Saiyuki von abgemeldet (It's A long Way Going Down) ================================================================================ Kapitel 20: »Rising High«- Kapitel 75 ------------------------------------- »Rising High«- Kapitel 75 Die nördliche Hauptstadt lag königlich in luftigen Höhen auf einem Plateau, umgeben von vereinzelten Bergen, deren Gipfel hoch in den Himmel ragten. Nicht umsonst wurde sie ’die Stadt in den Wolken’ genannt, denn hatte man erst einmal den langen steilen Weg durch die Berge hinter sich gelassen, überkam einen das Gefühl bei einem Blick von dieser Hochebene, mit den Weiten des Himmels zu verschmelzen, sich in dem endlosen Blau des Horizonts zu verlieren und mit dem Wind davonfliegen zu können. Der Jeep passierte soeben das Tor der wuchtigen Stadtmauer, von der die Stadt Soushitsu umgeben wurde. Zu Zeiten des Krieges stellte sie den wichtigsten Stützpunkt der menschlichen Truppen dar. Dank der erhöhten Lage konnten Angreifer in dem angrenzenden Flachland schnell erkannt und getötet werden, Bogenschützen konnten ihnen in den angrenzenden Bergen unbemerkt auflauern und die Stadt vor weiteren Angriffen schützen. Von hier aus wurden, den Überlieferungen nach, sogar die entscheidenden Kräfte zur Vernichtung der Dämonen mobilisiert, was den Menschen letztendlich den Sieg und einen vorübergehenden Frieden beschert hatte. Zum Gedenken an diesen Sieg hatte man auch in dieser Stadt nicht an Tempelanlagen zu Ehren der Götter gespart. So waren dort mittlerweile viele buddhistische Tempel mit ebenso vielen Gläubigen ansässig, was Sanzo schon nach wenigen Minuten Aufenthalts zu spüren bekam. Viele ehrfürchtige und ebenso neugierige Blicke blieben auf ihm und der Reisegruppe kleben, denn immerhin war er nicht irgendein Sanzo und die Nachricht seiner Reise hatte sich anscheinend auch bis in den hohen Norden verbreitet. „Was glotzen die alle so blöd?“, fragte Goku skeptisch und schnitt einem kleinen Mädchen im Vorbeifahren eine Grimasse. Sie zeigte keinerlei Mimik, sondern guckte dem Jeep wie hypnotisiert nach. „Wir haben schließlich eine Berühmtheit an Bord, Äffchen.“, belehrte ihn Gojo mit einem Grinsen, „Schließlich wurde Sanzo von den Göttern höchst persönlich beauftragt. Nicht wahr, ehrenwerter Meister Sanzo?“ Vom Beifahrersitz erklang ein wütendes Brummen, was jedoch von Riekos Fragerei übertönt wurde. „Was? So berühmt ist er?“ „Jaja…“, redete Gojo weiter und konnte sich auch dieses Mal den Sarkasmus nicht verkneifen, „Und nicht jeder hat die Ehre mit dem Sanzo der Sanzos unterwegs zu sein.“ „Also so toll ist er ja jetzt auch nicht! Schließlich macht das Sutra alle Arbeit.“ „Halt’s Maul, grünes Miststück!“ „Ich sage nur die Wahrheit…“ „Das interessiert hier keinen!“ „So! Wir sind da!“, verkündete Hakkai, brachte das Auto zum Stehen und erstickte jegliche weitere Streitigkeiten somit im Keim. Sobald sie das Gasthaus betreten hatten, fand sich Sanzo schnell umzingelt von Schaulustigen, Bewunderern und abwechslungsweise auch buddhistischen Mönchen wieder. „Die tun ja, als wär er ein Popstar.“, muffte Suki. „So haben wir wenigstens unsere Ruhe.“, antwortete Gojo zwinkernd und zog sie in seine Arme. „Sieht aus, als wären wir genau rechtzeitig zum großen Fest gekommen.“, sagte Hakkai und deutete auf ein großes Banner, anlässlich des gewonnen Krieges vor 500 Jahren, an der Wand. „Hui! Dann gibt es hier sicher viel zu essen!“ - Nach weiteren zehn Minuten in denen Sanzo von lauter penetranten Menschen belagert und bequatscht worden war, ließ er die erlösende Zimmertür hinter sich ins Schloss fallen und schmiss sich aufs Bett. Jetzt musste er erst einmal rauchen!, dachte er missmutig und schloss die Augen. Ein energisches Klopfen an der Tür weckte ihn jedoch schnell wieder. Hakkai öffnete und fand sich einem weiteren Mönch gegenüber. „Äh?“, er räusperte sich, „Ist Meister Sanzo anwesend?“ Hakkai öffnete die Tür ein Stück weiter, sodass der Mönch Sanzo sehen konnte und ihn begrüßte. „Es ist uns eine große Ehre sie endlich hier begrüßen zu dürfen, Meister Sanzo.“, begann der Mönch mit einem zufriedenen Lächeln. Sanzo entgegnete nichts, was durch den Redefluss des Kuttenträgers auch nicht möglich gewesen wäre, „Der Tempelvorsteher bat mich, Ihnen diese Einladung zu überreichen. Morgen findet ein großes Fest in der Tempelanlage im Norden der Stadt statt und es wäre uns eine Ehre, wenn Sie und Ihre Begleiter an dem Bankett teilnehmen würden. Wir feiern hier jedes Jahr den Sieg über die Dämonen. Es wurden nur Mönche und andere wichtige Persönlichkeiten Soushitsus dazu eingeladen. Sie wären dann sozusagen der Ehregast, da Sie ja…-“ „Ist ja gut.“, murrte Sanzo, nahm die Einladung entgegen und schob den Mönch dezent zur Tür, „Wir werden sehen, ob wir kommen.“ „Nein, nein, Sie müssen kommen!“ „Darüber denke ich später nach, doch jetzt möchte ich meine Ruhe haben.“ Der Mönch wurde weiter zur Tür geschoben… „Ich verstehe, es war sicher eine lange Reise. Wenn Sie möchten kann ich Ihnen das Onsen reservieren lassen.“ „Nein! Das muss nicht sein!“, sagte Sanzo und erinnerte sich an ihren letzten Onsen-Besuch, „Es reicht schon, wenn du verschwindest.“ Und mit diesen Worten fand sich der Mönch im Hotelflur vor verschlossener Tür wieder und machte sich frohen Mutes auf zum Tempelvorsteher. ‚Bankett zu Ehren der Götter. Festliche Kleidung ist erwünscht.’, las er in geschwungenen goldenen Lettern auf der Schriftrolle. Pff…, er hatte wirklich besseres zu tun, als an irgend so einem beschissenen Fest teilzunehmen, dachte Sanzo. Und so wie er die spießigen Mönche kannte, würde es dort nicht einen Tropfen Alkohol geben. Er zerknüllte die Einladung in der Hand. „Hey! Was machst du denn da?“, hörte er Sukis Stimme und drehte sich zu ihr um, „Es gibt Leute, die wollten das auch noch mal lesen!“ „Diese Leute haben nun mal Pech gehabt!“ „Motz mich nicht so an!“ Sanzo funkelte sie verärgert an, so wie er sie eigentlich immer ansah, denn so richtig konnte er sie nicht leiden, was ganz eindeutig auf Gegenseitigkeit beruhte. „Fahr deine Dezibel mal ein bisschen runter!“, motzte er dann doch und schmiss ihr den zerknüllten Zettel vor die Füße. „Ich danke dir zutiefst!“, entgegnete Suki sarkastisch und angelte nach der Einladung, die sofort gründlich studiert wurde. Gojo kam in diesem Moment in ihr Hotelzimmer, schmiss die Einkäufe auf den nächstbesten Tisch und die Kreditkarte in Sanzos Richtung. „Man! Das nächste mal, geht einer von euch! Auf alte gewalttätige hysterische Damen, die dich mit ihren Taschen aus dem Weg prügeln, nur um an die Schnäppchen zu kommen, hab ich echt keinen Bock mehr!“, muffte er und schmiss sich neben Suki aufs Bett, „Na meine Hübsche, was hast du denn da?“ „Wir wurden zu einem Bankett eingeladen.“ „Wirklich?“ „Ja, morgen schon. Aber der stinkende Priester hat anscheinend für uns alle entschieden, dass wir NICHT hingehen werden!“ „Richtig! Es würde nur eine weitere Verzögerung bedeuten.“ „Na und! Ich will da aber hin!“ „Damit stehst du alleine.“ „Womit steht sie alleine?“, fragte Rieko, die soeben aus dem angrenzenden Badezimmer zu ihnen gekommen war. Sie wuschelte sich mit einem Handtuch durch die nassen Haare, worauf Suki ihr die Einladung zuwarf. Ihre Augen weiteten sich angesichts des Empfangs. „Hey, wir gehen auf ein Bankett?-“ „Nein, tun wir nicht!“, zischte Sanzo dazwischen. „Er hält es für eine Verzögerung.“, berichtete Suki in schnippischem Ton. Gojo und Rieko zogen gleichzeitig eine Augenbraue hoch und beäugten Sanzo skeptisch. „Gib’s zu Priesterchen, du kannst nicht tanzen und hast deshalb keinen Bock dorthin zu gehen.“ „Ich glaube, Hakkai ist hier der, der am ehesten tanzen kann.“, sagte Suki. „Du glaubst, ich könne nicht tanzen?“, empörte sich Gojo. „Nun ja… Ich kann mir dich schlecht in einer feinen Gesellschaft vorstellen.“ „Erstens stimmt das nicht und zweitens… na und???!!! Wie sieht’s denn mit dir aus?!!“ „Darum geht es jetzt nicht!“, wich Suki aus, „Wir brauchen noch Abendkleidung.“ Alle Augen ruhten erneut auf Sanzo. „Vergesst es! Die Kreditkarte kriegt ihr nicht!“ „Genjoooo…“ „Hör auf! Wir gehen nicht zum Bankett!“ „Wir würden eh noch ein paar Tage in Soushitsu bleiben.“, mischte sich nun auch Hakkai ein, der zusammen mit Goku das Zimmer betreten und genügend vom Streitthema mitbekommen hatte, „Da macht es doch keine Umstände morgen Abend zum Fest zu gehen.“ „Jetzt fall du mir nicht auch noch in den Rücken, Hakkai!“ „Also gehen wir! Bitte!!!!“, verkündete Suki und gab ihren Worten Nachdruck, indem sie einmal energisch in die Hände klatschte. „Wo bin ich hier bloß gelandet…“, knirschte Sanzo, legte die Hand an die Stirn und konnte sich aber einen flüchtigen Blick auf Riekos Rückansicht jedoch nicht verkneifen. Am nächsten Morgen wachten sämtliche Gruppenmitglieder schon recht früh nach Sonnenaufgang auf. Besonders auf Seiten der Frauen war die Freude groß. Denn ein Bankett bedeutete Abendkleidung und das bedeutete, dass sie heute noch eines kaufen müssten. Zum Glück hatten sie Sanzos Kreditkarte schnell ergattert und verbrachten den restlichen Nachmittag in der Stadt. Gojo saß derweilen in seinem Zimmer und betrachtete gedankenverloren die weiße Decke….Er musste wohl oder übel noch tanzen lernen. Heute noch! Er wusste nicht, was Sukis Wort in ihm beeinflusst hatten; doch warum auch immer, er wollte tanzen können. Und dies obwohl er sonst nie Wert auf so etwas gelegt hatte. Zu seinem Glück klopfte Hakkai in diesem Augenblick an der Zimmertür und kam, beladen mit vier Anzügen herein. „Was schleppst du denn da mit dir rum?“ „Hier, der ist für dich. Das müsste deine Größe sein.“ Gojo besah den schwarzen Smoking genauer und hing ihn an den Kleiderschrank. „Hakkai, ich habe ein Problem. Und ich glaube, du kannst mir helfen.“ Der braunhaarige Mann sah ihn verwirrt an. „Ich kann nicht tanzen… -noch nicht- … und du wirst es mir beibringen. Was hälst du davon?“ Auf Hakkais Lippen zeichnete sich ein Grinsen ab, „Woher weißt, du dass ich tanzen kann?“ „Sieh dir Sanzo an, der hat doch zwei linke Füße. Du bist eher der Typ dafür. Und Goku? Na ja…Tanzende Affen kenne ich nur aus dem Zirkus.“ „Gut.“, auch Hakkai hing die Smokings an den Schrank und stellte sich Gojo gegenüber auf, „Ich zeige dir jetzt einige Schritte. Damit kannst du eigentlich nichts falsch machen.“ Er zählte den Takt leise ein und zeigte Gojo, wie er seine Füße wann wohin bewegen musste. Der rothaarige Halb- Yokai konzentrierte sich so verbissen auf die Schrittabfolge, dass er nicht mitbekommen hatte, dass Goku mittlerweile ins Zimmer gekommen war und ihnen belustigt zusah. „Und was mache ich mit den Armen, Hakkai?“ „Die rechte Hand legst du bei ihr auf den Rücken, die linke auf ihre Taille.“ „Und dann?“ „Dann bleiben die da und du machst das mit den Füßen, was ich dir gerade gezeigt habe. Pass auf!“, erklärte Hakkai und legte zur Veranschaulichung seine Hände bei Gojo auf die beschriebene Position. Goku konnte sich nun ein Lachen nicht mehr verkneifen und prustete laut los. „HEY!!!! Seit wann ist der Affe hier????!!! Verschwinde!!!!“, keifte Gojo. „Goku, komm her! Du übernimmst für mich!“ „Ich soll WAS???!!!“ „ER SOLL WAS???? Oh nein, vergiss es!!! Das mache ich nicht!!!“ „Und ich erst recht nicht!!!“ Beiden blieb jedoch keine andere Wahl, denn Hakkai schob Goku unter Strampeln und Zetern zu Gojo, positionierte dessen Hände auf Gokus Rücken beziehungsweise Taille, übersah die wütenden Blicke seiner Tanzschüler und zählte den Takt erneut ein. „Und 1, und 2 und 3 und 4…und die Hand liegt leicht auf, wie ein Vogel auf dem Zweig…“, korrigierte Hakkai seinen rothaarigen Freund, worauf beide unwillig noch einmal von vorne anfangen mussten, „Und 1 und 2 und 3 und 4…und Goku darf nicht führen, denn er tanzt wie eine Frau.“ Betretenes Schweigen. Gojo unterdrückte ein Grinsen, während Goku etwas völlig anderes zu unterdrücken versuchte. „Hakkai, das tue ich jetzt sehr ungern!“, knirschte Goku, blinzelte Hakkai entrüstet an und schlug ihm hart gegen die Nase. Gojos dunkles Lachen erfüllte den Raum, bis Hakkai und Goku sich wieder gefangen und sie Aufstellung genommen hatten. „Und 1 und 2 und drehen drehen drehen…und es sieht noch albern aus….noch mal, noch mal, noch mal,… und 1 und 2 und 3 und 4“, gab Hakkai in leichtem Befehlston von sich, wodurch sich Gokus und Gojos Laune erneut verschlechterte, „Schlag mich ruhig tagelang, denn du schlägst wie eine was?“ „Eine Frau!“, kam es postwendend von Gojo zurück. Jetzt war er derjenige, der Gokus Faust auf seiner Nase zu spüren bekam. Schnell breitete sich der kleine Stups zu einer Rangelei aus, was Hakkai von weiteren Tanzlektionen abhielt. „Du bist ein ziemlich beschissener Lehrer, Hakkai. Die Kinder haben dich sicher gehasst, so ätzend wie du warst!“, keuchte Gojo, nachdem er und Goku endlich wieder von einander lassen konnten. Der Ex-Lehrer zuckte kurz mit den Schultern und verschwand mit seinem Smoking im Bad. „Seit ihr soweit?“, erklang Sanzos Stimme. „Ja…“, knirschte Gojo, „Mann, fühl ich mich in diesem Anzug unwohl…“ „Frag mich mal…“ Beide lehnten an der Wand, steckten sich synchron eine Zigarette an und blickten stur durchs Zimmer. Hakkai band Goku noch die Krawatte und richtete selbst seinen Kragen. „Du hast ja mal deine Haare gekämmt, Wasserratte.“, bemerkte Sanzo, als er Gojos nach hinten gekämmte Mähne beäugte. „Steht mir gut, nicht wahr!“, antwortete Gojo und strich sich durchs Haar, „Und du?! Auch mal was neues, ganz ohne Kamm, was?!“ „Ach, Halt’s Maul!“ „Können wir los? Ich hab ziemlichen Kohldampf!!!“ Goku spurtete voraus und der Rest folgte ihm den Flur entlang. „Hey, ich hätte nicht gedacht, dass ihr alle mal ganz gepflegt aussehen könnt!“ Sie drehten sich um und sahen sich Suki und Rieko gegenüber. Beide in geschmackvolle Abendkleider gehüllt, die das Wesentliche geschickt betonten. Sukis war natürlich in einem dunklen grün, was einwandfrei zu ihren Haaren passte, die sie hochgesteckt hatte, sodass eine Kaskade Locke über ihren Rücken fiel. Rieko hingegen trug ein schwarzes Kleid und ihre leicht gewellten Haare offen. „Wow…“, brachte Gojo hervor, „Das Kompliment gebe ich gern zurück…“ Sanzos Reaktion war ähnlich sprachlos, denn er konnte seinen Blick von Rieko nicht abwenden. Ihre Blicke kreuzten sich und zur Verwunderung aller, bot er ihr den Arm an, wo sie sich dann einhakte. „Können wir jetzt? Ich bin schon halb verhungert!“, quengelte Goku weiter, worauf sich die Gruppe in Bewegung setzte. Am Tempel angekommen, begann das Tuscheln wie am Vortag erneut, als sie den großen Saal betraten. Eine breite Treppe führte zu der Gesellschaft hinunter. Dort standen einige Tische, an denen noch mehr Leute saßen und andere, die reich mit Essen bestückt waren. Im Rest des Raumes verteilten sich die Gäste, unterhielten sich oder taten sonst, wonach ihnen so war. An den Wänden hingen große Bilder oder Portraits, die Szenen eines Krieges darstellten. Den vor 500 Jahren, wie Hakkai vermutete, er sie von dieser Entfernung aber in dem gedämmten Licht der Lampions und Leuchter nicht genau erkennen konnte. Gojo erspähte eine kleine Kapelle, die Melodien einer alten chinesischen Oper dudelte und befürchtete, dass er alles wieder vergessen hatte, was Hakkai ihm an diesem Nachmittag beigebracht hatte. Er legte seinen Arm um Suki und ging mit ihr zusammen die Treppe hinunter. Sanzo fiel auf, dass die gewölbte Decke in blassgoldenem Holz getäfelt war und einen ziemlich teuren Eindruck machte, ebenso wie der weiße Marmorboden, über den sie nun hinweggingen. Er konnte sich schon denken, was der eigentliche Anlass war. Er musste nicht lange warten, bis ein Mann mittleren Alters auf ihn zukam und ihn um eine Spende für den Tempel bat. Weitere Männer durchstreiften den Saal, um ebenso Geld zu erbetteln. Sanzo hob ablehnend die Hand und schob Rieko mit sich weiter. „Von wegen „Bankett zu Ehren der Götter“…!“, sagte er zu Hakkai, „Hier zeigen sich die Tempelvorsteher mal wieder von ihrer besten Seite.“ „Mit so was habe ich auch gerechnet. Aber immerhin gibt es kostenloses Essen.“, schmunzelte Hakkai und erblickte jäh in diesem Moment Goku, der sich auf das Buffet gestürzt hatte, „Ich leiste Goku was Gesellschaft.“ „Guck nicht so!“, bemerkte Rieko, als sie mit Sanzo alleine war. „Wie soll ich denn sonst gucken?! Ich hab keine Lust hier zu sein und gleich wird sicher wieder jemand das Bedürfnis haben, sich mit mir über das doch so erfüllte Leben eines buddhistischen Mönches zu unterhalten, mir Honig um den Mund schmieren, was für eine wichtige Person ich doch bin, um dann noch zu fragen, ob ich nicht noch was länger hier bleiben würde, um den Tempel mit meiner Anwesendheit zu beehren. Und das nur, damit sie etwas Werbung für ihr beschissenes Tempelleben haben.“ „Bist du fertig?!“ „Mach mich nicht wütend!“ Rieko nahm wortlos seine Hand und zog ihn hinter sich her, hinaus auf den großen Balkon, von dem sie einen wunderbaren Blick auf das Flachland hatten, welches von dem weiß leuchtenden Mond in ein milchiges Licht gehüllt wurde. Die Berge waren in der sternklaren Nacht nur noch Schatten, die die Stadt bedrohlich umgaben. „Und was sollen wir jetzt hier?“ „Ach, halt doch die Klappe!“, meckerte sie, zog Sanzo zu sich hinunter und küsste ihn. Zehn Meter neben ihnen, hinter einem großen Marmorblumenkübel, genossen zwei ebenfalls sie Zweisamkeit. „Pass mit dem Kleid auf, das war teuer.“ „Du weißt doch, ich bin Profi.“ „Und wie ich das weiß.“ Suki hielt inne, um sich zu vergewissern, dass sie auch wirklich ungestört waren und erblickte Sanzo und Rieko, die sich noch immer umarmt hielten und küssten. „Hey, hey, sieh dir das mal an…“, sie schob seinen Kopf aus ihrem Ausschnitt hoch und drehte sein Gesicht in die Richtung des zurzeit sehr beschäftigten Pärchens. Gojo flötete durch die Zähne und grinste, „Das hat ja ziemlich lange gedauert.“ „Sie hatten sich schon in Taiitsu geküsst.“ „Was? Und davon weiß ich nichts?“ „Ssssccccchhhh…!“, zischte Suki, „Lass uns wieder reingehen, dann stören wir sie nicht.“ „Wir waren aber zuerst hier.“ Suki sah im tief in die Augen und fand seine Lippen. „Jetzt komm…!“, sagte sie, als er sich gerade auf etwas anderes konzentrieren wollte und von ihr überrumpelt in den Saal zurückgezogen wurde. Als sie wieder in den Saal eintraten, wurden sie schnell von Hakkai abgefangen. „Habt ihr Goku gesehen? Ich kann ihn nirgendwo finden.“ „Hast du schon beim Essen gesucht?“ „Das war meine erste Idee. Aber dort ist er nicht.“ „Ach komm, der kleine Affe kann schon gut auf sich alleine aufpassen.“ „Du hast Recht, Gojo.“ In diesem Moment stimmte das Musikorchester eine neue Melodie an und Hakkai bat Suki um einen Tanz. Sie hakte sich erfreut bei ihm ein und betrat die Tanzfläche. Gojo fühlte sich wie bestellt und nicht abgeholt stehen gelassen und beschloss Goku zu suchen, während Hakkai mit SEINEM Mädchen tanzte. So ein Idiot!, dachte Gojo und fühlte, wie die Eifersucht, die er bisher erfolgreich unterdrückt hatte, langsam wieder hochkam. Den kleinen Affen fand er schließlich am Rande der Gesellschaft, wo er wie paralysiert vor einem der großen Gemälde stehen geblieben war. „Hey Primat, was machst du hier?“ Keine Antwort folgte und nun entschied sich auch Gojo das Ölbildnis zu betrachten. Es war in Braun- und bedrohlichen Rottönen gehalten und zeigte ein Schlachtfeld. In der Mitte stand eine Person, mit wehendem Mantel und langen Haaren über ein paar Leichen und hielt einen Stab, der ihm sehr vertraut vorkam, über sich gestreckt. Gojo konnte zwar dessen Gesicht nicht erkennen, doch es durchfuhr ihn wie ein Blitz, als er erkannte, dass diese Person sehr starke Ähnlichkeit mit dem Jungen neben sich hatte. „Was hat das zu bedeuten, Gojo?“, fragte Goku. „Ich hab keine Ahnung…“ „Der sieht aus wie ich…“ „Du hast mich gerade zum ersten Mal ‚Gojo’ genannt, Affe.“ „Hab ich nicht!“ „Doch!“ „Nein!“ „Doch!“ „Halt’s Maul!“ „Hey, was macht ihr hier?“ Goku und Gojo drehten sich apathisch zu Sanzo und Rieko um. Beide sahen sich zwei vollkommen verwirrten Yokai gegenüber. Einer durcheinanderer als der andere. Nun erkannte auch Sanzo, was der Grund für ihr seltsames Benehmen war und hatte denselben erschreckenden Gedankengang wie Gojo zuvor. „Was zum-?“, sagte er fassungslos. „Das erinnert mich an die Statue…“, wisperte Rieko, bekam aber sofort von Sanzo einen ermahnenden Schlag in die Seite. „Pst! Er weiß davon nichts!“, flüsterte Sanzo zurück. „Ja…“, brummte Rieko verärgert und rieb sich über ihre Taille, „Aber du hättest mich nicht gleich schlagen müssen…!“ Zu Sanzos Glück hatte Goku das Gespräch nicht mitbekommen, sondern starrte noch immer gedankenverloren auf sein Ebenbild aus Öl. Viele Erinnerungen prasselten auf ihn ein. Ein Junge, in seinem Alter, mit bläulichen Haaren und ein gewaltiger Krieg, an dem er anscheinend nicht ganz unschuldig gewesen war…Doch es waren nur Bruchstücke eines Mosaiks, die schlagartig wieder in seinem Gedächtnis auftauchten, denn so richtig konnte er sie nicht zuordnen. Goku fasste sich an die Schläfe, um irgendwie gegen die entstandenen Kopfschmerzen anzukämpfen. „Hey, alles klar?“, fragte Rieko besorgt und legte einen Arm um ihn. „Ich weiß nicht… es ist alles so verwirrend…“ „Lass uns was essen gehen.“ „Ich hab keinen Hunger mehr…“ „Doch hast du…“, mit diesen Worten zog sie ihn vom Bildnis seiner Vergangenheit weg und lotste ihn zum Buffet. Gojo und Sanzo standen noch eine Weile vor dem Gemälde, bis der blonde Priester die anderen Bilder erspähte und sie nun auch kritisch betrachtete. Das erste stellte eine weitere Kriegsszene dar. Es zeigte die Ebene, die sie auf ihrer Reise noch zu durchqueren hatten. Vor den Bergen brannten Bäume, Tier und Mensch. Dämonen standen der Armee der Menschheit gegenüber, viele waren gefallen, andere schwer verletzt. Der ganze Schauplatz glich einem einzigen Blutbad. Auf dem nächsten Bild war eine ähnliche Szene abgebildet. Der Hauptmann, der die Menschen gegen die Dämonen führte, war mit einem langen Schwert bewaffnet und gab den Befehl zum Angriff. Er war zwar schwer verwundet, trieb seine Streitkräfte jedoch immer weiter in den Krieg. Sanzo musste mir Unbehagen feststellen, dass dieser Anführer Hakkai sehr ähnelte. Braune Haare umrahmten sein Gesicht, das einen entschlossenen und verbissen Ausdruck zeigte. Seine Augen waren von demselben Grün wie Hakkais… Gojo stand derweilen vor einem Portrait von Kannon Bosatsu, dem Mannsweib, das ihn einmal geküsst hatte, um Sanzo Blut oral einzuführen…Schnell verdrängte er diese widerlichen Gedanken und sah sich nach weiteren Bildern um. Ein Mann mit langen blonden Haaren, der einen kleinen Jungen, angekettet an eine schwere Metallkugel, an der Hand hielt. Leider konnte man die Gesichter der Personen nicht erkennen, doch die Frisur des Jungen glich der Gokus, als er noch längere Haare hatte. „Hier hat doch tatsächlich jemand genau so tuffige Armstulpen an, wie du, Sanzo.“ „Schön was dir so alles auffällt…! Hast du denn wenigstens auch bemerkt, dass das derselbe Junge, wie auf dem anderen Bild ist?!“ „Klar. Ich wollte dich nur testen…“, redete sich Gojo raus und ging mit Sanzo ziellos den langen Gang am Rande der Abendgesellschaft entlang. „Meinst du diese Bilder zeigen Gokus Vergangenheit?“ Sanzo antwortete nicht, sondern war in seine Gedanken vertieft. „Hallooooho???!!! Stell dein Hörgerät mal lauter, ich habe dich was gefragt!“ „Klappe! Ich bin ja nicht taub, ich überlege noch.“ „Dann verletz dich nicht!“ „Es könnte nicht schaden, wenn du auch deine grauen Zellen mal was anstrengst und dich nützlich machst!“ „Dafür habe ich ja dich, Schatzi!“, frotzelte Gojo, „Du bist doch so ein helles Köpfchen und ich habe…“, er sah sich nach Suki um, die tatsächlich immer noch mit Hakkai tanzte, „…gerade anderes zu tun…!“ „Vergiss es!“, zischte Sanzo und packte Gojo fest am Arm, „Dafür ist jetzt keine Zeit! Wir sollten uns mit wichtigerem beschäftigen und zum Beispiel herausfinden, ob das da tatsächlich Goku ist und warum der andere Kerl Hakkai so ähnelt!!!“ Beide stierten sich wütend an. „Das geht mich aber im Grunde nichts an!“ „…Und warum der hier, auffallende Ähnlichkeit mit einer schmierigen Wasserratte hat!!“, bemerkte Sanzo und deutete auf das Bild zu seiner linken. Gojo verschlug es die Sprache, als er es betrachtete. Eine weitere Kriegsszene, ein Mann mit kurzen Haaren, göttlichem Mal auf der Stirn, weitere Verwundete, Krieger, und eben dieser Mann an der Spitze der Truppe. „Lass uns von hier verschwinden. Es reicht schon, dass Rieko von der Statue und den Bildern mitgekriegt hat. Der Rest soll es nicht auch noch erfahren.“ „Meinst du mit dem Rest zufällig eine wunderhübsche grünhaarige Frau, die ich erfolgreich rumgekriegt habe und sie seitdem nicht mehr von mir lassen kann?!“ „Spar dir deine Witze!“, keifte Sanzo, machte kehrt, sammelte Hakkai und Goku auf und verließ mit ihnen den Saal. ‚Spinner’, dachte Gojo, Suki würde es eh bald von Rieko erfahren. Er entschied dem Priester zu folgen, um wenigstens jetzt an einem der seltenen Meinungsaustausche teilzunehmen, denn schließlich betraf es ihn jetzt auch- wie er missmutig feststellen musste. „Hey, Gojo! Was ist denn los?“, rief Suki ihm hinterher. „Sorry, geht grade nicht!“, rief er zurück und verschwand durch die große Flügeltüre nach draußen. „Was?!“, sagte sie verständnislos und sah sich nach einem bekannten Gesicht um, „Was haben die auf einmal?“ „Komm mit, ich erzähle es dir draußen!“, antwortete Rieko. „Wieso wissen alle bescheid, nur ich nicht???!!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)