Mystery of Music von Ditsch ================================================================================ Kapitel 10: Die dunkle Gasse ---------------------------- Ja, es gibt mal wieder was neues von mir. Es waren Ferien, da hat mich die Schreibwut gepackt. Das merkt man auch daran, dass das Kapi viel länger ist als die anderen. Das Gefühlschaos wird immer größer. Juhuu! Es macht mir irgenwie Spaß, wenn ich alle unglücklich machen kann XD. Obwohl noch gar nicht alle unglücklich sind. Das lässt sich aber noch machen *hehe*. Aber ich denke, es ist auch bald zu Ende. Das kann ja nicht ewig so weitergehen. Aber jetzt lest erstmal und schreibt mir Kommis! Das Ende finde ich übrigens besonders toll! ------------------------------------ Nachdem Kyouko Ryuji mit dem Mädchen, Shizuka, gesehen hatte, drehte sie sofort auf dem Absatz um und rannte davon. Ryuji hatte sich also gleich eine Neue gesucht. Es war klar gewesen, dass er alles falsch verstanden hatte. Er würde nie glauben, dass Ren im Fieberdelirium gewesen war. Und wenn sie ihm erzählte, dass sie Ren Tsuruga kannte, würde er ihr wahrscheinlich sowieso nicht glauben. Es war hoffnungslos. Kyouko würde niemals wieder in Ryujis smaragdgrüne Augen und ihn nie wieder küssen... Der Weg zurück zum Hotel war nicht gerade kurz, aber Asuka wollte sie auf keinen Fall noch einmal belästigen. Außerdem war die nächste Szene für den Film erst am späten Abend dran. Das würde sie schon schaffen. Diese Szene... Ren kam eigentlich darin vor. Aber der würde frühestens morgen wieder spielen können. Kyouko seufzte. Ohne Ren brachte diese Szene wenig. Aber Kyouko wusste auch nicht, ob sie ihr mit Ren mehr gefiel. Sie war noch nicht bereit, ihm zu verzeihen. Wegen ihm hatte sie Ryuji verloren... Ryuji streichelte der immer noch völlig aufgelösten Shizuka sanft über den Kopf. „Du wolltest sicher zu Jounouchi-kun, oder?“, fragte er mit sanfter Stimme. Sie nickte – zum Sprechen schien sie noch nicht wieder in der Lage zu sein. Ryuji verstand sie. Katsuya Jonouchi war ihr Bruder, den sie allerdings nicht sehr häufig sah, weil ihre Eltern geschieden waren. Jounouchi lebte bei ihrem Vater und Shizuka bei ihrer Mutter. „Ich war gerade bei ihm. Sein Vater – euer Vater – hat endlich Arbeit gefunden. Vielleicht schafft er es ja so, endlich den Alkohol aufzugeben.“ Shizuka sah ihn mit großen Augen an, in denen immer noch Tränen standen. Er lächelte beruhigend und strich ihr noch einmal über den Kopf. „Lass uns zu ihm hoch gehen. Euer Vater ist nicht da.“ „Danke“, krächzte Shizuka durch ihren Tränenschleier. Er legte seinen Arm um sie und führte sie sanft zur Haustür. Er drückte auf den Klingelknopf neben dem Namen „Jonouchi“ und wartete. „Wer is' da?“, fragte nach einiger Zeit Jonouchis lässige Stimme aus der Sprechanlage. „Ich bin es noch mal, Otogi. Shizuka-chan ist bei mir“, erklärte Ryuji schnell. „Shizuka?“, fragte Jonouchi erstaunt. „Warum?“ „Sie ... es geht ihr nicht so gut. Dürfen wir hochkommen?“ „Klar!“ Ein Summton ertönte und Ryuji stieß die Tür auf. Er und Shizuka betraten das Hochhaus und gingen die Treppe hinauf in den dritten Stock, in dem sich das Appartement der Jonouchis befand. Shizuka hatte sich einigermaßen wieder beruhigt; sie schluchzte nicht mehr so laut wie zuvor und Ryujis Anwesenheit schien sich auch positiv auf ihr Befinden auszuwirken. Jonouchi kam ihnen auf der Treppe schon entgegen. „Shizuka-chan!“, rief er und packte sie besorgt an den Schultern. „Was ist passiert?“ Sie öffnete gerade den Mund, als Ryuji sagte: „Lass uns zuerst reingehen. Sowas sollte man glaub ich nicht im Treppenhaus besprechen.“ Die beiden anderen nickte und sie gingen in die Wohnung. Im spärlich möblierten Wohnzimmer - Jonouchi hatte die meisten Sachen verkaufen müssen, um sich irgendwie durchschlagen zu können – setzten sie sich auf das einzige Sofa, Shizuka in der Mitte. Sie hatte die Hände im Schoß krampfhaft ineinander geschlungen und den Kopf gesenkt. Eine Träne fiel auf ihr nacktes Bein – sie trug nur Hotpants – und lief daran herab. „Was ist passiert?“, fragte Ryuji und strich eine Strähne ihrer langen Haare hinter ihr Ohr. „Genau, was is' los?“, fragte Jonouchi seine kleine Schwester. „Hiroto-kun, er ...“, begann sie, doch ihre Stimme erstickte. Sie sprach von Hiroto Honda, dem besten Kumpel von Jonouchi, mit dem sie seit nunmehr einem Jahr zusammen war. Ryuji war zwar auch in sie verliebt gewesen, aber er hatte ihre Entscheidung respektiert, dass sie sich für Honda entschieden hatte. „Was hat er gemacht, dieser ...?“ Ryuji sprach die Beleidigung nicht aus, die ihm auf der Zunge lag. „Beleidige ihn nicht, Mann!“, schimpfte Jonouchi. Ryuji wollte gerade etwas erwidern, als Shizuka leise sagte: „Er meinte, es gäbe da so ein anderes nettes Mädchen und dann hat er ... er hat ...“ Sie konnte nicht weitersprechen, erneute Tränen erstickten ihre Stimme. Doch Jonouchi und Ryuji wussten, was sie sagen wollte. Beide Jungen legten ihre Arme um sie und versuchten sie zu trösten. Das wollte ihnen allerdings nicht so wirklich gelingen. Irgendwann sah Shizuka mit verzweifeltem Blick zu Ryuji links von ihr auf und fragte: „Ryuji-kun, willst du nicht ... willst du nicht mein neuer Freund sein?“ Dieser sah sie erstaunt an. Damit hatte er nicht gerechnet. Was sollte er sagen? Konnte sie noch einen weiteren Schock ertragen an diesem Tag? Er mochte sie wirklich gerne, sie war süß und sehr freundlich. Aber ... es gab noch jemanden. Ein Mädchen, das er am Vortag kennen gelernt hatte. Er kannte sie kaum, aber er hatte noch nie so starke Gefühle für jemanden gehabt. Aber dann fiel ihm wieder diese Enttäuschung ein. Er hatte sie angerufen, in der Hoffnung, sich mit ihr treffen zu können. Aber dann hatte er diese schwach klingende Stimme im Hintergrund gesprochen. Ryuji blinzelte die Tränen weg, die in seine Augenwinkel getreten waren. Es brachte nichts. Kyouko schien sich nicht im Geringsten für ihn zu interessieren. Wahrscheinlich war er nur ein Mann unter vielen... Und Shizuka würde seine Unterstützung brauchen. Außerdem bemerkte er den drohenden Blick von Jonouchi, der bedeutete: „Wenn du jetzt nein sagst ...“ „In Ordnung, Shizuka-chan“, erklärte Ryuji schließlich mit einem freundlichen Lächeln und schloss sie fest in seine Arme. Er würde schon damit klar kommen. Shizuka war doch wirklich nicht unfreundlich. Doch sie war nichts im Gegensatz zu Kyouko. Diese hatte keine Ahnung, dass Ryuji gerade an sie dachte, als sie – immer noch einen Tränenschleier vor den Augen – durch die Innenstadt von Domino City streifte. Sie versuchte, sich auf den Text der Szene zu konzentrieren, die sie an diesem Abend drehen wollten, um ihre Gedanken von Ryuji abzulenken, doch es gelang ihr nicht. Immer wieder sah sie dieses Mädchen vor sich, wie es sich an Ryuji ranschmiss. Und so – da war sie sich sicher – würde sich keiner gegenüber einem entfernten Bekannten benehmen. Auch die Tatsache, dass sie ihm beim Vornamen genannt hatte, ließ keinen anderen Gedanken zu, als dass sie seine Freundin war. Als sie nach langer Zeit – die Sonne befand sich schon am Ende ihrer täglichen Reise – endlich wieder am Hotel angekommen war, beschloss sie, zu Ren zu gehen. Sie war ihm eine Antwort schuldig und eigentlich hätte sie ja auch bei ihm bleiben sollen, solange Yashiro weg war. Sie hatte ihre Pflicht vernachlässigt. Schon zum zweiten Mal an diesem Tag. Da musste sie Ren als Entschädigung wenigstens seine Frage beantworten. Es schien ihm ja sehr wichtig damit gewesen zu sein. Kyouko klopfte an die Tür. Es war zwar ihre eigene Entscheidung gewesen, hier herzukommen, aber jetzt wünschte sie sich doch, Ren würde nicht antworten. „Herein“, hörte sie seine Stimme durch die Tür. Sie klang noch immer geschwächt. Kyouko seufzte, doch dann betrat sie das Zimmer. Ren lag auf dem Bett, die Hand mit dem Rücken auf die Stirn gelegt. Wider Kyoukos Erwartungen war er nicht allein. Yashiro saß auf einem Stuhl am Schreibtisch, über seinen Terminkalender gebeugt. Kyouko fühlte sich bei seinem Anblick nicht besonders gut. Erstens hatte er sie zweimal gebeten, sich um Ren zu kümmern, und beide Male hatte sie ihn enttäuscht. Und zweitens erinnerte sie sich mit Unbehagen an das Bild, wie Yashiro neben Rens Bett kniete und ihm mit der Hand sanft durch die schweißnassen Haare fuhr. Yashiro drehte sich auf seinem Stuhl um und ein breites Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Hallo, Mogami-san!“, sagte er fröhlich. „Hallo, Yashiro-san“, erwiderte Kyouko und verbeugte sich höflich. „Hallo“, sagte Ren mit einem Gentlemanlächeln im noch immer ein wenig bleichen Gesicht. „Hallo, Tsuruga-san“, sagte Kyouko. „Tut mir leid, dass ich vorhin einfach weggelaufen bin. Ich ... musste nachdenken.“ „Das ist klein Problem“, sagte Ren. „Du hast es ja gesagt. Aber wie kommt es, dass du jetzt wieder hier bist?“ „Ich wollte mich entschuldigen und ...“ Sie warf einen Blick auf Yashiro. Sollte sie vor ihm auf Rens Frage antworten? Oder war es Ren vielleicht zu peinlich, dass er Kyouko so eine Frage gestellt hatte? „Ähm ...“ Kyouko zögerte noch immer. „Ich muss noch kurz mit Kurosawa-san sprechen. Mir ist gerade etwas Wichtiges eingefallen“, sagte Yashiro, stand auf und ging aus dem Zimmer. Kyouko und Ren sahen sich einen Moment lang schweigend an. Dann begannen sie beide gleichzeitig zu sprechen: „Sie hatten mir ja eine Frage gestellt und ...“ „Hast du dir die ganze Zeit Gedanken über ...“ Sie sahen sich an und beide mussten lächeln. „Was haben Sie gesagt?“ „Ich wollte wissen, ob du dir die ganze Zeit Gedanken über meine Frage gemacht hast. Du warst immerhin fast eine Stunde weg.“ Einen Moment lang war Kyouko verführt, ihm alles über Ryuji zu erzählen, als er sie so freundlich anlächelte, doch dann sagte sie: „Ja, eigentlich schon. Es war nicht leicht, wissen Sie ... Ich war auch noch in der Stadt.“ „Dafür warst du aber schnell wieder hier.“ „Auf dem Hinweg bin ich nicht gelaufen. Ich ... wurde mitgenommen.“ „Du bist per Anhalter gefahren? Das sollte man niemals machen!“ „Nein! Ich hab ein Mädchen kennen gelernt und sie und ihr Bruder haben mich mitgenommen.“ „Was für ein Mädchen?“ „Asuka Tenjouin. Ich bin ihr heute Morgen hier im Hotel über den Weg gelaufen.“ Ren starrte sie geschockt an. Das konnte nicht wahr sein. Das konnte einfach nicht wahr sein. Kyouko hatte Asuka getroffen? Und hatte sie nicht etwas von ihrem Bruder gesagt...? Konnte das nicht...? „Wie sah ihr Bruder aus?“ Kyouko sah ihn verwirrt an. „Wie sah er aus?“, fragte Ren noch einmal. „Ich erzähle Ihnen von meiner Freundin, und Sie fragen, wie ihr Bruder aussah?“ „Bitte, sag es mir. Dann ... erzähl ich dir den Rest.“ Ren musste sich jemandem anvertrauen. Eigentlich hatte er es heute Yashiro erzählen wollen, aber der hätte bestimmt nicht einfach ruhig zugehört und es hingenommen. Er war ja immer noch der Meinung, Ren wäre in Kyouko verliebt, was natürlich völliger Unsinn war. „Er ... er hatte braune Haare, etwa so lang.“ Sie zeigt es mit der Hand. „Und er trug einen langen schwarzen Mantel. Ziemlich düster, wenn Sie mich fragen.“ „Das ... das ist er“, stammelte Ren, fing sich aber sofort wieder. „Wer?“, fragte Kyouko. Sie verstand nicht, wovon Ren redete und woher er Fubuki kannte. Ren seufzte und setzte sich auf, den Rücken an die Lehne des Bettes gestützt. „Die Sache mit Asuka begann gestern. Sie war die Duellantin, die wir gesehen haben. Sie hat sich ein Autogramm von mir geholt.“ „Daher kam sie mir so bekannt vor!“ Ren sah sie mit einem strafenden Blick an. Schließlich war er gerade dabei, ihr seine privaten Gefühle zu offenbaren und sie unterbrach ihn einfach. Sofort schwieg sie wieder. „Also, nachdem alle Leute, du eingeschlossen, verschwunden waren, setzte ich mich auf eine Bank und wartete auf dich. Irgendwann tauchte dann Asuka wieder auf. Wir unterhielten uns und ich ließ sie ein Hemd für mich kaufen, um sie los zu werden. Dieses Hemd brachte sie mir dann gestern Abend. Und als Entschädigung, dass ich sie so sitzen gelassen hatte, hab ich sie auf einen Drink eingeladen. Sie hat Sake getrunken. Irgendwann sagte sie dann, sie hätte Kopfschmerzen und wir sind auf die Terasse gegangen. Es hat geregnet. Und dann hat sie mich unter dem Dach hervor gezerrt und -“ Er brach ab. Der Gedanke an diese Begebenheit schnürte ihm die Kehle zu. „Was hat sie getan?“, fragte Kyouko sanft und trat einen Schritt auf ihn zu. Sie merkte, dass es ihm nicht leicht fiel, dies zu erzählen und, dass er es nicht jedem anvertrauen würde. Aber auf irgendeine Weise gehörte sie ja auch zu den wenigen Personen, die Ren ein wenig näher waren, neben Yashiro natürlich. Warum erzählte er es nicht Yashiro? Wusste der es vielleicht schon .... ? Nein, es klang nicht so, als würde er die Geschichte ein zweites Mal erzählen ... Ren schluckte. Dann flüsterte er: „Sie hat mich ... geküsst.“ Kyouko starrte ihn an. Asuka hatte Ren geküsst? Ihre Freundin Asuka hatte einfach Ren geküsst? „Sie ... sie war betrunken“, versuchte Ren ihr Verhalten zu entschuldigen. Er wusste selbst nicht, warum er das tat. „Es kümmert mich nicht“, krächzte Kyouko, immer noch völlig geschockt. „Es kümmert mich nicht, dass sie Sie geküsst hat. Es kümmert mich nur, dass Sie deswegen anscheinend krank geworden sind und ... nicht mit mir spielen können!“ Ren sah sie mit unverhohlen traurigem Blick an. „Ist das die Antwort auf meine Frage?“ Kyouko sah ihn lange an, dann lächelte sie und schüttelte den Kopf. „Nein“, sagte sie. „Am Anfang sah ich Sie ja einfach als den fiesen Rivalen von Shou.“ „Ach, darum bist du bei unserem ersten Treffen so verzweifelt auf die Knie gesunken.“ „Genau. Und am Anfang ... haben Sie mich ja auch fies behandelt.“ „Das hatte alles seinen Grund.“ „Ich weiß. Ihnen gefiel der Grund für meinen Eintritt ins Show-Business nicht. Aber unsere Beziehung zueinander veränderte sich.“ Und jetzt habe ich festgestellt, dass ich in Sie verliebt bin! Komm schon, Kyouko, sag es!, feuerte Yashiro, der seinen Posten vor der Zimmertür bezogen hatte, sie in Gedanken an. „Und inzwischen sind Sie kein fieser Kerl mehr, sondern eine Art Vorbild für mich. Sowohl in schauspielerischen Dingen, als auch im Umgang mit anderen Menschen.“ Yashiro seufzte laut, was die beiden im Zimmer zu seinem Glück nicht mitbekamen. „Danke“, sagte Ren mit seinem freundlichsten Lächeln – wohgemerkt seinem freundlichsten echten Lächeln. „Wofür?“ „Dafür, dass du dir die Mühe gemacht hast darüber nachzudenken.“ „Nichts zu danken.“ „Wenn ich dankbar bin, bedanke ich mich auch, damit ich niemandem etwas schuldig bleibe.“ „Genau das meinte ich“, sagte Kyouko lächelnd. „Das ist der Umgang mit anderen Menschen, der mir an Ihnen so gefällt.“ Yashiro vor der Tür machte innerlich Luftsprünge. Die beiden kamen voran, wenn auch nur mit dem Tempo einer Schildkröte. Auch Schildkröten können, wenn sie wollen, wirklich schnell sein, schoss es ihm durch den Kopf und er wurde noch vergnügter. Bald würde es soweit sein. Ren würde diese Asuka bald vergessen und dann würde er erkennen, wen er wirklich liebte. Von seiner Position aus bemerkte der Manager natürlich nicht den leichten rötlichen Schimmer, der sich auf Rens vorher eher bleichem Gesicht abzeichnete. Auch Kyouko merkte es nicht, da sie nach ihrer letzten Aussage lieber aus dem Fenster als direkt in Rens Gesicht sah. „Höflichkeit ... sollte für jeden selbstverständlich sein, der im Show-biz tätig ist“, sagte er leise. „Sollte. Da haben Sie Recht.“ Was sie damit ausdrücken wollte, war klar, auch wenn sie es nicht aussprach. Ren nickte nur. Kyouko sah auf die Uhr, die in über dem Schreibtisch hing. „Ich muss jetzt zum Dreh. Die nächste Szene fängt bald an.“ „Okay“, sagte Ren knapp. Man sah ihm an, dass er gerne mitgemacht hätte. Aber jetzt hatte der Regisseur schon extra alles umgeplant, also würde es kindisch sein, jetzt einfach aufzutauchen und mitspielen zu wollen. „Brauchen Sie noch etwas?“, fragte Kyouko. „Nein, mir geht es schon wieder besser.“ Und das stimmte wirklich. Es ging ihm besser. Besonders psychisch. Kyouko wandte sich zur Tür. „Wir sehen uns dann morgen beim Dreh, nehme ich an“, sagte sie. „Ja, nehme ich auch an. Bis morgen“, sagte er. Sie öffnete die Tür und wäre fast in Yashiro hereingelaufen, der gerade von der anderen Seite die Tür öffnete. Sie sah ihn misstrauisch an. „Kurosawa-san hat mir erzählt, dass du gleich dran bist, darum bin ich jetzt gekommen“, erklärte er. „Aha“, sagte Kyouko. Dann ging sie an Yashiro vorbei und machte sich auf den Weg zum Dreh. Migoe und ihre neue Freundin Yumiko saßen auf dem Boden in ihrem gemeinsamen Zimmer. Yumiko weinte heftig und Migoe hatte den Arm um sie gelegt. „Wein dich ruhig aus, Yumiko-chan“, murmelte sie. Nachdem sie weggelaufen war, hatte sie eine Nacht auf einer Parkbank verbracht, dann war sie ins Bordell gegangen, um Geld zu verdienen. Auch, wenn das bestimmt nicht ihr Traumjob war. Dort war ihr erste Kunde ihr Onkel gewesen. Der Tot Geglaubte hatte sie erst angeschrien, dann geschlagen, und dann war er einfach gegangen. Migoe konnte es noch immer kaum glauben. Anscheinend war doch Genki-san gestorben. Sie hatte sich aber nicht getraut, vor ihrem Onkel auch nur ein einziges Wort darüber zu sagen. Und sie fragte sich auch, warum er hierhin gekommen war. Sie wusste, dass er normalerweise ein anderes Bordell bevorzugte. Doch trotzdem war es in diesem Moment nicht Migoe, die völlig verzweifelt auf dem Boden des Zimmers hockte und weinte. Denn ihre Freundin Yumiko, die sie die ersten Tage ein wenig rumgeführt und ihr alles gezeigt hatte, hatte gerade erfahren, dass ihr Stiefvater gestorben war. „Ich – ich habe ihn nie gemocht“, schluchzte sie. „Ich – er tat die ganze Zeit so, als wäre er mein richtiger Vater. Und ich – habe nie auch nur ein einziges freundliches Wort an ihn gerichtet.“ Nachdem ihr richtiger Vater gestorben war, hatte sie kurze Zeit nur mit ihrer Mutter zusammen gelebt. Dann war dieser Typ aufgetaucht und hatte ihre Mutter geheiratet. In der Zeit hatte Yumiko eigentlich nie mit ihm gesprochen. Sie war glücklich darüber, dass ihre Mutter glücklich war und hatte ja immer noch ihre Mutter gehabt, die sich um sie kümmerte. Doch dann war sie auch gestorben und Yumiko musste mit ihrem Stiefvater zusammen leben. Irgendwann war sie dann einfach abgehauen und ins Bordell gegangen. „Er – er war eigentlich total nett. Ich hab das aber nie gemerkt, weil ich so damit beschäftigt war, ihn zu hassen. Oh, Migoe-chan!“, schniefte sie und fiel ihrer Freundin um den Hals. Diese strich ihr beruhigend über den Rücken und ließ sie sich an ihrer Schulter ausweinen. „Hör zu, Migoe-chan“, flüsterte sie irgendwann. „Geh zu deinem Onkel zurück.“ „Nein!“, widersprach sie. „Warum sollte ich? Nerve ich dich etwa?“ „Nein“, sagte Yumiko sanft. „Das ist es nicht. Aber du musst ihm sagen, dass er dir etwas bedeutet, bevor es zu spät ist.“ „Er bedeutet mir gar nichts!“ „Und warum hast du dann um ihn getrauert?“ Darauf wusste Migoe nichts zu erwidern. Sie schwieg einfach nur und starrte zu Boden. „Ich verhelfe dir zur Flucht und dafür sagst du deinem Onkel, was er dir bedeutet und entschuldigst dich für alle Unannehmlichkeiten, in Ordnung?“ Migoe nickte. „Danke“, flüsterte sie. „Du bist die beste Freundin, die ich je hatte!“ Yumiko lächelte nur. „Tschüs, Migoe-chan! Vielleicht sehen wir uns ja mal wieder!“, rief Yumiko ihrer Freundin mit gedämpfter Stimme durch das offene Fenster zu. Sie hatten ihre Bettlaken aneinander gebunden – der übliche Trick – und dann war Migoe aus dem Fenster, das zum Glück nur im zweiten Stock lag, geklettert. „Auf Wiedersehen, Yumiko-chan!“, rief Migoe. Sie war den Tränen nahe. Als sie unten angekommen war, zog Yumiko die Bettlakenkette wieder hoch. Migoe schluckte. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Sie drehte um und verließ rennend das Gelände des Bordells. Auch, wenn sie freiwillig hierhergekommen war, war sie froh, endlich wieder zu gehen. Obwohl sie eigentlich noch nichts hatte tun müssen. Es gab mehrere Wege, auf denen Migoe zum Haus ihres Onkels gelangen konnte. Der kürzere führte durch eine dunkle Nebengasse, der längere über die beleuchtete Hauptstraße. Es war fast Mitternacht, und ein paar unheimliche Gestalten waren in der Stadt unterwegs. Dennoch entschied Migoe sich für die Nebengasse. Sie war nicht sehr lang und wenn ihr jemand entgegenkam, konnte sie immer noch umdrehen. Wenn es darauf ankam, konnte sie sehr schnell rennen. Migoe betrat mit Unbehagen die Gasse. Schnellen Schrittes und sich immer wieder umblickend ging sie zwischen den beiden Hochhäusern, die die Sicht auf den Vollmond verdeckten, der heute schien. Urplötzlich wurde sie von hinten gepackt. Eine Hand hielt ihr den Mund zu, die andere packte ihren Arm und drehte sie herum. Sie sah direkt in das unrasierte Gesicht eines muskelbepackten Mannes, mindestens einen Meter fünfundsiebzig groß. Seine ungleichmäßig langen Haaren hingen ihm wild ins Gesicht und seine Augen glänzten bei Migoes Anblick. „Was haben wir denn da Schönes?“, murmelte er mit einem breiten Grinsen, wobei er eine Reihe schiefer gelber Zähne entblößte. Migoe versuchte zu schreien, doch es kam nicht mehr als ein „Mhh!“ aus ihrem Mund. Sie versuchte ihn in die Hand zu beißen, doch es wollte ihr nicht gelingen. „Sei schön brav, Kleine, dann tu ich dir auch nichts“, lallte der Mann. Sein Atem roch nach Bier. Migoe hatte Angst. Furchtbare Angst. Hilfe!, rief sie in Gedanken,Warum hilft mir denn keiner? Sie war verzweifelt. Das konnte doch nicht geschehen! Warum musste immer ihr so etwas geschehen? Migoe sah eine andere Gestalt, die auf sie zukam. Jetzt bekommt er auch noch Unterstützung!, dachte sie und die Tränen stiegen ihr in die Augen. Es war hoffnungslos. Der Mann, der sie festhielt, schien den anderen noch nicht bemerkt zu haben. Der andere rannte auf die beiden zu und rief dann zornentbrannt: „Lass sie in Ruhe, du Arsch!“ Er schlug den anderen nieder. Migoes Augen weiteten sich, als sie erkannte, wen sie vor sich hatte. Sie fiel ihm um den Hals. „Onkel Seishiro!“, rief sie schluchzend. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)