ein Lachen. Rick indes runzelte die Stirn und schlug die Augen auf. „Ähhh!“ Nun konnte sich Joe das Lachen nicht mehr verkneifen. Er nahm seine Hände vom Kleineren und lief vor Erheiterung ums Sofa herum. Verwirrt richtete sich Rick auf und sah seinen Freund pikiert an. „Das war eben einfach zu göttlich süß“, grinste Joe ihn an. Noch immer konnte Rick nicht ganz begreifen, was er eben erlebt hatte. Er spürte, wie sein ganzer Körper kribbelte und bemerkte nun die Kerzen und die kleine Schale, in der sich noch ein wenig zähe Flüssigkeit befand. Benommen dehnte er sich und das fühlte sich einfach nur gut an. „Hör’ auf zu lachen, damit ich dir danken kann.“ Mit einem kleinen Sprung setzte sich Joe neben Rick. „Dann mal los.“ „Danke.“ „War das alles?“ Nun zierte Ricks Lippen ein schelmisches Lächeln und er bettete seine Hände um Joes Wangen. „Ich danke dir aufrichtig“, hauchte er halb auf die Lippen des anderen. „Küss’ mich endlich!“, knurrte Joe erwartungsvoll. „Für eine Massage?“ Joe nickte. „Habe ich doch auch verdient, nicht?“ Ricks Lippen küssten flüchtig die von Joe. „Das war für deine Aufopferung. Und das, was jetzt kommt, ist für das, was du mir wert bist.“ Bestimmend presste er seinen Mund auf Joes und bat sogleich mit seiner Zunge um Einlass, den der andere trotz seiner Überwältigung nicht verwehrte. Schlag für Schlag pocht das Organ, Herz genannt, in der Brust. Ein Beben gleich einem Vulkan schon bei dem kleinsten Kuss. Laut keuchend ließen sie voneinander ab und rangen nach Luft, den der jeweils andere genommen hatte. „Geht doch“, grinste Joe und drückte Rick an sich, so dass dieser sein Gesicht in seine Halsbeuge betten konnte. Voller Glücksgefühl spürte er den warmen Atem seines besten Freundes. So sanft jedwede Berührung und doch begierig nach mehr, gleicht reinster Beglückung im Herzen so sehr. „Ich möchte nun gerne das Geschenk an dir sehen“, bat Joe leise. „Lass mir noch einen Moment…“ /Heißt das, dass ich dich nun immer unter meinen Lippen spüren darf?... Wenn dem so wäre, dann würde ich vor Glück weinen…/ Langsam löste sich Rick von seinem Freund. „Jetzt bin ich bereit.“ Joe erhob sich und suchte die Tüte, von der er nicht wirklich wusste, wo er sie abgestellt hatte. Nach kurzem Suchen drückte er sie dem Kleineren in die Hand. /Eigentlich schade, dass du gleich deinen Oberkörper wieder bedeckst, doch es ist besser so…/ „Der ist echt toll“, meinte Rick, als er den weißen Pullover mit blauen Streifen auf den Ärmeln vor sich hielt. Er stand auf und streifte sich ihn drüber. „Zum Glück passt er.“ Joe klopfte sich gedanklich auf die Schulter. Mit einem seligen Lächeln lief Rick um das Sofa herum und blieb vor dem Größeren stehen. „Gib zu, du willst dafür noch einen Kuss.“ „Naja, also, ich würde nicht nein-“ Und schon spürte er Ricks Lippen auf seinen und genießerisch fuhr er ihm über den weißen Strick, der sich tatsächlich eng an seine Haut schmiegte. „So sehr ich es bedauere“, hauchte er mitten im Kuss. „Ja?“, fragte Rick, als ihre Gesichter heiß glühend ein wenig Abstand voneinander hatten. „Ich werde nun gehen müssen.“ Schweigend nickte Rick. Er wollte Joe nicht schon wieder gehen lassen, sagte es ihm aber nicht und verharrte stattdessen stumm an Ort und Stelle. Mit seiner Rechten fuhr der Blonde Rick durchs Haar. „Morgen hole ich dich wieder ab.“ „Schlaf gut.“ Das war das einzige, was Rick seiner Kehle entlocken konnte. „Du auch“, er zog ihn noch mal an sich und küsste ihn auf die Stirn, „mein kleiner Romantiker.“ Während Rick allein auf dem Sofa lag und sich vom Fernseher berieseln ließ, schmolz er noch halb durch Joes letzte Berührungen dahin. Seine Lippen hatten sich ganz sachte auf seine Stirn gelegt gehabt, wodurch er die stärkste Gänsehaut seines bisherigen Lebens bekommen hatte. Auch jetzt noch kribbelte alles in ihm und sein Magen fühlte sich dermaßen belebt an, dass er rein gar nichts essen konnte. Wirklich gerne hätte er Joe festgehalten, so dass er nicht hätte gehen können, doch er hatte sich nicht getraut, ein solches Unternehmen auch nur annähernd durchzuziehen. Wie Joe reagiert hätte, konnte Rick lediglich erahnen. /Vermutlich hätte ich ihn zu etwas gezwungen, was er nicht wollte. Meine Finger hätte ich sicher nicht mehr unter Kontrolle gehabt, wenn er über Nacht hier geblieben wäre… Vor wenigen Wochen noch haben wir des Öfteren die Nächte miteinander verlebt, doch eben als beste Freunde… Da war ich noch völlig verzweifelt ob der festen Überzeugung, dass er niemals solche Gefühle für mich hegen könnte… Und nun küsst er mich mit einer Intensität, die mir wackelige Beine beschert und ich Gefahr laufe vor lauter Emotionen verrückt zu werden…/ Rick schaltete das Programm um und sah nun zwei Kinder, die einen Streich ausheckten. Mit einem Eimer Wasser in der einen und einem Kübel Farbe in der anderen Hand kletterten sie gerade eine Leiter hoch. Auf dem Gesicht des Dunkelhaarigen legte sich etwas Sehnsuchtsvolles. /Nur mit Müh und Not hatte deine Mom uns das mit den Käfern verziehen. Aber wir haben so einige verrückte Dinge angestellt und es war immer wieder schön, sie mit dir zusammen auszutüfteln und in die Tat umzusetzen… Da waren wir noch Kinder, die die Konsequenzen des Lebens noch nicht kannten und ihre Zeit einfach nur genossen. Nun sind wir erwachsen… zumindest sollten wir das sein…/ Mit dem Kopf auf einem Kissen suchte sich Rick erneut einen anderen Sender. Unzufrieden stellte er nach einer Weile den Fernseher ab und besah sich in dem spiegelnden Glas. Der weiße Strickpullover leuchtete förmlich auf dem schwarzen Hintergrund. /Wird die Zukunft uns weiterhin zusammenhalten?/ Joe war der Mensch, der Rick am Herzen lag. Er war der Halt in seinem Leben, seine positive Aura, sein Licht. Der Dunkelhaarige hatte niemals begriffen, warum sein Freund damals mit von zu Hause fort gegangen war, weshalb er für ihn alles stehen und liegen gelassen hatte. Waren die gelegentlichen Besuche bei seiner Familie denn überhaupt genug für ihn? Immer wenn er Joe darauf angesprochen hatte, hatte er ein Lächeln geschenkt bekommen und ein lässiges Schulterzucken. ’Es genügt doch, dass ich sie in meinem Herzen trage und sie einmal im Monat sehe.’ Eigentlich hatte Joe immer etwas in dieser Richtung gesagt und jedes Mal hatte Rick noch was erwidern wollen und war nie dazu gekommen, weil der Größere es nicht zugelassen hatte. Ja, Joe war immer bei ihm gewesen, hatte ihn aus dem Sumpf des Schmerzes zurückgeholt und dafür war Rick unendlich dankbar. Konnte er sich denn nun endlich einmal für alles, was er für ihn getan hatte, revanchieren? War die Zeit gekommen, in der e-r ihm zeigen konnte, wie schön das Leben sein konnte? Innig und wunderbar und rein, nie genüge, werde ihr gewahr, der tiefsten Liebe. /Ich möchte dich in eine Welt führen, in der ich dir zeigen kann, wie viel du mir bedeutest. Wenn du so weit bist, dann eröffnet sich mir die Möglichkeit, nicht nur ein ’Danke’ zu sagen, sondern dir deine Aufopferung in Form von Taten zurückzugeben./ Ein wenig verlegen biss sich Rick auf die Unterlippe und kämpfte gegen die Röte an, die sich partout auf seine Wangen legen wollte. Er liebte Joe und wollte ihm das unbedingt bald beweisen. Irgendwie wollte er sich von den heißen Wogen, die durch seinen Körper strömten, ablenken. Lesen würde ihm wohl heute nicht weiterhelfen, denn meist beinhalteten Bücher zu viel Romantik und diese würde nur das Gegenteil von dem bewirken, was er beabsichtigte. Joe hatte es geschafft, dass er glühend auf seinem Sofa saß und mit feurig glänzenden Augen Szenen durchlebte, wovon die meisten gewiss nicht mehr jugendfrei waren. Heftig schüttelte er sich. Es musste doch einen Weg geben, auf andere Gedanken zu kommen! Leise lachte Rick auf, denn ganz sicher war er sich nicht, ob er dies auch tatsächlich wollte. Denn es war auf gewisse Weise wunderschön, sich den Blonden keuchend im Bett vorzustellen, wie er sich wand und nach mehr bettelte. Es barg einen heimlichen Reiz in sich, der nach mehr verlangte. Sich räuspernd stand Rick auf und blies die Kerzen aus. Sie waren sowieso fast abgebrannt, aber so konnte er einen Teil des Abends hinter sich lassen. Eines Abends, den er niemals vergessen würde. Hingebungsvoll hob er die Arme über den Kopf und streckte sich nach allen Seiten. Sein Rücken fühlte sich völlig entspannt an, versetzte ihm keinen Stich mehr, unter dem man nur zusammenzucken konnte. „Mh, was mache ich denn nun?“, fragte er sich leise. Ein Blick auf die Uhr verriet, dass er noch ein Stündchen aufbleiben sollte, damit er nicht vor seinem Wecker am nächsten Morgen wach war. Er kannte das Bedürfnis seines Körpers nach Schlaf sehr gut. Mehr als sieben Stunden brauchte er einfach nicht, egal wie anstrengend oder aufregend der Tag gewesen sein mochte. Nur, wenn er zutiefst deprimiert war, konnte er ganztägig im Bett liegen und schlafen, aber das war er momentan nicht. Wie auch bei so vielen freudigen Empfindungen auf einmal. Selbstverständlich konnte alles noch besser werden, doch Rick befand, dass der Weg dorthin geebnet war. Er zog seinen neuen Pullover wieder dahin, wo er hingehörte, und hatte ihn bereits sehr lieb gewonnen. Ein Geschenk von Joe war für ihn mit das teuerste, was es auf der Welt gab. Dabei war es vollkommen gleich, was es gekostet oder ob er es auf dem Flohmarkt erstanden hatte. Ein Bild von einem Mädchen mischte sich mit einem Mal in seine Gedanken. Unverkennbar war es eines von Amelia. Das rundliche Gesicht und der blasse Teint waren ihm nach zwei Begegnungen vertraut genug, um sie zu identifizieren. Hin- und hergerissen zwischen Joe und Einsame Seele warf Rick einen Blick in den Kühlschrank. Viel befand sich nicht mehr darin und er entnahm auch nichts von den restlichen Lebensmitteln. Er schloss die Türe wieder und betrachtete sich ein Bild, das mit einem Magneten auf ihr hing. Es zeigte ihn und seinen besten Freund, als sie etwa zwölf Jahre alt waren. Joe hatte einen Arm um ihn gelegt und sie grinsten frech in die Kamera, im Hintergrund war seine Mutter zu sehen. Das war nun neun Jahre her. Eine lange Zeit, wenn man bedachte, dass er da noch in einer intakten Familie gelebt hatte. /Ob sie in den letzten Monaten jemals an mich gedacht haben? Kontakt haben sie niemals zu mir gesucht, kein Brief, kein Anruf, einfach nichts. Als ob ich niemals ihr Sohn gewesen wäre./ Schwer schluckte er und griff nach dem Foto, riss es grob unterm Magneten hervor und hielt es sich anschließend vors Gesicht. Sollte er ihnen dankbar sein, weil er durch sie realisiert hat, wie sehr Joe ihn mochte? Ohne jedwede Gegenleistung hatte er sich um ihn gekümmert, nie wollte er, dass der Dunkelhaarige ihm was schenkte oder sich sonstige Dankeschöns ausdachte. /Immer war er genügsam und stellte mich auf höchste Priorität. Erst nach den ersten Monaten ließ er zu, dass ich ihm eine Freude machen durfte. Ich kann heute noch sein strahlendes Gesicht vor mir sehen, in das ich mich sofort verliebt hätte, wenn ich es nicht bereits gewesen wäre… Oh Joe, du bist für mich die Welt und noch erahnst du dieses Ausmaß nicht…/ War er denn nun insgeheim seinen Eltern dafür dankbar, dass sie ihn des Hauses verwiesen hatten? – Bestimmt nicht! Solche Schmerzen, wie er erlitten hatte, wünschte er wirklich keinem auf dieser Welt. Nicht einmal dem Jungen aus seinem Abschlussjahr, der ihn, immer wenn es ging, beschimpft hatte. Selbst sein schlimmster Widersacher hatte solche Qualen nicht verdient. Rick verbarg das tiefe Blau vor dem Foto, das er krampfhaft in der Hand hielt. Er hätte es schon gerne einfach zerrissen, weil seine Mom darauf zu sehen war, doch in erster Linie zeigte es ja Joe. Und Joe konnte er nicht einfach in kleine Stücke reißen, das war strikt unmöglich. „Ein Wort von euch hätte schon gereicht…“ Kleine funkelnde Perlen sammelten sich unter seinen geschlossenen Lidern und er kniff deshalb seine Augen fester zusammen. Er war doch darüber hinweg,… oder doch nicht? Jetzt hatte er doch Joe näher bei sich, war das denn nicht genug? Selbst der beste Freund vermochte es nicht, die leiblichen Eltern zu ersetzen. Neunzehn schöne Jahre konnte man nicht dauerhaft hinter sich lassen. Sie hinterließen Spuren, die nun durch die neuen gewaltigen Emotionen wieder tiefer wurden. Nichts in Rick wollte die alten Erfahrungen zurück ins Gedächtnis rufen und doch dachte er nun immer stärker an seinen Vater, mit dem er die Hütte im Garten gebaut hatte, mit dem er unterm Weihnachtsbaum Lieder gesungen hatte. All das war Jahre her und damit Vergangenheit. Eine Vergangenheit, die keiner für ihn zurückholen konnte. „Ich möchte nicht an sie denken!“, schrie Rick seinen Kühlschrank an und ergoss dabei kleine Tropfen salziges Nass, deren er überdrüssig war. So oft hatte er schon wegen seinen Eltern geweint und er hatte sich geschworen, dies nicht mehr zu tun. Und nun konnte er sich dennoch nicht gegen die Tränen wehren. „Lasst mich endlich in Ruhe…“, seufzte er und wurde dabei von niemandem erhört. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)