Viae Dei von abgemeldet (Die Wege des Herrn) ================================================================================ Prolog: Permansimus... Wir werden bleiben ----------------------------------------- Es war dunkel und der Regen prasselte unablässig auf das Dach hernieder... Immer regnete es… als wolle der Herr erneut eine Sintflut senden… Der Boden war weiß, jeder Tropfen sammelte sich zu Pfützen, kein Wind… Nicht einmal das… So trostlos, wie das Wetter, saß auch Miruels Schar da. Verborgen in einem stickigen Haus, keine Menschenseele in dem ganzen Dorf mehr… Zumindest keine mehr lebendig… nicht mehr lebendig… so, wie… Variels Hand schloss sich fester um das schmale Handgelenk Aruels… Er hatte es nicht verdient… Nein, nicht so…nicht heute…nicht hier… Durch den Kopf des Gabrieliten schoss erneut Miruels Befehl: „Rückzug, es sind zu viele!“ Dann folgte seine eigene Stimme: „Aber Aruel ist noch dort… Ich hole ihn!“ „Nein! KOMM HIER HER!“ Und wieder kam ihm die Erinnerung daran, wie er in diesen gelähmten Zustand verfallen war… Wie sein Körper gegen seinen Willen kehrt machte und zu dem Michaeliten zurückflog…und wie er nur noch aus dem Augenwinkel sah, wie diese riesige Traumsaatkreatur das Genick des Ramieliten brach, wie einen morschen Ast… Dann das Geräusch…zweifellos nichts neues für Ihn, Knochen brachen oft… aber hier, so wusste Variel sofort, hatten sie verloren…nicht nur eine Schlacht, sondern ebenso einen Freund… Miruel saß an einer Wand, den Blick leer in den Raum, aus den Augenwinkeln konnte er jedes seiner Scharmitglieder sehen: Variel, der in der Mitte saß, den leblosen Körper Aruels auf dem Schoß, sein Handgelenk umklammert, als könne er ihn so am Leben halten… Sein Gesicht war zerkratzt, das Blut hatte er nicht einmal abgewaschen und so trocknete es, verwischt vom Regen, in Form von blutigen Tränen. Athriel, der Urielit, der an der Wand lehnte, wie eh und je, keine Mimik, keine Worte, nur der leere Blick in die Ferne, die in diesem engen Raum keine Ferne war. Nichts ließ darauf schließen, dass der Urielit von dem Tod des Scharmitglieds betroffen war, außer… der Strähne, die in sein Gesicht fiel… normalerweise war er Perfektionist, was das anging. In einer Ecke, die Knie umklammert, die Flügel wie ein schützendes Dach über sich, saß Saphiel, die jüngste der Schar… und doch die beste Freundin Aruels. Ihr Gesicht war fahl, es wirkte in diesem nahezu lichtleeren Raum wie tot, die Augen lagen in tiefen Schatten, auch ihr weißes Haar fiel ihr so ungewohnt ins Gesicht. Von Zeit zu Zeit fielen Tränen von ihrem Kinn herab zum Boden, nicht, dass die Heilerin einen Laut von sich geben würde. All die Zweifel, die in ihm hochgestiegen waren, hatte er guten Gewissens bezwingen können, nur so hatte er die Schar retten können, den Rest der Schar, das wusste er…und er hoffte, dass auch die anderen es wussten. Der Tod Aruels war ein schwerer Schlag für alle gewesen, seitdem war kein Wort mehr gefallen und wie selbstverständlich hatte der Gabrielit den Körper des Ramieliten geborgen, kaum einen halben Tag später, als all die Massen der Traumsaat nicht mehr dort waren… Seitdem hatte er wie ein stummer Hüter auf ihn aufgepasst, hatte ihn nicht mehr einen Meter von sich gelassen… Athriel stieß sich von der Wand ab und schritt langsam durch das Zimmer, er war nie ein Freund vieler Worte gewesen, deswegen war es nun nicht verwunderlich, dass er schweigend hinausging und hinter sich die Tür wieder schloss… War er früher gegangen, war es kaum ungewohnt, aber heute… war nichts, wie man es gewohnt war… Dann erklang das Schluchzen der Raphaelitin, erst leise und verhalten, als wolle sie es bekämpfen, dann wurde es lauter, herzzerreißender… Miruel sah zu ihr herüber, der Blick voll der Ruhe, die er immer ausstrahlte, jedoch fehlten ihm die Worte, die er sonst von sich geben konnte, um alles zu erreichen, was er wünschte…alles, außer in solch einer Situation zu trösten. Er wusste ja nicht einmal, ob sie ihn für ihren Tod verantwortlich machten… Variel ließ den toten Körper los und legte ihn sachte auf den Rücken, „wie ein schlafendes Kind, das man in eine Wiege legt“ dachte Miruel und verwarf den Gedanken zornig. Hier gab es keine Kinder mehr, nicht in dem Dorf und nicht im Umkreis, hier gab es nur Tod… ein Dorf voller Toten… Dann erhob sich der Gabrielit schwerfällig, als sei seine Kraft geschwunden und ebenso quälend schleppte er sich in die Ecke zu der Raphaelitin, ließ sich in die Hocke nieder und nahm sie in den Arm. Kein Wort, keinen Ton und doch schlang die Heilerin die Arme um den Hals des jungen Engels und brach in Tränen aus, ihr Körper zitterte ununterbrochen, die Flügel lagen kraftlos auf dem Boden…und es gab nichts, was dem Anführer der Schar in diesem Moment einfiel… und eben diese Machtlosigkeit quälte ihn. Ja, der Schar jetzt nicht helfen zu können, quälte ihn mehr, denn der Tod des Ramieliten. „Saphiel…Er ist beim Herrn, und der Herr hält seine Hand nun schützend über ihn, bis auch wir zu ihm zurückgerufen werden…hörst du? Er wartet dort nur auf uns, wie sonst in den Himmeln…und bald kannst du wieder mit ihm sprechen…nicht wahr, Miruel?“ Die gebrochene Stimme des einst so feurigen Gabrieliten zu hören, war noch ein schwerer Schlag für den Engel des Michaelis-Ordens. Trauer… nein, so etwas hatte er bei der Schar nie erlebt und ebenso hatte er gedacht, es nie erleben zu müssen… eigentlich hatte er auch gedacht, Engel seien unsterblich… Eigentlich… ---------------------------------------------------- Wieder regnete es, dicke Tropfen schlugen auf die Köpfe der Schar ein, die dort dicht an dicht mit den Monachen und Ramieliten stand hoch oben auf dem Berg, bei den ganzen Grabhügeln, über und über… Miruel hatte Variel dazu zwingen müssen, den Ramieliten loszulassen, damit er beerdigt werden konnte… und nun stand der Gabrielit mit vor der Brust verschränkten Armen direkt neben ihm, sah schweigend zu, wie Stein um Stein auf den Leichnam gestapelt wurde, der dort so festlich ausgebreitet lag, um seiner Seele den Weg zum Herrn zu erleichtern. Das Votivband, das ein jeder von ihnen jetzt neu am Arm trug, prangte dort wie ein kalter Hohn des Schicksals, das einen Freund gegen ein Lob tauschte… Schließlich wurde der letzte Stein aufgelegt und die Monachen sprachen die Ehresgebete. Saphiel sprach nicht mit und keiner der Schar war ihr böse darum, sie wussten, dass ihre Gedanken ihm den Segen wünschten, mehr Segen und Ehre, als ihre Stimme je von sich geben könnte. Noch lange nachdem alle gegangen waren, standen die vier dort oben auf dem Hügel. Der Regen, der unersättlich herabregnete spülte auch Saphiels Tränen fort, doch keiner sah den anderen an, aller Blicke waren auf das Grab gerichtet… Das Grab, das letztlich den Tod Aruels bestätigt hatte… Wie lange genau die vier noch dort standen, konnte keiner nachvollziehen, klar war ihnen nur, dass sie alles, was sie dachten, alles was sie Aruel noch sagen wollten, nicht mehr gehört werden würde… Nam quod erit, non iam est. Denn alles, was war, ist nicht mehr… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)