Strangers von NaokoSato ================================================================================ Kapitel 8: Annäherung --------------------- Hallo! Also erstmal das Übliche: Alle meine. Ähnlichkeiten mit Lebenden, Toten, Orten und sonstigen Begebenheiten sind rein zufällig und keineswegs beabsichtigt. Das wäre das, und viel Spaß beim Lesen. Eure Naoko Annäherung Victor Irgendjemand fummelte mir in den Haaren rum und langsam, sehr langsam, wachte ich auf. Ich konnte kaum die Augen offen halten, weil mir die Sonne direkt ins Gesicht schien, aber auch ohne das hätten die höllischen Kopfschmerzen, die ich hatte, ein reibungsloses Wachwerden verhindert. Geistesabwesend versuchte ich, die Decke über meinen Kopf zu ziehen, doch wer auch immer meine Haare zwischen den Fingern hatte verhinderte das. „Guten Morgen“, flüsterte eine gut gelaunte Stimme in mein Ohr. „Gut?“ Meine eigene Stimme war kaum mehr als ein Krächzen und noch immer versuchte ich, mein Gesicht vor dem Licht zuschützen. „Lass mal sehen“, meinte Dominik, beugte sich über mich in Richtung Fenster und einwunderbar angenehmer Schatten blendete die Sonne aus. „Jepp, ziemlich gut. Mit blauem Himmel und allem.“ Sekunde! Warum beugte Dominik sich über mich? Warum lag er überhaupt hier? In der Nacht hatte ich ihn aufs Sofa gelegt, zugedeckt und war ins Bett gegangen. „Was machst du hier?“ „Nachsehen, ob der Morgen gut ist“, antwortete er fröhlich. Wenigstens einem von uns schien der Schädel nicht zu platzen. „Und warum hier, in meinem Bett?“ Leider zog er sich wieder zurück, was meine Augen wieder der Sonne auslieferte. Ich drehte mich weg, kam allerdings nicht weit, da Dominik im Weg lag. „Stimmt was nicht?“, fragte er. „Licht“, murrte ich, machte letztendlich doch noch die Augen auf und sah ihn an. „Das hat der Tag nun mal so an sich“, meinte er lächelnd. „Grins nicht so doof. Warum liegst du da?“ „Bin aufgewacht und hab mich gewundert wo du bist, also bin ich hierher gekommen.“ „Wann denn?“ „Vor ein paar Stunden.“ Irgendwie machte er mir Angst. „Und seit dem liegst du so da und fummelst mir in den Haaren rum?“ „Na ja, ich glaube, ich bin zwischendurch noch mal eingeschlafen…“ Und süß war er sowieso. „Aha.“ „Komm schon.“ „Will nicht.“ „Musst“, meinte er, lächelte und drückte mir einen flüchtigen Kuss auf den Mund. Ich glaube, in diesem Moment sah ich ganz schön bedeppert aus. Auf jeden Fall war ich nicht schnell genug. Innerhalb weniger Augenblicke lief er knallrot an, stand auf und stolperte aus der Tür. Eine ganze Weile konnte ich mich nicht wirklich bewegen und selbst danach war ich irgendwie betäubt. Da hatte er getan, wozu ich den ganzen gestrigen Abend lang nicht den Mut gefunden hatte, und ich war zu überrascht, um ihn festzuhalten, hatte ihn weglaufen lassen. In meinem Kopf verstärkte sich der Schmerz und in meinem Bauch machte sich das Gefühl breit, dass ich einen riesigen Fehler gemacht hatte, leider weiß ich nicht, welcher das genau war. „Hey, irgendwann musst du aufstehen.“ Dominiks Stimme ließ mich hochfahren, doch diesmal hatte er nur den Kopf zur Tür reingestreckt. „Wieso?“ „Essen ist gleich fertig.“ „Komme ja schon“, sagte ich und stand auf. Als ich wieder zur Tür sah, war er verschwunden. Ich ging ins Bad, zog mich an und hatte die ganze Zeit nur einen Gedanken: Warum hatte er das getan? Nicht, dass ich es nicht toll gefunden hätte, ganz im Gegenteil, aber ich hätte mir nie erträumen lassen, dass er die Initiative ergreift, wenn man das so nennen kann. Wie auch immer man es nennen will, als ich runterkam, war davon nicht mehr viel übrig. Sobald er mich sah, lief er rot an, konnte mir nicht ins Gesicht sehen. Schade, dabei stand ihm das Rot eigentlich ganz gut. Hätte ich ihm das allerdings gesagt, wäre ihm höchstwahrscheinlich so viel Blut ins Gesicht geschossen, dass für den Rest von ihm nichts übrig gewesen wäre, relativ ungünstig also. Beim Essen und eigentlich die ganze restliche Zeit war er ruhiger als sonst. Zu ruhig für seine Eltern, vor allem für seine Mutter, die sich ständig erkundigte, ob denn auch alles in Ordnung sei und ob er sich bei der Aktion von gestern nicht doch eine Erkältung eingefangen hatte und immer so weiter. Das Gute war, Dominik hatte sich keine Erkältung eingefangen, das Schlechte, ich hatte jetzt eine. Und ich hatte gehofft, dass meine Kopfschmerzen nur vom Wein am Vorabend herrührten. Als ich dann am Abend vor mich hinschniefend im Wohnzimmer saß, fiel mir auf, dass Frau Schäfer mich nicht ganz so fürsorglich behandelte wie sie es vielleicht getan hätte, wäre eben jene Aktion nicht gewesen, als Strafe quasi. Aber das war nur nebensächlich und schließlich tat sie mehr für mich als es meine Mutter getan hätte. Das eigentliche Problem stellte Dominik dar. Er wich meinen Blicken aus, redete kaum, und vor allem nicht mit mir, und wenn es sich ergeben sollte, dass wir allein im Raum waren, fand er jedes Mal eine Ausrede, sich aus dem Staub machen zu können. Es war fast als hätte er Angst vor mir. Und das wiederum machte mir Angst. Wenn ich Pech hätte, würde das ewig so weitergehen und wir würden nie mehr miteinander sprechen. Ich musste also mit ihm reden, egal wie. Nur wann? Wenn er seiner Mutter in der Küche half, oder vielleicht, wenn er wie eine Klette an seinem Vater klebte? Zwei Tage vorm Jahreswechsel kamen mir seine Eltern zu Hilfe. Unbeabsichtigt, aber ich nahm die Chance liebend gerne war. „Hättet ihr beiden etwas dagegen, Silvester ohne uns zu feiern? Freunde feiern in Kopenhagen und haben uns gefragt, ob wir uns ihnen nicht anschließen wollen“, verkündete Dominiks Vater beim Abendessen. „Ach was, Schatz, die beiden haben sicher nichts dagegen. Sie sind schließlich jung und wollen nicht mit so alten Leuten wie uns feiern“, mischte sich seine Frau ein. „Ihr kommt doch ohne uns klar, oder?“ „Ja, kein Problem“, meinte ich schniefend. Dominik sah ich an, dass die Idee ihm nicht wirklich gefiel, aber seine Eltern waren entschlossen und offensichtlich konnte nichts und niemand ihre Pläne ändern. Wieso auch? Sollten sie sich amüsieren und Spaß haben, so selten wie sie sonst ausgingen. Allerdings sprach Dominik nach dieser Ankündigung noch weniger. Seine Antworten wurden immer kürzer und mehr als ‚Ja’, ‚Nein’ und ‚Danke’ brachte er bald gar nicht mehr heraus. Er hatte Angst und wäre, glaube ich, am liebsten davon gelaufen, nur weiß ich nicht ob vor mir und unserer drohenden Konfrontation oder vor sich selbst. Silvesterabend. Gegen sieben Uhr waren Dominiks Eltern nach Kopenhagen aufgebrochen und der Kleine hatte sich in seinem Zimmer verkrochen. „Komm schon raus. Die Pizza wird kalt.“ Ich klopfte wie verrückt an seine Tür. Mittlerweile war es zehn Uhr und besagte Pizza war keine zehn Minuten früher geliefert worden. „Ich hab extra deine Lieblingspizza bestellt. Sie ist noch ganz heiß und wartet in der Küche auf dich. Du hast Hunger, das weiß ich. Wenn du da drinnen verhungerst, bringt deine Mutter mich um. Soll ich die Tür eintreten und dich runterschleifen?“ „Ja, ja, schon gut“, antwortete eine leise Stimme und ich hörte, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte. Langsam öffnete er die Tür. „Toll, du lebst noch“, meinte ich nur und zog ihn nach unten, wo eine riesige Tunfischpizza auf dem Tisch dampfte. Bestechung ist nicht gerade die feine Art, aber wenn alles andere nicht hilft… Aber das war ein Schuss in den Ofen gewesen. Er aß, aber jedes Gespräch ließ er im Sande verlaufen, und direkter Konfrontation ging er erst Recht aus dem Weg, darin war er ziemlich gut. „Ich geh spazieren“, meinte er als wir alles gegessen hatten. „Nicht allein, ich komme mit.“ „Nein, tust du nicht.“ „Willst du es mir verbieten?“, fragte ich. „Du bist krank, da solltest du nicht unbedingt raus.“ „Ist ja nett, dass du dir Sorgen machst, aber ich kann auf mich selbst aufpassen.“ „Es schneit.“ „Ich weiß. Ist doch toll, oder? Ich mag Schnee“, entgegnete ich, schließlich hielt so ein bisschen gefrorenes Wasser mich nicht auf, ganz sicher nicht. „Wenn du das sagst.“ Er stand auf und verließ das Zimmer und ich folgte ihm. Wir liefen am Strand entlang, kein Mensch war in der Nähe und es schneite unaufhörlich. Immer wieder sah ich zu Dominik, aber sein Blick war starr geradeaus gerichtet. Auf seinen Schultern wurde die Schneeschicht immer dicker und in seinen Haaren blieben einzelne Flocken hängen. Ich konnte den Blick kaum auf etwas anderes richten, aber zum Glück tat ich es doch. Zehn Sekunden vor Mitternacht sah ich auf meine Uhr. Ich blieb stehen und griff nach Dominiks Hand. Ohne aufzusehen zog ich ihn näher zur mir. Fünf Sekunden. Drei. Zwei. Eins. Null. Jetzt hob ich den Kopf, sah ihm direkt in die Augen. „Frohes neues Jahr“, flüsterte ich und beugte mich zu ihm. Ich konnte seinen Atem spüren, die Wärme, die seine Haut ausstrahlte. Meine Lippen berührten seine. „Warte!“ Er zog seinen Kopf zurück, sah mich allerdings nicht wütend oder ängstlich an, so wie ich vermutet, gefürchtet hatte, sondern ganz sanft und, wenn ich es richtig deutete, sogar ein wenig lächelnd. „Dir auch ein frohes neues Jahr“, flüsterte er und küsste mich abermals, diesmal richtig. Nach einer halben Ewigkeit löste ich den Kuss, mehr oder weniger freiwillig, eher weniger. Ich bestand fast nur noch aus Eis und musste ständig niesen, was der Stimmung nicht besonders zuträglich war. „Ich… hatschi… glaube, wir sollten zurück zu… hatschi…“ „Ja, ich sagte doch, du sollst nicht mitkommen“, meinte Dominik lächelnd und zog mich an der Hand, die er nie losgelassen hatte, zurück. „Du solltest ein Bad nehmen.“ „Du weißt, da… hatschi… dass es hier nur eine … hatschi… eine Dusche gibt.“ „Dann duschst du jetzt eben“, antwortete er und schob mich nach oben ins Bad noch bevor ich meine Schuhe oder meinen Mantel ausziehen konnte. Diese nahm er mir erst oben ab und brachte sie nach unten zurück. Die Dusche tat so gut, dass ich nicht wirklich merkte, wie heiß das Wasser war oder wie lange ich schon dastand, als ich den Duschvorhang rascheln hörte, ein Arm sich um meine Hüfte legte und sein Besitzer sich an mich drückte. Ende Kapitel 8 ^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)