A Trip to Hell von mystique (Die Leiden des Seto Kaiba ∼ KaibaxWheeler ∼) ================================================================================ Kapitel 7: Tag 5: Wahrheit -------------------------- Tag 5: Wahrheit *~* „Kaiba.“ Der Wind wehte mir ins Gesicht, ich wirbelte herum. Ein Paar Arme um meinen Rücken geschlungen. Ein fremder Körper dicht an meinen gepresst. Warmer Atem auf meinem Gesicht. Braune Augen unmittelbar vor meinen. „Du bist schwach.“ Heiße Lippen auf meinen. Hände, die mich fort stießen. Bodenlose Tiefe. Endloser Fall. Schwärze. Nur ein Gedanke: Rache! *~* Schweiß gebadet erwachte ich. Mein Atem ging flach und schnell, mein Herz schlug heftig gegen meine Brust. Stechende Kopfschmerzen empfingen mich, zusammen mit einem unangenehm ziehenden Hals. Jeder tiefe Atemzug verursachte einen schmerzhaften Druck. Was war nur los? Mein Blick richtete sich unfokussiert auf das dunkle Holz über mir, ich betrachtete die Maserung mit beinahe schon perfidem Interesse. Von draußen erklang Vogelgezwitscher, was bedeutete, dass es Tag sein musste. Zeit, aufzustehen. Ich richtete mich auf und versuchte die Müdigkeit niederzukämpfen, die partout nicht von mir fallen wollte. Benommen schüttelte ich den Kopf. War dies wohlmöglich die Nachwirkung der Tablette, die der Arzt mir gegeben hatte? Oder lag es einfach nur an der gestrigen Überanstrengung meines Körpers? Tatsache war, dass ich mir weitere Schwäche nicht erlauben konnte. Nicht nach all dem, was auf dieser Klassenfahrt schon geschehen war. Angewidert starrt ich an mir hinab, betrachtete das T-Shirt Wheelers, welches ich noch immer trug, voller Missbilligung, bevor ich es mir kurzerhand abstreifte und achtlos in die Ecke meines Bettes warf. Anschließend erhob ich mich und blickte mich im Zimmer um. Mein Blick fiel auf Wheelers Bett und mich überkam Starke Lust, ihm als Morgengruß ein Glas Wasser über den Kopf zu schütten, doch zu meiner Verwunderung war es leer. Seltsam, warum schlief der Köter denn nicht? Das konnte doch nur bedeuten - ein ungutes Gefühl beschlich mich – dass es mittlerweile sogar für ihn schon zu spät war, um zu schlafen. Hatte ich etwa verschlafen?! Eilig durchquerte ich den Raum, riss die Schranktür auf, griff nach dem nächst besten Oberteil, das ich fand und zog es mir über, bevor ich fahrig nach einer Jeanshose griff, mich der alten Taylors entledigte – ich hatte tatsächlich in voller Bekleidung geschlafen, unfassbar – und sie mir rasch überzog. Meine Stiefel mussten im Vorraum der Herberge stehen – war es hier doch ebenfalls nach alter Tradition Pflicht, die Schuhe ausziehen – daher riss ich die Tür des Zimmers auf, knallte sie unsanft hinter mir zu und marschierte schnellen Schrittes über den Flur. Auf meinem Weg zum Ausgang kam ich an dem Gemeinschaftsraum vorbei. Lautes Lachen, welches mir unangenehm bekannt vorkam, ließ mich innehalten und meinen Kopf drehen. Ich erblickte Muto und den Rest der Dumpfbackenpatrouille, die auf dem Boden des Raumes saßen und Karten spielten. „Na los Duke, du bunkerst schon die ganze Zeit Herz Ass“, drängte Wheeler mit vorwurfsvoller Stimme, woraufhin Devlin ihn strafend ansah. „Ich bunkere, wie es mir gefällt und hör auf, mir in die Karten zu sehen!“ „Tu ich doch gar nicht ... jetzt leg die Karte schon ab.“ „Ich sagte, du sollst dich aus meinen Kartenangelegenheiten halten und dich um deine Sachen kümmern. Nur zu deiner Information: Du bist am verlieren.“ „Und du blockiert das ganze Spiel!“ „Äh Leute“, wandte Taylor zaghaft ein. „Könntet ihr das auf später verschieben und einfach weiterspielen?“ Als hätte Muto meine Präsenz gespürt, hob er den Kopf, sah zur Tür und erkannte mich. „Oh, guten Morgen Kaiba.“ Jäh verstummten die anderen und blickten überrumpelt zur Tür, an der ich stand und das Szenario bis dahin skeptisch verfolgt hatte. Warum saßen Muto und die anderen hier? Und wo war der Rest der Klasse? Wie spät war es überhaupt? „Du siehst gesünder aus als gestern“, gab Devlin mit einem schwachen Nicken zu verstehen. Ich richtete meinen Blick auf ihn und starrte ihn durchdringend an. „Sei froh, Devlin. Ich schätze nicht, dass du ernsthaft wissen möchtest, was aus dir und Taylor geworden wäre, wäre dies nicht der Fall.“ Eigentlich war dies gelogen. Ich mochte gesünder aussehen, doch fühlte ich mich ganz und gar nicht danach. Tatsache war, dass mein Denken langsamer als sonst zu funktionieren schien und mein Kopf mit einer alarmierenden Stärke schmerzte. „Äh ja“, Devlin lachte gezwungen, „das glaube ich auch ...“ Ich ignorierte ihn und wandte mich direkt an Muto. Er schien mir momentan der Vernünftigste von allen. „Wie spät ist es?“ „Halb eins.“ Ich versuchte, mir meine Überraschung nicht anmerken zu lassen. Halb eins?! Ich konnte mich nicht daran erinnern, in meinem bisherigen Leben jemals so lange geschlafen zu haben. „Wo sind die anderen?“ „Die besichtigen einen Tempel in Ôsaka. Aoyagi-sensei hielt es nicht für klug, dich schon zu wecken und meinte, es wäre besser für dich, dich heute noch zu schonen. Und wir sind hier geblieben, damit wir ein Auge auf dich haben.“ Die Dumpfbackenpatrouille als meine Leibgarde? Ein paradoxes Bild - geradezu lächerlich. „Ich brauche keine Kindermädchen“, gab ich ihm knapp zu verstehen und unweigerlich erschien vor meinem inneren Auge ein Bild von Muto und seiner Anhängerschaft in kurzen Kleidern, welche die Kindermädchen zu tragen pflegten, die ich für Mokuba eingestellt hatte. Mein Magen rebellierte angesichts dieser Zumutung und ich verzog leicht das Gesicht. Taylor schien diese Mimik falsch interpretiert zu haben, meinte er doch mit einem beinahe – wie bemerkt nur beinahe ernsten Gesichtsausdruck: „Wir haben auch nicht vor, dich zu bemuttern, wie Téa es vielleicht getan hätte. Du siehst schon wieder richtig fit aus.“ Erst jetzt bemerkte ich, dass die Herrin der Dumpfbackenpatrouille fehlte und verspürte bereits im nächsten Moment einen kalten Schauer, der sich seinen Weg meinen Rücken hinab bahnte, bei der Vorstellung einer mütterlichen Gardner, die mich dazu bringen wollte, mich wieder ins Bett zu legen. Nein danke, auf diesen Service konnte ich liebend gerne verzichten, es wäre sicherlich nicht gesund – für Gardner, versteht sich. „Duke, spiel das Herz Ass!“ „Vergiss es und hör endlich auf mir in die Karten zu starren, oder ich disqualifiziere dich!“ „Ha, als ob du das könntest! Bei dem Spiel kann man nicht disqualifiziert werden.“ „Nein, aber verlieren.“ „Was du gleich tun wirst, wenn du das Herz Ass nicht spielst!“ „Warum soll ich es spielen? Ich hebe es auf – nur für dich, Joey.“ „Steck es dir sonst wo hin!“ „Ach und ich dachte bis eben noch, ich sollte es spielen.“ „Das sollst du ja auch!“ „Du widersprichst dir, Joey.“ „Duke ...“ „Fertig.“ Die beiden wurden von Bakura aus ihrer äußerst geistreichen Konversation gerissen, welcher mit einem beinahe schon beängstigend unschuldigenden Lächeln seine Letzte karte auf den kleinen Stapel in ihrer Mitte gelegt hatte. Dieser Junge war so unauffällig, ich hatte ihn bis zu diesem Moment nicht einmal wahr genommen – und ich war ein äußerst aufmerksamer Mensch mit einem Auge für das Detail. Wheeler und Devlin wirkten überrumpelt, Taylor und Muto grinsten nur dumm. „H-he, Bakura, so geht das aber nicht!“ „Wieso nicht, das ist ganz legitim.“ „Ja aber, aber ... meine Taktik ...“ Was zu weit ging, ging zu weit. „Wheeler, an deiner Stelle würde ich nicht einmal wagen, das Wort zu denken, geschweige denn in den Mund zu nehmen. Du verstehst eine Taktik doch nicht einmal, wenn sie sich dir persönlich vorstellen würde.“ Sein Kopf wirbelt herum und seine Augen fixieren mich mit dem gewohnten Funkeln, welches meinen Ergeiz jedes Mal, wenn ich es registriere, um ein mehrfaches anstachelt. „Wer hat dich denn nach einer Meinung gefragt?! Und außerdem, woher willst du wissen, dass ich nicht eine gute Taktik gehabt habe?“ Ich verschränkte die Arme, blickte anschätzend von oben auf ihn hinab, saß er doch noch immer im Schneidersitz auf dem Boden, seine Karten in der Hand. „Ganz einfach aus dem Grund, Wheeler, dass sie nicht funktioniert hat, was mich – offen gestanden – nicht im mindesten überrascht. Alleine die Tatsache, dass du zu solch niederen Mitteln wie Betrug greifen musst, um einen Einblick in das Geschehen um dich herum zu erlangen, ist mehr als nur arm. Des Weiteren hast du Bakura nicht mit in deine Taktik mit einbezogen – und das Nichtbeachten potentieller Risikofaktoren zeugt von deinem amateurhaften Versuch, eine halbwegs anständige Taktik zustanden zu bringen – und nicht einmal das ist dir gelungen. Erbärmlich.“ Fünf Augenpaare starrten mich in einer Mischung aus Verblüffen und Fassungslosigkeit an. Angesichts dieser mehrfach identischen Reaktion wanderte meine Augenbraue skeptisch in die Höhe. Hatte ich etwas im Gesicht oder warum glichen ihre Mimiken mehr einem Abklatsch aus einer billigen Fernsehserie? „Was ist?“ Mein Tonfall war unbeteiligt – ich war es nicht, verstand ich doch nicht, was sie mit einem Mal hatten. Muto erlangte als erster seine Stimme zurück. Er schüttelte den kopf und hätte ich es nicht besser gewusst – und das tat ich – ich hätte meinen können, er wirkte resignierend. „Kaiba, bei dir besteht alles nur aus Taktik und Strategie, kann das sein?“ Was wollte er damit sagen? War dies ein Vorwurf? Natürlich legte ich mir immer erst eine angebrachte – und funktionierende – Strategie zurecht, bevor ich etwas anging. Das war doch logisch. Das ganze Leben bestand aus einer Abfolge von Taktik und Strategie. Andernfalls könnt eich unmöglich eine Firma leiten. „Natürlich Muto, oder glaubst du, ich würde so leichtsinnig wie ihr, mein Leben wie ein Glücksspiel führen?“ „Aber das macht das Leben doch gerade Lebenswert!“ Meine Kopfschmerzen nahmen zu, je länger dieses sinnlose und verschwendete Gespräch dauerte. „Mag sein, dass dies deine niveaulose Sicht der Dinge ist – ich jedoch halte nicht viel von Risiken und möglichen Fehltritten. Ein Fehltritt kann größere Konsequenzen haben, als ihr euch vorstellen könntet.“ Ich schüttelte den Kopf, fassungslos über meine Geduld mit diesen Idioten. „Warum erkläre ich es euch überhaupt? Es hat ohnehin keinen Sinn – primitive Kinder“ – ich legte extra viel Betonung in dieses Wort und sah Wheeler dabei unverwandt an – „wie ihr würden mir nicht einmal zehn Minuten lang problemlos folgen können.“ „Was soll das jetzt heißen, Kaiba? Schon vergessen, ich besitze einen Spielladen, ich weiß auch, wie es auf dem Markt aussieht.“ „Mag sein, Devlin, aber dein kleiner Laden ist auf dem Weltmarkt ungefähr so groß, wie der Laden von Mutos Großvater in Domino – nein, ich würde sogar meinen, noch um einiges kleiner.“ „Kaiba!“ Empörte Gesichter blickten mir entgegen. Nichts konnte mich weniger aus der Fassung bringen. „Dies sind Tatsachen. Akzeptiert es oder versucht weiterhin, euch etwas vorzumachen.“ Unerwartet sprang Wheeler auf und war mit wenigen Schritten bei mir, packte mich grob am Kragen meines Hemdes. „Woher nimmst du dir eigentlich das Recht, so verdammt herablassend mit uns zu reden? Schon vergessen – Yugi hat dich zwei Mal geschlagen, du bist also schlechter als er!“ Mit diesen Worten hatte Wheeler einen wunden Punkt getroffen. Einen mehr als nur wunden Punkt. Meine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, mein Mund verzog sich abfällig. „Mag sein, dass Muto mich geschlagen hat“, zischte ich leise und blickte ihn verächtlich an, „allerdings hatte er simples Glück, im richtigen Moment die richtigen Karten gezogen zu haben - mehr nicht!“ „Kaiba, du weißt genau, dass es mehr als bloßes Glück war.“ Mein Blick schoss zu Muto, welcher ruhig am Boden saß und ernst zu mir aufsah. Zu ernst. Wieder wirkte er reifer als sonst, wieder älter, wieder klang seine Stimme tiefer und wieder fragte ich mich, ob ich zu wenig Schlaf hatte, dass ich auf derartige Schlüsse kam. „Ach ja?! Das sehe ich anders. Aber rede dir ruhig eine Lüge ein, das hilft dir beim nächsten Mal auch nicht weiter. Und nun rate ich dir, deinen Schoßhund“ – mein Blick wanderte wieder zurück zu Wheeler – „zurückzupfeifen, sonst sehe ich mich gezwungen, den städtischen Hundefänger zu rufen.“ Wheelers Miene verdüsterte sich, während der Griff um meinen Kragen sich verstärkte, seine Knöchel weiß hervortraten. „Weißt du Kaiba, ich bereue es mittlerweile wirklich, dir gestern das Leben gerettet zu haben.“ ‚Joey hat erste Hilfe geleistet.’ Für den Bruchteil einer Sekunde entglitt mir die Kontrolle, dann hatte ich mich auch schon wieder gefasst. ‚Joey hat erste Hilfe geleistet.’ So kurz war ich unaufmerksam gewesen, dass ich mir letztendlich sicher war, dass niemand der Anwesenden es bemerkt hatte. Ein hämischer Ausdruck erschien in meinen Augen. „Tja, Wheeler, du hättest die Chance nutzen sollen, als sie sich geboten hatte. Dein Pech.“ Innerlich aufgewühlt, könnte mein äußeres Erscheinungsbild nicht selbstsicherer wirken. Welche Zwiespalt. Perfide. Mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen, bei dem Gedanken daran, dass Wheeler dafür verantwortlich war, dass ich hier noch halbwegs lebendig vor ihnen stand und nicht leblos auf einer Trage oder sonst wo lag. Erneut überkam mich ein kalter Schauer, welchen ich jedoch erfolgreich zurückkämpfen konnte. Ich blickte Wheeler kalt an, sah die unterdrückte Wut in seinem Blick, das altbekannte Funkeln und mit einem Mal realisierte ich zur Gänze, dass ich ohne ihn tatsächlich nicht mehr leben würde. Sämtliches Blut wich mir aus dem Gesicht, als würde mir erst jetzt tatsächlich bewusst, was er für mich getan hatte. ‚Joey hat erste Hilfe geleistet.’ Meine Augen weiteten sich und in einer Kurzchlussreaktion stieß ich ihn grob von mir. Mit ungläubigem Blick sah ich ihn an, konnte nicht glauben, dass er mich wahrhaftig gerettet hatte. Er, dem ich nie auch nur einen Funken Respekt entgegengebracht hatte, den ich seit jeher wie Dreck behandelt hatte. Wie konnte ein einzelner Mensch nur so ... dumm sein und denjenigen retten, der ihn nicht einmal als ebenbürtig ansah und ihn nur erniedrigte? Ich war mir immer bewusst, wie ich Wheeler behandelt hatte, hatte auch nie ein schlechtes Gewissen deswegen gehabt oder etwas an meinem Verhalten ändern wollen – hielt ich es doch für richtig und keinesfalls für verwerflich. Er war nun einmal nur ein Köter, ich hingegen der Besitzer einer millionenschweren Firma – man sah an dieser Stelle immer wieder auf ein Neues die Welten, die uns voneinander trennten. Trotzdem hatte er mir das Leben gerettet. Eine dumme Handlung von einem dummen Köter. Wenigstens bereute er es mittlerweile, was bedeutete, dass wir unseren natürlichen Punkt wieder erreicht und sich alles wieder normalisiert hatte. Oder etwa nicht? Ich verschloss diese Frage in den Untiefen meines Kopfes und konzentrierte mich stattdessen wieder auf Wheeler, welcher einen Schritt zurück gemacht hatte und mich mit einer Mischung aus Wut, Abscheu und Reue ansah. Reue? Was hatte er denn mit einem Mal? Rasch verwarf ich mögliche Schlussfolgerungen. Ich musste mir den letzten Punkt meiner Aufzählung eingebildet haben – wahrscheinlich eine Nachwirkung meines gestrigen Unfalls. Nebenbei hob ich eine Hand und richtete den – von Wheeler in Unordnung gebrachten – Kragen, ließ den Köter dabei keinen Augenblick aus den Augen. Sein Verhalten irritierte mich. „Erwarte bloß keine überschwängliche Dankbarkeit von mit Wheeler“, meinte ich kalt und sah ihn ausdruckslos an. „Du magst mir einen hilfreichen Dienst erwiesen haben, aber das war es auch schon. Zudem waren deine Freunde keinesfalls unschuldig an meinem Zustand“ – mein Blick fixierte für wenige Augenblicke Devlin und Taylor – „somit sehe ich deine Handlung eher als Wiedergutmachung dafür an. Ich hoffe, du kannst meinen Worten folgen.“ Er knurrte. „Natürlich kann ich das, Kaiba. Ich bin ja nicht dumm.“ Ein spöttisches Lächeln erschien auf meinen Lippen. „Auf diese Behauptung wirst du von mir keine Antwort bekommen Wheeler. Ich wollte nur meinen Standpunkt klar machen.“ „Den hättest du dir sparen können.“ „Ich werde ihn auch nicht wiederholen.“ „Ein ehrliches ‚Danke’ hätte mir besser gefallen.“ „So tief bin ich noch nicht gesunken, Wheeler.“ „Tze, eingebildeter Fatzke.“ Mein Leben, so wie ich es kannte, hatte mich wieder. oOo Ich studierte aufmerksam den Artikel vor mir, bevor ich mit einem Rascheln die Zeitung umblätterte und ihn weiter las. Zumindest meine morgendliche Zeitung hatte man mit zurückgelegt, wenigstens ein Funken Trost an einem Morgen wie diesen. Ich hatte mich in einen Sessel im Gemeinschaftsraum niedergelassen und nur am Rande nahm ich die Stimme von Muto und dem Rest wahr. „Bakura hat schon wieder gewonnen.“ „So viel zu deiner ‚unschlagbar genialen Taktik’, Joey.“ „He, du hast sie mir zerstört, Tristan!“ „Hatte ich auch vorgehabt.“ „Mistkerl.“ „He Joey, es ist doch nur ein Spiel.“ „Nicht nur ein Spiel, Yugi, hier geht es um Ego!“ „Du meinst dein nichtvorhandenes Ego?“ „Grrr, Duke!“ „Ähm, Leute? Wie wäre es mit einem anderen Spiel?“ „Gute Idee, Bakura. Was haltet ihr davon?“ „Wie wäre es mit Flaschendrehen?“ „Flaschendrehen Tristan? Ohne heiße Bräute ist das doch langweilig.“ „Duke, überleg doch mal, wir haben eine Waschechte Männerrunde. Ohne die Weiber haben wir ganz neue Möglichkeiten und nicht irgendwelche Spaßbremsen. Nein Yugi, wenn wir schon Flaschendrehen spielen, dann richtig.“ „Also ich weiß nicht ...“ „Komm schon Yugi, gib dir einen Ruck. Du auch Bakura, das wird cool!“ „Wirklich Joey ... ich bin nicht sicher ...“ „Kommt schon.“ „Habt euch nicht so.“ „Na gut ....“ „Okay ...“ „Kaiba, was ist mit dir?“ Meine Augen verharrten mitten im Satz. Zunächst starrte ich das Wort Tariflohnerhöhung mit beinahe schon perfidem Interessen an, dann riss ich mich davon los und ließ die Zeitung langsam sinken, blickte Taylor über ihren Rand hinweg geringschätzig an. „Ich schätze mal, dass diese Aufforderung nur ein Scherz war, habe ich Recht?“ Taylor zögerte. „Äh, ich weiß nicht? War sie das?“ Meine Augenbraue wanderte ein Stück in die Höhe, während die Zeitung noch einige Zentimeter weite hinab sank. „Ja Taylor, sie war ein Scherz.“ „Okay, wenn du das sagst ...“ „Das tue ich.“ Ich schenkte ihnen keine weitere Beachtung, hob die Zeitung wieder auf Augenhöhe und vertiefte mich in den Artikel. Erst Wheelers Stimme unterbrach diesen Vorgang. „Hast du etwa Schiss, Kaiba?“ Erneut verharrten meine Augen, diesmal bei dem Wort Kontrollverlust. Sollte dies vielleicht ein Zeichen für mich sein? Zu bezweifeln. Langsam ließ ich die Zeitung wieder sinken, blickte Wheeler mehr als nur missgestimmt an. „Wheeler, ich verspüre nicht die geringste Lust, bei einem eurer primitiven Spiele mitzumachen, zumal ich mir weitaus besseres vorstellen kann.“ „Dann bist du dir also zu fein dafür?“ „Wenn du es so niveaulos ausdrücken willst – ja.“ „Reicher Pinkel.“ „Dummer Hund.“ „Ich bin kein Hund.“ „Trotzdem dumm genug um bei einem Spiel mitzumachen, dessen Sinn sich mir gänzlich entzieht.“ „Es heißt Flaschendrehen.“ „Tatsächlich? Wenn dem so ist - los Wheeler, dreh dich.“ „Du verdammter – was bildest du dir ein?“ „Dass du dich tatsächlich drehst.“ „Das Spiel hat den Sinn Spaß zu machen, neureicher Geldsack!“ „Das ist der Grund, warum ich noch nie viel von Spielen gehalten habe.“ „Sag nicht, du hast noch nie in deinem Leben Spaß gehabt?!“ „Warum sollte ich? Es gibt weitaus wichtigere Dinge.“ „Ach ja, was denn?“ „Geld, Macht, Ruhm.“ „Was. Ein. Schrott.“ „Achte auf deine Wortwahl, Wheeler. Du hast keine Ahnung.“ „Aber genug Ahnung, um zu merken, dass nichts von dem was du gesagt hast, ein Leben lebenswert macht.“ „Ach ja, und warum lebe ich dann?“ „Das würde ich kein Leben nennen.“ „Aber ich atme.“ „Und das auch nur noch, weil ich es wollte.“ Zum ersten Mal in meinem Leben fehlten mir die Worte. „Ich habe dir dein Leben gerettet – zumindest das, was du Leben nennst. Wegen mir atmest du noch, vergiss das nicht, Kaiba.“ Fassungslos war ich um Worte bemüht, doch mein Kopf schien wie leergefegt. ‚Und das auch nur, weil ich es wollte.’ Einem Echo gleich hallten diese Worte nach, schienen nicht verklingen zu wollen. ‚Und das auch nur, weil ich es wollte.’ Also hatte Wheeler tatsächlich gewollt, dass ich lebe? Er hat mich freiwillig gerettet? Das konnte nicht sein, ich musste mich verhört haben. Das konnte er einfach nicht ernst gemeint haben! „Mach dich nicht lächerlich Wheeler. Hast du nicht eben noch gesagt, du bereust es?“ Meine Stimme klang glücklicherweise unbeteiligt, was man von meinem Geist nicht behaupten konnte. Ich wollte unbedingt eine Antwort auf diese Frage. Er neigte leicht den Kopf, blonde Strähnen fielen ihm vor die Augen. „Ja, das habe ich. Und angesichts deines beschissenen Verhaltens ändere ich diese Meinung auch nicht, Geldsack.“ Ich verspürte ein gewisses Maß an Erleichterung. Das bedeutete, zwischen uns war alles wie immer. Meine Lippen prickelten verdächtig und für den Bruchteil einer Sekunde meinte ich, Wheelers Lippen wieder auf meinen spüren zu können. Doch so schnell wie das Gefühl gekommen war verschwand es auch wieder, ließ nichts zurück, abgesehen von der Übelkeit, die sich in meinem Magen bildete. „Dann ist gut.“ Scheinbar gelangweilt wandte ich mich wieder dem Artikel in der Zeitung zu und Momente bevor ich die Zeitung wieder auf Augenhöhe hob, registrierte ich Wheelers bestürzten Gesichtsausdruck. Ich stockte in der Bewegung und ließ die Zeitung kaum merklich wieder einige Zentimeter sinken, fixierte Wheeler über ihren Rand hinweg skeptisch. „Wieso ziehst du jetzt ein Gesicht, als hätte ich dir soeben deinen Knochen gestohlen?“ Er überging meine Worte. Vielleicht hatte er sie auch schlichtweg nicht wahrgenommen – zumindest ließ sein noch immer entgeistert wirkender Gesichtsausdruck darauf schließen. „Sag jetzt nicht, dass dir das egal ist?!“ Ich spürte Kopfschmerzen, die sich stärker denn je ankündigten. Danke, Wheeler. „Was soll mir egal sein, Köter? Drück dich bitte etwas klarer aus, denn es fällt mir äußerst schwer, mich auf dein primitives Denkniveau hinab zu begeben.“ „Es ist dir egal, was ich gesagt habe? Dass ich es bereue? Du hast nicht einmal mit der Wimper gezuckt! Jeder normale Mensch hätte zumindest überrascht, wenn nicht sogar bestürzt ausgesehen!“ Meine Augenbraue schwang in die Höhe. Ich musste zugeben, dass Wheelers Worte nicht wirklich unlogisch klangen und es wunderte mich offen gestanden, dass der Köter zu derartigen Schlüssen kam. Von sich aus und ohne Hilfe. Was mich jedoch viel mehr störte, war die Tatsache, dass er prinzipiell gesehen Recht hatte. Denn seine Worte hatten mich irritiert, doch war ich geübt genug, es mir nicht anmerken zu lassen. Offenbar hatte er diese Möglichkeit außer Acht gelassen, was mir weitgehend mehr zusagte. Darum betrachtete ich ihn lediglich mit einem abschätzigen Blick, blätterte nebenbei die Zeitung um. „Ja Wheeler, es ist mir egal. Tatsache ist nun einmal, dass du es dennoch getan hast und ich werde mich sicherlich nicht beschweren. Doch wenn du auf offene Bestürzung hoffst, muss ich dich enttäuschen. Zu derartigen Dingen tendiere ich nicht, was dir eigentlich bekannt sein dürfte.“ Ihn nicht weiter beachtend hob ich die Zeitung wieder auf Höhe meines Gesichts und vertiefte mich in die Aktienkurse. Ich überging Wheelers gemurmeltes „elender Snob“ beflissentlich und tat so, als würde ich sie ignorieren. Tatsächlich jedoch gelang mir dies nicht ganz, drangen ihre Dialoge in den nächsten Minuten doch klar und deutlich zu mir durch. „Da ich das Spiel vorgeschlagen habe, darf ich auch zuerst drehen.“ „Wenn es sein muss. Fang an.“ „Super. Okay, derjenige, auf den die Flasche zeigt, muss ... wollen wir die erste Runde noch harmlos machen, damit Yugi und Bakura nicht ohnmächtig werden?“ „Was willst du damit –“ „Warum nicht, Tristan. Wir können uns hocharbeiten.“ „Duke, ich verstehe nicht –“ „Keine Sorgen, Yugi, in dieser Runde befinden sich nur Leute, denen du vertrauen kannst. Abgesehen von Kaiba vielleicht und der bekommt mit seiner Zeitung eh nichts mit.“ Ich sparte es mir, sie eines besseren zu belehren. Ich war offen gestanden froh, dass sie mich in Ruhe ließen. „Dann fang an, Tristan.“ „Immer gerne.“ „...“ „Duke!“ „Warum ich?“ „Die Flasche hat entschieden, wie du unschwer erkennen kannst. Also, was wählst du? Wahrheit oder Wagnis?“ „Wahrheit.“ „Uh, du bist aber ziemlich sicher. Na dann, verlange ich von dir zu wissen, auf wen du im Moment scharf bist.“ „Tristan, kann man das nicht auch etwas anders formulieren?“ „Stell dich doch nicht so an Yugi, er weiß trotzdem, was ich meine. Also Duke? Wer ist deine Wunschbraut.“ „Serenity.“ „Was?“ „Was?!“ „Na warte!“ „Joey, Tristan, beruhigt euch. Joey, Duke musste ehrlich antworten und Tristan, du hast diese Frage gestellt!“ „Yugi, wie soll ich ruhig bleiben, wenn der Typ meine Schwester –“ „Er hat mich durch die Antwort provoziert!“ „Kommt wieder runter.“ „Tze.“ „Hmpf.“ „Okay, jetzt, wo das geklärt ist, bin ich dran.“ „Genau Duke, und lasst uns friedlich bleiben, ja? Bakura, du bist doch auf meiner Seite oder?“ „Sicher doch Yugi.“ Ich unterdrückte den Drang, abfällig zu schnauben. Ich kam mir ehrlich vor, wie in einer Kinderspielgruppe für fünfjährige. Wirklich schlimm. Dabei war ich froh, dass Mokuba aus dem Alter längst raus war. Herrlich und jetzt traf es mich hier erneut. Der Tag konnte nur noch besser werden. „Joey!“ Oder auch nicht. Ich gab den Versuch auf, den Artikel vielleicht doch noch zu lesen, war meine Aufmerksamkeit derzeit auf ein Minimum ihrer eigentlichen Menge reduziert und hauptsächlich auf die primitiven Gespräche der Kindergartengruppe gerichtet. Es war zwecklos, davon loszukommen. Stattdessen ließ ich die Zeitung wiederholt ein Stück sinken und blickte über ihren Rand hinweg zu dem kleinen Kreis aus Personen, unweit von mir entfernt. Momentan war Wheeler das Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit, zeigte der rote Deckel der leeren Colaflasche doch unmissverständlich auf ihn. Auf Devlins Gesicht zeigte sich unverhohlene Freude. „Nein Joey, was freut es mich, dass die Wahl auf dich gefallen ist.“ Wheeler knurrte. „Spar dir das Geschwafel. Ich nehme Wagnis.“ Devlins Mundwinkel zuckten verräterisch. „Was denn Joey, hast du Angst, dass ich dich etwas Peinliches frage? Gibt es da etwa ein kleines schmutziges Geheimnis, das du und vorenthalten willst?“ „Ich ... äh ... nein.“ „Das klang aber nicht wirklich überzeugend.“ Devlin verschränkte die Arme und ich musste zugeben, dass seine Taktik nicht unbedingt dumm war. Allerdings waren so gut wie alle Taktiken, die gegen Wheeler angewandt wurden effektiv, mochten sie auch noch so primitiv sein. Insofern war es keine Meisterleistung, Wheeler zu überlisten. So auch jetzt. „Verdammt Duke, es gibt kein schmutziges Geheimnis! Wenn du es unbedingt willst, dann nehme ich eben Wahrheit!“ Devlins Augen blitzten gefährlich und unvermittelt richteten sie sich auf mich. Ich erstarrte. Die Erkenntnis traf mich, doch jetzt war es zu spät. Dies war nicht nur eine Falle für Wheeler gewesen, sondern auch für mich! Alleine das Unheil verkündende Grinsen auf Devlins Gesicht machte dies mehr als deutlich. „Dann verrate mir etwas, Joey.“ Dabei nahm er den Blick nicht von mir. Unfähig, meine Augen wieder auf die Zeitung zu richten, erwiderte ich ihn. Ich wusste nicht, was jetzt kam, doch meine Intuition hatte mich noch nie im Stich gelassen und sie sagte mir eindeutig, dass Devlin etwas äußerst Heimtückisches plante. Langsam lösten die stechenden grünen Augen sich von mir, richteten sich stattdessen auf Wheeler, der den Eindruck erweckte, als fühlte er sich reichlich unwohl in seiner Haut. „Jetzt zieh’ es nicht unnötig in die Länge Duke, sondern frag mich endlich!“ „Hat es dir gefallen, bei Kaiba erste Hilfe zu leisten?“ Seine Worte lösten eine Kette von Reaktionen aus. Taylor, der soeben einen Schluck aus seinem Glas genommen hatte, spuckte diesen prustend wieder aus, Muto kippte voller Überraschung zur Seite und stieß gegen Bakura, welcher ebenso perplex wirkte. Wheeler schienen gänzlich die Worte ausgegangen zu sein und Devlin lächelte nur mit einer grauenvollen Mischung aus Selbstzufriedenheit und Unschuld in die Runde. Meine Reaktion hingegen beschränkte sich lediglich auf das kurze Aussetzten meines Herzschlags. Kaum erwähnenswert, schlug es doch bereits eine Sekunde später wieder, jedoch in einer derartigen Geschwindigkeit, die mich befürchten ließ, dass das Blut in meinem Körper bereits ungesund schnell zirkulieren musste. Meine Augenbrauen zogen sich zusammen. Meine Hände verkrampften sich in die Zeitung und zerknitterten sie stellenweise, sodass die geschriebenen Zeilen verschwammen. Verständnislosigkeit und der Wunsch, Devlin für diese unverfrorene Frage sämtliche Assassinen auf den Hals zu hetzen gaben eine äußerst reizende Mischung ab. „D-das kann nicht dein Ernst sein!“ Offenbar hatte Wheeler sich ebenso von seinem kurzzeitigen Schock erholt. Zumindest starrte er Devlin in einer Mischung aus Mordlust und Verständnislosigkeit an, während er den Arm hob und in einer unverfrorenen Geste auf mich deutete. Hatte ihm denn niemand beigebracht, dass man nicht so einfach ohne weiteres auf andere Leute zeigte? Oh, ich vergaß: Hunde besaßen ja keine Manieren. Ganz zu schweigen von Straßenkötern wie ihm. „Was soll das denn bitte heißen, ‚ob es mir gefallen hat’?! Sah ich deiner Meinung nach so aus, als hätte es mir gefallen?!“ Eine Frage, auf die ich ihm offen gestanden keine Antwort geben konnte, waren an den Zwischenfall am Strand doch nur bruchstückhafte Erinnerungen vorhanden. Und Wheelers Gesichtsausdruck gehörte zweifelsfrei nicht dazu. Vielmehr ... ein anderer Teil von ihm. Seine Lippen. Es war unglaublich, geradezu anmaßend, dass dieses Gefühl seiner Lippen auf meinen mich derartig vereinnahmte. Für gewöhnlich müsste ich bei dem alleinigen Gedanken daran, dass Wheelers Lippen meine berührt hatten, in einen Zustand der absoluten Übelkeit oder Apathie verfallen, doch letzteres war noch nicht ein getreten, wobei der erste von beiden Punkten bereits greifbar nahe war. Ich fühlte eine beklemmende Übelkeit in mir aufsteigen, je länger ich darüber nachdachte, doch das Prickeln meiner Lippen wollte nicht verschwinden. Es war widerlich. Absonderlich. Abartig. Doch diese Erkenntnis ließ es nicht verschwinden. „Ich weiß nicht Joey. Sag du es mir.“ „Duke, es hat mir nicht gefallen!“ Wheelers Worte waren keinesfalls wider Erwartung, sie schockten mich auch nicht. Vielmehr hätte es mich getroffen, hätte er anders geantwortet. Dennoch wollte die Übelkeit nicht schwinden, im Gegenteil, sie wurde noch um einiges stärker. Blonde Strähnen in meinem Gesicht. Dunkle Haut dicht über meiner. Heiße Lippen auf meinen. Ich hob die Hand und presste sie mir auf den Mund. Mein Körper gehorchte mir nicht mehr, spielte verrückt, entzog sich meiner Kontrolle. Mein Herz schlug in unregelmäßiger Geschwindigkeit, hinter meiner Stirn pochte es schmerzhaft. Warum geschah all dies? War es wegen Wheeler? Es war derart abstoßend. Mein Magen rebellierte. Vielleicht war es heute ein Fehler gewesen, aufzustehen. Vielleicht hätte ich in dem alten, dreckigen Etagenbett der Herberge liegen bleiben sollen, Wheelers abscheuliches Hemd anbehalten und die Maserung des Holzes über mir mit geheucheltem Interessen anstarren sollen, bis dieser Tag vorüber und meine Kopfschmerzen verklungen waren. Vielleicht hätte ich diesen Gemeinschaftsraum niemals betreten, Muto und seiner Gruppe keine Beachtung schenken dürfen. Vielleicht ... „Grins nicht so, Duke!“ „Ich grinse nicht.“ „Ach, und was sehe ich dann in deinem Gesicht?“ „Ich weiß nicht.“ „Tu nicht so unschuldig!“ Kurz verspannte ich mich, bevor ich meine Hand langsam sinken ließ und meinem Blick hob. Keiner der anwesenden hatte meine Reaktion wahrgenommen. Niemand schenkte mir Beachtung. Zum ersten Mal erleichterte es mich. Zu sehen, wie ich für wenige Momente unachtsam war, war das letzte, was jemand mitbekommen sollte. „Ich bin dran!“ „Nur zu, Joey.“ „Na warte Duke! Wenn du drankommen solltest, dann zieh dich warm an.“ „Die Wahrscheinlichkeit, dass die Flasche auf mich deutet, liegt bei zwanzig Prozent – sie ist also recht niedrig.“ „Wie hast du –“ „Wahrscheinlichkeitsrechnung Joey. Letztes Schuljahr im Mathematikunterricht.“ „Ach was.“ „Gib doch zu, dass du es längst wieder vergessen hast.“ „Woher willst du das wissen?!“ Langsam richtete ich mich wieder auf. Mein Kopf schmerzte, jedoch war ich diesen Schmerz mittlerweile gewöhnt und ließ mich nicht mehr von ihm beeinflussen. Ich lockerte den Griff um die Zeitung, nur um anschließend festzustellen, dass sie durch meine unfreundliche Behandlung beinahe zur Gänze nutzlos geworden war. Diese Tatsache nicht beachtend strich ich sie glatt und blätterte um. Als wäre nichts geschehen, richtete ich meine Aufmerksamkeit auf einen Artikel über die zunehmende Umweltverschmutzung. „Mir doch egal, ich drehe jetzt.“ „Zwanzig Prozent, vergiss das nicht, Joey.“ „Ach, lass mich doch in Ruhe ...“ Ohne etwas von dem Inhalt aufzunehmen, überflogen meine Augen die Zeilen des Artikels. „Yugi!“ „Was?“ „Tu nicht so entgeistert, ja, du bist dran.“ „Oh nein ...“ „He, dir zuliebe mach ich deine erste Runde noch harmlos, ja? Also, was nimmst du?“ „Wahrheit?“ „Gute Wahl. Also Yugi, was dein geheimster Wunsch?“ „Joey!“ „Was denn?“ „Du meintest, du würdest es harmlos machen!“ „Reg dich doch nicht auf, Bakura, er hätte Yugi genauso gut fragen können, was sein schmutzigster Traum ist.“ „Duke, rede doch nicht so unanständig in Gegenwart von Bakura und Yugi, du verdirbst sie nur noch. Sieh’ sie dir an, sie sind schon ganz rot.“ „Du solltest dir dabei das Grinsen aus dem Gesicht wischen, Tristan. Sei froh, dass du nicht drangekommen bist, für dich hätte ich etwas viel besseres gehabt!“ „Ist das eine Drohung, Kumpel?“ „Worauf du doch verlassen kannst.“ „Also Yugi, raus mit der Sprache.“ Während Muto sich einen halbwegs anständigen Satz zurecht nuschelte, versuchte ich angestrengt, wegzuhören und mich dazu auf den Artikel zu konzentrieren. Es gelang mir auch und ich bekam tatsächlich nicht mit, was genau Mutos geheimster Wunsch war. Ich war dankbar dafür. „Okay, jetzt wo wir das hätten. Yugi, du brauchst doch nicht mehr rot zu sein, bei uns ist dein Geheimnis in besten Händen.“ „Genau, und jetzt dreh die Flasche.“ Ich fragte mich ernsthaft, was diese Kinder an dem Spiel derart fesselnd fanden. Meine Augen verweilten auf der letzten Zeile des Artikels. Darum muss schnellst möglichst etwas unternommen werden. Die Kontrolle muss zurückerlangt, das Vorgehen geändert werden. Dieser Satz gab das wieder, was ich mir seit Tagen vornahm. Mein Ziel: Kontrolle. „Kaiba!“ Durch das unvermittelte Nennen meines Namens aufgeschreckt, fuhr ich in die Höhe. Wütend funkelte ich die Dumpfbackenpatrouille an, bedachte jeden von ihnen mit einem strafenden Blick. Bis meine Augen bei dem Urheber der plötzlichen Beachtung zur Ruhe kamen. Die Flasche, die inmitten ihrer Runde lag, war zum Stillstand gekommen. Ihr roter Deckel zeigte auf mich. Meine Augenbraue schwang in die Höhe und ich entschied mich, Devlin zu meinem augenblicklichen Aufmerksamkeitszentrum zu machen. „Was ist jetzt schon wieder?“ Ich wusste, welche Worte als nächstes kommen würden. Ich wusste, was sie von mir verlangen würden, genauso wie ich wusste, dass sie wussten, dass ich es wusste. Komplex, verwirrend, aber zutreffend. Und sie kannten die Antwort, genauso wie ich sie kannte. „Du bist dran.“ Devlins Worte klangen seltsam paradox. Sie passten nicht. Alleine aus dem Grund, dass von Anfang an klar war, wie ich reagieren würde. „Träum weiter.“ Ich beachtete ihn nicht weiter. Die Zeitung war bei weitem interessanter als alle anwesenden Personen in diesem Raum zusammen. „Na Kaiba, zu feige, bei einem primitiven Kinderspiel mit zu machen?“ Ich stockte. Nein, sie war nicht interessanter. Wheeler war offen gestanden das Interessanteste in diesem Raum. Sein Verhalten, seine Worte, seine Reaktionen - sie waren so berechenbar und auch wieder nicht. Dennoch, diese Worte waren mehr als nur vorhersehbar. „Billige Provokation wird dir nichts nützen Wheeler.“ Ich sah ihn nicht einmal an, während ich dies sagte. „Ach nein? Was ist los Kaiba? Angst, dass wir dich auf diesem Gebiet fertig machen können, weil du davon keine Ahnung hast?“ Es wurde allmählich Zeit, dass Wheeler sich eine andere Methode einfallen ließ, um mich zu reizen. Merkte er nicht, dass er mich mit seinen Worten mehr als nur langweilten? „Hab ich es mir doch gedacht“, fuhr Wheeler dessen ungeachtet fort. Er schien es wirklich nicht zu merken, dieser Idiot. Um ihm zu verdeutlichen, wie sinnlos seine Worte waren, blätterte ich demonstrativ eine Seite weiter, schenkte ihm dabei einen abfälligen Blick über den Rand der Zeitung hinweg, bevor meine Augen sich auf einen Artikel über Börsenmakler richtete. „Hör auf, mich zu ignorieren!“ Ich ließ die Zeitung wenige Zentimeter sinken und musterte Wheeler spöttisch. „Was denn, fühlst du dich etwa vernachlässigt?“ Mit Genugtuung registrierte ich, wie er aufgrund meiner Worte empört nach Luft schnappte. „Das hab ich nie gesagt!“, protestierte er aufgebracht. Er war so leicht zu reizen. „Was immer du sagst, Wheeler“, meinte ich desinteressiert und las den Artikel. „Wahrheit oder Wagnis?“ Wieder war es Wheeler, der mich davon abhielt. Ich verengte die Augen. „Welchen Teil von ‚träum weiter’ hast du nicht verstanden?“, fragte ich wenig angetan von seinen Worten, jedoch ohne meinen Blick von dem Zeitungsartikel zu nehmen. Ich sah es nicht ein, dass er mich dauerhaft unterbrach. „Wahrheit oder Wagnis?“, beharrte er standfest, ohne sich von meinen Worten beirren zu lassen. Meine Augenbrauen zogen sich zusammen. Langsam ließ ich die Zeitung ganz sinken. Ich sah ihn durchdringend an. „Weder noch.“ „Wahrheit oder Wagnis, Kaiba?“, wiederholt er und erwiderte meinen Blick provozierend. Der Köter legte es wirklich drauf an. „Vergiss es.“ Ich legte übermäßig viel Betonung in jedes der beiden Wörter, damit auch er es endlich verstand. „Kaiba. Wahrheit oder Wagnis?“ Meine Augen waren mittlerweile nur noch gefährliche Schlitze und ich rang um meine Selbstbeherrschung. Wheelers Worte schienen Zündstoff für meine Kopfschmerzen zu sein, jedenfalls verdeutlichte das Stechen hinter meinen Schläfen, dass sie keinesfalls gut taten. „Wheeler.“ „Entschiede dich Kaiba und ich lass dich in Ruhe.“ „Darauf kannst du lange warten.“ „Ich hab dir dein Leben gerettet.“ „Das Thema hatten wir bereits, Wheeler.“ „Du bist mir etwas schuldig, Kaiba.“ „Ich habe dich nie darum gebeten.“ „Trotzdem.“ „Köter.“ „Wahrheit oder Wagnis?“ „Bist du so schwer von Begriff oder tust du nur so?“ „Wenn du mich so fragst: Ich tue so, um dich in günstigen Momenten überraschen zu können.“ Diese Worte überraschten mich. Weil sie von Wheeler stammten. Ich sah ihn an, erwiderte nichts, sondern musterte ihn nur stumm. Was meinte er damit? Es war unmöglich, dass er seine Dummheit nur vortäuschte. Ich kannte ihn jetzt schon mehrere Jahre, und eine derartige Dummheit konnte unmöglich vorgetäuscht sein. Er versuchte mich zu verwirren, nichts weiter. Wheeler war nicht schlau. „Tze“, gab ich abfällig zu bemerken und mein Blick wurde abweisender als vorher. So einfach ließ ich mich von Wheeler nicht aus der Bahn werfen. Und schon gar nicht ließ ich mich von ihm für dumm verkaufen. Ich erhob mich. Ich sah es nicht ein, mich länger mit Wheeler und dem Rest von Mutos Anhängerschaft abzumühen. Das kostete nur unnötige Nerven, ganz zu schweigen von meinen zunehmenden Kopfschmerzen. „Ich sehe es nicht ein, bei euren niveaulosen Albereien mitzumachen, Wheeler. Spar dir deine Bemühungen und setzte am besten weiterhin alles daran, auch denen kümmerlichen Restverstand durch derartige Zeitverschwendung aufzubrauchen.“ Ich schritt an ihm vorbei ohne ihn, geschweige denn einen der anderen, noch eines weiteren Blickes zu würdigen. „Du redest im Schlaf, Kaiba.“ Ich erstarrte mitten in der Bewegung. Wieder war es Wheeler gewesen, der gesprochen hatte. Langsam wandte ich mich zu ihm um. Er saß noch immer auf dem Boden, ignorierte die überraschten Blicke seiner Freunde, blickte mich stattdessen geradezu triumphierend an. Seine Augen straften diese Mimik jedoch Lügen, stach mir doch aus ihnen unzweifelhafter Ernst entgegen. „Hast du das etwa nicht gewusst?“ Nein. Das hatte ich definitiv nicht. ~*~*~ I don't know What to think anymore Maybe things will get better Maybe things will look brighter Maybe, Maybe, Maybe ~*~*~ (Sometimes by Linkin Park) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)