Zwei Gesichter von Manu-chi ================================================================================ Kapitel 3: Fragen über Fragen ----------------------------- Kapitel 3 Kou lag im Bett und vergrub sein Gesicht im Polster, da die aufgehende Sonne durchs Fenster schien und ihn, obwohl sie nicht direkt auf sein Bett schien, blendete. Er war erst um 6:00 Uhr nach Hause gekommen und konnte beim besten Willen nicht einschlafen und dafür gab es nur einen Grund: Kail Akuma Kaso. Warum hatte er das gesagt? Warum hat er gesagt, es gäbe eine Person, die er am Liebsten nie getroffen hätte? Warum sagt er sowas zu einem Menschen, bei dem er eigentlich nicht vorgehabt hatte, ihn in sein Privatleben einzuweihen? Warum hatte er sich geschworen, ewig eine Maske zu tragen, wenn sie so leicht abbröckelte? Lag es an ihm? An Kai? Hatte er sich von dessen Augen so sehr in den Bann ziehen lassen, dass er ihm so etwas sagte? Er wusste es nicht. Seufzende stand er auf, nahm sich eine Decke, öffnete die Tür zum Balkon und ließ sich auf die Hollywoodschaukel fallen. Er zog seine Beine an seinen Körper, deckte sich zu und bettete seinen Kopf auf seinen Knien. Wie konnte er nur so blöd sein? Selbst das Geheimnis seines Erfolges hatte er ihm und auch Mizuki verraten. Einen Drink nach dem Charakter des Menschen zu mixen, dem er gehört, war bis jetzt ein Mysterium gewesen. Wieder konnte er sich nur Fragen: Warum hatte er es ihnen verraten? WARUM?? Kou raufte sich die Haare. „Das darf doch wohl nicht wahr sein!!“, murmelte er und legte seine Hände wieder auf den Knien ab. Sein Geheimnis zu verraten war eine Sache, aber das mit der verhassten Person eine andere. Noch nie hatte er auch nur ein einziges Wort zu jemandem über diese Person gesagt, nicht mal zu seinem Vater, obwohl, eine Person gab es da schon, aber die hatte er seid Jahren schon nicht mehr gesehen. Er seufzte resigniert und schaute in die Ferne. Seine Gedanken schweiften langsam ab. Zurück zu der Zeit, in der er noch glücklich und hoffnungslos in diesen einen Menschen verliebt war. Ja, er hatte Ryuichi bedingungslos geliebt und vertraut. Niemals hätte er auch nur im Geringsten gedacht, was ihm dieser einmal antun könnte, aber er wurde eines Besseren belehrt. [...] Der Tag hatte so schön angefangen und er ging mit seinem Freund im Park spazieren. Sie lachten, hatten Spaß, doch als es anfing zu regnen und sie in sein Haus flohen, um sich vor dem, vom Himmel fallenden Nass zu schützen, sollte sich alles ändern, sollte alles zerstört werden. Sein Körper, sein Herz, seine Seele… Gebrochen und beschmutzt, blutend und verletzt und das nicht nur äußerlich, lag er am Boden. Als er sich wieder bewegen konnte, verließ er das Haus seines Liebsten. Sein Herz gebrochen, sein Körper zerschunden, seine Seele verbrannt von der unendlichen Trauer und dem Schmerz, der sich nun ebenfalls einen Weg ins Innere seines Herzens suchte, bohrte sich tief hinein, um für alle Zeit an das zu erinnern, was die Liebe aus ihm gemacht hatte. [...] Kou schrak hoch. Er war wohl doch eingeschlafen und hatte von ihm geträumt. Von diesem Bastard von einem Mann. Langsam und mit zitternden Händen fasste er an seine Wange, wo er eine nasse Spur bemerkte, die sich von seinen Augen Richtung Kinn bahnte. Die Tränen waren noch nicht versiegt und setzten ihren Weg ungehindert über die unnatürlich blassen Wangen des Weinenden fort. Glänzende, salzige Perlen tropften auf die Decke, die ihn nur noch halb verhüllte. Sie verschwanden im weichen Stoff und hinterließen einen kleinen Fleck, der jedoch nach kurzer Zeit wieder im Nichts verschwunden war. „Shit!“, wisperte Kou und wischte das salzige Nass von seinem Gesicht, doch die leicht geröteten Augen blieben als Zeugen der Tränen zurück. Langsam setzte er sich auf. Sein Nacken und sein Rücken schmerzten. Seine Füße waren eingeschlafen und er spürte sie kaum noch. Wie in Zeitlupe streckte er sie aus und verzog alsgleich das Gesicht, denn nun kribbelten sie unangenehm. Nachdem das Kribbeln aufgehört hatte, stand er langsam auf und streckte sich. Die Sonne stand schon hoch am Himmel und zeigte ihm, dass es sicher schon kurz vor Mittag war. Er ging langsam in sein Zimmer hinein und schaute in den Spiegel, alsgleich erschrak er und seine Augen weiteten sich. Mann, sah er schrecklich aus. Er hatte verheulte Augen und noch dazu dunkle Ringe darunter. So konnte er sich doch nicht unten blicken lassen. Was würden sie von ihm denken? Dass er nachts heult wie ein Baby oder was? Nein! Er würde eher sterben, als seine Schwachpunkte irgendeiner Person zu offenbaren. Bei Ryuichi hatte er es getan und er hatte einen hohen Preis zahlen müssen. Nie wieder würde er jemandem vertrauen, jemandem seine schwache Seite zeigen, nie wieder lieben. Nie wieder. Sich von dem Spiegel lösend ging er zu seinem Bett, legte sich hinein und deckte sich zu. Er würde heute einfach nichts essen, dass stand bereits fest. Sollen sie doch denken, er würde schlafen, obwohl er das sicher keine einzige Sekunde konnte. Kai indessen lag ebenfalls auf seinem Bett und lauschte der Musik, die er schon den ganzen Vormittag laufen ließ. Seine Gedanken jedoch drehten sich nur um eine Person, seinen Stiefbruder. Dieser hatte sich nämlich als der beste Barkeeper der Eastside herausgestellt und dieser Gedanke behagte dem Dunkelblonden ganz und gar nicht. Hatte er sein neu gewonnenes Familienmitglied so falsch eingeschätzt? Ja, dass hatte er wohl und zwar gravierend. Nie im Leben hätte er gedacht, dass Kou ein solcher Mensch war. Der größte Barkeeper des Landes und dazu noch dieser mysteriöse und uneinschätzbare Charakter. Der Blondschopf seufzte. Mysteriös war ja fast schon gar kein Ausdruck mehr. Nichts wusste er über den Kerl. Nichts! Hatte er doch gedacht, dass er ein einfältiger Sturkopf wäre, doch das war er nicht. Stur? Ok, dass war er schon, jedenfalls ein bisschen. Aber nicht einfältig. Nein, er hatte so viele unterschiedliche Eigenschaften und Fassetten, sodass er, Kai, nie so wirklich wusste, was dieser gerade dachte oder welcher Charaktereigenschaft er ihm momentan zuordnen könnte. Es war zum Verzweifeln. Plötzlich vernahm er die Stimme seiner Mutter, die von unten heraufhallte: „Es gibt Essen! Kou, Kai! Aufstehen!“. Widerwillig setzte sich Kai auf, streckte sich und machte sich auf den Weg nach unten. Als er in die Küche kam begrüßten ihn Seijo und Chiyo mit einem freundlichen und lächelnden „Guten Morgen“, worauf er mit einem Nicken antwortete. Er setzte sich auf seinen Platz und sein Blick wanderte automatisch über den Tisch zum gegenüber liegenden Platz der… leer war? Kai zog verwundert eine Augenbraue nach oben. Kou war nicht da? Sonst verpasst er doch nie eine Mahlzeit. Ist er etwa so spät heim gekommen, dass er jetzt noch schläft? Das wäre eine erwägbare Möglichkeit, aber war dem wirklich so? Irgendwie machte er sich Sorgen um sein Bruderherz, denn schließlich war er es, der immer als Erster am Tisch saß und aufs Essen wartete. Chiyo war sein Blick anscheinend nicht entgangen und sagte deshalb lächelnd: „Willst du nicht einmal nachsehen, ob er noch schläft? Das Essen wird sonst kalt, wir können nicht ewig auf ihn warten!“. Das war ja so klar gewesen, dass er wieder mal nach der Schlafmütze schauen musste, doch irgendwie wollte er das ja auch. Irgendwie. Kai stand auf, wobei der Sessel leicht knarrte, als er zurückgeschoben wurde und verließ die Küche Richtung Kou’s Zimmer. Dort angekommen blieb er unschlüssig vor der Tür stehen. Sollte er wirklich einfach so hineingehen oder besser mal anklopfen? Aber wenn er wirklich schläft, würde er ihn da nicht ein bisschen brutal aus den Träumen reißen, wenn er da so an die Tür pochte? Er wollte ihn ja nicht wecken. Schon, aber nicht so abrupt, lieber sanft, sonst würde er den ganzen Vormittag wieder so zickig sein. Kou war schon oft ein ganz schöner Morgenmuffel, dass hatte er schon des Öfteren erlebt. Er entschied sich für die einfach-hineingehen-und-ihn-sanft-wecken-Methode. Langsam und leise öffnete er die Tür und lugte durch den Spalt hinein. So geräuschlos wie möglich schob er sie auf und hatte nun freien Blick auf das Bett, wo wirklich noch, eingewickelt in die Decke, ein Bündel namens Kou lag. Einen Schritt trat er ein, dann einen zweiten. So leise wie möglich ging er in den Raum und schloss die Tür wieder hinter sich, doch er erschrak fast zu Tode, als plötzlich Kou zu ihm sprach. „Ich habe keinen Hunger! Also lass mich bitte schlafen!“, sagte er leise und in einem eisigen Ton, dass Kai ein Schauer den Rücken runter lief. Was war das denn jetzt? Kou hingegen lauschte gespannt in die Stille hinein. Was sein Bruder jetzt wohl tut? Er hätte fast einen Herzinfarkt bekommen, als plötzlich die Tür aufging. Gerade war er eingenickt und dann hörte er Schritte, die er als die seines Bruders identifizierte. Am Anfang hatte er sich noch gefragt, was dieser wohl von ihm wollen könnte, doch da er wusste, dass es bereits Mittag war, klärte sich diese Frage von selbst. Sein Bruder jedoch tat nichts dergleichen, blieb einfach stehen und wartete. Kou verwirrte dieses Verhalten doch schon sehr, aber dennoch hatte er keine Lust seinen Bruder zu sehen, geschweige denn seine verheulten Augen preiszugeben. Kai blieb einfach stehen, er wollte wissen, wieso sein Bruder so abweisend und kalt auf ihn reagierte. Er hatte ihm doch nichts getan, oder? Nein, auf jeden Fall nichts, was ihm im Moment einfiel. Als er dann abermals die Stimme des im Bett liegenden vernahm, zuckte er zusammen, da er nicht darauf vorbereitet gewesen war bzw. so in seinen Gedanken vertieft, dass ihm die plötzliche Stimmerhebung kaltblütig aus ihnen herausgerissen hatte. „Wie bereits gesagt, habe ich keinen Hunger! Also starr mich nicht so an und verlasse bitte mein Zimmer!“, murrte Kou ungehalten. Hatte er gerade richtig gehört? Er starrte ihn an? Kurz überlegte Kai. Ja, er hatte ihn jetzt wirklich ununterbrochen angeschaut, oh wie peinlich!! Doch woher wusste Kou davon? Spürte der das, wenn man ihn lange ansieht? Wieder so ein Geheimnis! „Warum verkrümelt sich dieser… dieser Blondschopf nicht endlich?! Verdammt ich will alleine sein und nicht in Gesellschaft meines stummen, gefühlskalten Bruders!“, dachte Kou gereizt und seine Augenbrauen zuckten verdächtig. „Kann der mich nicht einfach in Frieden lassen?“, Resignation breitete sich in Kou’s momentaner Gefühlswelt aus und er murrte kurz. Kai stattdessen kam noch einige Schritte näher ans Bett heran und stand nun ein paar Zentimeter vor der Bettkante. Sollte er sich einfach setzen? Gehen konnte er keinesfalls, denn sein Gefühl sagte ihm, dass da etwas ganz und gar nicht stimmte. Morgenmuffel hin oder her. Langsam ließ sich der Blonde auf das weiche Bett sinken und Kou merkte das, da sich die Matratze ein Stück senkte. Kai legte sanft eine Hand auf die Schulter von Kou, wodurch dieser zusammenzuckte. „Was soll der Scheiß?! Was wird das wenns fertig ist?! Spielt er jetzt den besorgten Bruder oder was?!“, ging es Kou durch den Kopf und er biss seine Zähne zusammen. Kai war ihm jetzt so nah, zu nah für seinen Geschmack und das würde er auch sofort ändern. „Was soll das Kai?! Lass mich in Frieden!“, fuhr er ihn an und schlug die Hand seines Bruders weg. Noch immer sah er ihn nicht an, sein Gesicht so gut wie möglich versteckend. Doch Kai dachte gar nicht daran und beugte sich noch ein Stück vor, berührte ihn nun mit beiden Händen an beiden Schultern und versuchte ihn langsam, aber sicher zu sich zu drehen. Da hatte er aber nicht mit Kou gerechnet. Dieser schlug die Decke beiseite, sprang auf und funkelte seinen Bruder wütend an. „Lass mich in Ruhe hörst du? Verschwinde und fass mich nie wieder an verstanden?!!“, schrie ihn Kou schon fast an, nahm sich seinen schwarzen, langen Mantel vom Kasten, den er am Vortag dort platziert hatte und riss die Tür auf. „Fass mich nie wieder an!“, flüsterte er noch mit einem bedrohlichen Unterton, bevor er die Tür hinter sich zuschlug und eilig das Haus verließ. Kai indessen saß da wie bestellt und nicht abgeholt. Was um Himmels Willen war das gewesen? Wie in Zeitlupe setzte er sich auf, unverwandt zur Tür schauend. Nicht nur das Verhalten seines Bruders war hochgradig merkwürdig, nein, auch sein Aussehen war nicht so wie immer. Wenn er sich da nicht täuschte, hatte er gerötete Augen und ein kalkweißes Gesicht. Er hatte geweint und das nicht mal so wenig, aber die unnatürliche Blässe machte ihm Sorgen. Wieso hatte er ihn auch unbedingt berühren müssen? Weil es sich gut anfühlte, den warmen Körper zu spüren? Wenn er ehrlich zu sich war, fühlte es sich wirklich gut an, diese Wärme zu fühlen, die sich ihren Weg über die Fingerspitzen in den ganzen Körper bahnte. Ja, das war eine Wahrheit, aber das andere war, dass er es genossen hatte, diesem Menschen so nahe zu sein, ihn zu spüren, auch wenn es nur die Hände waren, die ihn berührt hatten. Dabei hatte er in seinem ganzen Leben noch nie, nicht einmal ansatzweise, das Bedürfnis verspürt, jemanden berühren zu wollen, doch bei ihm war es anders. Ihn würde er am liebsten immer berühren, seine samtene Haut mit den Fingerspitzen liebkosen, seinen ganzen Körper entlangfahren und erforschen. Vor allem diese Lippen, diese seidig weichen, erdbeerfarbenen Lippen. Unbewusst fuhr er über seine eigenen. Sie berühren zu dürfen, wäre das höchste Glück auf Erden. Das Verschmelzen beider Münder, das Vereinen beider Körper und ihrer Seelen. Kai fuhr hoch. Was hatte er da gerade gedacht?!! Kou war sein Bruder!! Von einer Sekunde auf die andere war er aufgesprungen und aus Kou’s Zimmer in sein eigenes gestürmt, wo er auch sogleich die Tür hinter sich zuschlug. Leicht keuchend ließ er sich aufs Bett fallen. Was hatte er da nur gedacht?! Kou war sein Bruder!! Nicht mehr und nicht weniger! „Verdammt!!“, fluchte er in Gedanken und drehte sich auf den Rücken. Er hatte gerade daran gedacht, wie es wäre Kou zu küssen und zu berühren. Na wenn das nicht ein Grund zu Besorgnis ist, dann wäre Kai in Zukunft der größte Stripper der Welt. Verdammt er war sein Bruder!! Sein BRUDER!!! Kai raufte sich die Haare und am liebsten hätte er jetzt laut geschrieen, was aber durch seine fehlende Stimme nicht möglich war. Das konnte, nein, das durfte doch nicht wahr sein! Wie ein Mantra wiederholte er die Worte in seinen Gedanken: „Er ist dein Bruder! Er ist dein Bruder… dein Bruder… dein Bruder…“ Chiyo hatte derweilen das Essen weggeräumt, da, wie es aussah, sowieso keiner daran dachte, es zu verspeisen. „Wenn sie Hunger haben, dann kommen sie eh von alleine!“, dachte sie und verstaute es samt Mikrowellengeschirr im Kühlschrank. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)