Hirngespinnste von Tio (Eine Sammlung geistigen Mülls... sprich Kurzgeschichten ~ die neuste für Tonja) ================================================================================ Kapitel 13: Seewind ------------------- ~einige Gedanken zu "so wunderbar"~ Er spürte, wie der kühle Seewind ihm durchs Haar strich. Das Wetter war herrlich. Zumindest für ihn. Die Sonne lag verborgen hinter dicken weißen und fast dunkelgrauen Wolken und der Wind roch nach Regen. Er konnte das Salz des Meeres schmecken, wie es über die Luft bis zu seinen Lippen drang. Auch das Rauschen des Meeres musste sich wunderbar anhören, doch es drang nicht durch die Wand aus Musik, die über die Kopfhörer von seinem mp3-Player aus zu seinen Ohren drang. Eigentlich hatte er vor Jahren aufgehört Musik zu hören, doch diesen einen Song wollte er einfach nicht ausmachen. Er strahlte so viel Freude aus. Freude, die er in seinem Leben noch nicht kennen gelernt hatte und von der er bezweifelte, dass es sie wirklich in seinem Leben gab. Er trat einen Schritt näher an das Meer heran und schloss erneut die Augen. Die Wärme der Stimmen durchdrang seinen Körper, während der Wind, welcher vom Meer her kam ihm Gänsehaut über die Arme trieb. Jedoch war es die Musik, die seine Nackenhaare dazu bewegte sich aufzustellen. Die letzten Töne, die ihm versprachen, dass es noch einmal schön werden würde. Fast musste er Lächeln ob der absurden Vorstellung. Stille trat ein. Die übliche Stille, in den Minuten, die der Player braucht, um den Song erneut zu starten. Doch dieses Mal wurde sie von einem Rauschen ausgefüllt, dass mitreißender nicht hätte sein können. Er hatte längst vergessen, wie beruhigend dieses Gefühl sein konnte. So viel beruhigender als alle Stimmen der Welt, als jeder tröstende Song. Seine Hände striffen langsam an seinen Ohrläppchen entlang, bis die Kopfhörer aus seinen Ohrmuscheln rutschten. Dann öffnete er die Augen wieder und starrte aufs Meer hinaus, dessen Ende mit dem Grau des Horizontes verschmolz. Früher hatte er sich gern eingebildet, dass irgendwo dort die Freiheit verborgen lag. Wieder ein Schmunzeln auf seinen Lippen. Längst hatte ihn das Leben eines besseren belehrt. Er hatte schmerzlich feststellen müssen, dass man das Glück nicht auf der Straße fand, dass man seine Probleme nicht zurück ließ, wenn man in die Ferne reiste und vor allem hatte er gelernt, dass Vertrauen immer missbraucht wurde. Er strich sich einige Haare hinters Ohr, welche durch den Wind seine Wange gekitzelt hatten. Nach einem kurzen Zögern ließ er sich dann in den Sand fallen und zog die Beine an. Ab und zu drangen leise Songfetzen durch das Rauschen der Wellen und des Windes an seine Ohren. Sie trieben seine Gedanken an, ließen sie kreisen und immer wenn er glaubte zu einem Schluss gekommen zu sein, warfen sie ihm erneut unvollendete Tatsachen an den Kopf. Sein Blick wurde traurig und bald war er leer. Seine Augen waren auf einen undefinierbaren Punkt irgendwo in der Ferne geheftet, während seine Gedanken längst jegliche Grenzen überschritten hatten. So lang saß er selten da. Bei sich hatte ihn immer irgendwer oder irgendwas unterbrochen, hatte seine Gedanken aufgehalten, oder ihm gar den Faden genommen, dem er gefolgt war. Aber nicht hier. Er war allein. Zumindest jetzt. Er hatte seinen Spaziergang allein begonnen und hatte erst angehalten, als er sich sicher war, dass ihn niemand so schnell einholen würde. Ein leises Seufzen kam über seine Lippen, als das Ende des Songs wieder an sein Ohr drang. Und wieder traf ihn die Erkenntnis, dass etwas, dass noch nie schön war auch nicht wieder schön werden konnte. Schwerfällig aber relativ schnell erhob er sich und trat nun ganz an das Wasser heran, sodass die Wellen seine Schuhsolen umspülten. Eine Weile stand er wieder einfach nur da. Dann ließ er die Hand in seine Tasche wandern und zog das kleine elektronische Gerät hervor. Er riss seinen Blick vom Meer los und lenkte ihn auf die schwarze Kunststoffhülle seines Musikabspielgerätes. Er ließ es einige Male in seiner Hand hin und her wippen, bevor er ausholte. Er lehnte sich etwas nach hinten, beugte den Arm ganz durch und versicherte sich noch einmal, dass das kleine Gerät auch gut in seiner Hand lag. Dann atmete er erneut durch und ließ seinen Arm nach vorn schnellen. Zumindest versuchte er es, doch sein Arm, blieb wo er war. Stattdessen spürte er nur, wie das Gewicht, des mp3-Players aus seiner Hand wich, bevor diese wieder losgelassen wurde. „Das löst deine Probleme auch nicht…“, drang eine sehr warme Stimme an sein Ohr. „Ich weiß… aber es hätte dennoch gut getan.“ „Du hättest es bereut.“ „Da bin ich mir nicht so sicher…“ „Ich mir aber.“ Das regelmäßige Rauschen der Wellen füllte die aufkommende Stille und trieb das Gespräch binnen Minuten davon. Beide sahen auf das Meer hinaus. Das Blaugrau der Wolken färbte in einem kalten Ton auf die Wellen ab, welche immer dunkler wurden, je näher sie dem Strand kamen. „Was meinst du, wie weit fliegt das Ding?“, hörte er wieder die warme Stimme seines Freundes, der nun einen der Kopfhörer im Ohr hatte. Er zuckte nur die Schultern. Das war etwas über das er sich nie Gedanken machte. Er wollte nur diesen Song loswerden, der nun, da er ihn nicht mehr aus den Kopfhörern hörte als Ohrwurm durch seinen Kopf geisterte. Das war es, was sie im Wesentlichen von einander unterschied. Der Kleinere ließ seine Gedanken stets zu unwichtigen Themen gleiten und lenkte sich somit von seinem eigentlichen Problem. Er selbst dachte meist so lang darüber nach, bis er es leid war. Nur wollte das mit eben jenem Thema nicht funktionieren. Deswegen hatte er ja seinen mp3-Player ins Meer werfen wollen. Er spürte die Wärme seines Freundes, wie sie über dessen Hand durch sein Shirt auf seine Haut traf. Wieder stellten sich seine Nackenhaare auf. „Lass uns zurück gehen…“, drang seine Stimme mit der selben Wärme, die auch seiner Hand inne wohnte an sein Ohr, noch bevor er sich auch nur annähernd der Situation hingeben konnte. Er seufzte leise, nickte aber ergeben. Langsam drehte er sich um, wollte seinem Freund ein dankbares Lächeln schenken, doch hinter ihm war nichts. Er konnte seinen Freund nicht sehen. Der mp3-Player lag einsam im feuchten Sand vor ihm. Und schmerzlich wurde ihm wieder bewusst, dass ihm das, was ihn seit Jahren am Leben gehalten hatte, vor wenigen Wochen brutal genommen wurde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)