Desert Nights von Autumn ================================================================================ Kapitel 6: Im Frauentrakt ------------------------- *schnüff* Danke für die Kommis, Ihr Lieben!^^ Hier ist also der sechste Teil der Geschichte! Diesmal lernt Ihr Setos Mutter kennen, mhm! Hoffentlich ist sie Euch sympathisch, sie ist ja mein selbsterfundener Chara.... Sechstes Kapitel: Im Frauentrakt „Wisst Ihr überhaupt, was das ist....Liebe?" Der Sultan hielt inne, irritiert und verwundert. „Warum glaubst du, dass ich es nicht weiß?" „Ihr seid zu hartherzig zu anderen. Es mag Sitte in Eurem Land sein, Ungehorsame mit der Peitsche zu züchtigen, aber das muss nicht immer richtig sein. Mit Gewalt schürt Ihr in einem starken Charakter nichts als Trotz....wie etwa bei mir. Habt Ihr denn nie....wenigstens einmal.... nur einen einzigen Mann geliebt?" „Weshalb sollte ich mich mit einem begnügen, wo mir mehr als hundert Männer gehören?" „Ich spreche nicht von Lustbarkeiten, sondern von ehrlichen Gefühlen. Zwischen einem Liebhaber und einem Geliebten besteht ein bedeutsamer Unterschied." „So!" entfuhr es dem Fürsten sarkastisch. Er war keineswegs überzeugt oder gar derselben Meinung und deshalb fragte er spöttisch: „Und was für ein ‚bedeutsamer‘ Unterschied ist das?" „Ein Liebhaber erfüllt Euren körperlichen Bedürfnisse. Ihr könnt ohne Probleme mehrere davon haben, weil Euer Herz an keinem von ihnen hängt." „Und du willst sagen, dass ein Geliebter keine körperlichen Bedürfnisse erfüllt?" „Nicht ausschließlich. Ein Geliebter ist Euch ebenbürtig. Er ist Euer Vertrauter, Euer Freund, Euer Berater. Einen Geliebten könnt Ihr nur einen haben, denn er ist allmächtig über Euer Herz. Ihr sucht seine Nähe, nicht einfach, um Euch mit ihm zu verlustieren, sondern um mit ihm zu plaudern, um tiefe Empfindungen auszutauschen, um seine Gegenwart zu genießen....Oh ja, es ist weitaus bedeutsamer, Geliebter anstatt nur Liebhaber zu sein." Seto ab-del Kaiba wich in ein Lächeln aus, ohne seine Bewunderung zu verhehlen. Wie seltsam war das! Er sass hier mit dem feurigen Briten und unterhielt sich mit ihm, obwohl sie wenige Minuten zuvor noch in erbittertem Streit gelegen waren. Der Stolz dieses Mannes und sein wildes, unbändiges Wesen faszinierten ihn, obgleich seine Sturheit und sein rebellischer Geist seinen Zorn entfachten, und schließlich kam noch die Glut eines heißen Begehrens hinzu, so stark und verzehrend, wie er es nie zuvor erlebt hatte. Gewiss, Joseph war schön und klug, aber das allein reizte ihn nicht. Vielmehr sehnte er sich danach, das Herz dieses ungestümen Jünglings für sich zu erobern, denn dies schien ihm die größte Herausforderung seines bisherigen Lebens zu sein. Die Küsse, die er unlängst mit ihm geteilt hatte, bewiesen die Fähigkeit zur Hingabe, hatten ihm vereinzelte Funken dessen gezeigt, was Joseph an Leidenschaft und Ekstase zu schenken vermochte, wenn er zu nächtlichen Freuden bereit war. Joey seinerseits, war sich bestürzt darüber klar geworden, dass er den Sultan begehrte. Seine edle, elegante Gestalt, durchdrungen von Majestät und dem gefährlichen Zauber einer Raubkatze, die wissenden Hände und der wohlgeformte Mund, die warme, gesunde Haut und das Strahlen jener kühlen Saphire, die der Herrscher seine Augen nannte und hinter denen sich ein schwelendes Feuer verbarg; all das wühlte ihm das Blut auf. Er liebte die Stimme des Königs, da sie so vollkommen war und mit ihrem Gesang in berauschende Träume entführen konnte, hasste aber den Diktator, der je nach Laune über Leben oder Tod entschied. Er verurteilte seine Grausamkeit, sein herablassendes Gebaren, seinen Besitzanspruch und seine Gleichgültigkeit gegenüber den Belangen anderer. Und doch schätzte er seinen Sinn für Romantik, seine bemerkenswerte Ruhe in bedrohlichen Situationen wie heute auf dem Basar, wo nichts als Wut in seinen Augen zu lesen gewesen war, seine ganze Haltung aber eiserne Beherrschtheit und Kraft ausgedrückt hatte; er mochte sein orientalisches Temperament, das seinem eigenen nicht unähnlich war und seinen wachen, scharfen Verstand. „Deinen Worten entnehme ich, dass du häufiger Geliebter als Liebhaber gewesen bist, nicht wahr? Welchen Beruf hast du ausgeübt oder welche Stellung hattest du inne, ehe du...." „....ehe ich aus meiner Heimat geraubt wurde? Ich war ein Edelmann bei Hofe, im Dienste des englischen Königs und Gesellschafter des heranwachsenden Prinzen, den ich lehrte, den Degen zu gebrauchen und treffsichere Pfeile zu schießen. Übrigens habt Ihr recht: Ich war öfter Geliebter als Liebhaber. Ich galt am Hof als anspruchsvoll und schwer zu erobern. Jemand, der auf eine lockere Liebschaft aus war, hätte sich kaum an mich herangewagt." Der Sultan blieb stumm und betrachtete den Jüngeren noch immer, verwirrt über die Intimität, die sich so plötzlich auf sie herabgesenkt hatte. Sie führten ein simples Gespräch, ohne sich anzugiften und mit einem Mal bestand eine Art respektabler Ton zwischen ihnen. Er wollte etwas sagen, um die Unterhaltung davor zu bewahren, ins Stocken zu geraten, da er um den Zauber fürchtete, der sie beide in diesem Moment gefangen hielt, als an die Tür des königlichen Gemachs geklopft wurde. „Herein!" Ein Page erschien und verneigte sich tief und ehrerbietig. „Ihre Majestät lässt anfragen, was Euer Gnaden mit dem Krieger zu tun gedenkt, der die Flucht des schönen Joseph nicht verhindern konnte." „Betrifft der Soldat Ihre Majestät in irgendeiner Weise?" „Er ist ein Mitglied Ihres Gefolges. Ihre Majestät lässt ausrichten, dass der ehrenwerte Odeon Farradji sich diesen Krieger ausgeliehen hat, um die Bewachung zu verstärken." „Ich verstehe. Teile Ihrer Majestät mit, dass ich beabsichtige, ihn mit sechzig Peitschenhieben zu bestrafen. Falls Ihre Majestät etwas dagegen einzuwenden hat, soll sie entscheiden, auf welche Art der Eunuch zu maßregeln ist!" „Sehr wohl." Damit verschwand der Page unter vielen Bücklingen und Joey bemerkte vorwurfsvoll: „Gerade war ich der Meinung, Ihr könntet doch wie ein Kavalier plaudern, und nun redet Ihr schon wieder von der Peitsche! Der Soldat hat sich nichts zuschulden kommen lassen, ich habe ihn überrascht. Es war ein spontaner Entschluss meinerseits, niemand konnte mein Vorhaben erraten. Er sollte nicht für meine Tat geradestehen müssen." „Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass er dich nicht aufgehalten hat. Er hat versagt und Versager müssen lernen, für ihre Unfähigkeit zu bezahlen." „Wenn ich das schon höre! Niemand ist perfekt und selbst den Mächtigen unterlaufen Irrtümer! Der einzige Unterschied ist, dass sie keinerlei Konsequenzen zu fürchten brauchen!" „Ich bin der Herrscher dieses Landes. Ich bin unfehlbar." „Das ich nicht lache! Ihr seid ein Mensch wie wir alle! Auch Ihr macht Fehler!" Eine Gotteslästerung hätte keine heftigere Reaktion auslösen können. Mit einem zornigen Aufschrei verpasste der Monarch dem Briten einen satten Kinnhaken, sodass dieser auf den Teppich stürzte und mit den Fingern nach seinem Mund tastete. Seine Lippe war aufgeplatzt und blutete. Scham, Wut und das unerträgliche Gefühl der Demütigung erfüllten Joey, aber das war es nicht allein. Ein kleiner schmerzhafter Stich der Enttäuschung marterte ihn; Enttäuschung darüber, dass die Annäherung, die zwischen ihnen begonnen hatte, wieder zunichte gemacht worden war - und diesmal durch seine eigene Schuld, weil er seine freche Zunge nicht hatte bezähmen können. Denn sosehr er sich auch dagegen sträubte, ganz tief in seinem Inneren musste er sich eingestehen, dass er sich nach der Akzeptanz des Fürsten sehnte. Hilfloser Zorn, bittere Schmach, der zaghafte Wunsch nach Vertrauen und leidenschaftliches Verlangen mischten sich in seinem Antlitz und seinem Herzen; er bedeckte die Verwundung mit dem Schlag seines Mantels, ohne dabei die Abscheu und die leise Verzweiflung in seinen Augen verbergen zu können. Seto ab-del Kaiba atmete schwer, doch je länger die schreckliche Stille zwischen ihnen andauerte, umso schneller verebbte seine wüste Unbeherrschtheit und ließ eine dumpfe, undefinierbare Beklemmung zurück. Innerhalb weniger Sekunden war ihm Joseph von neuem in die Ferne entrückt und bei diesem Gedanken zog sich etwas in seiner Brust schmerzlich zusammen. Der Blonde kniete immer noch am Boden und starrte ihn erbost an, obwohl sich eine Spur von Traurigkeit in das warme Haselnussbraun eingeschlichen zu haben schien. Zum ersten Mal wirkte der Brite verletzlich, bewahrte sich aber dennoch seine reizvolle Ausstrahlung, und der Sultan spürte das Bedürfnis in sich aufwallen, diesen Mann zu beschützen. „Ich....ver....verzeih...." murmelte er durcheinander. Was war bloß los mit ihm? Weshalb entschuldige er sich? Hatte Joseph nicht ihn und seine Königswürde beleidigt? Der Jüngere richtete sich auf, angesichts der geflüsterten Bitte um Vergebung nicht weniger verwirrt als sein Gegenüber. „Ihr....entschuldigt Euch....?" fragte er mit halb erstickter Stimme. So eigenartig es war, der Kinnhaken hatte ihm klar gemacht, dass es nicht Hass war, den er für den Fürsten empfand. Der Schlag selbst war zu verkraften, aber dass es gerade der Sultan gewesen war, der ihn geführt hatte, noch dazu nicht ganz ohne Grund, betrübte ihn viel mehr. >>Er zieht mich an und stößt mich zugleich ab....ich will ihn nicht sehen und erschauere doch jedesmal bei seinem Anblick. Ich verachte diese Stimme, die grausame Befehle ausspricht....und doch liebe ich seinen Gesang. Am liebsten würde ich ihm die eiskalten Augen auskratzen....oder in ihrem überirdischen Leuchten ertrinken. Ich möchte ihm den Hals umdrehen....oder....oder seinen nackten Körper berühren, mich an ihn pressen....Oh, ich werde noch verrückt! Gott, wenn du mich hören kannst, verhindere es, ich bitte dich! Verhindere, dass ich mich in ihn verliebe!!<< >>Was bezweckst du nur, oh Allah? Ich erniedrige mich so weit, mich zu entschuldigen! Das heißt, ich gestehe einen Fehler ein! Ich will das nicht! Ich verliere die Kontrolle in seiner Gegenwart! Er macht mich rasend....und doch....begehre ich ihn voller Inbrunst. Und nicht allein seinen geschmeidigen Körper....ich will sein Herz, seinen Geist....ich will ihn ganz, nicht nur ein bisschen von ihm, sondern alles! Was ist in mich gefahren?! Sollte ich ihn nicht verachten, ja, sogar hassen für seinen Ungehorsam, seine Dreistigkeit und seine Verweigerung? Ich sollte es....aber ich tue es nicht! Statt dessen wird er mir unentbehrlicher, je häufiger er sich mir widersetzt. Ich bewundere seinen stählernen Willen und seinen Stolz, doch zugleich sehne ich mich danach, ihn in meinen Armen schwach werden zu sehen. Ich will....seine Liebe....!<< Diese Erkenntnis traf den Sultan plötzlich und unvorbereitet und er wandte sich ab, aufgewühlt, verstört, unfähig, seinem Gefühlschaos die Stirn zu bieten. Bisher war er immer Herr über seine Emotionen gewesen, aber Joseph verleitete ihn zu Ausbrüchen, die untypisch für ihn waren. Er rief nach Odeon und der Haremsaufseher erschien eilfertig im Zimmer. „Bring ihn in den Bronze-Rang zurück und lass seine Wunde verarzten. Danach schick einen Pagen los und kündige Ihrer Majestät meinen Besuch an." „Wie Ihr wünscht. Komm mit, Goldjaspis." Der besagte Goldjaspis war mindestens genauso bestürzt über seine widerstreitenden Empfindungen wie der Monarch selbst, und so ließ er sich bereitwillig zu den anderen Männern zurückgeleiten. „Du machst den Fürsten regelrecht verrückt, Schönster. Allah hat wahrlich gut daran getan, an jenem Tag auf dem Sklavenmarkt mein Augenmerk auf dich zu lenken." „Ich weiß nicht....die Beziehung zwischen dem Sultan und mir ist sehr....widersprüchlich. Ich war zu direkt, wie üblich, und da hat er mir eine verpasst...." „Die Wunde wird verheilen, keine Sorge. Wir haben hervorragende Ärzte. Merkwürdig, dass er bei dir so unbeherrscht reagiert. Er bewahrt sonst immer seine Ruhe - vielleicht ist deine Unverfrorenheit daran schuld." „Ich habe ihm nur die Wahrheit ins Gesicht gesagt." „Ah, Goldjaspis, genau das war dein Fehler! Du solltest wissen, dass die wenigsten Männer, die regieren, sich gerne die Wahrheit ins Gesicht sagen lassen. Mir scheint, du hast ihn empfindlich getroffen! Was hast du ihm vorgeworfen?" „Vorgeworfen habe ich ihm eigentlich nichts. Nur habe ich ihm erklärt, dass auch ein König nicht vollkommen ist, sondern falsch liegen kann in seinen Entscheidungen, wie wir alle." „Du meinst, du hast seine Unfehlbarkeit in Zweifel gezogen? Das war höchst gewagt von dir! In Anbetracht dieser Tatsache erstaunt es mich, dass ich dich noch lebend neben mir sehe. Obwohl....nein, im Grunde erstaunt es mich nicht." „Ihr sprecht in Rätseln." „Wirklich? Nun, dann ist es an dir, meine rätselhaften Antworten zu entschlüsseln!" Damit schob Odeon den perplexen Briten in die Räumlichkeiten des Bronze-Ranges und ließ nach einem Heilkundigen schicken, der sich um Joeys Verletzung kümmern sollte. Während der Blondschopf sich von einem arabischen Gelehrten untersuchen ließ, winkte der Haremsaufseher einen Pagen heran und richtete ihm die Botschaft aus, die der Sultan ihm aufgetragen hatte. Geschwind sprang der Junge in seiner feinen Seidenlivree durch die unzähligen Korridore und endlosen Flure des Palastes, schlüpfte durch Türen und an Wachposten vorbei, bis er einen weiteren wichtigen Teil der gigantischen Anlage erreicht hatte, der in den Augen von Seto ab-del Kaiba ebenso bedeutsam war wie der Harem: Der Frauentrakt. Als Bediensteter wurde er ohne langes Federlesen von den vier hünenhaften Eunuchen eingelassen, die das Eingangstor flankierten. Trotz seiner sexuellen Vorliebe für das eigene Geschlecht erwartete man vom Sultan natürlich, dass er einen gesunden Erben in die Welt setzte und deshalb durfte sich Seine Majestät mit drei Ehefrauen und fünfzehn Konkubinen brüsten, wenn er schon keinen Harem mit weiblichen Mitgliedern vorzuweisen hatte. Im Frauentrakt befanden sich außerdem die Gemächer seiner Mutter, Sultanin-baschi seines verstorbenen Vaters, Leila-Satis mit vollem Namen. Sie wählte die Frauen für ihren Sohn aus und überwachte jede der Damen mit bemerkenswerter Präzision. Aufgrund ihres Status‘ besass sie den höchsten Rang innerhalb der Hierarchie und nur die Erste Gemahlin hatte das Recht, ihr zu widersprechen und sich auf halbwegs ebenbürtiger Stufe mit ihr zu unterhalten. „Euer Majestät...." begann der Page und verneigte sich tief, als er zum Gartenbereich gelangt war, wo sich Leila mit den drei Ehefrauen um einen beeindruckenden Springbrunnen aus Marmor versammelt hatte, dessen Wasserstrahlen aus den langen weißen Hälsen von vier Schwanskulpturen hervorsprudelten. Man hatte es sich draußen gemütlich gemacht, um zu speisen, denn der Abend war angenehm lau, die Luft mild und der Himmel erstrahlte im Glanz eines sternenübersäten Gewands. In einiger Entfernung zu den Höhergestellten sassen die Konkubinen beisammen, tauschten Gerüchte und den neuesten Klatsch aus, tranken Wein und erzählten sich komische oder auch ein wenig anstößige kleine Geschichtchen. „Was gibt es, Knabe?" ließ die Sultanin-baschi ihre volltönende, samtweiche Stimme hören und der Junge trat zu ihr vor den Diwan, wo er sich erneut so weit hinunter beugte, wie es ihm möglich war. „Odeon Farradji schickt mich im Auftrag des Sultans. Seine Gnaden läßt Euch ausrichten, dass er Euch heute noch mit seinem Besuch beehren wird." Eine der makellos geschwungenen Brauen über den saphirblauen Augen hob sich in einer Andeutung von Erstaunen, doch Leila kannte ihren Sohn gut genug, um sich über ein derartig plötzlich angekündigtes Erscheinen nicht weiter zu wundern. So nickte sie nur leicht und der Page entschwand. „Welchen Grund mag er haben, Euch zu dieser Stunde noch aufsuchen zu wollen? Es wird doch nichts mit Eurem Soldaten zu tun haben, den er mit sechzig Peitschenhieben zu bestrafen beabsichtigt?" „Das wäre zwar nicht unplausibel, aber wegen einem einfachen Krieger wird er sich kaum die Mühe machen, eine gesonderte Unterredung mit mir zu führen. Ich werde ihm diese Sache mit der Züchtigung ohnehin nicht gestatten! In dieser Hinsicht ist er wie sein Vater - sobald etwas nicht nach seinem Kopf geht oder jemand sich einen lächerlichen Fehler erlaubt, wird mit der Peitsche geschwungen. Ein anderer Anlass muss ihn hertreiben....hm. Ich vermute, es handelt sich um diesen Joseph. Nein, ich hoffe es sogar! Es wird Zeit, dass Seto sich daran erinnert, dass mir dieser Mann vorgestellt werden sollte. Der ganze Harem scheint kein aufregenderes Gesprächsthema mehr zu kennen, selbst meine Zofen tuscheln schon darüber. Mein Sohn hat offensichtlich nicht wenige Probleme mit ihm....Ich bin nicht übertrieben neugierig, Ishizu, aber langsam entwickele ich Interesse an diesem....wie nennt ihn Odeon doch gleich?" „Goldjaspis." „Richtig. Ich will mir nicht anmaßen, mich als besonders weise zu bezeichnen, aber ich glaube zu ahnen, weshalb ihn der junge Brite so durcheinander bringt." Sie schmunzelte vieldeutig in Richtung Ishizu. Die junge Frau erwiderte das Lächeln und nahm einen genüsslichen Schluck aus ihrem Weinkelch. Sie war von durchschnittlicher Größe, aber so wohlproportioniert, dass sie groß wirkte. Auch ihre Augen schimmerten in unergründlichem Blau, und das aristokratisch anmutende Antlitz wurde von einer Flut langen schwarzen Haares eingerahmt. Der Goldschmuck kam auf ihrer lieblichen braunen Haut überaus reizvoll zur Geltung und das weiße Kleid, das sie trug, schmeichelte ihren weiblichen Formen sehr. Sie war die ältere Schwester des Favoriten Marik - und die Erste Gemahlin von Seto ab-del Kaiba. „Hättet Ihr etwas dagegen, wenn ich ebenfalls kurz mit ihm spräche, Euer Hoheit? Ich möchte ihm ein wenig....auf den Zahn fühlen." Die Königinmutter lachte und erhob sich anmutig. Sie war in ein prunkvolles, wallendes Gewand in Weiß- und Goldtönen gekleidet, das rückenlange dunkelbraune Haar mit den leichten Wellen war übersät von goldenen und juwelenbesetzten Spangen, und auch der restliche Schmuck an Hals, Armen und Ohren war prachtvoll. Sie strahlte eine Aura hoher Würde aus und dass sie diejenige war, die den Thronfolger und jetzigen Sultan geboren hatte, erkannte man praktisch mit einem Blick. Sie stammte aus einer wenig begüterten Handwerkerfamilie, hatte aber von jeher die Grazie einer Adeligen besessen, worauf auch ihr zukünftiger Gemahl aufmerksam geworden war (als seine Hauptfrau hatte sie es sich irgendwann angewöhnt, von ihm als ihrem „Gemahl" zu sprechen). Sie hatte Töpferarbeiten auf dem Markt verkauft, und obwohl sie züchtig verschleiert gewesen war, wie es sich für eine Frau geziemte, hatten ihre wachen Augen eine unwiderstehliche Bannkraft auf den Monarchen ausgeübt. Er hatte sie von seinem Pferd aus beobachtet, ihre Sprache, ihre Bewegungen, ihr Verhalten, und schließlich hatte er sein attraktives Antlitz zu ihr geneigt und gefragt: „Wie kommt es, dass eine Frau in so ärmlicher Kleidung sich wie eine wahre Dame zu benehmen weiß? Du bist wirklich nicht die Tochter eines in Ungnade gefallenen reichen Mannes?" „Nein, Herr", hatte sie erwidert, „....ich wurde als einfache Untertanin geboren. Aber nicht immer ist der Titel oder der materielle Besitz entscheidend. Es ist das Wesen meines Herzens, das mich adelt." Leila-Satis lächelte dieser Erinnerung zärtlich zu, ehe sie ihre Gedanken wieder auf die Gegenwart konzentrierte. Sie schätzte Ishizu sehr und schenkte den Meinungen der Jüngeren durchaus Gehör, zumal sich die Schwarzhaarige vom schwierigen Charakter ihres Sohnes nie hatte einschüchtern lassen. Sie wollte ihm also auf den Zahn fühlen, ja....? „Das scheint mir eine ausgezeichnete Idee zu sein. Versuche, ihn ein bisschen auszuhorchen im Bezug auf seine Gefühle für den Briten!" „Glaubt Ihr ernsthaft, er würde sich mir offenbaren?" „Einer deiner Vorzüge ist es, Männer zum Reden zu animieren, da du eine wunderbare Zuhörerin bist. Du kannst ihm auch seinen Erben zeigen. Wenn er damit beschäftigt ist, sich seinen väterlichen Pflichten zu widmen, ist er vergleichsweise zahm." „Ihr redet, als ginge es darum, einen wilden Tiger ruhig zu halten und in Sicherheit zu wiegen." „Du bist klug, Liebes. Ja, man könnte es so nennen. Du weißt, wenn er verärgert ist, ist er recht unleidlich. Ich werde rasch gehen und dort drüben für Ordnung sorgen. Falls Seto auftaucht, kümmere dich um ihn." „Sehr wohl." Leila eilte zu dem Winkel des Gartens hinüber, in dem sich die Konkubinen befanden und aus dessen Richtung zänkisches Geschrei erklungen war. Eifersüchteleien waren bei ihnen an der Tagesordnung und es oblag der gestrengen Aufsicht der Sultanin-baschi, die Damen daran zu erinnern, dass sie keinen Streit duldete. Einige Zeit später traf tatsächlich der Fürst ein und seine drei Gemahlinnen begrüßten ihn ehrerbietig. „Ishizu, Kisara, Mai....wo ist meine Mutter?" erkundigte er sich ohne Umschweife. Seine Erste Frau warf den anderen beiden einen bezeichnenden Blick zu und sie entfernten sich lächelnd in ihre Gemächer, während die Ägypterin eine Zofe rufen ließ und ihr befahl, den kleinen Prinzen aus seiner Wiege zu holen. Kurz darauf schmiegte sich ein in Seide gewickeltes, selig schlummerndes Bündel in ihre Arme, mit einem braunen Gesichtchen und dunklen Haaren. Das Kind war vor drei Monaten geboren worden und der momentan einzige Stammhalter von Seto ab-del Kaiba, der Ishizus Position endgültig gefestigt hatte. „Ihr seht Euren Sohn so selten. Solltet Ihr etwa deswegen gekommen sein? Nein, mich dünkt, Euch beschäftigt etwas gänzlich anderes. Wollt Ihr Euch mir anvertrauen?" „Ich wünsche mit der Herrin zu sprechen und nicht mit dir", entgegnete er gereizt, doch sie ignorierte die unfreundliche Bemerkung und drückte ihm das Baby an die Brust. Er war sichtlich überrumpelt, aber schließlich siegte die Neugier, seinen Sprössling zu begutachten, über seinen Unmut. Der Kleine schlug die blauen Äuglein auf und fasste mit seinen Fingerchen nach der väterlichen Hand, die über ihm schwebte. „Er ist neugierig, aber er lacht selten. Er ist ein ernstes Kind", erklärte die schöne Mutter. „Er schaut jeden offen und einschüchternd an, ganz wie Ihr. Was quält Euch, mein König? Hängt Eure Anwesenheit hier vielleicht mit dem temperamentvollen Jüngling zusammen, der das neueste Mitglied in Eurem Männer-Harem ist?" „Du hast deine Spione überall, wie? Nichts bleibt dir verborgen, Schnüfflerin!" „Euer Majestät ist im Begriff, das Bild einer indiskreten Person zu entwerfen, dessen ich mich schäme. Ich verfüge über keine Spione, aber Ihr erliegt einem Irrtum, wenn Ihr glaubt, dass alles, was sich im Harem zuträgt, nicht auch gerüchteweise in den Frauentrakt gelangt. Erzählt mir von ihm. Wie ist er so?" „Joseph? Er ist....trotzig. Und stur. Und von unglaublicher Frechheit! Er schert sich nicht im geringsten um meine Autorität und wagt es, mir Widerworte zu geben!" „Nun, Widerworte musstet Ihr Euch von all jenen gefallen lassen, die jetzt Eure Favoriten sind. Das ist also nicht so ungewöhnlich wie Ihr behauptet." „Das ist es nicht allein! Die Favoriten haben zumindest eine Spur von Respekt gezeigt, aber Joseph erachtet nicht einmal das für angebracht! Er demütigt mich, provoziert mich, behandelt mich wie ein unartiges Kleinkind! Er gestattet sich, mich zu maßregeln und erdreistet sich, Hand an mich zu legen! Und doch....hat er sich küssen lassen. Oh, er ist der Leidenschaft, der Ekstase fähig....er weiß, wie man die Lust eines Mannes entfacht....er vermag einen schier unstillbaren Hunger zu wecken, einen Hunger nach ihm und seinen Berührungen....Und er ist stolz! Die Härte seines Willens....sie macht einen rasend vor Zorn, und ist zugleich bewundernswert. Er versteht es auch, seinen Verstand zu benutzen....er ist schlagfertig und...." „....schön?" „Wunderschön." antwortete der Sultan. Es klang beinahe wie ein Seufzer. „Sein Körper ist von der Vollkommenheit einer Statue....sein Antlitz....in ihm vermischen sich so viele Gefühle....nie scheint es einen Ausdruck zu tragen, den ich wirklich schon genau kenne....und dieses Haar.... dieses lange, goldene Fließ....von so reicher und blühender Färbung....und seine Augen! Oh Allah, diese Augen....so heiß und glühend...." Verstört richtete er sich auf und reichte Ishizu den Säugling. Er hatte mehr gesagt, als er wollte, aber das war nicht das erste Mal, dass seine Lieblingsfrau ihn dazu veranlasste. Sie schmunzelte in sich hinein und nickte verständnisvoll. Sie verstand ohne Probleme, welche Macht den Fürsten gepackt hatte, doch sie hütete sich, irgendeine Andeutung zu äußern. Diese Aufgabe fiel Leila-Satis zu und pünktlich betrat die stattliche Dame die Szene der Unterhaltung. „Da seid Ihr ja, Mutter." Er verneigte sich halb, um seine Wertschätzung und seinen Respekt auszudrücken. Sie ließ ihm ein Nicken zuteil werden. Ishizu zog sich mit dem Baby zurück und die Sultanin-baschi nahm wieder auf ihrem Diwan Platz. „Ich habe soeben ein paar Zwistigkeiten unter deinen Konkubinen geschlichtet. Sie fühlen sich vernachlässigt, aber das ist nun mal eines der Übel, mit dem sie sich arrangieren müssen, wenn sie im Palast leben wollen. Schließlich gilt deine Vorliebe dem eigenen Geschlecht und mit der Konkurrenz aus dem Harem müssen alle Frauen umzugehen lernen. Du bevorzugst eben Männer, das kann man nicht ändern." „Eines der Übel, mit dem sie sich arrangieren müssen? Was ist das andere?" „Dein Charakter." erwiderte sie unverblümt und Seto ab-del Kaiba schenkte ihr einen pikierten Blick, sagte aber nichts. Er war sich im Klaren darüber, wie klug seine Mutter war und sie kannte ihn besser als jeder andere Mensch des Reiches. Sie war die einzige, die das Vorrecht genoss, ihn maßregeln zu dürfen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen und er suchte immer wieder Rat und Beistand bei ihr, da sie für ihn die vertrauenswürdigste Person der Welt war. So unterließ er es, näher auf ihre Bemerkung einzugehen und erzählte ihr statt dessen von Joseph, in etwa mit den gleichen Worten, die er gegenüber seiner Ersten Gemahlin gebraucht hatte. Leila beobachte den Sultan und war überrascht, so viel Gefühl in seinem Gesicht erkennen zu können, während er sprach. Ihr Interesse an dem Briten wuchs - sie musste den jungen Mann kennen lernen, dem es gelungen war, das Herz ihres Sohnes zu erschüttern, unbedingt! „Was ist nur mit mir los, Mutter? Meine Selbstkontrolle entgleitet mir in seiner Nähe, er macht mich rasend und zugleich verspüre ich den Wunsch, mit ihm zu plaudern wie mit einem Ebenbürtigen, mit ihm über alles zu reden, was mich bewegt....ich bin sehr verwirrt." „Das erstaunt mich nicht. Du dürftest zum ersten Mal mit diesem Gefühl konfrontiert werden. Dein Vater war ähnlich durcheinander, als er mich kennenlernte. Es gibt Begegnungen, die schicksalshaft sind....und ich glaube, dieser Joseph ist dein Schicksal." „Das ist doch wohl nicht Euer Ernst?" „Warum nicht? Du überschätzt deine Bedeutung, mein Sohn. Ich bin nicht immer da, um dir den Kopf zurechtzurücken und es kann dir gar nicht schaden, wenn dich mal einer deiner Erwählten ein bisschen zappeln lässt. Ich erinnere mich zwar, dass deine Favoriten alle relativ unwillig waren, als sie erstmals ihren ‚Haremsdienst‘ ausführen sollten, aber....wie lange haben sie dich hingehalten?" „Marik brachte es auf vier Wochen, Duke auf fünfeinhalb, Bakura zierte sich sieben Wochen lang und Yami verweigerte sich ganze acht Wochen. Und Joseph....ich weiß es nicht, doch ich hege die Befürchtung, dass er den Rekord brechen wird." „Das wäre sehr amüsant." Der Sultan unterließ es, etwas darauf zu erwidern. Er wünschte keineswegs, dass der Blondschopf ihm über eine so große Zeitspanne hinweg widerstand, obwohl er im Grunde bereits darauf vorbereitet war. Er verabschiedete sich von seiner Mutter und kehrte in seine Gemächer zurück. „Es gibt Begegnungen, die schicksalshaft sind....und ich glaube, dieser Joseph ist dein Schicksal." Sie hatte sehr überzeugt geklungen. Sollte das möglich sein? Würde er erfahren, was die Dichter jener Lieder, die er so gerne sang, tatsächlich meinten, wenn sie von der wahren Liebe erzählten? Er warf sich auf sein Bett und murmelte: „Lächerlich!" Doch während er langsam ins Reich der Träume hinüber sank, nahm Joeys schöne Erscheinung in seinem Kopf Gestalt an und lächelte ihm zu. Er, der mächtige Herrscher von Marokko, sollte die Liebe entdecken? Niemals. Wirklich niemals....? Ich weiß, Seto hat nicht auf Joeys Frage geantwortet, aber nein, ich habe es nicht vergessen - die Antwort kommt im nächsten Kapitel!^^ Bis dann! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)