Heilloser Romantiker von Pansy ================================================================================ Kapitel 21: Kapitel 21 ---------------------- Kapitel 21 /Ich habe Rick geküsst… ich habe ihn wirklich geküsst… Wie konnte ich nur!... und doch fühlte es sich gut an… Aber es war falsch!!!/ Unruhig lief Joe in seinem Zimmer auf und ab, konnte an nichts anderes mehr denken als an den Kuss, daran, wie seine Lippen die von Rick berührten, wie die Hitze in ihm aufstieg und seinen Verstand vernebelte. Hatte er in dem Moment in der Tat nur ihn gewollt? Seufzend bestätigte er nickend seinen Gedanken und erschrak dabei. So viele Jahre waren sie beste Freunde, seit etwa zwei Jahren wusste er von Ricks Homosexualität, was ihn nie gestört hatte, doch nie hatte er ihn als mehr angesehen. Klar, er war ihm immer äußerst wichtig gewesen, er war ein fester Bestandteil seines Lebens, er hatte viel für ihn getan, hatte noch mehr von ihm zurückbekommen, doch nun? Seit Tagen hatte er schon mit dem Gedanken gekämpft, selbst dasselbe Geschlecht anziehend zu finden, immer wieder hatte er sich dagegen strikt gewehrt, sich in Julias Arme geflüchtet, doch immer wenn er an Rick dachte, was ziemlich oft war, um ehrlich zu sein, ständig, brach die Mauer, die er um diesen Gedanken errichten wollte, ein. Er hatte sich vorgestellt, wie es ist, in Ricks Armen zu liegen, in denen eines Mannes, in denen seines besten Freundes… auch jetzt noch erschauerte er bei dieser Vorstellung. /Hatte Rick den Kuss erwidert?... Ich weiß es nicht… zu sehr war ich mit meiner Begierde nach ihm beschäftigt und mit dem Zwang, mich zusammenzureißen, um nicht noch mehr über ihn herzufallen… Oh Gott, ich habe jedwede Selbstbeherrschung verloren!/ Er wollte sich setzen, da seine Füße schon schmerzten, doch mehr als eine Sekunde hielt er es auf dem hölzernen Stuhl nicht aus. Aufgewühlt setzte er weiterhin einen Fuß vor den anderen, fand innerlich absolut keine Ruhe. Sein Herz pochte, sein Körper bebte und er glaubte, den Verstand zu verlieren. Was hatte der Dunkelhaarige nur mit ihm angestellt? Er dachte an die Nacht, in der Rick ihm sehr nahe gekommen war, wie er halb betrunken ihn anscheinend hatte küssen wollen. /Das war doch alles nur, weil er nicht wusste, was er tat!/ Immer mehr Bilder von Rick kreisten in seinem Kopf, sie wirbelten umher, bis er versuchte, dem mit beiden Händen an den Schläfen Einhalt zu gebieten. /Womöglich habe ich damit unsere Freundschaft aufs Spiel gesetzt… Ich bin ein verdammter Vollidiot… Warum konnte ich mich nicht zügeln?... Rick ist mein bester Freund und wenn er nicht dasselbe gefühlt hat wie ich, dann habe ich ihn mit meiner Aktion verschreckt… Ich bin doch echt ein Trampel!/ Abrupt bliebt Joe stehen und starrte aus dem Fenster. Ein kleiner Schwarm Vögel kreiste gerade über dem Baumwipfel der Kastanie im Garten der Nachbarn. „Ich darf das nie wieder tun!“, hauchte er entschlossen seinem Spiegelbild entgegen. Zunehmend fragte sich Joe, warum er überhaupt zu Rick gegangen war… ‚Joe, bitte komme zu mir, denn wir müssen reden…’ Der Inhalt der SMS hatte ihn völlig bedrückt und obwohl er ständig mit sich gehadert hatte, weil die ungewohnte Zuneigung zu Rick schwer auf seinem Herzen lastete, war er der Bitte nachgekommen. Nun, vielleicht hatte er sich deswegen dazu durchgerungen, weil er ihm erstens tagelang aus dem Weg gegangen war, jedweden Kontakt sogleich abgeblockt hatte, und weil er zweitens trotz aller Gefühlswirrungen in seiner Nähe hatte sein wollen. Und drittens, nicht zu vergessen, weil er sein bester Freund war und ihn nicht noch mehr abstoßen wollte. /Als er mich vorgestern besuchen wollte, habe ich ihm die Tür förmlich vor der Nase zugeknallt. Sein Anblick hatte mich einfach zutiefst erschüttert, denn mein Herz sagte in diesem Moment ’Da ist dein Glück, nimm es dir!’… doch wie hätte ich ihm das erklären sollen?... Nun habe ich es mir im Endeffekt doch genommen und es war… falsch!... So toll es sich auch anfühlte, es war… falsch…/ Es war zu spät, er hatte ihn geküsst, nach all den Jahren Freundschaft die innige Verbindung gefährdet. Leicht schlug er seinen Kopf gegen die Wand, spürte den gerechten Schmerz auf der Stirn. /Hätte ich ihn doch noch ein paar Tage mehr ignoriert, vielleicht hätte ich mich dann unter Kontrolle gebracht…/ Der Gedanke ließ ihn bitterlich grinsen, denn er war einfach absurd. Selbst ein ganzer Monat mehr hätte ihn nicht davon abgebracht, Ricks Lippen zu berühren. /Da war die knappe Woche schon zu lange… Erst weise ich ihn tagelang ab und dann falle ich mit der Tür ins Haus… Er denkt bestimmt, dass ich gefühllos und unsensibel bin… grrr, warum kann ich nicht einmal das Richtige tun!?/ Sein Handy piepste und Joe ahnte schon, dass Rick abermals um ein Treffen beten würde, was tatsächlich der gerade eingegangenen Nachricht entsprach. /Nun muss ich mich ihm erneut stellen… Können wir den Kuss nicht einfach vergessen?... Das könnte ich ja selbst nicht einmal…/ Er schmiss frisch gebügelte Kleidung achtlos in seinen Schrank. /Er hatte freiwillig diese dumme Annonce aufgegeben, quatsch, ich habe ihn dazu gedrängt, aber er hätte es ja dennoch nicht tun müssen… Er hätte sie doch nicht abgeschickt, wenn er mich lieb-/ Mit einem Mal riss Joe die Augen weit auf und verharrte starr mit Gewicht auf nur einem Bein. Er hatte gerade aus lauter Verzweiflung begonnen, sein Zimmer aufzuräumen und wollte ein Buch zurück ins Regal stellen, wofür er sich ziemlich strecken musste. Wie konnte er nur in Erwägung ziehen, Rick könnte in ihn verliebt sein? /Das ist mein Ende. Ich bin nun völlig irre… Das hätte ich doch gemerkt!/ Aufgeregt wuselte Rick in der Küche hin und her und schob die letzten Plätzchen in den Ofen, die er in akribischer Kleinarbeit ausgestochen hatte. Der erste Advent ließ zwar noch ein wenig auf sich warten, doch die Freude, dass Joe bald kommen würde, war zu groß, als dass er sich von der fixen Idee, jetzt schon Weihnachtsgebäck aufzutischen, abbringen konnte. Viele kleine Nikoläuse und Sterne und Tannenbäume und ja, ein paar Herzen, bekamen im Ofen bereits eine leicht goldbraune Färbung. Rick besah sich insbesondere die Herzen, während sie ein wenig aufquollen und damit rundlicher wurden. Seines spürte er schon wild im Brustkorb schlagen und Joes Abbild tauchte halbdurchsichtig vor ihm auf. Ein seliges Lächeln legte sich auf seine Lippen und als die Eieruhr schrillte, holte er vergnügt die herrlich duftenden Plätzchen heraus. Vorsichtig löste er sie vom Backpapier und ließ sie auf einen Teller gleiten. Die Herzen stapelte er alle nach oben, so dass sie auch ja den nötigen Respekt zugesprochen bekamen. Anschließend griff er nach einem der bereits abgekühlten Plätzchen und biss eine Ecke ab. Schließlich musste er kosten, was er gleich Joe auftischte. /Eigentlich isst er alles/, dachte Rick mit einem Schmunzeln auf den Lippen und an dem Glück in seinen Augen sah man, dass er seinem Freund bereits tausend Mal verziehen hatte, dass er sich nur mit Müh und Not wieder einmal hat blicken lassen. Was war schon eine Woche ohne ihn, wenn man im Gegenzug solch ein Geschenk des Himmels bekam? Gedankenfern fuhr er sich mit der Zunge über die Lippen… /Letztenendes ist er doch gekommen und hat mehr wieder gut gemacht, als er verbrochen hatte…/ Als es klingelte, hüpfte er auf der Stelle und rannte fast schon zur Tür. Doch bevor er aufmachte, atmete er einmal tief durch, um Herr seiner Emotionen zu werden, um nicht gleich über Joe herzufallen, wenn er ihn seit langen, wirklich langen vierzehn Stunden das erste Mal wieder erblickte. Nicht zu hastig öffnete er seinem Freund und strahlte ihn an, konnte seinen Mund einfach nicht mehr zubekommen. Joe erwiderte ein kleines Lächeln und dessen eher kalte Miene schnürte Rick die Kehle zu. „Komm’ doch rein“, sagte er bemüht lässig und deutete mit einer Handbewegung an, dass er in die Küche gehen solle. „Hey, na wie war dein Tag bis jetzt?“, fragte Joe locker und setzte sich dann auf einen der Stühle. „Sehr gut, habe gebacken.“ „Der Duft erfüllt deine ganze Wohnung. Darf ich?“ Joe hatte bereits das erste Plätzchen in der Hand. „Natürlich. Sind ja für dich.“ /Er tut so, als ob gestern nichts passiert wäre…/ „Joe?“, setzte Rick an und als er zusah, wie Joe den Keks in seiner Hand bewunderte und nicht von ihm abließ, verstummte er sogleich wieder. „Hast du gut geschlafen?“ Joes Stimme klang beiläufig und sein Interesse galt dem nächsten Plätzchen. „Wirklich gut.“ „Hast du Amelia mal wieder gesehen?“ Selbst diese Frage entbehrte jedweden Gefühls. „Stop. So nicht!“ Pikiert sah ihn Joe nun an. „Was ist los?“ „Du!“ Wieder widmete sich Joe den Leckereien und drehte eines davon zwischen seinen Fingern hin und her, hielt es gegen das Licht und spielte mit den Reflexionen, die es eigentlich gar nicht gab. „Erschüttert es dich so sehr, dass du tiefgehendere Gefühle als bloße Freundschaft für mich hast?“, meinte Rick leise und wandte sich dem Abspülberg zu, da er Joes Ignoranz nicht mehr länger ansehen konnte. Joe schluckte nur und ließ fast das Plätzchen aus der Hand fallen. Sein ganzer Körper verkrampfte sich und er dachte sofort daran, wie sich der Kuss zwischen ihnen beiden angefühlt hatte. Kurz schloss er die Augen und wiegte sich in den Wogen unvorstellbarer Gefühle. „Es war falsch, dich zu küssen.“ Aus Ricks Hand entglitt die Schüssel, in der er den Teig angerührt hatte und die nun polternd auf dem Boden aufschlug. „Du… findest also… dass ich ein Fehler bin?“ Joes Mund klappte auf und wieder zu. Der Schmerz in der Stimme seines Freundes versetzte ihm einen harten Stich und er wollte aufstehen, ihm durch die Haare wuscheln wie so oft, doch anstatt dem nachzukommen blieb er einfach nur sitzen und schwieg. Jede Silbe, die er sprechen wollte, blieb förmlich in seinem Halse stecken. In Rick stiegen Tränen auf, doch er wehrte sich partout gegen sie, wollte kein weiteres Zeugnis seines Schmerzes zulassen… wollte vor Joe nicht als verweichlichter Junge dastehen, der sich durch einen einzigen Kuss die größten Hoffnungen gemacht hatte. /Er soll nicht denken, dass ich naiv sei…/ Fast schon apathisch hob der Kleinere die Schüssel vom Boden auf und legte sie ins Spülwasser hinein, dessen heißer Dampf sofort eine feine Schicht auf seiner Haut bildete. Joe indes schluckte würgend den letzten Bissen hinunter und hatte wohl ein paar Brösel in die Luftröhre bekommen, denn er begann zu husten und beugte sich auf seinem Stuhl vornüber. Sofort wollte Rick zu ihm und leicht auf seinen Rücken klopfen oder ihm ein Glas Wasser bringen, doch beides unterließ er, gekränkt von der unberührten Art, die sein Freund an den Tag legte. /Ich bin in seinen Augen also ein Fehler…/ Leichter Groll stieg in Rick nun auf und mit lautem Scheppern reinigte er Geschirr und Besteck, bedachte Joe keines Blickes mehr und versteifte sich krampfhaft in seine Arbeit. Mit zusammengepressten Lippen schrubbte er unablässig an einem Messer, das sicherlich schon allem Schmutz entledigt war, doch er konnte nicht aufhören, immer wieder mit dem Lappen darüber zu reiben. Er fuhr auf und ab und auf und ab, bis er das Wasser sich rot färben sah. Mit einer hoch gezogenen Braue hielt er inne und tauchte die Hände aus dem Wasser. Tatsächlich quoll Blut aus dem Zeigefinger seiner Rechten und er besah sich den Schnitt, den er aus lauter Gedankenlosigkeit und Wut nicht einmal spürte. Erst nach und nach fühlte er das Ziehen, sah aber weiterhin nur dabei zu, wie sich rote Fäden ins Wasser spannen. „Zeig’ her“, sagte eine vertraute Stimme hinter ihm, die kaum Intensität in ihre Worte brachte. Vorsichtig griff Joe nach Ricks Hand und tupfte mit einem Tuch das Blut ab, war sorgfältig darauf bedacht, dem Kleineren nicht weh zu tun. Ricks Blick traf nur kurz den von Joe, doch die geringe Zeitspanne genügte, um sein Herz ungestümer schlagen zu lassen. Da dadurch aber sein Blut schneller in seinen Adern floss, drang es aus der Wunde wieder zunehmender heraus. „Bin gleich wieder da“, meinte Joe und drückte Rick das Tuch in die unversehrte Hand. /Sein Blick war eben total besorgt, richtig mitfühlend… du bringst mich um den Verstand, Joe…/ Der Blonde kehrte eilig wieder zurück mit dem kleinen Verbandskasten in der Hand, den Rick immer im Schrank im Bad aufbewahrte und bisher selten davon hatte Gebrauch nehmen müssen. Behände zog Joe Jod und Pflaster daraus hervor und nahm Ricks Hand wieder in seine, was dem Dunkelhaarigen eine Gänsehaut bereitete. Mit viel Rücksicht tupfte er noch einmal das Blut ab, träufelte ein wenig Jod darauf und klebte anschließend das Pflaster darüber. „Ich hoffe, dass das ausreicht.“ /Deine Stimme ist mit einem Mal so weich…/ „Danke“, erwiderte Rick und bemühte sich, seinen Freund dabei nicht anzusehen. „Du…“, hob der Größere erneut die Stimme an und zögerte noch einen kleinen Augenblick, weiterzusprechen, „… bist mir unendlich wichtig.“ Weiterhin vermied Rick Augenkontakt und wandte sich von Joe ab, um den Schmerz im Zaum zu halten, den dieser erzeugte. Er wollte sich nicht noch einmal auf ihn einlassen, wenn er es am Ende nicht ernst meinte. Zu sehr liebte er ihn, um solche Taten leichthin zu ertragen. Ihm bedeutete der Kuss der vergangenen Nacht eine Menge und wenn er für Joe nicht dasselbe bedeutete, dann würde er solche intimen Berührungen auch nicht mehr zulassen. Sanft schlossen sich die Finger des anderen um Ricks Kinn und zwangen ihn auf diese Weise dazu, ihn anzusehen. „Was spielst du für ein Spiel mit mir?“, presste Rick hervor und konnte die Tränen, die erneut aufstiegen, nur mühsam zurückhalten. Sie glänzten in seinen Augen, funkelten über dem Meeresblau wie Saphire im Regen. „Ich konnte nicht ertragen, wie du mit Amelia fort gegangen bist… Überhaupt schmerzte es mich, dich mit einer anderen Person zu sehen… Mir war dieses Gefühl fremd und es überkam mich so unerwartet, dass ich mich immer wieder dagegen wehrte…“ Mit jedem Wort wurde Ricks Blick sanfter und irgendwann legte er seine Linke auf eine von Joes Wangen, der unter der Berührung ein wenig zusammenzuckte, aber keine Gegenwehr offenbarte. Eher schien er sein Gesicht an Ricks Finger zu schmiegen. „Es hat mir Angst gemacht,… ich dachte, ich verliere dich…“ Joes Stimme war nur noch ein Flüstern, das aber laut an Ricks Ohren drang. „Du verlierst mich nicht“, erwiderte Rick nun doch unter Tränen. „Verzeih’ mir,… aber ich kann mich nicht länger zurückhalten.“ Ganz sachte küsste Joe Rick auf den Mund, nur kurz aber begehrend. „Dafür brauchst du nicht um Ablass bitten“, lächelte Rick und presste seine Lippen nun mit mehr Leidenschaft auf die von Joe. Zaghaft strich Joes Zunge über die Unterlippe des Kleineren, der seinen Mund etwas mehr öffnete und wenig später mit seiner Joes einfing. Ihre Zungen spielten miteinander, bis Rick irgendwann seine zurückzog, um den Kuss zu lösen. Er spürte die Verwirrung in Joes Gesichtszügen, doch ließ ihn nicht lange auf mehr warten. Sachte hauchte er Küsse auf seine Wange, tastete sich hinunter bis zum Hals und benetzte diesen anschließend mit kleinen, genießerischen Küssen, leckte mit der Zunge ab und an über die erhitzte Haut und schmeckte voller Wohlwollen den anderen. Joes Hände fuhren im Widerspiel durch Ricks Haare, übten sanften Druck aus und schoben den Kleineren näher an sich heran. Joe wollte seinen Freund überall an seinem Körper gleichzeitig spüren und er keuchte leise, als Rick eine sehr empfindliche Stelle traf. Ungewollt trat er im Anschluss einen Schritt zurück. Dabei wurde ihm aber klar, was er gerade tat und das ließ ihn noch einen Schritt zurückweichen. „Joe?“, fragte Rick verwirrt und besorgt zugleich. „Ich… Du…“ „Verstehe“, erwiderte Rick und lächelte seinem Freund aufmunternd zu. „Lasse dir ein wenig Zeit. An Neues muss man sich langsam herantasten.“ Joe runzelte die Stirn, war völlig durch den Wind und verstand zunächst Ricks Worte nicht, aber als es ihm dann doch dämmerte, nickte er leicht und bedankte sich mit einem flüchtigen Kuss auf Ricks Lippen. „Du bist mir wirklich unendlich wichtig“, flüsterte er und sah dabei Rick tief in die meerblauen Augen, die ihn verständnisvoll anblickten. „Ich weiß“, entgegnete der Dunkelhaarige und huschte dann an Joe vorbei. /Finde deinen Weg vollkommen frei zu mir. Egal, wie lange du dafür brauchst, ich warte,… bis du überzeugt sagen kannst, dass du mich auch wirklich möchtest…/ „Die ganze Woche über habe ich mich kein einziges Mal bei Amelia gemeldet“, begann Rick, als er sich aufs Sofa gekuschelt hatte. Er wollte einfach irgendetwas Unverfängliches sagen und damit die Spannung aus der Luft bannen, die dort viel zu viel Vibration verursachte. „Habe sie nicht einmal richtig nach Hause gebracht nach unserem Kinobesuch.“ „Das heißt, du hast keine Ahnung, wie es ihr geht?“, fragte Joe nach einer ganzen Weile bedacht und ließ sich dann mit ein wenig Abstand neben Rick nieder. „Keinen blassen Schimmer. Doch ich befürchte, dass sie sich wieder aus dem alltäglichen Leben zurückgezogen hat, sonst hätte sie mir sicherlich geschrieben.“ „Das tut mir leid.“ „Braucht es doch nicht, schließlich hätte ich selbst zu ihr Kontakt aufnehmen können.“ Ein ehrliches Lächeln lag auf seinen Lippen und er sah Joe dabei tief an. Als er jedoch registrierte, dass er seinen Freund erneut zu viel zumutete, senkte er seinen Blick wieder und betrachtete das Kissen, das mittlerweile auf seinen Beinen ruhte. „Statte ihr doch einfach mal einen Besuch ab“, schlug Joe vor und vermied ebenfalls, Rick weiter anzusehen, denn sein Herz hatte sich noch nicht wieder beruhigt und er wollte erst einmal einordnen können, was er tatsächlich tief in seinem Inneren empfand, bevor er mit Rick… Ein rötlicher Schimmer zierte plötzlich seinen Teint und er war wirklich sehr froh darüber, dass der Kleinere sich abgewandt hatte und ihm die Möglichkeit gab, zu begreifen, was eben geschehen war. „Sage mir, wo sie wohnt, dann gehe ich dem vielleicht nach“, erwiderte Rick. „Wenn ich das könnte, würde ich das ohne zu zögern tun.“ Joe fuhr sich durchs Haar und fixierte einen Punkt im spiegelnden Glas des Fernsehers. Verschwommen sah er sich und Rick darin, wollte sich das Bild aber nicht zu sehr einverleiben, so schön es auch war, sich und ihn zusammen zu sehen. Zu intensiv waren die Emotionen in ihm, als dass er ihnen blind vertrauen konnte. Rick hatte recht damit, dass er Zeit benötigte, um das neue Gefühl in ihm richtig einschätzen zu lernen. Ja, er wollte seit Tagen nichts anderes, als bei Rick sein und ihn küssen, ihn berühren, und doch war es ihm eben zu schnell gegangen. Als Rick angefangen hatte, an seinem Ohr zu lecken, hatte sein Körper seine Sinne tausendfach verstärkt, so dass er vollkommen erschrocken war und reflexartig Abstand gesucht hatte. „Sie wird das schon schaffen… hoffe ich…“ Rick klang überhaupt nicht mehr locker und strich mit den Fingern seiner Linken das Kissen auf und ab. „Bestimmt“, versuchte Joe Rick aufzumuntern und war einerseits versucht, ihm einen zärtlichen Kuss zu schenken, damit seine Augen wieder aufleuchteten, aber andererseits wollte er nicht erneut solch Nähe heraufbeschwören, da er so schon genug mit dem Chaos in ihm zu kämpfen hatte. „Übrigens wollte ich dir die Türe nicht vor der Nase zuknallen…“, flüsterte Joe und bemerkte erst, als er gesprochen hatte, dass er insgeheim Rick doch im Fernseher anstarrte. „Bereits verziehen“, meinte Rick und legte eine Hand auf eines von Joes Beinen, tat dies unbewusst und realisierte das erst in dem Moment, in dem Joe seine eigene darüber legte. „Ich war einfach ein vollkommener Schwachkopf-“, versuchte sich Joe weiter zu erklären, wurde aber durch zwei Finger auf seinen Lippen zum Schweigen gebracht. Sie sahen sich an und die Luft begann wieder um sie herum zu flimmern, Joes Magen verkrampfte sich ein wenig ob der blauen Tiefen, in die man weit hinab blicken konnte. „Lass’ die Vergangenheit diesbezüglich einfach ruhen, okay?“ „Okay“, würgte der Größere hervor und schloss dann die Augen, um den sanften Klang Ricks’ Stimme verinnerlichen und sich das Bild von diesem unsagbar anmutigen Gesicht auf ewig einprägen zu können. Rick lächelte beseelt, als er seinem Freund dabei zusah, wie er seine Lippen befeuchtete und in Gedanken wohl noch bei ihrem Kuss verweilte. Zwar hatte er seine grünen Seen vor ihm verschlossen, aber das störte ihn nicht. Vielmehr war er glücklich darüber, dass Joe nun hier neben ihm saß und die intime Berührung nicht abstoßend fand oder gänzlich verschreckt war. Es war für ihn ganz natürlich, dass Joe Zeit brauchte. Man konnte nun mal seine Angewohnheiten nicht einfach ablegen und sich in neue Abenteuer stürzen. Abenteuer? Was war das eigentlich, was sie zu solch Intimitäten verleitete? Für Rick war die Antwort eindeutig, er liebte Joe und würde dies auch immer tun, doch für Joe? Nachdem Rick einen Kuss in die Luft gehaucht hatte, ohne dass das Joe mitbekommen konnte, da er seiner Lider immer noch geschlossenen hatte, stand er ganz leise auf und schlich ins Nebenzimmer, lehnte hinter sich die Tür an, ließ sie aber nicht ins Schloss fallen. So lautlos wie möglich rollte er seinen Schreibtischstuhl zurück und ließ sich darauf nieder. Bevor Unentschlossenheit aufkommen konnte, schaltete er seinen Computer ein und drehte das Rad am Monitor nach ganz links, wollte, dass sein Rechner ebensowenig die Atmosphäre zerstören konnte, die einfach alles überstieg, was er bisher erlebt hatte. So sehr er aber auch in seinem Glück schwelgte, er durfte nicht vergessen, dass noch ein weiter Weg vor ihm lag. Ein Kuss war nur ein Anfang… ein Anstoß, der keine Sicherheit mit sich brachte… Die Kugel rollte, doch wohin vermochte keiner zu sagen. Zu leicht ließ sie sich zu Beginn von ihrer Bahn lenken… Das leise Summen des Computers besänftigte Rick ein wenig und er öffnete Outlook. Zu lange hatte er darauf gewartet, dass Amelia etwas von sich hören ließ. Manchmal sollte man einfach selbst die Initiative ergreifen und anderen nicht zum Vorwurf machen, dass sie sich nicht meldeten. Die Situation mit Joe hatte ihn nicht losgelassen, und selbst, wenn er schon vor der Tastatur gesessen hatte, hatte er dem Mädchen nicht schreiben können. All seine Gedanken hatten einzig bei seinem besten Freund verweilt und erst recht zu dem Zeitpunkt, wo er nach einem Spaziergang plötzlich vor seiner Wohnungstür gestanden hatte, und ihm kurz darauf der Eintritt verweigert worden war. Wie hatte er da Amelia schreiben können? Doch nun hatte sich einiges geändert… ’Hallo Amelia, ich bin mir durchaus bewusst, dass ich mich eine lange Zeit nicht bei dir gerührt habe. Als du mich angeschrieen hattest, hast du mich sehr erschreckt. Nein, ich bin dir überhaupt nicht böse deswegen. Ganz im Gegenteil. Irgendwie hat mir das die Augen geöffnet, erst sehr spät, aber ich glaube noch rechtzeitig.’ Rick hielt inne und horchte angestrengt. Als er Geräusche aus der Küche vernehmen konnte, begannen seine Augen zu leuchten, denn somit wusste er Joe wohlauf und das war das, was ihm das meiste auf der Welt bedeutete. ’Mein Licht ist zu mir zurückgekehrt und ich wünsche mir von Herzen, dass du das irgendwann auch von dir behaupten kannst. Ich glaube, dass es sich immer lohnt, wenn man kämpft, denn irgendeine positive Wendung kann dies stets mit sich bringen… Du magst vielleicht nun denken, dass ich leicht daherreden kann, und das könnte ich dir nicht einmal Übel nehmen. Mehr als einmal habe ich die Welt verflucht und wünschte mir vielleicht sogar, niemals geboren worden zu sein. Doch wenn man sein Leben mal aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, erkennt man, dass solche Wünsche völlig hohl, ja dumm sind und jedweder Rationalität entbehren. Man sollte manchmal einfach mit dem zufrieden sein, was man hat. Es ist verdammt schwer, das Gute zu sehen, doch es ist immer existent, nur verschließt man sich des Öfteren davor… Ich möchte dir keine Predigt halten, das liegt mir völlig fern, aber ich möchte dir auf diesem Wege mitteilen, dass du mir nicht egal bist. Schon deine erste Mail hatte mich tief berührt und jedes Wort von dir hinterlässt in mir Spuren, die ich nicht so einfach verwischen lassen möchte. Selbst wenn ich es wollen würde, könnte ich das nicht. Denn du hast es verdient, wieder glücklich zu werden, und wenn du möchtest, dann helfe ich dir dabei. Da ich dir gegenüber nichts leugnen möchte, muss ich dir gestehen, dass ich keine Ahnung habe, wie ich das umsetzen kann… Gezeichnet Rick’ Abwesend verrichtete Joe den Abwasch. Er musste seine Hände in irgendeiner Form beschäftigen und er befand, dass er dabei etwas Sinnvolles verrichten konnte. Ein wenig verschwommen sah das Küchenequipment in seinen Augen aus, aber er bemühte sich trotz seiner geistigen Abstinenz die Arbeit gründlich und gewissenhaft zu vollenden. Vorsorglich wischte er mit dem Lappen ein gutes Dutzend Mal über jeden Zentimeter des silbernen Topfes, der gerade im Spülbecken lag. /Bin ich denn wirklich so blind gewesen?... Rick machte mir den Anschein, dass er mich schon länger begehrte… Habe ich ihm dann die ganze Zeit über weh getan?/ Unbeachtet biss er auf der Spitze seiner Zunge herum, drückte seine Zähne immer wieder in das Fleisch hinein, aber nicht zu fest. /Ich habe nie geahnt, dass es so sein könnte… Für so unsensibel habe ich mich selbst nicht einmal gehalten, aber offenbar bin ich ein kalter Klotz, an dem alles abprallt. Ich muss das wieder gut machen!... Solch eine reine Seele darf nicht leiden, sie ist viel zu wertvoll…/ Kaum hatte Joe das letzte Besteck aus dem mittlerweile unansehnlichen Wasser gefischt, lehnte er sich gegen den Kühlschrank und sank mit dem Kopf gegen die kühle Tür. Rick war fest in seinem Herzen verschlossen, nicht erst seit jetzt, sondern schon seit langer Zeit. Nur kam nun noch ein weiteres Gefühl ihm gegenüber hinzu, das ihn total verwirrte. Es war ausgelöst worden, als er Rick in vertrauter Pose mit einem anderen Menschen gesehen hatte. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann musste er sich eingestehen, dass es entfacht worden war, als er Rick wegen Amelias erster Mail getröstet hatte. Ein fremdes Schicksal hatte seinen Freund berührt, nicht nur weil er an seine Vergangenheit erinnert worden war, sondern auch weil er mit dem Mädchen mitgefühlt hatte. Während er ihm Trost gespendet hatte, hatte er Eifersucht empfunden, nur ein wenig, aber bereits genug, um sich darüber zu wundern. Der Dunkelhaarige war für ihn die Vertrauensperson schlechthin, ein Ansprechpartner und ein sehr guter Freund. Er konnte mit ihm lachen und weinen, mit ihm verrückte Dinge tun. Er konnte bei ihm er selbst sein, musste sich nicht verstellen, Rick akzeptierte ihn so, wie er war. /Julia hat ständig die Augen verdreht, wenn ich von Essen sprach… ich dachte anfangs wirklich, dass aus uns was werden könne, doch schon nach dem ersten richtigen Date merkte ich, dass ich Eigenschaften habe, die ihr auf Dauer nicht zusagen würden. Entscheidender ist jedoch, dass mein Körper auf ihre Berührungen nicht in der Form reagierte, wie er es hätte tun müssen… Ich habe sie einfach nie geliebt…/ Liebte er denn insgeheim Rick? Unsicher zuckte Joe die Schultern, er konnte es nicht beantworten. Er dachte an ihn, er wünschte sich an seine Seite, er fühlte sich mehr als wohl in seiner Nähe, er bereute die Küsse in keinster Weise… und doch konnte er dieses neue Gefühl in seinem Herzen nicht einordnen. Behutsam räumte er das Geschirr auf und sah sich dann im Raum um, ließ seinen Blick über jedes Detail schweifen. Er sog jede noch so kleine Feinheit in sich auf, wollte alles, was zu Rick gehörte, für die Zukunft sichern, ob es nun die Fotos in der Vitrine waren oder nur die Teekanne, die neben silbrigen Dosen stand. Langsamen Schrittes begab er sich, als er alle Eindrücke gesammelt hatte, zum Arbeitszimmer, drückte lautlos die Tür einen Spalt breit auf. Rick saß vor seinem Computer und schien in irgendetwas vertieft zu sein. Joe wollte ihn nicht stören und zog daher die Tür wieder zu und ging zurück in die Küche, wo er einen gelben Zettel von einem kleinen Block ablöste und ’Bis bald, mein kleiner Romantiker’ darauf schrieb. Er legte ihn neben den Plätzchenteller, platzierte ihn so, dass ihn Rick auf alle Fälle sofort sehen würde. Dann griff er nach einem der Leckereien und lächelte das Herz in seiner Hand kurz an. Ohne viele Geräusche zu verursachen, schlüpfte er im Flur in seine Schuhe und zog kurz darauf die Haustür hinter sich zu. Auf dem Nachhauseweg hielt er sich das Plätzchen noch einmal vor Augen und dachte an den innigen Kuss, bis er letztendlich hineinbiss und genüsslich Ricks Werk seine Kehle hinunter gleiten ließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)