Strangers von NaokoSato ================================================================================ Kapitel 9: Konfrontationen -------------------------- Hallo! Also erstmal das Übliche: Alle meine. Ähnlichkeiten mit Lebenden, Toten, Orten und sonstigen Begebenheiten sind rein zufällig und keineswegs beabsichtigt. Das wäre das, und viel Spaß beim Lesen. Eure Naoko Konfrontationen Dominik „Sag mal, warum bist du eigentlich die ganze letzte Woche vor mir davon gelaufen?“ Victor saß am Küchentisch und beobachtete jeden meiner Handgriffe während ich Kaffee machte. Es war kurz nach zwölf Uhr mittags und wir gerade aufgestanden, meine Eltern waren über Nacht noch in Kopenhagen geblieben. Als ich ihn ansah, hatte er dieses Lächeln, das andere vielleicht nicht mal als solches erkannt hätten, und dem ich nicht widerstehen konnte. „Ich… ich bin nicht weggelaufen, und schon gar nicht vor dir“, antwortete ich und spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss. „Doch.“ Er hatte Recht, das wusste ich, aber das muss man ja nicht gleich laut sagen. „Und warum?“ „Ich… du… wusste nicht… Angst…“, stotterte ich vor mich hin und bevor ich mich wieder der Kaffeemaschine widmete, sah ich noch wie sein Lächeln etwas breiter wurde. „Du hattest Angst vor mir?“, fragte er leicht amüsiert. „Davon hab ich aber letzte Nacht nichts mitbekommen.“ „Na ja, nicht direkt vor dir…“ „Du hattest also quasi die gleiche Angst wie ich?!“ „Angst? Du?“ „Natürlich hatte ich Angst. Ich mag dich nicht erst seit gestern, hab aber nie was gesagt, aus Angst, du könntest mich zurückweisen. Ziemlich feige, ich weiß.“ Ich hörte, wie er seinen Stuhl zurückschob, dann zog er mich zu sich. „Und dann hast du mich zu Weihnachten geküsst, da hab ich mir doch glatt Hoffnungen gemacht. Aber du bist davon gerannt, hast mich nicht mal mehr angesehen, wo das doch eigentlich gar nichts war. Hat sich ganz schön scheiße angefühlt.“ „Tut mir Leid.“ Hinter mir zischte die Kaffeemaschine. „Jetzt hab ich dich ja, und lass dich nicht so schnell wieder gehen“, meinte er lächelnd und küsste mich. Und keine Sekunde später klingelte mein Handy auf dem Tisch. Das nenn ich Timing. „Du den Kaffee, ich das Telefon“, seufzte Victor und drehte sich wieder zum Tisch. Während ich den nach Tassen suchte, hörte ich Victor zu: „Ja? ... Ah, hallo….. danke, Ihnen auch……. verstehe…… nein, kein Problem……. nein, echt nicht…. Ja, bis dann.“ „Dein Kaffee, schwarz, ohne Zucker.“ „Danke.“ Lächelnd nahm Victor die Tasse entgegen und setzte sich. „Das waren übrigens deine Eltern, sie kommen erst heute Abend wieder.“ „Und wo lag das Problem?“ „Na ja, sie haben dreimal nachgefragt, ob das ein Problem für uns wäre.“ „Sie denken, wir kämen nicht ohne sie aus?“ „Offensichtlich.“ Er stellte seine Tasse hin und zog mich auf seinen Schoß. „Dabei gibt es viele schöne Sachen, die man am besten ohne Eltern macht.“ Meinte er grinsend und zog mein Gesicht zu seinem… Abends saßen wir dann auf dem Sofa und sahen fern, irgendwann sollte man eben auch mal entspannen… Aber da das Fernsehprogramm fast nur dänische Kanäle hergab, war das nebensächlich. Möglicherweise hätten wir ja doch lieber darauf achten sollen, denn… „Dominik… Victor…“ Die entsetzte Stimme riss uns regelrecht aus einem unserer Küsse. „Liebling, was ist denn los?“ Mein Vater kam ins Zimmer und sah völlig verwirrt zwischen uns und Mum hin und her, einen seiner Schuhe hatte er noch an. „Sie… die beiden… sie haben…“, stotterte meine Mutter und wurde immer blasser. „Wir haben uns geküsst“, erklärte Victor erschreckend cool, aber auch er wurde etwas rot. „Na, wenn es weiter nichts ist“, meinte mein Vater nur und ging wieder um sich den Schuh auszuziehen. Als er das Zimmer wieder betrat, starrten immer noch drei ziemlich verdatterte Augenpaare dorthin, wo er zuvor gestanden hatte, und sie folgten ihm auch als er sich setzte. „Irgendwie habe ich so was schon geahnt. Mir ist aufgefallen, dass du nie ein Mädchen mitgebracht hast…“ „Du hast so was geahnt?“, fragte meine Mutter und wurde unterdessen immer weißer und ihre Augen immer größer. „Na ja, nicht direkt geahnt, aber sagen wir’s mal so: Es überrascht mich nicht wirklich, wenn ich ehrlich sein soll“, erklärte sich mein Vater lächelnd und meine Mutter setze sich neben ihn, sie bekam sogar wieder etwas Farbe im Gesicht, wenn auch nicht viel. „Dann wird das wohl nichts mit den Enkelkindern“, sagte sie nach einer sehr langen Pause mit einem Lächeln, das mehr als nur gezwungen schien. „Mum, Dad, ich glaube ich sollte euch gleich noch was sagen.“ Und die Mundwinkel meiner Eltern wanderten ziemlich schnell nach unten, wenn das bei Mum überhaupt möglich war. Aber der Zeitpunkt schien mir zu passen, schlimmer konnte es eh nicht werden. „Ich werde nicht Jura studieren und nicht wie du Anwalt werden, Dad.“ Diesmal wich die Farbe aus dem Gesicht meines Vaters und meine Mutter sagte: „Das ist schön, aber willst du denn dann machen?“ „Du… du findest das schön?“ Ich war ziemlich überrascht, aber wahrscheinlich nicht so sehr wie mein Vater, der sie entgeistert ansah. „Ja. Nur weil dein Vater sich wünscht, dass du Anwalt wirst, heißt das nicht, dass ich damit auch einverstanden bin. Dein Vater musste soviel arbeiten als er jung war, am besten rund um die Uhr, was denkst du denn, wo er die ganzen grauen Haare herhat? Das ist ein mörderischer Beruf und wenn einer in der Familie so was macht, reicht es eigentlich. Also, was willst du dann studieren, wenn es nicht Jura ist?“ „Ich… ich will Psychologie studieren“, antwortete ich und sah dabei zu meinem völlig verwirrten Vater, der seinen Blick langsam von meiner Mutter auf mich lenkte. „Toll, bei den vielen Verrückten da draußen wenigstens ein Beruf mit Zukunft“, meinte Mutter todernst, aber als ich anfing zu kichern, konnte auch sie sich nicht zurückhalten. Ich sah zu Victor und er lächelte mich an, legte seinen Arm um die Schulter und zog mich wieder zu sich. Fast augenblicklich verfinsterte sich die Miene meiner Mutter. „Wenn es das ist, was du willst…“, sagte mein Vater langsam. „Das und nichts anderes“, entgegnete ich und kuschelte mich etwas mehr an Victor. Mein Vater nickte nur und meine Mutter schien zu versuchen, uns anzusehen, aber sie zwang sich noch ziemlich. „Hab ihr schon was gegessen?“, fragte sie nach einer Weile, worauf ich nur den Kopf schüttelte und sie fast zeitgleich damit aufsprang. „Dann mach ich uns gleich mal was.“ Und schon war sie Richtung Küche verschwunden. „Warte, ich helfe dir“, rief mein Vater ihr nach und folgte ihr. „Werden sie es verkraften?“, fragte Victor leise. „Irgendwann schon, und bis dahin müssen einfach damit leben.“ „Sicher, dass das gut geht?“ „Klar, außerdem wollte Mum doch von Anfang an, dass wir uns gut verstehen. Sie hat nicht gesagt, wie genau das aussehen soll“, antwortete ich lächelnd, Victor zog nur die Augenbrauen hoch. „Und dein Vater?“ „Der soll mal ganz ruhig bleiben. Eigentlich wollten meine Großeltern auch, dass er deren Haushaltswarengeschäft übernimmt, und ist da was draus geworden?“ Victor schüttelte lächelnd den Kopf. „Siehst du? Alles in bester Ordnung.“ „Spinner“, flüsterte er und ich ging weiteren Ausführungen in die Richtung aus dem Weg in dem ich ihn mit meinen Lippen zum Schweigen brachte. Vielleicht war ich ja auch ein Spinner, aber zumindest mit einem schien ich nicht geirrt zu haben: Meine Eltern gewöhnten sich langsam an alles. Zwar wurde meine Mutter zu Beginn noch etwas blass, wenn Victor und ich morgens aus ein und demselben Zimmer kamen oder wir zusammengekuschelt auf dem Sofa lagen und fernsahen, aber das gab sich mit der Zeit. Mein Vater hingegen überraschte mich. Als er sich mit dem Gedanken anfreundete, dass ich nicht Anwalt werden würde, begann er sogar, sich über psychologische Fakultäten zu informieren, allesamt nicht weiter als 100 km entfernt. Ich konnte ihn auch dadurch nicht davon abbringen, dass ich noch meinen Zivildienst ableisten müsse, bevor ich mich überhaupt bewerben konnte. Victor hatte mich daraufhin doch glatt ‚Feigling’ genannt, weil ich nicht zur Bundeswehr gehen wollte, aber als ich herausfand, dass er ausgemustert worden war, kam er damit nicht mehr durch. Sonst ging der alltägliche Wahnsinn weiter. In der Schule schafften es die Lehrer doch wirklich, uns in jeder einzelnen Stunde darauf aufmerksam zu machen, dass die Prüfungen immer näher rückten, noch ganze viereinhalb Monate. Auch zu Hause gab es seitens meiner Familie kein bald anderes Thema mehr. Jedes Mal, wenn meine Großmutter anrief, zum Beispiel, wies sie mich darauf hin, dass ich doch lieber lernen sollte als mit ihr zu reden. Hätte ich das wirklich getan, hätte sie das aber unter Garantie nicht besser gefunden. Die Zeit verging, aus vier Monaten wurden zwei, aus zwei eineinhalb und es kamen der Frühling und die letzten Klausuren vor den Prüfungen. An dem Tag, an dem Victor seine letzte hatte, wartete ich auf ihn, obwohl ich schon zwei Stunden früher Schluss hatte. „Und?“, fragte ich ihn als er die Treppe runterkam. „Wie jetzt ‚und’? Das war Englisch, eine meiner leichtesten Übungen“, antwortete er lächelnd und positionierte sich direkt vor mir. „Und warum bist du hier, wenn das alles doch so einfach ist?“ „Mathe und Physik, aber das habe ich dir doch schon erzählt, oder bist du so vergesslich?“ Aber er wartete nicht erst auf eine Antwort sondern küsst mich gleich. Es war das erste Mal, dass wir uns in der Schule küssten, aber wen sollte es stören? Als wir uns voneinander lösten, waren alle Blicke im Foyer auf uns gerichtet. Die meisten schienen einfach nur überrascht, aber einige der Mädchen waren eindeutig enttäuscht, aber da sag ich nur: ‚Pech gehabt!’ „Sehr vergesslich, ich glaube du musst mir auf die Sprünge helfen.“ „Als ob es dir nur darum ginge…“ Und wieder küssten wir uns, doch diesmal wurden wir keineswegs sanft getrennt. Axel zerrte mich von Victor weg und stieß mich zur Seite bevor ich auch nur realisieren konnte, was geschah. Er baute sich vor Victor auf, ein ziemlich komischer Anblick, wenn man bedenkt, dass Victor zehn Zentimeter größer war… „Was sollte das denn sein, Schwuchtel?“, zischte Axel wütend. „Ein Kuss unter Liebenden, würde ich mal sagen. Was dagegen?“, erwiderte Victor. „Ja, auf Arschficker wie dich können wir hier gerne verzichten. Ich dachte, das hätte ich dir schon vor Monaten klar gemacht. Du erinnerst dich doch noch an die Sache auf dem Bahnhof?“ „An Ihrer Stelle hätte ich das jetzt lieber nicht gesagt.“ Axel hatte zu seinem Pech nicht gemerkt, dass der Direktor hinter ihm stand und jedes einzelne Wort mit gehört hatte. Unglückliche Weise war es auch noch allgemein bekannt, dass er seit Jahren mit einem Restaurantbesitzer aus der näheren Umgebung zusammenlebte. Den Tag konnte Axel in diesem Moment also schon mal von der Liste seiner ‚besten Tage aller Zeiten’ streichen… Ende Kapitel 9 (wer hätte gadacht, dass ich soweit je kommen würde? Ich garantiert nicht ^^) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)