Hirngespinnste von Tio (Eine Sammlung geistigen Mülls... sprich Kurzgeschichten ~ die neuste für Tonja) ================================================================================ Kapitel 9: Wut -------------- Wut Wütend lief er nach draußen. Seine Schritte gingen schnell und kraftvoll, hätte jemand auf der Erde gelegen, er hätte ihn wohl gnadenlos zertreten. Er schmiss die Taschen auf den Boden neben das Motorrad. Noch immer Zähne knirrschend verfluchte er den Älteren. Das hatte nun wirklich allem den Boden ausgeschlagen. Ohne auf seine sonstige Ordnung zu achten, stopfte er die Sachen aus den Taschen in die Transportboxen seines Motorrads. In seinem Kopf rasten Gedanken, Argumente und Gesprächsfetzen des Streites durcheinander. Gewaltsam schloss er die Boxen, zog sich die Handschuhe über und setzte seinen Helm auf. Noch bevor ihn auch nur jemand ansprechen konnte, um ihn aufzuhalten, schwang er sich schon auf das Motorrad, startete den Motor und fuhr los. Er hatte kein Ziel vor Augen, keine Ahnung, wie weit er fahren, oder wie lang er unterwegs sein würde. Er wusste nur, dass er weg musste, da sonst die Gefahr bestand, dass etwas sehr wertvolles in die Brüche ging. Seine Augen flogen unruhig über die Straße ohne richtig auf das zu achten, was sie wahrnahmen. Nach einigen überfahrenen roten Ampeln und wütend hupenden Autofahrern hatte er die Stadthinter sich gelassen und lenkte seine Maschine gen Norden. Dort würde er entscheiden, ob er nur am Meer entlang farhen oder gar das Land verlassen würde. -- -- -- "Du elender Bastard, du hast doch keene Ahnung!" "Ach ne, aber du? Dir isset doch ejal, wie et den anderen dabei jeht." "Wenigstens verreis ick nich, ohne n Wort zu sagen oder fahr fürn Jahr weg ohne mich zu melden." -- -- -- wieder kochte er vor Wut, beschleunigte und war somit gut 50km/h über der Geschwindigkeitsbegrenzung. Doch außer an dieses verdamme Arschloch konnte er an nichts mehr denken. -- -- -- "Du bist doch nur neidisch, weil du nie den Mut zu sowas hast." "Neidisch? HA! Du träumst wohl, was sollte ich in deinem erbärmlichen einsamen Leben?" -- -- -- Noch immer hallten die Worte des Älteren in seinem Kopf wieder. Ein helles Licht lenkte ihn kurzzeitig ab. Ein Blitzer. Der brauchte ihn nun wirklich nicht zu kümmern, immer hin hatte er Geld wie Heu. -- -- -- "Du verwechselst wohl meen Leben mit deinem? Ick nutze nur die Möglichkeiten, die sich mir durch den Erfolg unserer Band bieten." "Möglichkeiten? Dass ick nich lache. Du fliehst doch nur vor deinem Privatleben." "Ick lebe meen Leben wenichstens, im jegensatz zu dir." -- -- -- Der Wind pfiff scharf an seinem Körper vorbei, schnitt regelrecht in seine Haut unter dem dünnen Stoff seines Shirts. Die Schmerzen ähnelten denen damals im Himalaja, als er in 5000 Metern Höhe hatte sein Motorrad durch die Kälte schieben müssen. -- -- -- "Leben nenn ick etwas anderes. Leben tut man mit seinen Freunden." "Dit sachst du mir? Wer hat denn wejen seiner neuen Flamme keene Zeit mehr führ seine besten Freunde?" "Lass Sarah aus dem Spiel. Sie hat mit unserem Streit nichts zu tun." "Janz im Jegenteil meen Lieber. Weil du nach ihrer Pfeife tanzt ist dieser Streit erst entstanden." -- -- -- Er passierte die Autobahnauffahrt, jagte seine Maschine über den Asphalt, den aufkommenden Regen ignorierend. Der Lärm des Fahrtwindes und des Motors dröhne in seinen Ohren, vermochte es aber dennoch nicht die Gesprächsfetzen in seinem Kopf zu übertönen. -- -- -- "Das sagst du doch nur, weil du weder den Mut zu ner Beziehung noch zu Veränderung hast." "So denkst du also von mir? Und meine Veränderung nach der Weltreise und meene aktuelle Beziehung ignorierste, oder wat?" "Du weeßt selber janz jenau, dass man das bei dir nich mehr Beziehung nennen kann." -- -- -- Ohne auf den restlichen Verkehr zu achten, überholte er einen Mini und nahm einem von hinten kommenden Auto fast die Vorfahrt. Wieder ignorierte er wütendes Gehupe. Je länger er fuhr und je weiter er kam, umso wütender wurde er. Zu den Gesprächsfetzen versammelten sich jetzt noch Bilder. Bilder des Älteren, wie er ihn spöttisch musterte. So kalt hatten sie sich wohl schon lange nicht mehr angesehen. Am Ende hatte der Ältere wie immer den Raum, ja gleich das Haus verlassen. -- -- -- "Ach du meinst deene Beziehung macht mehr her?" "Jan... bitte... Mach dich doch nicht lächerlich." -- -- -- Dieser Spott, wie er ihn hasste. Am liebsten hätte er ihm sein dreckiges Grinsen aus dem Gesicht geprügelt. Wieder hatte er das Gespräch völlig vom Thema und somit von sich weggelenkt. Die Autobahn neigte sich dem Ende zu und verlief in mehrere kleinere Hauptstraßen. Noch immer achtete er nicht auf den Weg, er wusste instinktiv wohin er musste. Er konnte schon jetzt das Salz des Meeres auf seinen Lippen schmecken, obwohl er noch mehr als 100 Kilometer von seinem Ziel entfernt war. -- -- -- "Du warst ein ganzes Jahr weg, du kannst die Menschen in deinem Umfeld doch gar nicht mehr einschätzen." "Ick seh uff jedenfall, dass du keene Ahnung davon hast, wer ick bin." "Aber du glaubst mich und meine Beziehung, die du seit vier Monaten kennst einschätzen zu können?" "So wie du dir damit in die Öffentlichkeit stellst, is dit och nich schwer." "Das gehört zu meinen neuen Pflichten. Aber von Pflichten verstehst du ja eh nichts." -- -- -- Die nächste größere Stadt flog an ihm vorbei, so wie es der Rest der Umgebung tat und endlich kam das Meer in Sicht. Nur noch ein paar Kilometer und er würde seine Ruhe haben. Das Rauschen des Meeres hatte bis jetzt noch jeden Gedanken aus seinem Kopf vertrieben. -- -- -- "Ick vernachlässije wenichstens trotz zahlreicher Nebenprojekte nich meene besten Freunde und die Band." "Und ein Jahr Urlaub zählt da natürlich nicht." "Lass doch meenen Urlaub da raus. Du hast dem schon vor zwei Jahren zujestimmt." "Aber nur, weil dein Ego nichts anders zugelassen hat." "Meen Ego stört dich Diva doch sonst och nich." -- -- -- Der Motor ging aus und kurze Zeit später fielen auch schon sowohl Helm als auch Handschuhe zu Boden. Er machte ein paar Schritte auf das Meer zu, bevor er sich einfach in den Sand fallen ließ und auf das inzwischen silbern schimmernde Meer hinaus starrte. "Scheiß Mistkerl...", murmelte er, bevor sich sein Kopf tatsächlich leerte. Die Sonne näherte sich zunehmend dem Meer und der Wind wurde langsam kälter. Er zog die Beine an, legte die Arme um seine Knie und bettete sein Kinn auf diesen. Das Schimmern des Wassers trieb langsam die Wut aus seinem Bauch und ließ dort nur knurrende Leere zurück. Doch auch, wenn er sich jetzt beruhigt hatte, so bedeutete das nicht, dass andere Probleme und Bedürfnisse wieder an Wichtigkeit gewannen. Im Gegenteil, noch immer war ihm alles egal. Die Sonne musste bereits seit mehr als zwei Stunden komplett verschwunden gewesen sein, als das Geräusch eines heranfahrenden Wagens ihn aus seiner Trance weckte. Desinteressiert sah er auf, blinzelte gegen das helle Licht der Scheinwerfer. Das Klappen der Autotür drang an sein Ohr und eine ihm bekannte Silhouette schob sich vor das künstliche Licht. Langsam erhob er sich, sah in die leuchtend grünen Augen, die er nun langsam trotz des Lichts erkannte. "Dacht ich mir, dass ich dich hier finde...", erklang eine sanfte tiefe Stimme. Er zuckte kurz zusammen und schlug dann, wie aus Reflex dem Älteren die Faust ins Gesicht. Es folgte Stille. Keiner wagte es, sich auch nur zu rühren. Erst als die ersten Tropfen Blut von der Nase des Älteren in den hellen Sand tropften, trafen sich ihre Blicke erneut. Wieder zuckte er zusammen, streckte die Arme aus, zog den älteren diesmal aber an sich und drückte sich fest an den Kleineren. Weiter herrschte Schweigen, wie früher wieder stilles Verständnis, während sie sich in den Armen lagen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)