Sie warten… von QueenLuna ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Sie warten... Meine Schritte hallten über den Friedhof. Es war dunkel, das Mondlicht spiegelte sich leicht auf dem Kiesweg. Ich zog meinen Mantel enger um meinen Körper, da es sehr kühl geworden war. Der Wind zog an meinen Haare und wehte sie mir ins Gesicht. Fahrig versuchte ich sie wieder zurückzustreichen, aber es wollte nicht recht gelingen. Ich seufzte leicht auf, blieb schließlich stehen, um meinen Blick gen Mond zurichten und genoss den Anblick, der sich mir bot. Die Trauer in meinem Inneren machte einer wohltuenden Leere Platz. Ich stand einfach einige Minuten da, lauschte meinem Herzschlag und ließ alles auf mich wirken: die vom Mond beleuchtete Nacht, die Stille, nur unterbrochen vom Rauschen des Windes, die im Dunkeln verborgenen Grabsteine und das Gefühl, dass doch an diesem Ort der Toten noch Leben herrschte. Abrupt schreckte ich auf. Dieses Gefühl verwirrte mich. Alle, die hier lagen, kamen nie wieder, hatten uns für immer verlassen. Ich riss mich von diesem betrügenden Gedanke los und setzte meinen Weg fort an den unzähligen Gräbern vorbei. Doch je weiter ich lief, desto stärker kam die Trauer zurück. Irgendwann erreichte ich einen Teil des Friedhofs, in dem die Ruhestätten größer, aber auch einsamer wurden. Manchmal erinnerten sie an kleine Tempel oder Gruften, aber meist waren es Familiengräber. Ich verlangsamte meine Schritte, bis ich schließlich vor einer Grabstätte stehen blieb. Mein Blick schweifte über die weißen Säulen, hinter denen zwei kleine Stufen zum eigentlichen Grabstein führten. Dahinter kniete ein weinender Marmorengel, der mich seltsamerweise ein wenig an mich selbst erinnerte. Ich schüttelte den Gedanken ab und ging bedächtig die Stufen hinauf um mich dann auf die Bank, die dort stand, niederzulassen. Dann stützte ich meine Ellenbogen auf die Knie und vergrub mein Gesicht in den Handflächen. Ein erneutes Seufzen kommt über meine Lippen. Wie lange war es her, seit du gegangen warst? Zu lange… Dein neuer Platz war hier, bald vergessen, unter einem Stein verbuddelt, mit wilden Rosen überwachsen wie fast die gesamte Ruhestätte. Aber diese Rosen hatten etwas beruhigendes, denn sie verkörperten Leben und ihre edle Erscheinung verlieh allem ein wenig Glanz. Erinnerungen kamen in mir hoch, wie du es dir lachend mit einem Kaffee in der Hand mir gegenüber in einem Sessel gemütlich machtest und deinen Tag schildertest. Du warst immer viel lebendiger als ich. Auf einmal hörte ich ein leises Kichern. Ich hob meinen Blick und… da saßt du, rücklings auf dem Grabstein und lächeltest zu mir. Ich öffnete meinen Mund, doch kein Laut kam über meine Lippen. Es wäre ein Frevel gewesen, diese Stille zu durchbrechen. Du glittst lautlos herunter und kamst einige Schritte auf mich zu, bliebst aber trotzdem weit entfernt…jedenfalls kam es mir so vor. Deine Hand spielte leicht mit einigen Rosen, dann schobst du dein Gesicht so nah an sie heran, als wolltest du von ihnen riechen. Du hast rote Rosen immer geliebt. Ich hob meine Hand, wie um das weiße Gewand, das deinen Körper umschlang, zu berühren. Du schütteltest nur lächelnd deinen Kopf und legtest ein Finger auf deine Lippen, so hielt ich inne. Ich flüsterte deinen Namen…ein Frevel. Eine einzelne Träne fand den Weg über meine Wangen, doch ich ließ sie gewähren. Auf einmal sahst du traurig aus, beugtest dich zu mir herunter. Langsam schloss ich die Augen, ein kühler Windhauch streifte meine Lippen. Ich öffnete die Augen und lächelte. Du warst verschwunden. Ein Abschiedkuss. Ein Zeichen, dass du warten würdest. Irgendwann würden wir uns wieder sehen. Und dann wären auch diese Schmerzen vorbei und wir wieder vereint…mit allen, die hier lagen und noch kommen würden. Es beruhigte etwas, zu wissen, dass die Schmerzen im Inneren vergehen würden. Ich stand auf, verbeugte mich noch einmal vor dem Grabstein und verließ dann die Stätte um schließlich den Friedhof zu verlassen. Hätte ich mich noch einmal umgeschaut, wäre da eine weiße Gestalt gesessen, das Gesicht vergraben und weinend. Doch für mich schien nur der Mond. ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)