Eien ni furu yuki ga aru nara… von Danisa (If there were an eternally falling snow…) ================================================================================ Kapitel 3: Ent- und Aufdeckungen -------------------------------- Kapitel 3 "Ent- und Aufdeckungen" „Beim Lärm des Wildbachs, aus dem ich täglich meine Schale fülle, erfasst mich kaum noch Staunen und Entzücken.“ (Murasaki, Shikibu: Die Geschichte vom Prinzen Genji, S. 142, Z. 16-18) Akira war kaum ein paar Straßen weiter gekommen, in der völligen Absicht im Go-Salon seines Vaters noch ein paar Partien zu spielen, als er von einer bekannten Stimme aus seinen Gedanken gerissen wurde. „Akira?“ Akira sah von dem roten Ampellicht auf das er genau wie viele anderen, gerade die ganze Zeit über studiert hatte- überrascht- als er diese, ihm vertraute Stimme hörte. Nicht viele Menschen die er kannte nannten ihn bei seinem gegebenen Namen. Er sah auf und erblickte auch schon sofort die Form eines großen, schlanken Mannes im weißen Anzug mit dunkelblauer Krawatte, dunkelblondem Haar und Brille, der ihm eindeutig vertraut war und nun nicht weit von ihm entfernt dastand und ihn nicht minder erstaunt, mit einer erhobenen Braue, musterte. „Ogata-san...“ trudelte der junge Dan ab. Und nach einer Sekunde sprang er leicht von den vielen Menschen zurück die jetzt zielsicher auf die Straße stürmten und sah zu, wie der große, schlanke Mann näher auf ihn zu kam den er fast sein ganzes Leben lang gekannt hatte, und der seine halb begonnene Zigarette jetzt gerade achtlos in einen Gully schnippte. „Akira-kun… Ich bin überrascht.“ Begann der ältere Mann nun mit seiner einzigartigen, gleichmäßigen Stimme, die Akira bekannt geworden war. und der ältere Mann sah ihn an, in einer fast nichts sagenden Art, von der Akira jedoch wusste, dass er gerade tief überlegte. „Hattest du heute nicht ein Spiel? Akiko-san hat nichts Genaues über dich gesagt, als ich nach deinem Vater gefragt habe, nur dass du schon früh aus dem Haus gegangen sein solltest.“ „A-ano… Ich hatte heute ein Spiel…“ Der junge, aufsteigende Dan war für einige Sekunden sprachlos was für eine plötzliche Wendung die Dinge auf einmal genommen hatten. Und er realisierte plötzlich, dass er nicht weiterreden konnte, wenn er Shindo und auch sich selbst jetzt nicht verraten wollte. Er vertraute Ogata, jedoch wusste er nicht wie seine Reaktion auf etwas Derartiges, wie er es gerade getan hatte, ausfallen würde. Etwas, was er in seinem ganzen Leben noch nie getan hatte und obendrein noch so völlig untypisch für ihn war. Doch Seiji Ogata bemerkte natürlich die leichte Unsicherheit des Dans vor sich. Den Augen des Mannes entging nichts. Und Touya Akira auf einmal unsicher und schier leicht schwitzend vor sich stehen zu sehen, ein Junge, dem nachgesagt wurde, das ihn nichts und niemand aus der Ruhe bringen konnte, erregte natürlich ganz klar seine Aufmerksamkeit. Und wie ein erfahrener Go-Spieler, der eine Öffnung in der gegnerischen Verteidigung gefunden hatte, langte der blonde Mann auch schon agil zum Angriff. „’Hatte’?“ wiederholte er monoton, mit einer leicht erhobenen Augenbraue, und Akira halterte. Doch es kam noch besser, als der Mann vor ihm schließlich auch noch eins und eins zusammenzuzählen zu schien. „Dein heutiger Gegner war Shindou, nicht wahr?“ Ein kleines Glimmen war plötzlich unvermittelt bei diesen Worten in die ockerfarbenen Augen des Mannes vor ihm getreten, der nun auf eine leicht sadistische Art lächelte, und Akira wusste im ersten Augenblick nicht, ob es wegen seiner eigenen Scharfsinnigkeit war, oder ob es der Name des blonden Dans selbst in ihm ausgelöst hatte. „Und? Wer hat gewonnen?“ fragte er jetzt. Akira wusste nicht was er dazu sagen sollte. Überhaupt fühlte er sich selbst plötzlich seltsam überfordert mit der Situation. Er blieb einfach stumm. Der dunkelblonde Mann vor ihm runzelte nun leicht die Stirn. Akira sah genau wie es hinter der gläsernen Brille des Mannes vor sich nun heftig an zu arbeiten anfing. Er schien einige, wenige Sekunden intensiv und eindringlich zu überlegen, in denen sein forschender, eindringlicher Blick nicht einmal von seinen eigenen Augen abwich, bevor er letztendlich, plötzlich unvermittelt auf seine Uhr sah. „Die Go-Assoziation macht niemals vor 8 Uhr morgens auf.“ Sagte der blonde Dan dann monoton, in einer klaren, unveränderten Stimme mit keinen Emotionen. „Dan- und Titelspiele finden generell nie vor 9 Uhr statt. Dein Spiel mit Shindo dürfte also gerade mal 5 Minuten betragen haben.“ Akira schluckte plötzlich tief. Der 10. Dan sah ihn wieder an, mit einem Blick den Akira nicht deuten konnte und hinter dem der erfahrener Dan noch immer tief zu überlegen schien. Doch wie immer verriet die stoisch-ruhige Miene nichts. Noch immer standen sich die beiden Profi-Spieler mitten auf einem der zahlreichen Fußgängerwege Tokios gegenüber auf denen die Leute zu hunderten an ihnen entlang schwärmten, ohne das die beiden es schier zu bemerken schienen. Schließlich jedoch drehte sich der Mann im weißen Anzug leicht um und begann unter den erstaunten Augen des 5. Dans langsam in die Richtung zu laufen, aus der er gerade noch gekommen war. „Komm. Wir werden ein Stück zusammen gehen. Und dann möchte ich die ganze Geschichte erfahren.“ Sagte der langsam, ohne sich umzudrehen. Und Akira nickte, auch wenn er wusste dass sein früherer Mentor es nicht sehen konnte, doch aus reiner Gewohnheit, und er eilte dem 10. Dan schließlich hinterher. Nur wenige Minuten durch die lärmenden, frühmorgendlichen Straßen Tokios und die ganze Geschichte war schnell erzählt. Vieles davon was nicht wirklich Stoff für eine Geschichte war, und zum Schluss hob Ogata eine einzelne Augenbraue. „Er ist nicht erschienen?“ Fragte er noch einmal, als er sich bereits erneut wieder eine zweite Zigarette anzündete, und Akira nickte. Seine Nervosität war bereits seit einigen Minuten fast wieder völlig verloren gegangen, seid er einfach angefangen hatte wieder mit seinem früheren Mentor zu sprechen. Ogata hatte eher die Angewohnheit Leute mit seiner lässigen Art und seinen aufmerksamen Augen nervös zu machen, Akira fand es dagegen eher beruhigend. Oft fand er, dass er mit Menschen weit weniger anfangen konnte, die zu viel redeten und nicht für fünf Minuten still sitzen konnten. Vielleicht war es aber auch, das er genau an diese Art von Spielern wie Ogata, schon sein ganzes Leben lang, durch Go, gewöhnt gewesen war. Doch wie es schien, war der Mann neben ihm wirklich nur an der Geschichte interessiert gewesen und er hatte bis jetzt, noch keinerlei Wertung abgegeben. Für einige Sekunden blieb es still als beide ungleichen Männer schweigend durch den kleinen Park gingen, den sie nun vor einigen Minuten betreten hatten, der mitten im Zentrum von Tokio lag, und der- zu dieser Zeit- noch fast menschenleer war. Die beiden Männer die gerade nebeneinander durch ihn spazierten waren wahrlich ein wahrer, äußerer Gegensatz für sich. Der leicht ältere, gut aussehende Mann, in einem maßgeschneiderten, weißen Anzug. Gepaart mit seinem dunkelblonden Haar und der feinen Brille, machte er vielmehr den Eindruck eines reichen Geschäftsmannes aus Europa als eines gebürtigen Japaners, als er in teuren, polierten Schuhen und geschlossenen Augen nun langsam, stetig durch den Park ging. Der um etwa 8 Jahre jüngere Mann neben ihm dagegen hatte dunkles, schwarzes Haar- das leicht ins grün stach als die Sonne vereinzelt durch das Laubwerk brach und als seine hellen, türkisfarbenen Augen nun in die Ferne schauten- und das ganz im Gegensatz stand zu dem Dunkelblond seines Begleiters. Es waren genau diese Augen jedoch, die die beiden Männer gemeinsam hatten… Scharfe Augen, aufmerksame Augen… Augen, die erst richtig zum Leben erwachten, wenn sie Go spielten. Die angrenzenden Flächen neben dem Sandweg auf dem sie gerade gingen, waren weite, grüne Flächen aus Grass, mit vielen vereinzelnden, blühenden Bäumen, in einem hellen, strahlendem rosa, die auch dieses Jahr wieder tausende Touristen aus ganzer Welt anziehen würden. Es waren Sakura-Bäume. Beide Dans genossen nun einträchtig und stumm das schöne Wetter und die fast unwirkliche Schönheit der Sakura-Blüten, die vereinzelt, wie leicht gefärbter Schnee zu Boden fielen, in eingekehrter, vollkommener Stille, bis der ältere, Mann schließlich wieder einen Zug seiner Zigarette nahm und langsam ausatmete. Akira hatte diese Angewohnheit selbst noch nie gemocht und schon immer eine gewisse Abneigung gegen den beißenden Qualm gehalten, doch es war Teil von Ogatas Persönlichkeit wie er sehr wohl wusste. Und er respektierte den Man zu sehr um jemals ernsthaft etwas dagegen zu sagen. Und auch so hatten zahlreiche Spiele in rauchverqualmten Go-Salons ihn weitergehend immun dagegen gemacht, was nicht hieß, dass er es gut hieß…aber immerhin war es tolerierbar. Schließlich jedoch fing Ogata Seiji wieder an zu sprechen als er noch einmal einen weiteren Zug an seiner Zigarette nahm und immer noch generell, die Ruhe selbst zu seien schien. „Und du…?“Fragte er langsam. „Was hast du gemacht um Kirimura davon zu überzeugen, Shindo damit durchgehen zu lassen?“ „A-ano…“ Auf einmal fing Akira wider an leicht zu stottern. Und unter dem scharfen, aufmerksamen Blick seines Mentors schlich sich jetzt eine leichte Röte auf Touya Akiras Gesicht. Und schließlich erzählte er Ogata die ganze Sache, als dieser ihn erneut mit einer erhobenen Augenbraue von oben herab angesehen hatte. Die erhobene Augenbraue blieb auch vorhanden, die ganze Zeit. Und als er, Akira selbst, auf die langsam ausgesprochenen Worte seines Mentors „Du hast gelogen?“ leicht rot anlief, schwor er, dass Ogata mehr amüsiert zu sein schien als alles andere. Zu seinem eigenen Erstaunen nahm der Ältere nicht nur erstaunlich gut auf, was er getan hatte, sondern legitimierte es sogar. „Du hast also Shindou gerettet, weil du dachtest dass er Probleme haben könnte die mit keiner Krankheit zusammenhängen…“ murmelte er schließlich. Es war keine Frage. Und beide deuteten es auch nicht als eine. Schließlich nahm er noch einen erneuten Zug aus der glimmenden Zigarette und blies dann erneut eine kleine Wolke Qualm aus. „Das war doch sehr nobel von dir.“ Murmelte er schließlich, und Akira konnte kaum sein Erstaunen verbergen. „Wenn dir ein Gegner so viel bedeutet, dann tut man eben alles Mögliche um gegen ihn auch weiter spielen zu können.“ „Sie finden nicht, dass ich das Falsche gemacht habe?“ „Nein, warum denn?“ Antworte der Mann neben ihm, mit einem kaum merkbaren, typischen Lächeln auf seinem Gesicht und einem reichlich amüsierten Funkeln in seinen hellen, scharfen Augen. „Glaub mir, das haben schon viele Spieler vor dir getan... Und du wirst auch garantiert nicht der Letzte bleiben.“ Der junge, aufsteigende Dan neben ihm, mit den türkisgrünen Augen, wusste im ersten Moment nicht, was er auf diese klar ausgesprochenen Worte sagen sollte. Er kannte den älteren Mann wirklich nicht so gut, wie er eigentlich gedacht hatte... Nie hätte er erwarten, dass Ogata ihm in seiner Entscheidung nicht nur zustimmen, sondern ihn auch noch darin bekräftigen würde. Dieser schien jetzt jedoch seine Gedanken erraten zu haben, und ohne dass sie einmal in ihren langsamen Gehbewegungen stoppten, nahm er noch einen weiteren Zug aus seiner Zigarette und blies dann aus. „Bereust du es?“ fragte er nun direkt, in seiner üblichen murmelnden Stimme die schon immer etwas seltsam Mächtiges und Sicheres an sich gehabt hatte, bei dem andere Menschen sich auf einmal furchtbar klein ihm gegenüber vorkamen. Doch ohne dass der junge Dan mit dem dunkelgrünen Haar seinen durchdringenden Blick von seinem Partner abwandte, schüttelte der junge Touya schließlich wortlos, langsam den Kopf, und der blonde Mann neben ihm lächelte, auf dessen Haar das vereinzelte Sonnenlicht durch die Bäume nun erstaunliche Reflexe zeichnete. „Na also… Hat also doch keinen Grund mehr, sich Sorgen zu machen.“ Sagte er leicht, und der junge Mann neben ihm starrte ihn für einen Moment an, bevor er zugeben musste…dass sein Mentor recht hatte. Er musste zugeben, dass er trotzdem auch nicht anders gehandelt hätte... Weiter gingen sie nun durch den kleinen Wald, jetzt in unmerklich entspannterer Stille, bis Akira den älteren Mann schließlich unvermittelt murmeln hörte: „Er hat also wieder angefangen…“ Es brauchte Akira einige Sekunden bis er verstand, was sein Mentor meinte. Und bis er verstand, dass auch Ogata Seiji wohl ein aufmerksames Auge auf Shindou hatte… Auch ihm hatten die Fehltage unmöglich entgangen sein können. Akira sah diskret zu Boden. Ogata nahm noch einmal einen Zug bevor er seine aufgebrauchte Zigarette schließlich ohne einmal hinzugucken, geschmeidig in einen Abfallbehälter fallen ließ. „Ich frage mich, was sich dieser Bursche denkt…“ murmelte er nun. Akira sagte nichts dazu. Denn er fragte sich das gleiche. Nun jedoch waren sie nur noch wenige Schritte vom Ende des Parks entfernt und fast wieder auf den soliden Straßen Tokios. Ein Kontrast der in Akiras Kopf immer schon sehr gegensätzlich gewirkt hatte, dass sich Natur und Industrie direkt nebeneinander anschlossen, jedoch wusste, das es in einer Millionenstadt wie Tokio, mit mehr als 8 ½ Millionen Einwohnern, nicht anders ging und es in seiner generellen Hektik und dem Fortschritt eine Seltenheit war, überhaupt ein Stück Natur anzutreffen. Akira hatte sich nie sehr viel darum gekümmert; hatte ein wenig Grün ab und an um sich herum jedoch schon immer seltsam beruhigend gefunden. Und schon befanden sie sich auch wieder in der Nähe der viel befahrenden Straßen Tokios, deren Geräusche sie nun in nicht mehr alt zu weiter Distanz hören konnten. Die Sonne, nun in all ihrer Stärke, schien vom Himmel und schien nun selbst Akira durch seinen Anzug völlig zu erwärmen wollen. Die Sonne hier schien frei und ungebremst, ohne begrenzende Hochhäuser, denn sie waren in Minato, in einem der 23 Bezirke Tokios an der gleichnamig benannten Tokio-Bucht. Und vor ihnen lag jetzt nur das weite, blaue Meer… Ogata schlug umgehend zielsicher wieder einen Weg in das Stadtinnere ein und Akira war dabei ihm zu folgen, jedoch nicht bevor er noch einen letzten Blick auf das Meer geworfen hatte. Er war gerade dabei sich umzudrehen als er aus den Augenwinkeln eine Person erspähte, die sich dem Strand, weit weg, von entgegen gesetzter Richtung näherte. Und Akira erstarrte plötzlich. Jedoch nicht, weil diese Person besonders auffällig war oder sonst irgendwie seltsames an sich hatte, nein… Sondern weil er glaubte, dass die Sonne noch etwas anderes auf dem schwarzen Haar dieser Figur reflektiere, deren Gesicht er in der Entfernung und der hoch stehenden Sonne immer noch nicht klar erkennen konnte... Nämlich blond. Blonde Strähnen. Shindou… *** ~Japanisches Wörterbuch~ Ano…: Ähm…/Uhm… ---------- Sorry, war ein bisschen kurz. :P Aber ich hoffe es hat euch trotzdem gefallen. ^^ Nächstes mal tritt noch eine neue Person auf, aber ich sah nix! xP Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)