A Trip to Hell von mystique (Die Leiden des Seto Kaiba ∼ KaibaxWheeler ∼) ================================================================================ Kapitel 1: Tag 1: Psychoterror - in jeder Hinsicht -------------------------------------------------- Titel: A Trip to Hell - Die Leiden des Seto Kaiba Pairing: KaibaxWheeler Serie: Yu-Gi-Oh! Disclaimer: Yu-Gi-Oh gehört nicht mir, ich verdiene kein Geld hiermit, sondern sehe es viel mehr als netten Zeitvertreib. Widmung: Ich widme diese Story meiner besten Freundin _aiko-chan_ und zudem allen lieben Lesern von 'A Dog's Life' 1. Tag: Psychoterror – in jeder Hinsicht *~* Ich stand auf dem Dach der Kaiba Corporation. Der Wind heulte um mich herum, ließ meine Haare vor und zurückwiegen. Der Himmel war blau, keine Wolke war zu sehen. „Kaiba.“ Ich fuhr nicht einmal zusammen, schien es erwartet zu haben. Ich drehte mich nicht um, hoffte innerlich, dass er verschwand, sich vielleicht einfach in Luft auflöste, ohne eine Spur seiner Existenz zurückzulassen. Spurlos. Doch diese Hoffnung wurde zerstört, zusammen mit dem Glauben, eventuell doch noch aus diesem Albtraum zu erwachen. Eine Hand legte sich auf meine Schulter. Langsam wandte ich den Kopf und drehte mich nach und nach um. Ich blickte in braune Augen, die mich belustigt anfunkelten, sah weiße Zähne, die mir durch ein breites Grinsen entgegenstrahlten. „Kaiba.“ Wieder dieses Wort, dieser Name. Mein Name. Nur das, mehr nicht. Ich öffnete den Mund, um ihn kalt anzufahren, doch ... mir fiel nichts ein. Keine Beleidigung, kein einziger bissiger Kommentar. Nichts. Mein Kopf schien wie leergefegt. Nicht einmal scharf zurechtweisen konnte ich ihn, dafür, dass er noch immer seine Hand auf meiner Schulter hatte und nun sogar, voller Dreistigkeit, seine andere Hand auf meine noch freie Schulter legte. Niemand hatte mich anzufassen, doch ihn schien dies nicht zu interessieren. Sein Grinsen gewann an Umfang und ich meinte, einen hämischen Ausdruck in seinen Augen erkennen zu können, bevor er mich unvermittelt von sich stieß. Meine Augen weiteten sich, ich starrte fassungslos auf sein Grinsen, während ich nach hinten taumelte, versuchte, mein Gleichgewicht zurückzuerlangen. Doch der Stoß war zu fest und bevor ich meine Fassung, geschweige denn meinen Halt zurückerlangen konnte, spürte ich, wie ich den Boden unter den Füßen verlor. Das Blut wich mir aus dem Gesicht, ich hörte es in meinen Ohren rauschen, während ich unaufhaltsam nach hinten fiel. Starrte auf sein fröhliches Gesicht, sah, wie er die Hand hob und mir hinterher winkte. „Guten Flug, Kaiba.“ Dann drehte er sich um, wandte mir den Rücken zu. Sein blondes Haar wehte im Wind. Wheeler, du elender – *~* Mit einem Schrei erwachte ich, setzte mich ruckartig auf. Mein Kopf kollidierte mit etwas Hartem, bunte Sterne leuchteten vor meinem inneren Auge auf und ich fiel zurück in mein Kissen, mir stöhnend die Stirn haltend. Über mir rumpelte es, ich hörte einen erstickten Fluch, einen unterdrückten Aufschrei und etwas fiel mit einem Poltern und Krachen auf den Boden, rechts von mir. Ich hatte die Augen geschlossen, versuchte meine überforderten Nerven zu beruhigen, dennoch sandten sie Schmerzwellen in mein Gehirn, malträtierten meinen Kopf. Neben mir hörte ich ein schmerzerfülltes Keuchen und ich spürte schwach eine Bewegung. Blind tastete meine Hand nach dem Lichtschalter, fand ihn schließlich und legte ihn um. Die Lampen flackerten und gingen letztendlich an, erhellten das Zimmer mit ihrem kalten Licht. Zögernd öffnete ich die Augen, schloss sie geblendet wieder und versuchte es anschließend erneut, jedoch weitaus vorsichtiger. Langsam, mir weiterhin die Stirn haltend, drehte ich meinen Kopf nach rechts. Neben dem Bett, auf dem Boden, lag ein Deckenberg, aus dem wirr ein Paar Arme, sowie zwei Beine und ein blonder Schopf hervorlugten, welcher fluchend versuchte, sich aufzurappeln. Genervt verdrehte ich die Augen. „Wheeler“, knurrte ich – zumindest versuchte ich es, denn meiner Kehle entwich nur ein klägliches Krächzen. Erbärmlich. Doch zu meinem Glück schien er mich nicht gehört zu haben, war er doch viel zu sehr damit beschäftigt, sich aus dem Deckengewirr zu befreien. Ich schloss meine Augen, versuchte mich der Situation und Lage bewusst zu werden. Traum. Ich hatte einen Traum über mich und ... Wheeler. Normal? Mitnichten. Grotesk? Sicherlich. Paradox? Oh ja. Ich ließ meinen Blick über das Holz, etwas mehr als einen Meter über mir, wandern. Ich lag in einem Hochbett, in der unteren Etage, in einem Raum, der gänzlich unter meiner Würde war. Abwegig? Meiner Meinung nach schon. Real? Den Schmerzen in meinem Kopf nach zu urteilen schon. Schlimm? Ja! Wie kam es zu alldem? Nun, das fragte ich mich momentan auch. Langsam sickerten die Fetzen der bis eben noch verwischten Erinnerung in mein Gehirn. Klassenfahrt - Mokuba. Horrorfahrt - Wheeler. Schreckensunterkunft - Wheeler. Zimmerverteilung - Wheeler. Unzumutbare Unterkunft mit Hochbett und ... Wheeler. „Verdammt noch mal, Kaiba!“, hörte ich mit einem Mal besagten Kerl fauchen und öffnete enerviert meine Augen. Wheeler saß reichlich verpeilt inmitten des Deckenberges und funkelte mich an, was angesichts seiner zerzausten Haare, seines verrutschten Schlafanzugoberteils und seinem noch recht verschlafenen Gesichtsausdruck nicht annähernd soviel Wirkung erzielte, wie erwünscht. „Musst du so schreien und mir beinahe einen Herzinfarkt verpassen?!“, knurrte er und wirkte nun tatsächlich wie ein konfuser Hund, den man mitten in der Nacht vor die Tür gesetzt hatte. Ich starrte ihn wahrscheinlich einen Moment lang an, als wäre er ein Irrer, dann verhärtete sich mein Blick und die gewohnte Gelassenheit kehrte zu mir zurück. Ich wusste wieder, wo ich war. Ich wusste wieder, warum ich hier war. Und noch viel wichtiger: Ich wusste, warum Wheeler vor mir auf dem Boden saß und mich wie ein zerstreuter Straßenköter anstarrte. Genau diese drei Komponenten waren es, die mir meine Sicherheit zurückgaben, mich dazu veranlassten, ihm ein herablassendes Lächeln zuzuwerfen, ohne mich dabei aufzusetzen, lag ich doch noch immer mit dem Kopf auf meinem Kissen. Dadurch schien ich ihn sichtlich aus der Bahn zu werfen. Nun war er es, der mich ansah, als wäre etwas mit mir nicht in Ordnung. Tze, wenn bei einem von uns etwas nicht stimmte, dann doch wohl bei ihm. „Wheeler, sei so frei und verschwinde aus meinem Blickfeld, ich könnte Albträume bekommen.“ Wenn ich diese nicht schon längst hatte. Immerhin hatte er mich vom Dach der Kaiba Corporation gestoßen. Alleine für diese Tatsache sollte ich ihm meine Anwälte vorbei schicken. „Wer hat denn die ganze Herberge zusammen geschrieen?“ Oh, der Köter zeigte seine Zähne. Zeit, ihm einen Maulkorb anzulegen. „Wheeler, strapazier nicht meine Nerven, geh mir aus den Augen, lass dich bis morgen früh nicht mehr blicken – nein, noch besser – lass dich am besten in den nächsten sieben Tagen kein einziges Mal mehr blicken und, bei Gott, sei endlich still.“ Offensichtlich hatten meine Worte ihren Dienst erfüllt, denn er war tatsächlich still und starrte mich mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Entrüstung an. Mir sollte es Recht sein, solange er nur den Mund hielt. Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen streckte ich meine Hand aus, löschte das Licht und drehte mich um, wandte ihm den Rücken zu. Sollte er sehen, wie er wieder zurück in sein Bett fand. Und wehe er würde es wagen, das Licht wieder anzuschalten. „Untersteh dich, Wheeler“, knurrte ich, ohne hinzusehen, wusste ich doch genau, dass seine Hand bereits tastend die Wand neben sich, auf der Suche nach dem Lichtschalter entlangfuhr. Ich hörte ihn abfällig schnauben. „Du hast mir gar nichts zu sagen, Kaiba.“ Ich schloss die Augen. „Köter, ich habe aus gesagt.“ „Nenn mich noch einmal Köter, Kaiba, und ich schwöre dir –" „Was schwörst du mir, Wheeler? Bewirfst du mich mit deinen Socken, die hier im gesamten Zimmer verstreutliegen? Ich bin schockiert.“ „Halt doch die Klappe.“ „Fang doch zur Abwechslung selbst mal damit an“, entgegnete ich schlicht. „Tze.“ Ich hörte, wie er sich aufrappelte, seine Bettdecke packte und auf sein Bett warf, nach den Sprossen der Leiter am Etagenbett griff und hinaufkletterte, leise vor sich hinfluchend. Na bitte, ging doch. Wenn er nur immer so gehorchen würde. Das Hochbett knarrte, als er sich hinlegte, der Stoff der Decke raschelte und dann war es still. Allmählich entspannte ich mich. Endlich. Schon bald hörte ich sein regelmäßiges Atmen und war selbst viel zu erschöpft, um mich über sein leichtes Schnarchen zu beschweren. Eine Frage allerdings ließ mir keine Ruhe: Wie konnte es so weit kommen? *~* „Ich hab gehört, deine Stufe plant eine Stufenfahrt?“ Ich sah von meinen Unterlagen auf, erblickte Mokuba, der im Eingang meines Arbeitszimmers stand und mich interessiert musterte. Seine Worte erinnerten mich schmerzlich an die verdrängten Tatsachen. Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf die Verträge vor mir, während ich mit der rechten Hand am Laptop die Tageswerte der Kaiba Corporation überprüfte. „Schon möglich“, antwortete ich desinteressiert, widmete mich so gut es ging der Arbeit, versuchte nicht auf den Blick zu achten, den er mir zuwarf. „Du fährst doch mit, oder?“ Den Bruchteil einer Sekunde verkrampfte ich mich, die Hand über der Tastatur verharrte geringfügig, bevor ich scheinbar ungerührt damit fortfuhr, die Schriften zu verfassen. Beinahe hastig überflogen meine Augen die Zeilen auf dem Blatt Papier vor mir, nur, um nicht auf den stechenden Blick achten zu müssen, mit dem ich bedacht wurde. Genau das hatte ich mir bereits den gesamten Nachmittag ausgemalt. Das Unvermeidbare. „Seto?“ Dieser Tonfall. Meine Augenbrauen zogen sich zusammen, während ich mich krampfhaft auf die Worte vor mir zu konzentrieren versuchte. Jedes Mal, wenn er meinen Namen auf diese Weise aussprach, bedeutete dies, dass ich schon so gut wie geschlagen war. Ich, der große Seto Kaiba, geschlagen von meinen kleine Bruder. „Seto.“ Ich gab den sinnlosen Versuch auf, die Zeilen zu lesen, schloss die Augen und massierte mir mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel, um die aufkommenden Kopfschmerzen zurückzudrängen. Vorerst. Denn sie würden mich heute Abend sicherlich heimsuchen. Wie jedes Mal. „Was ist, Mokuba?“ Ich ließ die Hand sinken und öffnete die Augen, sah mich seinem strengen Blick direkt gegenüber, da er nun knapp vor meinem Schreibtisch stand. „Du wolltest nicht mitfahren, stimmt’s?“ Er hatte die Hände in die Hüften gestemmt und sah mich durchdringend an. Ich hielt seinem Blick stand, hat er diesen doch von mir, und war nicht gewillt ihm nachzugeben. „Ich werde nicht mitfahren“, erklärte ich sachlich und legte die Unterlagen geschäftsmäßig beiseite, bevor ich mich ihm wieder zuwandte. „Und das ist bereits beschlossene –“ Ich brach ab, als mir ein flehender Blick aus tiefblauen Augen entgegenschlug. Meine eigenen weiteten sich leicht und ich schluckte. Nein, darauf war ich noch nicht vorbereitet gewesen. Nicht so früh. Mokuba lernte eindeutig zu schell. „Mokuba.“ Meine Stimme klang mahnend, dennoch hatte weder mein Tonfall, noch meine zum Nachdruck zusammengezogenen Augenbrauen Erfolg. „Seto." Die Augen wurden ein Stück größer, das Glänzen in ihnen eine Spur heller und unbewusst wich mein Körper leicht zurück, bis die Lehne des Schreibtischstuhls ihn daran hinderte und ich somit nichts weiter tun konnte, als diesem Angriff entgegenzutreten. Ihm standzuhalten. „Mokuba, lass das, wir waren schon mehrfach an diesem Punkt. Nicht so“, warf ich mit scharf dazwischen, doch vergeblich. Sie war da. Die unvermeidbare Niederlage. Genau das hatte ich doch verhindern wollen. Den halben Nachmittag hatte ich mir Möglichkeiten zurechtgelegt, überhaupt nicht erst in diese Situation zu geraten, hatte sogar kurzzeitig mit dem Gedanken gespielt, eine Sonnenbrille zu tragen, um die Wirkung dieses Blickes zu dämpfen, doch nun war es zu spät. „Warum fährst du denn nicht mit, Seto? Du könntest Urlaub gebrauchen.“ Urlaub? Eine Fahrt mit dieser Stufe war ebenso erholsam, wie ein Marathon über mehrere Tage hinweg, durch die höchstmöglichsten Hitzen einer Wüste. „Ich brauche keinen Urlaub, Mokuba“, versuchte ich ihm die Fakten darzulegen, ihn dazu zu bringen, von dieser aberwitzigen Idee loszulassen, meine Nerven nicht unnötig weiter zu strapazieren. „Doch, den brauchst du!“, erwiderte er mit einer beinahe unheimlichen Bestimmtheit in der Stimme, die er einfach nur von mir haben konnte. Ich musste aufpassen, dass Mokuba mir nicht in Naher Zukunft überlegen war. „Nein Mokuba, brauche ich nicht“, beharrte ich weiterhin auf meine eigene Sicht der Dinge, war in keinster Weise gewillt, meinem kleinen Bruder in dieser Hinsicht nachzugeben. Nicht hierbei. Angesichts der flehenden Kinderaugen, die mich bittend ansahen begann meine feste Entschlossenheit zu brechen, wurde durchzogen von Rissen. Nein, diese Methode hatte er sicherlich nicht von mir. Auf eine derart perfide Art und Weise würde ich niemals versuchen, meinen Willen durchzusetzen. Ich hatte weitaus effektivere Mittel und Wege. Nicht so, Mokuba. Es hatte dennoch nichts genützt. Etwa eine Woche später stand ich vor dem Schulgebäude, neben mir mein schwarzer Koffer mit dem silbernen KC - Logo in der Mitte, in meiner rechten Hand die Tasche mit meinem Laptop, den ich trotz Mokubas Proteste mitnehmen würde. Es war einer der wenigen Tage im Schuljahr, an dem die Schuluniform keine Pflicht darstellte und ich hätte liebend gerne meinen weißen Mantel angezogen. Doch auch hier hatte mir Mokuba einen Strich durch die Rechnung gezogen. Sämtliche weißen Mäntel waren heute Morgen unauffindbar. Allerdings würde ich nicht Seto Kaiba heißen, wenn ich nicht auf eine derartige Situation vorbereitet gewesen wäre, wusste ich doch nur zu gut, wie sehr Mokuba diese Mäntel verabscheute und hatte darum vorsorglich bereits vor einigen Tagen einen von ihnen in meinem Koffer verstaut. Jedoch bedeutete dies, dass ich ihn erst an unserem Ausflugsziel würde tragen können, denn Mokuba würde sicherlich mit allen Mitteln versuchen, mich vorher daran zu hindern und sei es, dass er dafür sorgte, dass der Mantel durch unglückliche Umstände kurz vor meinem Aufbruch beschmutzt würde. Ich warf einen Blick auf die Uhr. Langsam wurde es Zeit, dass der Rest der Stufe sich einfand, es war bereits fast acht. Hatte ich mich wohlmöglich im Datum geirrt? Nein, ich irrte nie, alleine eine leichte Verschätzung konnte in der harten Wirklichkeit fatale Folgen haben. Dennoch würde es mich ausnahmsweise in dieser Situation nicht stören, mich zum ersten Mal in meinem Leben verschätzen zu haben. Ich wandte meinen Kopf und blickte auf Mokuba hinab, der neben mir auf meinem Koffer saß und fröhlich vor sich hinsummte. Er müsste selbst längst in der Schule sein, doch ließ er es sich nicht nehmen, mich persönlich zu verabschieden. Waren dies doch seine Worte gewesen, gleichwohl ich sehr genau wusste, dass er einfach sichergehen wollte, dass ich auch wirklich mitfuhr. Er hatte wirklich keinen Funken Vertrauen in dieser Hinsicht. Fünf Minuten verstrichen und noch immer war von meinen Mitschülern nichts zu sehen. Die anfängliche Hoffnung, die Abfahrt vielleicht doch verpasst zu haben, festigte sich. „Tja, Mokuba“, wandte ich mich an meinen kleinen Bruder, der zu mir aufsah, „sieht ganz so aus, als müsste ich doch nicht mitfahren.“ Er sah mich schmollend an, bevor er den Blick senkte. „Aber ich habe mich doch mit Yugi hier verabredet“, murmelte er geknickt und ich stutzte. Verabredet? Mit Muto? Sollte das heißen, die ganze Sache war bereits geplant? Mokuba schien mir wirklich immer ähnlicher zu werden. Wenn ich mir etwas als Ziel setzte plante ich auch jeden Schritt im Voraus. Allerdings kam ich auch immer ans Ziel. Bei Mokuba schien dies nicht der Fall zu sein. „Hallo Kaiba.“ Ich erstarrte unmerklich. Oder vielleicht doch? Langsam drehte ich mich um und musste den Blick ein ganzes Stück senken um zu Muto hinabzublicken, der nun direkt vor mir, beziehungsweise bis eben noch hinter mir stand. Mokubas Kopf schnellte bei der Stimme des anderen nach oben und freudig sprang er auf. „Yugi! Und ich dachte schon, du kommst nicht.“ Der kleine Punk lächelte freundlich. „Natürlich komme ich, wir waren doch verabredet.“ Tze, wenn es nach mir ginge hätte er auch liebend gerne sonst wo bleiben können, bei seinem kleinen Kindergartenverein. A propos, wo waren die eigentlich? „Muto, wo hast du deine Anhängerschaft gelassen?“, fragte ich und klang dabei betont desinteressiert. Er hob den Blick und sah zu mir auf – bei dieser Gelegenheit fiel mir wiederholt auf, wie klein er doch war – und lächelte mich an. Bah, der sollte damit aufhören. Als wären wir in irgendeiner Hinsicht befreundet. „Die sitzen alle schon im Bus.“ Meine Augenbraue schwang in die Höhe und mein Blick wanderte über den Platz vor dem Schultor. „Bus? Welcher Bus?“, fragte ich forschend. Offensichtlich hatte ich doch eine Kleinigkeit nicht mitbekommen. Er schüttelte den Kopf. „Doch auch nicht hier, Kaiba. Der Bus steht auf der anderen Seite der Schule, auf dem Parkplatz.“ Meine Augenbraue begann bei diesen Worten leicht zu zucken. Parkplatz? Offenbar hatte ich doch mehr verpasst, als ich gedacht hatte. Was wahrscheinlich daran lag, dass ich in den letzten Tagen zu viele Termine in der Firma hatte, um in der Schule zu erscheinen. Ich hatte meine Meetings absichtlich genau in die Schulzeit verlegen lassen, um nicht an den Gesprächen zur Klassenfahrt teilhaben zu müssen. Aber vielleicht hätte ich mich doch ein wenig mehr erkundigen sollen, bedeutete dies doch jetzt, dass offensichtlich alle schon da waren und ... auf mich warteten? Nein, ich konnte unmöglich der Letzte sein. Ein Seto Kaiba kam niemals als Letzter. Alleine schon, weil Wheeler diesen Platz in allen Kategorien einnahm. „Also Mokuba, du weißt, was ich dir gesagt habe?“, fragte ich streng, während ich mit missbillig in die Höhe gezogener Augenbraue dabei zusah, wie der Busfahrer meinen Koffer zu den anderen zwänge. Wenn dabei auch nur eine winzige Kleinigkeit des Koffers beschädigt werden sollte, konnte der Mann sich auf etwas gefasst machen. „Ja, ich weiß schon, Seto, auch Roland ist bestens informiert und weiß, was er zu tun hat. Und ich werde jeden Tag brav in die Schule gehen und nein, es gibt kein Eis zum Frühstück, während du weg bist und ich werde auch nicht zu spät ins Bett gehen“, ratterte Mokuba die Liste an Verordnungen, die ich ihm bereits in den Tagen vor meiner Abreise mehrfach vor Augen gehalten habe hinunter. „Ich werde nicht zu viel Fernsehen, nicht zu lange am Computer sitzen und meine Hausaufgaben ordentlich machen und alles später Roland zeigen.“ Meine Augenbraue hob sich noch ein Stück an. Hatte Mokuba ernsthaft vor, all dies zu befolgen? Eigentlich hatte ich diese Liste nur aufgestellt, um ihn vielleicht doch umzustimmen und zur Vernunft zu bringen, um letztendlich vielleicht doch nicht mitfahren zu müssen. Wunderbar, jetzt half das also auch nicht mehr. Gegen diesen Jungen war mittlerweile wirklich kein Kraut mehr gewachsen. Mit einem Knallen schloss der Busfahrer die Klappe des Frachtraumes für die Koffer und gab mir somit das Zeichen, dass es wirklich Zeit wurde. „Also dann, bis in einer Woche, Mokuba“, meinte ich steif, wusste, dass ich dabei viel zu förmlich klang, und wollte mich schon umdrehen, doch da spürte ich bereits sein Gewicht an mir hängen. Einige Sekunden kämpfte ich um mein Gleichgewicht, fing mich jedoch rechtzeitig. „Mokuba“, entgegnete ich mahnend und versuchte ihn sanft aber bestimmt von mir zu schieben. Ein flüchtiger Blick über die Schulter verriet mir, dass meine Mitschüler mit ihren Gesichtern förmlich an den Scheiben des Busses klebten – insbesondere die Mädchen, aber auch die Jungen mit stetem Interesse – bevor ich mich wieder meinem kleinen Bruder zu wandte. Na wunderbar, also eine Abschiedsszene mit Schaulustigen. Blieb mir den nichts erspart? Was wurde denn dabei aus meinem Image? „Mokuba“, wiederholte ich nun etwas eindringlicher und schaffte es schließlich auch, ihn von mir zu lösen. Mit großen, leicht glänzenden Augen sah er zu mir auf. „Pass auf dich auf, Seto.“ Was dachte er denn? Das ich zulassen würde, dass meine Firma kopflos dastand? Ich würde wiederkommen. Soviel war sicher. Allerdings beschlichen mich allmählich leichte Zweifel, ob es wirklich so gut war, ihn einfach alleine zu lassen. Er war immerhin erst elf. Nun gut, beinahe zwölf, aber trotzdem. Bei Gott, er hatte Roland und die Angestellten in der Villa. Er hatte alles, was er brauchte. Ich warf einen erneuten Blick über die Schulter, registrierte, dass sich die anderen beinahe ihre Nasen an den Fenstern platt drückten um ja nichts zu verpassen, bevor ich mich wieder umdrehte und Mokuba in einer flüchtigen Bewegung über den Kopf strich. „Machs gut, kleiner Bruder. Es ist doch nur eine Woche. Außerdem wolltest du, dass ich mitfahre. Oder soll ich doch hier bleiben?“ Insgeheim hoffte ich wohl doch noch, dass er seine Meinung angesichts des drohenden Abschieds ändern würde, doch er schüttelte tapfer den Kopf. „Nein, ich bin doch schon groß und dir tut die Klassenfahrt sicher gut.“ Ich widerstand dem Drang, die Augen bei diesen Worten zu verdrehen. Gut tun? Dieser Trip? Gewiss nicht. Allerdings konnte ich ihn jetzt auch nicht derart enttäuschen, indem ich einfach nicht mitfuhr. Angesichts der starrenden Schüler im Bus konnte ich jetzt erst recht keinen Rückzieher machen. Wie sah das denn aus? „Bis dann, Mokuba“, sage ich leise und drehte mich um. „Viel Spaß, Seto“, rief er mir hinterher. Ich betrat den Bus und stieg die Treppen ins Innere hinauf. Spaß? Oh ja, den würde ich haben. Jede. Menge. Spaß. Die Türen des Busses schlossen sich hinter mir und ich hielt einen Moment inne. Was war los? Warteten sie gar nicht auf Wheeler? Als ich meinen Blick über die Schüler, die bereits auf ihren Plätzen saßen und sich teilweiße schon häuslich eingerichtet zu haben schienen, streifen ließ, übermannte mich die grausame Erkenntnis. Sie mussten nicht auf Wheeler warten. Der Köter war bereits da. Ich war derjenige, auf den sie noch gewartet hatten. Die Hand, die meine Tasche hielt, verkrampft sich kurz in dem schwarzen Stoff. Seit wann kam Wheeler bitte pünktlich? Und warum ausgerechnet an dem Tag, an dem ich zu spät kam? „Würdest du doch bitte setzen?“, fragte der Busfahrer mich auffordernd und mein Kopf ruckte in seine Richtung. Ich funkelte ihn kalt an, woraufhin er leicht zurückzuckte. Man hatte mich gefälligst mit dem nötigen Respekt zu behandeln. „Hängen Sie sehr an Ihrem Job?“, fragte ich ihn drohend und er nickte verschüchtert. „Dann wäre ich an Ihrer Stelle vorsichtig, wie Sie mit gewissen Personen reden.“ Erneut ein leichtes Nicken und ich wandte mich ab, würdigte ihn keines weiteren Blickes. Die anderen Schüler begannen aufgeregt zu tuscheln, die Mädchen kicherten leise. Der Griff um meine Tasche lockerte sich leicht, nur um sich wenige Augenblicke später zu verkrampfen. Mein Blick wanderte über die Sitzreihen, blieb an der einzig freien Stelle hängen. Meine Augenbraue begann erneut zu zucken, diesmal deutlich heftiger. Das durfte doch einfach nicht wahr sein. Die einzig freie Sitzreihe befand sich genau in der vorletzten Reihe, unmittelbar vor der Viererreihe, in der – wie konnte es auch anders sein – Muto und der Rest des Kindergartens sich eingenistet hatten. Meine Finger krallten sich beinahe Halt suchend in meine Tasche, während ich den Mittelgang des Busses entlang schritt, den Blick stur auf den Platz gerichtet. Ohne Muto und Co. eines Blickes zu würdigen ließ ich meine Tasche auf den Platz zum Gang hin fallen und setzte mich selbst ans Fenster, starrte verkrampft nach draußen, sah Mokuba, der dem Bus, welcher sich nun langsam in Bewegung setzte, hinterher winkte, mich schließlich erblickte und noch heftiger mit den Armen ruderte. Beinahe musste ich schmunzeln, schaffte es jedoch, diese Gefühlsregung zu unterdrücken. Nicht hier. Ich spürte, wie der Kindergartentrupp mich anstarrte. Ich nahm eine Bewegung direkt hinter war. „Was denn Kaiba, du fährst mit?“ Ich schloss einen Moment gequält die Augen. Nicht auch noch das. Wheeler saß genau hinter mir. „Nein, Wheeler, ich fahre nicht mit, ich bin nur zufällig in diesem Bus“, antwortete ich zynisch, verschwendete keinen Blick damit, ihn anzusehen. „Wonach sieht es denn aus?“ Ich hörte ihn knurren und es erfüllte mich mit Genugtuung. „Was denn, ist der Hund jetzt etwa sauer?“, fragte ich, ohne die Augen zu öffnen und lehnte meinen Kopf zurück, genoss meine Überlegenheit. „Halt doch die Klappe, Kaiba.“ „Nur wenn du mich dann endlich in Ruhe lässt, Köter“, entgegnete ich kühl. „Reicher Pinkel.“ „Elende Töle.“ Oh ja, ich genoss meinen ‚Urlaub’ bereits jetzt. Gelangweilt ließ ich meinen Blick über die Landschaft, die an dem Bus vorbeizog, streifen. Ein Haus, ein Baum, noch ein Baum und – oh – noch ein Haus ... Nur mit Mühe konnte ich ein Gähnen zurückhalten. Wir waren bereits mehrere Stunden unterwegs und ich sehnte mich jetzt schon nach dem Ende der Reise. Spätestens als Wheeler, Taylor und Devlin hinter mir begonnen hatten, die Autos, die uns entgegenkamen, zu zählen, hatten meine Nerven blank gelegen. Als Muto und Bakura, der in derselben Reihe wie ich, nur auf der anderen Seite des Ganges saß, anschließend nichts besseres zu tun hatten, als gemeinsam ein Reiselied anzustimmen und Gardner die beiden auch noch unterstützt hatte, war ich drauf und dran gewesen, den Bus einfach zu verlassen, wenn nötig durch das Fenster. Doch bis jetzt hatte ich mich effektiv zurückgehalten, würde dies meinem Image doch nicht wirklich zugute kommen. „Vier“, erklang Taylors Stimme fünf Minuten später hinter mir, währen Muto und der Rest der ‚Jammergruppe’ wohl kein Lied mehr fanden, welches sie mit ihrem ‚Gesang’ noch nicht verunstaltet hatten und es schließlich, zur Freude meiner geschundenen Nerven, aufgaben. Dann war es endlich still, abgesehen von dem Gemurmel der anderen Schüler, während ich bereits innerlich bebte, darauf gefasst, das nächste Auto an unserem Bus vorbeifahren zu sehen, nur um anschließend von Wheeler oder Devlin verkündet zu bekommen, dass es das fünfte war. Dann kam es. Ein schwarzer Porsche, der mich schmerzlich daran erinnerte, dass ich in den nächsten sieben Tagen meinen eigenen roten, vierrädrigen Freund, nicht mehr sehen konnte und erst in einer Woche das Gaspedal wieder ordentlich würde hinunterdrücken konnte. „Fü –“ „Wheeler, tu mir den Gefallen und halt deine Klappe. Du wirst auch in den nächsten zwanzig Minuten vielleicht ein Auto zu sehen bekommen, na und? Sei so nett und verschon mich damit!“, fauchte ich genervt nach hinten und er verstummte, überrascht, dass ich nach Stunden des beharrlichen Schweigens doch noch demonstriere, dass es mich gab. „Wenn es dich stört Kaiba, dann hör doch einfach nicht hin“, entgegnete er gereizt. „Das würde ich ja, aber dich kann man einfach nicht überhören“, knurrte ich missgelaunt. „Oh“, hörte ich ihn belustig sagen, „das heißt dann wohl, dass du nur noch Ohren für mich hast?“ Bitte was? War der Köter nicht mehr ganz bei Verstand? Ich richtete mich auf, drehte mich um und sah ihn über die Lehne hinweg scharf an. „Wheeler“, begann ich und betonte dabei seinen Namen überdeutlich, während meine Stimme bedrohlich ruhig klang. „Ich rate dir, deine Wunschphantasien nicht Überhand gewinnen zu lassen, sonst könnte dies sehr schmerzhafte Folgen für dich haben.“ Die anderen des Kindergartenvereins starrten uns stumm an, folgten gebannt unserem Wortgefecht, das nun in die nächste Runde ging. Nicht einmal Muto griff ein. Wheeler verengte seine Augen. „Meine Wunschphantasien?“, wiederholte er verärgert und ballte seine Fäuste. „Ich hab doch keine Wunschphantasien von dir! Was bildest du dir ein?!“ Ich hob die Augenbraue, sah ihn spöttisch an und ein abfälliges Grinsen erschien auf meinem Gesicht. „Was denn? Ist der Köter sauer, weil ich ihn erwischt habe?“ „Das – du hast mich bei gar nichts erwischt!“, entgegnete er kochend und seine Fäuste zitterten unkontrolliert. „Du hast doch damit angefangen, du reicher Pinkel!“ Ich sah ihn mit einer Mischung aus Spott und Hohn an. „Oh, der Hund bellt, weil er sich in die Ecke gedrängt fühlt. Na, wie ist das, Wheeler?“ „Halt doch die Klappe!“, schnauzte er mich an und in diesem Moment verstummten sämtliche Gespräche im Bus. Sollte mich seine Lautstärke einschüchtern? So was aber auch. Ich schüttelte den Kopf. „Wheeler, Wheeler, ich fürchte du begreifst die Grundregeln, ein Wortgefecht zu führen, noch immer nicht.“ Ich hob den Blick und funkelte ihn satirisch an. „Nicht die Lautstärke zählt, sondern die Wortwahl. Aber was rede ich eigentlich?“ Ich machte eine wegwerfende Handbewegung. „Einem alten Hund kann man bekanntlich keine neuen Tricks beibringen.“ Ich legte einen gespielten Hauch von Bedauern in meine Stimme und sah zufrieden, wie Taylor ihn festhalten musste, damit er sich nicht auf mich stürzte. Da brauchte wohl jemand dringend eine Leine. „Jetzt reicht es aber!“ Ich wandte meinen Kopf und erblickte unsere Klassenlehrerin, Aoyagi-sensei, die während unseres Streitgesprächs zu uns hinübergeeilt zu sein schien. Sie sah mich und Wheeler strafend an. „Nicht alleine, dass ihr zwei euch dauerhaft im Unterricht nicht beherrschen könnt, jetzt passiert es auch auf unserer Stufenfahrt. Könnt ihr euch nicht etwas zusammenreißen?“ „Wenn es nach mir ginge wäre ich erst gar nicht hier“, knurrte ich leise, lehnte mich in meinem Sitz zurück und schloss die Augen. „Ich könnte mir sinnvolleres vorstellen, als meine Zeit hier zu verschwenden.“ Die Frau ging nicht auf mich ein, sondern vor bereits fort: „Ich erwarte von euch beiden, dass ihr euch diese Wocher zurückhaltet und eure Aggressionen woanders auslebt.“ Ich öffnete ein Auge und sah sie nachdenklich an. Aggressionen? Ich? Wovon sprach sie? Wheeler war derjenige von uns beiden, der sein Temperament nicht im Zaum halten konnte. Ich dagegen war für meine extreme Selbstbeherrschung bekannt. Wie kam die Frau da bitte auf ‚Aggressionen’? Ich stöhnte innerlich. Da, es fing bereits an. Der ‚Spaß’ hatte begonnen. „Wie, es gibt nur Viererzimmer?“, wiederholte Devlin konfus. „Was soll das heißen?“ Ich zählte innerlich bis zehn. ‚Was hast du erwartet?’, fragte ich mich selbst. ‚Dass diese Idioten vielleicht auch einmal etwas ohne Erklärung verstehen würden? Wohl kaum.’ „Das soll heißen“, begann ich so entspannt es eben möglich war, angesichts der verständnislosen Blicke der Kindergartengruppe, „dass es nur Viererzimmer gibt, Devlin. Was gibt es daran nicht zu verstehen? Devlin, du hast ein Spiel erfunden, wie kannst du da etwas derart Triviales nicht begreifen?“ War ich in eine Horde aus lauterminderbemittelten Idioten geraten? Offenbar schon. Warum hatte ich auch die Rolle des Klassensprechers übernommen bei einer derart schwierigen Klasse? Ach, ich vergaß, das hatte ich ja unserer werten Lehrerin zu verdanken. Darum lag die Zimmerverteilung nun auch bei mir, da sich unsere Lehrer freundlicherweise zur Erholung zurückgezogen hatten. Großartig. Ich liebte den Urlaub jetzt schon über alle Maßen. „Viererzimmer?“, echote Wheeler und sah sich um. Gardner hatte bereits eines der Mädchenzimmer mit ihren Freundinnen besetzt. Der Köter warf einen Blick auf ihre Gruppe. „Aber wir sind zu ...“, er zählte nach. „Zu fünft, Wheeler“, kam ich ihm zuvor, war es leid, darauf zu warten, bis er mit Zählen fertig war. „Ihr seid zu fünft.“ „Ich kann selber zählen, Kaiba!“, fauchte er zurück. „Da bin ich mir nicht so sicher“, erwiderte ich gelassen und wandte mich an Muto. „Es ist mir ehrlich gesagt vollkommen gleich, wer von euch sonst wohin aufs Zimmer geht, macht das unter euch aus.“ Mit diesen Worten drehte ich mich um und ließ die fünf etwas verlassen auf dem Gang stehen. Sollten die doch zusehen, was sie daraus machten. Ich verließ die Herberge durch den Eingang. Die Sonne stand hoch am Himmel, war es doch später Mittag, wenn nicht eigentlich sogar schon früher Nachmittag und ich sah mich um. Die Herberge lag außerhalb der Stadt, doch man hatte von hier aus beste sicht auf Ôsaka. Wer hatte eigentlich die dumme Idee gehabt, ausgerechnet nach Ôsaka zu fahren? Die Stadt war nicht wirklich schlecht, aber wer kannte sie nicht? Ich war bereits des Öfteren hier gewesen, um Geschäfte zu erledigen oder auf Veranstaltungen, zu denen ich hatte erscheinen müssen und diese Stadt hatte mir nicht mehr wirklich viel zu bieten. Aber bitte, wem es gefiel. Wahrscheinlich hatten die inkompetenten Idioten aus meiner Klasse auch einfach an eine Stadt mit Strand gewollt, um den Mädchen im Bikini hinterher zu gaffen. Das wäre typisch. Ich griff in die Tasche meiner schwarzen Hose und tastete nach meinem Handy, als mir auffiel, dass sich nichts in der Tasche befand. Ich stockte. Aber ich hatte doch – Ich kramte hektischer in der Hosentasche, griff anschließend in die andere, doch vergeblich. Nichts. Was zum -?! Mokuba! Er musste es mir abgenommen haben, als ich mit ihm in der Limousine auf dem Weg zur Schule gesessen hatte. Doch wie hatte ich das nicht bemerken können? Oder aber ich hatte es einfach verloren und wurde allmählich paranoid. Ich schüttelte den Kopf. Ein Seto Kaiba verlor niemals etwas. Doch auch die Möglichkeit mit Mokuba war mindestens genauso schlimm, wie die zweite Vermutung. Bestohlen von meinem eigenen Bruder. Ich vergrub frustriert die Hände in meinen Hosentaschen, fühlte mich dadurch zu meinem Entsetzen an Wheeler erinnert, der auf die selbe Weise reagierte, wenn er mal wieder aus der Klasse geschmissen wurde, nahm sie rasch wieder aus den Taschen und marschierte zurück in die Herberge. Konnte dieser ‚Urlaub’ noch schlimmer werden? Ich packte meinen Koffer und meine Tasche mit dem Laptop, an dem ich den Rest der Fahrt über gesessen und gearbeitet hatte, die in der Eingangshalle der Herberge standen und zog das Objekt mit Rollen hinter mir her, direkt zu dem Doppelzimmer, welches ich bereits offenkundig für mich beansprucht hatte. Es lag am Ende des Ganges, was meine Laune um ein Minimum anhob, bedeutete dies doch, dass ich zumindest ansatzweise vom Lärm der anderen verschont bleiben würde. Sehr gut, so konnte ich wenigstens in Ruhe arbeiten. Ich stieß die Tür zu dem Doppelzimmer auf und hatte gerade einen Fuß hineingesetzt, als ich mitten in der Bewegung gefror. Ich weiß bis heute nicht, was mich zu diesem Zeitpunkte mehr schockte. Ob es die Tatsache war, dass in der hinteren Ecke des Zimmers neben dem Schrank und einem klapprigen Tisch mit Hocker nur ein schäbiges Hochbett stand oder ob es Wheeler war, der mitten im Raum stand, seinen offenen Koffer vor sich auf dem Boden, einige Socken um ihn herum verstreut, einen Berg Kleidung auf dem Arm und mich entgeistert ansah. Die Tasche mit dem Laptop entglitt meinen Fingern, fiel mit einem Knallen auf den Boden und der Kleiderhaufen Wheelers rutschte ihm aus den Armen, seine Socken kullerten über den Holzboden. Dies war kein Urlaub mehr. Spätestens jetzt war es ein Albtraum. *~*~*~* „Was zum -?!“ Zum wiederholten Mal kollidierte mein Kopf mit dem Holzbalken des Hochbettes und ich sank fluchend zurück in die Kissen, mir die doppelt malträtierte Stirn haltend. Ein Fluch erklang über mir und zum zweiten Mal in dieser Nacht fiel etwas krachend neben mir auf den Boden. „Verdammt, Wheeler“, stöhnte ich genervt, tastete blind vor Schmerzen nach dem Lichtschalter und schaltete die Lampen an. Die Szenerie erinnerte stark an ein Déjà-vu, und in gewisser Hinsicht war sie es auch. Der Köter lag mit seiner Decke auf dem Boden, auf unmöglichste Art und Weise in ihr verheddert und versuchte sich aus ihr freizukämpfen. Dies gelang ihm auch, allerdings funkelte er mich nun ziemlich wütend an, spuckte das Knäuel Socken aus, welches er im Mund hatte und knurrte. „Kaiba, bei allen Duellmonstern, was ist los mit dir?! Geht’s noch?! Es ist mitten in der Nacht und du schreist zweimal hintereinander die halbe Herberge zusammen.“ Ich hob die Hand, die ich mir auf die Augen gelegt hatte, um die grellen Sterne, die vor meinem Geist auf und abtanzen nicht zu verstärken, und starrte ihn an. „Kannst du nicht einmal die Klappe halten, Köter?“, zischte ich, da mein Kopf mit einer erschreckenden Heftigkeit schmerzte, die mir beinahe vollends die Sicht nahm. Wie ich Hochbetten doch hasste. „Bitte?!“, er starrte mich verständnislos an. „Wer von uns beiden ist den hier bitte laut, hä?“ „Du, wer sonst?“, antwortete ich und legte meine Hand wieder auf meine Augen, um sie vor dem Licht der Lampe zu schützen. Oh, das tat meinem Kopf gar nicht gut. Zu hell. Viel zu hell. „Kaiba, du bist echt krank“, grollte er und ich höre, wie er sich aufrappelte und seine Decke wieder auf sein Bett schmiss, bevor er nach oben kletterte. „Schreist hier rum und beschwerst dich, dass ich zu laut bin. Dich soll man echt mal verstehen.“ Dann war es wieder still und ich konzentrierte mich darauf, regelmäßig ein und auszuatmen. Langsam verschwanden die weißen Sterne ich spürte nur das stetige Pochen meines geschundenen Kopfes. „Kannst du vielleicht endlich mal das Licht ausmachen“, fauchte Wheeler von Oben und er hörte sich reichlich missgestimmt an. Gut, in gewisser Weise war es nachzuvollziehen, war er doch wegen mir zwei Mal aus der oberen Etage des Hochbettes gefallen und das hatte sicherlich nicht weniger geschmerzt als mein Kopf es jetzt tat. Doch wen kümmerte das? Er war ein dummer Straßenköter, der verkraftete das doch sicher mühelos. Doch was war mit mir? Ich war mir sicher, morgen nach dem Aufstehen eine schmückende Beule auf meiner Stirn erkennen zu können. Großartig. „Kaiba. Das Licht“, knurrte er und ruckte zur Verdeutlichung seiner Worte leicht hin und her, wodurch das gesamte Hochbett gefährlich knarrte. „Wheeler, spinnst du?!“, fuhr ich ihn an und augenblicklich verharrte er. „Willst du, dass dieses Wrack zusammenbricht?“ „Ist doch egal“, entgegnete er und ruckelte gleich noch ein bisschen weiter. „Falls es das tut, kracht es ja nur dir auf den Kopf.“ Ich würde ihn umbringen, soviel war sicher! Ich würde es langsam und qualvoll machen, das schwor ich mir. Dafür, dass er es wagte, mich in meinen Träumen vom Dach der Kaiba Corporation zu stoßen und dafür, dass er mich unter den Trümmern des Bettes begraben wollte. Mit der rechten Hand tastete ich nach dem Lichtschalter und löschte das Licht. Es wurde dunkel im Zimmer und er blieb still über mir liegen. Ich würde ihn erledigen, ohne Zweifel. Ich drehte mich auf die Seite und schloss die Augen. Aber erst morgen früh. ~*~*~ Every roomate kept awake By every silent scream we make All the feelings that I get But I still dont missed you yet Only when I stop to think about it ~*~*~ (Three Days Grace - I hate everything about you) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)