Anubis Black von Autumn (JadenxChazz, AtticusxZane (Kapitel 22 ist da!!!)) ================================================================================ Kapitel 22: Die Gunst eines Anführers ------------------------------------- Wow, ich habe endlich, endlich daran gedacht, das neue Kapitel hochzuladen! Wenn ich während des Studiums und meinem Praktikum/freiberuflicher Tätigkeit etwas mehr Zeit hätte, würden meine FFs vieleicht nicht so lahm sein... aber na ja... jedenfalls wünsche ich Euch viel Spaß beim Lesen! Kapitel 22: Die Gunst eines Anführers Jadens Verstand schien angesichts der unbegreiflichen Szene, die sich soeben vor ihm abspielte, wie gelähmt zu sein. Warum hatte Abidos diese Herausforderung ausgesprochen? Warum hatte Chazz sie angenommen? Weshalb standen sie sich mit zornig funkelnden Augen gegenüber, die Waffen gezückt? Was wollten sie damit erreichen? Welchen Sinn hatte das? Ihm selbst war Eifersucht fremd, daher konnte er sie nicht recht verstehen. Aber er erkannte voller Entsetzen, dass es den beiden Kontrahenten offensichtlich sehr ernst war. Abidos hatte sein Schwert gezogen, eine wunderschöne Klinge mit vergoldetem Griff, deren Stichblatt wie das Ankh-Symbol geformt war. Sein brennender Blick ruhte auf der Gestalt seines Rivalen, dessen Schönheit er nicht leugnen konnte. Damals, vor viertausend Jahren, hatte er Shezars Gefühle zwar bemerkt, sie aber nicht als Bedrohung aufgefasst. Jetzt, da Kail und er einander wiedergefunden hatten, konnte er unmöglich akzeptieren, dass dieser dahergelaufene Möchtegernduellant seinen Platz einnehmen sollte. Er registrierte das gepflegte dunkle Haar, die alabasterweiße Tönung seiner Haut, den schlanken, geschmeidigen Körper und insbesondere seine Augen mit ihrem klaren, kühlen Grau, die von einer geradezu elektrisierenden Kraft waren. Er würde ihn nicht unterschätzen. "Ich werde ihn dir nicht überlassen, Wächter des Sechsten Tores! Ich, ich habe ihn schon geliebt, bevor du ihn überhaupt kanntest! Er war der Sohn des Hohepriesters, mein Spielkamerad und Freund seit Kindertagen! Er war immer für mich da, war mir Bruder, Gefährte und später Geliebter! Wir waren füreinander bestimmt! Und ich werde jeden vernichten, der ihn mir streitig machen will!!" Chazz biss sich auf die Lippen. Er war über die Ursprünge der Liebesbeziehung zwischen seinem Anführer und dem Prinzen nie konkret orientiert gewesen, da es ihm zu schmerzlich gewesen wäre, die Geschichte zu erfahren. Nun aber, da er ihn von diesen Bindungen aus ihrer gemeinsamen Kindheit sprechen hörte, von ihrer Freundschaft, ging ihm auf, dass es mit Jaden und ihm ähnlich begonnen hatte. Er musste unwillkürlich an das Duell der Schulen zurückdenken - eine seiner größten Niederlagen und zugleich auch einer seiner größten Triumphe. Dank ihm. »Jaden... du hast gesagt, von diesem Tag an hättest du mich bewundert. Und ich, was hatte ich für dich übrig, nachdem du mich durch deinen Sieg gedemütigt und mich dennoch vor dem Zorn meiner Brüder gerettet hattest? Dass du gewonnen hast, war ein harter Schlag für mich. Als du deinen letzten Spielzug ausführtest, war ich fassungslos. Wie konnte eine Slifer-Niete besser sein als ich? Ahnst du auch nur, was das für ein Schock für mich war, festzustellen, dass es da in meiner Altersgruppe tatsächlich jemanden gab, der mir ebenbürtig war? Schlimmer noch, jemanden, der mich schlagen konnte!? Ein Teil von mir konnte Jaggers und Slades Verachtung verstehen, aber der andere Teil hasste sie für ihr erbarmungsloses Urteil, für ihre Häme, ihr Unverständnis. Und dann hast du dich für mich eingesetzt. Während ich am Boden lag und mit dem Gefühl meiner Schmach kämpfte, hast du mich aufgerichtet und meinen Brüdern deine Empörung ins Gesicht geschrien. Ich war unfähig, das zu begreifen. Hatte ich dich nicht ständig von oben herab behandelt? Hatte ich dich nicht noch im Laufe des Duells beleidigt und dich im fehlenden Bewusstsein meiner eigenen Arroganz niederzumachen versucht? Wie konntest du mir helfen wollen? Ich glaube, damals nahm ich dich zum ersten Mal wirklich ernst. Ich sah nicht den Slifer, sondern den Menschen. Deine Augen betrachteten mich so offen und so ehrlich... du hast es nicht getan, um dir persönliche Vorteile zu verschaffen, du warst nicht interessiert daran, durch den Kontakt zu mir deine Beliebtheit zu steigern oder sonst irgendetwas in dieser Art... Du hast es um meinetwillen getan. Das verstand ich damals nicht sofort, ich wunderte mich nur und war sehr verwirrt. Wie blind ich war! Mein Herz gehörte dir doch in Wahrheit schon von diesem Moment an! Ich habe es nur einfach nicht bemerkt... Nein! Ich kann dich nicht aufgeben! Ich liebe dich... und ich werde um dich kämpfen!« Sai und Klinge prallten aufeinander, der Zusammenstoß erzeugte ein metallisches Klirren. Die Schläge wechselten mit enormer Geschwindigkeit, links, rechts, von oben, von unten; die beiden Gegner schenkten sich nichts. Eine Weile schien der Kampf ausgeglichen zu sein, doch dann trat Abidos dem anderen in einer schnellen fließenden Bewegung die Beine weg, sodass er zu Boden stürzte. Eines der Sai fiel ihm aus der Hand. „Du bist hervorragend, Shezar, das muss ich zugeben. Aber selbst als Krieger des Anubis bist du keine Konkurrenz für mich. Hast du vergessen, dass ich als einer der besten Schwertkämpfer des Landes gerühmt wurde? Du kannst nicht gewinnen." „Gerühmt? Was bedeutet das schon? Gute oder schlechte Nachrede... beides kann falsch sein! Ihr seid ausgezeichnet, Euer Hoheit, oh ja. Aber das heißt nicht, dass ich gegen Euch verlieren werde - nicht, wenn es um Jaden geht! Ihr mögt die älteren Rechte besitzen und ohne Zweifel hat Kail Euch früher einmal geliebt, doch Jaden ist nicht Kail! Ihr sucht in ihm den Mann, der er damals war und missachtet dabei die Persönlichkeit, die er heute ist! Was hat das mit Liebe zu tun?! Ihr wollt einzig und allein das Abbild der Vergangenheit in ihm sehen, mehr nicht! Ich hingegen liebe Jaden, und nur ihn!!" Die blauen Augen des Prinzen verdunkelten sich vor Zorn. „Sei still!!" Er schwang sein Schwert mit aller Kraft, um seinen Rivalen mit einem furchtbaren Hieb aufzuschlitzen, aber Chazz parierte mit dem Sai, das er noch fest umklammerte. Dennoch wurde er in die Defensive gedrängt, da er an das beidhändige Kämpfen gewöhnt war und nun durch die schiere körperliche Kraft seines Kontrahenten, den er mit nur einer seiner Waffen abwehrte, dazu gezwungen wurde, ungeheuere Reserven zu mobilisieren. Der Druck in seinem Arm nahm zu und er stützte mit dem Mut der Verzweiflung auch seine andere Hand gegen die Zinke des Sai, um ihr zusätzlichen Gegenhalt zu verschaffen. Trotzdem sah es nicht gut für ihn aus. Er musste das Sai, das er fallengelassen hatte, unbedingt wieder an sich bringen! Als Abidos ihm so nahe gekommen war, dass es dessen erhitzten Atem spüren konnte, rammte er ihm sein Knie in den Magen und der Schattenreiter sackte stöhnend zusammen. Rasch schnappte sich der Hüter des Sechsten Tores sein vermisstes Werkzeug, wich mit geschickten Sprüngen aus, als der andere wild nach ihm schlug und verharrte schließlich in angriffsbereiter Pose. Sein Gegenüber fixierte ihn bedrohlich, das Schwert erhoben. »Ich könnte von der Magie meines Schattentalismans Gebrauch machen... aber das wäre nicht fair. Er ist ein Krieger, also werde auch ich keinen Zauber benutzen. Ich möchte dieses Duell ehrenvoll bestreiten, denn nur ein solcher Sieg ist Kails würdig.« Erneut attackierte er Chazz, zielte auf seine Leibesmitte ab, doch die gekreuzten Sai verhinderten, dass ihm der Hieb gefährlich werden konnte. Die Klinge zwischen den Zinken eingeklemmt, verpasste er dem Prinzen einen Tritt in die Seite, und in dieser Bewegung glitten die Zinken bis zum Schwertgriff, mit dem sie sich wie erhofft verhakten. Auf diese Weise gelang es dem Anubis Black, seinem Gegner die Waffe zu entreißen. Abidos ballte die Fäuste, als der kalte spitze Stahl kurz vor seiner Kehle innehielt. Ihre Blicke trafen sich. „Ich habe nicht die Absicht, Euch zu töten, Euer Hoheit. Aber seid versichert: Ich könnte es! Jetzt, wo ich weiß, dass es unsere eigentliche Aufgabe war, politische und persönliche Feinde des Pharaos aus dem Weg zu räumen, bin ich von meinen angeborenen Fähigkeiten mehr denn je überzeugt! Das hier ist kein Spiel! Ihr seid ein exzellenter Schwertkämpfer, aber einem echten Attentäter habt auch Ihr wenig entgegenzusetzen! Warum akzeptiert Ihr nicht einfach, dass Jaden und ich zusammengehören? Er ist nicht Kail, sondern nur seine Reinkarnation! Und er ist anders als er! Begreift das endlich!" „Ich soll begreifen?! Warum begreifst du nicht endlich, dass die Liebe zwischen Kail und mir für die Ewigkeit gemacht war!? Mein Vater bot mir wenig Zuflucht und meine Mutter starb, kaum dass ich geboren war! Man überließ mich die meiste Zeit den Dienern und Höflingen, die mich wegen meiner Position als Prinz verhätschelten, aber ich hatte keinen echten Freund unter ihnen, bis mir im Alter von sieben Jahren der Sohn des Hohepriesters als Spielgefährte vorgestellt wurde! Kail schenkte mir menschliche Wärme, Trost, Anteilnahme, Freundschaft - und Liebe!! Was für ein Mann wäre aus mir geworden, wäre ich ihm nicht begegnet? Ohne sein Licht wäre mein Herz der Finsternis anheim gefallen! Und Jaden trägt dasselbe Licht in sich, diese reine, starke Seele, in die ich mich verliebt habe! Was verstehst du denn schon?!" Chazz erstarrte, seine Augen weiteten sich. Seine Lippen presste er so fest zusammen, dass es schmerzte. Die Worte, die er vor wenigen Minuten zu seinem Anführer gesagt hatte, jene Worte, die all seine Gefühle ausgedrückt hatten, leuchteten in seiner Erinnerung wie die Sonne über Ägypten. „Du bist mir... so oft beigestanden... nun bin ich an der Reihe... Ich bin für dich da. Du bist mein Licht gewesen, jetzt will ich das deine sein." Sicher, Abidos vertrat in seiner Eifersucht eine falsche Haltung, weil er einen Anspruch auf einen Menschen erhob, der ein neues, ein anderes Leben führte, das mit der Vergangenheit nichts zu tun hatte, aber er war seinem Gegner auch sehr ähnlich. „Ihr ahnt gar nicht, wie viel ich verstehe", erwiderte er mit leiser Stimme. „Euer Vater bot Euch keine Zuflucht, obwohl Ihr ihn in Euer kindlichen Sehnsucht liebtet und darauf gehofft habt, Ihr könntet seine Liebe und Achtung eines Tages erringen, wenn Ihr nur all seinen Wünschen folgt... so wie ich denen meines Vaters folgte... und denen meiner Brüder, als ich noch zu jung war, um ihre verhärteten Herzen zu erkennen. Eure Mutter ist gestorben und meine ist wie tot für mich, denn sie empfindet nichts für den Mann, den man sie aus Vernunft- und Prestigegründen zu heiraten zwang und auch ihre Söhne sind ihr gleichgültig... Ihr hattet Speichellecker und Schleimer um Euch, wie ich auch, die sich nur für meinen Namen, den Reichtum meiner Familie oder meinen Status als Spitzenduellant interessierten... ich hatte nicht einen echten Freund unter ihnen, bis Jaden an die Akademie kam und mein Leben umkrempelte. Er wurde mein Licht. Sind wir so verschieden, Euer Hoheit?" Der Prinz antwortete nicht. Er sah am Kopf des Anubiskriegers vorbei auf seinen Liebsten, der das Geschehen immer noch wie versteinert beobachtete. Oder nein, nicht mehr so versteinert wie zu Beginn... seinen Körper durchlief ein Zittern und sein Blick... sein Blick...! Als er diesen Blick gewahrte und die Blässe seines sonst so frischen Gesichts, stürzte die Wahrheit wie ein Raubvogel mit gespreizten Krallen auf ihn nieder. Obwohl der Hüter des Sechsten Tores im Moment die Oberhand inne hatte, war es nicht er, Abidos, um den sein Liebster fürchtete, sondern es war der Herausgeforderte, um den er bangte und den er, nach wie vor in gefährlicher Nähe zu einem begnadeten Schwertfechter wissend, in seine sicheren Arme zurücksehnte. Diesen Jüngling da vor ihm, nur ihn, liebte er. Heute, in diesem Leben, war er es, der ihn besaß. Und er, den er nie ängstlich gekannt hatte, bebte an allen Gliedern - für ihn, den anderen, in der Hoffnung, dieses Duell möge endlich vorbei sein und Chazz als Sieger daraus hervorgehen. »Kail...!! In diesem Blick liegt dein ganzes Herz... und er sieht mich nicht! Selbst wenn ich diesen Kampf gewinnen würde... dich könnte ich nie erobern, ist es nicht so? Du würdest dich mir entziehen, ich weiß es! Egal, was ich tue... ich bin der Verlierer...« Der Schmerz explodierte in seinem Inneren, benahm ihm fast den Atem und trieb ihm die Tränen in die Augen. Seine Existenz in dieser Zeit war nicht besser als vor viertausend Jahren. Seine Eltern waren mit ihrem Wagen verunglückt, als er noch sehr klein war und ein Onkel und eine Tante hatten ihn aufgezogen, aber sie betrachteten ihn immer nur als eine unnütze Last, die man ihnen gegen ihren Willen aufgezwungen hatte. Sie kümmerten sich um ihn, wie man sich um ein wenig geschätztes Haustier kümmert, das man am liebsten irgendwo aussetzen würde. Er verließ sie kurz nach seinem zwölften Geburtstag und schlug sich mehr schlecht als recht alleine durch. Er hatte gefroren. Er hatte gehungert. Er hatte gestohlen. Und dann, eines Tages, entwendete er einem Forschungsreisenden eine Schachtel, die dieser eng an seinen Körper gepresst hatte. Nur etwas Wertvolles konnte darin sein! Er sollte nicht enttäuscht werden, denn als er den Deckel abhob, fand er den Kopfputz eines Pharaos, Tuch und Goldreif, den er lange bestaunte. In kindlicher Neugier legte er beides an und bemerkte zu spät, dass der Reisende ihn verfolgt hatte. Doch auf einmal erstrahlte der Stirnreif in einem gleißenden Licht und brachte ihm damit die Erinnerungen an sein früheres Leben zurück. Nachdem das Licht erloschen war, hatte er den Reisenden erblickt, der vor ihm kniete. „Endlich habe ich Euch gefunden, mein Prinz! Das Schicksal hat uns zusammengeführt." So lernte er Professor Banner kennen, die Reinkarnation des Hofalchemisten Amnael. Er half ihm, mit der plötzlichen Bürde seiner auf ihn einstürmenden Erinnerungen und Gefühle fertig zu werden, lehrte ihn das Duellieren und bereitete ihn auf den Augenblick vor, der da kommen musste: Die Rückkehr der Sieben Krieger des Anubis. Aber weder das Wissen um seine Aufgabe noch die Bedrohung der Welt in Gestalt Tutangatons ließen ihn je sein eigentliches Ziel vergessen: Kail zu begegnen, sich seiner neuen Wirklichkeit in einem neuen Leben zu versichern, ihn wieder lieben zu dürfen und von ihm geliebt zu werden. Und jetzt? Jetzt war all das vorbei, noch ehe es begonnen hatte!? Nein, das war nicht gerecht! Worauf hatte er denn gewartet, wenn nicht auf diese Liebe? Er konnte das nicht akzeptieren! Wieso wurde ihm sein Licht genommen? In Abidos stauten sich Frust, Wut, Verzweiflung und eine maßlose Enttäuschung an, eine undurchdringliche, zähe Masse negativer Gefühle, die seine Vernunft unter sich begrub wie ein Lavastrom. Mit einem Aufschrei packte er die Zinken, die auf seinen Hals zielten, drückte sie in einer gewaltigen Kraftanstrengung von sich weg und während sein Rivale Widerstand leistete, donnerte er seinen Fuß mit voller Wucht in Chazz‘ Bauch, der dadurch zu Boden ging. Er brachte sein Schwert wieder an sich und hielt dessen Schneide quer über die Kehle des Anubis Black, der sich noch von dem derben Angriff erholte. „Ich werde ihn dir nicht überlassen!! Ich kann es nicht!! Diese, seine Liebe ist das einzige, was ich mir je wirklich gewünscht habe und ich werde nicht erlauben, dass du in seinem Herzen wohnst!! Er gehört mir!! Er sollte mir von Anfang an gehören!! Du hast alles kaputtgemacht - und dafür wirst du bezahlen!!" Der Wächter des Sechsten Tores zögerte keine Sekunde. Mit rechts attackierte er das, was seiner ungünstigen Position am nächsten lag, den Knöchel des Prinzen. Fein säuberlich schlitzte die scharfe Spitze des Sai an der Haut entlang, warmes Blut quoll aus der Wunde, und der Schattenreiter sprang zurück, als hätte ihn etwas gebissen. Abgelenkt durch den Schmerz, verpasste er es, sich zu verteidigen und dieses Mal presste sich einer der Zinken gegen seinen Adamsapfel, der zweite stach ihn als Warnung leicht in die Seite. Er brauchte eine Weile, um zu begreifen, dass Chazz seine Unachtsamkeit dazu benutzt hatte, ihn von hinten in die Zange zu nehmen. „Keine hektischen Bewegungen mehr, Hoheit, ich bitte Euch. Ein Hieb von mir würde genügen, um Euch die Kehle zu durchtrennen. Ihr habt verloren." Abidos stöhnte gequält auf, ein Laut der Resignation, der in ein leises Schluchzen mündete. Unwillkürlich ließ der Schlüsselhüter ihn los und der Prinz taumelte auf Jaden zu, der ihn traurig betrachtete. Seine Hand fand die tränenüberströmte Wange und streichelte sie sanft. „Warum, mein Liebster...?", würgte der Sohn des Pharaos hervor. „Warum gibt es kein ‚uns‘ mehr? Warum musstest du ihn erwählen? Das tut so weh... so furchtbar weh!" „Bitte verzeih mir, Abidos. Aber ich kann es nicht ändern. Ich habe mich in Chazz verliebt und möchte mit ihm zusammen sein. Die tiefe Zuneigung, die ich für dich hege, wird dadurch nicht weniger. Ich weiß, dass das eine sehr anmaßende Frage ist, aber wäre es denn unmöglich, dass wir beide Freunde bleiben? Ich ertrage es nicht, jemanden leiden zu sehen, der mir nahesteht! Darf ich dir nicht helfen?" Ein bitteres Lächeln huschte über das Gesicht des Ägypters. „Es sieht dir ähnlich, so zu sprechen... und dabei vergisst du, wie deine Freundlichkeit mir in diesem Moment das Herz zerreißen muss...! Du bist grausam in deiner Güte...!" Der Braunhaarige wich zurück, sichtlich erschrocken über diese Worte. „Grau... sam...?", wiederholte er stockend, als hätte er noch nie davon gehört. „Ja. Liebe... kann sehr grausam sein." Damit wandte er sich zum Gehen. „Abidos, warte!! Was wirst du jetzt tun?" „Ich werde die Insel verlassen. Ich muss eine Weile für mich sein." „Wirst du zurückkommen?" Schweigen. „Ich weiß es nicht." Jaden folgte seiner verschwindenden Gestalt mit den Augen und grübelte darüber nach, was er ihm sagen könnte, um ihn aufzuhalten. Er wollte nicht, dass dieser junge Mann, den sein Alter Ego tatsächlich einmal geliebt hatte und der auch ihm nicht gleichgültig war, einfach aufgab und all dem den Rücken kehrte, was doch so fest mit seiner Existenz verwurzelt war. „Kannst du wirklich nicht bleiben? Ist es so unvorstellbar, dass du hier bei uns, die wir deine Vergangenheit teilen, neu anfangen könntest?" „Hierzubleiben, hieße, dich in seinen Armen zu sehen. Hierzubleiben, hieße, euer gemeinsames Glück zu erleben. Ich bin noch nicht bereit dafür... es würde mich wahnsinnig machen! Ja, Jaden. Es ist... unvorstellbar." Er straffte die Schultern und wischte die Tränen ab. Mit einem Fingerschnippen wandelte sich sein Äußeres zu dem des Studenten in der Obelisk-Blue-Uniform. Er verließ den Ort des Kampfes ruhig und gefasst, ohne jede Eile. Trotz allem war er immer noch ein echter Prinz und diese Tatsache verlieh ihm genug Kraft, um sich würdevoll zurückzuziehen. Er hatte eine Niederlage erlitten. Er akzeptierte. Ob er lernen würde, die Liebe zwischen Jaden und Chazz zu akzeptieren, dessen war er sich nicht sicher... aber er würde es versuchen. Hatte er denn eine andere Wahl? Er musste fort... um zu vergessen. Und um zu vergeben. Vielleicht würde diese Wunde in seinem Herzen, die sich „Kail" nannte, niemals vollständig heilen, doch er würde auch mit diesem Schmerz weiterleben können, oder? »Ich werde es müssen. Ich habe schon einiges durchgemacht, aber es ist weitergegangen, irgendwie. Ich habe nie aufgegeben... also werde ich es jetzt ebensowenig tun. Es gibt wichtigere Dinge, um die ich mich kümmern sollte. Tutangaton zum Beispiel. Er zögert die letzte Entscheidungsschlacht hinaus. Wo versteckt er sich? Wie könnte man ihn nach dem ganzen Agieren im Verborgenen zu einer offenen Konfrontation zwingen? Ich war einst sein Sohn. Daher denke ich, dass ich der einzige bin, der ihn finden kann. Ich kenne ihn gut.« Die beiden Krieger sahen ihm nach, bis er ihren Blicken entschwunden war. Jaden ließ sich seufzend unter einen Baum sinken, lehnte den Kopf gegen den Stamm und legte seine Arme auf die Knie. Chazz setzte sich neben ihn. „Ich hätte nicht erwartet, dass er sich so widerspruchslos in seine Niederlage fügen würde." „Du bist überrascht? Echter Adel, der Adel des Herzens, ist angeboren. Und Abidos ist zweifellos von echtem Adel. Man merkt es nicht nur an seinen eleganten Bewegungen oder seiner stolzen Kopfhaltung, sondern auch an seinem Wesen. Durch seine fehlgeleitete Eifersucht getrieben, hätte diese ganze Sache sehr hässlich werden können. Aber er hat letzten Endes sein blindes Wüten bezähmt, als du ihn stelltest und deinen Sieg anerkannt. Ich glaube, er hat schließlich verstanden, dass ich dich liebe... und dem hat er sich gebeugt. Er ist stark, Chazz. Einmal wird er es akzeptieren. Ich weiß es." „Du vertraust ihm?" „Ja. Ich vertraue ihm." Ein scheues Lächeln stahl sich in seine Züge. „Ihr seid euch ähnlich... er und du." Das Lächeln zog sich in die Breite und wurde zu einem spitzbübischen Grinsen, das in diese warmen braunen Augen ein atemberaubendes Funkeln zurück zauberte. Der Ältere errötete, neigte sich zum Ohr des ehemaligen Slifer und raunte ihm zu: „Ehrlich gesagt, ich kann ihn verstehen. Wer würde nicht eifersüchtig werden bei so einem Anführer? Wer würde nicht alles dafür geben, seine Gunst zu erwerben?" Der Klang seiner Stimme, die plötzlich eine komplette Oktave tiefer gerutscht zu sein schien und in verstärktem Maße Jadens Hormone zum Wirbeln brachte, beschwor eine Ahnung von jenem Mann herauf, der er eines Tages sein würde. »So... genau so... wird er in seinen Liebesnächten sprechen...« dachte der Wächter des Siebten Tores und bekam dabei ein fast dunkelrotes Gesicht, man hätte ihn unweigerlich mit dem Feuermelder verwechselt. Das waren kaum die richtigen Gedanken, um ruhig zu bleiben! Außerdem machte ihn das schrecklich nervös! „Wir... wir sollten zurückgehen und den anderen alles erzählen. Sie werden besorgt sein..." „Nein.", erwiderte Chazz schlicht, als sein Liebster sich erheben wollte. Er packte ihn ungestüm am Arm, warf ihn auf den Rücken und beugte sich über ihn, die Augen halb geschlossen. Jaden war hochgradig verwirrt und zugleich erfüllt von einer süßen Erregung. Zum ersten Mal gab Mr. Princeton seiner Leidenschaft bewusst nach, sprengte die Ketten seiner Disziplin, seiner Erziehung, seiner Selbstbeherrschung. Im Angesicht der Verführung streckte er die Waffen, was für ihn bislang undenkbar gewesen wäre. „Jay... hör gut zu, denn das werde ich dir garantiert so schnell nicht wieder sagen! Ich liebe dich. Ich liebe dein strahlendes Lächeln, das sich über jeden neuen Tag freuen kann, über Blumen und Vögel, Karten oder leckeres Essen. Ich liebes es, weil es unverfälscht und rein ist... wie das eines Engels. Ich liebe deinen innigen Blick, der Zuversicht, Begeisterung, Fröhlichkeit, Wärme verheißt, der ernst und tapfer sein kann und Hilfe verspricht, diesen Blick, der deine Gegner je nach Art des Duells respektvoll, unerbittlich oder zornig mustert. Dein Verstand lässt sich täuschen, deine Unwissenheit in manchen Dingen ausnutzen, aber dein Herz durchschaut alles und jeden. Du bist fähig, dich zu wehren und zu kämpfen, du steckst Spitzenduellanten in die Tasche, wenn es sein muss, aber du bleibst dir dabei immer treu. Du bist freundlich und kameradschaftlich, auch gegenüber deinen Konkurrenten. Man möchte dich deswegen gern für schwach halten, doch du bist hart wie Stahl. Man glaubt dich stark, doch du kannst traurig und mutlos sein wie jeder von uns. Ich liebe deine Kraft und deine Verletzlichkeit. Ich liebe dein vorlautes Mundwerk, deinen Sturschädel und dein Temperament, weil ich mich damit messen kann wie mit keinem anderen. Du bist mein Rivale, mein bester Freund, mein Anführer, mein Geliebter! Ich will nur dich und niemanden sonst!" Ein weicher, sinnlicher Mund, der den von dieser Erklärung überwältigten Jüngling daran hinderte, etwas zu antworten, eroberte von neuem betörende Lippen, und in diesem endlosen, befreienden Kuss vergaß Jaden den Schmerz der Enthüllungen, seine Angst, seinen hilflosen Zorn, sein Entsetzen. In ihm erwachte eine ihm noch unbekannte, durch die Liebe und das Vertrauen seines Partners geschaffene Kraft, die jener alten, zähen Tugend glich, mit der er sich bisher ins Gefecht gestürzt hatte und die doch seltsam neu war. Das Geheimnis der Anubiskrieger verlor seine furchteinflößende Dimension. Chazz war es, der recht hatte. Sie konnten ihren Namen von dem Blut, mit dem Tutangaton ihn besudelt hatte, reinwaschen, wenn sie ihn besiegten und der Welt den Frieden brachten. Es war noch nicht vorbei. Unterdessen hatte Professor Banner die Dolchspitze beiseite geschoben, die Alexis gefährlich nahe an seinem Hals platziert hatte und ertrug lächelnd die anklagenden Blicke, die seine Schüler auf ihm ruhen ließen. „Warum diese Empörung? Ist mein Vorschlag so abwegig?" „Wie können Sie das sagen!", ereiferte sich Atticus. „Die Heiligen Ungeheuer freilassen und die Macht der Finsternis entfesseln?! Was versprechen Sie sich davon?!" „Die Vereinigung mit dem Licht, junger Freund. Wenn es uns gelänge, die Heiligen Ungeheuer mit den Göttermonstern zu verschmelzen und so die Mächte von Licht und Dunkelheit in drei Wesen zu bündeln, anstatt sie zu trennen, würden wir ein Gleichgewicht erreichen, das sich Tutangatons Kontrolle entzieht. Dann hätten wir es nur noch mit ihm selbst zu tun und das würde uns den entscheidenden Kampf ohne Frage erleichtern." „Ist es denn überhaupt möglich, die sechs Kreaturen zu vereinen?", mischte Zane sich ein und verschränkte die Arme. Seine Haltung drückte eindeutige Skepsis aus. „Außerdem, woher sollen wir die Götterkarten bekommen? Seitdem das Alter Ego von Yugi Muto in die Vergangenheit zurückgekehrt ist, hat man nichts mehr von ihnen gehört. Allgemein nimmt man an, dass sie zerstört worden seien." „Nun, das ist falsch. Götterkarten lassen sich nicht so mir nichts, dir nichts zerstören. Sie befinden sich zurzeit im Sicherheitstresor von ‚Industrial Illusions‘ und sind durch sieben magisch versiegelte Tore geschützt." „Warum kommt mir das nur so bekannt vor?", stöhnte Syrus. „Sehen Sie? Und schon hat die Sache einen Haken!", fügte sein Bruder missgestimmt hinzu. „Aber nein", entgegnete der Professor, immer noch lächelnd. „Wir müssen uns eben aufs Festland begeben und den Firmensitz besuchen." „Womit Sie uns schonend beibringen wollen, dass wir dort einbrechen sollen.", stellte Bastion nüchtern fest. „Wissen Sie was? Sie sind verrückt." „Oh, ganz und gar nicht." Die Augen des Dozenten verfärbten sich mit einem Mal blutrot, eine dunkle Aura der Schatten baute sich um ihn herum auf. „Die Sieben Krieger des Anubis sind Attentäter. Leise und unbemerkt irgendwo einzudringen ist eine eurer Spezialitäten. Und natürlich steht euch meine alchemistische Magie zur Verfügung... vorausgesetzt, wir vergessen die Duelle auf Leben und Tod und ihr arbeitet mit den letzten beiden Schattenreitern zusammen. Wir haben einen gemeinsamen Feind. Was meint ihr?" „Es ist nicht an uns, diese Entscheidung zu treffen", sagte Alexis kühl. „Fragen Sie unseren Anführer. Wenn er zustimmt, werden wir das auch." „So soll mein Plan also von der Gunst eures Anführers abhängen? Ich beuge mich diesem Urteil. Jaden wird entscheiden... gemäß seinem Schicksal." Sein Lächeln verblasste, tiefer Kummer zeichnete sich in seinem Antlitz ab. Er wirkte gealtert, kränklich. „Gemäß seinem Schicksal? Was soll das heißen?" „Licht und Schatten. Zwei Seiten. Zwei Aspekte, die sich die Waage halten und nebeneinander existieren. Der Ort der Entscheidung wird das Siebte Tor sein. Und nur einer wird überleben." „Hören Sie endlich auf, in Rätseln zu sprechen!", beschwerte sich der Hüter des Ersten Tores. „Dieses kryptische Geschwafel macht unsere Lage auch nicht besser!" Amnael schwieg. Am Abend desselben Tages schiffte sich ein junger Mann auf der „Anne-Catherine" ein, einem Proviantboot, das die Lebensmittel für die Studenten und Lehrer zur Akademieinsel transportierte. Der Kapitän nahm normalerweise keine Passagiere an Bord, aber da der Bursche ordentlich bezahlte, ließ er sich überreden. „Wohin soll‘s denn gehen, Mr. Aristides? Wir fahren die Route über Poker Hill und Casino Town. Wo soll ich Sie absetzen?" „... In Domino City." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)