Skin von abranka (DMxHP) ================================================================================ Kapitel 1: I. Take away the pain -------------------------------- I drift away to a place Another kind of life Take away the pain I create my paradise Es war ein Tag wie jeder andere. Einfach nur ein normaler Schultag. Gut, ein weiterer Schultag, an dem sich Draco Malfoy mit dem undankbaren Auftrag auseinandersetzen durften, Dumbledore umzubringen. Aber es war an sich ein normaler Tag. Das fand er zumindest. Wenigstens bis er Potter über den Weg lief. Genauer gesagt: Bis er und Harry Potter zusammenprallten. Beide hatten sie nicht aufgepasst, aber das würde Draco natürlich niemals zugeben. „Potter!“, fauchte er los, kurz nachdem er unsanft auf dem Boden gelandet war. Einen Augenblick später wurde ihm jedoch die Luft aus den Lungen gepresst, als der wohl berühmteste Gryffindor aller Zeiten auf ihm landete. Das Gefühl des warmen Körpers an seinem, der Kontakt ihrer Hände, Potters Haar an seiner Wange – unwillkürlich zuckte Draco zusammen. „Oh...“, murmelte Potter in diesem Moment und sein warmer Atem streifte den Hals des Slytherins. Dieser konnte nur allzu deutlich spüren, wie ihm ein Schauer über den Nacken rann und sich die feinen Härchen aufstellten. Sein Herz schlug abrupt schneller und das Blut schien in seinen Ohren zu rauschen. Langsam richtete sich Potter auf, während Draco noch immer wie angewurzelt auf dem Boden saß. „Malfoy? Lebst du noch?“ Spott lag in der Stimme des Gryffindors und dieser Ton brachte den Slytherin wieder zur Besinnung. „Aber nur, weil ich Glück hatte, dass du nicht so schwer bist wie dieser vertrottelte Riese“, knurrte Draco und stand auf. Demonstrativ wischte er sich seine Kleider ab. „Oh, ich sehe schon, dir geht es bestens. Wobei dein Mundwerk wahrscheinlich selbst dann noch problemlos funktioniert, wenn alle deine anderen Körperfunktionen längst Geschichte sind.“ Draco zog überrascht eine Augenbraue hoch. Derartige Sprüche von Potter zu hören war reichlich ungewöhnlich. „Was denn, Potter, heute Morgen einen kleinen Trank eingeworfen, damit du verbal mithalten kannst?“ „Ich habe andere Drogen.“ Der Junge-der-lebt grinste breit und winkte jemandem zu, der sich aus einem der Seitengänge näherte. Draco runzelte leicht die Stirn. Diese Worte machten für ihn keinen Sinn. Einen Augenblick später taten sie es aber, als ein weibliches Mitglied der rothaarigen Wiesel-Familie dem Gryffindor um den Hals fiel. „Tu mir den Gefallen und hol dir eine Überdosis, damit du elendig krepierst“, verteilte Draco noch eine letzte Breitseite, während er sich abwandte. In seinem Inneren schien ein Sturm zu toben und er versuchte, ihn irgendwie wieder unter Kontrolle zu bringen. Doch er ahnte, dass es vergeblich war. Er hatte gehofft, dass es niemals passieren würde, doch es war geschehen. Und er konnte nichts dagegen tun. Draco ballte die Hände zu Fäusten, sodass sich seine Fingernägel schmerzhaft in seine Handflächen bohrten. Er schloss die Augen und bemühte sich, ruhig durchzuatmen. Er konnte es nicht. Er konnte es einfach nicht. Der Schmerz ließ nicht nach. Egal, was er tat. Egal, was auch immer er versuchte. Er ließ nicht nach. Er öffnete die Augen wieder und wurde brutal in die Wirklichkeit der lärmenden Großen Halle versetzt. Es war die Zeit des Mittagessens und ausnahmslos alle Tische waren voll besetzt. Auch der Tisch der Gryffindors. Und natürlich saß er auch dort. Natürlich. Wie hätte es je anders sein können? Draco seufzte leise. Und natürlich saß sie neben ihm und beide führten der Schule ihr Glück vor Augen. Es war zum Kotzen. Und es tat weh. Draco würde niemals im Leben zugeben, was es war, das ihn beschäftigte. Und doch war es so. Harry Potter ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Er wusste nicht warum und wieso. Und warum es ihm erst jetzt aufgegangen war. Er hatte nur zugleich eins begriffen: Was auch immer diese elenden Gefühle waren – es war aussichtslos. Absolut und vollkommen aussichtslos. Nichts anderes. Ein winziger, leiser Seufzer kam ihm über die Lippen. Moment – er seufzte wegen einem Harry Potter? Das wurde ja immer schöner! Lustlos begann der Blonde in seinem Mittagessen herumzustochern. Ihm war jeglicher Appetit vergangen. „Was denn, Draco, keinen Hunger?“, fragte Blaise und beugte sich zu ihm hinüber. Draco schüttelte schweigend den Kopf und lehnte sich zurück. Warum musste er eigentlich so sitzen, dass er Potter sah? Saß er schon all die Jahre da? Warum war es ihm nie aufgefallen? Warum...? Abrupt stand er auf. Er konnte nicht hier bleiben. Nicht jetzt. Ohne ein Wort zu sagen verließ er den Slytherintisch, begleitet von nicht wenigen irritierten Blicken. Sie kümmerten ihn kein bisschen. Er ließ sich auf der Treppe vor dem Eingangstor nieder. Er stützte das Kinn in die Hände und starrte vor sich hin, ohne irgendetwas zu sehen. Wie hatte das geschehen können? Wie hatte das gerade geschehen können? Was bedeutete dieses Gefühl in ihm, das so hohe Wogen schlug und ihn kaum mehr zu Atem kommen ließ? Was geschah mit ihm? Er war sich nicht sicher. Er wusste nur, dass es wehgetan hatte. Dass es wehgetan hatte, als Ginny Weasley sich Harry Potter an den Hals geschmissen hatte. Es war ein Schmerz, der ihn bis in sein Innerstes zu versengen drohte, ja, der ihn bereits verbrannte. „Warum immer ich?“, murmelte er leise. Nicht genug damit, dass er diesen verdammten Auftrag erledigen musste und über ihm dabei ständig das Damoklesschwert von Voldemorts Zorn hing, nein, Potter war ihm auch noch ständig auf den Fersen und jetzt auch noch schlagartig ständig in seinem Kopf. Nein, schlagartig stimmte nicht ganz. Von Beginn seiner Schulzeit an hatte er sich immer mit Harry Potter auseinangesetzt. Von Beginn an war Harry Potter in seinem Kopf gewesen. Immer. Das war nichts Neues. Nur irgendwie... hatte sich die Konnotation verändert. Und in was verändert? Draco war sich nicht sicher. Der Hass, die unbändige Wut – sie waren noch immer da. Der Schmerz war neu. Und noch etwas anderes... Schwächer, weicher und doch genauso brennend und bohrend wie der Schmerz. Es fühlte sich an, als wenn in ihm eine Tür aufgestoßen worden wäre, die er vor langer Zeit einmal abgeschlossen hatte. Konnte das sein? Konnte man Gefühle so einfach freilassen? Wenn ja – konnte er sie nicht genauso schnell wieder wegschließen? Ging das nicht genauso? Kapitel 2: II. Everything has hit the wall ------------------------------------------ Everything I’ve held Has hit the wall What used to be yours Isn’t yours at all Es war vergeblich. Er konnte dieses Gefühl einfach nicht mehr verbannen. Es ging nicht. Er konnte es nicht zurückschlagen. Es war aussichtslos. Und genauso aussichtslos war es, weiter zu versuchen, diesen Auftrag zu erledigen. Er war kein Mörder. Er war ja nun wirklich kein guter Mensch, aber ein Mörder war er nicht. Dieser Gedanke machte Draco fast genauso große Kopfschmerzen wie diese andere Sache. Wenn er es nicht über sich brachte, Dumbledore zu töten, war sein eigenes Leben in Gefahr. Und das seiner Familie. Das wusste er. Und doch... das war ein Schatten, über den er nicht springen konnte. Er schlief schlecht, er hatte Albträume. Mal von dem Moment, in dem er Dumbledore gegenüber stand und den Unverzeihlichsten der Unverzeihlichen aussprechen musste. Mal von dem Moment, in dem Voldemort sein Versagen bestrafte. Mal von dem Moment, in dem Potter... In dem Potter was? Ihn auslachte, ihn demütigte? Er war sich nicht sicher. Er war sich nur sicher, was das Gefühl bei diesem Traum betraf: Sein Magen wurde zu einer eisernen Kugel und sein Herz zog sich so weit zusammen, bis es irgendwo in der Unendlichkeit der Dunkelheit verschwand. Es zerriss ihn. Und er wusste nicht warum. Fahrig strich sich Draco das hellblonde Haar aus dem Gesicht. Dunkle Schatten lagen unter seinen sturmgrauen Augen und seine Haut war noch blasser als gewöhnlich. Sie hatten Zaubertränke. Wieder einmal. So langsam hatte er gelernt, diese Unterrichtsstunden zu hassen. Snape ging ihm auf die Nerven. Ständig kam er mit irgendwelchen guten Ratschlägen und mischte sich in Dracos Angelegenheiten ein. Stets wollte er dem jungen Slytherin zur Hand gehen, doch dieser wehrte ab. Es war sein Auftrag. Und er würde ihn allein zu Ende bringen. Nicht umsonst hatte er ihn bekommen und nicht Snape. Es waren Stolz und Trotz, die Draco dazu zwangen, diesen Weg allein zu gehen. Und nichtsdestotrotz klebte Snape immer noch mit seinen ewigen Ratschlägen an ihm. So langsam verstand er, wie man den Zaubertränkelehrer ätzend finden konnte – nur war es bei ihm vollkommen anders motiviert als bei seinen Schulkameraden. Dracos Blick huschte durch die Reihen und landete bei Potter. Der Gryffindor rührte konzentriert in seinem Trank und gab schließlich die gehackten, getrockneten Schnecken dazu. Der Slytherin schüttelte leicht den Kopf. Potters Bewegungen waren zu hektisch gewesen und die Schnecken zuviel – der Trank würde ihm einmal mehr misslingen. Aber das ging ihn nichts an. Es konnte ihm gleich sein, wenn Potter mal wieder alles versiebte. Oder er konnte sich darüber freuen. Ja, eigentlich sollte er sich darüber freuen, denn er verabscheute Potter doch, nicht wahr? Draco rührte mechanisch seinen eigenen Trank um und hing seinen Gedanken nach. Im Moment war er fast immer in Gedanken versunken und kapselte sich von dem Geschehen um ihn herum ab. Crabbe und Goyle schien das kaum aufzufallen – dazu waren die beiden wahrscheinlich auch nicht helle genug –, aber Pansy und Blaise hatten es durchaus zur Kenntnis genommen und schienen sich so etwas wie Gedanken zu machen. Hatte er Freunde? War da jemand, auf den er sich verlassen konnte? Innerlich schüttelte Draco den Kopf. Nein. Er würde sich niemals auf jemand anderes außer sich selbst und seiner Familie verlassen. Wobei er gerade in Bezug auf seinen Vater nicht mehr sicher war. Lucius Malfoy hatte ihm diese Aufgabe von Voldemort doch nur eingebrockt. Jetzt war der Sohn derjenige, der den Vater mehr oder weniger rehabilitieren konnte. Ohne seinen Vater hätte er sich niemals mit den Todessern und der schwarzen Magie herumschlagen müssen. Aber so gehörte es schon fast zur Familie. Es wurden Ansprüche und Erwartungen an ihn gestellt und er hatte stets sein Bestes gegeben, um diese zu erfüllen. Jetzt überkamen in zum ersten Mal Zweifel. Er spürte, wie ihn dieser Mordauftrag zerbrach. Er war kein Mörder und so versuchte er sich als geschickter Attentäter – nur bisher waren seine Versuche stets schief gegangen. Er dachte, dass er es, wenn er Dumbledores Tod nur indirekt auslöste, besser ertragen können würde. Er war aber dennoch kein Mörder. Und das wusste er. Genau da lag dieser verdammte Hund ja begraben. Wenn er wirklich so abgrundtief böse wäre, wie Potter und Konsorten ihn so gerne darstellen, hätte er damit keine Probleme. Aber nein, er musste ja mit so einem verdammten Gewissen geschlagen sein. Es war nicht übermäßig empfindlich, aber es war da. Draco fügte die gehackten Schnecken seinem Trank hinzu und rührte in die andere Richtung weiter. Sofort nahm die Flüssigkeit die vorgesehene Farbe an. Er wollte zurück. Er wollte nichts weiter als zurück zu der Zeit, als er der Sohn eines Todessers war, aber mit dem Dunklen Lord selbst gar nichts zu tun hatte. Er wollte zurück in die Zeit, als die Rivalität mit Potter das Bestimmende in seinem Leben war. Er wollte zurück in die Zeit, als Quidditch, Zaubertränke und ein wenig schwarze Magie seine großen Interessen waren. Aber er konnte nicht zurück. Stattdessen war er hier und schlug sich mit Dingen herum, die er niemals gewollt hatte. Mit diesem unsäglichen Auftrag, um ein Todesser zu werden und seinem Vater unwiderruflich auf diesem Weg zu folgen. Mit einem unbestimmbaren, brennenden Schmerz, den ihm Potters Anwesenheit verursachte und einem unerklärbaren Interesse an dem Gryffindorgoldjungen. Er wollte das alles nicht. Doch das spielte offenbar überhaupt keine Rolle. Er hatte bisher geglaubt, sein Leben selbst zu bestimmen, doch das war genauso offenkundig ein Irrtum gewesen. Es war ihm gleich, ob es Schicksal war oder sonst was – er wollte die Kontrolle zurück! Er hasste es abgrundtief, diesen Wegen zu folgen, die er nicht selbst gewählt hatte. Er hasste es, sich in diesem Wirrwarr von Gefühlen und Gedanken zu verstricken und nicht mehr herauszufinden. Er hasste es... In diesem Moment knallte es und seine Aufmerksamkeit wurde, ebenso wie die sämtlicher anderer Schüler, auf Harry Potter gelenkt. Der Gryffindor stand vor dem rauchenden Überresten seines Kessels. „Zu viele Schnecken, zu heißes Feuer...“, murmelte Draco nur leise, während Snape den Jungen-der-lebt verbal zusammenfaltete. Seltsamerweise empfand der Slytherin nicht die Schadenfreude, die ihn sonst in dieser Situation überkommen hätte. Es war nur eine seltsame Leere in ihm und fast so etwas wie Betroffenheit. Nein, es war wahrlich nichts mehr so, wie es einmal gewesen war. Kapitel 3: III. Am I overreacting? ---------------------------------- Falling apart, and all that I’m asking Is it a crime, am I overreacting Draco hatte sich in den Raum der Wünsche zurückgezogen. Hier konnte er in Ruhe über seinen Plänen brüten. Und wenn er sich wünschte, dass niemand sonst diesen Raum betreten konnte, hatte er sogar seine Ruhe. Sowohl vor Snape, der ihm immer noch mit seinen ach-so-guten Ratschlägen hinterher rannte, als auch vor Potter, der offenbar beschlossen hatte, ihm hinterher zu spionieren. Warum ausgerechnet Potter? Warum? Wahrscheinlich einfach, weil Potter der einzige Mensch in dieser verdammten Schule war, der ihm solche Bösartigkeiten wirklich zutraute – und der ihm stets Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Immerhin hatten Potter und Draco seit ihrem ersten Schuljahr ihre Abneigung und Rivalität sorgfältig gepflegt. Davon konnte man wahrscheinlich nicht einfach so ablassen. Und wenn Draco ehrlich war, dann waren Potter und er wirklich die perfekten Gegenspieler. Potter hatte den Dunklen Lord bereits im Alter von einem Jahr besiegt, während Draco in ewigem Respekt vor diesem aufgewachsen war. Potter war ein Gryffindor, Draco ein Slytherin – oh ja, das Klischee schlechthin, aber wenn es zwei Häuser gab, die überhaupt nicht miteinander konnten, dann waren das Slytherin und Gryffindor. Potter war ein elender Zaubertranktrottel – zumindest die meiste Zeit über -, während Draco darin glänzte. Potter bewies großes Talent in Verteidigung gegen die Dunklen Künste, während es Draco dagegen lieber vorzog, gleich auf die Dunklen Künste zurückzugreifen. Warum auch keine schwarze Magie nutzen, wenn diese einem brachte, was man als Resultat haben wollte? Draco hatte dahingehend keine Hemmungen, während Potter natürlich niemals auch nur auf die Idee kommen würde, schwarze Magie einzusetzen. Sie waren wie Licht und Schatten, Sonne und Mond, Tag und Nacht, Feuer und Eis. Sie waren absolute Gegensätze. Und vielleicht war deshalb die Anziehung so groß, die von Potter ausging. Vielleicht war deshalb irgendwo unter dieser Schicht aus Hass dieses verdammte Gefühl verborgen gewesen. Liebe. Draco lehnte sich gegen die Wand neben dem Fenster und atmete tief durch. Das war es also. Liebe. Er hatte sich erst durch ein Wirrwarr an Gedanken und Gefühlen quälen müssen, um es zu begreifen. Aber das war auch kein Wunder, war dieses Gefühl doch derart absurd. Vor allem im Zusammenhang mit Potter! Das konnte nicht sein! Und doch war es so! „Oh, verdammt...“, murmelte Draco leise. Er wusste nicht, wie und wann es hatte geschehen können. Er vermutete aber, dass dieser dusselige Zusammenprall vor einigen Tagen, der dieses seltsame Gefühl in seiner Magengegend erst hochgebracht hatte, nur der Schlüssel war. Wahrscheinlich schlummerte dieses dumme Gefühl schon viel länger in ihm. Liebe. Er schüttelte den Kopf. Das war dumm. Das war absurd. Das war... Wahnsinn! Draco tat einen Schritt zur Seite und blickte aus dem Fenster. Er sah hinunter auf die Wiese, über die der Weg nach Hogsmead führte. Es war Wochenende und viele seiner Klassenkameraden machten sich auf den Weg in das Dorf. Seine Augen wanderten über die Schülerinnen und Schüler, ohne einzelne ausmachen zu können. Doch plötzlich stockte er. Draco hatte einen nur allzu vertrauten schwarzen Haarschopf in der Menge entdeckt. Sein Herzschlag schien auszusetzen und er beugte sich unwillkürlich vor, um besser sehen zu können. Potter lief an der Seite von Granger und dem Wiesel den Weg entlang. Einen Augenblick später schloss noch eine weitere rothaarige Person zu der Gruppe auf. Sie berührte Potter von hinten an der Schulter, woraufhin dieser sich umdrehte und sie umarmte. Schmerzhaft schnürte sich Draco die Kehle zu. Bekam er noch Luft? Potter wirbelte das rothaarige Mädchen durch die Luft und selbst aus dieser großen Entfernung konnte Draco das strahlende Lachen auf seinem Gesicht sehen. Ihm wurden die Knie weich. So hatte Potter ihn niemals angesehen. Und so würde er ihn niemals ansehen. Etwas in ihm zerbrach. Draco sackte zusammen und landete auf den Knien. Er drückte die Stirn gegen die kalte Wand. Alles in ihm schien zu brennen und zu zerreißen. Tränen brannten in seinen Augen, doch er konnte nicht weinen. Er spürte, dass ihm übel wurde, und doch er wusste, dass er sich auch nicht übergeben würde. Sein Herz schien in Flammen zu stehen und dieses Feuer brannte sich tief in seine Seele. Er hatte nicht geahnt, dass solche Schmerzen möglich waren, ohne dass er körperlich verletzt war. Er hatte keine Ahnung gehabt. Er hatte überhaupt keine Ahnung gehabt. Wie hatte er sie haben können? Draco atmete rasselnd ein. Ja, er bekam noch Luft. Er lebte noch. Aber was war das auf einmal für ein Leben? Die Hölle, nichts weiter. Es konnte nichts anderes als die Hölle sein, wenn ihn eine solche Kleinigkeit so aus der Bahn warf. Was, wenn ihn jemand gesehen hätte? Was, wenn es an einem anderen Ort passiert wäre? Was, wenn Potter etwas davon mitbekam...? Was, wenn es niemals mehr aufhörte? Was, wenn er für immer und ewig in diesem Schmerz gefangen war? Wie konnte er ihn bekämpfen? Wie konnte er sicher gehen, dass er überleben würde? Denn wenn es so weiterging, dann würde er früher oder später an einer Klippe enden, deren Abgrund ihn magisch anzog... Es durfte nicht sein. Es durfte einfach nicht sein. Er durfte nicht wegen einem dummen Jungen kaputt gehen. Er durfte nicht wegen einem so lächerlichen Gefühl wie Liebe den Boden unter den Füßen verlieren. Er durfte nicht... Und doch tat er es. Wie sollte er wieder festen Halt finden? Wie sollte er wieder auf die Beine kommen und aufstehen, wenn der Drang doch so groß war, sich zusammenzurollen und niemals wieder aufzustehen? Wie sollte er denn einen Weg finden, sich irgendwie mit allem zu arrangieren? Draco wimmerte leise. Und einen Sekundenbruchteil später rief er sich selbst zur Ordnung. Ein Malfoy wimmerte nicht. Ein Malfoy ließ sich nicht unterkriegen. Und erst recht nicht von so etwas wie Liebe. Ein Malfoy blieb aufrecht und lachte allem, was ihn verletzte, ins Gesicht und verhöhnte es, damit es ihm nicht zu nahe kommen konnte. Ein Malfoy war stark und unbeugsam. Ein Malfoy ging unbeirrbar seinen Weg und ließ sich nicht ablenken. Ein Malfoy verliebte sich nicht in einen Harry Potter. Draco schloss die Augen. Alles nur wegen Potter. Alles nur wegen diesem verdammten Potter. Urplötzlich spürte er grenzenlose Wut in sich hochlodern. Hass glühte heiß auf. Er würde nicht zulassen, dass ihn ein Harry Potter unwissentlich auf die Knie brachte. Abrupt stand Draco auf und hielt sich taumelnd an der Wand fest. Er würde sich nicht brechen lassen. Nicht von einem Harry Potter und diesen dummen Gefühlen. Kapitel 4: IV. Give me something to get rid of him --------------------------------------------------- Oh, he’s under my skin Just give me something to get rid of him I’ve got a reason now to bury this alive Another little white lie Die nächsten Tage geriet Draco ständig mit Potter aneinander. Er suchte die Konfrontation. Er provozierte sie. Eigentlich fühlte er sich im Moment nicht in der Lage, Quidditch zu spielen. Er war zu müde und er war körperlich vollkommen erschöpft. Die seelische Anspannung forderte auch hier ihren Tribut, doch er war nicht bereit, Potter dieses Gebiet kampflos zu übergeben. Bei dem ersten Spiel gegen Ravenclaw mochte er gefehlt haben, doch das Spiel gegen Gryffindor würde er sich nicht entgehen lassen! Er wollte Potter schlagen! Er wollte ihn am Boden sehen- Und ihm so viel Schmerz zufügen, wie er nur konnte. Nicht Potter würde ihn auf die Knie bringen, sondern er Potter. Mit ausgreifenden Schritten und bereits in seiner Quidditchrobe eilte Draco durch die Gänge zum Tor. Blicke streiften ihn und hinter sich konnte er leises Getuschel hören. Der Slytherin wusste nur zu gut, weshalb die Gerüchteküche gerade zu brodeln anfing. Er sah schlecht aus. Er war bleich wie der reinste Marmor und hatte im Gegenzug nachtschwarze Schatten um die tief in den Höhlen liegenden grauen Augen. Und doch strahlte er blanke Entschlossenheit aus. Und Hass. Es mochte vielleicht seinen Mitschülern nicht bewusst sein, aber sie spürten die Dunkelheit, die ihn umgab. Und gerade deshalb mieden sie ihn, ein Umstand, der Draco sehr entgegen kam, denn so musste er sich mit niemandem herumärgern. Auch Blaise und Pansy hatte er mittlerweile genug vergrault. Er war alleine. Und er war froh darüber, allein zu sein. Er wollte niemanden an seiner Seite haben. Er brauchte niemanden an seiner Seite. Schnellen Schrittes erreicht er den Quidditchplatz. Sein Team wartete bereits auf ihn. Kommentarlos wurde ihm sein Besen in die Hand gedrückt. Der Slytherinkapitän Jeremiah Hanson, ein Siebtklässler, hatte zwar versucht, ihn davon abzuhalten, unbedingt mitfliegen zu wollen, doch er hatte auf Granit gebissen. Dracos einzige, kalte Antwort war folgende gewesen: „Willst du die Besen wieder zurückgeben und auf Schulbesen fliegen?“ Damit hatte er klar gemacht, dass er es letztlich war, der in diesem Team bestimmte. Und in diesem Fall bestimmte er, dass er fliegen würde. Ohne Kompromisse. Draco schwang sich ein wenig steifbeinig auf den Besen. Im Endeffekt war es vollkommen bescheuert, dass er unbedingt fliegen wollte. Er hatte zu lange nicht mehr auf einem Besen gesessen, sondern stattdessen seine Zeit stets damit verbracht, zu grübeln. Er stieß sich ab und schwebte Sekundenbruchteile später über dem Feld. Es fühlte sich gut an. Für einen Augenblick entspannte sich sein maskenhaft starres Gesicht. Für einen Augenblick fühlte er sich frei und leicht. So leicht, als wenn er keine Last mehr tragen würde. Für eine kurze Zeit war das Kreuz weg, das ihn bisher so niedergedrückt hatte. Doch nur einen Wimpernschlag später spürte er es wieder, als sich Potter neben ihn gesellte. „Na, fit genug zum Spielen?“ „Für ein Spiel gegen dich wird es immer reichen“, knurrte Draco. „Sicher? So, wie du aussiehst, fällst du gleich vom Besen...“, erwiderte Potter trocken. Seine grünen Augen funkelten Draco an und dem Slytherin lief ein reichlich unerwünschter Schauer über den Rücken. Wenn ihn diese Augen ansahen, dann waren sie kalt und hart. Nichts war darin von der Wärme, die er den anderen entgegen brachte. Nein, für einen Draco Malfoy würde in diesen Augen niemals Wärme sein. Draco konnte regelrecht spüren, wie seine Seele einen weiteren Riss bekam. „Wir werden sehen, Potter. Dann, wenn ich den Schnatz vor dir in den Händen halte.“ Nur mit Mühe schaffte es der Blonde, seine Maske zu wahren und gewohnt bissig zu reagieren. „Das träumst du nur, Malfoy.“ Potter zog seinen Besen zur Seite und flog in einem großen Bogen über das Spielfeld. Draco biss sich auf die Unterlippe. Er durfte sich nicht aus der Fassung bringen lassen. Wenn das geschah, dann hatte er eh verloren. Nein, er musste eine Möglichkeit finden, Potter aus seinem Inneren zu vertreiben. Irgendwie musste das doch möglich sein. Er sollte einfach zu der gewohnten Rivalität zurückkehren und diese Stimme in seinem Inneren abtöten, die ihn immer wieder daran erinnerte, dass das nicht mehr möglich war. Nicht bis tief in sein Innerstes hinein, sondern nur noch an der Oberfläche. Nach außen hin konnte er so tun, als wenn er nichts als Hass, Antipathie und diesen ganzen Mist für Potter empfand, aber tief in sich drinnen – dort lauerte die Wahrheit und sie würde es weiterhin tun. Lauernd zogen die beiden Sucher ihre Bahnen über dem Spielfeld. Draco versuchte Potter dabei gleichzeitig möglichst zu ignorieren und im Auge zu behalten, falls dieser den Schnatz eher sichten sollte als er selbst. Als Potter urplötzlich in einen Sturzflug überging, dachte Draco nicht nach, sondern riss seinen Besen direkt nach unten. Ihm war es egal, ob er auf irgendeinen Bluff hereinfiel, solange er nur an Potter dran blieb und keine Chance verschenkte. Er raste hinter Potters Feuerblitz her und holte langsam mit seinem Nimbus 2001 auf. Während Potter langsam das Tempo senkte, konnte Draco neben dem Gryffindor den Goldenen Schnatz sehen. Ohne weiter darüber nachzudenken, beschleunigte der Slytherin weiter. Er schoss mit viel zu großer Geschwindigkeit an Potter vorbei und kam ins Schlingern. Kurz rammte er Potters Feuerblitz und wurde dann nach oben geschleudert. Nur mit Mühe konnte er sich noch auf seinem Besen halten und auch der Junge-der-lebt hatte mit seinem Gleichgewicht zu kämpfen. „Du bist ein Idiot, Malfoy“, fauchte Potter, als er sich wieder gefangen hatte und die beiden erneut Seite an Seite über dem Platz flogen. Draco zuckte nur mit den Schultern und beschloss, den Gryffindor zu ignorieren. Diese ungeschickte Aktion hatte ihn an die Grenze seiner ohnehin schon geringen Kräfte gebracht. Seine Hände zitterten und er krallte sich regelrecht an seinem Besen fest, damit es niemand bemerkte. Ihm wurde wechselweise schwarz vor Augen, doch er würde nicht aufgeben! „Malfoy?“ In Potters Stimme lag Verwirrung und fast so etwas wie Besorgnis. Draco sah auf und blickte direkt in diese leuchtendgrünen Augen. „Bei Merlin, Potter, laber jemand anderen zu!“, grollte er als Antwort. Der Gryffindor warf ihm noch einen skeptischen Blick zu, dann konzentrierte er sich wieder auf das Spiel. Dracos Augen huschten ebenfalls wieder aufmerksam über das Spielfeld. Wenigstens so aufmerksam, wie es ihm möglich war. Er sah den Schnatz. Augenblicklich ging er in einen scharfen Sturzflug über. Potter war dicht hinter ihm. Um das zu wissen, musste sich Draco nicht umdrehen. Dann erwischte ihn der Klatscher von der Seite. Er hatte nicht aufgepasst, sondern seine Aufmerksamkeit vollkommen auf den Schnatz gerichtet. Draco wurde vom Besen gerissen und stürzte ab. Er schrie nicht, sondern keuchte nur leise. Hinter sich hörte er dafür einen Schrei. Noch im Sturz wandte er den Kopf um und sah Potter ebenfalls durch die Luft segeln. Einer der Slytherins hatte sich mit einem Klatscher an dem Gryffindorsucher revanchiert. Lass mich sterben..., schoss es Draco durch den Kopf. Lass uns beide sterben, damit es vorbei ist... Im Moment schien ihm ein schneller Tod wie eine Gnade. Dann prallte er auf den Rasen und verlor das Bewusstsein. Kapitel 5: V. Never fear ------------------------ So what you had didn’t fit Among the pretty things Never fear, never fear I now know where you’ve been Langsam kam Draco wieder zu sich. Er blickte an die durchaus vertraute Decke der Krankenstation. Dann hörte er Stimmen, die von einem relativ nahen Bett kamen, und schloss sofort wieder die Augen. Man musste ja nicht gleich wissen, dass er wach war. Einen Augenblick lang bedauerte er, noch zu leben. Dass ihm dank der magischen Heilkünste von Madam Pomfrey sein Körper nicht schmerzte, bedeutete nicht, dass er frei von Schmerzen war. Im Gegenteil – die bohrendste Pein konnte ihm die Medihexe nicht nehmen. Anstatt seinen Gedanken nachzuhängen, konzentrierte sich Draco jedoch auf die Stimmen und erkannte nun, dass es Granger und das Wiesel waren, die offenbar zu Potter sprachen. „...was passiert ist“, hörte er gerade Potter sagen. „Es war ein dummer Unfall“, erklärte Granger auf ihre besserwisserische Art. „Ein Klatscher hat erst Malfoy vom Besen geholt...“ „Das wäre ja nicht weiter schlimm gewesen“, wurde sie von dem Wiesel unterbrochen, das dann fortfuhr: „Aber einer dieser feigen Schlagensöhne hat dir den anderen Klatscher in den Rücken gehauen. Dann seid ihr beide abgestürzt...“ „Und das Spiel?“ Natürlich interessierte Potter das. Wie hätte es auch anders sein können? „Seamus ist als Jäger eingesprungen und Ginny ist als Sucherin gestartet. Und sie hat den Schnatz vor dem Slytherinersatzmann gefangen!“ Wieder das Wiesel. „Großartig!“ Die Begeisterung in Potters Stimme war nicht zu überhören. Innerlich verdrehte Draco die Augen. Und zugleich wurde ihm bewusst, wie angenehm er es fand, Potters Stimme zu hören, ohne dass dieser wütende, hasserfüllte Ton in ihr war, wie immer dann, wenn er zu dem Slytherin sprach. Leise Schritte neben dem Bett sorgten dafür, dass Draco sich noch mehr darauf konzentrierte, den Schlafenden zu mimen. „Hm... Seltsam, dass er noch nicht wach ist...“, hörte er Madam Pomfrey murmeln, dann ging sie weiter. Etwas später lauschte er dann, wie sie zu Potter und Konsorten sprach. „Sie können jetzt gehen, Mr. Potter.“ „Danke, Madam Pomfrey. Und was ist mit... Malfoy?“ „Er schläft noch. Scheint erschöpft zu sein...“, wimmelte die Medihexe den Gryffindor ab. Erschöpft – oh ja, das traf es ziemlich gut. Natürlich war er erschöpft! Was für eine Frage! Leise hörte er dann Potter und Co weitermurmeln. „Ha, ich weiß auch, warum er erschöpft! Er heckt irgendetwas aus. Er muss etwas tun, um ein Todesser zu werden... Und ich werde herausfinden, was das ist! Ich will wissen, was er vorhat!“ Draco schreckte unwillkürlich zusammen. Potter wusste so genau, was lief? Potter wusste so genau, dass er irgendetwas tat, um ein Todesser zu werden? Woher? Woher nur? „Harry, du bist besessen“, maßregelte Granger den Jungen-der-lebt in diesem Moment. „Genau“, pflichtete Weasley ihr bei. „Malfoy mag ein fieses Frettchen sein, aber für so etwas hat er doch gar nicht genug Mumm!“ Dann schlug die Tür der Krankenstation zu und Draco konnte nicht mehr hören, was Potter antwortete. Nachdenklich schlug er die Augen auf und verschränkte die Arme im Nacken. Potter wusste also, dass er etwas vorhatte. Woher? Wahrscheinlich einfach daher, dass er auf ihn achtete. Seit ihrem ersten Schuljahr hatten sie doch nichts anderes getan. Sie hatten sich beobachteten, um Gebiete herauszufinden, auf denen sie sich messen konnten. Kunststück, wenn Potter dann gewisse Veränderungen an ihm auffielen. Draco runzelte die Stirn. Er hoffte nur, dass es sich allein darauf beschränkte und er nicht etwa ein offenes Buch für Potter war. Angesichts seiner seelischen und emotionalen Lage wäre das wenig erstrebenswert. Madam Pomfrey entließ Draco gegen Abend. Angesichts seiner unübersehbaren Erschöpfung hatte sie es sich nicht nehmen lassen, ihn mit einigen Stärkungstränken aufzupäppeln, was Draco nicht unbedingt unangenehm gewesen war. Eher das Gegenteil war der Fall: Er war froh, etwas gestärkter an seine Aufgabe heranzugehen. Die letzten beiden Attacken auf Dumbledore waren schief gegangen. Diese dumme Amulett hatte Katie Bell fast umgebracht und der vergiftete Wein beinahe Ron Weasley. Nicht, dass er es bei dem Wiesel bedauert hätte, aber dieser Trottel war nicht sein Ziel gewesen. So langsam fragte er sich, ob er nicht vielleicht doch die Hilfe von Snape annehmen sollte. Er war mit seinem Latein am Ende. Und zugleich machte sich Angst in ihm breit. Er hatte gewusst, dass es schwer werden würde, Dumbledore zu töten. Aber er hatte dennoch nicht an sich gezweifelt, sondern er war davon ausgegangen, dass er diese Aufgabe bewältigen würde. Im Moment sah es nur nicht so aus. Und wenn er das nicht in den Griff bekam, dann sah es nicht besonders gut für ihn und seine Familie aus. Er hatte bisher wenig mit Voldemort zu tun gehabt, doch diese eine, relativ kurze Begegnung hatte ausgereicht, um ihm klar zu machen, dass der Dunkle Lord keine Versager dulden würde. Dass er Lucius Malfoy nicht längst beseitigt hatte, lag wohl daran, dass Dracos Vater zum einen gerade in Askaban saß und sich zum anderen als dauerhafter, loyaler Anhänger des Dunklen Lords erwiesen hatte und dieser derart treue Todesser wohl doch nicht so leicht über die Schippe springen ließ. Draco fürchtete allerdings um seine Mutter, denn diese war – sowohl gegen ihn als auch gegen seinen Vater – das perfekte Druckmittel. Die Angst durfte nur jetzt nicht gewinnen. Er musste sie beiseite schieben und unterdrücken. Eine andere Wahl hatte er nicht. Und genauso wenig hatte er eine andere Wahl, als diese dummen Gefühle für Potter beiseite zu schieben und zu ignorieren. Er durfte sich nicht beeinflussen lassen. Er durfte nicht schwach werden und aufgeben. Er musste stark sein und dem Ganzen gerecht werden. Er musste es sein. Er war ein Malfoy – er hatte keine Alternative. Kapitel 6: VI. My tears you’ll taste ------------------------------------ Braids have been un-tied As ribbons fall away Leave the consequence But my tears you’ll taste Es war genau das eingetreten, was er befürchtet hatte: Er kam nicht vorwärts. Und jetzt hielt in die Angst in einem eisernen, kalten Griff und ließ ihn nicht mehr los. Draco hatte sich in die Mädchentoilette im zweiten Stock zurückgezogen. Da dort die Maulende Myrthe die meiste Zeit über spukte, wurde dieser Raum so gut wie nie betreten. Somit hatte er hier seine Ruhe und konnte sich bemühen, seine Fassung zwischen den Unterrichtsstunden wiederzugewinnen. Er war am Ende. Ihm waren alle Ideen ausgegangen. Er würde Dumbledore nicht töten können. Nicht so... Draco kauerte sich auf dem kalten Boden zusammen. Tränen stiegen ihm in die Augen. Er versagte. Und er konnte nichts dagegen tun. Eisige Angst hielt sein Herz in ihrem kalten Griff. „Oh...“ Die schräge Stimme der Maulenden Myrthe zwang ihn dazu, aufzusehen. Aus tränenverschleierten Augen blickte er das Geistermädchen an. „Zisch ab“, murmelte er. „Oh, oh, du bist in meine Toilette gekommen, also solltest du gehen. Aber so wie du aussiehst, kannst du ja nicht nach draußen gehen...“ Sie schüttelte den Kopf. „Von mir aus darfst du gerne bleiben, Draco...“ Sie lachte leise. Draco schüttelte leicht den Kopf. „Sagst du mir, was mit dir los ist? Es wird leichter, wenn du dich jemandem anvertraut hast...“, säuselte sie und schwebte dicht zu dem Slytherin heran. Sie streckte ihre Hände aus und versuchte, ihn zu berühren, doch sie glitten durch ihn hindurch. „Ich gehe kaputt, Myrthe,“ murmelte Draco leise. „Ich kann ihn nicht töten. Es ist... unmöglich... Ich bin kein guter Mensch, aber ich bin doch kein Mörder. Aber ich muss einer werden... Ansonsten...“ Er sah auf. „Er wird mich umbringen, Myrthe. Das ist ja noch nicht einmal das Schlimmste. Vorher wird er mich foltern. Und er wird sicher meine Mutter umbringen...“ Draco schluchzte auf und verbarg das Gesicht in den Händen. In dem Augenblick öffnete sich die Tür. Draco sprang auf und hatte sofort den Zauberstab in der Hand. Natürlich war es niemand anders als Potter, der so plötzlich vor ihm stand. Selbstverständlich konnte er nicht das Glück haben, dass es irgendeine Erstklässlerin war, die noch nicht gelernt hatte, dass alle anderen Mädchen dieses Klo aus gutem Grund mieden. „Malfoy!“ Potters bemerkenswerte Augen waren geweitet und er musterte Draco aufmerksam. Für den Geschmack des Slytherins ein wenig zu aufmerksam. Die Tränenspuren waren nicht zu verhehlen. Ausgerechnet Potter! Wut kochte in Draco hoch. Wut darüber, dass Potter immer überall auftauchen und ihm nachschleichen musste. Wut darüber, dass Potter ihn durchschaut hatte und ihm auf den Fersen war. Wut darüber, dass er Potter nicht in der Weise haben konnte, in der er ihn haben wollte. Wut darüber, dass er in diese verdammte Gefühlsfalle getappt war. „Expell...“, begann Draco, doch Potter war schneller. „Sectumsempra!“ Im nächsten Augenblick war die Welt des Blonden von Schmerz erfüllt. Sein Gesicht und seine Brust war mit tiefen Schnittwunden übersät. Blut lief aus diesen Verletzungen. Es rann ihm warm über Brust und Gesicht und nahm ihm langsam die Sicht. Potter hatte ihn mit schwarzer Magie angegriffen. Draco war fassungslos. Dem Gryffindor schien es ähnlich zu gehen. Er sah den Slytherin mit blankem Entsetzen in den Augen an. „Potter!“ Snape kam wie aus dem Nichts herangestürmt und packte Draco beim Arm. Dem jungen Slytherin schwanden die Sinne und er sackte in Snapes Armen zusammen. Er hörte nur noch, wie Potter irgendetwas stammelte und Snape als Antwort Worte brüllte, die für Draco keinen Sinn machten. Dann verlor er endgültig das Bewusstsein. Als Draco wieder zu sich kam, hörte er einen leisen Singsang. Matt schlug er die Augen auf. Potter hatte ihn angegriffen. Mit schwarzer Magie. Potter hatte ihn ernsthaft verletzt. Wenn er es nicht selbst erlebt hätte, hätte er es niemals für möglich gehalten. Nicht ein Harry Potter. Er spürte, wie sich Tränen in seinen Augen sammelten und blinzelte sie mühsam weg. Der Singsang brach ab. „Mr. Malfoy! Merlin sei Dank!“ Madam Pomfrey schien unendlich erleichtert. Draco wollte sich aufrichten, doch eine kräftige Hand drückte ihn zurück in die Kissen. „Bleiben Sie liegen, Draco.“ Der Slytherin sah auf und in die besorgte Miene von Severus Snape. Das Gesicht des Zaubertränkelehrers war ebenso kalkweiß wie das von Madam Pomfrey. „Was war das vorhin? Was war das für ein Zauber?“, fragte Draco leise. Die Schmerzen hatten nachgelassen, doch er fühlte sich noch immer matt und erschöpft. „Ein schwarzmagischer Spruch, der nicht verzeichnet ist“, begann Madam Pomfrey zu erklären, „Doch zum Glück kannte Professor Snape den Gegenspruch. Ansonsten...“ Sie schüttelte den Kopf und ihr war anzusehen, dass sie die ganze Sache wirklich mitgenommen hat. „Gehen Sie, Madam“, sagte Snape in diesem Moment. „Sie sollten sich ausruhen, ansonsten müssen wir uns als nächstes um Sie kümmern.“ Die Medihexe nickte nur und verschwand in ihrem Büro. Draco schätzte, dass sie wahrscheinlich auf einen Feuerwhisky als Medizin zurückgreifen würde, etwas, was er gar nicht so unklug fand. „Wie fühlen Sie sich, Draco?“, fragte Snape. Der Slytherin schenkte seinem Hauslehrer einen Blick mit einer hochgezogenen Augenbraue. „Das ist eine überflüssige Frage. Da Sie den Gegenzauber kannten, wussten Sie, was dieser Fluch auslöst und das wiederum bedeutet, dass es absolut nicht notwendig ist, wenn ich Ihnen meine Befindlichkeit schildere.“ Für einen Augenblick erschien fast so etwas wie ein Lächeln auf Snapes Gesicht. „Da Ihre Zunge wieder gewohnt gewandt ist, vermute ich, dass es Ihnen wieder gut geht.“ Draco nickte nur. „Sie sollten sich weiter ausruhen. Und... sind Sie sicher, dass Sie keine Hilfe wollen?“ Der Blonde seufzte leise. Er wusste ganz genau, worauf Snape abzielte. Und er ahnte, dass es langsam nicht mehr anders ging. Aber ihm kam gerade eine Idee... Wenn er es alleine nicht schaffte. Was war, wenn er sich mehr Hilfe holte? „Wie kann ich die Türen von Hogwarts öffnen?“, fragte Draco leise. Es war der einzige Weg, den es in seinen Augen zu geben schien. Snape beugte sich vor und flüsterte dem Slytherin die Antwort ins Ohr. Die Weichen waren gestellt. Jetzt musste Draco nur noch auf den passenden Augenblick warten... Vor nicht allzu langer Zeit hätte der Blonde noch Hemmungen gehabt, den Todessern die Türen zu der Schule zu öffnen, doch dieses Mal... Nein, nicht mehr. Wut und Hass erfüllten ihn. Besonders auf Harry Potter. Und er war nicht bereit, sein Leben dafür aufs Spiel zu setzen, damit solche Menschen in ihrer trügerischen Sicherheit weiter vor sich hinleben konnten. Nein, es wurde Zeit, die Finsternis in die heimeligen Hallen zu lassen und Angst in den Herzen aller Schüler zu säen. Er würde nicht mehr zulassen, dass er der Einzige war, der diese unsägliche Todesangst empfand. Kapitel 7: VII. My lesson ------------------------- Falling apart and all that I question Is this a dream or is this my lesson Der Zeitpunkt war günstig. Snape hatte ihm verraten, dass Dumbledore die Schule verlassen hatte. Draco stand vor dem Großen Tor, das nun die einzige Barriere zwischen der Schule und den Todessern bildete. Für einen Augenblick schloss er die Augen. Seine Hände zitterten, als er seinen Zauberstab aus der Tasche zog. Wenn er diesen Schritt machte... Dann würde es kein Zurück mehr geben. Gab es das denn überhaupt noch? Hatte es je ein Zurück gegeben? Oder war er nicht sowieso von vornherein auf diesen Weg gezwungen und darauf festgehalten worden? Hatte er jemals eine Wahl gehabt? Hatte er? Draco war sich nicht sicher. Vielleicht hatte es irgendwann einmal eine andere Möglichkeit für ihn gegeben. Doch jetzt? Ein Schauer rann ihm über den Rücken. Er wollte es beenden. Er wollte seine Angst beenden, er wollte seine Familie schützen. Und zugleich... Zugleich wollte er Harry Potter aus seinem Kopf bekommen. Und er wollte diesen Schmerz, diese Angst in seinem Inneren über die ganze Welt verteilen. Er war nicht bereit, das allein zu ertragen. Er war nicht bereit dazu, als Einziger in diesem Labyrinth der Pein gefangen zu sein. Er sah es nicht ein. Es mochte Überheblichkeit sein oder Arroganz. Es war ihm gleich. Er würde nicht alleine leiden. Erneut erfüllten ihn Wut und Hass. Beides richtete sich gegen die Welt, die diese Dinge von ihm verlangte. Gut, wenn sie es unbedingt wollte, dann würde er sie in Flammen setzen und zerstören! Draco hob den Zauberstab und sprach die höchst geheime Formel, die die Türen von Hogwarts für jeden öffnen würden, den er herein lassen wollte. Draco wartete versteckt auf dem Astronomieturm. Er hatte das Dunkle Mal an den Himmel gezaubert und von dort aus leuchtete sein grünes Licht schauerlich über das schlafende Schloss. Er wartete. Dumbledore würde mit Sicherheit hier hinauf kommen. Und tatsächlich kam der Schulleiter. „Expelliarmus!“ Der Zauberstab des wohl mächtigsten Magiers der Gegenwart flog über die Brüstung. Ehe Draco sich jedoch zeigen konnte, wandte sich der Schulleiter ihm zu. „Guten Abend, Draco.“ Langsam trat der Slytherin aus dem Schatten, den Zauberstab drohend auf Dumbledore gerichtet. Er hatte noch immer Angst. Jetzt vor dem, was tun musste. Was er tun würde. Seine Augen wanderten über den zweiten Besen. „Wer ist noch außer Ihnen hier?“, fragte er leise. „Das Gleiche könnte ich Sie fragen. Sie sind doch auch nicht allein unterwegs, nicht wahr?“, entgegnete der Schulleiter und wich damit aus. Der Kampflärm von unten sorgte dafür, dass Draco abgelenkt war und übersah, dass Dumbledore nicht auf seine Frage geantwortet hatte. „Es sind Todesser in Ihrer Schule.“ „Oh, sieh an... Haben Sie den geheimen Öffnungszauber herausgefunden? Oder gab es einen anderen Weg?“ Draco zuckte mit den Schultern. Dieses Geplänkel ging ihm auf die Nerven. Jeden Moment, den er länger zögerte, würde seine Entschlossenheit schwinden lassen. Mit jeder Sekunde verlor er die Kraft, Dumbledore zu töten. „Es spielt keine Rolle. Sie sind hier. Und sie werden gleich kommen... Sie kümmern sich nur um ein paar Ihrer Wachen. Und ich... Ich werde in der Zwischenzeit meine Aufgabe erledigen.“ Seine grauen Augen fixierten Dumbledore, der noch immer keine Anstalten gemacht hatte, sich zu bewegen. Das irritierte Draco. Warum war dieser Mann so ruhig? Es schien fast, als wenn... „Dann tun Sie es, Draco. Zögern Sie nicht.“ „Das tue ich nicht!“, fauchte der Slytherin und hob den Zauberstab drohend an. Irgendwann im Laufe des Gesprächs musste er ihn gesenkt haben, doch er konnte sich nicht erinnern, wann es gewesen war. Die Anspannung in seinem Inneren war fast greifbar. Seine Hand zitterte. „Draco, Sie sind kein Mörder“, sagte Dumbledore mit einem unergründlichen Lächeln auf diesem Gesicht. „Sie haben keine Ahnung!“, brüllte der Slytherin. „Sie haben überhaupt keine Ahnung! Sie wissen nicht, wozu ich fähig bin! Sie wissen nicht, was ich getan habe!“ „Oh doch...“ Der Schulleiter lächelte weiterhin. „Sie haben beinahe Katie Bell und Ronald Weasley mit ihren stümperhaften Versuchen umgebracht. Aber mir – mir sind Sie kein einziges Mal auch nur gefährlich geworden. Sie sind kein Mörder, Draco.“ Der Blonde schnaubte leise. „Es hindert Sie nichts mehr, es zu tun, Draco. Ich bin unbewaffnet, ich bin wehrlos...“ „Hören Sie auf!“ Dracos Stimme überschlug sich. Sein Zauberstab zitterte immer mehr. Er musste es tun. Er hatte keine Wahl. Wenn er es nicht tat, was würde dann geschehen? Der Dunkle Lord würde sein Versagen bestrafen. Er würde ihn foltern, ihn töten. Und seine Familie... Draco traten Tränen in die Augen. Er wusste nicht, was er tun sollte. Er wollte nicht sterben und er wollte nicht, dass seiner Mutter etwas geschah. Aber genauso wenig wollte er Dumbledore töten... „Sie wollen mich nicht töten, Draco. Wenn Sie es gewollt hätten, dann hätten Sie es direkt nach meiner Entwaffnung getan...“ Die Stimme des Schulleiters war sanft. Draco sah auf. Eine einzelne Träne rann ihm über die Wange. „Ich habe keine Wahl... Er bringt mich um, wenn ich es nicht tue. Er bringt meine ganze Familie um...“ „Ich weiß... Aber ich kann Ihnen helfen. Wechseln Sie die Seiten. Kommen Sie zu mir und ich werde Sie beschützen...“ Für einen Augenblick glaubte Draco, Licht zu sehen. War das der Ausweg? War das der Ausweg aus dieser Dunkelheit? Für einen winzigen Augenblick hatte er Hoffnung. Doch diese wurde die Erinnerung an den Dunklen Lord sofort wieder zunichte gemacht. „Sie können mich nicht schützen. Niemand kann es... Ich muss Sie töten oder er tötet mich. Eine andere Wahl gibt es nicht...“ „Draco, ich kann Ihnen helfen. Wir können Ihre Mutter noch heute Nacht herholen und Ihr Vater ist in Askaban sicher...“ Die Hoffnung glühte einmal mehr auf. War es möglich? Oh ja, es schien so. Er musste nur diesen einen Schritt tun... Die Tür hinter Draco sprang auf und er wurde beiseite gedrängt. Todesser betraten die Plattform. Es war vorbei. Die Chance war vertan. Er würde auf dieser Seite bleiben müssen. Nun hatte er keine Wahl mehr. Bitterkeit machte sich in ihm breit, als er begriff, dass er doch eine Wahl gehabt hatte. Wenn er eher mit Dumbledore gesprochen hätte... Dann hätte alles einen anderen Weg nehmen können.... Kapitel 8: VIII. He’s under my skin ----------------------------------- Oh, he’s under my skin Just give me something to get rid of him I’ve got a reason now to bury this alive Another little white lie Während sich die angekommenen Todesser und Dumbledore ein Wortgeplänkel lieferten, wanderten Dracos Gedanken weiter zu Harry Potter. Er schloss die Augen und sah den Jungen-der-lebt einmal mehr vor sich. Die leuchtend grünen Augen, die ihn mit unverhohlenem Hass ansahen und die allen anderen gegenüber so weich und warm sein konnten. Er schluckte hart. „Jetzt hast du genug Grund, mich zu hassen... Mehr als genug...“, murmelte der Slytherin leise. „Tu es endlich, Draco!“, kreischte ihn in diesem Moment eine der Todesserinnen an. Draco hob den Kopf und aus verschleierten Augen sah er den Schulleiter an. „Ansonsten geh aus dem Weg und lass es einen von uns tun!“ Draco richtete seine Zauberstab auf Dumbledore, doch seine Hand zitterte so sehr, dass er kaum richtig zielen konnte. Tu es... Töte diesen Mann, an dessen Rockzipfel Potter immer hängt. Füge ihm Schmerz zu. Vernichte ihn, zerschlage ihn. Verletzte ihn, damit er weiß, wie es ist... Damit er ein Gefühl für die Dimension deines Leids bekommt... „Ava...“, setzte Draco an, doch er konnte den Todesfluch nicht zu Ende bringen. Nur allzu deutlich sah er grüne, traurige Augen vor sich. Egal, wie groß der Schmerz in seinem Inneren war, er konnte es nicht. Jemand schubste ihn beiseite. Snape betrat die Bildfläche und tat kurz und schmerzlos das, was der blonde Slytherin nicht fertig gebracht hatte. Der grüne Fluch jagte direkt auf Dumbledores Brust zu, traft den Schulleiter und stieß ihn über die Brüstung. „Es tut mir Leid...“, flüsterten Dracos Lippen fast unhörbar. Der Junge, an den sich seine Worte richteten, würde sie nur niemals hören können. Snape packte ihn am Arm, riss ihn herum und zerrte ihn mit. „Raus hier, schnell!“ Dracos Augen waren noch immer voller Tränen, die ihm die Sicht erschwerten, aber er rannte. Er rannte ohne an irgendetwas zu denken. Er rannte nur noch. Irgendwann stieß ihn Snape von sich und brüllte ihn an, dass er weiter laufen sollte. Und das tat der Blonde. Doch am Rand des Verbotenen Waldes war er am Ende. Er tat noch einige schnelle Schritte, dann knickten ihm die Knie ein und sank ins Gras. Er presste die Hände vor das Gesicht und wurde von Schluchzern geschüttelt. Alles war außer Kontrolle geraten. Alles. Er hatte nicht gewollt, dass es so endete. Er hatte es nicht gewollt! Als Dumbledore ihm diesen Strohhalm hingehalten hatte – er war bereit gewesen, ihn anzunehmen, hatte er doch immer irgendwie tief in seinem Innersten auf Rettung gehofft. Rettung. Vor dem Dunklen Lord. Vor allem, das seine Seele aufzufressen und zu zerbrechen drohte. Jetzt stand er auf einer Seite, auf der er nicht stehen wollte. Welche Wahl hatte er aber noch? Jetzt würde er sich Voldemort stellen müssen, um Gnade oder Bestrafung zu empfangen. Er würde wohl oder übel ein Todesser werden. Und da war es besser, wenn er alles hinter sich ließ, das ihm dabei im Wege stand. Er durfte nichts anderes mehr als Wut und Hass in seinem Herzen spüren. Da war für nichts anderes mehr Platz. Es durfte nicht mehr für irgendetwas anderes noch Platz sein. Es ging einfach nicht. Und gerade dieses Gefühl für Harry Potter musste verschwinden. Es musste. Für Liebe war kein Platz in seinem Leben. Nicht für eine solche Liebe. Nicht für eine Liebe zu seinem Erzfeind, zu dem Feind des Dunklen Lords. Es durfte nicht sein, konnte nicht sein. Und doch hatte sich Harry Potter viel zu tief unter seine Haut gegraben. Manchmal hatte er den Eindruck, dass er ihn regelrecht unter seiner Haut kratzen und krabbeln spüren konnte, wie einen Fremdkörper, der dort nicht sein sollte. Und doch wurde er ihn nicht los. Er hatte keine Ahnung. Er wusste nicht wie. Er konnte sich nicht die Haut blutig kratzen. Es gab keine magische Möglichkeit, ihn dort hinaus zu bekommen. Er konnte sich nicht aufschneiden und herausreißen, was ihn so peinigte, so quälte. Denn es war alles nur in seinem Kopf. Nur in seinem Kopf... Er krallte seine Finger in das blonde Haar. Er musste dieses Gefühl abtöten. Er musste es. Es würde ihn sonst umbringen... Sie standen auf unterschiedlichen Seiten. Sie waren stets Gegner gewesen, doch nun waren sie Feinde. Todfeinde. Potter, der immer auf der Seite der ‚Guten’ gestanden hatte, und er, Draco, der stets in der Dunkelheit gefangen gewesen war. Ja, er war gefangen gewesen. Er hatte keinen anderen Weg gesehen. Er hatte nie die Möglichkeit in Betracht gezogen, Vertrauen zu jemandem zu haben und den Mut zu haben, die Seiten zu wechseln, ehe es zu spät war. Jetzt war es zu spät. Längst zu spät. Er musste dieses Gefühl begraben, er musste es auslöschen. Irgendwie... Er warf den Kopf in den Nacken und schrie. Seine heisere Stimme drang durch die Nacht und wurde von dem langsam fallenden Regen schließlich erbarmungslos verschluckt. Noch nicht einmal ein letzter, wortloser Hilfeschrei konnte jemanden erreichen, konnte ihn erreichen. Es gab keinen Weg. Keinen. Wenn ihre Pfade einst verschlungen gewesen waren, so waren sie nun getrennt. Und sollte er Harry Potter noch einmal gegenüber stehen, dann würde es in einem Krieg sein, bei dem sie an unterschiedlichen Fronten kämpften. Ein Krieg, bei dem sie auf gegenüberliegenden Seiten standen und sich einen Kampf auf Leben und Tod liefern würden... Und zugleich spürte Draco, wie dieses Tier, das Harry Potters Namen trug, noch immer unter seiner Haut wütete und sich weigerte, zu sterben. Aber das würde es müssen. Und es würde es tun. Langsam stand der Slytherin auf. Seine grauen Augen waren leer, während sie den Regen zu durchdringen suchten und seine Ohren auf Snapes Schritte lauschten. Er würde Harry Potter so hinter sich lassen, wie er das Leben in Hogwarts hinter sich gelassen hatte. Es gab keine Wahl mehr. Und auf einmal schien das Tier unter seiner Haut still zu liegen... Kapitel 9: IX. I don’t believe I’ll be alright ---------------------------------------------- I don’t believe I’ll be alright I don’t believe I’ll be OK I don’t believe how you’ve thrown me away I do believe you didn’t try I do blame you for every lie When I look in your eyes, I don’t see mine Es war erstaunlich, wie sehr ein Mensch abstumpfen konnte. Ja, es war wirklich erstaunlich. Mit ausdruckslosen grauen Augen sah Draco zu, wie eine Gruppe von knapp einem Dutzend Todesser durch Hillington, einen Stadtteil Londons, tobten. Es war ihm gleich geworden. Der Dunkle Lord hatte ihn angenommen und ihn belohnt, anstatt ihn zu bestrafen, nachdem Snape herausgestellt hatte, dass es Draco gewesen war, der den Todessern den Zugang zu Hogwarts ermöglicht hatte. Er lebte. Und doch war dieser Umstand Draco seltsam gleichgültig. Genauso wie das alles um ihn herum. Gerade wurde ein weiteres Haus in Brand gesteckt und er konnte einige grüne Todesflüche durch die Luft rasen sehen. Es war, als wenn er nicht hier war. Es war, als wenn ihn nichts davon anging. Sein Ich schien sich tief in einem Schneckenhaus zusammengekrümmt zu haben und sich zu weigern, wieder hervorzukommen. Manchmal war er sich nicht sicher, ob er überhaupt noch lebte. Dann ballte er die Fäuste so fest, dass seine Fingernägel in die Haut schnitten und ihm Schmerz und schließlich auch Blut bewiesen, dass er wirklich noch lebendig war. Hin und wieder blickte er auf das dunkle Mal auf seinem Unterarm. Es erschien ihm unwirklich, auch wenn ihm der Schmerz, mit dem es ihm in die Haut gebrannt worden war, nur allzu deutlich im Gedächtnis geblieben war. Einmal mehr waren seine Grenzen überschritten und erweitert worden. Wie viel Schmerz konnte ein Mensch ertragen, ohne wahnsinnig zu werden? Wie viel Schmerz konnte ein Mensch ertragen, ohne dass er den Punkt erreichte, an dem er nichts mehr fühlte? Draco stand vor diesem Punkt. Alles in ihm schrie unter endloser, seelischer und körperlicher Pein auf, doch langsam aber sicher fühlte er nichts mehr. Er stumpfte ab. Er spürte es nur allzu deutlich, wenn er sah, wie die Todesser sich unter seiner Aufsicht austobten. Snape war nach ihrer Rückkehr zum Dunklen Lord dessen rechte Hand geworden. Der ehemalige Zaubertränkelehrer hatte dafür gesorgt, dass Draco wiederum seine rechte Hand geworden war und sich stets in der Nähe des Dunklen Lords aufhielt. Snape sorgte sich um ihn, wie es Draco mit einer gewissen Verblüffung aufgegangen war. Verantwortungsgefühl gegenüber Narzissa Malfoy? Oder lag ihm doch wirklich etwas an Draco selbst? Wenn Draco ehrlich war, dann war es ihm relativ egal. Er war sicher im Auge des Sturms und das behagte ihm nicht. Dennoch nahm er diese Sicherheit an. Welche andere hatte er denn? Bohrend war in ihm, dass nichts mehr so werden würde wie zuvor. Er würde die Sicherheit nicht mehr zurückgewinnen, die er einmal besessen hatte. Seine Welt war aus den Angeln gehoben und zerstört worden. Er selbst hatte sie aus den Angeln gehoben. Nun ging auch die restliche Welt in Flammen auf und er stand auf der Seite desjenigen, der ihren Untergang bewirken würde. Ein Untergang, um daraus seine eigene Terrorherrschaft zu begründen. Draco rann ein Schauer über den Rücken. Ihm gefielen diese Zukunftsaussichten nicht, doch er allein würde sie nicht aufhalten können. Er würde gar nichts tun können. So wie er schon zuvor machtlos gewesen war. Machtlos gegenüber allem. Er war nur froh, dass die Todessermaske keinen Blick auf sein Gesicht erlaubte, denn sonst hätte man den traurigen Blick aus seinen grauen Augen sehen können. Konnte nichts und niemand diese Welt noch retten? Sein Inneres krampfte sich zusammen, als seine Gedanken unwillkürlich zu dem Jungen wanderten, der schon einmal den Dunklen Lord besiegt hatte. Konnte er es noch einmal tun? Konnte Harry Potter noch einmal siegen? Auch unter diesen Bedingungen? Ein Teil von ihm hoffte es. Und ein anderer Teil hoffte, dass er Harry Potter niemals wiedersehen und all diese unsägliche Hoffnung in seinem Innersten endlich begraben können würde. Aber es ging nicht. So kalt und leer er sich auch fühlte, eine kleine Flamme brannte beständig weiter, egal wie oft er auch schon versucht hatte, sie zu löschen. Es ging nicht. Diese dumme, kleine Tier hatte sich unter seiner Haut durchaus lange Zeit still verhalten, doch immer wieder – und natürlich in den unpassendsten Momenten – erinnerte es ihn daran, dass es noch da war. Dass Harry Potter noch da war. Und dann stand er wieder am Rande des Abgrunds und war bereit zu springen. Es wäre alles viel leichter zu ertragen, wenn es nicht wäre. Wenn Harry Potter nicht wäre. Doch so ertappte er sich immer wieder dabei, wie er sich durch die smaragdgrünen Augen des Jungen-der-lebt sah. Er war angewidert von sich selbst. Er war es für das, was er tat. Für das, was er tun würde. Und für das, was er getan hatte. Besonders für letzteres. Der Dunkle Lord mochte über den Tod Dumbledores mehr als nur einfach erfreut gewesen sein – Draco hatte sein Tod geschmerzt. Ausschlaggebend mochte dafür auch gewesen sein, dass Dumbledore ihm im letzten Moment eine goldene Brücke angeboten hatte. Eine Brücke, die Draco nur allzu gerne betreten hätte. Er war bereit gewesen, alles hinter sich zu lassen. Bereit, alles auf eine Karte zu setzen und das Risiko einzugehen. Trotz allem hatte er Dumbledore vertraut, denn es hatte niemals einen Grund gegeben, es nicht zu tun. Er war bereit gewesen, für lange Zeit ein Versteck in Kauf zu nehmen oder als Spion für Dumbledores Orden sein Leben zu riskieren, solange seine Mutter nur in Sicherheit war. Er war dazu bereit gewesen. Das Einzige, was er nicht hätte aushalten können, wäre Potters dauerhafte Präsenz. Das wäre das Einzige gewesen, womit man ihn in die Arme des Dunklen Lords hätte treiben können. Manchmal gab es eine seelische Qual, die größer war als alles andere, was man einem Menschen antun konnte. Ein schmerzhaftes Ziehen auf seinem Unterarm riss ihn aus seinen Gedanken. Der Dunkle Lord wünschte ihn zu sprechen. „Crabbe, Sie übernehmen“, knurrte er dem Vater von Vincent Crabbe zu, dessen Sohn ihm zu Schulzeiten immer als Leibwächter zur Seite gestanden hatte, und der jetzt dort vorne irgendwo in der Hölle aus Feuer unterwegs war. Kapitel 10: X. I’ve got a reason now to bury this alive ------------------------------------------------------- Oh, he’s under my skin Just give me something to get rid of him I’ve got a reason now to bury this alive Another little white lie Es hatte nicht lange gedauert und sie hatten Hogwarts eingenommen. Die Verteidigung der Schule mochte gut gewesen sein, aber sie war nicht stark genug gewesen. Der Orden des Phönix galt als ausgelöscht – doch auch die Todesser hatten hohe Verluste hinnehmen müssen. Große Namen waren gefallen und ihre Reihen hatten sich deutlich gelichtet. Unter ihnen waren die Väter von Crabbe und Goyle gewesen und auch Pettigrew und Bellatrix Lestrange hatten den Angriff nicht überlebt. Voldemort hatte sich in Dumbledores Stuhl in der Großen Halle niedergelassen. Die Tische hatte man beiseite gestellt. Er saß dort wie eine Spinne, die in einem Netz auf ihre Beute lauerte. Snape und Draco hielten sich nun beinahe ständig in der Halle auf. Es gab keine Außeneinsätze mehr für den Slytherin und jüngsten Todesser aller Zeiten. Hier, im Herzen der Höhle des Löwen, waren die Masken überflüssig. Nur die schwarze Todesserrobe trug er. Es war ein seltsames Gefühl, wieder in der Schule zu sein. Und noch seltsamer fühlte es sich an, hier kein Schüler mehr zu sein, sondern ein Eindringling, ein Besetzer. Er fühlte sich fehl am Platz. Sie sollten nicht hier sein. Kein Todesser sollte hier sein und diese Hallen so entweihen, wie sie es im letzten Jahr bereits getan hatte. Voldemort sollte nicht hier sein und die Schule mit seiner grausamen Präsenz anfüllen. Er sollte nicht die gütige Aura Dumbledores verdrängen – und doch tat er es. Sie warteten. Sie warteten nur noch und das war etwas, das an Dracos Nerven zerrte. Er wusste nicht, worauf sie warteten. Darüber hatte sich der Dunkle Lord ausgeschwiegen. Für eine Weile schloss Voldemort seine roten Schlangenaugen. Als er sie wieder öffnete, zierte ein kaltes Lächeln seine schmalen Lippen. „Er kommt. Er ist auf dem Weg hierher.“ „Wer, mein Herr?“, fragte Draco in einem Anflug von Mut. Der Blick aus den roten Augen traf ihn und augenblicklich senkte der Blonde den Kopf. „Harry Potter. Er ist gekommen, um das zu versuchen, was ihm schon einmal gelang. Doch er wird scheitern.“ Die Worte schlugen in Dracos Herz wie Messer. Potter war auf dem Weg hierher. Harry war auf dem Weg hierher. Bei Merlin, das konnte einfach nicht wahr sein! Das durfte nicht wahr sein. Und doch hatte der Dunkle Lord dahingehend keinen Grund zu lügen. Warum auch? Draco schloss die Augen und atmete tief durch. Das war etwas, das er nicht erwartet hatte. Gut, Harry war wirklich ein absoluter Idiot, was seine Heldenhaftigkeit anging, aber dass er dermaßen lebensmüde war... Der Slytherin schüttelte leicht den Kopf. Dann wurde er sich bewusst, wo er war und er sah auf. Doch der Dunkle Lord hatte seine Aufmerksamkeit längst auf irgendetwas anderes gerichtet und beachtete ihn nicht weiter. Harry. Kam. Her. Er. Würde. Harry. Potter. Wiedersehen. Er musste wirklich verflucht sein. Draco fuhr sich durch das blonde Haar. Feine Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Er hatte Angst vor der Begegnung mit Harry Potter. Sie würde dem Gryffindor all das bestätigen, was er immer gewusst hatte. Sie würde ihm all das bestätigen, was er immer von Draco gedacht hatte. All das, was falsch war. Und Draco würde niemals die Gelegenheit dazu erhalten, dieses Bild zu korrigieren. Niemals. Sobald Harry Potter durch diese Tür herein kam, würde er von ihm den Stempel des Todessers noch nachdrücklicher erhalten, als es das Dunkle Mal auf seinem Arm konnte. Er würde gebrandmarkt sein. Durch die Augen des Jungen, den er liebte. Dracos Hände waren eiskalt, während er sich einmal mehr durch die Haare fuhr. Er wollte das nicht. Im Augenblick wünschte er sich, dass er damals bei diesem dummen Quidditchunfall gestorben oder von Voldemort umgebracht worden wäre. Das erschien ihm viel verlockender, als Harry in die Augen sehen zu müssen. Er wollte es nicht. Und er fürchtet zu Recht , dass er nicht die Kraft dazu haben würde. Woher sollte er die Kraft zu einer Begegnung nehmen, wenn ihn doch schon allein der Gedanke an diesen Jungen auf die Knie brachte? Wenn allein der Gedanke ihn schon beinahe brach? Wie konnte er Harry in die Augen sehen und gleichzeitig all das verkörpern, was für diesen verachtungs- und verabscheuungswürdig war? Wie konnte er nur auf dieser Seite stehen und sein Feind sein? Wie konnte das nur sein? Das Leben spielte nun einmal nicht fair. Es ließ einem manchmal keine Wahl. Und wenn Draco eine Wahl gehabt hatte, dann hatte er sie nicht ergriffen. Es war ja nicht so, dass er mit Begeisterung hier war. Aber er war hier. Das war es doch letztendlich, was zählte... Er war hier. Er stand hier an der Seite des Dunklen Lord. Und er wartete darauf, dass der Junge, den er beständig zu vergessen suchte und den er doch noch immer mit der gleichen heißen Intensität liebte, hier herein kam und in einen Kampf auf Leben und Tod verwickelt wurde. Und diesen Kampf wahrscheinlich nicht überleben würde. Wie sollte Harry eine Chance gegen Voldemort und Snape haben? Wie sollte der Junge-der-lebt einmal mehr überleben und triumphieren? Es war aussichtslos. Vollkommen aussichtslos. Das Schicksal war grausam. Das Leben war grausam. Und wenn er sich dafür entschied, an Harrys Seite zu kämpfen? Was dann? Der Gedanke schlich sich leise in seinen Kopf. Konnte er es? Konnte er das wagen? Draco war sich nicht sicher. Alles in ihm schrie schmerzerfüllt und lautlos auf – und zugleich wurde sein Kopf leer. Er war wie paralysiert. Kapitel 11: XI. My permission to sin ------------------------------------ Oh my permission to sin You might have started my reckoning I’ve got a reason now to bury him alive Another little white lie Die Tür zu der Großen Halle wurde aus den Angeln gerissen und die Türflügel donnerten gegen die Wände. Draco zuckte unwillkürlich zusammen. Einen solchen Auftritt hatte er von Harry nicht erwartet. „Harry Potter...“ Der Dunkle Lord stand langsam auf, während Harry, den Zauberstab fest in der Hand, in abgerissenen Jeans und einem verblichenen Sweatshirt auf den wohl derzeit mächtigsten Magier der Welt zumarschierte. Seine grünen Augen funkelten. Kurz wanderten sie über Snape und Draco und zogen sich dabei wütend zusammen, doch dann behielten sie Voldemort fest im Blick. Angesichts dieses Ausdrucks schloss Draco kurz die Augen. Beinahe konnte er das Brandzeichen auf seiner Haut spüren. Das war es also. Todesser Draco Malfoy. Und dass Harry Potter ihn so sah, machte ihm vielmehr aus als irgendetwas anderes. „Voldemort.“ Harry blieb knapp zehn Meter vor Voldemort stehen. „Oder sollte ich nicht besser sagen: Tom Riddle?“ Die roten Augen des Dunklen Lords blitzen wütend auf. „Du willst mich provozieren, junger Potter... Jedes deiner Worte wird auf eine Waage gelegt und eine schmerzhafte Strafe nach sich ziehen...“ „Und jede deiner Taten lag auf einer Waage und wird für dich eine Strafe nach sich ziehen!“ Harrys Stimme war klar und hallte in dem Saal wider. „Du willst mich also töten, junger Potter. Es wird dir aber nicht gelingen!“ Voldemort stand auf, hob den Zauberstab und tat einige Schritte auf Harry zu. „Falls du deine Horkruxe meinst – die sind alle zerstört.“ Der Gryffindor grinste und holte einige verbeulte, angekokelte und reichlich mitgenommene Gegenstände aus seiner Tasche und warf sie auf den Boden. „Alle sechs. Der einzige Teil deiner Seele, der dir noch bleibt, befindet sich in deinem Körper. Du bist sterblich.“ Ein wütendes Zischen entfuhr dem Dunklen Lord und er schickte einen hässlichen Feuerfluch nach Harry, den dieser sofort abblockte. „Woher...?“ „Oh, der Verräter befand sich genau an deiner Seite...“ Harry lächelte zuckersüß, während sich Snape aus dem Hintergrund löste und sich zu dem Jungen-der-lebt gesellte. Snape war ein Verräter. Snape war ein Doppelagent. Er hatte trotz allem weiter auf der Seite von Dumbledores Orden gestanden. Draco fiel aus allen Wolken. Wenn Snape es konnte... – konnte er es dann nicht auch? Einfach so, die Seiten wechseln? Aber es wäre nichts weiter als auf Zeit. Auch so würden die beiden keine Chance gegen Voldemort haben. Mit hoher, kreischender Stimme schleuderte der Dunkle Lord den ersten Fluch. Harry und Snape wichen ihm aus und damit war der Kampf eröffnet. Wie versteinert sah Draco dem Kampf zu. Er sah die verschiedensten Flüche durch die Luft rasen und er schaute sich regelrecht selbst dabei zu, wie er dort stand, hin und wieder einen verirrten Zauber abblockte oder einem solchen auswich, und nichts tat. Er wurde nicht aktiv. Er starrte nur paralysiert auf das Gefecht, das sich ihm darbot. Er fühlte sich gar nicht in der Lage, irgendetwas zu tun. Es war der vierte oder fünfte Fluch, der Snape in die Seite traf und den Lehrer von den Füßen riss. Doch diesmal stand dieser nicht wieder auf, sondern blieb reglos liegen. Er war wahrscheinlich bewusstlos – trotz allem hatte Voldemort noch keinen einzigen Todesfluch eingesetzt. Er spielte mit seinen Gegnern. „Nur noch du und ich, Potter. Hier ist niemand mehr, der dich beschützen wird. Hier ist niemand mehr, der sein Leben für dich geben wird...“ Voldemort lachte heiser. „So jemanden brauche ich auch nicht.“ Harrys grüne Augen blitzten den Dunklen Lord herausfordernd an. „Wir werden sehen...“ Erneut lachte Voldemort rau und hämisch auf. Dann ging der Fluchwechsel weiter. Schließlich wurde Harry entwaffnet. Draco sah dem Geschehen mit ausdruckslosen Augen zu. Wenn er stirbt, dann ist er fort... Endgültig... Dann kann er dich nicht mehr quälen... Dann kann er dich nicht mehr heimsuchen... Eine leise, seltsam hoffnungsvolle Stimme klang in seinen Gedanken. Voldemort stand mit einem zufriedenen Ausdruck auf dem bleichen Gesicht über Harry und hob seinen Zauberstab. „Crucio!“ Der Junge-der-lebt wandt sich unter den namenlosen Schmerzen, die dieser Zauber auslöste, und stöhnte leise auf. Schließlich begann er zu schreien. Er leidet... Er leidet endlich den gleichen Schmerz, den du empfunden hast. Namenlos und doch brennend und bohrend... Sieh zu, wie er stirbt. Dann bist du frei... Draco schloss die Augen. Er wollte dieses gepeinigte Gesicht nicht sehen. Er wollte die grünen Augen nicht weinen sehen... „Genug gespielt!“ Die kalte Stimme des Dunklen Lords schnitt durch die plötzlich Stille, die auf das Ende des Cruciatus-Fluchs folgte. Harry lag zusammengekrümmt auf dem Boden und atmete schnell und stoßartig. „Es ist Zeit, es zu beenden! Avada Kedavra!“ Draco dachte nicht, während er seinen Zauberstab hochriss. „Proferratus!“ Der Zauber stieß den Gryffindor grob aus der Flugbahn des Todesfluchs und ließ diesen ins Leere gehen. Der Proferratus war nicht dafür gedacht, Menschen zu bewegen, doch hier erfüllte er seinen Zweck. Entschlossenheit erfüllte Draco. Er würde es nicht zulassen. Er würde nicht zulassen, dass Voldemort Harry umbrachte. Er würde alles in seiner Macht stehende tun, um das zu verhindern. „Draco, Draco...“ Der Dunkle Lord wandte sich langsam um und seine roten Augen blickten den Slytherin fast traurig an. „Auch du verrätst mich...“ Bevor er jedoch dazu kam, einen Zauber auszusprechen, war der Zug an Draco. „Crucio!“ Voldemort ging überrascht aufkeuchend zu Boden und krümmte sich schmerzerfüllt zusammen. Sein Zauberstab rutschte bei Seite. Mit grauen Augen, die einem Eissturm glichen, schritt Draco langsam auf den Dunklen Lord zu. All seine Kraft, seine gesamte Energie lag in diesem Zauber. Und er sammelte seine ganze Wut, seinen ganzen Hass für einen weiteren Spruch. „Du hast mein Leben von Anfang an bestimmt, obwohl dir das niemand gestattet hat. Du hast mir alles genommen, was mir je wichtig war. Du hast mir mein selbstbestimmtes Leben genommen. Du hast meine Welt in Trümmer gelegt. Du hast mir ALLES genommen. Aber du wirst mir nicht nehmen, dass er überlebt. Du wirst mir nicht auch noch sein Leben nehmen. DU WIRST MIR IHN NICHT NEHMEN!“ Draco Stimme hallte wie ein Donnerschlag durch die Große Halle. „AVADA KEDAVRA!“ All sein Zorn, all sein Hass, all sein Schmerz, all die tiefen, düsteren Emotionen der siebzehn Jahre seines Lebens legte er in die Fluch – und genauso all die Kraft, die in der Liebe zu Harry Potter steckte. Der grüne Strahl darf Voldemort mitten auf die Brust und schleuderte ihn meterweit durch die Halle. Seine roten Augen brachen, lange bevor er den Boden berührte. Der Dunkle Lord war tot, vernichtet. Draco spürte, wie sein Körper anfing zu zittern. Er hatte keine Kraft mehr. Der Zauberstab fiel aus seinen bebenden Fingern und er sank auf die Knie. Der Dunkle Lord war tot. Er hatte Harry gerettet. Ein trauriges Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Tränen rannen ihm aus den matten Augen. Es war vorbei. Und doch hatte es erst begonnen... Fortsetzung folgt unter dem Titel „J’oublierai ton nom“ Hosted by Animexx e.V. 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